Ultraschallfügen und trennen Leseprobe
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Wodara<br />
FACHBUCHREIHE SCHWEISSTECHNIK<br />
<strong>Ultraschallfügen</strong><br />
<strong>und</strong> -<strong>trennen</strong>
Perfection in connection<br />
Terminalverbindungen<br />
Litzenverbindungen<br />
Flachleiterverbindungen<br />
Schunk Ultraschalltechnik GmbH<br />
Hauptstraße 95<br />
D-354 35 Wettenberg<br />
sut@schunk-group.com · www.sut.biz<br />
Schunk Ultraschalltechnik
Wodara<br />
<strong>Ultraschallfügen</strong><br />
<strong>und</strong> -<strong>trennen</strong><br />
Band 1<br />
der „Gr<strong>und</strong>lagen der Fügetechnik“<br />
IFST<br />
Institut für Füge- <strong>und</strong> Strahltechnik<br />
der Otto-von-Guericke-Universität<br />
in Magdeburg<br />
Herausgegeben von:<br />
Prof.Dr.-Ing.habil.Dr.E.h.H.Herold
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek<br />
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;<br />
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über htttp://dnb.ddb.de abrufbar.<br />
Autor:<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Johannes Wodara, Magdeburg<br />
unter Mitarbeit von:<br />
Dr.-Ing. Tino Adam<br />
Institut für Füge- <strong>und</strong> Strahltechnik der<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Redaktionelle Bearbeitung:<br />
Dr.-Ing. Tino Adam<br />
Herausgeber:<br />
Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. E. h. Horst Herold<br />
Universitätsprofessor <strong>und</strong> Direktor des<br />
Instituts für Füge- <strong>und</strong> Strahltechnik der<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Fachbuchreihe Schweißtechnik<br />
Band 151<br />
ISBN 3-87155-212-7<br />
Alle Rechte vorbehalten.<br />
Verlag für Schweißen <strong>und</strong> verwandte Verfahren DVS-Verlag GmbH, Düsseldorf ⋅ 2004<br />
Herstellung: Service-Druck Kleinherne GmbH, Neuss<br />
Titelgestaltung: Marschall ⋅ Sott Werbeagentur, Düsseldorf
Vorwort<br />
Das Ultraschallschweißen hat seit 50 Jahren seinen festen Platz in der Verfahrensauswahl der<br />
Schweißtechnik gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> insbesondere in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger unspektakulär<br />
das Schweißen neuer Werkstoffentwicklungen häufig erst ermöglicht, meist dann, wenn<br />
andere fügetechnische Lösungen nicht zur Verfügung standen.<br />
Recht frühzeitig haben sich die Elektro- <strong>und</strong> Elektronikindustrie der führenden Industrienationen<br />
diesem hochproduktiven Fertigungsverfahren angenommen <strong>und</strong> es erfolgreich eingeführt. Auch in<br />
vielen anderen Industriezweigen wurden nach <strong>und</strong> nach weitere Einsatzgebiete im Bereich des<br />
Fügens <strong>und</strong> Trennens dünner Materialien mit Ultraschall erschlossen.<br />
Es ist trotzdem lange Zeit ein Verfahren für Spezialisten geblieben <strong>und</strong> auch heute gibt es bei versierten<br />
Schweißfachingenieuren noch immer großes Erstaunen, wenn Spezial- <strong>und</strong> Problemfälle<br />
nur durch das Ultraschallschweißen als einzig mögliche Fügevariante gelöst werden können.<br />
Für das Verbinden innovativer Werkstoffe mit anspruchsvoller Eigenschaftsmatrix gilt das <strong>Ultraschallfügen</strong><br />
als ein besonderer Prozess, wenn auch mit seinen natürlich durch die zu fügende Bauteildicke<br />
vorgegebenen Grenzen. Neue Werkstoffe, Werkstoffverb<strong>und</strong>e, Beschichtungen <strong>und</strong> auch<br />
Isolationsschichten, die mit den bekannten Schweißprozessen nicht gefügt werden konnten, waren<br />
bis zum heutigen Tage nur selten eine Barriere für den Einsatz des Ultraschallschweißens.<br />
Der Autor hat als Hochschullehrer des Instituts für Füge- <strong>und</strong> Strahltechnik der Otto-von-Guericke-<br />
Universität in Magdeburg eine mehr als 40-jährige Forschungsgeschichte an diesem Institut<br />
erfolgreich begleitet. Dabei ist Herr Prof. Dr.-Ing. habil. J. WODARA wohl der am längsten auf<br />
diesem Gebiet tätige deutsche Spezialist mit einem über vierzigjährigen umfangreichen Erfahrungsschatz.<br />
Das Institut war außerdem von 1965 bis 1990 Forschungsleiteinrichtung für die osteuropäischen<br />
Staaten auf dem Gebiet der Ultraschallschweißtechnik.<br />
12 Dissertations- <strong>und</strong> Habilitationsschriften sowie über 100 Beleg- <strong>und</strong> Diplomarbeiten, eingebettet<br />
in die verschiedensten Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsthemen, unterstreichen nachdrücklich diese<br />
so erfolgreiche Forschungsarbeit zum Ultraschallschweißen <strong>und</strong> ermöglichen deshalb auch diese<br />
umfangreiche <strong>und</strong> möglichst lückenlose Darstellung der Ultraschallfüge- <strong>und</strong> -schneidtechnik in<br />
einem Fachbuch.<br />
Erstmals wird auch ein inhaltlich geschlossenes deutschsprachiges Werk zum Fügen <strong>und</strong> Trennen<br />
mit Ultraschall vorgestellt, das auch die jüngsten Forschungsergebnisse der auf diesem Gebiet<br />
arbeitenden Spezialisten des Instituts für Füge- <strong>und</strong> Strahltechnik, Frau Prof. Dr.-Ing. I. MARTINEK<br />
<strong>und</strong> Herrn Dr.-Ing. T. ADAM, in der durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen<br />
„Otto von Guericke“ e. V. (AiF) geförderten Forschung gleichermaßen berücksichtigt.<br />
Mit einer möglichst umfassenden Darstellung des <strong>Ultraschallfügen</strong>s <strong>und</strong> -<strong>trennen</strong>s von metallischen<br />
<strong>und</strong> nichtmetallischen Werkstoffen sowie von biologischen Geweben ist der Autor bemüht,<br />
Spezialisten, Schweißfachingenieure <strong>und</strong> Studierende einschlägiger Ausbildungsrichtungen<br />
theoretisch wie auch durch eine sehr praxisorientierte Aufbereitung der vorhandenen Erkenntnisse<br />
gleichermaßen anzusprechen <strong>und</strong> davon zu überzeugen, dass es sich beim Ultraschallschweißprozess<br />
wirklich nicht um „Schwarze Magie“ handelt.<br />
Das vorliegende Fachbuch erscheint im Rahmen einer neuen Lehrbuchreiche „Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
Fügetechnik“ des Instituts für Füge- <strong>und</strong> Strahltechnik der Otto-von-Guericke-Universität<br />
Magdeburg.
Verzeichnis der Formelzeichen<br />
a Maximalwert der Teilchenbeschleunigung [m ⋅ s –2 ]<br />
a k Kerbschlagzähigkeit [kJ · m –2 ]<br />
A durchströmter Querschnitt [mm 2 ]<br />
A Lochdurchmesser der Bondkapillare [µm]<br />
A A<br />
Schallausschlag [µm]<br />
A k Koppelfläche des Schwingsystems [mm 2 ]<br />
A K Kontaktfläche [mm 2 ]<br />
A S<br />
A S1<br />
A S2<br />
A S2 /A S1<br />
b s<br />
B<br />
Schwingungsamplitude [µm]<br />
Eingangsamplitude [µm]<br />
Ausgangsamplitude [µm]<br />
Transformationsverhältnis<br />
Breite des sonotrodenseitigen Fügeteils [mm]<br />
Konusdurchmesser [mm]<br />
c Schallgeschwindigkeit [m ⋅ s –1 ]<br />
C Außendurchmesser [mm]<br />
C p spezifische Wärmekapazität [J · kg –1 · K –1 ]<br />
d piezoelektrische Konstante<br />
d S<br />
Durchmesser der Sonotrodenarbeitsfläche [mm]<br />
D* Durchlässigkeitsfaktor<br />
D Lochdurchmesser des Bondkeils [µm]<br />
D 1<br />
D 2<br />
Eingangsdurchmesser [mm]<br />
Ausgangsdurchmesser [mm]<br />
D F elektrische Flussdichte [C · m –2 ; A · s · m –2 ]<br />
e Energiedichte [kg · m –1 · s –2 ; J · m –3 ]<br />
E Elastizitätsmodul [N · m –2 ; Pa]<br />
E F elektrische Feldstärke [V · m –1 ]<br />
E S Schweißenergie [W · s; J]<br />
f Frequenz, Ultraschallfrequenz [Hz; kHz]<br />
f R<br />
F<br />
F<br />
F A<br />
Resonanzfrequenz [Hz; kHz]<br />
Anpresskraft [N; kN]<br />
Fußlänge [mm]<br />
Ausreißkraft [N; kN]<br />
VIII
F B<br />
F S<br />
Bruchkraft [N; kN]<br />
Sonotrodenkraft, Anpresskraft [N; kN]<br />
G’ Schubmodul [N · mm –2 ]<br />
h<br />
H<br />
H V<br />
Höhe [mm]<br />
Stufenhöhe [µm]<br />
Vickershärte [HV]<br />
J Schallintensität [W · m –2 ]<br />
k Dämpfungskoeffizient (Absorptionskoeffizient) [dB · m –1 ]<br />
K<br />
<br />
0<br />
L a<br />
L s<br />
L z<br />
M Ü<br />
Konstante, abhängig von der benutzten Schweißanlage, insbesondere vom Wandlersystem<br />
Werkzeuglänge [mm]<br />
Länge der Transformationssonotrode [mm]<br />
Länge des ambossseitigen Fügeteils [mm]<br />
Länge des sonotrodenseitigen Fügeteils [mm]<br />
Abstand des Schweißortes von der Fügeteilkante [mm]<br />
Überdrehmoment [J]<br />
p Schalldruck, Schallwechseldruck [W · cm –2 ; N · m –1 · s –2 ]<br />
p 0 Schallwechseldruck an einer beliebigen Stelle x 0 [W · cm –2 ]<br />
p S Schweißdruck [N · mm –2 ]<br />
p x Schallwechseldruck im Verlauf der Wellenausbreitung im Abstand x von der Stelle x 0<br />
[W · cm –2 ]<br />
P<br />
P a<br />
P e<br />
P S<br />
PM<br />
Schallleistung [W]<br />
abgestrahlte akustische Leistung [W]<br />
zugeführte elektrische Leistung [W]<br />
Schweißleistung [W; kW]<br />
Pressmaß [mm]<br />
q Schallfluss [m 3 · s –1 ]<br />
R<br />
R 1<br />
R 2<br />
R A<br />
R e<br />
Reflexionsfaktor<br />
Frontradius [mm]<br />
Backradius [mm]<br />
Außenradius [mm]<br />
Streckgrenze des Metalls bei Raumtemperatur [MPa]<br />
R’ e Streckgrenze des Metalls bei der in der Schweißzone herrschenden Temperatur [MPa]<br />
s F<br />
s s<br />
Fügeweg [mm]<br />
Dicke des sonotrodenseitigen Fügeteils [mm; Zoll]<br />
IX
SM Schweißmaß [mm]<br />
t Zeit [s]<br />
tan mechanischer Verlustfaktor (Dämpfung)<br />
t E<br />
t R<br />
t S<br />
T G<br />
T S<br />
T V<br />
U<br />
Einwirkzeit der Ultraschallenergie [s; µs]<br />
Reinigungszeit [s; µs]<br />
Schweißzeit [s; µs]<br />
Glasübergangstemperatur [°C]<br />
Schmelztemperaturbereich [°C]<br />
Vorwärmtemperatur [°C]<br />
Spannung [V]<br />
v Schallschnelle [m · s –1 ]<br />
v S Schweißgeschwindigkeit [m · min –1 ]<br />
W 1 , W 2 Schallwellenwiderstände beiderseits der reflektierenden Welle [kg · m –2 · s –1 ]<br />
x Länge [mm]<br />
Z a akustische Impedanz [Pa · s · m –3 ; m –4 · kg · s -–1 ]<br />
Z o Schall-Kennimpedanz [kg · m –2 · s –1 ]<br />
Winkel der Energierichtungsgeber [°]<br />
Konuswinkel [°]<br />
Kerbwinkel [°]<br />
Fußwinkel [°]<br />
Drahtführungswinkel [°]<br />
Phasendifferenz [°]<br />
mechanische Deformation (Dehnung, Stauchung) [m · m –1 ; mm · m –1 ]<br />
Wirkungsgrad [%]<br />
Wellenlänge [mm]<br />
Dichte [kg · m –3 ; g · cm –3 ]<br />
mechanische Spannung (Zug, Druck) [N · mm –2 ]<br />
Kreisfrequenz [s –1 ]<br />
X
Verzeichnis der Abkürzungen<br />
ABS Acryl-Butadien-Styrol<br />
ASA Acrylnitril-Styrol-Acrylester<br />
CA Celluloseacetat<br />
ERG Energierichtungsgeber<br />
ES<br />
Elektroschlacke<br />
K<br />
Schwingungsknoten<br />
MAG Metallaktivgas<br />
MFI Schmelzindex<br />
MIG Metallinertgas<br />
PA6 Polyamid 6<br />
PA66 Polyamid 66<br />
PBTP, PBT Polybutylenterephthalat<br />
PC<br />
Polycarbonat<br />
PE<br />
Polyethylen<br />
PETP, PET Polyethylenterephthalat<br />
PMMA Polymethylmethacrylat<br />
POM Polyoxymethylen<br />
PP<br />
Polypropylen<br />
PPO Polyphenylenoxid<br />
PS<br />
Polystyrol<br />
PVC Polyvinylchlorid<br />
PZT Blei-Zirkonat-Titanat<br />
RWS Reactive Welding System<br />
S B<br />
SB<br />
S K<br />
TC<br />
TS<br />
UP<br />
USG<br />
Schwingungsbauch<br />
Styrol-Butadien, schlagfestes Polystyrol<br />
Schwingungsknoten<br />
Thermocompression<br />
Thermosonic<br />
Unterpulver<br />
Ultraschallgenerator<br />
XI
1 Einleitung<br />
1.1 Ultraschallschwingungen<br />
Ultraschallschwingungen sind mechanische Schwingungen mit Frequenzen oberhalb der Hörbarkeitsgrenze<br />
des menschlichen Ohrs. Je nach Alter <strong>und</strong> Hörfähigkeit ist die Grenze etwas fließend.<br />
Sie liegt praktisch bei einer Frequenz von etwa 16.000 bis 20.000 Hz, bei älteren Menschen sogar<br />
schon bei 12.000 Hz.<br />
Obwohl der Ultraschallbereich sich bis zu Frequenzen von einigen MHz erstreckt, kommen bei den<br />
meisten Ultraschalltechnologien, die dem Leistungsschall zuzuordnen sind, Frequenzen von 20 bis<br />
100 kHz (beim Ultraschallmikrobonden bis zu 190 kHz) zur Anwendung [1 bis 4].<br />
Einen Überblick über die verschiedensten Arten von mechanischen Schwingungen mit den dazugehörigen<br />
Frequenzbereichen <strong>und</strong> der entsprechenden Einordnung des Ultraschalls gibt Tabelle 1-1.<br />
Tabelle 1-1.<br />
Arten von mechanischen Schwingungen.<br />
Mechanische Schwingungen<br />
Frequenzbereich [Hz]*<br />
Infraschall (unterhalb der Hörbarkeit) < 16<br />
Schall (hörbarer Schall) 16 bis 18.000<br />
Ultraschall (oberhalb der Hörbarkeit) 20.000 bis 10 9<br />
Hyperschall (nicht hörbar) > 10 9<br />
* 1 Hz (Hertz) = 1 Schwingung pro Sek<strong>und</strong>e (s)<br />
1.1.1 Ultraschallanwendungen<br />
In Abhängigkeit von der Leistungsdichte des Ultraschalls erfolgt eine industrielle Nutzung als<br />
• Messschall (passive Ultraschallanwendung),<br />
• Leistungsschall (aktive Ultraschallanwendung).<br />
Der Bereich des passiven Ultraschalls umfasst alle die Anwendungen, bei denen die Ultraschallschwingungen<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer geringen Intensität, d. h. niederenergetische Schwingungen mit sehr<br />
kleiner Amplitude, im beschallten Medium (gasförmig, flüssig oder fest) keine physikalischen oder<br />
chemischen Veränderungen hervorrufen. Auf der passiven Ultraschallanwendung beruht die ganze<br />
Ultraschallmesstechnik. U. a. sind zu nennen [5 bis 8]:<br />
• zerstörungsfreie Werkstoffprüfung,<br />
• Ultraschalldiagnostik in der Medizin (Echoenzephalografie, Ophthalmologie, Kardiographie,<br />
Gynäkologie),<br />
• Ultraschallanwendungen in der Meeresforschung (Tiefenmessungen, Horizontal- <strong>und</strong> Vertikalortung<br />
von Fischen, Nachrichtenübermittlung) <strong>und</strong><br />
• Ultraschallanwendung im Verkehr (Raumüberwachung, Blindenleittechnik).<br />
Der Bereich des aktiven Ultraschalls umfasst alle die Anwendungen, bei denen die Ultraschallschwingungen<br />
aufgr<strong>und</strong> ihrer hohen Intensität, d. h. hochenergetische Schwingungen mit einer<br />
1
Leistungsdichte von mehr als 0,5 bis 1,0 W/cm 2 <strong>und</strong> großer Amplitude, im beschallten Medium<br />
Eigenschafts- oder Strukturänderungen bzw. Veränderungen am behandelten Werkstück hervorrufen.<br />
Zur aktiven Einwirkung von Ultraschallschwingungen auf Stoffe <strong>und</strong> technologische Prozesse<br />
gehören u. a. [5, 9 bis 27]:<br />
• Ultraschallmetallschweißen,<br />
• Ultraschallschweißen von Metallen mit Nichtmetallen,<br />
• Ultraschallverbinden von Kunststoffen (Schweißen, Umformen, Einbetten),<br />
• Ultraschalllöten,<br />
• Ultraschallreinigen <strong>und</strong> -entfetten,<br />
• mechanisches Bearbeiten von Bauteilen (Spanen, Entgraten, Ziehen, Polieren),<br />
• Ultraschalldesintegration (Herstellung feinster Dispersionen, Emulsionen <strong>und</strong> Aerosolen),<br />
• Ultraschallsonderanwendungen (Verminderung innerer <strong>und</strong> äußerer Reibung, Entgasen von<br />
Flüssigkeiten, Beschallung von Metallschmelzen, usw.).<br />
1.1.2 Ultraschallanwendungen in der Schweißtechnik<br />
Die Nutzung des Leistungsultraschalls in der Schweißtechnik ist recht vielseitig <strong>und</strong> nicht nur auf<br />
das Schweißen von metallischen Werkstoffen <strong>und</strong> thermoplastischen Kunststoffen begrenzt. Sehr<br />
häufig wird Ultraschallenergie in Verbindung mit anderen Schweiß- oder Fügeverfahren eingesetzt.<br />
Als Beispiele sind zu nennen [10 bis 18] <strong>und</strong> [28 bis 31]:<br />
• Beeinflussung der Kristallisationsvorgänge im erstarrenden Schmelzgut beim Metallaktivgas-<br />
(MAG-), Metallinertgas- (MIG-), Unterpulver- (UP-) <strong>und</strong> Elektroschlacke- (ES-) Schweißen,<br />
• Begünstigung des Entgasens des Schmelzschweißguts (Verringerung der Porosität <strong>und</strong> damit<br />
Erhöhung der Dichte der Schweißnähte),<br />
• Verbesserung der mechanischen Eigenschaften von Schmelzschweißverbindungen,<br />
• Abbau von bleibenden Verformungen <strong>und</strong> Restspannungen in Schweißkonstruktionen,<br />
• Entfernen von Oxiden <strong>und</strong> anderen Oberflächenschichten beim Widerstandspunktschweißen,<br />
• Kornverfeinerung <strong>und</strong> Verringerung der Porosität beim Widerstandspunktschweißen,<br />
• Entfernen von Oxiden <strong>und</strong> Oberflächenverunreinigungen auf Bauteilen sowie Reduktion der<br />
Oberflächenspannungen geschmolzener Metalle <strong>und</strong> damit Verbesserung der Benetzungsfähigkeit<br />
beim Weich- <strong>und</strong> Hartlöten.<br />
1.1.3 Fügen <strong>und</strong> Trennen mit Ultraschall<br />
1.1.3.1 Ultraschallschweißen metallischer Werkstoffe<br />
Die zu verbindenden Werkstücke werden an den Fügeflächen durch Einwirkung von Ultraschall<br />
unter Anwendung von Kraft ohne oder mit gleichzeitiger Wärmezufuhr <strong>und</strong> vorzugsweise ohne<br />
Schweißzusatz geschweißt. Schwingungsrichtung des Ultraschalls <strong>und</strong> Kraftrichtung verlaufen<br />
zueinander senkrecht, wobei die Fügeflächen der Werkstücke aufeinander reiben. Die Kraft wird<br />
im Allgemeinen über das schwingende Werkzeug aufgebracht. Durch die wirkende Kraft werden<br />
die Ultraschallschwingungen mit einer Amplitude von 10 bis 100 µm mit wenigen Ausnahmen auf<br />
das sonotrodenseitige Fügeteil übertragen, während der Fügepartner durch dem Amboss am Mit-<br />
2
schwingen gehindert wird. Dabei wird eine Longitudinalwelle tangential eingekoppelt, also eine<br />
Transversalwelle erzeugt. Zwischen dem Schweißwerkzeug <strong>und</strong> dem sonotrodenseitigen Fügeteil<br />
gilt es jegliche Relativbewegung möglichst zu vermeiden, dagegen muss eine optimale Relativbewegung<br />
zwischen den Fügeteilen vorhanden sein. Es entsteht eine intensive Reibung in der Verbindungsebene.<br />
Durch die Reibungsvorgänge werden adsorbierte Gas-, Flüssigkeits- <strong>und</strong> Oxidschichten<br />
sowie Verschmutzungen aufgerissen, zerstört bzw. beseitigt <strong>und</strong> Oberflächenrauigkeiten<br />
eingeebnet. Es kommt zu einer großflächigen Berührung der reinen Metallteile <strong>und</strong> es erfolgt ein<br />
Verschweißen im festen Zustand der metallischen Werkstoffe als Folge interatomarer Wechselwirkungskräfte.<br />
Je nach Ausbildung des Werkzeugs sowie der Art der Berührung zwischen Werkzeug <strong>und</strong> Werkstück<br />
können Punkte oder Liniennähte geschweißt werden [32].<br />
In Bild 1-1 sind schematisch das Ultraschallpunkt- <strong>und</strong> -nahtschweißen dargestellt.<br />
Sonotrode<br />
Sonotrode<br />
schwingendes,<br />
feststehendes<br />
Werkzeug<br />
Werkstück<br />
schwingendes,<br />
drehbares<br />
Werkzeug<br />
Werkstück<br />
feststehender<br />
Amboss<br />
Ultraschallschwingung<br />
Ultraschallschwingung<br />
drehbarer<br />
Amboss<br />
a) Ultraschall-Punktschweißen b) Ultraschall-Nahtschweißen<br />
Bild 1-1.<br />
Ultraschallmetallschweißen.<br />
Eine Variante des Ultraschallmetallschweißens ist das Ultraschallwarmschweißen, bei der durch<br />
gleichzeitige Einwirkung von getrennt zugeführter Wärme, z. B. über einen elektrisch beheizten<br />
Amboss, <strong>und</strong> Ultraschall geschweißt wird.<br />
Das Ultraschallmetallschweißen ist ein hochproduktives Schweißverfahren, das durch seine industrielle<br />
Nutzung sowohl beträchtliche energie- als auch materialökonomische Vorteile bietet. Insbesondere<br />
ist dieses Verfahren für spezielle Verbindungsaufgaben der Elektronik, Elektro-, Feingeräte-<br />
<strong>und</strong> Hochvakuumtechnik sowie bestimmter Bereiche der metallverarbeitenden Industrie<br />
geeignet, für die konventionelle Fügeverfahren häufig nicht oder nur mit erheblichem technologischem<br />
Aufwand einsetzbar sind [33 bis 36].<br />
Das Ultraschallschweißen metallischer Werkstoffe wird ausführlich in Abschnitt 4 behandelt.<br />
Neben dem Schweißen einer Vielzahl von metallischen Werkstoffen miteinander bzw. untereinander<br />
ist es weiterhin möglich, auch Nichtmetalle wie Glas <strong>und</strong> Keramik mit Metallen zu verbinden<br />
[37 bis 40].<br />
1.1.3.2 Ultraschallschweißen thermoplastischer Kunststoffe<br />
Die zu verbindenden Werkstücke werden an den Fügeflächen vorzugsweise ohne Schweißzusatz<br />
durch Einwirkung von Ultraschall erwärmt <strong>und</strong> unter Anwendung von Kraft geschweißt. Im<br />
3
Gegensatz zum Metallschweißen fallen Kraft- <strong>und</strong> Schwingungsrichtung zusammen <strong>und</strong> verlaufen<br />
im Allgemeinen rechtwinklig zu den Fügeflächen. Dabei wird eine Longitudinalwelle senkrecht zur<br />
Fügeebene in das sonotrodenseitige Fügeteil eingekoppelt. Die eingebrachte mechanische Schwingungsenergie<br />
ruft Intermolekular- <strong>und</strong> Oberflächenreibung hervor. Als Folge davon wird Energie<br />
freigesetzt, die speziell in der Fügeebene in Reibungswärme umgewandelt wird, zur Plastifizierung<br />
<strong>und</strong> schließlich zum Verschweißen der Fügeflächen führt. Für das Schweißen der gebräuchlichen<br />
Thermoplaste ist eine Schwingungsamplitude zwischen 25 <strong>und</strong> 60 µm erforderlich.<br />
Bild 1-2 zeigt schematisch das Ultraschallschweißen von thermoplastischen Kunststoffen.<br />
Schallwandler<br />
Sonotrode<br />
Schweißnaht<br />
Ultraschallschwingung<br />
Werkstück<br />
Amboss<br />
Bild 1-2.<br />
Ultraschallkunststoffschweißen.<br />
Zum <strong>Ultraschallfügen</strong> von thermoplastischen Kunststoffen zählen weiterhin das Schweißen von<br />
Formteilen <strong>und</strong> Halbzeugen, das Nieten, Bördeln <strong>und</strong> Verdämmen, das Einbetten von Metallteilen,<br />
artfremden Kunststoffen <strong>und</strong> anderen nichtmetallischen Werkstoffen sowie das Punktschweißen<br />
(siehe Abschnitte 5 bis 7).<br />
Auch das Nähen der verschiedensten textilen Flächengebilde aus thermoplastischen Materialien<br />
mit Ultraschall bereitet keine nennenswerten Schwierigkeiten, wenn der Anteil an Naturfasern<br />
35 % nicht überschreitet (siehe Abschnitt 5.4.4).<br />
Darüber hinaus ist auch der Einsatz von Ultraschallschwingungen für das Verbinden von Papier<br />
bzw. von Texturseidefäden mit Papier möglich [41].<br />
Hervorzuheben ist auch der Einsatz von Ultraschall-Schweißgeräten in der Chirurgie zum Fügen<br />
harter biologischer Gewebe (siehe Abschnitt 8) bzw. zum Trennen weicher <strong>und</strong> harter biologischer<br />
Gewebe sowie Knochenzement (siehe Abschnitt 9).<br />
1.1.3.3 Ultraschalllöten<br />
Mittels Ultraschall ist es möglich, die Grenzflächenvorgänge beim Löten von Leichtmetallen, aber<br />
auch von Ferriten, Germanium <strong>und</strong> Silizium, zu intensivieren. Die mechanischen Schwingungen<br />
des Ultraschalls unterstützen die Wirkung von Flussmitteln oder es kann auf Flussmittel völlig<br />
verzichtet werden [1, 42 bis 45]. Dementsprechend werden beim Ultraschalllöten die Lötstelle <strong>und</strong><br />
4
das Lot mit mechanischen Schwingungen von 18 bis 25 kHz <strong>und</strong> Amplituden von 1 bis 25 µm<br />
beaufschlagt. Die dadurch im flüssigen Lot hervorgerufene Kavitation reißt die auf den Fügeflächen<br />
vorhandene Oxidschicht auf. Das Lot benetzt an den durchbrochenen Stellen den Gr<strong>und</strong>werkstoff,<br />
breitet sich unter der Oxidschicht aus <strong>und</strong> löst diese schließlich ab. Da die Oxidschicht nur<br />
unmittelbar in der Kavitationszone vor der schallabstrahlenden Fläche zerstört wird, ist das Werkstück<br />
oder der Schallgeber so zu führen, dass die zu verzinnenden Flächen während des Lötens<br />
direkt den Schwingungen ausgesetzt sind. Die so verzinnten Fügeteile lassen sich anschließend auf<br />
übliche Weise ohne oder unter Verwendung von Kolophonium als Flussmittel löten.<br />
Die Ultraschalllöteinrichtungen bestehen aus dem Ultraschallgenerator <strong>und</strong> dem eigentlichen Lötgerät,<br />
das als Lötgriffel, Lötkolben oder Tauchbad ausgebildet sein kann. Der Lötgriffel setzt sich<br />
aus dem Handgriff, dem Schwinger <strong>und</strong> der starr mit ihm verb<strong>und</strong>enen Lötspitze zusammen. Die<br />
zu lötenden Teile werden zunächst mit einer elektrisch beheizten Vorwärmplatte in einem<br />
Anwärmofen oder durch eine Flamme auf Löttemperatur erwärmt. Anschließend wird der Lötstelle<br />
das Lot zugeführt, das sofort schmilzt <strong>und</strong> in Form eines beweglichen Tropfens auf der Werkstückoberfläche<br />
liegt. Durch Eintauchen der Lötspitze in das geschmolzene Lot wird die gewünschte<br />
Benetzung der Lötflächen erreicht. Zusätzliche streichende Bewegungen des Lötgriffels auf der<br />
Oberfläche des Gr<strong>und</strong>werkstoffs bewirken das weitere Ausbreiten des Lots.<br />
Während der Lötgriffel nur die mechanischen Schwingungen an die erwärmte Lötstelle überträgt,<br />
übernimmt der Ultraschalllötkolben noch zusätzlich die Erwärmung der Lötstelle auf Löttemperatur.<br />
Dazu wird die Kolbenspitze elektrisch oder durch eine Gasflamme erwärmt. Der Ultraschalllötkolben<br />
ist besonders für das Löten von Drähten, Folien, dünnen Blechen <strong>und</strong> Kleinteilen geeignet.<br />
Dagegen werden bei Tauchbädern die Schwingungen von einem fest mit dem Badbehälter verb<strong>und</strong>enen<br />
Schwinger über das flüssige Lot auf das Werkstück übertragen. Außerdem ist es möglich,<br />
das Lotbad mit Eintauchschwingern zu beschallen. Bei beiden Varianten erfolgt das Erwärmen<br />
des Badbehälters von unten durch ein elektrisches Heizelement. Derartige Tauchbäder sind<br />
besonders zum flussmittelfreien Verzinnen von Kabelenden <strong>und</strong> Anschlussfahnen sowie für einfache<br />
Verbindungslötungen <strong>und</strong> Tauchlötungen von Leichtmetallbauteilen geeignet.<br />
Das Ultraschalllöten bietet folgende Vorteile:<br />
• Möglichkeit des Lötens von sonst schwer lötbaren Werkstoffen (z. B. Aluminium <strong>und</strong> Aluminiumlegierungen),<br />
• keine aufwendige Vor- <strong>und</strong> Nachbehandlung der Lötstelle,<br />
• kein Flussmittel erforderlich,<br />
• verbesserte Benetzung durch das Lot, auch in engen Spalten,<br />
• erhöhte Korrosionsbeständigkeit der Lötverbindung, da keine Flussmittelrückstände vorhanden<br />
sind,<br />
• Lotauswahl kann nach der Art der späteren Beanspruchung der Lötverbindungen erfolgen <strong>und</strong><br />
ist nicht abhängig von der Benetzbarkeit des Lotes.<br />
1.2 Entwicklung des Ultraschallschweißens<br />
1.2.1 Ultraschallmetallschweißen<br />
Das Ultraschallschweißen metallischer Werkstoffe wurde 1950 in den USA bei systematischen<br />
Untersuchungen des Widerstandspunktschweißprozesses zur Reduzierung des verhältnismäßig<br />
hohen Übergangswiderstands (Kontaktwiderstands) von Aluminium <strong>und</strong> seinen Legierungen ent-<br />
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