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Schlesischer Gottesfreund

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98 Geistliches Wort<br />

GEISTLICHES WORT<br />

Der Gute Hirte S. 98<br />

BEITRÄGE<br />

Friedrich der Große und die<br />

katholische Kirche in Schlesien S. 100<br />

„Testis ego exilii duri – ich bin<br />

ein Zeuge bitterer Vertreibung” S. 103<br />

„Wer hilft Lauban?” Unter dieser Überschrift berichteten<br />

wir in der Juni-Ausgabe über die dortige polnisch-evangelische<br />

Gemeinde, ihre Frauenkirche und die Gespräche<br />

über eine Sanierung. In dieser Kirche hielt Pfarrer Dr.<br />

Hans-Ulrich Minke, Präsident des Schlesischen Kirchentages,<br />

in einem Gottesdienst am Sonntag Misericordias<br />

Domini, den 22. April, eine Predigt, die wir hier gerne anstelle<br />

der Andacht drucken.<br />

Liebe Gemeinde,<br />

heute ist der Sonntag des guten Hirten, und wir sind eingeladen,<br />

über die Bedeutung des auferstandenen Christus für<br />

unser Leben nachzudenken und uns zu freuen, daß wir diesen<br />

guten Hirten haben. Dieser Hirte ist für alle da – für alle<br />

Menschen auf dieser Erde, die auf seine Stimme hören und<br />

ihm folgen – für Weiße und Farbige, für Afrikaner, Russen<br />

und Franzosen, Polen und Deutsche. Vermutlich haben wir<br />

das in der Vergangenheit zu wenig beachtet und uns einen<br />

deutschen und einen polnischen guten Hirten zurechtgezimmert.<br />

Aber solche Hirten gibt es nicht. Es gibt nur einen<br />

Hirten und eine Herde, heißt es im Predigttext. Und das<br />

sollten wir beachten im Umgang untereinander – hier in der<br />

Kirchengemeinde Lauban, im Umgang zwischen deutschen<br />

und polnischen Christen und auch sonst im Umgang<br />

mit anderen Konfessionen. Wir sind nun einmal – um es<br />

anders zu sagen - Gottes Volk auf dieser Erde, und davon<br />

gibt es nur ein Volk.<br />

So lesen wir es im Johannesevangelium: Ich bin der<br />

gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen<br />

mich, wie mich mein Vater kennt und ich den Vater kenne.<br />

Und ich lasse mein Leben für die Schafe. Ich habe noch<br />

andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch sie<br />

muß ich herführen, und sie werden meine Stimme hören,<br />

und es wird eine Herde und ein Hirte sein. (Kap. 10,14-16)<br />

Selbstverständlich weiß ich, liebe Gemeinde, daß das<br />

Bild vom Hirten und seiner Herde wie vieles andere auch<br />

in der modernen Gesellschaft aus der Mode gekommen ist.<br />

In Mitteleuropa – in Polen ist das vielleicht anders – sind<br />

Hirten mit ihren Herden selten. Und aus der Mode gekommen<br />

ist auch das Bild vom guten Hirten, das oft in den<br />

Wohnungen unserer Großeltern hing. Ein freundlichlächelnder<br />

Jesus mit sanften Gesichtszügen war darauf zu<br />

sehen, der ein Schaf auf seinen Armen trug, während die<br />

„Keinen Dichter noch<br />

ließ seine Heimat los” S. 104<br />

Kunst trifft Dichtung S. 105<br />

Thema: Leserbriefe S. 106<br />

LESERBRIEFE S. 107<br />

Der Gute Hirte<br />

BUCHEMPFEHLUNGEN S. 108<br />

VERANSTALTUNGEN/<br />

TERMINE S. 109<br />

AUS DER LESERGEMEINDE S. 110<br />

FUNDSTÜCK: S. 112<br />

Titel: Gedenkinschriften in der Görlitzer<br />

Nikolaikirche. Foto/Grafik S.112: ANN<br />

Herde sich um ihn drängte und bei Abendsonne auf dem<br />

Heimwege war. Dieses Bild haben viele geliebt; es strahlt<br />

Geborgenheit und Frieden aus. Nur, liebe Gemeinde, es<br />

paßt nicht mehr zu unserem Alltag und zu der Art, wie wir<br />

leben. Wir alle wollen nämlich nicht Schaf sein – nicht einmal<br />

Schaf Gottes. Wir wollen über unser Leben selbst entscheiden<br />

und womöglich unsere eigenen Hirten sein –<br />

wenigstens in der Religion. Doch es ist gar nicht die<br />

Absicht Jesu, uns zu entmündigen und in Abhängigkeit zu<br />

halten. Wer seine Worte bei Johannes genau liest, hört, daß<br />

er uns Wege zeigen will, wie wir selbstbestimmt leben und<br />

dabei ihn kennenlernen können. Dafür läßt er sein Leben<br />

für uns, damit wir begreifen, wie unser Weg zu Gott führt<br />

und daß wir uns an ihm orientieren können. Was das heißt,<br />

wollen wir jetzt zu verstehen suchen.<br />

I.<br />

Als erstes ist zu antworten: Zugang zum guten Hirten<br />

bekommen wir, wenn wir unsere Lage auf dieser Erde realistisch<br />

einschätzen. Alle versuchen wir, aus unserem Leben<br />

so viel Positives und Sinnvolles zu machen, wie es irgend<br />

geht. Jeder entwickelt seine Begabung und seine<br />

Möglichkeiten, versucht einen Beruf zu finden, der ihm<br />

Freude macht und ein angemessenes Einkommen garantiert.<br />

Er will die Partner entdecken, mit denen es sich lohnt,<br />

das Leben zu verbringen. Und wir freuen uns über Liebe,<br />

Freundschaften und die angenehmen, schönen Seiten von<br />

Natur und Schöpfung. Ich zähle das alles bewußt auf, weil<br />

oft untergeht, was wir an Chancen und Möglichkeiten –<br />

auch durch Gott – im Leben haben. Ich möchte, daß das<br />

Dunkle, das Böse und das Vergängliche in unserem Leben<br />

nicht einen zu großen Raum einnimmt. Vielleicht sind wir<br />

in der Kirche daran schuld, daß nicht selten das Negative,<br />

die Schuld und die Sünde, die Krankheit und der Tod im<br />

Vordergrund stehen und wir auch gern darüber reden,<br />

manchmal sogar, wenn wir uns zu Kaffee und Kuchen treffen.<br />

Doch das Dunkle und das Vergängliche gehört nun einmal<br />

zur Wirklichkeit unseres Lebens. Aus Lebenserfahrung<br />

wissen wir, daß unsere Planungen und Rechnungen nicht<br />

immer aufgehen, daß wir beruflich scheitern und unerwartet<br />

arbeitslos werden, daß Ehen auseinandergehen und daß<br />

wir sogar einer unheilbaren Krankheit standhalten müssen.<br />

Wir leben in einer gefallenen Welt und wir müssen diese<br />

gefallene Welt mit ihrer Misere bewältigen. Das ist die

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