Netzwerk Südbaden - August 2015
Augustausgabe 2015
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Märkte<br />
STREIT IN DER HANDWERKSKAMMER:<br />
„Causa Burger“ ist mehr als eine Personalfrage<br />
Das Sommerloch <strong>2015</strong> in<br />
<strong>Südbaden</strong> wird von der<br />
Handwerkskammer gefüllt.<br />
Glaubte man, die Zeit der<br />
Streitigkeiten sei vorbei –<br />
man erinnere sich an die Auseinandersetzungen<br />
mit Dr.<br />
Kuno Zeller und Dr. Rudolf<br />
Weng, die 2001 die Zeit der<br />
Hauptgeschäftsführer (HGF)<br />
in Freiburg beendeten, so<br />
war das wohl ein Irrtum.<br />
Denn jetzt scheint die Zeit<br />
der Kämpfe wieder zurückgekehrt<br />
– und wieder geht es<br />
um einen HGF. Der bis dato schier omnipräsente<br />
Hauptgeschäftsführer Johannes Burger<br />
– 2011 von Paul Baier, Vorgänger des jetzigen<br />
Kammer-Präsidenten Johannes Ullrich,<br />
als „Außenminister“ installiert – war jüngst<br />
kaum noch in Erscheinung getreten. Gerüchte<br />
wollten wissen, dass es Friktionen gebe und<br />
Burger entmachtet werden solle.<br />
Dies bestätigte sich am 7. <strong>August</strong>: die Kammer<br />
gab in einer Pressemitteilung offiziell<br />
bekannt, dass Burger nicht länger Hauptgeschäftsführer<br />
sei. Er werde sich, so hieß<br />
es weiter, künftig als einer von mehreren<br />
Geschäftsführern mit Handwerksrolle und<br />
Betriebsberatung befassen. Der Vorstand, so<br />
die Erklärung weiter, habe in einer „außerordentlichen<br />
Vorstandssitzung“ die „Geschäftsleitungsressorts<br />
neu geordnet“.<br />
Der Titel „Hauptgeschäftsführer“ sei nur mit<br />
der Vertretung der Kammer auf Landes- oder<br />
Bundesebene verbunden, die Burger ja nicht<br />
mehr wahrnehme. Dass der – wie auf der<br />
Homepage seit 11. <strong>August</strong> nachzulesen ist –<br />
nun nur noch vierter Geschäftsführer ist und<br />
mit Wolfram Seitz-Schüle, bisher Leiter der<br />
Zukunftswerkstatt, nicht nur jemand seine<br />
Position ganz oben auf der Rangliste der Geschäftsführer<br />
einnimmt, sondern auch in die<br />
neue Funktion eines bisher nicht existenten<br />
„Geschäftsbereichsleiters“ berufen wurde, gehört<br />
zu den Merkwürdigkeiten des Vorstandsbeschlusses.<br />
Da wundert es fast schon nicht<br />
mehr, dass es mit Reiner Botsch immer noch<br />
einen „stellvertretenden Hauptgeschäftsführer“<br />
gibt. Der dritte Geschäftsführer Werner<br />
Gmeiner – fester Bestandteil des Freiburger<br />
Modells – ist übrigens auch seit Wochen<br />
Stellt die Handwerkskammer<br />
die HwO auf den Kopf?<br />
nicht erreichbar. Im Gespräch<br />
betont Präsident Ullrich,<br />
dass der HGF-Titel keinerlei<br />
Funktion oder Weisungsbefugnis<br />
mit sich gebracht hätte:<br />
„Es geht nichts über Demokratie!“<br />
Burger, unlängst an<br />
seinem mit viel Auftrieb gefeierten<br />
60. Geburtstag mit<br />
der Goldenen Ehrennadel des<br />
Handwerks ausgezeichnet, der<br />
höchsten Ehrung im Kammerwesen,<br />
habe, so Ullrich<br />
weiter, „keinerlei emotionale<br />
Bindung“ zur Kammer gezeigt.<br />
Ja, er habe durchblicken lassen, dass er<br />
das sogenannte „Freiburger Modell“ für unpraktikabel<br />
halte. Dieses Modell, das Ullrich<br />
am Herzen liegt, war von Präsident Martin<br />
Lamm begründet worden und legt fest, dass<br />
der Hauptgeschäftsführer kein Organ, sondern<br />
ein weisungsgebundener Angestellter ist.<br />
Dafür musste Lamm 2005 vor Gericht und<br />
auch wenn er dort obsiegte fürderhin mit dem<br />
Makel leben, dass das „Freiburger Modell“,<br />
das auch nur gleichberechtigte Geschäftsführer<br />
kennt, von den anderen 52 Kammern mit<br />
Argwohn und Ablehnung betrachtet wird.<br />
Das Modell ist ein Freibuger Alleingang!<br />
Was das neue Präsidium – Johannes Ullrich<br />
wurde im November 2014 zum Nachfolger<br />
des aus Altersgründen nicht mehr antretenden<br />
Paul Baier ins Präsidentenamt gewählt<br />
– gegen Burger hat, ist unklar: der umtriebige<br />
Funktionär brachte die<br />
Zusammenarbeit mit Italien<br />
– Stichwort: Padua – in<br />
Schwung, schwor mit den<br />
„Freiburger Erklärungen“<br />
Politiker und Verbandsleute<br />
auf die Energiewende ein,<br />
regelte die schwierige Situation<br />
mit den von der Schweiz<br />
für Handwerkerleistungen<br />
geforderten Kautionen, begründete<br />
die Messe GETec,<br />
initierte den Münstertreff<br />
mit über 3000 Besuchern<br />
und brachte Prominenz in die Kammer.<br />
Auch wenn heute einige dass alles für nicht<br />
so wichtig achten und dies auch, inoffiziell<br />
zumindest, sagen, so gibt es keinen offenen,<br />
Es geht um mehr, als den<br />
Kopf von Johannes Burger<br />
konkreten Vorwurf an den alten Hauptgeschäftsführer.<br />
Durchblicken lässt man, dass eine unterschriftsreife<br />
Vereinbarung, sich auf gütlichem<br />
Wege zu trennen, von Burger abgelehnt worden<br />
sei. Angeblich, so wird der Eindruck<br />
erweckt, weil er weitergehende finanzielle<br />
Forderungen hätte. Es sei, so heißt es aus<br />
dem Präsidium, eine „mehr als akzeptable“<br />
Vereinbarung gewesen. Der Burgersche Gegenvorschlag,<br />
den er angeblich komplett als<br />
„unverhandelbar“ bezeichnet habe, sei hingegen<br />
nicht akzeptabel gewesen. Ullrich: Burger<br />
wollte eine „Entschädigung, dass es weh tut“,<br />
habe „Forderungen nachgeschoben“, sein Angebot<br />
sei „unmoralisch“ gewesen.<br />
Das bestreiten Burger und sein Anwalt Wolfgang<br />
Meier-Rudolph vehement: „Welche<br />
moralischen Standards legt eine Kammer<br />
an, die es (laut Sitzungsprotokoll) für richtig<br />
hielt, Ihren Hauptgeschäftsführer innerhalb<br />
von drei Minuten, ohne jede Möglichkeit<br />
der Aussprache also, mit vollendeten Tatschen<br />
zu konfrontieren? Im Schalterverkehr<br />
nennt man so was abfertigen.“ Die Einigung<br />
sei letztendlich lediglich an einem Passus gescheitert,<br />
der tatsächlich nicht verhandelbar<br />
gewesen sei. Gemunkelt wird, der habe Knebelcharakter<br />
gehabt. Burger – der laut Ullrich<br />
Gesprächen ausgewichen sei – habe im<br />
Gegenteil das Gespräch immer gesucht, was<br />
man ihm jedoch verweigert habe. Dafür habe<br />
man ihn aber genötigt, wichtige Außentermine<br />
abzusagen, Post und Telefonate nicht an<br />
ihn weitergeleitet. Dennoch,<br />
so Meier-Rudolph, sei er optimistisch<br />
und setze auf eine<br />
Gesprächslösung, eventuell<br />
mit Hilfe eines Mediators.<br />
Für diese Idee zeigte sich auch<br />
die Kammer aufgeschlossen.<br />
Möglicherweise weil es<br />
dort einigen dämmerte, dass<br />
die Pressemitteilung neben<br />
der verheerenden Außenwirkung<br />
und den Wunden, die<br />
sie gerissen hat, auch noch<br />
ein Bumerang sein könnte.<br />
„Zentrales und oberstes Gremium der Handwerkskammer<br />
Freiburg ist die Vollversammlung“,<br />
heißt es, nachzulesen auf der Kammer-<br />
Homepage. Und auch wenn Angelegenheiten<br />
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