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Ungenutzt und ungeliebt - Verein für Natur

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IRRGEISTER<br />

<strong>Natur</strong>magazin des <strong>Verein</strong>s <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Vogelschutz im HSK e.V.<br />

23. Jhg. 2006<br />

25 Jahre VNV -<br />

Rückblick, Einblick, Ausblick<br />

IRRGEISTER 1/2006 1


2 IRRGEISTER 1/2006<br />

Impressum Inhalt<br />

Herausgeber:<br />

<strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Vogelschutz im<br />

Hochsauerlandkreis e.V.<br />

Geschäftsstelle: Voßwinkelerstraße 52<br />

59757 Arnsberg-Voßwinkel<br />

VNV-Station: Sauerlandstr. 74a, (Kloster Bredelar)<br />

34431 Marsberg-Bredelar<br />

Tel. 02991/908136<br />

Internet: www.vnv-hsk.de<br />

e-mail: mail@vnv-hsk.de<br />

Vorstand:<br />

Bernhard Koch 1. Vorsitzender 02932/24243<br />

viper8410@web.de<br />

Franz-Josef Stein 1. stellv. Vors. 02991/1281<br />

bfj-stein@t-online.de<br />

Johannes Schröder 2. stellv. Vors. 02991/1599<br />

j-e-schroeder@t-online.de<br />

Harald Legge Schriftführer, Ornith. AG<br />

02962/880669<br />

Haraldlegge@web.de<br />

Richard Götte Schatzmeister 02961/908710<br />

Richard.Goette@t-online.de<br />

Erweiterter Vorstand:<br />

Veronika Falkenstein 02961/8778<br />

V.Falkenstein@t-online.de<br />

Michaela Hemmelskamp 0291/51737<br />

wilkens66@aol.com<br />

Gerd Kistner 02932/37832<br />

gerd-kistner@t-online.de<br />

Sven Kuhl 02992/907700<br />

(Reptilien <strong>und</strong> Amphibien)<br />

Jörg Langanki 02933/921119 (Botanik-AG)<br />

MrBot22@aol.com<br />

Martin Lindner 02933/5639 (Wanderfalken)<br />

Falkmart1960@aol.com<br />

Erich Neuß 02931/6879 (Nisthilfen)<br />

Norbert Schröder 02992/4764 (Rotes Höhenvieh)<br />

BrigitteNorb.S@t-online.de<br />

Wolfgang Wilkens 0291/51737<br />

wilkens66@aol.com<br />

Vorstandsitzung:<br />

Jeden 2. Freitag im Monat, 19.15-22.30 Uhr, Gasthof<br />

Hengsbach, Bestwig. Die Sitzung ist öffentlich.<br />

Die Rechte der Vervielfältigung <strong>und</strong> auszugsweisen<br />

Wiedergabe liegen bei den Herausgebern. Für den<br />

Inhalt sind die Verfasser verantwortlich.<br />

Die Irrgeister werden allen Mitgliedern des VNV<br />

kostenlos zugesandt.<br />

Die Irrgeister werden auf weißem Recyclingpapier<br />

gedruckt.<br />

Bankverbindungen:<br />

Sparkasse Hochsauerland Brilon Kto.-Nr. 68577<br />

(BLZ 41651770)<br />

Volksbank Thülen eG, Brilon-Thülen<br />

Kto.-Nr. 4002100900 (BLZ 40069371)<br />

25 Jahre VNV - ein Gr<strong>und</strong> zu feiern?! S. 3<br />

Lebendiger <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland -<br />

Ein Überblick über 25 Jahre VNV S. 4<br />

Aufruf: Doppelt gelesen hält besser! S. 8<br />

Malochen <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz - Pflegemaßnahmen<br />

im 14-Tage-Rhythmus S. 9<br />

Kleinode in unserer Landschaft - Pflanzenraritäten<br />

im Hochsauerlandkreis S. 14<br />

Schmuckstücke des <strong>Natur</strong>schutzes zu altem<br />

Glanz erweckt S. 20<br />

<strong>Ungenutzt</strong> <strong>und</strong> <strong>ungeliebt</strong> - von der erfolgreichen<br />

Rettung der Sauerländer Feuchtwiesen S. 23<br />

Die Bruchhauser Steine - auch Riesen sind<br />

bedroht S. 26<br />

Schmackhaftes aus wertvollem Lebensraum -<br />

Ostwiesen im Sauerland S. 29<br />

Verborgenes Leben - Amphibien <strong>und</strong> Reptilien<br />

im Sauerland S. 32<br />

Die „Roten“ pflegen wieder Kulturlandschaft -<br />

DAs VNV-Projekt „Rotes Höhenvieh“ S. 35<br />

<strong>Natur</strong>schutz findet nicht nur draußen statt! -<br />

Arbeit am Schreibtisch <strong>und</strong> in Gremien S. 38<br />

Faustschlg gegen die <strong>Natur</strong> - Das geplante<br />

Landschaftsgesetz S. 41<br />

Beitrag der LNU: Eckpunkte zur Novellierung<br />

des Landschaftsgesetzes S. 41<br />

Kästen <strong>und</strong> Brutnischen <strong>für</strong> seltene Vögel -<br />

Artenhilfsprogramm durch Nisthilfen S. 44<br />

Redaktion <strong>und</strong> Layout: Veronika Falkenstein<br />

Harald Legge<br />

Titelfoto: NSG „Kregenberg“<br />

Foto: H. Legge<br />

Rückseite: Schafe im NSG<br />

„Sonderkopf“ Foto: R. Götte<br />

Die Autoren dieser Ausgabe sind: Richard Götte, Bernhard Koch, Sven Kuhl, Jörg Langanki, Harald Legge, Martin Lindner,<br />

Johannes Schröder, Norbert Schröder, Werner Schubert


25 Jahre VNV -<br />

ein Gr<strong>und</strong> zu feiern?!<br />

Unser „<strong>Verein</strong> <strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong><br />

Vogelschutz im Hochsauerlandkreis“<br />

wird in diesem Jahr 25<br />

Jahre jung.<br />

Dies ist uns ein Anlass, Ihnen<br />

einen Überblick über unsere Arbeit<br />

zu geben, Resümee zu ziehen<br />

<strong>und</strong> uns natürlich auch über Erfolge<br />

unseres Einsatzes zu freuen.<br />

Lebensräume erhalten!<br />

Die Lektüre dieses IRRGEISTER-<br />

Heftes (benannt nach einem wertvollen<br />

Feuchtwiesengebiet, den „Irrgeistern“<br />

bei Winterberg-Grönebach) zeigt Ihnen,<br />

dass der Schutz der vielfältigen Lebensräume<br />

unseres Kreises unsere Arbeit bestimmt.<br />

Lebensräume <strong>und</strong> Landschaften,<br />

in denen eine ungezählte Fülle von Tieren<br />

<strong>und</strong> Pflanzen existiert – <strong>und</strong> die fast<br />

ausschließlich durch menschliche Bewirtschaftung<br />

<strong>und</strong> Lebensweise entstanden.<br />

Diese „<strong>Natur</strong>“ ist also Teil einer in<br />

Generationen gewachsenen Kulturlandschaft.<br />

Indem sich der VNV <strong>für</strong> deren<br />

Erhalt einsetzt, betreibt er nicht nur <strong>Natur</strong>schutz,<br />

sondern auch Kulturschutz.<br />

Besonders deutlich wird dies bei den<br />

Aufsätzen über das Beweidungsprojekt<br />

Kalkmagerrasen <strong>und</strong> über unsere Arbeit<br />

mit dem „Roten Höhenvieh“.<br />

Den Gefährdungen gegensteuern!<br />

Doch die Bedrohungen unserer Sauerländer<br />

<strong>Natur</strong>schätze insgesamt sind<br />

vielfältig. Darum würde eine Beschränkung<br />

unserer Aktivitäten nur auf die von<br />

uns betreuten Schutzgebiete, insgesamt<br />

immerhin gut 250 ha kreisweit, nicht<br />

ausreichen.<br />

Wie wir versuchen, der <strong>Natur</strong> im HSK<br />

eine Stimme zu geben – oft seine einzige<br />

Stimme – z. B. in verschiedenen Gremien<br />

<strong>und</strong> als gesetzlich anerkannter<br />

<strong>Natur</strong>schutzverband, können Sie ebenfalls<br />

in diesem Heft lesen.<br />

Forschung <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz!<br />

Die Verbreitung besonders der seltenen<br />

Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten zu erforschen,<br />

ist uns ebenfalls ein Anliegen (siehe<br />

z. B. die Artikel über die Ornithologische<br />

Arbeitsgemeinschaft <strong>und</strong> über<br />

botanische Kostbarkeiten im HSK).<br />

Nicht zuletzt dadurch können wir bei<br />

Gefährdungen seltener Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenvorkommen fachlich f<strong>und</strong>iert<br />

gegenüber Behörden <strong>und</strong> Öffentlichkeit<br />

argumentieren.<br />

Gegenwind<br />

Doch in den letzten Jahren <strong>und</strong> besonders<br />

in den zurückliegenden Monaten<br />

wird sichtbar: Der Schutz unserer<br />

<strong>Natur</strong> verliert drastisch an politischer<br />

Bedeutung. Denen, die sich <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong><br />

einsetzen, weht der Wind ins Gesicht.<br />

Auch <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland<br />

ist deprimierend, dass ...<br />

... seltene Biotoptypen wie magere<br />

Bergwiesen nun keinen gesetzlichen<br />

Schutz mehr genießen.<br />

... Fördermittel <strong>für</strong> unsere ehrenamtlichen<br />

Pflegemaßnahmen fast nicht mehr<br />

zu bekommen sind.<br />

... die Biologischen Stationen in NRW<br />

in den letzten Jahren 25% ihrer Landesförderung<br />

verloren haben. Das heißt<br />

weniger Personal bei gleichzeitig wachsenden<br />

Aufgaben <strong>und</strong> einer steigenden<br />

Anzahl von Schutzgebieten, die sie betreuen<br />

sollen.<br />

... der Hochsauerlandkreis <strong>für</strong> seine<br />

Arbeit in den Schutzgebieten keine Mittel<br />

mehr erhält.<br />

... <strong>für</strong> die Umsetzung der Landschaftsplanung,<br />

die ja wesentlich auch<br />

<strong>Natur</strong>schutzplanung ist, keine Landesmittel<br />

mehr zur Verfügung stehen.<br />

... der Hochsauerlandkreis jedes Jahr<br />

20.000 Euro im Vertragsnaturschutz einsparen<br />

muss.<br />

Der <strong>Natur</strong>schutzetat des Landes<br />

NRW wurde von 45 Mio. in 2001 auf<br />

21 Mio. Euro 2006 zusammengestrichen.<br />

„Schlaraffenland ist eben vorbei“,<br />

meint dazu der FDP-Fraktionschef im<br />

Landtag, Papke. 1 Dies gilt angesichts<br />

leerer Kassen jedoch nicht <strong>für</strong> alle: In<br />

diesem Jahr wird <strong>für</strong> NRW-Autobahnen<br />

die Rekordsumme von 834 Mio. Euro<br />

verbaut. 2 Die Ausgaben der Landwirtschaftskammer<br />

sollen von 82 Mio. 2005<br />

auf 98 Mio. Euro im laufenden Jahr gesteigert<br />

werden. 3 Weitere Beispiele lassen<br />

sich anführen. Von allgemeinen<br />

Haushaltskürzungen ist der <strong>Natur</strong>schutz<br />

überproportional betroffen.<br />

Nicht nur wir haben den Eindruck,<br />

dass qualifizierter <strong>Natur</strong>schutz heutzutage<br />

von vielen Politkern als Bedrohung<br />

<strong>und</strong> lästiges Störelement empf<strong>und</strong>en<br />

wird – sei es der behördliche oder ehrenamtliche<br />

– <strong>und</strong> auf diese Weise<br />

ge(er?-)drosselt werden soll. Ethische<br />

Überlegungen oder der Wert von Artenvielfalt<br />

<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>räumen <strong>für</strong> unsere Lebensqualität<br />

scheinen eher unwichtig zu<br />

werden. Lesen Sie dazu den Artikel zur<br />

Novellierung des NRW-Landschaftsgesetzes.<br />

Wir bleiben am Ball!<br />

Aber auch angesichts dieser zur Zeit<br />

deutlich verschlechterten Rahmenbedingungen<br />

werden wir vom VNV auch in<br />

den nächsten 25 Jahren beharrlich <strong>und</strong><br />

konsequent <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland<br />

betreiben!<br />

Unsere Erfolge – auch hierzu finden<br />

Sie vielfältige Beispiele in diesem Heft –<br />

sowie die oft gute Zusammenarbeit mit<br />

Unterer Landschaftsbehörde, Amt <strong>für</strong><br />

Agrarordnung, Bezirksregierung <strong>und</strong><br />

Biologischer Station geben uns Mut, mit<br />

Ihrer Unterstützung diesen noch steiniger<br />

gewordenen Weg weiterzugehen.<br />

Harald Legge<br />

1 <strong>Natur</strong>schutz heute 3/06, S. 3<br />

2 Westfalenpost vom 24.06.06<br />

3 <strong>Natur</strong>schutz heute 3/06, S. 3<br />

IRRGEISTER 1/2006 3


Lebendiger <strong>Natur</strong>schutz im Sauerland<br />

- Ein Überblick über 25 Jahre VNV<br />

In punkto <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>k<strong>und</strong>e war das Sauerland bis Anfang der 1980er Jahre ein „schwarzes<br />

Loch“. Man besaß praktisch kein aktuelles Wissen über Vorkommen <strong>und</strong> Verbreitung von Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenarten im Hochsauerlandkreis. Es gab keine ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzaktivitäten. Bereits 1980<br />

wurden daher über den damaligen Leiter der staatlichen Vogelschutzwarte, Herrn. Dr. Theodor Mebs,<br />

Ornithologen, Botaniker <strong>und</strong> sonstige an der <strong>Natur</strong> interessierte Personen angesprochen, ob es nicht<br />

möglich sei, dieses „schwarze Loch“ mit Leben zu füllen. Aus ersten lockeren Treffen entwickelte sich<br />

bald die Gründung des VNV.<br />

Am Anfang Straßenneubauamtes Soest, Herr Lahrmann,<br />

sowie R. Loske, Geseke, <strong>für</strong> den<br />

Am 08.11.1981 treffen sich 30 „naturinteressierte“<br />

Personen in Meschede zur<br />

Gründungsversammlung des „<strong>Verein</strong>s<br />

<strong>für</strong> <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Vogelschutz im Hochsauerlandkreis<br />

e.V.“ (VNV). Zum ersten<br />

Vorsitzenden des VNV wird Herr Werner<br />

Fröhlich aus S<strong>und</strong>ern-Amecke gewählt.<br />

Im Sommer 1982 wird der <strong>Verein</strong><br />

ins <strong>Verein</strong>sregister eingetragen <strong>und</strong><br />

als gemeinnützig anerkannt.<br />

Bereits in den ersten Jahren beginnt<br />

unser <strong>Verein</strong> damit, sich in die verschiedensten<br />

Dinge einzumischen – so sahen<br />

es manche Personen, die nun nicht mehr<br />

in der <strong>Natur</strong> machen konnten, was sie<br />

wollten – bzw. viele Dinge zu verbessern.<br />

Aller Anfang ist allerdings schwer,<br />

waren doch die Behörden <strong>und</strong> Kommunen<br />

des Sauerlandes nicht gewohnt, dass<br />

nun ein <strong>Natur</strong>schutzverein der <strong>Natur</strong> eine<br />

Stimme gibt.<br />

Eine erste große Veranstaltung, die<br />

den <strong>Verein</strong> auch nach außen bekanntmachen<br />

soll, findet am 14.11.1984 in<br />

S<strong>und</strong>ern-Stockum statt, unter dem Titel<br />

„Mit Wildscheinen auf du <strong>und</strong> du“. Sie<br />

ist initiiert vom damaligen Vorsitzenden,<br />

Herrn Fröhlich. Referent ist der bekannte<br />

Wildbiologe Heinz Meynhardt aus der<br />

damaligen DDR.<br />

Am 16.09.1985 veranstaltet der VNV<br />

eine Podiumsdiskussion in Arnsberg unter<br />

dem Titel – „Fernstraßenbau im Sauerland<br />

– Pro <strong>und</strong> Contra“. Als Podiumsteilnehmer<br />

waren die damaligen B<strong>und</strong>estagsabgeordneten<br />

<strong>für</strong> das Sauerland,<br />

Herr F. Tillmann/CDU, F. Müntefering/<br />

SPD, D. J. Cronenberg/FDP <strong>und</strong> St.<br />

Schulte/Grüne, außerdem der Leiter des<br />

4 IRRGEISTER 1/2006<br />

<strong>Natur</strong>schutz eingeladen. Leider lassen<br />

sich alle Volksvertreter durch Kreisdelegierte<br />

vertreten. Die Diskussionsleitung<br />

übernimmt Herr Prof. W. Stichmann,<br />

Möhnesee. Gut 200 Zuhörer verfolgen<br />

die lebhafte Veranstaltung.<br />

Die Arbeitseinsätze<br />

Im Winterhabjahr 1983/84 führen wir<br />

erstmals an den Wochenenden Arbeitseinsätze<br />

auf <strong>Natur</strong>schutzflächen durch.<br />

Damit beginnt eine Tradition der praktischen<br />

Verbesserung vieler wertvoller<br />

Lebensräume. Als erster Termin wird der<br />

12.11.1983 auf der Wacholderheide in<br />

Hallenberg-Braunshausen festgelegt, um<br />

störende Gebüsche zu beseitigen.<br />

In den vergangenen gut 20 Jahren hat<br />

der VNV mehrere h<strong>und</strong>ert Arbeitseinsätze<br />

im gesamten Hochsauerlandkreis<br />

durchgeführt. Die Ergebnisse dieser -<br />

zigtausenden ehrenamtlichen Arbeitsst<strong>und</strong>en<br />

dürfen sich sehen lassen, wäre<br />

doch so mancher Kalkmagerrasen, so<br />

manche Ginsterheide oder Feuchtwiese<br />

ohne unsere Tätigkeit wohl längs verschw<strong>und</strong>en<br />

oder als schützenswerter<br />

Landschaftsteil kaum noch zu erkennen.<br />

Behördenkontakte<br />

Aber nicht nur auf praktischem Gebiet<br />

entwickeln sich unsere Aktivitäten.<br />

Im Juli 1984 erstellt der VNV eine<br />

umfangreiche Stellungnahme zum Bau<br />

der geplanten Renau-Trinkwassertalsperre,<br />

die dem Umweltministerium in


Düsseldorf übersandt wird. Wenig später<br />

wird vom <strong>Verein</strong> ein Sperrgr<strong>und</strong>stück<br />

im Bereich der geplanten Talsperre erworben,<br />

das sich heute noch in unserem<br />

Besitz befindet. Glücklicherweise werden<br />

die weiteren Planungen zum Bau der<br />

Talsperre einige Jahre später eingestellt,<br />

die zum Verlust dieses hoch schützenswerten<br />

Tales geführt hätten.<br />

An den Oberkreisdirektor des Hochsauerlandkreises<br />

wird im Herbst 1985<br />

eine Dokumentation über die aus unserer<br />

Sicht völlig überzogenen Gewässerunterhaltungsmaßnahmen<br />

im Sauerland<br />

übersandt. Damit protestieren wir gegen<br />

die Zerstörung von naturnahen Fließgewässern<br />

durch unsinnige <strong>und</strong> überzogenen<br />

Baumaßnahmen an Gewässern.<br />

Gleichzeitig soll ihm im Herbst 1985 der<br />

„Dickste Umwelthammer“ als Auszeichnung<br />

<strong>für</strong> die oftmals vermeidbaren Zerstörungen<br />

bei Unterhaltungsmaßnahmen<br />

an Fließgewässern im HSK verliehen<br />

werden. Diese Negativauszeichnung soll<br />

er symbolisch <strong>für</strong> die Arbeit der unteren<br />

Wasserbehörde überreicht bekommen.<br />

Allerdings verweigert er eine Annahme.<br />

Nach Gesprächen mit der Bezirksregierung<br />

werden die Ausbaumaßnahmen<br />

an Gewässern im Sauerland stark zurückgenommen<br />

– eines von vielen Beispielen,<br />

dass der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz<br />

nötig ist <strong>und</strong> Positives erreichen<br />

kann.<br />

Durch unseren <strong>Verein</strong> werden mehrere<br />

Bürgeranträge an alle Städte <strong>und</strong><br />

Gemeinden des HSK gestellt. Themen<br />

sind der Verzicht auf Verwendung von<br />

Torf in öffentlichen Anlagen, die Vermeidung<br />

von Tropenholz in bzw. an öffentlichen<br />

Gebäuden, die Extensivierung von<br />

kommunalen, landwirtschaftlichen genutzten<br />

Flächen <strong>und</strong> der Klimaschutz.<br />

Seit 1984 ist unser <strong>Verein</strong> Mitglied der<br />

LNU („Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz<br />

<strong>und</strong> Umwelt NRW e.V.“) <strong>und</strong> somit anerkannt<br />

nach § 29 BnatSchG (B<strong>und</strong>esnaturschutzgesetz).<br />

Im Rahmen dieses<br />

Paragraphen haben wir seitdem die Möglichkeit,<br />

als „Träger öffentlicher Belange“<br />

bei vielen Planungen in <strong>Natur</strong> <strong>und</strong><br />

Landschaft eine Stellungnahme zu dem<br />

jeweiligen Planungsgegenstand abzugeben.<br />

Dieses Recht haben wir inzwischen<br />

rege genutzt. Straßenbau, Gewässerbau,<br />

Steinbrucherweiterungen, Baumaßnahmen<br />

in <strong>Natur</strong>schutzgebieten <strong>und</strong> vieles<br />

mehr gehört zu unserer §29-Arbeit.<br />

Arbeit im Landschaftsbeirat<br />

Bereits seit den 1980er Jahren engagiert<br />

sich der VNV intensiv im<br />

Landschaftsbeirat des HSK. In drei<br />

Wahlperioden stellten wir den Vorsitzenden<br />

des Beirats, was sicher auch die<br />

fachliche Kompetenz unseres<br />

<strong>Natur</strong>schutzvereins widerspiegelt.<br />

Mit den Fachbehörden des Kreises<br />

arbeiten wir seit langem sehr gut zusammen,<br />

was gewisse Spannungen bei der<br />

unterschiedlichen Beurteilung von<br />

<strong>Natur</strong>schutzfragen nicht ausschließt.<br />

Unregelmäßig finden – neben den „normalen“<br />

Kontakten zu Mitarbeitern der<br />

Unteren Landschaftsbehörde – Arbeitstreffen<br />

mit diesem Amt statt, wo versucht<br />

wird, offene Fragen zu klären.<br />

Dies gelingt auch in den allermeisten<br />

Fällen.<br />

In einem seit einigen Jahren laufenden<br />

Projekt zwischen Unterer<br />

Landschaftsbehörde, Forstbehörden <strong>und</strong><br />

dem VNV wird am Problem des Brutplatz-<br />

<strong>und</strong> besonders des Horstschutzes<br />

vom Schwarzstorch gearbeitet. Nach<br />

anfänglichen Berührungsängsten hoffen<br />

wir so, dem scheuen Waldstorch in Zukunft<br />

bei der Aufzucht seiner Jungvögel<br />

im Sauerland helfen zu können.<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Eine gute Öffentlichkeitsarbeit war<br />

uns bereits seit der Gründung unseres<br />

<strong>Verein</strong>s wichtig. Bei alljährlich wieder<br />

durchgeführten Exkursionen zu den unterschiedlichsten<br />

Themen wie Botanik,<br />

allgemeinem Landschaftsschutz <strong>und</strong> Vogelk<strong>und</strong>e<br />

versuchen wir, einem breiten<br />

Personenkreis die Schönheiten, aber<br />

auch die Schwierigkeiten in der <strong>Natur</strong><br />

näher zu bringen.<br />

In Presseartikeln stellen wir uns <strong>und</strong><br />

unsere Arbeit, aber auch die Probleme<br />

unserer Heimat ins rechte Licht.<br />

Zu Beginn unserer <strong>Verein</strong>sarbeit wurden<br />

Informationen innerhalb der <strong>Verein</strong>s<br />

mit einfachen Mitteln über kopierte „Loseblattsammlungen“<br />

an die Mitglieder<br />

weitergeben. Heute sind wir stolz auf<br />

unsere „IRRGEISTER“, in denen wir<br />

viele hoffentlich interessante Themen<br />

unseren Mitgliedern darstellen.<br />

IRRGEISTER 1/2006 5


6 IRRGEISTER 1/2006<br />

Als ein großes Projekt endlich abgeschlossen<br />

ist, sind alle Beteiligten nicht<br />

nur zufrieden mit dem Ergebnis, sondern<br />

vor allem auch erleichtert, dass nun die<br />

ganze Arbeit endlich geschafft ist: Nach<br />

jahrelangen Vorarbeiten erscheint im<br />

Herbst 1998 unser Buch „Handbuch<br />

<strong>Natur</strong> – Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt im Hochsauerland“.<br />

Wir hätten anfangs nie gedacht,<br />

wie viel Mühe es macht, ein Buch<br />

zu erstellen! Es werden in dem reich bebilderten<br />

Band allgemeinverständlich die<br />

Lebensräume des Sauerlands mit ihren<br />

typischen Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten vorgestellt<br />

<strong>und</strong> beschrieben. Nach vielen<br />

überaus positiven Kritiken konnte die<br />

erste <strong>und</strong> eine zweite Auflage innerhalb<br />

kurzer Zeit verkauft werden.<br />

Wir bekommen eine<br />

Station<br />

Bald ist eine Notwendigkeit <strong>für</strong> die<br />

aktiven VNV-Mitglieder zu erkennen:<br />

Wir brauchen ein festes Domizil. Im<br />

November 1985 bezieht der <strong>Verein</strong> daher<br />

einen Teil der leerstehenden Gr<strong>und</strong>schule<br />

in Arnsberg-Bachum als Stationsgebäude.<br />

Hier werden Treffen <strong>und</strong> Veranstaltungen<br />

durchgeführt <strong>und</strong> sie dient<br />

gleichzeitig als Büro. Die Zivildienstleistenden<br />

haben hier ihre Unterkunft <strong>und</strong><br />

Arbeitsgeräte <strong>und</strong> Materialien werden<br />

hier gelagert. Von 1994 bis 2000 befindet<br />

sich unsere Station in Arnsberg-<br />

Hüsten, ab Anfang 2001 in Marsberg <strong>und</strong><br />

seit 2005 im ehemaligen Kloster<br />

Bredelar.<br />

Projekte zum großräumigen<br />

Flächenschutz<br />

1985 startet der VNV die Aktion<br />

„Rettet die Feuchtwiesen“ im HSK. Diese<br />

Spendenaktion wird auch durch die<br />

heimische Presse durch viele kostenlose<br />

Anzeigen tatkräftig unterstützt.<br />

In den 80er Jahren beteiligt sich unser<br />

<strong>Verein</strong> an allen <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Umwelttagen<br />

im Sauerland. Unsere Infotafeln<br />

über Sauerländer Lebensräume <strong>und</strong> ein<br />

großer Büchertisch sowie die Präsentation<br />

von Tierpräparaten werden von vielen<br />

Besuchern dieser Umwelttage genutzt.<br />

Mehrfach finden diese Veranstaltungen<br />

in Arnsberg, S<strong>und</strong>ern, Brilon <strong>und</strong><br />

Meschede statt.<br />

Bereits kurze Zeit nach Gründung<br />

unseres <strong>Verein</strong>s werden immer wieder<br />

teils recht umfangreiche Anträge an die<br />

Bezirksregierung zur Ausweisung von<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebieten im gesamten HSK<br />

gestellt. Einem Großteil dieser Anträge<br />

wird danach stattgegeben; wertvolle Biotope<br />

sind rechtlich langfristig gesichert.<br />

<strong>Natur</strong>wissenschaftliche<br />

Arbeit<br />

Neben der <strong>Natur</strong>schutzarbeit führt der<br />

VNV umfangreiche Bestandsaufnahmen<br />

von Tieren, Pflanzen <strong>und</strong> Lebensräumen<br />

durch, getreu dem Gr<strong>und</strong>satz „Nur was<br />

man kennt, kann man auch schützen“.<br />

Dabei kommt viel Überraschendes zu<br />

Tage.<br />

Im Auftrag der LÖBF (Landesanstalt<br />

<strong>für</strong> Ökologie, Bodenordnung <strong>und</strong> Forsten)<br />

führt der VNV 1989 eine Kartierung<br />

der Flora <strong>und</strong> Fauna in schutzwürdigen<br />

Biotopen im HSK als Gr<strong>und</strong>lage<br />

<strong>für</strong> die Fortschreibung der Biotopkartierung<br />

durch. Diese Kartierung ist<br />

auch heute noch Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> Planer<br />

bei der Erarbeitung von Landschaftsplänen.<br />

Mehrere Arbeitskreise haben sich seit<br />

den Gründungsjahren gebildet. Die ornithologische<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

(OAG), die Botanik-AG <strong>und</strong> die Amphibien-AG<br />

sind <strong>und</strong> waren die Stützen bei<br />

der Erarbeitung von Daten aus der Tier<strong>und</strong><br />

Pflanzenwelt des Sauerlands.<br />

Die OAG führt in den Jahren 1984-<br />

89 eine Rasterkartierung der Brut- <strong>und</strong><br />

Sommervögel des HSK durch. Federführend<br />

wurde dieses Projekt von Heinz<br />

König geleitet, der auch 1991 einen<br />

Arbeitsatlas mit den Daten dieser Kartierung<br />

fertig stellte. Innerhalb der OAG<br />

werden in jedem Jahr die Verbreitungsdaten<br />

von gut 40 seltenen Brutvogelarten<br />

im HSK gesammelt <strong>und</strong> von Artbearbeitern<br />

zusammengefasst.<br />

Für das östliche Kreisgebiet erarbeitete<br />

Richard Götte in den vergangenen<br />

Jahren einen Verbreitungsatlas der<br />

Blütenpflanzen. Diese Daten werden<br />

ebenfalls in Buchform veröffentlicht werden,<br />

voraussichtlich im kommenden Jahr.


Never ending story ...<br />

Der Schutz der Bruchhauser Steine bei<br />

Olsberg gehört seit jeher zu unseren<br />

wichtigsten Aufgaben. Bereits in einem<br />

Schreiben vom 10.04.1985 an den Regierungspräsidenten<br />

in Arnsberg weisen<br />

wir auf die besondere Wertigkeit <strong>und</strong> Einmaligkeit<br />

der Bruchhauser Steine hin <strong>und</strong><br />

mahnen einen rechtlichen Schutz an. Das<br />

ungelenkte Klettern an den Steinen bedrohte<br />

besonders die botanischen Reliktvorkommen<br />

der Alpen-Gänsekresse <strong>und</strong><br />

des Lotwurzblättrigen Habichtskrauts<br />

sowie verschiedener Moose <strong>und</strong> Flechten,<br />

die teilweise in Norddeutschland nur<br />

hier nacheiszeitliche Standorte haben.<br />

Als 1989 die „Steine“ von einem<br />

Wanderfalkenpaar als erster Brutplatz in<br />

Nordrhein-Westfalen nach über 30 Jahren<br />

wiederbesiedelt werden, organisiert<br />

der VNV von 1990-2000 eine „R<strong>und</strong>um-die-Uhr-Bewachung“<br />

während der<br />

gesamten Brutphase. Über das Umweltministerium<br />

in Düsseldorf werden Mittel<br />

aus der Jagdabgabe freigestellt, um<br />

die vielen 100 ehrenamtlichen Bewacher<br />

wenigstens mit einem kleinen Taschengeld<br />

zu versorgen. Die Unterbringung<br />

erfolgt in einem kleinen Wohnwagen in<br />

direktem Sichtkontakt zur Brutnische.<br />

Durch diese Bewachungsaktion können<br />

wir insgesamt etwa 30 Jungfalken das<br />

Flüggewerden ermöglichen. Seit dem<br />

Jahr 2001 wird der Brutplatz von einigen<br />

Personen weiterhin intensiv betreut,<br />

aber nicht mehr dauerbewacht. Besonders<br />

durch die Wiederbesiedlung der<br />

„Steine“ durch Wanderfalke <strong>und</strong> Uhu<br />

konnte bis heute ein ganzjähriges Kletterverbot<br />

durchgesetzt werde, wie es auch<br />

im Landschaftsplan Olsberg bis heute<br />

festgeschrieben ist.<br />

Aber die Kletterleute machen mobil<br />

<strong>und</strong> versuchen durch beharrliche Lobbyarbeit<br />

bei der Landesregierung, das notwendige<br />

Kletterverbot abzuschaffen. Die<br />

<strong>Natur</strong> an den Felsen muss weiter<br />

bangen ...<br />

Die Medebacher Bucht<br />

Unsere jahrelangen naturwissenschaftlichen<br />

Forschungen zeigten, dass<br />

innerhalb der Sauerländer Lebensräume<br />

eine Region den Rang einer landeswei-<br />

ten, wenn nicht b<strong>und</strong>esweiten Bedeutung<br />

innehat: die Medebacher Bucht.<br />

Unsere Erarbeitung eines Raubwürger-Schutzkonzeptes<br />

<strong>für</strong> die<br />

Medebacher Bucht 1992 ist ein erster<br />

Baustein <strong>für</strong> die spätere Ausweisung<br />

zum Europäischen Vogelschutzgebiet.<br />

Im Herbst 1995 stellt der VNV einen<br />

Antrag auf Ausweisung zum IBA<br />

(Important Bird Area). Damit sticht der<br />

<strong>Verein</strong> in ein Wespennest.<br />

Am 10.09.1997 findet in der<br />

Medebacher Schützenhalle eine Bürgerversammlung<br />

mit 800 Personen statt, auf<br />

der ein baldiges Ende der landwirtschaftlichen<br />

Arbeit <strong>und</strong> wirtschaftlichen Entwicklung<br />

<strong>für</strong> die Medebacher Bucht<br />

durch die Ausweisung eines<br />

Vogelschutzgebietes prophezeit wird. Im<br />

Chor aufgehetzter Bürger orakeln Vertreter<br />

der Kommunen eine schwarze Zukunft<br />

voraus, käme ein solches Schutzgebiet.<br />

Im Frühjahr 1998 finden weitere<br />

Protestaktionen der Landwirtschaft gegen<br />

die geplante Ausweisung zum<br />

Vogelschutzgebiet statt.<br />

Trotz dieser von <strong>Natur</strong>schutzgegnern<br />

teilweise unter der Gürtellinie geführten<br />

Debatte findet am 19.04.2000 in<br />

Medebach die Unterzeichnung der <strong>Verein</strong>barung<br />

zum FFH- <strong>und</strong> Vogelschutzgebiet<br />

„Medebacher Bucht“ statt, die<br />

auch von unserem <strong>Verein</strong> als Vertreter<br />

der nach § 29 anerkannten Verbände<br />

mitunterzeichnet wird. Erzielt wird in<br />

langwierigen Verhandlungen unter<br />

Federführung des Umweltministeriums<br />

ein Kompromiss, den alle Seiten mittragen<br />

können. Heute profitiert auch der<br />

Tourismus von geschaffenen Möglichkeiten<br />

des <strong>Natur</strong>erlebens, z.B. in den<br />

Nuhnewiesen.<br />

Unterstützung durch die<br />

NRW-Stiftung<br />

Im Jahre 1988 bewirtschaftet der<br />

VNV bereits 16 Flächen mit gut 22 ha<br />

naturschutzgerecht nach den Vorgaben<br />

des Mittelgebirgsprogramms.<br />

Gleichzeitig wird ab 1989 auf VNV-<br />

Antrag an die NRW-Stiftung mit dem<br />

Ankauf naturschutzwürdiger Flächen im<br />

HSK begonnen. Damit beginnt eine äußerst<br />

fruchtbare Unterstützung durch die<br />

NRW-Stiftung. Ab 1991 können in großem<br />

Umfang Feuchtgrünländer auf der<br />

IRRGEISTER 1/2006 7


8 IRRGEISTER 1/2006<br />

Winterberger Hochfläche angekauft werden.<br />

So wurden z. B. im Namenlosetal<br />

bei Winterberg in den letzten Jahren die<br />

größten <strong>und</strong> wertvollsten Feuchtbereiche<br />

durch die Stiftung erworben <strong>und</strong> einige<br />

standortfremde Anpflanzungen beseitigt,<br />

beispielsweise Fichtenmonokulturen.<br />

Mit einem weiteren Bewilligungsbescheid<br />

werden uns <strong>für</strong> den Ankauf von<br />

wertvollen Kalkmagerrasen im<br />

Marsberger Stadtgebiet fast 2 Millionen<br />

DM von der NRW-Stiftung zur Verfügung<br />

gestellt. So können besonders an<br />

der Udorfer Mühle, im Hummel- <strong>und</strong><br />

Glockengr<strong>und</strong> große Flächen Kalkhalbtrockenrasens<br />

erworben werden.<br />

Diese Gebiete werden seit einigen<br />

Jahren von einem Schäfereibetrieb extensiv<br />

bewirtschaftet.<br />

Ein ähnliches Projekt läuft im Stadtgebiet<br />

Brilon, wo ein weiterer Schäfereibetrieb<br />

nach ökologischen Maßgaben<br />

Magergrünland bewirtschaftet.<br />

Heute betreut der VNV r<strong>und</strong> 250 ha<br />

erhaltenswerte Lebensräume. Der Ankauf<br />

einer kleinen Herde „Roten Höhenviehs“<br />

wird uns 1990 ebenfalls durch die<br />

NRW-Stiftung ermöglicht. Zur Zeit<br />

umfasst diese Herde 28 Tiere, die besonders<br />

am Wiemeckehang bei Obermarsberg<br />

<strong>und</strong> im Hemmecker Bruch bei<br />

Brilon-Madfeld gehalten werden.<br />

Mitstreiter gesucht!<br />

Sie, liebe Leser, wissen, dass unsere<br />

Aktivitäten sehr breit gefächert sind.<br />

Darüber sollen diese „IRRGEISTER“<br />

einen Überblick geben. Alle derzeitigen<br />

VNV-Aktiven würden sich freuen, wenn<br />

Sie bei der Lektüre Lust bekommen, in<br />

dem ein oder anderen Bereich aktiv mitzuarbeiten.<br />

Haben Sie keine Berührungsängste!<br />

Mitarbeiter werden <strong>für</strong> alle Arbeitsgruppen<br />

<strong>und</strong> sonstigen Aktivitäten gesucht<br />

<strong>und</strong> sind jederzeit willkommen!<br />

Bernhard Koch<br />

Aufruf: Doppelt gelesen<br />

hält besser!<br />

Man kann das IRRGEISTER-Heft nach dem Lesen ins Altpapier geben<br />

oder archivieren.<br />

Wir rufen alle VNV-Mitglieder auf, das Heft nach dem Lesen an andere<br />

Interessierte weiterzugeben. Auf diese Weise wird der VNV in der Öffentlichkeit<br />

bekannter, <strong>und</strong> dies ohne viel Aufwand <strong>und</strong> Kosten.<br />

Vielleicht ist dies <strong>für</strong> Ihre Bekannten der Anstoß, ebenfalls VNV-Mitglied<br />

zu werden <strong>und</strong> den <strong>Natur</strong>schutz zu unterstützen.<br />

Auch fremden Menschen können Sie das IRRGEISTER-Heft zugänglich<br />

machen, etwa indem Sie es bei Ihrem Hausarzt im Wartezimmer auslegen<br />

– oder im Aufenthaltsraum Ihrer Firma – oder in der Cafeteria Deiner<br />

Schule – oder ...<br />

Dies ist eine einfache, gute Werbung <strong>für</strong> unsere <strong>Natur</strong>schutzarbeit.<br />

Die Idee <strong>für</strong> die Aktion „Doppelt gelesen hält besser!“ stammt aus dem<br />

BUND-Magazin 3-06, der Mitgliederzeitschrift des „B<strong>und</strong>es <strong>für</strong> Umwelt<br />

<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz Deutschland“.<br />

Weitere Infos über den VNV schicken wir Ihnen<br />

gerne zu.<br />

Oder besuchen Sie unsere Homepage:<br />

www.vnv-hsk.de


Kalkmagerrasenpflege: Mähen, Entbuschen, Abharken - im NSG „Dahlberg“ bei Marsberg-Westheim,<br />

8.11.03 Foto: G. Kistner<br />

Malochen <strong>für</strong> den<br />

<strong>Natur</strong>schutz –<br />

Pflegemaßnahmen im 14-Tage-Rhythmus<br />

Jeden zweiten Samstag irgendwo im Sauerland: Um 9.00 Uhr morgens wird die Stille auf einer Feuchtwiese,<br />

einer Heide oder einem Halbtrockenrasen jäh durch den heulenden Motor einer Seilwinde, eines Freischneiders<br />

oder einer Motorsäge unterbrochen. Dann arbeiten dort etwa zehn bis 15 VNV-Aktive bis zum Nachmittag im<br />

Schweiße ihres Angesichts, um einen wertvollen Lebensraum zu erhalten.<br />

Diese Arbeitseinsätze, seit Gründung<br />

des VNV im Zwei-Wochen-Rhythmus<br />

von Mitte Juli bis Frühjahr alljährlich<br />

durchgeführt, sind ein Markenzeichen<br />

unseres <strong>Verein</strong>s. Da die von uns betreuten<br />

Schutzgebiete fast sämtlich durch<br />

kleinbäuerliche Wirtschaftsweise entstanden<br />

sind (Mähwiese, Schaf-, Ziegenoder<br />

Rinderweide), können sie nur<br />

durch diese oder eine nachgeahmte<br />

Wirtschaftsweise erhalten werden. Sonst<br />

würden die Flächen verbuschen <strong>und</strong> der<br />

Lebensraum langsam verschwinden. Wo<br />

wir eine naturschutzgerechte Bewirtschaftung<br />

nicht ermöglichen können –<br />

durch Verpachtung an Landwirte unter<br />

bestimmten Auflagen oder Beweidung<br />

mit dem vereinseigenen Roten Höhen-<br />

vieh – oder wo die Beweidung nicht so<br />

intensiv stattfindet, dass Gehölze durch<br />

sie allein zurückgedrängt werden, dann<br />

findet dort ein Arbeitseinsatz statt.<br />

Unsere Einsatzsaison beginnt im<br />

Sommer/Spätsommer mit dem Mähen<br />

von Feuchtwiesen, wenn die Wiesenvögel<br />

ihre Brut beendet <strong>und</strong> die bedrohten<br />

Pflanzen, z. B. verschiedene Orchideenarten<br />

oder die seltene Trollblume,<br />

ausgesamt haben.<br />

Von Oktober bis Februar werden<br />

Kalkhalbtrockenrasen, überwiegend im<br />

Raum Marsberg-Brilon, Heiden <strong>und</strong> andere<br />

Magerweiden kreisweit entkusselt.<br />

Das bedeutet, aufkommender Gehölz-<br />

aufwuchs wird bis auf Einzelgehölze<br />

oder Einzelbäume abgesägt bzw. abgeschnitten.<br />

Eine Beweidung, am besten in<br />

Hütehaltung mit einer von einem Hirten<br />

geführten Schaf-/Ziegenherde, kann so<br />

weiter stattfinden. Leider ist eine derart<br />

intensive Beweidung, wie sie bis etwa<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg stattfand,<br />

angesichts der großen Flächen <strong>und</strong> der<br />

wenigen Tiere nicht mehr möglich. Dennoch:<br />

Unsere Magerrasen sind dank unserer<br />

Aktivitäten in einem guten Zustand.<br />

Im frühen Frühjahr, wenn Bäume <strong>und</strong><br />

Büsche wegen der beginnenden Brutzeit<br />

der Vögel nicht mehr gerodet werden<br />

dürfen, stehen meist Aufräumarbeiten an,<br />

etwa das Verbrennen von Zweigen <strong>und</strong><br />

IRRGEISTER 1/2006 9


Ästen auf einer kürzlich entfichteten Fläche<br />

oder auch mal der Abriss einer Hütte,<br />

die wir von einem Vorbesitzer in einer<br />

Feuchtwiese „geerbt“ haben.<br />

Obwohl man manchmal bis auf die<br />

Haut durchnässt ist, manchmal kalte<br />

Zehen <strong>und</strong> Finger hat – auf einem Arbeitseinsatz<br />

genießen wir die körperliche<br />

Tätigkeit in schöner Landschaft, den<br />

Austausch <strong>und</strong> das Gespräch mit Gleichgesinnten.<br />

Wir haben die Gewissheit,<br />

Gutes <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> zu tun. Und in der<br />

Mittagspause schmecken Butterbrot <strong>und</strong><br />

Bier w<strong>und</strong>erbar!<br />

Beispielhaft soll jenes Schutzgebiet,<br />

das <strong>für</strong> den Namen unserer Mitgliederzeitschrift<br />

Pate steht, sowie unser Einsatz<br />

<strong>für</strong> dieses beschrieben werden: die<br />

„Irrgeister“.<br />

Hierbei wird deutlich, dass die Arbeit<br />

mit Forke <strong>und</strong> Harke allein nicht ausreicht,<br />

um ein Gebiet zu erhalten. Vielmehr<br />

sind da<strong>für</strong> auch Schreibtischtätigkeit<br />

<strong>und</strong> politische Überzeugungsarbeit<br />

gefragt.<br />

Die Irrgeister, ein Wiesengebiet im<br />

Hillebachtal zwischen Grönebach <strong>und</strong><br />

Niedersfeld, stellen eines der wertvollsten<br />

Feuchtwiesengebiete des gesamten<br />

Sauerlandes dar, in dem eine Vielzahl<br />

10 IRRGEISTER 1/2006<br />

Plaggen der Heide am Gräfenberg bei S<strong>und</strong>ern, 21.02.98<br />

bedrohter Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten ein<br />

letztes Refugium findet. Von der daneben<br />

vorbeiführenden Landstraße fällt die<br />

landschaftliche Schönheit des Tales auf;<br />

vom Radweg aus öffnet sich im Sommerhalbjahr<br />

der Blick auf eine bunte,<br />

insektenumschwirrte Blumenwiese.<br />

Um den Schutz <strong>und</strong> den Erhalt dieses<br />

Kleinods kümmern wir uns seit 20<br />

Jahren auf ein bis zwei Arbeitseinsätzen<br />

jährlich. Mit einem Balkenmäher mähen<br />

wir die nassen Sumpfwiesen <strong>und</strong> tragen<br />

Feuchtwiesenpflege im NSG „Irrgeister“ bei Winterberg-Grönebach, 10.09.05<br />

Fotos: G. Kistner<br />

Foto: V. Falkenstein<br />

das Mähgut per Hand <strong>und</strong> Forke an den<br />

Rand. Zusätzlich befördern wir es mittels<br />

einer Plastikwanne, die von einer<br />

Seilwinde gezogenen wird, aus der Wiese.<br />

Später transportiert ein Biobauer das<br />

Mähgut zur Kompostierung ab. Diese<br />

harte, zeitintensive Arbeitsweise ist notwendig,<br />

da ein Trecker im Sumpf versinken<br />

<strong>und</strong> die empfindliche Vegetation<br />

zerstören würde.<br />

Mit unserm Tun ahmen wir die inzwischen<br />

aufgegebene, aber Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

lang praktizierte Bewirtschaftung der<br />

Irrgeister nach: Die Bauern vergangener<br />

Zeiten benutzten das Mähgut dieser zur<br />

Beweidung nicht geeigneten Nasswiesen<br />

im Winter als Einstreu <strong>für</strong> ihre Ställe –<br />

der lokale Zweitname der Irrgeister,<br />

Grönebacher Streuwiesen, verdeutlicht<br />

dies. Auf dieses Einstreumaterial waren<br />

die Bauern angewiesen, da die Äcker zu<br />

wenig Stroh lieferten, das obendrein<br />

wintertags überwiegend an die Rinder<br />

verfüttert wurde. Durch diese<br />

Wirtschaftsweise konnte sich ein einzigartiger<br />

Lebensraum entwickeln: Flächendeckend<br />

wächst das duftende, im Sommer<br />

weiß blühende Mähdesüß (die alten<br />

Germanen benutzten diese Sumpfpflanze<br />

zum Süßen ihres Mets, daher der<br />

Name), tausende Orchideen blühen jeden<br />

Juni. Von den vielfältigen Kräutern<br />

leben wiederum Schmetterlinge wie der<br />

seltene Dukatenfalter, deren Raupen als<br />

Futter diese speziellen Pflanzen benötigen.<br />

Auch der Raubwürger, ein vom<br />

Aussterben bedrohter Vogel der<br />

strukturreichen Offenlandschaft, hat hier<br />

sein Domizil.


Freischneiden der Wacholderbüsche im NSG „ Braunshauser Heide“, 03.01.04<br />

Foto: G. Kistner<br />

Schneiteln der Kopfweiden am Gut Forst im Osten des Kreises, 28.11.98<br />

Foto: V. Falkenstein<br />

Alle Interessierten sind herzlich zur Teilnahme an unseren<br />

Arbeitseinsätzen eingeladen (Siehe nächste Seite!). Sie beginnen<br />

um 9.00 Uhr <strong>und</strong> dauern bis in den frühen Nachmittag.<br />

Bitte mitbringen: ein Butterbrot <strong>für</strong> die Mittagspause,<br />

ggf. Mineralwasser, ggf. Arbeitshandschuhe.<br />

Für Mitfahrgelegenheiten <strong>und</strong> den genauen Ort/Treffpunkt<br />

können Sie bei den Projektleitern anrufen, die Ihnen gerne<br />

eine Fahrmöglichkeit mit einem örtlichen VNV-Aktiven vermitteln.<br />

Da es kurzfristig zu Änderungen von Einsätzen gegenüber<br />

dieser Liste kommen kann, empfiehlt es sich immer,<br />

den Leiter vorher anzurufen!<br />

Infos auch im Internet unter: www.vnv-hsk.de<br />

Freigestellte Wacholderbüsche<br />

Foto: G. Kistner<br />

Der VNV erkannte schon vor Jahren<br />

die Bedeutung der Irrgeister <strong>und</strong> setzte<br />

sich <strong>für</strong> ihre Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />

ein. Zwar hatten die Feuchtwiesen<br />

die Intensivierung der Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> damit ihre Zerstörung unbeschadet<br />

überstanden, doch vor 15 Jahren<br />

drohte eine andere Gefahr. Die Behörden<br />

des HSK hatten damals Klärteiche<br />

<strong>für</strong> den Steinbruchbetrieb Hildfelds<br />

mitten in den Nasswiesen genehmigt.<br />

Zum Glück erreichte der VNV eine einstweilige<br />

Sicherstellung der hoch<br />

naturschutzwürdigen Fläche – eine Rettung<br />

in letzter Minute! Nun werden die<br />

Irrgeister im Rahmen der Überarbeitung<br />

des Landschaftsplans Winterberg endlich<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebiet.<br />

Da aber die alte Bewirtschaftungsform<br />

längst aufgegeben wurde, würden<br />

die Wiesen langsam verbuschen <strong>und</strong> sich<br />

langfristig wieder zu Wald entwickeln.<br />

Der spezielle Lebensraum würde verschwinden,<br />

mit ihm die darauf angewiesenen,<br />

bedrohten Tiere <strong>und</strong> Pflanzen.<br />

Darum mähen wir den Sumpf in<br />

schweißtreibender Arbeit. Wir erhalten<br />

so nicht nur eine wertvolle Feuchtwiese,<br />

sondern auch ein historisches Kulturgut,<br />

ein Zeugnis längst vergangener Sauerländer<br />

Landwirtschaft.<br />

Erfolge sind sichtbar <strong>und</strong> entlohnen<br />

uns <strong>für</strong> unsere Arbeit: Der Bestand des<br />

Breitblättrigen Knabenkrauts, einer Orchideenart,<br />

erhöhte sich von 2000 Exemplaren<br />

im Jahr 1996 auf über 4000,<br />

wie ein Forschungsprojekt der Uni Bonn<br />

zeigt; der Fieberklee, eine Rote-Liste-<br />

Art, hat sich sichtbar ausgebreitet.<br />

Harald Legge<br />

IRRGEISTER 1/2006 11


Verdiente Mittagspause - Dahlberg 8.11.03<br />

Fotos: G. Kistner<br />

12 IRRGEISTER 1/2006<br />

Arbeitseinsätze im Winter 2006/07<br />

02.12.06 NSG „Dahlberg“ in Marsberg -Westheim – Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschten<br />

Halbtrockenrasens (Leiter: Werner Schubert, 02991/6003)<br />

16.12.06 NSG „Wulsenberg“ in Marsberg – Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschten Halbtrockenrasens<br />

(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />

30.12.06 NSG „Braunshauser Heide“ bei Hallenberg-Braunshausen - Entbuschen einer gemähten<br />

Heide (Leiter: Franz-Josef Stein, 02991/1281)<br />

13.01.07 NSG „Hummelgr<strong>und</strong>“ in Marsberg-Udorf – Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschten<br />

Halbtrockenrasens (Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />

27.01.07 Altenfils-Heide bei Brilon-Rösenbeck, Entbuschung<br />

(Leiter: Franz-Josef Stein, 02991/1281)<br />

10.02.07 NSG „Irrgeister“ bei Niedersfeld, Schneiden der Ohrweiden<br />

(Leiter: Werner Schubert, 02991/6003)<br />

24.02.07 Abharken eines gemähten <strong>und</strong> entbuschtenHalbtrockenrasens im Raum Marsberg.<br />

Der Ort wird noch bekannt gegeben. (Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)<br />

10.03.07 Ehem. Steinbruch im NSG „Wulsenberg“ bei Marsberg, Aufräumarbeiten<br />

(Leiter: Johannes Schröder, 02991/1599)


IRRGEISTER 1/2006 13


Kleinode in unserer<br />

Landschaft<br />

Pflanzenraritäten im Hochsauerlandkreis<br />

Alpen-Gänsekresse Foto: R. Götte<br />

Der Hochsauerlandkreis zeichnet sich durch eine große Vielfalt von Pflanzenarten aus. Pflanzengeographisch,<br />

also bezüglich der geographischen Verbreitung von Arten, ist die Lage des Sauerlandes<br />

von großer Bedeutung. Hier verlaufen Verbreitungsgrenzen verschiedener Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen.<br />

Wieder andere Arten stoßen im Hochsauerland an ihre Höhengrenze, fehlen in den höheren oder höchsten<br />

Lagen, oder sind in ihrer Verbreitung in Westfalen auf die höchsten Lagen des Sauerlandes beschränkt.<br />

Besonders bemerkenswert sind Reliktarten, deren nächste F<strong>und</strong>orte z. T. weit entfernt liegen.<br />

Es sollen einige auch über die Grenzen des Hochsauerlandkreises hinaus <strong>für</strong> Westfalen besonders<br />

bemerkenswerte Farn- <strong>und</strong> Blütenpflanzen kurz vorgestellt werden.<br />

Montane Arten des Rothaarkammes<br />

Auf einer Wanderung durch das<br />

Hochsauerland wurde 1821 der<br />

Platanenblättrige Hahnenfuß<br />

(Ranunculus platanifolium L.) erstmals<br />

<strong>für</strong> Westfalen registriert. Im Hochsauerland<br />

besitzt er ein kleines Verbreitungsgebiet,<br />

das in etwa umgrenzt wird<br />

durch die Orte Niedersfeld, Hesborn,<br />

Hallenberg <strong>und</strong> Altastenberg im oberen<br />

Sauerland. In Westfalen beschränken sich<br />

die Vorkommen auf das Rothaargebirge,<br />

wo sie ein sehr isoliertes Verbreitungsgebiet<br />

haben.<br />

Die altbekannten Standorte sind auch<br />

heute noch weitestgehend vorhanden,<br />

14 IRRGEISTER 1/2006<br />

wobei jedoch ein Rückgang der Art<br />

durch die veränderte Nutzung der<br />

Grünländer deutlich ist. Der VNV<br />

versucht, der Art zusammen mit der<br />

Trollblume – einem weiteren, imposanten<br />

Vertreter der Hahnenfußgewächse<br />

– durch entsprechende<br />

Schutzmaßnahmen wie das Offenhalten<br />

von Wiesentälern <strong>und</strong> extensive<br />

Bewirtschaftung zu helfen.<br />

Noch seltener <strong>und</strong> nur noch in<br />

den höchsten Lagen des Hochsauerlandkreises<br />

anzutreffen ist der<br />

Alpenmilchlattich (Cicerbita<br />

alpina (L.) WALLR.). Die recht<br />

auffällige Staude wurde ebenfalls<br />

auf der Wanderung 1821 erstmals <strong>für</strong><br />

Westfalen entdeckt. In die Literatur fand<br />

sie allerdings erst mit der Flora von Westfalen<br />

von JÜNGST (1852) Eingang, der sie<br />

<strong>für</strong> die Umgebung des Astenberges <strong>und</strong><br />

des Renautals, aber auch <strong>für</strong> den Hohen<br />

Eimberg <strong>und</strong> das Schellhorn südlich von<br />

Brilon angibt. Die letztgenannten F<strong>und</strong>orte<br />

konnten in neuerer Zeit leider trotz<br />

intensiver Suche nicht wieder bestätigt<br />

werden <strong>und</strong> müssen als erloschen gelten.<br />

Im Raum Winterberg ist die prächtige<br />

Pflanze, deren nächste Vorkommen<br />

im Harz <strong>und</strong> im Vogelsberg liegen, dagegen<br />

auch heute noch an mehreren Stellen<br />

vorhanden, z. B. unterhalb des Dorfes<br />

Altastenberg. Der Schutz <strong>und</strong> die


Alpenmilchlattich Foto: V. Falkenstein<br />

Erhaltung der verbliebenen Bestände ist<br />

ein besonderes Anliegen des VNV.<br />

Die Alpen-Gänsekresse (Arabis<br />

alpina L.) wurde zuerst am 18. April<br />

1862 von MÜLLER (1864) an den<br />

Bruchhauser Steinen bei Olsberg entdeckt,<br />

<strong>und</strong> zwar am Bornstein. Später<br />

wurde die Art nach WILMS & BECKHAUS<br />

(1877) auch am Ravenstein gef<strong>und</strong>en.<br />

Als arktisch-alpines Geoelement stellt sie<br />

ein sehr bemerkenswertes Eiszeitrelikt<br />

dar (RUNGE 1972, KOPPE 1961). Die<br />

nächsten F<strong>und</strong>orte liegen am Südrand<br />

des Harzes. Die Art hat sich an den<br />

Bruchhauser Steinen bis heute gehalten,<br />

wenngleich zwischenzeitlich durch<br />

den Klettersport der Standort am<br />

Ravenstein fast völlig zerstört war.<br />

Jetzt, einige Jahre nach der notwendigen<br />

Sperrung der Felsen, kann man eine<br />

Erholung der relativ kleinen Bestände<br />

feststellen. Damit besteht die Hoffnung,<br />

dass sich die Pflanze hier auch auf Dauer<br />

halten kann – sofern das geltende<br />

Kletterverbot bestehen bleibt.<br />

Die Plästerlegge, ein beeindruckender<br />

Wasserfall in einem Schluchtwald<br />

im Stadtgebiet Olsberg, wurde schon<br />

im letzten Jahrh<strong>und</strong>ert von westfälischen<br />

Botanikern aufgesucht. Im Juni<br />

1859 entdeckte hier der Lippstädter Botaniker<br />

Hermann Müller im Juni 1859<br />

das Zweiblütige Veilchen (Viola<br />

biflora L.). Als Eiszeitrelikt konnte das<br />

gelb blühende Veilchen an dem kühlen<br />

<strong>und</strong> feuchten Standort bis heute überdauern.<br />

Die Plästerlegge ist der einzige<br />

Standort dieser Veilchenart in NRW. In<br />

Deutschland gibt es aktuell noch einen<br />

Standort im Thüringer Wald bei Eisenach<br />

<strong>und</strong> in der sächsischen Schweiz.<br />

Sonst kommt es nur im Alpenbereich<br />

vor.<br />

Weitere besondere <strong>und</strong> ziemlich seltene<br />

Arten der montanen Lagen sind der<br />

Weiche Pippau (Crepis mollis<br />

(JACQ.) ASCH), die Bärwurz (Meum<br />

athamanticum JACQ.), der Alpen-<br />

Perücken-Flockenblume<br />

Foto: M. Jütte<br />

Flachbärlapp Diphasiastrum alpinum<br />

(L.) HOLUB <strong>und</strong> die Perücken-<br />

Flockenblume (Centaurea<br />

pseudophrygia C.A. MEY).<br />

Briloner Kalkkuppen<br />

Die Kalkmagerrasen der Briloner<br />

Hochfläche sind die höchstgelegenen in<br />

NRW. Hier haben sich einige Pflanzen<br />

angesiedelt, die in Westfalen oder NRW<br />

ihre einzigen Vorkommen haben.<br />

Besonders bemerkenswert sind Vorkommen<br />

mehrerer Sommerwurzarten.<br />

Sie sind Schmarotzer, die auf den<br />

Wurzeln anderer Wirtspflanzen gedeihen.<br />

Die Nelken-Sommerwurz<br />

(Orobanche caryophyllacea SM.)<br />

wächst auf Labkrautarten <strong>und</strong> hat bei<br />

Brilon die einzigen Vorkommen in<br />

Westfalen.<br />

Die Wirtspflanze des Quendel-<br />

Sommerwurzes (Orobanche alba<br />

WILLD.) ist der Thymian. Obwohl die-<br />

Nelken-Sommerwurz Foto: R. Götte<br />

ser nicht selten ist, ist das Vorkommen<br />

des Quendel-Sommerwurzes das einzige<br />

aktuelle in NRW. Durch den Schutz<br />

der Kalkkuppen mit der entsprechenden<br />

Pflege konnte die Art bisher vom Aussterben<br />

bewahrt werden, obwohl erst<br />

kürzlich ein Vorkommen im Industriegebiet<br />

von Brilon durch Gewerbeansiedlung<br />

vernichtet wurde.<br />

IRRGEISTER 1/2006 15


Auch die Distel-Sommerwurz<br />

(Orobanche reticulata WALLR.) ist sehr<br />

selten. Im Hoppecketal bei Brilon sind<br />

die einzigen Vorkommen in Westfalen.<br />

Die nächsten Vorkommen befinden sich<br />

am Niederrhein. Die Art schmarotzt bei<br />

uns auf der Kohl-Kratzdistel.<br />

Der Steppen-Bergfenchel (Seseli<br />

annuum L.) ist ein Doldenblüter, der<br />

schon 1841 von J. B. MÜLLER in seiner<br />

Flora erwähnt wird. Erst in den letzten<br />

Jahren konnte die Art in den Magerrasen<br />

der Kalkkuppen wiederentdeckt werden.<br />

Diese sind die einzigen Vorkommen <strong>für</strong><br />

Westfalen.<br />

Die Kugelige Teufelskralle<br />

(Phyteuma orbiculare L.) hat auf den<br />

Kalkkuppen die einzigen Vorkommen in<br />

Westfalen. Die nächsten Vorkommen<br />

befinden sich in der Eifel.<br />

Der Feldenzian (Gentianella<br />

campestris (L.) BÖRNER), ehemals eine<br />

nicht seltene Enzianart der<br />

Magerwiesen, ist durch Aufforstungen<br />

<strong>und</strong> Intensivierung der Landwirtschaft<br />

stark zurückgegangen. Nur um Brilon<br />

befinden sich die letzten Vorkommen der<br />

Art in NRW. Der VNV kümmert sich<br />

besonders um diese sehr seltene Art, <strong>und</strong><br />

es können durch Beweidung <strong>und</strong><br />

Entbuschungsmaßnahmen erste Erfolge<br />

festgestellt werden. Die Bestände haben<br />

sich nach unseren <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen<br />

auf einer Heide mit den<br />

letzten Vorkommen stabilisiert.<br />

16 IRRGEISTER 1/2006<br />

Medebacher Bucht<br />

Im Regenschatten des Rothaarkammes<br />

im Bereich der Medebacher<br />

Bucht hat sich eine Vegetation mit<br />

vielen interessanten Arten ansiedeln<br />

können, die <strong>für</strong> ganz Westfalen bemerkenswert<br />

ist.<br />

Das Saatlabkraut (Galium<br />

spurium L.), eine seltene Pflanze der<br />

Äcker, wird <strong>für</strong> Medebach schon<br />

von FELD (1910) erwähnt, der es als<br />

zerstreut verbreitet in Äckern angibt.<br />

Salomonssiegel Foto: R. Götte<br />

Kugelige Teufelskralle Foto: R. Götte<br />

Im Rahmen der Ackerrandstreifenkartierung<br />

der letzten Jahre konnte das<br />

Labkraut in der Medebacher Bucht auf<br />

verschiedenen Äckern wiedergef<strong>und</strong>en<br />

werden. Die Pflanze besitzt in der genannten<br />

Region heute ihren<br />

Verbreitungsschwerpunkt in Westfalen.<br />

An ähnlichen Ackerstandorten wächst<br />

auch der Breitblättrigen Hohlzahn<br />

(Galeopsis ladanum L.). Auch diese Art<br />

wurde schon von FELD <strong>für</strong> die Äcker der<br />

Medebacher Bucht erwähnt. Außer in<br />

der Medebacher Bucht ist die Art in<br />

Westfalen heute nur noch im benachbarten<br />

Wittgenstein sehr selten anzutreffen.<br />

Beide Arten sind durch die Intensivierung<br />

der Ackerwirtschaft vom Aussterben<br />

bedroht.<br />

Felsenstandorte bei<br />

Marsberg<br />

Zu den floristisch bemerkenswertesten<br />

Kalkfelsen des Hochsauerlandkreises<br />

gehören die Iberg-Felsen bei<br />

Marsberg. Sie zeichnen sich durch das<br />

Vorkommen einer Fülle gefährdeter Arten<br />

aus, von denen hier zwei besonders<br />

hervorgehoben werden sollen.<br />

Der einzige aktuelle F<strong>und</strong>ort des<br />

Blutroten Storchschnabels (Geranium<br />

sanguineum L.) in Westfalen ist an den<br />

Iberg-Felsen bei Marsberg. Doch auch<br />

hier gibt es inzwischen nur noch kleine<br />

Restbestände dieser Wärme liebenden<br />

Pflanze, einer Waldsaumart, die hier ihre<br />

Verbreitungsgrenze erreicht.


Für Brilon wurde sie von SCHMITZ<br />

(1897) noch vom Flozberg angegeben.<br />

Dieser Standort ist jedoch schon Anfang<br />

des Jahrh<strong>und</strong>erts einem Steinbruchbetrieb<br />

zum Opfer gefallen. Auch die<br />

F<strong>und</strong>orte bei Bielefeld, wo die gelegentlich<br />

auch in Gärten angepflanzte Art früher<br />

mehrfach beobachtet wurde, sind<br />

längst erloschen. Um so wichtiger ist der<br />

Schutz des letzten verbliebenen Wuchsortes<br />

<strong>für</strong> Westfalen.<br />

Weitere Besonderheiten am Iberg sind<br />

z. B. die Erd-Segge (Carex humilis<br />

LEYSS.), der Salomonsiegel<br />

(Polygonatum odoratum (MILL.)<br />

DRUCE) <strong>und</strong> die Zwerg-Mispel<br />

(Cotoneaster integerrinus MEDIK.).<br />

Am gleichen Felsen sowie an einem<br />

weiteren Kalkfelsen bei Canstein wächst<br />

das Gabelige Habichtskraut<br />

(Hieracium bifidum HORNEM.). Die<br />

F<strong>und</strong>orte, die einzigen in Nordrhein-<br />

Westfalen, liegen an der nordwestlichen<br />

Verbreitungsgrenze dieser typischen<br />

Felspflanze. Sie wurden erst 1988 entdeckt<br />

(GOTTSCHLICH & RAABE 1991).<br />

An den Kalkfelsen bei Canstein wurde<br />

2005 als einziger F<strong>und</strong>ort <strong>für</strong> NRW<br />

der Geöhrte Braunstielige Streifenfarn<br />

(Asplenium trichomanes, ssp.<br />

hastatum (CHRIST) S.JESS.) nachgewiesen.<br />

Ein weiterer Felsen mit einer sehr seltenen<br />

Flora ist der Lüchtenberg bei<br />

Padberg. Es kommen einige Pflanzenarten<br />

vor, die hier ihre nordwestlichste<br />

Verbreitung erreichen. Neben dem Bleichen<br />

Schafschwingel (Festuca pallens<br />

HOST) konnte in diesem Jahr als einziger<br />

Standort in NRW die Erbsenwicke<br />

(Vicia pisiformis L.) von Werner Schubert<br />

<strong>und</strong> Prof. Türk nachgewiesen werden.<br />

Eine weitere Besonderheit ist der<br />

Farnbastard zwischen Nordischem<br />

Streifenfarn <strong>und</strong> der Mauerraute<br />

(Asplenium x murbeckii ).<br />

Almequellen<br />

An den Almequellen bei Brilon-Alme<br />

finden wir eine weitere Besonderheit der<br />

heimischen Flora. Im Frühjahr blühen<br />

hier große Bestände des Pyrenäen-Löffelkrautes<br />

(Cochlearia pyrenaica DC.).<br />

Auch diese Pflanze ist an diesem Ort als<br />

Eiszeitrelikt zu verstehen. Es ist heute<br />

das einzige Vorkommen in Nordrhein-<br />

Westfalen. In Deutschland ist die Pflanze<br />

vor allem in Bayern verbreitet.<br />

Bleikuhlen bei Blankenrode/Wäschebachtal<br />

Der historische Abbau von Zinn <strong>und</strong><br />

Blei hat an den alten Bergwergstandorten<br />

die Böden der Halden vergiftet. Diese<br />

Böden sind <strong>für</strong> die meisten Pflanzen<br />

unbesiedelbar. Nur wenige Arten konnten<br />

<strong>für</strong> sich Strategien entwickeln, auf<br />

solchen Standorten zu wachsen. Hier hat<br />

sich eine ganz spezielle, bemerkenswerte<br />

Flora <strong>und</strong> Vegetation über einen langen<br />

Zeitraum entwickelt.<br />

Die größte Besonderheit der Flora<br />

Westfalens stellt das prächtige Westfälische<br />

Galmeiveilchen (Viola<br />

guestfalica NAUENB.) dar. Es ist ein<br />

Endemit, der nur an den Bleikuhlen bei<br />

Blankenrode <strong>und</strong> im angrenzenden östlichsten<br />

Hochsauerlandkreis im Wäschebachtal<br />

vorkommt. Lange Zeit wurde die<br />

Pflanze als Varietät oder Unterart eines<br />

anderen Stiefmütterchens angesehen.<br />

Erst vor einigen Jahren wurde festgestellt,<br />

dass es sich um eine eigene Art<br />

handelt.<br />

Der endemische Bastard der Elternarten<br />

des Galmeiveilchens <strong>und</strong> des<br />

Ackerstiefmütterchens konnte ebenfalls<br />

an den beiden Standorten nachgewiesen<br />

werden (Viola x preywischiana<br />

NAUENB.).<br />

Erbsenwicke Foto: R. Götte<br />

Der Verantwortung <strong>für</strong> diese große<br />

Anzahl an floristischen Besonderheiten<br />

im HSK ist sich der VNV bewusst <strong>und</strong><br />

wird sich auch in Zukunft aktiv <strong>für</strong> die<br />

Förderung <strong>und</strong> den Erhalt der Lebensräume<br />

einsetzen.<br />

Richard Götte<br />

Pyrenäen-Löffelkraut Foto: R. Götte<br />

IRRGEISTER 1/2006 17


Literatur:<br />

BECKHAUS, K. (1893): Flora von Westfalen,<br />

1893<br />

BERTOLD, C. (1869): Darstellungen aus<br />

der <strong>Natur</strong><br />

EHLERT, A. (1865): Flora von Winterberg,<br />

Verh. Des naturh. <strong>Verein</strong>s der<br />

Preuss. Rheinlande <strong>und</strong> Westfalen<br />

FALKENSTEIN,V. (2004): Zwei Neuf<strong>und</strong>e:<br />

Der Geöhrte Braune Streifenfarn<br />

<strong>und</strong> der Schwarzstielige Streifenfarn,<br />

Irrgeister, 21. J., Heft 2<br />

FELD, J. (1910): Verzeichnis der bei<br />

Medebach beobachteten<br />

Phanerogamen <strong>und</strong> Gefäßkryptogamen,<br />

<strong>Natur</strong>hist. <strong>Verein</strong> der<br />

preusss. Rheinlande <strong>und</strong> Westfalen<br />

GOTTSCHLICH, G. <strong>und</strong> U. Raabe (1991):<br />

Zur Verbreitung, Ökologie <strong>und</strong><br />

Taxonomie der Gattung Hieracium in<br />

Westfalen <strong>und</strong> angrenzender Gebiete,<br />

Abhandlungen Westf. Museum <strong>für</strong><br />

<strong>Natur</strong>k<strong>und</strong>e, 53.Jg. Heft 4<br />

18 IRRGEISTER 1/2006<br />

GOTTSCHLICH, G. <strong>und</strong> U. Raabe (1989):<br />

Arabis alpina, Hieracium schmidtii <strong>und</strong><br />

H. onosmoides an den Bruchhauser<br />

Steinen, Hochsauerlandkreis, Floristische<br />

Briefe,22. Jg., Heft1, S. 10-13<br />

JÜNGST,L.V. (1869): Flora Westfalens,<br />

3.Aufl.<br />

KARSCH, A. (1867): Zur Flora der Provinz<br />

Westfalen, 2. Aufl.<br />

KOENE, J. (1930): Sind die von Ehlerts<br />

Flora von Winterberg gemachten<br />

Standortsangaben heute noch zutreffend?<br />

Abhandl. aus dem westf. Museum<br />

f. <strong>Natur</strong>k<strong>und</strong>e<br />

MÜLLER, H. 1860): Nachträge zu<br />

Karsch´s Phanerogamenflora der Provinz<br />

Westfalen. Verh. <strong>Natur</strong>h. <strong>Verein</strong>s<br />

preuss. Rheinlande <strong>und</strong> Westfalen, 17<br />

NIESCHALK, Ch. (1991): Handschriftliche<br />

Aufzeichnungen aus der Pflanzenkartei,<br />

<strong>für</strong> das Sauerland, unveröffentlicht<br />

RUNGE, F. (1972): Die Flora Westfalens<br />

RUNGE, F. Die Flora Westfalens, 1998,<br />

Münster<br />

SCHMITZ, E. (1896): Einige seltene<br />

Pflanzen der Briloner Gemarkung,<br />

Berichte des Gymnasiums Petrinum<br />

Brilon<br />

SCHWIER, H. (1938): Vorläufiger Bericht<br />

über die Ergebnisse einer<br />

pflanzensiedlungsk<strong>und</strong>lichen Untersuchung<br />

des südöstlichen westfälischen<br />

Grenzgebietes, <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> Heimat,5 (3)<br />

WENDEROTH, Prof. (1826): Aufzeichnungen<br />

einer botanischen Reise durch<br />

das Herzogtum Westfalen, Flora oder<br />

Botanische Zeitung,Nr. 17<br />

Westfälisches Galmeiveilchen Foto: W. Schubert


IRRGEISTER 1/2006 19


Schmuckstücke des<br />

<strong>Natur</strong>schutzes<br />

zu altem Glanz erweckt<br />

Kalkmagerrasen im Raum Marsberg-Brilon<br />

dauerhaft gerettet<br />

Auf kalkhaltigem Gestein wuchsen in vorgeschichtlicher Zeit Kalkbuchenwälder, wie wir sie heute noch<br />

in <strong>Natur</strong>schutzgebieten wie dem Drübel bei Brilon oder den Leitmarer Felsen bei Marsberg sehen können.<br />

Durch die Übernutzung der Wälder durch Holzeinschlag <strong>und</strong> Beweidung entstanden dort im Laufe<br />

von Jahrh<strong>und</strong>erten neue Offenlandlebensräume, die Kalkmagerrasen.<br />

Der artenreichste Lebensraum<br />

Mitteleuropas<br />

Erstmals <strong>für</strong> den östlichen HSK erwähnt<br />

werden diese Kalkhalbtrockenrasen,<br />

wie die Magerrasen auf Kalkstandorten<br />

auch genannt werden, in einem<br />

Grenzrezess von 1668 über den<br />

Wulsenberg bei Marsberg. Wahrscheinlich<br />

sind sie noch wesentlich älter. (Vgl.<br />

ROGGE 1986)<br />

Die über Jahrh<strong>und</strong>erte gleichgebliebene<br />

Beweidung mit Schafen <strong>und</strong> Zie-<br />

20 IRRGEISTER 1/2006<br />

gen in Hütehaltung eröffnete einer Vielzahl<br />

von Pflanzenarten – zum Teil aus<br />

mediterranen Gegenden – neue Lebensräume.<br />

Verschiedene Orchideenarten<br />

blühen auf den Halbtrockenrasen, u. a.<br />

das Dreigezähnte Knabenkraut (Orchis<br />

tridentata). Es erreicht im Raum Marsberg<br />

die Nordwestgrenze seines mitteleuropäischen<br />

Verbreitungsgebietes. Zu<br />

den floristischen Besonderheiten dieser<br />

artenreichsten Lebensräume im Hochsauerlandkreis<br />

<strong>und</strong> sogar ganz Mitteleuropas<br />

gehören auch der Deutsche Ziest<br />

(Stachys germanica) <strong>und</strong> der<br />

Heidegünsel (Ajuga genevensis), die bei<br />

uns ihre Verbreitungsgrenzen erreichen.<br />

Floristisch artenreiche Lebensräume<br />

sind zumeist auch sehr insektenreich.<br />

Erwähnt werden sollen hier nur der<br />

Heidegrashüpfer (Stenobothrus lineatus)<br />

<strong>und</strong> die Zweipunkt-Dornschrecke (Tetrix<br />

bipunctata), die eine enge Bindung an<br />

diesen Lebensraum aufweisen. Stellvertretend<br />

<strong>für</strong> die vielen Schmetterlingsarten<br />

stehen der Zwergbläuling (Cupido<br />

minimus), dessen Raupe am W<strong>und</strong>klee<br />

frisst, <strong>und</strong> der Silbergrüne Bläuling<br />

(Lysandra coridon). Die Raupen der<br />

NSG „Glockengr<strong>und</strong>“ bei Marsberg-Udorf<br />

Foto: W. Schubert


Silbergrüner Bläuling Foto: T. Fartmann<br />

letztgenannten Art ernähren sich vom<br />

Hufeisenklee (Hippocrepis comosa),<br />

dessen Verbreitung im Hochsauerlandkreis<br />

auf den Marsberg-Briloner Raum<br />

beschränkt ist.<br />

Fortsetzen könnte man die Aufzählung<br />

von Besonderheiten aus den Artengruppen<br />

Wildbienen, Käfer, Spinnen,<br />

Schnecken <strong>und</strong> mehr. Da<strong>für</strong> ist an dieser<br />

Stelle leider kein Platz.<br />

Aktive Hilfsmaßnahmen<br />

Seit 1984 hat sich der VNV besonders<br />

um die Wiederherstellung der Kalkmagerrasen<br />

im Stadtgebiet von Marsberg<br />

gekümmert. Aber auch in S<strong>und</strong>ern <strong>und</strong><br />

Brilon wurden Flächen gemäht, von<br />

Müllablagerungen befreit oder durch<br />

Beweidung mit der vereinseigenen Ziegenherde,<br />

die bis 1991 bestand, offengehalten.<br />

Gleichzeitig wurden verschiedene<br />

Anträge auf Ausweisung dieser<br />

hochgradig gefährdeten Lebensräume als<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebiet erarbeitet. Da<br />

Schutzgebietsausweisungen oft lange<br />

dauern, wie das Beispiel „Briloner Kalkkuppen“<br />

gezeigt hat, hat sich der VNV<br />

parallel dazu bemüht, schutzwürdige<br />

Gebiete anzupachten oder mit Mitteln<br />

der NRW-Stiftung anzukaufen, um handlungsfähig<br />

zu werden <strong>und</strong> nicht auf andere<br />

warten zu müssen. Im Laufe der<br />

zurückliegenden über zwanzig Jahre haben<br />

wir ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schützer -<br />

zigtausende Arbeitsst<strong>und</strong>en in den<br />

Schutzgebieten erbracht. Hinzu kommen<br />

die Arbeiten der Zivildienstleistenden,<br />

die in der Woche auf den vereinseigenen<br />

Flächen arbeiten. Viele Magerrasen präsentieren<br />

sich nun wieder in einem optimalen<br />

Zustand. Kiefern, Fichten <strong>und</strong> andere<br />

Gehölze wurden entfernt <strong>und</strong> verbrannt,<br />

ausufernde Gebüsche zurückgeschnitten<br />

<strong>und</strong> die Flächen wieder in<br />

einen beweidbaren Zustand gebracht. Im<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebiet „Dahlberg“ haben<br />

sich die Vorkommen des Dreigezähnten<br />

Knabenkrauts vervielfacht. Im Jahr 2005<br />

konnten r<strong>und</strong> 35.000 Exemplare dieser<br />

Art gezählt werden.<br />

Dreizähniges Knabenkraut<br />

Foto: V. Falkenstein<br />

Schafherde im NSG „Dahlberg“ Foto: V. Falkenstein<br />

Erfolg: dauerhafte Bewirtschaftung<br />

durch Schäfer<br />

Da die Kalkmagerrasen durch Bewirtschaftung<br />

entstanden, brauchen sie diese<br />

oder eine möglichst gleiche Bewirtschaftung<br />

<strong>für</strong> ihren Erhalt. Ziel des langfristigen,<br />

konsequenten <strong>Natur</strong>schutzes<br />

muss daher immer die dauerhafte, wirtschaftlich<br />

tragfähige, naturschutzgerechte<br />

Landbewirtschaftung solcher<br />

schutzwürdiger Lebensräume sein.<br />

Dies hieß <strong>für</strong> den Marsberger Raum<br />

zum einen, dass ein neuer Wanderschäfer<br />

angesiedelt werden musste, zum anderen<br />

mussten diesem die Flächen dauerhaft<br />

zur Verfügung gestellt werden, um<br />

ihm eine wirkliche Perspektive zu bieten.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> suchte der VNV die<br />

Hilfe der Nordrhein-Westfalen-Stiftung.<br />

Erst mit ihrer Unterstützung konnte das<br />

ehrgeizige Projekt gelingen:<br />

IRRGEISTER 1/2006 21


<strong>Natur</strong>weg im NSG „Glockengr<strong>und</strong>“ - Exkursion im Mai 2002<br />

Foto: G. Kistner<br />

Von 1990 bis heute wurden r<strong>und</strong> 95<br />

ha <strong>für</strong> dieses <strong>Natur</strong>schutzgroßprojekt der<br />

Stiftung erworben. Hinzu kommen Flächen,<br />

die das Land NRW gekauft hat.<br />

Der Schäfereibetrieb Bauer kam 1991<br />

wieder ins Sauerland <strong>und</strong> hat heute seinen<br />

Betrieb in Marsberg-Udorf. Er bewirtschaftet<br />

die Flächen im östlichen Teil<br />

des Marsberger Stadtgebiets <strong>und</strong> grenzüberschreitend<br />

in Nordhessen. Am <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />

„Glockengr<strong>und</strong>“ wurde<br />

mit Mitteln der NRW-Stiftung <strong>für</strong> diesen<br />

Betrieb ein Schafstall errichtet.<br />

Seit 1994 bewirtschaftet der<br />

Schäfereibetrieb Wagner mit Sitz in<br />

Brilon-Radlinghausen die westlichen Flächen<br />

des Projektgebietes bis in das Stadtgebiet<br />

von Brilon.<br />

Als Schafrassen werden Rhönschafe<br />

<strong>und</strong> Coburger Fuchsschafe eingesetzt.<br />

Den Herden ist ein bis zu 10%iger<br />

Ziegenanteil beigemischt, um den<br />

Verbissdruck auf die Gehölze zu verstärken.<br />

Heute gibt es damit in den Stadtgebieten<br />

Marsberg <strong>und</strong> Brilon zwei neue<br />

landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe<br />

mit über 1000 Mutterschafen <strong>und</strong> r<strong>und</strong><br />

100 Ziegen, mit denen ehemals brachgefallene,<br />

aufgeforstete oder zu Ackerland<br />

umgebrochene Kalkmagerrasen bewirtschaftet<br />

werden.<br />

22 IRRGEISTER 1/2006<br />

Die Kalkmagerrasen in Brilon, deren<br />

Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet auf<br />

einen Antrag des VNV zurückgeht, sind<br />

die höchstgelegenen in Nordrhein-Westfalen.<br />

Neben dem Land NRW erwirbt der<br />

VNV auch hier mit Mitteln der NRW-<br />

Stiftung <strong>Natur</strong>schutzflächen, die dann an<br />

ortsansässige Landwirte zur Bewirtschaftung<br />

mit Schafen oder Rindern vergeben<br />

werden. Dieses Projekt ist noch<br />

nicht abgeschlossen.<br />

Blick in die Zukunft<br />

„Unsere“ Kalkmagerrasen um Marsberg<br />

<strong>und</strong> Brilon bedürfen auch weiterhin<br />

der Betreuung durch den VNV, damit<br />

der neue Glanz der alten Schmuckstücke<br />

nicht wieder verblasst.<br />

Mit einem Problem werden wir immer<br />

zu kämpfen haben: Gehölzaufwuchs.<br />

In vergangenen Zeiten war der<br />

Beweidungsdruck auf die kargen Grünländer<br />

infolge mangelnden Weidelandes<br />

viel höher als heute. Die aufkommenden<br />

Gebüsche <strong>und</strong> jungen Bäume wurden<br />

viel stärker verbissen. Heute können,<br />

allein aus wirtschaftlichen Gründen, die<br />

Halbtrockenrasen nicht so stark<br />

beweidet werden. Dadurch kommen<br />

fortlaufend Triebe von Schwarz- <strong>und</strong><br />

Weißdorn sowie junge Kiefern <strong>und</strong> Birken<br />

hoch. Diese müssen in schweißtreibender<br />

Arbeit zurückgedrängt werden.<br />

Uns wird die Arbeit <strong>für</strong> unsere 14-tägigen<br />

Pflegeeinsätze also nicht ausgehen.<br />

Eine weitere Schwierigkeit ist ganz<br />

anders gelagert: Schon seit Jahren bemühen<br />

wir uns, dass in den letzten Jahrzehnten<br />

aufgeforstete, ehemalige Kalkhalbtrockenrasen<br />

wieder von den nicht<br />

heimischen Fichten, Kiefern oder Lärchen<br />

befreit werden – etwa im Rahmen<br />

von Ersatzmaßnahmen. Dort könnten<br />

sich dann wieder Kalkmagerrasen entwickeln.<br />

Denn die heute bestehenden<br />

Halbtrockenrasen sind nur noch ein kleiner<br />

Rest der ehemaligen Flächen. Doch<br />

ein Gesetz aus dem 19. Jahrh<strong>und</strong>ert, auf<br />

das die Forstbehörden pochen, macht<br />

dies fast unmöglich: Wo Wald ist, muss<br />

auch Wald bleiben. Sollte Wald mit gutem<br />

Gr<strong>und</strong> entfernt werden, muss an anderer<br />

Stelle eine Neu-Aufforstung erfolgen.<br />

Da die Ausgleichsmaßnahmen dadurch<br />

extrem verteuert werden, bleiben<br />

die Bäume leider da wo sie sind – auf<br />

entwicklungsfähigen Kalkmagerrasen im<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebiet.<br />

Und last, but not least: Die derzeitige<br />

Landesregierung kürzt drastisch die Mittel<br />

<strong>für</strong> den Vertragsnaturschutz. Doch <strong>für</strong><br />

die Schäfer bleibt die Bewirtschaftung<br />

von magerem Grünland nur rentabel,<br />

wenn sie Geld da<strong>für</strong> bekommen, dass sie<br />

die Flächen nicht düngen <strong>und</strong> nicht intensiv<br />

bewirtschaften, also den Lebensraum<br />

erhalten.<br />

Die ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutzarbeit<br />

erhält erst recht kaum noch Fördergelder.<br />

Zum Entfernen von Gebüschen benötigen<br />

wir jedoch Geräte wie Motorsägen<br />

<strong>und</strong> Freischneider.<br />

Wird bald eine Zeit kommen, wo der<br />

artenreichste Lebensraum Mitteleuropas<br />

der Allgemeinheit schlicht zu teuer<br />

scheint?<br />

Werner Schubert<br />

Literatur:<br />

ROGGE, M. (1986): Entstehung <strong>und</strong> Weiterentwicklung<br />

der Pflanzengesellschaften<br />

einer extensiven Schaf<strong>und</strong><br />

Ziegenweide bei Erlinghausen<br />

(Hochsauerlandkreis); Diplomarbeit,<br />

Göttingen, unveröffentlicht


<strong>Ungenutzt</strong> <strong>und</strong> <strong>ungeliebt</strong><br />

- Von der erfolgreichen Rettung<br />

der Sauerländer Feuchtwiesen<br />

Das Namenlosetal bei Winterberg-Silbach, in dem Fichtenbestände entfernt wurden, um wieder ein offenes Wiesental zu bekommen.<br />

Siehe auch Karten auf der folgenden Seite! Foto: Biol. Station<br />

Das Charakteristikum der Sauerländer Landschaft ist der Wechsel zwischen Berg <strong>und</strong> Tal, zwischen<br />

Wald <strong>und</strong> Grünland. Die schmalen Waldwiesentäler erstrecken sich kilometerweit in die bewaldeten<br />

Berge.<br />

In der Nähe von Ortslagen weiten sich die Täler oftmals <strong>und</strong> ermöglichten die Entwicklung ausgedehnterer<br />

Feuchtwiesen: Im Laufe der Besiedlung des Sauerlandes hat der Mensch die Tallagen durch<br />

Holz- <strong>und</strong> Weidenutzung aufgelichtet. Teilweise wurden Erlenwälder auch gezielt zur Anlage von Grünland<br />

gerodet <strong>und</strong> Be- <strong>und</strong> Entwässerungssysteme eingerichtet, um die Nutzbarkeit zu erhöhen. Bis vor<br />

wenigen Jahrzehnten waren die Talwiesen absolut wertvoll, da Grünland Mangelware war.<br />

Die letzten Zwölf<br />

Nachdem durch künstliche Düngung<br />

viele Ackerflächen in Grünland umgewandelt<br />

worden waren, fielen die<br />

„schlechten“ Feuchtwiesen brach oder<br />

wurden mit Fichten oder anderen Gehölzen<br />

aufgeforstet. Straßen- <strong>und</strong> Wohnbebauung<br />

taten ihr übriges, so dass die<br />

Feuchtwiesen auf Reste zurückgedrängt<br />

wurden. Arten wie Wollgras oder Fieberklee,<br />

Breitblättriges Knabenkraut oder<br />

Sumpf-Dotterblume, ob sehr selten oder<br />

noch etwas verbreiteter, sie haben alle<br />

viel von ihrer ursprünglich ausgedehnten<br />

Verbreitung verloren.<br />

Der Schutz <strong>und</strong> der Erhalt der Feuchtwiesen<br />

im Hochsauerlandkreis war von<br />

Anfang an ein besonderer Arbeitsschwerpunkt<br />

des VNV. 1984 begann dieses<br />

Projekt mit der sogenannten Zwölfer-Liste.<br />

Sie enthielt unsere bedeutsamsten<br />

Feuchtwiesengebiete: die Irrgeister<br />

bei Winterberg-Niedersfeld, das Springebachtal<br />

bei Winterberg-Grönebach, das<br />

Hillebachtal <strong>und</strong> die Waldwiese am<br />

Hillekopf bei Winterberg-Hildfeld, den<br />

Hemmeker Bruch bei Brilon-Madfeld,<br />

die Nuhnewiesen bei Hallenberg, die<br />

Hooren bei Medebach, den<br />

Helmeringhauser Bruch bei Olsberg-<br />

Helmeringhausen, den Bintel bei Brilon-<br />

Scharfenberg, das Helletal bei Winterberg-Elkeringhausen,<br />

die Neue Born bei<br />

Winterberg-Küstelberg <strong>und</strong> das<br />

Namenlosetal bei Winterberg-Silbach.<br />

Mittlerweile sind all diese Gebiete<br />

durch Anträge auf Ausweisung als <strong>Natur</strong>schutzgebiet<br />

gesichert oder durch die<br />

Erstellung <strong>und</strong> Überarbeitung der<br />

Landschaftspläne als solches vorgeschla-<br />

IRRGEISTER 1/2006 23


24 IRRGEISTER 1/2006<br />

Deutliche Fichtenreduzierung im Namenlosetal


Feuchtwiesenmahd durch den VNV: 1. NSG „Helmeringhauser Bruch“ bei Olsberg (Foto: VNV-Archiv), 2. Elkeringhausen bei Winterberg<br />

(Foto: G. Kistner), 3. NSG Wäschebachtal bei Marsberg (Foto: R. Pohlmeyer) - <strong>und</strong> ein Resultat: Massenbestand des Schmalblättrigen<br />

Wollgrases im Hillebachtal (Foto: Biol. Station)<br />

gen. Acht dieser Gebiete wurden aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer Wertigkeit sogar als FFH-<br />

Gebiete in das europäische<br />

Schutzgebietsnetz NATURA 2000 aufgenommen.<br />

Es hat allerdings 20 Jahre<br />

gedauert, bis die Bedeutsamkeit der Gebiete<br />

auch zu einem Schutz geführt hat.<br />

Erhalt der Bewirtschaftung<br />

Um handlungsfähig zu werden im<br />

Feuchtwiesenschutz, pachtete der VNV<br />

Flächen von Privatpersonen an <strong>und</strong> stellte<br />

1990 einen Antrag an die NRW-Stiftung,<br />

um Gebiete in den Feuchtwiesen<br />

des höheren Sauerlandes erwerben zu<br />

können. Bis heute wurden r<strong>und</strong> 92 ha<br />

gekauft! Mit Mitteln des Landes wurde<br />

noch einmal etwa die gleiche Flächengröße<br />

erworben. Die Nuhnewiesen, ehemals<br />

in Landeseigentum, heute im Besitz<br />

der NRW-Stiftung <strong>und</strong> betreut durch<br />

die Biologische Station, sind innerhalb<br />

des Projektes mit r<strong>und</strong> 70 ha das größte<br />

<strong>und</strong> zusammenhängendste Gebiet. Doch<br />

mit dem Ankauf allein ist es nicht getan.<br />

Die Flächen müssen entwickelt <strong>und</strong> dauerhaft<br />

naturschutzgerecht bewirtschaftet<br />

werden. Insgesamt 13 ortsansässige<br />

Landwirte bewirtschaften heute die<br />

Stiftungsflächen r<strong>und</strong> um Winterberg.<br />

Parzellen, die durch Entfichtung oder<br />

Erstpflege wieder landwirtschaftlich<br />

nutzbar wurden, wurden zumeist durch<br />

die angrenzenden Landwirte mit in die<br />

Bewirtschaftung genommen.<br />

Das Gebiet, in dem sich die Maßnahmen<br />

<strong>und</strong> Flächenankäufe am besten veranschaulichen<br />

lassen, ist das Tal der Namenlose<br />

bei Winterberg-Silbach. Der<br />

Vergleich der beiden Luftbildausschnitte<br />

zeigt eindrucksvoll, was sich dort getan<br />

hat.<br />

Power to the Bauer!<br />

Am Beispiel der Feuchtwiesen zeigt<br />

sich einmal mehr, dass der VNV früh die<br />

Schutzwürdigkeit dieser Lebensräume<br />

erkannt hat. Mit viel ehrenamtlichem<br />

Engagement <strong>und</strong> durch Unterstützung<br />

der NRW-Stiftung ist der Schutz der<br />

Sauerländer Feuchtwiesen – <strong>und</strong> mit ihnen<br />

einer Vielzahl bedrohter Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenarten – zu einem guten Teil gelungen.<br />

Ohne eine lebensfähige Landwirtschaft<br />

jedoch, deren Arbeit um den Erhalt<br />

der Kulturlandschaft angemessen<br />

honoriert wird, werden die Erfolge entweder<br />

schnell dahin sein oder die Feuchtwiesen<br />

würden sich schnell zu unbezahlbaren<br />

Pflegefällen des <strong>Natur</strong>schutzes<br />

wandeln!<br />

Werner Schubert<br />

IRRGEISTER 1/2006 25


Die Bruchhauser Steine -<br />

auch Riesen sind bedroht<br />

Die Bruchhauser Steine bei Olsberg-Bruchhausen mit den vier großen Felsen Bornstein (91 m hoch), Goldstein<br />

(60 m), Ravenstein (72 m) <strong>und</strong> Feldstein (45 m) sind eine der eindruckvollsten Felsgruppen in ganz NRW.<br />

Die herausragende Stellung der Bruchhauser Steine <strong>für</strong> die Flora von NRW zeigt sich im Vorkommen von<br />

Pflanzenarten, die einzigartig in Norddeutschland sind (vgl. den Artikel über die Flora im HSK in diesem Heft).<br />

RAABE (1989) stellte 75 Arten der Roten Liste NRW (höhere Pflanzen, Moose <strong>und</strong> Flechten) fest!<br />

Die bekannteste Schriftstellerin Westfalens, Annette von Droste-Hülshoff, schreibt über die Bruchhauser Steine<br />

im Buch „Das malerische <strong>und</strong> romantische Westphalen“ (SCHÜCKING & FREILIGRATH 1840): „Habichte, Falken <strong>und</strong><br />

Käuze siedeln in den zerklüften Felsen <strong>und</strong> steigern durch ihr Gepfeife oder lautloses Umkreisen der Zacken den<br />

Eindruck des wild-pittoresken Bildes.“<br />

Erfolgsstory des <strong>Natur</strong>schutzes<br />

Mit Käuzen dürfte Droste-Hülshoff<br />

den Uhu gemeint haben. Bis 1876 hat<br />

unser größter Nachtgreif hier gebrütet<br />

(FELDMANN 1963). 1876 wurden die letzten<br />

drei Junguhus ausgehorstet <strong>und</strong> in<br />

den Zoo nach Münster gebracht. Erst<br />

1995 besiedelte der Uhu die Bruchhauser<br />

Steine erneut <strong>und</strong> gehört nun wieder<br />

zum festen Bestandteil der Brutvögel<br />

dort.<br />

Auch die von Annette von Droste<br />

Hülshoff erwähnten Falken, genauer die<br />

Wanderfalken, bereichern heute wieder<br />

die Lebensgemeinschaft der Bruchhauser<br />

26 IRRGEISTER 1/2006<br />

Steine. Bis 1969 konnte sich der durch<br />

direkte Verfolgung von Taubenzüchtern<br />

<strong>und</strong> Falknern <strong>und</strong> durch Umweltgifte<br />

dezimierte Großfalke halten, bevor er,<br />

wie zuvor im restlichen NRW, auch hier<br />

als Brutvogel ausstarb. Der Jungvogel<br />

dieser letzten Brut wurde von einem<br />

Falkner geraubt.<br />

Als am 7. März 1989 erstmals wieder<br />

ein Wanderfalkenpaar vom VNV an<br />

den Bruchhauser Steinen beobachtet<br />

wurde, war es das erste Mal in NRW seit<br />

dem Verschwinden der Art, dass ein Paar<br />

an einem <strong>Natur</strong>felsen nachgewiesen wurde.<br />

Sofort war uns klar, dass der VNV<br />

eine Felssperrung <strong>und</strong> eine<br />

Wanderfalkenbewachung organisieren<br />

Foto: C. Finger<br />

musste, um den Falken eine Brutansiedlung<br />

zu ermöglichen.<br />

Am 8. März informierten wir das<br />

Umweltministerium in Düsseldorf. Da<br />

man sich auch dort der Bedeutung dieses<br />

Ereignisses <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz<br />

bewusst war, wurden noch am selben<br />

Tag (!) Bornstein <strong>und</strong> Ravenstein per<br />

Erlass <strong>für</strong> das Klettern gesperrt. Denn<br />

eine weitere Ausübung des Klettersports,<br />

bis dato regelmäßig an den Felsen betrieben,<br />

hätte eine eventuelle Brut nicht<br />

möglich gemacht.<br />

Schon am 18. März konnten zwei<br />

VNV-Mitglieder mit einer R<strong>und</strong>-um-die-<br />

Uhr-Bewachung beginnen, dank der in<br />

diesem Fall hervorragenden Zusammenarbeit<br />

zwischen den Behörden <strong>und</strong> dem


ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutz. Neben einer<br />

Aushorstung durch Falkner war die<br />

Missachtung des Kletterverbots eine<br />

ständige Bedrohung. Schon ein Kletterer<br />

in der weiteren Nistplatzumgebung<br />

hätte die Ursache sein können, dass das<br />

Wanderfalkenpaar nicht zur Brut schritte<br />

oder Eier bzw. Jungvögel während<br />

solcher Störung unterkühlten.<br />

1989 begann das Paar aber trotz Balz<br />

nicht mit der Brut, da das junge Männchen<br />

noch nicht fortpflanzungsfähig war.<br />

Der Erfolg kam im Folgejahr: 1990<br />

flogen erstmals seit 1964 wieder<br />

Jungfalken, <strong>und</strong> gleich drei Vögel, am<br />

Bornstein aus! Die Bewachung durch<br />

den VNV dauerte in jenem Jahr vom<br />

13.03. bis zum 10.06.<br />

Bis 1999 wurde eine solche Bewachung<br />

in jeweils ähnlichen Zeiträumen<br />

durchgeführt. Die in der Regel zwei Bewacher<br />

waren in einem Wohnwagen untergebracht.<br />

Von 1989 bis 1999 wurden<br />

ca. 48.000 Bewachungsst<strong>und</strong>en von ehrenamtlichen<br />

<strong>Natur</strong>schützern aus ganz<br />

Deutschland geleistet. Die gesamte Organisation<br />

lag ausschließlich beim VNV<br />

<strong>und</strong> war eine sehr zeitaufwendige Angelegenheit,<br />

zumal von 1993 bis 1999 noch<br />

ein zweiter Wanderfalken-Brutplatz von<br />

uns bewacht wurde.<br />

Seit 2000 gibt es keine Dauerbewachung<br />

durch den VNV mehr. Aber<br />

nach wie vor werden die Bruchhauser<br />

Steine durch örtliche VNV’ler intensiv<br />

kontrolliert. Von 1991 bis 2004 wurden<br />

20 Jungfalken beringt, um über Ringwiederf<strong>und</strong>e<br />

zu wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

zu gelangen.<br />

Die Wiederbesiedlung der Bruchhauser<br />

Steine <strong>und</strong> weiter Teile Deutschlands<br />

durch Uhu <strong>und</strong> Wanderfalke ist eine Erfolgstory<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes <strong>und</strong> kam nur<br />

durch massiven Einsatz von Tausenden<br />

<strong>Natur</strong>schützern in ganz Deutschland zustande.<br />

An den Felsen Vorrang <strong>für</strong><br />

den <strong>Natur</strong>schutz!<br />

Schon seit 1921 liefen Bemühungen,<br />

die Bruchhauser Steine unter <strong>Natur</strong>schutz<br />

zu stellen. Eine Ausweisung als<br />

<strong>Natur</strong>schutzgebiet (NSG) erfolgte aber<br />

erst 1951. Das Beklettern der Felsen<br />

wurde verboten.<br />

Immatures Wanderfalkenweibchen<br />

Foto: B. Zoeller<br />

Später wurde allerdings dem Eigentümer<br />

erlaubt, Erlaubnisscheine zum<br />

Beklettern der Felsen an Sektionen des<br />

Deutschen Alpenvereins (DAV) auszugeben.<br />

Fortan nutzten zahlreiche Sportkletterer<br />

die <strong>Natur</strong>felsen <strong>für</strong> ihr Hobby<br />

– mit sehr negativen Auswirkungen gerade<br />

<strong>für</strong> solche Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten,<br />

<strong>für</strong> deren Erhalt das Schutzgebiet ausgewiesen<br />

wurde. Beispielsweise wurden<br />

das Bleiche Habichtskraut (Hieracium<br />

pallidum) <strong>und</strong> das Lotwurzblätterige<br />

Habichtskraut (Hieracium onosmoides),<br />

beides Felsarten an ihrer nordwestlichen<br />

Verbreitungsgrenze, während des<br />

Kletterbetriebs deutlich seltener.<br />

Bereits von 1984 an bemühte sich der<br />

VNV darum um eine Änderung der Ver-<br />

Eine Schulklasse aus Bruchhausen informiert sich<br />

bei den Wanderfalkenbewachern<br />

Foto: V. Falkenstein<br />

IRRGEISTER 1/2006 27


Nur die vorgegebenen Stufen dürfen zum Besteigen<br />

des Feldsteins von Wanderern betreten werden<br />

Foto: V. Falkenstein<br />

ordnung, um sowohl die floristischen<br />

Kostbarkeiten zu erhalten, als auch eine<br />

Wiederansiedlung des Wanderfalken zu<br />

ermöglichen.<br />

Seit 1992 endlich ist das Klettern an<br />

allen vier Hauptfelsen verboten. Nur der<br />

Feldstein darf von der östlichen Seite aus<br />

erwandert werden.<br />

Im Landschaftsplan Olsberg (HOCH-<br />

SAUERLANDKREIS 2004) findet sich unter<br />

dem Stichwort NSG „Bruchhauser Steine“:<br />

„Schutzzweck: Mit höchster Priorität<br />

sind die Felsen zu sichern als<br />

Habitat spezifischer Pflanzenarten <strong>und</strong><br />

als Brutplatz gefährdeter Vogelarten.<br />

Der Erhalt der o. g. Lebensräume erfordert<br />

vor allem eine naturnahe Waldbewirtschaftung<br />

<strong>und</strong> ein Kletterverbot.“<br />

Soweit wäre alles in Ordnung. Wenn<br />

nicht, ja wenn nicht nach wie vor das<br />

Damoklesschwert der Freigabe des Kletterns<br />

über den Steinen schweben würde.<br />

Denn die Klettersportler, zusammengeschlossen<br />

in der „IG Klettern“, bemühen<br />

sich fortlaufend, dass das <strong>für</strong> den<br />

Schutz der Pflanzen <strong>und</strong> seltenen Vögel<br />

notwendige Kletterverbot aufgeweicht<br />

oder aufgehoben wird – mit einem<br />

Aktionstag an den Steinen, bei dem ille-<br />

28 IRRGEISTER 1/2006<br />

gal von Kletterern zwei<br />

Transparente in den<br />

Felsen angebracht wurden,<br />

<strong>und</strong> hartnäckiger<br />

Lobbyarbeit bei Politikern.<br />

1<br />

Seit es zum Wechsel<br />

der Landesregierung in<br />

Düsseldorf kam, haben<br />

die Aktivitäten der IG<br />

Klettern deutlich zugenommen.<br />

Sie gibt sich<br />

oberflächlich<br />

kompromissbereit: „An<br />

den Bruchhauser Steinen<br />

könnten 80 % der<br />

Felsen gesperrt werden,<br />

in den verbleibenden<br />

Felsen sind 90 % der<br />

Kletterrouten.“ Die<br />

Kletterer wollen, dass<br />

an allen senkrechten<br />

Felsen über 10 m Höhe<br />

geklettert werden darf.<br />

Dem <strong>Natur</strong>schutz<br />

möchten sie die kleinen<br />

Felsen <strong>und</strong> Felsbrocken,<br />

dann tatsächlich 80-90 %,<br />

überlassen. Würde dies<br />

Wirklichkeit, wäre es ein<br />

Armutszeugnis von<br />

<strong>Natur</strong>schutzpolitik.<br />

Für eine einzige Interessengruppe -<br />

die Felsenkletterer - soll der einzige<br />

Wuchsort vieler Pflanzenarten in NRW<br />

geopfert werden, obwohl Alternativen in<br />

Steinbrüchen vorhanden wären. Dies<br />

wäre das Todesurteil <strong>für</strong> die einmalige<br />

Flora an den Felsen, denn Kletterersportler<br />

können am Fels nicht über die<br />

Standorte von seltenen Moosen, Flechten<br />

<strong>und</strong> höhere Pflanzen hinwegschweben.<br />

Im HSK wird zur Zeit an zwölf Standorten<br />

geklettert, davon sind zehn illegal.<br />

Dass die Gefahr durch Kletterer durchaus<br />

real ist, zeigt der Tod von 2 Junguhus<br />

in einem NSG im Stadtgebiet Marsberg<br />

(Lindner 2006). Diese beiden Junguhus<br />

starben, nachdem illegale Kletterer das<br />

hudernde Weibchen von den Jungen trieben.<br />

Schon 1990 beschreibt SCHUBERT die<br />

bis heute gültige Position des VNV zur<br />

von uns unterstützten Suche nach Alternativen<br />

zu den Bruchhauser Steinen <strong>für</strong><br />

die Kletterer: „Die Ausweisung von<br />

Klettergärten ist ... eine sinnvolle Möglichkeit,<br />

um naturschonend Klettersport<br />

zu betreiben. Bei der Suche nach alternativen<br />

Klettermöglichkeiten in Steinbrüchen<br />

arbeiten VNV <strong>und</strong> DAV zusammen,<br />

damit mögliche Konflikte bei der<br />

Auswahl solcher Klettergärten von vorneherein<br />

vermieden werden.“ Damals<br />

scheiterte die Suche nach Alternativen<br />

zu den Bruchhauser Steinen nicht am<br />

VNV, sondern der Deutsche Alpenverein<br />

konnte sich nicht mit den Flächeneigentümern<br />

einigen.<br />

Zur Zeit arbeitet der VNV bei der Erstellung<br />

von zwei Kletterkonzeptionen<br />

in stillgelegten Steinbrüchen mit. Zu einem<br />

ehrlichen Kompromiss kann es aber<br />

nur kommen, wenn nicht nur den Interessen<br />

der Kletterer, sondern auch den<br />

Belangen der <strong>Natur</strong> ausreichend Rechnung<br />

getragen wird. Der VNV sagt klar:<br />

Die Sportkletterer sollen an ausgewählten,<br />

<strong>für</strong> sie geeigneten Steinbrüchen im<br />

HSK klettern dürfen.<br />

Aber die Bruchhauser Steine müssen<br />

tabu bleiben!<br />

Martin Lindner<br />

Anmerkung: Im nächsten IRR-<br />

GEISTER-Heft erscheint ein ausführlicher<br />

Artikel über die Bruchhauser<br />

Steine.<br />

Literatur:<br />

FELDMANN, R. (1963): Der Uhu in Westfalen.<br />

Nat. u. Heimat 23: 19-26.<br />

LINDNER, M. (2006): Uhubrut durch<br />

Sportkletterer vernichtet. Falke 53: Heft<br />

10, S. 356.<br />

RAABE, U. (1989): Gutachten der Landesanstalt<br />

<strong>für</strong> Ökologie, Landschaftsentwicklung<br />

<strong>und</strong> Forstplanung zur Vegetation<br />

der Bruchhauser Steine. (unveröffentlicht).<br />

SCHUBERT, W. (1990): Die Bruchhauser<br />

Steine – <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Klettersport<br />

im Konflikt. <strong>Natur</strong>- u. Landschaftsk<strong>und</strong>e<br />

26: 1-6.<br />

SCHÜCKING, L. & F. FREILIGRATH<br />

(Hersg.)(1840): Das malerische <strong>und</strong> romantische<br />

Westphalen. Barmen + Leipzig.<br />

1 Aufschlussreich ist, sich die<br />

Internetseite der IG Klettern (www.igklettern-nrw.de),<br />

die Dokumentation<br />

ihrer Aktion „Free-NRW“ (über<br />

www.on-sight.de) <strong>und</strong> auch<br />

www.klettern-in-bruchhausen.de anzusehen.


Schmackhaftes aus<br />

wertvollem Lebensraum<br />

Obstwiesen im Sauerland<br />

Heutzutage kauft man die Äpfel im Supermarkt. Sie stammen aus Plantagen <strong>und</strong> sind manchmal schon<br />

um die halbe Welt geflogen, bevor sie auf unserem Tisch landen. Noch vor einigen Jahrzehnten war dies<br />

bei uns gänzlich anders: Äpfel <strong>und</strong> auch Birnen, Pflaumen <strong>und</strong> Kirschen wuchsen im eigenen Garten<br />

oder stammten von Bäumen, die es r<strong>und</strong> um unsere Dörfer gab. Noch in den 1950er Jahren waren viele<br />

Sauerländer Siedlungen umgeben von einem Kranz aus Wiesen, auf denen Obstbäumen parkähnlich<br />

standen; Feldwege wurden kilometerlang von Obstbäumen flankiert. Die Bäume pflanzte man in den<br />

vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten, um die Versorgung der Bevölkerung mit energie- <strong>und</strong> vitaminreicher Kost<br />

sicher zu stellen.<br />

Bestimmen von Obstbäumen in S<strong>und</strong>ern-Weninghausen Foto: G. Kistner<br />

Der Lebensraum Obstwiese<br />

Auch die Tier- <strong>und</strong> Pflanzenwelt profitierte<br />

von diesen Streuobstwiesen. 1<br />

Denn anders als die heutigen<br />

kleinwüchsigen, gedüngten <strong>und</strong> gespritz-<br />

ten Bäume der Obstplantagen bieten<br />

unsere Obstwiesen einen wertvollen Lebensraum:<br />

In den <strong>Natur</strong>höhlen der alten,<br />

hochstämmigen Bäume können höhlenbrütende<br />

Vögel wie Gartenrotschwanz<br />

<strong>und</strong> Steinkauz ihre Jungen ebenso großziehen<br />

wie Fledermäuse. Eine Vielzahl<br />

von Insekten, z. B. Schmetterlinge <strong>und</strong><br />

Wildbienen, lebt in den Obstbäumen <strong>und</strong><br />

in den blütenreichen, extensiv als<br />

Mähwiese oder Viehweide genutzten<br />

Flächen.<br />

IRRGEISTER 1/2006 29


Über die Sorten<br />

Bei den meisten Obstwiesen im Hochsauerlandkreis<br />

finden wir ein Standardsortiment<br />

an Sorten. Durch eine behördliche<br />

Verordnung aus den ersten Jahren<br />

des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, der Zeit der Anlage<br />

vieler heute bestehender Obstwiesen,<br />

wurde dies festgelegt. In der so genannten<br />

Reichsobstsortenliste wurden Sorten<br />

empfohlen, die <strong>für</strong> das jeweilige Gebiet<br />

geeignet waren,. Westfalen wurde z. B.<br />

in Sauer- <strong>und</strong> Siegerland, Hellweggebiet<br />

<strong>und</strong> Westfälische Bucht eingeteilt. In diesen<br />

Listen kommt ein Gr<strong>und</strong>sortiment an<br />

Obstsorten vor.<br />

Darüber hinaus gibt<br />

es aber in jedem<br />

Gebiet auch so genannte<br />

Lokal- <strong>und</strong><br />

Regionalsorten.<br />

Aber auch dieses„Standardsortiment“,<br />

weiter<br />

bereichert durch<br />

örtliche Auslesen,<br />

die nirgendwo<br />

sonst angepflanzt<br />

wurden, spiegelt<br />

Sortenvielfalt wieder,<br />

verglichen mit<br />

dem heutigen<br />

Standartsortiment.<br />

Denn handelsübliches<br />

Obst gehört<br />

heutzutage nur<br />

noch wenigen Sorten<br />

an, <strong>und</strong> dies<br />

deutschland- <strong>und</strong><br />

sogar europaweit<br />

betrachtet.<br />

Alte Sorten (im<br />

folgenden soll nur von Äpfeln die Rede<br />

sein), die in Westfalen <strong>und</strong> in ganz<br />

Deutschland vorkommen, sind z. B. die<br />

Rote Sternrenette, Jakob Lebel <strong>und</strong><br />

Dülmener Rosenapfel. Typisch westfälische<br />

Sorten sind die Graue Herbstrenette<br />

<strong>und</strong> der Westfälische Gulderling sowie<br />

die Westfälische Tiefblüte. Auch die Luxemburger<br />

Renette ist unter anderem in<br />

Westfalen verbreitet. Zu den Lokalsorten<br />

gehören der Liesener Kantapfel <strong>und</strong> der<br />

Schöne aus Oesdorf. Letztgenannter<br />

wurde, der Name verrät es, im Dorf<br />

Oesdorf bei Marsberg entdeckt, <strong>und</strong> ist<br />

dort noch vereinzelt zu finden.<br />

Vor dem Erscheinen der Reichsobstsortenliste<br />

wurden die einzelnen Sorten<br />

30 IRRGEISTER 1/2006<br />

von Generation zu Generation weitergegeben.<br />

Dabei waren zum Teil einige sehr<br />

seltene wie der Edelborsdorfer – vor<br />

wenigen Jahren von uns in S<strong>und</strong>ern-<br />

Weninghausen wiederentdeckt – oder die<br />

Osnabrücker Renette.<br />

Obstwiesen sind heute meistens sehr<br />

alt – <strong>und</strong> hochgradig schutzwürdig.<br />

Nicht nur wegen des wertvollen Lebensraums,<br />

sondern auch, weil Obstwiesen<br />

ein wichtiges Element unserer gewachsenen<br />

Kulturlandschaft darstellen <strong>und</strong><br />

wegen der in Jahrh<strong>und</strong>erten gewachsenen<br />

genetischen Vielfalt der Obstbäume.<br />

Sorte „Kaiser Wilhelm“<br />

Foto: G. Kistner<br />

Leider sind die Bäume wegen Überalterung<br />

<strong>und</strong> mangelnder Pflege größtenteils<br />

in einem sehr schlechten Zustand.<br />

Das, was noch übrig geblieben<br />

ist<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es<br />

mit den Obstwiesen bergab: Das Obst<br />

kaufte man nun im Supermarkt, die Bäume<br />

standen <strong>und</strong> stehen den landwirtschaftlichen<br />

Maschinen im Weg. Industrialisierung<br />

<strong>und</strong> Intensivierung sind<br />

seitdem die Schlagwörter der Landwirtschaftspolitik.<br />

Noch in den 1970er Jah-<br />

ren wurde die Rodung von Obstwiesen<br />

durch EU-Mittel subventioniert <strong>und</strong> so<br />

deren Vernichtung massiv gefördert!<br />

Die meisten Obstwiesen verschwanden,<br />

<strong>und</strong> mit ihnen wertvoller Lebensraum<br />

<strong>und</strong> landschaftliche Schönheit.<br />

Denn wer erfreut sich nicht gerne im<br />

Frühjahr an blühenden, in Wiesen <strong>und</strong> an<br />

Feldern stehenden Apfel- <strong>und</strong> Birnbäumen?!<br />

Auch im 21. Jahrh<strong>und</strong>ert ist diese Entwicklung<br />

nicht gestoppt, obwohl der<br />

Wert von Obstwiesen <strong>für</strong> <strong>Natur</strong> <strong>und</strong><br />

Landschaft außer Zweifel steht. Und obwohl<br />

die lokalen,<br />

ungespritzten Äpfel,<br />

Birnen, Kirschen<br />

<strong>und</strong> Pflaumen eine<br />

ges<strong>und</strong>e Alternative<br />

zum Obst der<br />

Supermarktketten<br />

wären. Doch obwohl<br />

die Sortenvielfalt<br />

vergangener Tage<br />

erhalten bleiben<br />

müsste, obwohl der<br />

Überalterung von<br />

Obstwiesen durch<br />

Nachpflanzen lokaler<br />

Sorten entgegengewirkt<br />

werden<br />

müsste: Nicht immer<br />

können Besitzer von<br />

Streuobstwiesen von<br />

der Wichtigkeit <strong>und</strong><br />

von dem Nutzen von<br />

Obstbäumen in der<br />

Landschaft überzeugt<br />

werden.<br />

Grünlandsintensivierung,<br />

Baugebietserweiterung. Und wenn dort<br />

eine alte Streuobstwiese steht – weg<br />

damit! Das ist leider immer noch viel zu<br />

oft die bittere Realität!<br />

Dazu zwei konkrete Fälle:<br />

Auf einer großen, im städtischen Besitz<br />

befindlichen Obstwiese am westlichen<br />

Stadtrand von S<strong>und</strong>ern stehen etwa<br />

80 Apfelbäume, unter anderem 17 Bäume<br />

der Sorte „Schöner aus Boskoop“.<br />

Die Stadt ist jedoch nicht bereit, einen<br />

Vertrag mit dem VNV über die Pflege<br />

dieser wertvollen Fläche abzuschließen<br />

oder anderweitig <strong>für</strong> den Erhalt der Bäume<br />

zu sorgen. Wir dürfen keine neuen<br />

Bäume anpflanzen <strong>und</strong> auch die vorhandenen<br />

nicht schneiden, also <strong>Natur</strong>schutz-


„Winterrambour“ auf dem Spreiberg bei Arnsberg Foto. J. Langanki<br />

maßnahmen durchführen. Denn die Fläche<br />

soll Baugebiet werden ...<br />

Nahe Marsberg befindet sich am<br />

Diemeltal eine ausgedehnte, landschaftsprägende<br />

Obstwiese, die als Rinderweide<br />

genutzt wird. Der Landwirt darf zwar<br />

die Obstbäume nicht roden, da sie gesetzlich<br />

geschützt sind. Aber weil die<br />

Bäume ihn stören, wollte auch er nicht<br />

dem VNV gestatten, an ihnen einen<br />

Pflegeschnitt durchzuführen, um sie zu<br />

erhalten, ganz zu schweigen von der<br />

Erlaubnis, junge Bäume nachzupflanzen.<br />

Er weiß genau, dass die überalterten<br />

Bäume nach <strong>und</strong> nach umstürzen <strong>und</strong><br />

freut sich schon auf eine baumfreie Weide.<br />

Dem Trend gegensteuern!<br />

Schon seit Jahren ist der VNV aktiv<br />

im Obstwiesenschutz. In den Stadtgebieten<br />

Arnsberg <strong>und</strong> S<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> im östlichen<br />

HSK um Marsberg führten wir an<br />

h<strong>und</strong>erten Obstbäumen im Außenbereich<br />

einen Pflegeschnitt durch. Dadurch verlängert<br />

sich das Lebensalter der Bäume,<br />

die als Kulturpflanzen auf Pflege angewiesen<br />

sind. Des weiteren legten wir in<br />

den Stadtgebieten Marsberg <strong>und</strong> Brilon<br />

neue Obstwiesen an <strong>und</strong> pflanzten in<br />

bestehenden Obstwiesen neue Bäume<br />

nach. Bis jetzt setzten wir knapp 150<br />

junge Bäume, inklusive der Anbringung<br />

von Verbissschutz eine langwierige Arbeit!<br />

Die gepflanzten Bäume gehören<br />

sämtlich regionalen, standortgerechten<br />

Sorten an.<br />

Vor einigen Jahren sind mit Hilfe der<br />

Forstgenbank in Arnsberg <strong>und</strong> der<br />

Biostation junge Apfelbäume veredelt<br />

worden. Bei einem Termin im Winter<br />

wurden alte Apfelbäume, bei denen ich<br />

wusste, um welche Sorte es sich handelt,<br />

im Westteil des HSK aufgesucht, <strong>und</strong><br />

von uns markiert. Zu einem späterem<br />

Zeitpunkt wurden von diesen Bäumen<br />

Reiser geschnitten, um daraus neue Bäume<br />

zu ziehen bzw. zu veredeln. Im darauf<br />

folgenden Herbst wurden insgesamt<br />

62 einjährige Apfelbäume auf dem ehemaligen<br />

Truppenübungsplatz Spreiberg<br />

bei Müschede gepflanzt. Diese werden<br />

zur Zeit zu Hochstämmen erzogen.<br />

Eine ähnliche Aktion initiierten wir <strong>für</strong><br />

den Erhalt seltener Sorten einer von uns<br />

betreuten Streuobstwiese bei Marsberg-<br />

Udorf. Hier wurden im letzten Winter<br />

junge Bäume nachgepflanzt, die zuvor<br />

aus ihren nun in Nachbarschaft stehenden<br />

„Elternbäumen“ gezogen wurden.<br />

Auch in Zukunft wird sich der VNV<br />

um den Erhalt von Streuobstwiesen<br />

kümmern <strong>und</strong> versuchen, alte Sorten zu<br />

erhalten. An den von uns gepflanzten<br />

Obstbäume führen wir regelmäßig<br />

Pflegeschnitte durch, um sie in „die richtige<br />

Form zu bringen“. Auch möchten<br />

wir wie bisher auch weiterhin an alten<br />

Bäumen einen Erhaltungsschnitt durchführen.<br />

Zur Zeit werden da<strong>für</strong> aber keine<br />

Fördergelder bewilligt, so dass <strong>für</strong> uns<br />

die Unkosten zu hoch wären.<br />

Jörg Langanki<br />

Literatur:<br />

LUCKE, R., R. SILBEREISEN, E. HERZ-<br />

BERGER (1992): Obstbäume in der<br />

Landschaft<br />

1 Streuobstwiesen sind eine landwirtschaftliche<br />

Mehrfachnutzung einer Fläche,<br />

sie dienen der Obsterzeugung <strong>und</strong><br />

werden zudem als Mähwiese oder Viehweide<br />

genutzt. Die Herkunft der Bezeichnung<br />

Streuobstwiese stammt von<br />

dem Begriff „Obstbau in Streulage“, der<br />

nach derzeitigen Erkenntnissen erstmals<br />

1940 <strong>für</strong> den nichtgewerblichen, hochstämmigen<br />

Obstbau in Schleswig-Holstein<br />

verwendet wurde.<br />

IRRGEISTER 1/2006 31


32 IRRGEISTER 1/2006<br />

Verborgenes Leben<br />

Amphibien <strong>und</strong> Reptilien im Sauerland<br />

Die Amphibien <strong>und</strong> Reptilien im Sauerland führen nicht nur wegen ihrer oftmals heimlichen Lebensweise<br />

unter Steinen, im Pflanzengewirr, in <strong>und</strong> an Gewässern ein Leben im Verborgenen, sondern auch,<br />

weil der derzeitige Wissensstand über die Verbreitung der meisten Arten gering ist.<br />

Indikatorfunktion<br />

Dabei spielen diese beiden Artengruppen<br />

eine bedeutende Rolle bei der<br />

Qualitätsbeurteilung von Lebensräumen<br />

<strong>und</strong> sind somit Schlüsselarten <strong>für</strong> die<br />

Ausweisung von Schutzgebieten.<br />

Aus diesem Gr<strong>und</strong> bemüht sich der<br />

VNV derzeit, die bestehenden Wissenslücken<br />

über die Vorkommen der Amphibien<br />

<strong>und</strong> Reptilien im Hochsauerlandkreis<br />

zu schließen. Hierbei müssen wir<br />

vor allem die gefährdeten <strong>und</strong> an spezielle<br />

Lebensraumstrukturen angepassten<br />

Arten beachten. Dies betrifft im Sauerland<br />

besonders Zauneidechse, Ringel<strong>und</strong><br />

Schlingnatter, Kammmolch sowie<br />

Kreuz- <strong>und</strong> Geburtshelferkröte.<br />

Vielfältige Gefahren<br />

Die Gefährdungsursachen sind umfangreich<br />

<strong>und</strong> betreffen zunehmend auch<br />

häufige Arten, z.B. Feuersalamander,<br />

Grasfrosch <strong>und</strong> Erdkröte. Hohe Verluste<br />

durch Straßenverkehr,<br />

Laichverpilzung infolge<br />

Gewässerversauerung, Gewässerausbau<br />

<strong>und</strong> intensive Fischhaltung in Teichen,<br />

Bächen <strong>und</strong> Flüssen mit überhöhtem<br />

Fischbesatz sorgen da<strong>für</strong>, dass auch die<br />

Bestände der weit verbreiteten Arten<br />

zurückgehen.<br />

Eine generell <strong>und</strong> überall gegebene<br />

Gefährdung geht von der enormen<br />

Nährstoffanreicherung unserer Landschaft<br />

durch Gülle, Kunstdünger <strong>und</strong><br />

Schlingnatter Foto: G. Kistner<br />

Stickstoffimmissionen aus. Dies führt<br />

dazu, dass Laichgewässer <strong>und</strong> offene<br />

Landlebensräume wie Magerrasen,<br />

Steinbrüche <strong>und</strong> Böschungen immer<br />

schneller zuwachsen <strong>und</strong> so wichtige<br />

Bedingungen des Kleinklimas, z. B.<br />

Bodenfeuchtigkeit <strong>und</strong> Sonneneinstrahlung,<br />

nachhaltig <strong>und</strong> <strong>für</strong> Kriechtiere<br />

negativ verändert werden.<br />

Einige Arten, beispielsweise<br />

Schlingnatter <strong>und</strong> vor allem Kreuzkröte,<br />

reagieren sehr sensibel auf das Zuwachsen<br />

ihrer Habitate; ihre Vermehrung verringert<br />

sich oder bleibt ganz aus. Auf<br />

diese Weise verschwinden lokale oder<br />

sogar regionale Vorkommen.


Verinselung durch<br />

Lebensraumzerstörung<br />

Besonders negativ wirken sich auch<br />

Grünlandumbruch, Aufforstung mit Nadelgehölzen<br />

<strong>und</strong> die Vernichtung von<br />

Hecken <strong>und</strong> Säumen aus. Diese Maßnahmen<br />

führen dazu, dass die ohnehin geringe<br />

Ausbreitungsfähigkeit der Amphibien<br />

<strong>und</strong> Reptilien weiter eingeschränkt<br />

wird <strong>und</strong> einzelne Vorkommen zunehmend<br />

isoliert werden, da ihnen keine<br />

deckungs- <strong>und</strong> nahrungsreichen Verb<strong>und</strong>systeme<br />

mehr zur Verfügung stehen.<br />

Ein Genaustausch zwischen einzelnen<br />

Populationen wird somit unterb<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> führt auf Dauer zum Erlöschen<br />

vieler kleiner Vorkommen, die auf Zuwanderung<br />

angewiesen sind.<br />

Blindschleiche Foto: G. Kistner<br />

Zauneidechse<br />

Foto: W. Schubert<br />

Feuersalamander Foto. N. Schröder<br />

IRRGEISTER 1/2006 33


Schutzstrategien<br />

Wie die Gefährdungsbeispiele zeigen,<br />

müssen Schutzstrategien <strong>für</strong> die Amphibien<br />

<strong>und</strong> Reptilien viel komplexer gestaltet<br />

werden, als allein durch die Anlage<br />

von Tümpeln <strong>und</strong> Krötenzäunen an Straßen.<br />

Der VNV unterstützt durch Lebensraum<br />

verbessernde Maßnahmen wie<br />

Entbuschung von offenen Magerweiden<br />

<strong>und</strong> Grünlandextensivierung natürlich<br />

einzelne Vorkommen. Doch betrachten<br />

wir die fortschreitende, intensive Nutzung<br />

unserer Landschaft durch Land<strong>und</strong><br />

Forstwirtschaft einerseits <strong>und</strong> die<br />

völlige Nutzungsaufgabe von Flächen<br />

andererseits, wird deutlich, dass nur die<br />

Abkehr einer Intensivnutzung zugunsten<br />

einer naturverträglichen Wirtschaftsweise<br />

helfen kann, dass die Amphibien<br />

<strong>und</strong> Reptilien im Sauerland weiterhin im<br />

Verborgenen leben können.<br />

Sven Kuhl<br />

34 IRRGEISTER 1/2006<br />

Erdkröten bei der Paarung Foto: G. Kistner<br />

Von VNV-Mitgliedern gerettete Kaulquappen aus austrocknenden Pfützen Foto: G. Kistner


Rotes Höhenvieh des VNV im NSG „Auf der Wiemecke“ bei Marsberg Foto: V. Falkenstein<br />

Die „Roten“ pflegen wieder<br />

Kulturlandschaft -<br />

Das VNV-Projekt „Rotes Höhenvieh“<br />

Der VNV betreibt – wie die meisten anderen <strong>Natur</strong>schutzverbände Mitteleuropas – überwiegend nicht <strong>Natur</strong>schutz<br />

im eigentlichen Sinn, sondern Kulturschutz. Denn die Sauerländer Landschaft mit ihren vielfältigen Lebensräumen,<br />

um dessen Erhalt sich der VNV bemüht, ist ein Produkt der über die Jahrh<strong>und</strong>erte stattgef<strong>und</strong>enen,<br />

kleinbäuerlichen Wirtschaftsweise. Das Sauerland ist eine Kulturlandschaft, entstanden erst durch die Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

lange Nutzung durch den Menschen <strong>und</strong> sein Weidevieh. Diese Kulturlandschaft ist geprägt durch vielfältige,<br />

kleinräumige Strukturen <strong>und</strong> spezielle Lebensräume, die einer Vielzahl unterschiedlicher Tier- <strong>und</strong> Pflanzenarten<br />

einen Überlebensraum bieten.<br />

Im Rahmen der historischen Landwirtschaft<br />

entwickelten sich im Laufe der<br />

Zeit Nutztiere die sich an diese Landschaften<br />

<strong>und</strong> deren Nahrungsangebote<br />

anpassten. Die Weideflächen entwickelten<br />

sich zu blühenden Oasen, denn viele<br />

Pflanzen, z. B. verschiedene Orchideenarten,<br />

Enziane <strong>und</strong> Kräuter, kamen besonders<br />

gut mit den dort herrschenden<br />

Bedingungen (magere, offene Standorte,<br />

besonders viel oder wenig Bodenfeuchte)<br />

zurecht. Im Zuge solcher Pflanzen<br />

konnten dann Tierarten diese Lebensräume<br />

besiedeln, die sich, wie viele<br />

Insekten, auf solche Pflanzen als Nahrung<br />

spezialisiert haben.<br />

Als dann die Mechanisierung in das<br />

bäuerliche Leben Einzug hielt, brauchten<br />

die Landwirte keine Tiere mehr, die<br />

Spanndienste leisteten. Die Fahrkühe, die<br />

den Wagen oder den Pflug gezogen hatten,<br />

waren „out“. Kühe sollten nur noch<br />

Milch oder nur noch Fleisch liefern. Dies<br />

konnten die einfarbig roten Landschläge,<br />

klassische Dreinutzungsrinder, nicht leisten<br />

<strong>und</strong> wurden eingekreuzt oder abgeschafft<br />

<strong>und</strong> durch hochgezüchtete,<br />

neue Rinderrassen ersetzt.<br />

Das einfarbig rote <strong>und</strong> mit einem hellen<br />

Flotzmaul versehene „Rote Höhenvieh“,<br />

eine sich im Sauerland über Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

hin entwickelte Rinderrasse,<br />

war an die rauen Mittelgebirgslagen<br />

angepasst: klein, zäh <strong>und</strong> kräftig. Es hat,<br />

wie auch Ziegen <strong>und</strong> Schafe, unsere<br />

Weidelandschaft geprägt.<br />

Mit dem Verschwinden dieser alten<br />

Haustierrasse wurden die nassen oder<br />

mageren Flächen nicht mehr als Viehweide<br />

genutzt <strong>und</strong> sie verbuschten. Denn <strong>für</strong><br />

Hochleistungsrinder sind extreme Standorte<br />

nicht geeignet. Die Folge war, dass<br />

mit der Nutzungsaufgabe oder durch<br />

bodenverbessernde Maßnahmen (Düngung,<br />

Drainage) die artenreichen Lebensräume<br />

wie magere Bergwiesen <strong>und</strong><br />

Feuchtwiesen verschwanden <strong>und</strong> weiter<br />

IRRGEISTER 1/2006 35


Helles Flotzmaul Foto: N. Schröder<br />

verschwinden. Unsere Landschaft wird<br />

daher seit Jahrzehnten artenärmer; viele<br />

von Magerweiden abhängige Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste.<br />

Mit dem Projekt „Rotes Höhenvieh<br />

(RHV)“ will der VNV dieser negativen<br />

Entwicklung entgegensteuern. Wir wollen<br />

dazu beitragen, diese alte, heimische<br />

Haustierrasse zu erhalten <strong>und</strong> durch<br />

Widerkäuen Foto: N. Schröder<br />

36 IRRGEISTER 1/2006<br />

Zucht wieder an das ehemals hier gehaltene<br />

Rote Höhenrind heranzuführen.<br />

Gleichzeitig betreiben die Tiere<br />

Lebensraumschutz <strong>und</strong> bewahren Tiere<br />

<strong>und</strong> Pflanzen vor dem Aussterben. Durch<br />

die Bewirtschaftung von Magerweiden,<br />

so wie sie seit Jahrh<strong>und</strong>erten praktiziert<br />

wurde, erhält das Rote Höhenvieh diese<br />

Lebensräume, indem es bei der Beseitigung<br />

von Aufwuchs hilft.<br />

Der VNV betreibt den Schutz wertvoller<br />

Sauerländer Biotope <strong>und</strong> gleichzeitig<br />

Kulturschutz durch den Erhalt einer<br />

historischen Rinderrasse in Anlehnung<br />

an die historische Wirtschaftsweise.<br />

Im Jubiläumsjahr 2006 – dem 16. Jahr<br />

seit Beginn des Projektes – setzt der<br />

VNV die Rinder auf verschiedenen<br />

Weideflächen ein.<br />

Die größte <strong>und</strong> als erste mit Rotem<br />

Höhenvieh beweidete VNV-Fläche befindet<br />

sich bei Brilon-Madfeld im NSG<br />

„Hemmecker Bruch“. Für diese in Teilbereichen<br />

sehr nasse Wiese ließ sich damals<br />

kein Bewirtschafter finden. Vor<br />

kurzem konnte mit Hilfe der NRW-Stiftung<br />

eine weitere Feuchtwiese bei<br />

Madfeld am „Prinzknapp“ erworben <strong>und</strong><br />

so erhalten werden. Eine andere Feuchtwiese<br />

wird in Marsberg-Essentho im<br />

geplanten NSG „Auf dem Bruch“ gepflegt.<br />

Im Gegensatz zu diesen sehr feuchten<br />

Flächen beweidet das „Rote Höhenvieh“<br />

auch Flächen in Marsberg-Obermarsberg<br />

im Glindegr<strong>und</strong> <strong>und</strong> im nahen<br />

NSG „Auf der Wiemecke“.<br />

Die Unterschutzstellung dieser Flächen<br />

erfolgte zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung<br />

der seltenen <strong>und</strong> gefährdeten<br />

Magerweiden mit ihren typischen Pflanzen-<br />

<strong>und</strong> Tierarten. Die einmaligen Steilhänge<br />

der Wiemecke sind durch Gebüsche<br />

<strong>und</strong> Feldhecken reich gegliedert.<br />

Dem Wanderer <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>liebhaber fällt<br />

die herausragende Schönheit der<br />

strukturreichen, halboffenen Hänge auf.<br />

Die VNV-Herde zählt zur Zeit ca. 30<br />

Tiere im Alter von 15 Jahren bis hin zu<br />

Kälbern.<br />

Der Anfang unserer traditionellen <strong>und</strong><br />

tierfre<strong>und</strong>lichen Mutterkuhhaltung im<br />

VNV war 1990. Die Beweidung wurde<br />

mit drei Tieren begonnen <strong>und</strong> schon 1991<br />

konnten sieben Tiere aufgestallt werden.<br />

Die Herde wuchs stetig <strong>und</strong> somit auch<br />

die Anforderungen an die <strong>Verein</strong>smitglieder<br />

der Projektgruppe „RHV“.<br />

Als Hilfsmittel hat die Gruppe mittlerweile<br />

einen zweiten Viehanhänger <strong>und</strong><br />

acht Elemente eines beweglichen<br />

Treibgitters angeschafft. Diese werden<br />

ständig gebraucht: Tiere müssen von einer<br />

Weide zur anderen gefahren werden.<br />

Verkaufs- oder Schlachttiere sind zu separieren<br />

<strong>und</strong> zu transportieren. Die Gitter<br />

leisten außerdem sehr gute Dienste<br />

bei tierärztlichen Untersuchungen <strong>und</strong><br />

bei den Blutkontrollen.<br />

Die Mitglieder der Projektgruppe<br />

„RHV“ sind in den letzten 16 Jahren zu<br />

Fachleuten in der Rinderzucht geworden.<br />

Dies zeigt sich in der Mitgliedschaft<br />

<strong>und</strong> in der Mitarbeit in folgenden <strong>Verein</strong>igungen:<br />

„<strong>Verein</strong> zur Erhaltung <strong>und</strong> Förderung<br />

des Roten Höhenvieh e.V.“;<br />

„<strong>Verein</strong> zur Förderung der Rotviehzucht<br />

in Westfalen e.V.“,<br />

„Gesellschaft zur Erhaltung alter <strong>und</strong><br />

gefährdeter Haustierrassen e.V.“ (GEH)<br />

„B<strong>und</strong>esarbeitsgemeinschaft Rotes<br />

Höhenvieh“ (BAG-RHV).<br />

Unser großes Fernziel ist das Finden<br />

bzw. Erstellen eines Winterquartiers oder<br />

größeren Stalls <strong>für</strong> die gesamte Herde,<br />

die zur Zeit noch im Winter in verschiedenen<br />

Ställen steht. In diesen Ställen stehen<br />

die Tiere nicht einzeln auf engem<br />

Raum, schon gar nicht auf Gitterrosten


Rotes Höhenvieh des VNV am Unterstand im NSG „Hemmecker Bruch“ bei Brilon-Madfeld Foto: N. Schröder<br />

oder in Anbindehaltung. Vielmehr achten<br />

wir auch hier auf tiergerechte Haltung:<br />

Die Tiere bleiben als typische Herdentiere<br />

im Stall zusammen, stehen auf<br />

Stroh <strong>und</strong> bekommen als Nahrung kein<br />

Kraftfutter, sondern kräuterhaltiges Heu<br />

von vorwiegend mageren Wiesen.<br />

Tiere, die wir selbst nicht zur Zucht<br />

brauchen <strong>und</strong> die nicht an andere Züchter<br />

verkauft werden können, zeigen dem<br />

Genießer wie sich das Nahrungsangebot<br />

auf den Fleischgeschmack auswirkt. Das<br />

Fleisch der Bullen <strong>und</strong> Ochsen zeigt sich<br />

feinfaserig, mit wenig Auflagefett abgedeckt,<br />

aber mit ausreichend intramuskulärem<br />

Fett durchsetzt. Durch diese Vermarktung<br />

trägt sich die Herde selbst <strong>und</strong><br />

benötigt keine weiteren finanziellen Unterstützungen<br />

durch den <strong>Verein</strong>.<br />

Norbert Schröder<br />

„Espe“ - 15 Jahre alt Foto: N. Schröder<br />

IRRGEISTER 1/2006 37


<strong>Natur</strong>schutz findet nicht nur<br />

draußen statt!<br />

38 IRRGEISTER 1/2006<br />

Arbeit am Schreibtisch <strong>und</strong> in Gremien<br />

„Es gibt Feiertage, die stehen nicht im Kalender. Sie kommen aus heiterem Himmel.“ So beginnt ein Artikel in unserer<br />

<strong>Verein</strong>szeitschrift im Jahr 1991, 1 in dem das Aus der geplanten Renautalsperre verkündet wird. Der VNV war – neben dem<br />

BUND als überregionaler <strong>Natur</strong>schutzverband – maßgeblich an der Verhinderung der <strong>Natur</strong>zerstörung größten Stils beteiligt.<br />

Erfolge wie diese geben Kraft, sich auch in Zukunft mit arbeitsaufwendiger Schreibtischarbeit <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> einzusetzen, auch<br />

wenn man immer mal wieder öffentlich diffamiert wird <strong>und</strong> von vielen Seiten Prügel einstecken muss.<br />

Die Renautalsperre gegen<br />

das Verdursten?<br />

Je größer, desto besser. Dies war das<br />

Motto von Behörden bzw. Regierungen,<br />

die Projekte <strong>für</strong> den „Fortschritt“ entwarfen<br />

– <strong>und</strong> ist es leider oft immer noch.<br />

Um den wachsenden Trinkwasserbedarf<br />

der Bevölkerung zu decken, war im HSK<br />

eine große Talsperre geplant: Die<br />

Renautalsperre im Stadtgebiet Winterberg.<br />

Das Renautal ist ein einmaliger <strong>Natur</strong>raum:<br />

Bergwiesen, Bergwälder mit<br />

Eiszeitrelikten in der Tierwelt <strong>und</strong> subalpine<br />

Bäche prägen die völlig unverbaute,<br />

extensiv genutzte Landschaft. Darum<br />

kämpfte der VNV seit seiner Gründung<br />

jahrelang gegen dieses Großprojekt,<br />

mit umfangreichen schriftlichen<br />

Stellungnahmen, Klinken Putzen bei regionalen<br />

Behörden <strong>und</strong> der Landesregierung<br />

in Düsseldorf, auf mehrtägigen<br />

Erörterungsterminen, durch Medienarbeit<br />

<strong>und</strong> durch Erwerb eines Sperrgr<strong>und</strong>stücks,<br />

dass uns ein Klagerecht sicherte<br />

– letztendlich ein erfolgreicher<br />

Kampf.<br />

Denn zum Glück <strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> fand<br />

nicht nur deren Schutz bei den ursprünglichen<br />

Planungen praktisch keine Berücksichtigung.<br />

Der VNV konnte darüber<br />

hinaus das zugr<strong>und</strong>e liegende Konzept<br />

<strong>für</strong> die Trinkwasserversorgung als<br />

schlecht <strong>und</strong> unf<strong>und</strong>iert entlarven.<br />

Der VNV als DER Hauptwidersacher<br />

der Talsperre wurde in den Medien <strong>und</strong><br />

von Politikern als Buhmann hingestellt,<br />

der verhindern wolle, dass die Menschen<br />

einer ganzen Region ausreichend zu trinken<br />

hätten. Wir konnten dagegen erreichen,<br />

dass das aus verschiedensten Gründen<br />

schlechte Konzept einer zentralen<br />

Renautalsperre?<br />

Liebe Leute, laßt Euch sagen,<br />

die Trockenheit hat zugeschlagen.<br />

Menschheit dürstet wie noch nie -<br />

<strong>und</strong> dann erst das liebe Vieh!<br />

Das ganze Jahr in Saus <strong>und</strong> Braus<br />

Läuft’s durchs Klo <strong>und</strong> durch die Braus.<br />

Trotz der Rufe vieler Unken<br />

Tun wir mit dem Wasser prunken.<br />

Bis auf einem Mal – potzblitz –<br />

man wieder auf dem Trocknen sitzt.<br />

Und nun merkt es auch der Letzte:<br />

Klares Wasser ist das Beste!<br />

Gestern stand’s in der WP,<br />

einer hatte ‘ne Idee!<br />

Laßt uns in die Zukunft schaun<br />

<strong>und</strong> uns einen Speicher bau’n!<br />

Und er wusste, wo genau,<br />

in ein Tal, genannt Renau.<br />

Wasser sparen ist ‘ne Qual,<br />

lieber opfern wir ein Tal.<br />

Wer wirklich hat nach vorn geschaut<br />

keinesfalls auf Renau baut.<br />

Setzt auf Sparen, nicht auf Sperren,<br />

denn sonst werden wir uns wehren.<br />

Und es liegt mir schwer im Magen,<br />

wenn mich einst die Kinder fragen,<br />

dieses eine Wort „Warum?“,<br />

bleiben wir dann wieder stumm?<br />

Werner Schubert (1987)<br />

Trinkwasserversorgung schließlich<br />

Ende 1990 in Düsseldorf gekippt<br />

wurde, zugunsten einer dezentralen<br />

Trinkwassergewinnung <strong>und</strong> der<br />

Vernetzung der lokalen Wasserwerke.<br />

Dies funktioniert reibungslos,<br />

wie die inzwischen langjährige Praxis<br />

zeigt.<br />

Almetal: NSG statt<br />

Talsperre<br />

Auch bei einer weiteren, konkret<br />

geplanten Talsperre schlugen die<br />

Wellen in den 1980er Jahren hoch,<br />

als der VNV versuchte, diese zu kippen.<br />

Die Planung der Almetalsperre<br />

war eine Altlast. Sie war Jahre zuvor<br />

in überregionalen Entwicklungsplänen<br />

festgeschrieben worden. Und<br />

wie es das Wesen von Altlasten ist,<br />

man wird sie schlecht los. Die Alme<br />

ist ein naturnaher Fluss in malerischer<br />

Wald- <strong>und</strong> Wiesenlandschaft<br />

auf Briloner Stadtgebiet. Ursprünglich<br />

angedacht als Trinkwassertalsperre<br />

(der wirkliche Bedarf<br />

rechtfertigte den Bau aber selbst <strong>für</strong><br />

den stärksten Be<strong>für</strong>worter des Vorhabens<br />

nicht), sollte daraus nun ein<br />

Freizeitsee werden, der gleichzeitig<br />

dem Hochwasserschutz dienen sollte.<br />

Aber auch hier konnten sich die<br />

Argumente des VNV durchsetzen:<br />

Hochwasserschutz findet in unverbauten<br />

Auen statt. Der Schutz seltener<br />

Arten <strong>und</strong> Lebensräume hat<br />

Vorrang vor dem fraglichen Nutzen<br />

eines weiteren Sauerländer Freizeitsees.


Das Almetal wurde Anfang der<br />

1990er Jahre <strong>Natur</strong>schutzgebiet (NSG),<br />

allerdings nur temporär ausgewiesen. So<br />

hielten sich die Behörden ein Hintertürchen<br />

offen, <strong>für</strong> den Fall der Notwendigkeit<br />

einer Talsperre. In der NSG-Verordnung<br />

<strong>für</strong> das Almetal ist festgeschrieben:<br />

Zwar solle der Status quo der extensiven,<br />

artenreichen Magerwiesen <strong>und</strong> der<br />

Laubwälder erhalten werden. Es dürfen<br />

jedoch keine Optimierungsmaßnahmen<br />

<strong>für</strong> die <strong>Natur</strong> stattfinden! Damit sollen<br />

neue Argumente gegen eine Talsperre<br />

ausgeschlossen werden – womöglich siedelt<br />

sich noch eine weitere seltene Tierart<br />

dort an?!<br />

Weil aber <strong>für</strong> eine Almetalsperre<br />

nichts mehr spricht, ist das Tal aus unserer<br />

Sicht gerettet.<br />

Straßenplanungen: Stimme<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes<br />

nicht gefragt!<br />

Diesen beiden großen Erfolgen des<br />

<strong>Natur</strong>schutzes im Sauerland, die sich der<br />

VNV auf die Fahnen schreiben kann, stehen<br />

aber auch viele Misserfolge gegenüber.<br />

Ein Großteil unserer Stellungnahmen<br />

<strong>Natur</strong>zerstörung im großen Stil: Bau der A 46 Foto: VNV-Archiv<br />

bezüglich Straßenbauvorhaben, die wir<br />

als gesetzlich anerkannter <strong>Natur</strong>schutzverband<br />

abgeben, bleiben ohne konkrete<br />

Auswirkungen auf die Projekte, sei es<br />

bei Monsterstraßen wie der A 46, die<br />

unseren Kreis durchschneidet, sei es bei<br />

kleineren Straßenneubauen oder –ausbauen.<br />

Gemeint ist nicht nur die gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Verhinderung derjenigen Projekte,<br />

deren Nutzen gegenüber den gravierenden<br />

Nachteilen oft zumindest fraglich<br />

ist. Auch unsere Vorschläge zu sinnvollen<br />

Ausgleichs- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmen<br />

oder zu Trassenalternativen,<br />

die weniger Schaden in <strong>Natur</strong> <strong>und</strong> Landschaft<br />

anrichten, wurden bisher kaum berücksichtigt.<br />

Beispiel A 46<br />

Die Autobahn A 46 ist eine extreme<br />

<strong>Natur</strong>zerstörung, die wir nicht verhindern<br />

konnten, obwohl kleinere Alternativen<br />

zur A 46 wie Umgehungsstraßen<br />

um Städte <strong>und</strong> Dörfer an der parallel<br />

verlaufenden B 7 schonender <strong>und</strong> deutlich<br />

kostengünstiger gewesen wären.<br />

Immerhin gibt es wohl kaum eine deutsche<br />

Autobahn, deren Bau so teuer war<br />

wie der des Teilstücks zwischen<br />

Arnsberg <strong>und</strong> Meschede, besteht dieser<br />

Abschnitt doch fast ausschließlich aus<br />

Brücken, Tunneln <strong>und</strong> Bergeinschnitten,<br />

die aufwändig gegen Nachrutschen der<br />

Gesteinsmassen gesichert werden müssen.<br />

Unsere Vorschläge zu Ausgleichs<strong>und</strong><br />

Ersatzmaßnahmen wurden gänzlich<br />

nicht berücksichtigt; die stattfindenden<br />

Maßnahmen stehen in keinem Verhältnis<br />

zur Schwere des Eingriffs in die <strong>Natur</strong>.<br />

Warum also die Arbeit?<br />

Warum opfern wir also viel Zeit mit<br />

dem Durcharbeiten von Akten über<br />

Straßenplanungen, wenn (fast) nichts<br />

dabei heraus kommt?<br />

Erstens: Wenn eine Behörde <strong>und</strong> die<br />

verantwortlichen Politiker wissen, dass<br />

sie kontrolliert werden, werden sie die<br />

gesetzlich vorgeschriebene Beachtung<br />

des <strong>Natur</strong>schutzes (zumindest formal)<br />

erfüllen. Der ehrenamtliche <strong>Natur</strong>schutz<br />

ist bei Planverfahren nicht nur im Straßenbau<br />

die einzige unabhängige Kontrollinstanz.<br />

Zweitens: Manch kleiner Erfolg ist<br />

immerhin ein Erfolg. Beim Ausbau der<br />

Landstraße bei Brilon-Rixen retteten wir<br />

die alten Bäume entlang der Straße, die<br />

ursprünglich gefällt werden sollten. Beim<br />

IRRGEISTER 1/2006 39


Ausbau der B 7 in Brilon-Altenbüren<br />

wurden drei alte Bäume im Ort verschont.<br />

2 Das Straßenbauamt argumentierte<br />

dort, die Bäume müssten gefällt<br />

werden, da sonst die vorgeschriebene<br />

Breite einer B<strong>und</strong>esstraße nicht eingehalten<br />

werden könne. Wir maßen nach<br />

<strong>und</strong> bewiesen, dass die Straße auch mit<br />

Bäumen breit genug gebaut werden<br />

kann.<br />

Der Landschaftsbeirat<br />

Im Landschaftsbeirat des HSK, einem<br />

beratenden Gremium aus <strong>Natur</strong>nutzern<br />

<strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schützern, arbeitet der VNV<br />

fast seit seinem Bestehen mit. Seit drei<br />

Wahlperioden stellen wir mit Bernhard<br />

Koch bzw. Johannes Schröder den Vorsitzenden.<br />

Die trockene Arbeit ist wichtig,<br />

da wir auf diesem Weg frühzeitig<br />

Einfluss auf Planungen nehmen können,<br />

wodurch unsere Vorschläge <strong>und</strong> Anmerkungen<br />

eher berücksichtigt werden. Beispielsweise<br />

ist der Schutz wertvoller<br />

Gebiete durch die in den letzten Jahren<br />

verabschiedeten Landschaftspläne deutlich<br />

verbessert worden.<br />

Resümee: Behörden- <strong>und</strong><br />

Gremienarbeit notwendig<br />

Als <strong>Natur</strong>schützer muss man ein dikkes<br />

Fell haben. Denn Eintreten <strong>für</strong><br />

<strong>Natur</strong>schutzbelange wird oft dargestellt<br />

als Miesmacherei <strong>und</strong> grüne<br />

Verhinderungsspinnerei. Dennoch: Wir<br />

werden zu Eingriffen weiterhin gegenüber<br />

Behörden Stellung beziehen. Dabei<br />

sehen wir uns als Stimme der <strong>Natur</strong>,<br />

werden uns aber immer<br />

kompromissbereit zeigen <strong>und</strong> einen ehrlichen<br />

(!) Ausgleich mit anderen Interessengruppen<br />

suchen. Wir werden weiterhin<br />

in Gremien wie dem Landschaftsbeirat<br />

mitarbeiten.<br />

Denn: <strong>Natur</strong>schutz wird nicht nur<br />

draußen gemacht!<br />

Johannes Schröder<br />

<strong>und</strong> Harald Legge<br />

1 IRRGEISTER 1990/4-1991/1, S. 5<br />

2 Die Bäume leben heute noch, <strong>und</strong><br />

zwar ca. 50 m westlich der Ampel.<br />

40 IRRGEISTER 1/2006


Faustschlag gegen die <strong>Natur</strong> –<br />

Das geplante Landschaftsgesetz<br />

Zur Zeit wird die Novellierung des Landschaftsgesetzes Nordrhein-Westfalens vorbereitet. Würde das<br />

Gesetzespaket so verabschiedet, wie es derzeit innerhalb der CDU-FDP-Koalition diskutiert wird, wäre<br />

das ein Faustschlag gegen die <strong>Natur</strong> unseres Landes <strong>und</strong> ein eindeutiger <strong>und</strong> einschneidender Rückschritt<br />

in den Bemühungen um den Erhalt unserer <strong>Natur</strong>schätze. Auch das ehrenamtliche Engagement<br />

des VNV würde behindert <strong>und</strong> beschädigt werden.<br />

Dazu einige Beispiele:<br />

• Die <strong>Natur</strong>schutzverbände werden bei vielen Eingriffen generell nicht mehr beteiligt, z. B. bei Forst- <strong>und</strong> Wasserbaumaßnahmen,<br />

Abgrabungen (Steinbrüche!), Eingriffen in besonders geschützten Biotopen außerhalb von Schutzgebieten.<br />

• Magerweiden <strong>und</strong> Felsen, Höhlen <strong>und</strong> Stollen fallen aus der Liste der gesetzlich geschützten Biotope.<br />

• Eingriffe in die <strong>Natur</strong> sollen nur noch 1:1 ausgeglichen werden, d. h. Ausgleichsmaßnahmen finden nur noch auf einer<br />

Fläche statt, die nicht größer ist als der Eingriff selbst. Würde z. B. ein Magerrasen von 1 ha Größe durch eine<br />

Baumaßnahme zerstört, müsste die Ausgleichsfläche eigentlich viel größer sein, um die erheblichen <strong>Natur</strong>zerstörungen<br />

zu kompensieren. Auch die <strong>Natur</strong>schutzbehörden der Kreise finden diese geplante Regelung fachlich nicht nachvollziehbar.<br />

• Sanierungsmaßnahmen zur Wiedernutzung von Industriebrachen sollen von der Eingriffsregelung freigestellt werden,<br />

d. h. der Eingriff muss nicht ausgeglichen werden. Würde z. B. eine stillgelegte Bahntrasse in einen Radweg umgewandelt<br />

<strong>und</strong> dabei Vorkommen <strong>und</strong> Lebensraum von Rote-Liste-Arten zerstört, fänden keine Ausgleichsmaßnahmen<br />

statt.<br />

• Kompensationsmaßnahmen <strong>für</strong> Eingriffe sollen vorrangig dort stattfinden, wo keine zusätzliche Fläche <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz<br />

„verbraucht“ wird, am besten in bestehenden, sowieso schon ausgewiesenen Schutzgebieten.<br />

• Statt durch Ausgleich- <strong>und</strong> Ersatzmaßnahmen Eingriffe zu kompensieren, soll zukünftig auch ein Ersatzgeld gezahlt<br />

werden können. Dieses muss nicht <strong>für</strong> spezielle <strong>Natur</strong>schutzmaßnahmen genutzt werden, es können damit auch Personalkosten<br />

bei Behörden <strong>und</strong> Biostationen bestritten werden.<br />

• Die Verbandsklage der <strong>Natur</strong>schutzverbände wird faktisch abgeschafft. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass die<br />

<strong>Natur</strong>schutzverbände diese Einflussmöglichkeit selten <strong>und</strong> mit Augenmaß genutzt haben <strong>und</strong> die Verbandsklage keinesfalls<br />

die wirtschaftliche Entwicklung des Landes lahm gelegt hat.<br />

• Die Pflicht, 10 % Landesfläche vorrangig <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz zur Verfügung zu stellen, soll in einer Soll-Bestimmung<br />

umgewandelt werden.<br />

Unser Dachverband, die Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Umwelt (LNU), hat ein „Eckpunkte-Papier“ erarbeitet, in<br />

dem wesentliche Forderungen des ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzes begründet werden. Damit davon möglichst viel in die Gesetzesnovelle<br />

einfließt <strong>und</strong> Schaden <strong>für</strong> den <strong>Natur</strong>schutz noch vermindert werden kann, bedarf es einer großen argumentativen<br />

Anstrengung auf allen Ebenen der Politik.<br />

Im Folgenden:<br />

Das Eckpunkte-Papier der LNU<br />

Landesgemeinschaft <strong>Natur</strong>schutz <strong>und</strong> Umwelt Nordrhein-Westfalen e.V.<br />

Landesgeschäftsstelle: Heinrich-Lübke-Str. 16 59759 Arnsberg-Hüsten Telefon 02932 / 4201 Telefax 02932 / 54491 e-Mail: LNU.NRW@t-online.de<br />

Eckpunkte zur Novellierung des Landschaftsgesetzes, Beschluß der LNU-Mitgliederversammlung<br />

v. 16.9.2006 in Lüdenscheid<br />

1. Die LNU wendet sich gegen die Abschaffung der Beiräte bei den Höheren Landschaftsbe-hörden der Bezirksregierungen.<br />

An einer Fülle von Beispielen lässt sich von den ehrenamtlich tätigen Vorsitzenden schlüssig nachweisen,<br />

welch fach- <strong>und</strong> sachkompetenten, aber auch klugen Empfehlungen Höhere Beiräte ihren Behörden<br />

gegeben haben, die aufgr<strong>und</strong> ihrer ausführlichen <strong>und</strong> sorgfältigen Diskussionen in den Gremien vor allem auch<br />

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42 IRRGEISTER 1/2006<br />

§<br />

zu einer Befriedung zuvor hitziger Debatten in der Region geführt haben. Das Instrument der einstweiligen<br />

Sicherstellung von Schutzgebieten durch die Höheren Landschaftsbehörden muß erhalten bleiben.<br />

2. Die LNU wendet sich gegen die Schwächung der Beiräte bei den unteren Landschaftsbehörden auf der Ebene<br />

der Kreise <strong>und</strong> kreisfreien Städte – zwar sollen die Beiräte auch wei-terhin durch das Widerspruchsrecht eine<br />

besondere Stellung haben. Die Absicht jedoch, die Entscheidung über einen Widerspruch nicht mehr der übergeordneten<br />

Fachbehörde zu überlassen, sondern den Widerspruch in der Gebietskörperschaft zu entscheiden, ist<br />

eine erhebliche Schwächung des Beirats <strong>und</strong> macht aus einer fachlichen Angelegenheit eine politische. Die<br />

Verwaltung, die mit ihrer fachlichen Vorlage <strong>für</strong> den Beirat nicht zum Zuge kam, legt jetzt eine fachlich nicht<br />

konsensfähige Vorlage einem politischen, nicht Fachgremium zur abschließenden Entscheidung vor. Damit wird<br />

die fachliche Beurteilung ausschließlich auf die Ebene der Verwaltung verlagert, die Funktion <strong>und</strong> Stellung des<br />

unteren Beirats er-heblich geschwächt.<br />

3. Die LNU plädiert <strong>für</strong> eine Zusammensetzung der Landschaftsbeiräte wie sie bis 1994 bestand. Die damalige<br />

Besetzung umfasste alle relevanten Gruppen, die im <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsschutz ehrenamtlich tätig sind oder<br />

ein unmittelbares Interesse an der Nutzung intakter <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsstrukturen haben, <strong>und</strong> erteilte den<br />

Verbänden aus dem <strong>Natur</strong>-schutz <strong>und</strong> der Landschaftspflege ein Primat durch eine 8:7-Verteilung. Dabei war die<br />

LNU mit vier Sitzen vertreten – was sie auch jetzt wieder reklamiert: Zwei Sitze <strong>für</strong> Vertreter aus dem <strong>Natur</strong>schutz<br />

<strong>und</strong> der Landschaftspflege, ein Sitz <strong>für</strong> das LNU-Mitglied Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW),<br />

ein Sitz <strong>für</strong> einen Vertreter aus den Verbänden der Heimatpflege <strong>und</strong> der Erholung in der freien Landschaft.<br />

4. Die LNU lehnt die Abschaffung des gr<strong>und</strong>sätzlichen Schutzes von Alleen <strong>und</strong> Streuobstwiesen entschieden ab.<br />

Damit werden bedeutsame <strong>und</strong> prägende Elemente der nordrhein-westfälischen Kulturlandschaft, die sowohl<br />

Heimatverb<strong>und</strong>enheit, Landschaftsästhetik <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz ansprechen, dem Einzelschutz in Landschaftsplänen,<br />

die es in großen Teilen des Landes noch immer nicht gibt, ausgesetzt, nicht aber unter leicht nachvollziehbaren,<br />

transparenten generellen Schutz gestellt. Insbesondere die Mitgliedsverbände der LNU ha-ben dazu beigetragen,<br />

dass Alleen in Nordrhein-Westfalen wieder wahrgenommen werden <strong>und</strong> ihr Wert von weiten Teilen der Bevölkerung<br />

geteilt wird; das Gleiche gilt <strong>für</strong> Streuobstwiesen, <strong>für</strong> deren Erhalt <strong>und</strong> Pflege sowie Vermarktung als<br />

Regionalprodukt vor allem ehrenamtliche Initiativen aus dem <strong>Natur</strong>- <strong>und</strong> Landschaftsschutz eintreten. Es wäre<br />

verheerend, wenn die Ehrenamtler in den Beiräten, in den Heimatvereinen <strong>und</strong> den Streuobstinitiativen mit der<br />

Verabschiedung dieses Gesetzes erfahren müssten, dass ihre jahrelange Ar-beit <strong>für</strong> die Allgemeinheit nicht länger<br />

von Bedeutung ist, weil ihr Wert an sich nicht erkannt, besser: verkannt wird. Die LNU spricht sich insbesondere<br />

dagegen aus, die erst in 2005 eingeführten Schutzregelungen <strong>für</strong> Alleen <strong>und</strong> Streuobstwiesen schon jetzt wieder<br />

zu ändern, bevor sie überhaupt in der Praxis erprobt <strong>und</strong> die Erfahrungen mit ihnen ausgewertet wurden. Unverzichtbar<br />

<strong>für</strong> einen erfolgreichen Alleenschutz ist die Aufstellung eines landesweiten Alleenkatasters, zu dem die<br />

LNU im Auftrag des MUNLV bereits erhebliche Arbeiten geleistet hat.<br />

5. Die LNU hält die Einschränkung der nach §62 geschützten Biotope, bezogen auf<br />

die Gegebenheiten in Nordrhein-Westfalen, <strong>für</strong> nicht ausreichend: Sowohl natürliche Felsformationen wie Dünen<br />

sind auch <strong>und</strong> gerade in Nordrhein-Westfalen nicht alltägliche Landschaftselemente, die deshalb genauso wie<br />

Quellen oder Magerwiesen einem gr<strong>und</strong>sätzlichen Schutz unterliegen sollten.<br />

6. Die LNU fordert nachhaltig, dass Landschaftsplanung in Nordrhein-Westfalen flächendeckend zu erfolgen hat.<br />

Das heißt, dass auch <strong>für</strong> den städtischen Bereich ein stadtökologischer Fachbeitrag zu erstellen ist, um die<br />

Wechselwirkungen zwischen städtischem Grün, städtischen Brachen <strong>und</strong> dem Umland auch planerisch darzustellen.<br />

7. Die LNU erwartet, dass die Landesregierung von ihrer Absicht, die Landes-<strong>Natur</strong>schutz-gesetzgebung im<br />

Verhältnis 1:1 zum B<strong>und</strong>esnaturschutz- <strong>und</strong> EU-Recht umzusetzen, nicht abweicht. Der Entwurf der<br />

Landschaftsgesetz-Novelle erfüllt in knapp einem Dutzend Fälle diese Vorgabe nicht, sondern bleibt hinter den<br />

Standards von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> EU zurück.<br />

8. Die LNU fordert die Landesregierung auf, besonders im Bereich der wasserrechtlichen Verfahren auf die<br />

Beteiligung des ehrenamtlichen <strong>Natur</strong>schutzes nicht zu verzichten. Gerade die frühzeitige Beteiligung der äußerst<br />

orts- <strong>und</strong> sachk<strong>und</strong>igen <strong>Natur</strong>schutz-Vertreter vor Ort hat in der Vergangenheit nicht zu Behinderungen einer


Planung, sondern wegen der frühen Einbindung zu schnellen <strong>und</strong> einvernehmlichen Regelungen geführt. Die<br />

Bedeutung des Ehrenamts sollte auch hier nicht vernachlässigt werden, da gerade die Mitgliedsver-bände der<br />

LNU aus den Bereichen Angeln, Zoologie <strong>und</strong> <strong>Natur</strong>schutz über ein ausgeprägtes Fachwissen verfügen, auf das<br />

in der Absicht, zuträgliche Lösungen zu erreichen, nicht verzichtet werden sollte.<br />

9. Die LNU spricht sich da<strong>für</strong> aus, die bisher vollzogene Praxis, die von Kreisen oder kreisfreien Städten als<br />

Satzung verabschiedeten Landschaftspläne durch die Bezirksregierung genehmigen zu lassen, beizubehalten.<br />

Eine Anzeige reicht unseres Erachtens nicht aus. Vielmehr sollte – wie bisher – bei Unstimmigkeiten die Aufsichtsbehörde<br />

in die Lage versetzt werden, den Landschaftsplan über eine Anweisung korrigieren zu können; der<br />

einfache Hinweis auf Fehler oder Versäumnisse reicht nicht aus. Dies ist auch wichtig, um die Kohärenz zwischen<br />

Landschaftsplänen <strong>und</strong> Landschaftsrahmenplänen zu erhalten.<br />

10. Die LNU geht mit der Landesregierung einig in der Auffassung, dass die Verlegung von Leitungen in Straßen<br />

<strong>und</strong> befestigten Wegen nicht gr<strong>und</strong>sätzlich ein Eingriff ist. Allerdings sollte nach Auffassung der LNU der Passus<br />

um einen Abschnitt ergänzt werden, wonach die gr<strong>und</strong>sätzliche Befreiung einer Überprüfung zu unterziehen ist,<br />

wenn Einzelbäume, Baumreihen, Vogelhecken sowie Feuchtbereiche <strong>und</strong> Gewässer unmittelbar am Straßen- <strong>und</strong><br />

Wegesrand oder im nahen Umfeld sich befinden.<br />

11. Die LNU spricht sich in der Eingriffs-Regelung nachdrücklich da<strong>für</strong> aus, Kompensation nicht auf beliebig<br />

verfügbaren Flächen ohne ein zugr<strong>und</strong>e liegendes Fachkonzept durchzuführen. Vielmehr muss oberstes Ziel sein,<br />

Vernetzungsstrukturen zwischen <strong>Natur</strong>schutz- <strong>und</strong> FFH-Gebieten zu erreichen <strong>und</strong> dabei die Kompensation<br />

vorrangig in der Optimierung der Ge-wässersysteme zu betreiben als in der Aufwertung von land- oder forstwirtschaftlichen<br />

Flä-chen. Die Vorgaben der Landschaftspläne <strong>und</strong> der Landschaftsrahmenpläne müssen Gr<strong>und</strong>lage<br />

eines solchen Fachkonzeptes sein. Eine Beschränkung der Größe der Ausgleichsflächen ist besonders bei<br />

Eingriffen in wertvolle Biotope nicht sachgerecht.<br />

12. Die LNU spricht sich <strong>für</strong> den Erhalt der Unabhängigkeit der Biologischen Stationen aus <strong>und</strong> wendet sich<br />

gegen die Absicht, ihre Tätigkeiten auf Aufträge der Landschaftsbehörden zu beschränken. Biologische Stationen<br />

müssen auch weiterhin im Auftrag ihrer Trägervereine <strong>und</strong> der darin vertretenen Organisationen tätig sein können.<br />

Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter.<br />

Der Mensch beherrscht die <strong>Natur</strong>,<br />

bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.<br />

IRRGEISTER 1/2006 43


Kästen <strong>und</strong> Brutnischen <strong>für</strong><br />

seltene Vögel -<br />

Artenhilfsprogramme durch Nisthilfen<br />

Artenschutz durch Lebensraumschutz – das ist die Devise des VNV <strong>und</strong> allgemein heute gängige Praxis<br />

im <strong>Natur</strong>schutz. Denn fast immer ist eine Art nur deshalb vom Aussterben bedroht oder sogar schon<br />

ausgestorben, weil der Lebensraum, den diese Art benötigt, verschwindet. Warum also hängt der VNV<br />

trotzdem Nistkästen auf, hilft also gezielt bestimmten Vogelarten, ohne – in diesen Fällen – einen besonderen<br />

Focus auf deren Lebensräume zu richten?<br />

Bernhard Koch in jungen Jahren<br />

am Raufußkauznistkasten<br />

Foto: VNV-Archiv<br />

44 IRRGEISTER 1/2006<br />

Nistkästen als Höhlenersatz<br />

In Deutschland beschäftigt sich der<br />

Vogelschutz schon seit Ende des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts intensiv mit dem Aufhängen<br />

von Nistkästen. Denn <strong>Natur</strong>fre<strong>und</strong>e<br />

hatten damals bereits erkannt, dass in den<br />

modernen Forsten Nisthöhlen fehlen.<br />

Gerade alte Bäume mit Spechthöhlen<br />

oder anderen <strong>Natur</strong>höhlen fielen <strong>und</strong> fallen<br />

nämlich der Säge des Menschen zum<br />

Opfer. Ab 1897 ist die „v. Berlep’sche<br />

Höhle“ im Vogelschutz im Einsatz<br />

(BERLEPSCH 1923). Diesem ersten „modernen“<br />

Nistkastentyp sind bis heute<br />

unzählige weitere <strong>für</strong> alle möglichen<br />

Tierarten gefolgt, hauptsächlich <strong>für</strong> verschiedene<br />

Vogelarten. Heute werden<br />

Nistkästen auch <strong>für</strong> Fledermäuse <strong>und</strong><br />

Insekten aufgehängt.<br />

Viele Vogelschutzvereine beschäftigten<br />

sich Anfang des letzten Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

vor allem mit Nistkästen, welche in so<br />

genannten Vogelschutzgehölzen angebracht<br />

wurden (ebd.). Noch bis vor wenigen<br />

Jahren gab es z. B. am Einlauf des<br />

Sorpesees ein Hinweisschild<br />

„Vogelschutzgehölz“. In der Vergangenheit<br />

wurden vor allem Nistkästen <strong>für</strong><br />

Meisen <strong>und</strong> Stare angebracht, häufig<br />

auch zur biologischen Schädlingsbekämpfung<br />

vom Forst <strong>und</strong> von Gärtnern.<br />

Laut eines Prospekts (2001) hat allein<br />

die Firma Schwegler, größter Nistkasten-<br />

Produzent in Deutschland, bisher mehr<br />

als 8,5 Mio. Kästen produziert <strong>und</strong> verkauft.<br />

Insgesamt scheint jedoch inzwischen,<br />

vor allem im Forst, das Anbringen von<br />

Nistkästen stark nachgelassen zu haben.


Eine andere Nistkastenform <strong>für</strong> den Raufußkauz<br />

Foto. A. Kämpfer-Lauenstein<br />

Stütze <strong>für</strong> seltene Arten<br />

Nistkästen <strong>für</strong> Meisen, Stare <strong>und</strong> andere<br />

häufige Vogelarten hängt der VNV<br />

aber nicht auf. Denn diese Arten finden<br />

allerorten genug Nistmöglichkeiten, wie<br />

man schon aus ihrer generellen Häufigkeit<br />

folgern kann.<br />

Der VNV hängt vielmehr nur <strong>für</strong> seltenere<br />

Vögel Nistkästen auf, <strong>für</strong> die ihr<br />

Lebensraum noch mehr oder weniger in<br />

Ordnung ist, das Fehlen geeigneter Brutplätze<br />

aber ein bedeutender limitierender<br />

Faktor ist.<br />

1984 startete der VNV mit dem Anbringen<br />

von Nistkästen, <strong>und</strong> zwar mit 10<br />

künstlichen Brutröhren <strong>für</strong> den Steinkauz<br />

(FRIES 1984). Damit versuchten wir, diese<br />

in Obstbäumen <strong>und</strong> Kopfweiden brütende<br />

kleine Eule als Brutvogel im HSK<br />

zu halten. Leider wurden die Röhren in<br />

den Folgejahren nur von Staren angenommen,<br />

der Steinkauz war im HSK<br />

ausgestorben.<br />

Im Jahr 1985 wird im VNV-INFO<br />

dazu aufgerufen, alle Standorte von Nistkästen<br />

<strong>für</strong> seltene Vogelarten zu melden,<br />

die von <strong>Verein</strong>smitgliedern aufgehängt<br />

worden waren (FRIES & HÖLKER 1985).<br />

Im gleichen Jahr läuft die „Aktion<br />

Wasseramsel“ an (VNV 1985). Dieser<br />

Ein 1986 unter einer Brücke bei S<strong>und</strong>ern-Seidfeld angebrachter Kasten, auch 2006 noch<br />

von Wasseramseln besetzt Foto: J. Langanki<br />

an naturnahe Fließgewässer geb<strong>und</strong>ene<br />

Singvogel – übrigens der einzige „Taucher“<br />

in dieser Artengruppe, denn die<br />

Wasseramsel sucht ihre Insektennahrung<br />

hauptsächlich unter Steinen im Wasser<br />

– ist im Tiefland relativ selten, bei uns<br />

aber noch häufiger zu finden. Für 10,-<br />

DM konnte man die Patenschaft <strong>für</strong> ei-<br />

nen Wasseramsel-Nistkasten übernehmen<br />

<strong>und</strong> bekam eine Patenschaftsurk<strong>und</strong>e<br />

(s. Abb.). Es wurden bis 1987<br />

200 Wasseramsel-Nistkästen unter Brücken<br />

angebracht <strong>und</strong> anfangs auch kontrolliert<br />

(HÖLKER 1988). Bei einer Kontrolle<br />

der Settmecke in S<strong>und</strong>ern am 4.<br />

Juni 2006 zeigte sich, dass von den fünf<br />

IRRGEISTER 1/2006 45


dort damals angebrachten Nistkästen<br />

noch vier vorhanden waren. Dies dürfte<br />

daran liegen, dass diese Kästen unter den<br />

Brücken witterungsgeschützt sind <strong>und</strong><br />

bei der Settmecke keine Hochwässer auftreten,<br />

da deren Hochwasser über einen<br />

Tunnel in den Sorpesee geleitet wird.<br />

Alle vier Nistkästen waren auch besetzt<br />

(2x Wasseramsel, 1x Gebirgsstelze, 1x<br />

Bachstelze). Wie viele Jungvögel mögen<br />

allein aus diesen Kästen ausgeflogen sein!<br />

Eulenschutz<br />

Zwischen 1983 <strong>und</strong> 2003 wurden<br />

auch 60 Raufußkauz-Nistkästen aufgehängt.<br />

Dies brachte mehr Erfolg als beim<br />

Steinkauz. 1985 kann KÖNIG die erste<br />

erfolgreiche Brut unseres Wappenvogels<br />

in einem VNV-Kasten bei Arnsberg melden.<br />

Denn wie anfangs gesagt: In unseren<br />

Wäldern fehlen vielerorts natürliche<br />

Baumhöhlen. Von 1988 bis zum Winter<br />

1990/91 wurden zusätzlich vom inzwischen<br />

verstorbenen VNV-Mitglied Bernhard<br />

Düsterhaus 62 Raufußkauz-Nistkästen<br />

im Stadtgebiet Schmallenberg aufgehängt<br />

(DÜSTERHAUS 1991). Schon im<br />

Jahr 1991 kann Düsterhaus 27 Bruten<br />

nachweisen!<br />

Im Arnsberger Wald wurden 1979 <strong>und</strong><br />

1981 insgesamt 55 Raufußkauz-Nistkästen<br />

von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft<br />

Biologischer Umweltschutz<br />

(ABU) aus dem Kreis Soest aufgehängt<br />

(KÄMPFER-LAUENSTEIN & LEDERER 2005).<br />

Ein Großteil dieser Kontrollfläche von<br />

125 km 2 befindet sich im Kreis Soest, ein<br />

Teil aber auch im HSK. Dieses Gebiet<br />

ist das einzige im HSK, wo intensive<br />

Kontrollen der Kästen <strong>und</strong> auch die Beringung<br />

von Jungvögel <strong>und</strong> gefangenen<br />

Altvögel stattfinden.<br />

Mit der Schleiereule stand eine weitere<br />

Eulenart von Anfang unserer<br />

Nistkastenaktivitäten bis heute im Visier<br />

der VNV-Arbeit (HÖLKER 1986, LEGGE<br />

& LINDNER 2001). Bis heute wurden 95<br />

Nistkästen <strong>für</strong> die Schleiereule in landwirtschaftlichen<br />

Gebäuden <strong>und</strong> Kirchtürmen<br />

aufgehängt. Leider schafft es der<br />

VNV wegen Arbeitsüberlastung nur im<br />

Raum Marsberg/Brilon, diese Kästen regelmäßig<br />

zu kontrollieren <strong>und</strong> zu warten.<br />

Beim Aufhängen <strong>und</strong> der Überprüfung<br />

von Schleiereulenkästen wollen wir<br />

aber nicht nur die Art an sich unterstüt-<br />

46 IRRGEISTER 1/2006<br />

Aufhängen eines Schleiereulennistkastens<br />

Foto: V. Falkenstein<br />

zen. Wir möchten auf diesem Weg auch<br />

mit den Landwirten ins Gespräch kommen,<br />

sie sensibel <strong>für</strong> diesen alten Kulturfolger<br />

<strong>und</strong> eine naturverträgliche Landwirtschaft<br />

machen. Denn die Schleiereule<br />

ist auf wiesenreiche, strukturreiche<br />

Nahrungsgründe angewiesen, die allgemein<br />

wegen einer Vielzahl von Tier- <strong>und</strong><br />

Pflanzenarten wertvoll sind.<br />

Balance halten!<br />

Beim Aufhängen <strong>und</strong> der Kontrolle<br />

von Nistkästen ist, besonders beim Hantieren<br />

mit den sperrigen Schleiereulenkästen,<br />

Vorsicht angesagt. Jeder <strong>Natur</strong>schützer,<br />

der schon einige Nisthilfen in<br />

luftiger Höhe anbrachte – balancierend<br />

auf einer Leiter, den Nistkasten irgendwie<br />

zwischen sich <strong>und</strong> Baum geklemmt<br />

<strong>und</strong> sich noch eine zusätzliche Hand an<br />

seinem Körper wünschend – wird schon


einmal wackelige Situationen im<br />

wahrsten Wortsinn erlebt haben. Bei<br />

Geseke, Kreis Soest, kam es vor einigen<br />

Jahren tragischerweise sogar zu einem<br />

tödlichen Unfall, als ein <strong>Natur</strong>schützer<br />

beim Kontrollieren eines Schleiereulen-<br />

Nistkastens abstürzte.<br />

Wendehals <strong>und</strong> Hohltaube<br />

Als 1988 der Wendehals – auch er ein<br />

Bewohner des strukturreichen, extensiv<br />

genutzten Offenlandes – zum „Vogel des<br />

Jahres 1988“ gekürt wird, kündigt unser<br />

Vorsitzender Bernhard Koch eine<br />

Nistkasten-Aktion <strong>für</strong> die verbliebenen<br />

10 Wendehals-Reviere im HSK an (KOCH<br />

1988). Der VNV hängte in den Folgejahren<br />

20 Nistkästen <strong>für</strong> den Wendehals<br />

auf. Letztendlich konnte aber nur eine<br />

Wendehals-Brut in einem VNV-Nistkasten<br />

nachgewiesen werden, übrigens der<br />

letzte Brutnachweis der Art im HSK. Die<br />

Brut fand 1991 am Kregenberg statt, einem<br />

VNV-Schutzgebiet bei Marsberg.<br />

Inzwischen ist der Wendehals im HSK<br />

längst ausgestorben; dies hat aber wohl<br />

maßgeblich überregionale Gründe. Nur<br />

noch einzelne Durchzügler werden seitdem<br />

unregelmäßig nachgewiesen.<br />

Auch <strong>für</strong> die Hohltaube wurden, als<br />

die Art noch viel seltener im Sauerland<br />

war als heute, einzelne Nistkästen aufgehängt<br />

<strong>und</strong> in den IRRGEISTERN<br />

1989/2 aus der Reihe „<strong>Natur</strong>schutz Praktisch“<br />

das Artenhilfsprogramm Hohltaube<br />

der Landesanstalt <strong>für</strong> Ökologie,<br />

Landschaftsentwicklung <strong>und</strong> Forstplanung<br />

(LÖLF) nachgedruckt. Inzwischen<br />

sind <strong>für</strong> diese Waldtaube derartige<br />

Artenschutzmaßnahmen erfreulicherweise<br />

nicht mehr erforderlich. Denn sie<br />

hat sich in den vergangenen Jahren im<br />

Sauerland stark ausgebreitet.<br />

Zwei junge Raufußkäuze Foto: A. Kämpfer-Lauenstein<br />

Brutnischen mit Hammer<br />

<strong>und</strong> Meißel<br />

Den o. g. Arten lässt sich mit Nistkästen<br />

helfen, da sie allesamt höhlenbrütende<br />

Vögel sind.<br />

Nachdem der Wanderfalke in den<br />

1970er Jahren in ganz Deutschland<br />

schon nahezu ausgestorben war, kam <strong>für</strong><br />

diesen imposanten Greif Rettung in letzter<br />

Minute. Nach dem Verbot des Eier<br />

schädigenden DDT half ebenfalls gezielter<br />

Artenschutz seinem Überleben: eine<br />

R<strong>und</strong>-um-die-Uhr-Bewachung der letzten<br />

verbliebenen Bruten <strong>und</strong> später,<br />

nachdem sich der süddeutsche Bestand<br />

wieder über die B<strong>und</strong>esrepublik ausbreitete<br />

bzw. immer noch ausbreitet, ein mit<br />

Menschenhand vergrößertes Brutplatzangebot.<br />

Der Wanderfalke besiedelt natürlicherweise<br />

hohe Felswände, wo er in einer<br />

Nische seine Brut großzieht. Da in<br />

den letzten Jahrzehnten im Sauerland<br />

viele Steinbrüche entstanden – eigentlich<br />

gute Bruthabitate, bis auf das Fehlen<br />

von optimalen Brutnischen – lag/liegt<br />

es nahe, dem „Ritter der Lüfte“ darin<br />

witterungsgeschützte Brutnischen anzulegen.<br />

Dies tat in den Jahren 1992, 1993<br />

<strong>und</strong> 1997 Heinz Nickolaus aus<br />

Neckarburken / Baden-Württemberg<br />

vom NABU, inzwischen auch VNV-Mitglied,<br />

auf unsere Bitte hin. In fünf Steinbrüchen<br />

baute er acht Brutnischen <strong>für</strong><br />

Wanderfalken in den Fels (LINDNER 1997,<br />

LINDNER 1998). Eine dieser Nischen im<br />

Stadtgebiet Brilon wurde von 1993 bis<br />

1998 vom Wanderfalken <strong>und</strong> von 1999<br />

bis 2005 vom Uhu zum Brüten genutzt.<br />

Mit dem Aufhängen von Nistkästen<br />

bzw. im Falle der Wanderfalken mit der<br />

Anlage von Brutnischen können wir also<br />

die Populationen seltener Vogelarten<br />

stützen, wenn unsere Landschaft ihnen<br />

noch ausreichenden Lebensraum bietet.<br />

Martin Lindner<br />

Literatur:<br />

BERLEPSCH, H. FRHR. V. (1923): Der gesamte<br />

Vogelschutz – Seine Begründung <strong>und</strong><br />

Ausführung auf wissenschaftlicher, natürlicher<br />

Gr<strong>und</strong>lage. Neudamm.<br />

DÜSTERHAUS, B. (1992): Explosionsartige<br />

Bestandsentwicklung des Rauhfußkauzes<br />

(Aegolius funerus) 1991 in den Höhenlagen<br />

des Schmallenberger Sauerlandes.<br />

Charadrius 28: 142-146.<br />

FRIES, G. (1984): Steinkauz im HSK unmittelbar<br />

vom Aussterben bedroht!! VNV-<br />

INFO 1984/3: 13-14.<br />

FRIES, G. & M. HÖLKER (1985): Nistkästen<br />

melden !!! VNV-INFO 1985/2: 37.<br />

HÖLKER, M. (1986): Die Schleiereule (Tyta<br />

alba). VNV-INFO 1986/3: 14-17.<br />

HÖLKER, M. (1987): Nistkasten-Kontrolle.<br />

IRRGEISTER 4/4: 5.<br />

KÄMPFER-LAUENSTEIN A. & W. LEDERER<br />

(2005): 25 Jahre Raufußkauz im Arnsberger<br />

Wald. IRRGEISTER 22/1+2:8-11.<br />

KOCH, B. (1988): Vogel des Jahres 1988 –<br />

Der Wendehals. IRRGEISTER 5/2: 38-39.<br />

KÖNIG, H. (1985): Erfolgreiche Rauhfußkauzbrut!<br />

VNV-INFO 1985/3: 14.<br />

LEGGE, H. & M. LINDNER (2001): Die Schleiereule<br />

– ein heimlicher Jäger der Nacht.<br />

IRRGEISER 18/2: 10-17.<br />

LINDNER, M. (1997): Brutnischen <strong>für</strong> Wanderfalken<br />

gebaut. IRRGEISTER 15/1: 6.<br />

LINDNER, M. (1998): Bau von Horstnischen<br />

im Hochsauerlandkreis. Jber. AGW-NRW:<br />

11.<br />

VNV(1985): Aktion Wasseramsel. VNV-<br />

INFO 1985/1: 18.<br />

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