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Bw-Beachen 2011 - FöG

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Fotos (2): dpa<br />

Romanus Kohl während eines<br />

Gesprächs mit einem Soldaten.<br />

Mehr als 100 davon hat er schon<br />

im ersten Jahr geführt.<br />

Seedorf. An seinen ersten gefallenen<br />

Soldaten kann sich Romanus<br />

Kohl noch ganz genau erinnern. Am<br />

7. Oktober 2010 verübten die Taliban<br />

einen Selbstmordanschlag auf<br />

einen Bundeswehrkonvoi in Nord -<br />

afghanistan. Ein 26 Jahre alter Oberfeldwebel<br />

aus der Kaserne in Seedorf<br />

starb, sechs seiner Kameraden<br />

wurden verletzt. Noch am selben<br />

Tag klingelte der katholische Pfarrer<br />

bei der Lebensgefährtin des<br />

Gefallenen, um ihr die traurige<br />

Nachricht zu überbringen.<br />

Die junge Frau war ruhig und<br />

unglaublich gefasst. „Sie wusste<br />

gleich, was Sache ist“, erzählt Kohl.<br />

„Den Angehörigen wird vorher<br />

gesagt: Wenn ein Pfarrer vor der Tür<br />

steht, ist was Schlimmes passiert.“<br />

Seit fast zwei Jahren arbeitet Kohl<br />

als Militärseelsorger in der Kaserne<br />

im Kreis Rotenburg (Niedersachsen).<br />

Mit Todesfällen musste er sich<br />

in der kurzen Zeit gleich mehrmals<br />

beschäftigen: 1100 Soldaten rückten<br />

im vergangenen Jahr von Seedorf<br />

nach Afghanistan aus, vier Fallschirmjäger<br />

überlebten den Einsatz<br />

am Hindukusch nicht.<br />

52 Bundeswehrsoldaten sind<br />

seit Beginn des Afghanistan-Krieges<br />

2001 ums Leben gekommen. 34<br />

von ihnen starben bei Gefechten<br />

oder Anschlägen. In solchen Zeiten<br />

haben die Militärpfarrer viel zu tun.<br />

Denn mit der Zahl der Toten steigt<br />

auch die Angst der Männer und<br />

Frauen vor dem Dienst in dem Krisengebiet.<br />

Gerade erst hat Kohl mit<br />

einem Soldaten gesprochen, der am<br />

1. Juli nach Afghanistan geht. „Er<br />

hat gesagt, er lässt es nicht an sich<br />

ran. Er hofft, dass alles gut geht.“<br />

Über ihre Ängste und Sorgen<br />

wollen viele in der Kaserne jedoch<br />

nicht offen sprechen. „Es wird viel<br />

verdrängt“, sagt Kohl. Auch zu Hause<br />

erzählen die Soldaten wenig, um<br />

ihre Familie nicht zu belasten. Ande-<br />

Blickpunkt Militärseelsorge Die Bundeswehr Juli <strong>2011</strong> 37<br />

Schmerzvoller Moment:<br />

Wenn der Militärpfarrer klingelt<br />

Wieder trägt Deutschland Soldaten zu Grabe. Militärseelsorger wie<br />

Romanus Kohl haben in diesen Zeiten viel zu tun. Sie überbringen den<br />

Familien die Todesnachricht und sind für Soldaten da, die vor ihrem<br />

Afghanistan-Einsatz Ängste plagen.<br />

re fürchten wiederum, als Schwächlinge<br />

dazustehen. „Sie meinen, sie<br />

müssen den coolen Macho raushängen<br />

lassen.“ Mit Kohl und seinem<br />

evangelischen Kollegen Bernd<br />

Göde können die rund 3500 Männer<br />

und Frauen dagegen über alles<br />

reden, ohne dass etwas nach außen<br />

dringt.<br />

Die beiden Pfarrämter befinden<br />

sich in einem unscheinbaren Klinkerbau<br />

mitten auf dem Kasernengelände.<br />

Psychologe und Sozialdienst<br />

sitzen auf demselben Flur.<br />

Kohl empfängt die Soldaten an<br />

einem kleinen Tisch in seinem Büro.<br />

Hellgrüne Kissen liegen auf den<br />

Sesseln, an der Wand hängt ein Kruzifix,<br />

in der Ecke steht die Fahne der<br />

katholischen Militärseelsorge. Kohl<br />

selbst hat nicht gedient. Auch den<br />

Einsatz von Waffen lehnt der 48-<br />

Anzeige<br />

Jährige ab. „Ich muss das nicht gutheißen.<br />

Ich muss nur Verständnis<br />

haben.“ Mehr als 100 Gespräche hat<br />

Kohl allein in seinem ersten Jahr in<br />

Seedorf geführt. Auch wegen Beziehungsproblemen,<br />

bevorstehenden<br />

Versetzungen oder Streitigkeiten<br />

mit den Kameraden kommen seine<br />

Schützlinge zu ihm. Immer mehr<br />

wenden sich auch nach einem Auslandseinsatz<br />

an ihn – weil sie die Bilder<br />

einfach nicht vergessen können.<br />

„Die Dinge, die die Soldaten sehen,<br />

werden schlimmer. Und auch die<br />

Dauerängste traumatisieren“, erläutert<br />

Kohl.<br />

Im Juli nächsten Jahres geht<br />

auch der Pfarrer an die Front. Denn<br />

für Militärseelsorger gilt dasselbe<br />

wie für ausgebildete Berufssoldaten:<br />

Wer gesund und belastbar ist,<br />

der muss. Mehrere Monate wird<br />

Trauerfeiern in Afghanistan<br />

abzuhalten, zählt zu den traurigsten<br />

Aufgaben für Militärpfarrer.<br />

Kohl die Männer und Frauen im<br />

Bundeswehrfeldlager in Masar-i-<br />

Scharif betreuen. Das ist zwar noch<br />

lange hin. „Gedanklich bin ich aber<br />

schon da.“ Mit jedem getöteten Soldaten<br />

ein bisschen mehr. dpa

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