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Bernstein Nr: 11 - Freie Waldorfschule Eckernförde

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Im Gespräch<br />

Erzählung: Ein echt guter Beginn<br />

Genossenschaftsprojekt: bionetto<br />

<strong>Waldorfschule</strong> baut: Ostflügel wächst<br />

Italien: Kunst erleben – mit allen Sinnen<br />

Fleckeby: Schöpferisches gegen den Alltag<br />

Feldmesspraktikum: Erlebnis Geschichte<br />

Waldorfkinderkrippe: Kinderstube in 49 Tagen<br />

Das Letzte: Aber Cola seid ihr beide, ne?<br />

marcstein<br />

Gratis<br />

No. <strong>11</strong><br />

bernstein<br />

Selbst-Führung: In Muße<br />

Studie: Waldorfabsolventen sind erfolgreicher<br />

Filmemacher: Geheimes Deutschland<br />

Klassiker: Die Pädagogische Provinz<br />

Zeitschrift für Bildung und Kultur


Inhalt<br />

Editorial 1<br />

Von Nicolaus Kessener<br />

Zurück zu den Wurzeln 2<br />

bernstein-Gespräch mit Britta Schmidt<br />

Der neue Ostflügel wächst 5<br />

Für den Vorstand von Bernd Hadewig<br />

Geschichte wurde Erlebnis 8<br />

Von Helena Jager und Dirk Wegner<br />

Ein echt guter Beginn <strong>11</strong><br />

Von Nicolaus Kessener<br />

Kunst erleben – mit allen Sinnen 13<br />

Von Justin Pöhler<br />

Schöpferisches gegen den Alltag 18<br />

Von fognin<br />

Kinderstube entsteht in 49 Tagen 23<br />

Von Luna Wiedemann<br />

Aber Cola seid ihr beide, ne? 24<br />

Im Handy von Bernie <strong>Bernstein</strong><br />

Titelbild: Joachim Blümke<br />

marcstein<br />

Hetze und Langeweile m1<br />

Von Olaf Koob<br />

Erfolgreichere Pädagogik oder bessere Elternhäuser? m5<br />

Von Laura Krautkrämer<br />

„Es lebe das ,Geheime Deutschland’!“ m7<br />

Von Ika Schier<br />

Die Fußwaschung m9<br />

Von Judith von Halle<br />

Die Pädagogische Provinz m<strong>11</strong><br />

Von Johann Wolfgang von Goethe<br />

Denkanregungen m16<br />

Impressum<br />

Herausgeber: Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik<br />

<strong>Eckernförde</strong> e.V., Schleswiger Straße <strong>11</strong>2, 24340 <strong>Eckernförde</strong>,<br />

T. 04351-7675-0, schule@waldorf-eckernfoerde.de<br />

Erscheinungsweise: BERNSTEIN erscheint im Juni und vor<br />

Weihnachten als unabhängige Zeitschrift für Bildung und Kultur.<br />

Anzeigen: Peter Hund, Böhnrüher Weg 39, 24360 Barkelsby,<br />

T. 04351-8 69 28, F. 04351-7675-61, Mobil 0170-4069955,<br />

anzeigen-bernstein@waldorf-eckernfoerde.de<br />

Redaktion: Ingrid Lüthje, Bernd Hadewig, Peter Hund, Peter<br />

Frieß, Nicolaus Kessener. Jeder Beitrag gibt die Meinung des<br />

Autors wieder; eine Übereinstimmung mit der Meinung der<br />

Redaktion kann aus seiner Veröffentlichung nicht abgeleitet<br />

werden. Titel und Bildunterschriften verantwortet die Redaktion,<br />

sinnwahrende Kürzungen vorbehalten.<br />

Fotos: fognin, Peter Römisch, Luftbild: Joachim Eicke<br />

Verlag: MARCSTEIN-GmbH, Veldnerweg 19, 74523 Schwäbisch<br />

Hall, T. 0791-9 78 09 71. Verantwortlich für Auswahl, Titel und<br />

sinnwahrende Kürzung der MARCSTEIN-Beiträge (Paginierung<br />

mit vorangestelltem »m«). Inhalt verantwortet der Autor.<br />

info@marcstein.de<br />

Auflage: 5.000<br />

Vertrieb: Kostenlose Verteilung im Kreis Rendsburg-<strong>Eckernförde</strong>,<br />

Kreis Schleswig- Flensburg und in Kiel<br />

Anzeigen- und Redaktionsschluss: BERNSTEIN <strong>Nr</strong>. 12,<br />

15. April 2008<br />

Anschrift der Redaktion: BERNSTEIN-Redaktion,<br />

Nicolaus Kessener, Dorfstraße 33, 24340 Kochendorf,<br />

T. 04351-45362<br />

redaktion-bernstein@waldorf-eckernfoerde.de<br />

Gedruckt auf einem Papier ohne optische<br />

Aufheller, ausgezeichnet mit dem umfassenden<br />

Nordischen Umweltzeichen, dem<br />

»Swan Label«.


Editorial<br />

Begeisterung steckt an<br />

die Redaktion des bernstein freut sich, Ihnen wiederum<br />

eine neue Ausgabe ihrer Zeitschrift für Bildung<br />

und Kultur vorlegen zu können.<br />

Zukunftsimpuls: Die <strong>Freie</strong> <strong>Waldorfschule</strong> baut weiter,<br />

auch wenn die Rahmenbedingungen (sprich: Finanzierung)<br />

nicht einfacher werden. Bernd Hadewig<br />

führt die Leser durch die neuen Bauabschnitte und<br />

seine Begeisterung für das Wachsen der <strong>Waldorfschule</strong><br />

<strong>Eckernförde</strong> wirkt ansteckend.<br />

Praktisch und konkret: In der ebenen Trigonometrie<br />

werden aus drei gegebenen Größen eines Dreiecks<br />

weitere Größen errechnet; dies geschieht mit<br />

Hilfe des Sinus- und Kosinussatzes. Nicht nur abstrakt,<br />

sondern ganz konkret in der praktischen Anwendung<br />

berichten Lehrer Dirk Wegner und Schülerin<br />

Helena Jager von diesen Berechnungen.<br />

Manchmal können auch aus Begegnungen mit der<br />

Vergangenheit, der Gegenwart und dem Bearbeiten<br />

für den eigenen Lebensstandpunkt neue Erkenntnisse<br />

gewonnen werden. Das Feldmesspraktikum der<br />

10. Klasse in der Nähe des geschichtsträchtigen<br />

Ortes Theresienstadt hat Erkenntnisse über die mathematische<br />

Trigonometrie hinaus vermittelt.<br />

Verantwortungsvoller einkaufen: Was bringt<br />

Verbraucher dazu, sich nachhaltig dem Konsumdruck<br />

und anonymen Einkaufen in unpersönlichen<br />

Supermärkten zu entziehen? Neben einem Selbsterfahrungsbericht<br />

als Mitglied einer genossenschaftlich<br />

geführten Kooperative stellen wir Ihnen die Betreiberin<br />

im Interview vor.<br />

Italien: Die Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse<br />

hat ihre gemeinsame Abschlussfahrt nach Italien<br />

zu künstlerischen Holz- und Steinarbeiten geführt.<br />

Durch das kreative Arbeiten mit Naturmaterialien in<br />

einer unbekannten Umgebung fernab von der Heimat<br />

konnten alle Teilnehmer inspirierende Eindrücke<br />

und Erlebnisse mit nach Hause nehmen.<br />

Der erste Schultag: Schüler, die häufiger in ihrem<br />

Leben umziehen müssen, weil ihre Eltern Berufe<br />

haben, die Mobilität verlangen, sind mit Problemen<br />

ganz eigener Art konfrontiert. Die Erzählung Ein echt<br />

guter Beginn lässt den ersten Schultag des 14-jährigen<br />

Leander in seiner neuen Schule Revue passieren.<br />

Fleckebyer Künstler: Im Hinblick auf die Künstler<br />

scheint Fleckeby ein kleines Worpswede zu sein.<br />

fognin blickt hinter die Kulissen des Kultur- und<br />

Künstlerbetriebs dieser faszinierenden Gemeinschaft.<br />

Wir hoffen sehr, Ihnen mit unseren Beiträgen unterhaltsame<br />

Information zu präsentieren.<br />

Herzliche Grüße für die Redaktion<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 1


Genossenschaftsprojekt bionetto<br />

Zurück zu den Wurzeln<br />

bernstein-Gespräch mit Britta Schmidt<br />

Ein wacheres Lebensmittelbewusstsein<br />

Mehr Planungssicherheit beim Wareneinkauf bekommt die<br />

Ladenbetreiberin Britta Schmidt dank einer wachsenden Zahl engagierter<br />

Kunden, denen es nicht egal ist, wie und wo ihre Lebensmittel produziert<br />

und vermarktet werden.<br />

Fotograf: Dirk Nennecke<br />

Bioprodukte sind in. Sogar die Lebensmitteldiscounter<br />

bieten mittlerweile Biolebensmittel an. Es<br />

bleibt allerdings eine nicht unerhebliche Unsicherheit,<br />

ob Discounter tatsächlich in der Lage sind, Biolebensmittel<br />

in der nötigen Menge bereit zu halten<br />

und ob es nicht dem Grundsatz der Discounter widerspricht,<br />

möglichst zum kleinsten Preis und oft<br />

ohne Rücksicht auf ökologisch verträgliche Herstellungsbedingungen<br />

produzieren zu lassen.<br />

Der zunehmende Einsatz von Gentechnologie in<br />

der Landwirtschaft und immer häufigere Skandale in<br />

der Lebensmittelindustrie veranlassen<br />

eine wachsende Zahl von Konsumenten<br />

zum Kauf von Biolebensmitteln.<br />

Für viele Menschen mit<br />

einem geringeren Einkommen<br />

ein kaum leistbarer Luxus,<br />

denn Biowaren sind teurer als<br />

konventionell angebaute Produkte.<br />

Der Einsatz von Menschen<br />

und der Verzicht auf chemische Mittel<br />

führen zu geringeren Erträgen und höheren Kosten<br />

(verglichen mit konventionellem Anbau)<br />

Das Einkaufen von Lebensmitteln, also Produkten,<br />

die mittelbar zu unserem Leben beitragen, soll<br />

mit Bedacht und Überlegung geschehen. Das Angebot<br />

an konventionell produzierten Lebensmitteln in<br />

den Supermärkten ist immens! Der Anblick einer<br />

Fleisch- oder Wursttheke in einem Supermarkt<br />

macht mich glauben, dass Schweine fast ausschließlich<br />

aus Kotelett, Schnitzel, Lende und Hack-<br />

2<br />

fleisch bestehen. Das Getreide für Brot kommt häufig<br />

aus Indien, weil es dort billiger angebaut werden<br />

kann. Nordseekrabben (Granat) werden in Marokko<br />

gepult und der Transport inklusive aller Arbeiten ist<br />

immer noch preiswerter, als dass Menschen hier vor<br />

Ort die Krabben für den Verkauf zubereiten. Der Vertrieb<br />

der Krabben läuft dann wieder über Discountläden.<br />

Globalisierung wird oft missverstanden als<br />

Suche nach der billigsten Produktionsstätte und<br />

damit einem hohen Profit; der Wert der Produkte<br />

und der Arbeitskraft der Menschen spielen kaum<br />

eine Rolle.<br />

Als Familienvater von sechs Kindern möchte ich<br />

meine Kinder dazu erziehen, nicht alles kritiklos zu<br />

übernehmen, was uns Werbung und Medien glauben<br />

machen wollen. Meine Kinder sollen selber Erfahrungen<br />

machen und sich auch mit dem auseinander<br />

setzen, was täglich auf den Tisch kommt. Wir<br />

haben als Familie unsere Einkaufsgewohnheiten<br />

umgestellt, was unseren täglichen Konsum an Lebensmitteln<br />

angeht: Wir sind Mitglieder in der genossenschaftlichen<br />

Kooperative bionetto in Götheby<br />

geworden. Neben der Gewährung eines zinslosen<br />

Darlehens für den Laden zahlen alle Mitglieder einen<br />

monatlichen Grundbetrag, gestaffelt nach Familiengröße<br />

und Bedarf. Die Mitglieder kaufen günstig<br />

und sozialverträglich ein. Und der Laden kann mit<br />

den Einlagen und den regelmäßigen Geldeingängen<br />

planen und die Kosten decken.<br />

Mit seinem Monatsbeitrag erhält das Mitglied die<br />

Möglichkeit, Biolebensmittel zu den Ladenöffnungszeiten<br />

zu Nettopreisen einzukaufen. Der Monatsbeitrag<br />

gewährleistet der engagierten Ladenbetreiberin<br />

Britta Schmidt Planungssicherheit, was die Bestellung<br />

von Lebensmitteln, Raummiete, Personalkosten<br />

und Energiezahlungen angeht. Natürlich<br />

können nur Waren bestellt werden, wenn auch der<br />

Umsatz entsprechend ist: Wird nicht eingekauft,<br />

kann auch nichts bestellt werden. In einem Buch<br />

werden Wünsche der Mitglieder bezüglich des Sortiments<br />

festgehalten, so dass sich der Bestand des<br />

Ladens schrittweise und von den Wünschen der<br />

Kunden abhängig, weiter entwickelt<br />

Das Ladenangebot umfasst Biolebensmittel wie<br />

Milchprodukte, Gemüse, Brot, Käse, Wein und Bier,<br />

Trockenwaren, Tees und weitere Produkte des täglichen<br />

Lebens wie Naturkosmetik und ökologisch<br />

unbedenkliche Waschmittel. Frische Lebensmittel<br />

kommen von regionalen Anbietern, Kartoffeln direkt<br />

aus der Nachbarschaft vom Hof Nennecke. Seit<br />

Neuestem gibt es eine Kooperative mit dem Biofleischlieferanten<br />

Bunde Wischen. Bei Produkten aus<br />

Übersee wird nur fair Gehandeltes angeboten und<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


die Hersteller von Lagerprodukten verpflichten sich<br />

dem ökologischen Produktionsprinzip.<br />

Das Einkaufen in der genossenschaftlichen Kooperative<br />

bionetto bietet Erfahrungen über das Ergebnis<br />

des Einkaufs hinaus. Das Verweilen im Laden,<br />

sich mit den Kunden zu unterhalten, das Gefühl zu<br />

haben, selber zum Angebot beizutragen und im Bewusstsein<br />

zu haben, dass nur mit einem aktiven Einkauf<br />

das genossenschaftliche Prinzip funktioniert,<br />

verändern das Verstehen für die Zusammenhänge<br />

von Angebot und Nachfrage.<br />

Es gibt nicht jeden Tag Fleisch bei uns; was aber<br />

nicht weiter tragisch ist, da einige Familienmitglieder<br />

Vegetarier geworden sind. Den Unterschied zu<br />

konventionellem Gemüse meinen wir mittlerweile<br />

geschmacklich feststellen zu können. Auch dieses<br />

geschmackliche Erlebnis und der bewusste Umgang<br />

mit Nahrungsmitteln, die Erkenntnis, dass es nicht<br />

selbstverständlich ist, qualitativ hochwertige Lebensmittel<br />

täglich essen zu können, haben den Weg<br />

zurück zu den Wurzeln für uns als richtig gezeigt.<br />

Autor Nicolaus Kessener ist Vater an der FWS <strong>Eckernförde</strong><br />

Interview mit Britta Schmidt<br />

Seit wann betreibst du den Laden in Götheby und<br />

was hat dich dazu gebracht?<br />

Den Laden betreibe ich seit dem Jahr 2000 und<br />

hatte dabei im Sinn, mir eine Arbeitsstelle sozusagen<br />

zu erkaufen. Ich bin von Beruf Museumswissenschaftlerin,<br />

aber mit Familie sah ich keine Möglichkeit<br />

mehr, mit stets befristeten AB-Maßnahmen in<br />

wechselnden Stellen in Schleswig Holstein angestellt<br />

zu sein.<br />

Wie bist du auf die Idee gekommen, eine »genossenschaftliche<br />

Kooperative« zu gründen?<br />

Die Idee stammt ja nicht von mir, sondern sie gibt<br />

es schon letztlich seit über 100 Jahren und wurde<br />

von mir nur wieder aufgenommen. Von den »Bios«<br />

wurde die Idee der Konsumgemeinschaften wieder<br />

neu belebt und jetzt wird sie zunehmend auch auf<br />

dem Lande von konventionellen Dorfläden umgesetzt.<br />

Der tiefere Sinn liegt eben darin, kleinen Läden<br />

eine Existenzberechtigung zu geben. Und so ist es<br />

auch hier: Es war der Versuch, dem Laden seinen<br />

Sinn durch die direkte Beteiligung der Mitglieder zu<br />

geben, denn ein Laden ohne Käufer mit einem nicht<br />

gefragten Sortiment hat seinen Sinn verloren. Die<br />

Idee kannte ich also, und ich hatte schon länger an<br />

ihre Verwirklichung gedacht.<br />

Seit wann besteht die Kooperative?<br />

Seit Juni 2007 gibt es bionetto in der jetzigen<br />

Form.<br />

Wie viele Mitglieder umfasst die Kooperative und<br />

wie viele sollen es einmal werden?<br />

Wir haben jetzt zu Beginn unserer Initiative noch<br />

zu wenige Mitglieder, bestehend aus Einzelpersonen<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 3


und Familien. Es wäre schön, wenn wir auf 100–150<br />

Mitglieder kommen können, dann lohnt es sich eher,<br />

ein umfangreiches Sortiment vorrätig zu halten und<br />

ich kann auch andere Preise aushandeln.<br />

Wie viele Produkte hast du im Sortiment? Wie oft<br />

werden neue Produkte von den Mitgliedern/Kunden<br />

gewünscht? Kannst du allen Wünschen nachkommen?<br />

Legst du Wert auf Produkte aus der Region?<br />

Wie hoch ist der Anteil (ungefähr) von regionalen zu<br />

überregionalen Produkten?<br />

Das Sortiment des Ladens umfasst mittlerweile<br />

ca. 350 Artikel aus dem so genannten Trockenbereich,<br />

inkl. Getränken und Tiefkühlkost. Dazu kommen<br />

noch etwa 50–60 Artikel aus dem Frischebereich.<br />

Hier handelt es sich zum größeren Teil um regionale<br />

Produkte. Also Eier, Brot, Wurst und Fleisch,<br />

Käse und andere Molkereiprodukte sowie Gemüse<br />

und Kartoffeln. Regionale Produkte machen ca. ein<br />

Fünftel des Sortimentes aus. Es ist nicht immer<br />

möglich, allen Kundenwünschen sofort nachzukommen.<br />

Ein gutes Beispiel für die Problematik hierbei<br />

sind Müslis. Ich hatte nicht gewusst, dass die Mitglieder<br />

so viel Wert auf eine bestimmte Müslisorte<br />

legen. Aber ein Müsli scheint etwas Besonderes zu<br />

sein: Crunchy oder nicht, eher fruchtig oder nussig,<br />

mit Schokolade ja oder nein, Amaranth ja oder nein,<br />

… Im Moment habe ich sieben Sorten Müsli und die<br />

wechsle ich immer aus, so dass hoffentlich jeder<br />

Kunde einmal sein Müsli findet. Also: Das Angebot<br />

an bestimmten Produkten ist einfach zu groß, um<br />

alles, was erwünscht ist, ständig vorrätig haben zu<br />

können. Da ich an dem Verkauf ja nichts verdiene,<br />

ist ein schneller Umsatz der Waren wichtig. Nur<br />

wenn der Umschlag der Waren da ist, das Geld<br />

fließt, kann ich auch wieder neue Waren einkaufen.<br />

Betreibst du den Laden alleine?<br />

Ja, ich betreibe den Laden alleinverantwortlich.<br />

Wie sehen deine Kosten für Versicherung, Ladenmiete,<br />

Energie, Personal (einschließlich dich selbst) aus?<br />

Wie hilfreich ist eine Einlage der Genossen für deine<br />

Planung?<br />

4<br />

Die Mitgliedsbeiträge decken im Moment die monatlichen<br />

Kosten ohne eine Entnahme meinerseits.<br />

In den Kosten enthalten sind zwei Kräfte, die 6,5 bis<br />

9 Wochenstunden im Laden arbeiten. Durch die Mitgliedsbeiträge<br />

sind all diese Kosten mittlerweile gedeckt.<br />

Aber es ist eng und mehr Mitglieder würden<br />

es planungssicherer machen.<br />

Hast du weitere Ideen für den Laden? Möchtest du<br />

erweitern?<br />

Ideen habe ich viele, ihre Umsetzung wird allerdings<br />

noch dauern. Aber kleine Schritte bringen uns<br />

ja auch voran, Hauptsache sie gehen in die richtige<br />

Richtung. Mir gefällt die Idee einer Gemeinschaft<br />

von Menschen, die ihre Lebensmitteleinkäufe im zugehörigen<br />

Laden tätigen und dabei Zeit und Raum<br />

finden, zu kommunizieren, Spaß zu haben, sich auszutauschen.<br />

Mich reizt die Verbindung von Essen<br />

und Kultur, denn was und wie wir essen, ist ja auch<br />

kulturellen Bedingungen unterworfen. Dazu gehört<br />

für mich auch die Art und Weise des Einkaufens. Wie<br />

habe ich denn mein Essen erworben? Da möchte<br />

ich etwas Stilvolleres anbieten als einen normalen<br />

oder anonymen Zugriffsakt im Supermarkt. Ganz<br />

davon abgesehen, dass die Auswahl unserer Nahrungsmittel<br />

ja schon ein politischer Entscheidungsakt<br />

ist! Mehrmals im Jahr wird es Veranstaltungen<br />

oder Aktionen geben, zu denen die Mitglieder und<br />

Freunde eingeladen werden. Beispiel: Im Sommer<br />

haben zwei engagierte Mitglieder der bionetto-Gemeinschaft<br />

einen Kleidertausch organisiert. Der fand<br />

bei bestem Wetter und bester Stimmung mit Kaffee<br />

und Kuchen vor und im Laden statt. Damit mehr<br />

Leute in den Genuss kommen, haben wir vor, mindestens<br />

einmal pro Jahr so einen Kleidertausch anzubieten.<br />

Weitere Ideen sind Verköstigungsaktionen,<br />

Filmabende, Informationsveranstaltungen und<br />

weitere Ideen, die aber nach und nach angeboten<br />

werden.<br />

Auskunft zu unserem genossenschaftlichen Einkaufsprojekt<br />

gebe ich gerne und ausführlich. Entweder<br />

im Laden in Götheby auf dem Hof Nennecke<br />

oder telefonisch unter 04354-8895.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Wir bauen weiter<br />

Der neue Ostflügel wächst<br />

Für den Vorstand von Bernd Hadewig<br />

Aus Alt wird Neu<br />

Erst muss abgerissen werden, bevor etwas Neues entstehen kann.<br />

Seit 1992 haben wir darauf gewartet. Zu den Sommerferien dieses Jahres ist nun endlich mit dem<br />

Neubau des Ostflügels auf dem Gelände der <strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong> begonnen worden.<br />

Raumbedarf und Planung: Der Raumbedarf für<br />

den Gesamtkomplex Ostflügel ist insgesamt vom<br />

Kultusministerium als notwendig anerkannt worden.<br />

Mit der Planung und dem Bauantrag haben wir<br />

das Architekturbüro Prof. Dr. Ulrich Stumpf in Kiel<br />

beauftragt. Die Bauplanung vor Ort wird vom Architektenbüro<br />

LPP aus <strong>Eckernförde</strong>, federführend vom<br />

Architekten Peter Römisch durchgeführt. Die Aufgaben<br />

der Projektsteuerung, Kostenkontrolle und -<br />

steuerung hat die Ingenieurgesellschaft H+K+S aus<br />

Höxter übernommen. Vorrangige Aufgabe der Ingenieurgesellschaft<br />

ist die Kostenlenkung zum Einhalten<br />

des Finanzierungsrahmens. Somit wird Sorge<br />

dafür getragen, dass bei der Durchführung der Baumaßnahme<br />

die Finanzierungs-Bedingungen eingehalten<br />

und die Kosten in Grenzen gehalten werden.<br />

Kosten und Finanzierung: Wegen der Aufteilung<br />

der Landesmittel in vier Raten bis zum Jahr 20<strong>11</strong><br />

gliedern wir dieses Neubauvorhaben in zwei Abschnitte<br />

(Takt 1 und Takt 2).<br />

Die Kosten für den Takt 1 werden auf ca. 1,3 Mio.<br />

Euro veranschlagt. Zur Finanzierung dieses ersten<br />

Bauabschnittes ist uns ein anteiliger Zuschuss aus<br />

den Bundesmitteln des IZBB-Programmes in Höhe<br />

von 500 Tausend Euro zugesagt. Wir rechnen des Weiteren<br />

mit 440 Tausend Euro aus Landesmitteln. Für die<br />

Unterstützung seitens des Bildungsministeriums sind<br />

wir außerordentlich dankbar. 250 Tausend Euro werden<br />

von der Förde Sparkasse als Baudarlehen aufgenommen.<br />

Der Restbetrag von <strong>11</strong>0 Tausend Euro ist<br />

durch Eigenleistungen und Spenden zu finanzieren.<br />

Zukunftsimpuls durch die neuen Räume: Seit<br />

1984 ist die <strong>Waldorfschule</strong> in dem markanten Ge-<br />

Grund<br />

Die Arbeiten am Untergrund sind wichtig, denn nur auf festem<br />

Grund lässt es sich gut lernen.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 5


6<br />

Takt 1<br />

bäude mit den drei Türmen, das ursprünglich (1913–<br />

1915) als Altersheim gebaut worden war. Der Takt 1<br />

des entstehenden Neubaus schließt direkt an das<br />

alte Haupthaus an. Für die Zwecke der Nutzung als<br />

offene Ganztagsschule wurde das Hauptgebäude<br />

2004/2005 wesentlich umgestaltet. Im Untergeschoss<br />

ist Raum für eine große Mensa und eine neue<br />

Schulküche geschaffen worden. Nunmehr öffnet der<br />

neue Windfang vor dem Haupteingang einladend<br />

seine Türen zum Eintritt in das Schulgebäude.<br />

Im Rahmen des Investitionsprogrammes Zukunft<br />

Bildung und Betreuung sind im Zusammenhang mit<br />

der Schulküche und Mensa neue WC-Anlagen<br />

(Mädchen und Jungen) notwendig geworden. Im<br />

Erdgeschoss des neuen Taktes 1 des Ostflügels<br />

schließen die Räume direkt an die Mensa an.<br />

Übungsräume für die handwerklich-künstlerischen<br />

Kurse sowie für die musikalische Einzelförderung,<br />

Chorarbeit und Hausaufgabenhilfe im Rahmen der<br />

Offenen Ganztagsschule sind des Weiteren in diesem<br />

Bauabschnitt vorgesehen. Zusätzlich soll es eine<br />

kleine Teeküche für die Arbeitsgemeinschaften<br />

geben. Im Untergeschoss sind Lagerräume und ein<br />

weiterer Übungsraum geplant.<br />

Im 1. und 2. Stockwerk dieses Bauabschnittes sollen<br />

das neue Lehrerzimmer und Räume für Fachun-<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Viele Hände<br />

Nur mit viel Einsatz und Hilfe kann etwas Neues entstehen Fotograf: Peter Römisch<br />

Stein auf Stein<br />

Auf gut vorbereitetem Grund lässt sich auch gut aufbauen<br />

terricht entstehen. Dieser obere Teil des Taktes 1<br />

wird mit Mitteln des Schulbau-Programmes des<br />

Landes gefördert.<br />

Der Takt 2 soll dann im Anschluss (2009 bis 20<strong>11</strong>)<br />

gebaut werden. Dort sind ein Musiksaal, ein Eurythmiesaal,<br />

Schülerarbeits- und Übungsräume geplant.<br />

Der anteilige Landeszuschuss an den anerkannten<br />

Schulbaukosten dieses Bauabschnittes wird 65%<br />

betragen.<br />

Durch die neuen Räume wird ein weiterer zukunftsträchtiger<br />

Impuls für unseren Schulstandort<br />

ausgehen und die <strong>Eckernförde</strong>r <strong>Waldorfschule</strong> kann<br />

sich als ein Kulturhaus insbesondere für die heranwachsende<br />

Generation weiter entwickeln.<br />

Eigenleistungen und finanzielle Hilfe: Wir haben<br />

bisher gute Erfahrungen mit den Eigenleistungen<br />

(»Muskelhypothek«) unserer Elternschaft im Kindergarten<br />

und in der Schule gemacht. Mit Dankbarkeit<br />

schauen wir auf dieses starke Engagement, auf die<br />

ideenreiche und tatkräftige Hilfe der Eltern, die dazu<br />

beigetragen hat, unsere Bauvorhaben weiter voran<br />

zu bringen.<br />

Darüber hinaus erbitten wir durch Aufrufe direkte<br />

Spenden von Freunden, Firmen und Förderern.<br />

Wir brauchen Ihre finanzielle Unterstützung!<br />

Wir bitten Sie um Spenden: Mit dem Stichwort<br />

»Neubau Ostflügel« auf das Konto <strong>Nr</strong>. 137 <strong>11</strong>7 bei<br />

der Förde Sparkasse (BLZ 210 501 70). Eine entsprechende<br />

Spendenbescheinigung bekommen Sie dann<br />

umgehend von uns zugeschickt.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 7


Vermessungspraktikum<br />

Geschichte wurde Erlebnis<br />

Von Helena Jager und Dirk Wegner<br />

Der Durchblick verschafft den Überblick<br />

Charlotte blickt durch und weiß sich zu helfen: Wo keine Leiter ist, tut’s<br />

auch ein Werkzeugköfferchen.<br />

In den Böhmerwald: Zu den Höhepunkten im 10.<br />

Schuljahr gehört das Vermessungspraktikum. Es<br />

geht dabei zunächst um die Anwendung und Vertiefung<br />

der in der Trigonometrie gelernten Kenntnisse,<br />

das gemeinschaftliche Arbeiten und darin Aufeinander-Angewiesen-Sein<br />

sowie das projektorientierte<br />

Arbeiten, in dem eine Vielzahl von Aufgabenschritten<br />

vom ersten Kennenlernen des Geländes<br />

zur fertigen Karte desselben erforderlich ist. Der<br />

Lehrer darf ganz Helfer und Begleiter sein, denn die<br />

Aufgabenschritte und Korrekturen ergeben sich aus<br />

der Sache selbst. Förderlich ist es, wenn es eine Vermessungsaufgabe<br />

gibt, deren Ergebnis gebraucht<br />

wird. Bei dem letzten Praktikum war es die Kartierung<br />

der Überreste einer Siedlung auf einer Anhöhe<br />

oberhalb von Rejstejn (Westböhmen): Dort hatte der<br />

aus dieser Gegend stammende Schriftsteller K. Klostermann<br />

einige Zeiten seines Lebens verbracht, und<br />

das Museum des Böhmerwaldes ist interessiert an<br />

einer Dokumentation der biographischen Zusammenhänge<br />

mit diesem Gelände.<br />

Indem aber das Praktikum im Rahmen einer Klassenfahrt<br />

durchgeführt wird, erweitert sich seine Bedeutung,<br />

die es für das Erleben einer Klasse und<br />

einzelner Schüler haben kann, erheblich. Allein das<br />

Reisen selbst öffnet die Sinne und Wahrnehmungsbereitschaft,<br />

da gewohnte Umgebungen und Ab-<br />

8<br />

Beim Vermessen sieht man’s leichter<br />

Auch wenn es nicht alle wissen: Eine tragende Rolle hat ein<br />

jeder.<br />

läufe wegfallen und eine andere Landschaft, Kultur<br />

und Sprache ins Bewusstsein treten. Darüber hinaus<br />

kann man einen dieser Aspekte oder auch weitere<br />

besonders bearbeiten. Bei dieser Klassenfahrt (wie<br />

auch schon vorhergehenden) war es, indem Theresienstadt<br />

besucht wurde, die Geschichte der Nazi-<br />

Diktatur im Zusammenhang mit der Besetzung Böhmens<br />

und der Verfolgung der Juden. Die bei einem<br />

Besuch Theresienstadts auflebenden Fragen sind<br />

existenziell und wesentlich.<br />

Hier ein Reisebericht: Am 25. Juni 2007 fuhr unser<br />

Zug mit uns 35 Schülern und drei Betreuern von<br />

<strong>Eckernförde</strong> Richtung Tschechien ab. Die Hinreise<br />

zog sich sehr lange hin. Erst gegen 19 Uhr kamen wir<br />

endlich in unserem tschechischen 1-Sterne-Hotel in<br />

Radeˇsov an. Radeˇsov ist eine kleine Siedlung am<br />

Ufer der Otava in Westböhmen und etwa 20 km von<br />

der deutsch-tschechischen Grenze entfernt.<br />

Unser Tagesablauf in Radeˇsov war ein recht angenehmer.<br />

Morgens um 8 Uhr gab es Frühstück. Darauf<br />

folgte eine Stunde später die Besprechung des<br />

Tagesablaufs und danach wanderten wir zu unserem<br />

Vermessungsgebiet auf einem Berg, um unser Projekt,<br />

ein kleines Siedlungsgelände aus der Zeit des<br />

19. Jahrhunderts zu vermessen und kartographisch<br />

darzustellen. Das Gebiet war zum größten Teil eine<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Theresienstadt: In der kleinen Festung<br />

In der zwanghaften Beengung entsteht aus Hoffnung<br />

Kreativität, die das Grauen umwandelt …<br />

Lichtung, jedoch teilweise mit Gestrüpp und Bäumen<br />

bewachsen und zeigte nur noch sehr wenige<br />

Überreste der damaligen Siedlung, z.B. Mauerstücke,<br />

Steinhaufen und Brunnen.<br />

Gegen 12.30 Uhr unterbrachen wir unsere Arbeit<br />

und gingen zurück in unser Hotel. Dort gab es Mittagessen<br />

und wir hatten eine Mittagspause bis 15<br />

Uhr. Die einen fielen erschöpft ins Bett, andere pokerten<br />

fleißig, einige kühlten sich im Fluss ab, der<br />

Rest saß auf dem Balkon. Anschließend gingen wir<br />

wieder bis 18.30 Uhr auf den Berg.<br />

Wir hatten stets wechselhaftes Wetter. Große,<br />

dunkle Wolken zogen auf und eine halbe Stunde<br />

später konnte wir strahlenden Sonnenschein haben.<br />

Vom Berg hatten wir einen wunderschönen Blick<br />

auf den Ort Rejstejn und den Fluss Otava, der sich<br />

im Tal schlängelt. Nach dem Abendessen konnte die<br />

Zeit bis 23.30 Uhr frei genutzt werden.<br />

Die Arbeit auf dem Berg machte uns viel Spaß,<br />

mindestens soviel, wie wir abends in der Freizeit<br />

hatten. Wenn auf dem Zimmer 8 ein Gelächter ausbrach,<br />

konnte man davon ausgehen, dass sich mindestens<br />

zehn Personen in diesem Zimmer aufhielten<br />

und ein guter oder auch nicht so guter Witz gerissen<br />

wurde. Als Klasse arbeiteten, aßen, sangen und<br />

lachten wir und kamen so immer mehr als Gemeinschaft<br />

zusammen. Nach einer Woche Feldmesspraktikum,<br />

in der wir die maßstabsgetreue Landkarte<br />

der Klostermannhöhe erarbeitet hatten, brauchten<br />

wir als Klasse nun auch die Gemeinschaft, da wir<br />

Theresienstadt besichtigten.<br />

Theresienstadt wurde Ende des 18. Jahrhunderts<br />

als eine Festungsanlage von Kaiser Joseph II. erbaut.<br />

Nach der Besetzung Böhmens und Mährens machten<br />

die Nationalsozialisten aus Theresienstadt ein<br />

Ghetto. Die Besichtigung des Ghettos fiel uns sehr<br />

schwer, denn jenes, was in der Vergangenheit liegt,<br />

reichte für uns, weil wir am Ort und zwischen den<br />

steinernen Zeugen der damaligen Grausamkeiten<br />

standen, in die Gegenwart, und wenn man sich noch<br />

enger mit dem Bilde der Stadt beschäftigte, so fühlte<br />

man die Bedrückung und das Elend dieser Menschen<br />

in dieser Zeit. Am Ende eines solch anstrengenden<br />

Tages haben wir uns gemeinsam zusammengesetzt<br />

und unsere Gedanken und Eindrücke<br />

zusammengebracht.<br />

Am 4. Juli fuhren wir wieder mit reichlich Eindrücken<br />

und unseren erarbeiteten Klostermannhöhe-<br />

Karten in unserem Gepäck nach <strong>Eckernförde</strong>, wo die<br />

Eltern bereits auf uns warteten.<br />

Das Vermessungsprojekt bedurfte eines Zeitraums<br />

von einer Woche. Sogar eine Wanderung in die<br />

nächstgelegene Stadt Kaˇsperke Hory war noch möglich,<br />

auf der die reichen Naturwahrnehmungen aus<br />

der Woche noch erweitert wurden durch den Besuch<br />

des Böhmerwald-Museums mit vielen hervorragend<br />

präparierten Tieren sowie durch das Durchschreiten<br />

unterschiedlicher Landschafts- und Wetter-Zonen.<br />

Der Besuch in Theresienstadt war dadurch besonders<br />

intensiv, dass wir auch zwei Nächte dort verbrachten.<br />

Nicht nur das Ghetto-Museum, die Ausstellung<br />

mit Kunstwerken von Häftlingen aus der<br />

Zeit des Ghettos und die Kleine Festung (Gestapo-<br />

Gefängnis) forderten die Seelenkräfte massiv he-<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 9


Schienen in Theresienstadt<br />

Ende eines Weges<br />

raus; die ganze Atmosphäre der Stadt, in der viele<br />

Kasernen zwar geräumt sind , aber in der die Gebäude<br />

in ihrer unveränderten Realität den Ungeist der<br />

damaligen Zeit und die Bedrückung der ghettoisierten<br />

Menschen atmosphärisch spüren lassen, wirkte<br />

fortwährend. Bezeichnend ist vielleicht, dass eine<br />

Schülergruppe abends im Dunkeln noch einmal neugierig<br />

ausschwärmte und recht schnell zurückkam.<br />

Ein glücklicher Umstand für uns war das Zusammentreffen<br />

einer Gruppe amerikanischer Juden mit<br />

unserer (deutschen) Klasse vor dem Ghetto-Museum.<br />

Die Nachkommen des »Tätervolkes« standen<br />

denjenigen des »Opfervolkes« gegenüber (Anführungsstriche<br />

wegen der Pauschalisierung). Geschichte<br />

wurde Erlebnis. Bald gelang es durch die Schichten<br />

der Vorurteile hindurch zur Gegenwart vorzudringen.<br />

Manche der sich entfaltenden Gespräche<br />

dauerten lange. Für beide Seiten war dieses Zusammentreffen<br />

heilsam.<br />

Kurze Texte entstanden in der abendlichen Nachbesprechung<br />

und -bearbeitung der Eindrücke, Gefühle<br />

und Gedanken des Tages, zwei davon geben<br />

wir zum Schluss wieder.<br />

10<br />

Erlebnisabend<br />

Do. 10. Januar 19.00<br />

Flensburg<br />

Grundlagenseminar<br />

Fr./Sa. <strong>11</strong>./12. Januar<br />

<strong>Eckernförde</strong>, ImPulse<br />

Gelbe Häuser mit vergitterten Kellerfenstern<br />

in denen Einsamkeit die Sehnsucht<br />

nach Liebe und Freude entfachte<br />

Leere tote Straßen in deren Staub<br />

bunte Blumen wachsen<br />

wie die Kraft zum Überleben<br />

Angst und Hass versuchten zu vernichten<br />

was Mut und Liebe schufen<br />

Unmenschlichkeit die das Leben<br />

nur stärker macht<br />

Finja<br />

Das Ausschalten des Ichs<br />

ist Lüge, Gewalt der blinde<br />

Gehorsam<br />

ohne eignen Willen<br />

Die Masse macht<br />

das Ich zum Wir<br />

und noch weniger<br />

In der zwanghaften Beengung<br />

entsteht aus Hoffnung Kreativität<br />

die das Grauen umwandelt<br />

und Gegensätze schafft.<br />

Hannah<br />

Helena Jager ist Schülerin der <strong>11</strong>. Klasse;<br />

Dirk Wegner ist Lehrer an der FWS <strong>Eckernförde</strong><br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Erzählung<br />

Ein echt guter Beginn<br />

Von Nicolaus Kessener<br />

Rinnng, rrrrriiinnnnnnnng, rrrrrriiiinnnnnggggg,<br />

das unangenehme Geräusch von sich senkenden<br />

Schranken am Bahnübergang machte Angst. Das<br />

Rumpeln und Quietschen des herannahenden Zuges<br />

kam unheilvoll näher. Er würde ihn zerfetzen, wenn<br />

er es nicht schaffte, seinen Fuß aus der verflixten<br />

Weiche zu bekommen. Wie konnte hier, am Bahnübergang<br />

Schulweg überhaupt eine Weiche sein?<br />

Egal, er musste seinen Fuß unbedingt hier herausbekommen,<br />

sonst war er verloren. Rrrrriiiinnnnnngggggg,<br />

der schrille Ton des Schrankengeläuts wurde lauter,<br />

seine Anstrengungen, sich aus der gefährlichen Lage<br />

zu befreien, nahmen zu. Warum half ihm niemand?<br />

Die Menschen schienen keine Notiz von ihm zu nehmen.<br />

Noch wenige Sekunden und der Zug würde<br />

ihn erreicht haben ...<br />

Mit einer heftigen Drehung des Oberkörpers gelang<br />

es ihm, sich von den Geleisen weg zu drehen<br />

und ... er fiel aus dem Bett, während er mit seinem<br />

rechten Fuß weiter in der Bettdecke verhakt blieb.<br />

Was für ein Traum!<br />

Nur mühsam schaffte er es, an die Oberfläche seines<br />

Bewusstseins zu gelangen, während er mit seinem<br />

rechten Fuß strampelte, um ihn aus der Bettdecke<br />

zu lösen.<br />

„Na, das fängt ja gut an“, seufzte er, während er<br />

den Weg ins Badezimmer nahm, seine Brille suchte,<br />

die sich wieder einmal unerlaubt von ihrem angestammten<br />

Platz von dem mit Büchern und CDs beladenen<br />

Nachtschränkchen entfernt hatte.<br />

Ich werde am ersten Tag zu spät kommen; dachte<br />

er mit Verzweiflung. Die neue Schule wird ein Alptraum<br />

werden, wie schon einige Male zuvor.<br />

Immer, wenn sein Vater versetzt wurde, musste<br />

auch Leander die Schule wechseln. Sein Vater war<br />

Offizier bei der Bundeswehr und wurde fast alle drei<br />

Jahre innerhalb Europas versetzt. Die Familie hatte<br />

beschlossen, so oft es ging, mit dem Vater umzuziehen,<br />

damit sie beisammen bleiben konnten. Nun war<br />

Leander 14 Jahre alt, hatte bereits drei unterschiedliche<br />

Schulen besucht und nun sollte er in der <strong>Freie</strong>n<br />

<strong>Waldorfschule</strong> <strong>Eckernförde</strong> unterrichtet werden.<br />

Stets war es ihm schwer gefallen, seine Mitschüler<br />

zu verlassen und sich auf eine neue Schulumgebung<br />

einzustellen. Nur die Tatsache, dass in den<br />

<strong>Waldorfschule</strong>n meistens ein sehr ähnlicher Schulrhythmus<br />

herrscht, machte ihm das Ein- und Umgewöhnen<br />

etwas leichter. Auch die Eingewöhnung in<br />

die neue Nachbarschaft fiel ihm schwer; gerade,<br />

wenn er es geschafft hatte, Freunde zu finden,<br />

musste er wieder gehen. Im Laufe der Zeit hatte er<br />

es immer mehr vermieden, Freundschaften einzugehen<br />

und war zum Außenseiter geworden. Dabei<br />

wünschte er sich sehnlichst einen echten Freund,<br />

der ihn in allen Nöten und schwierigen Situationen<br />

bedingungslos unterstützen würde.<br />

„Du bist spät dran an deinem ersten Tag“, begrüßte<br />

ihn sein Vater, der bereits in Uniform an der Haustüre<br />

stand.<br />

„Einen schönen ersten Tag in der neuen Schule,<br />

Leander!“ Er mochte es überhaupt nicht, wenn sein<br />

Vater ihn so ansprach.<br />

„Dir auch“, murmelte er zurück, schlurfte in die<br />

Küche und setzte sich zu Mutter, die müde auf ihrem<br />

Stuhl saß und nur kurz aufschaute, als er ins Zimmer<br />

kam.<br />

Sie hat wieder geweint, dachte er. Und sie zeigt es<br />

mir nicht, damit ich mir keine Sorgen mache. Eine<br />

heiße Wut stieg in ihm hoch, als er an seinen Vater<br />

dachte, der ihnen dieses Umherziehen ohne Bindung<br />

an lieb gewonnene Menschen zumutete. Ich<br />

hasse dich, schickte er seine Wut Papa hinterher<br />

und strich sanft über Mamas Rücken, als er sich<br />

setzte.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 <strong>11</strong>


„Freust du dich ein wenig auf die neue Schule<br />

hier oben?“ fragte seine Mutter.<br />

„Ja, ein wenig schon“, antwortete er ihr zuliebe.<br />

Er nahm seine Tasche, küsste seine Mutter auf<br />

den Kopf, denn sie war sitzen geblieben und atmete<br />

tief den vertrauten Geruch ein, der ihn in die<br />

neue Umgebung begleiten sollte.<br />

„Tschau Mama“, sagte er betont forsch, verließ<br />

mit jetzt festem Schritt die Küche und stand kurz<br />

darauf vor der Haustüre und schnallte seine Tasche<br />

auf das Fahrrad.<br />

„Das wirst du mir büßen, du mieser Nazi“, heulte<br />

der Junge mit dem verwaschenen roten Sweatshirt,<br />

als Leander die Klasse 9a der <strong>Waldorfschule</strong> betrat.<br />

„Was willst du denn, du Schwuchtel?“, fragte ein<br />

massiger und großer Junge, der sich durch seine<br />

schwarze Kleidung deutlich von den anderen Schülern<br />

unterschied.<br />

„Komm doch, wenn du etwas willst“, höhnte er<br />

und stieß mit seiner ausgestreckten Hand vor den<br />

Brustkorb des schmächtigen Schülers.<br />

Leanders Herz klopfte schneller und wieder stieg<br />

heiße Wut in ihm hoch. Die anderen Schüler schienen<br />

nicht wahrzunehmen, was hier passierte. 12 Jungen<br />

und 10 Mädchen standen betont gelangweilt herum,<br />

grinsten verlegen oder unterhielten sich scheinbar<br />

angeregt. Ein Mädchen mit bunter Kleidung, rot gefärbtem,<br />

kurzen Haar und etwa so groß wie Leander<br />

trat als einzige auf den massigen Jungen zu.<br />

12<br />

„Du kannst dich doch nur an Kleineren vergreifen“,<br />

sagte sie ihm laut und deutlich ins Gesicht. Der massige<br />

und kurz geschorene Junge baute sich zu voller<br />

Größe auf und herrschte das Mädchen wütend an:<br />

„Halt's Maul, Tussi“, zischte er ihr entgegen.<br />

Es war ihm entgangen, dass Leander schnell hinter<br />

ihn getreten war, sein rechtes Bein gegen die<br />

linke Kniekehle gedrückt und mit einem Ruck den<br />

Burschen an den Schultern gepackt und auf den<br />

Boden geworfen hatte. Überrascht lag der Junge auf<br />

dem Rücken und starrte in das entschlossene Gesicht<br />

Leanders. Auch der geärgerte Junge und das Mädchen<br />

traten hinzu und nun waren es drei Schüler, die<br />

auf den schwarz Gekleideten hinunter blickten.<br />

„Mach das nicht noch einmal“, stieß Leander hervor,<br />

während er sein Knie langsam vom Brustkorb<br />

des Jungen hob und ihm Bewegungsfreiheit zugestand.<br />

Auch die anderen Mitschüler kamen jetzt und<br />

standen abwartend um die Gruppe herum, sagten<br />

aber nichts. Der massige Junge nickt kurz, Leander<br />

gab ihn endgültig frei und er stand langsam auf.<br />

Sein Blick verhieß nichts Gutes, aber Leander blieb<br />

unerschrocken vor ihm stehen, genau wie der Junge<br />

in dem verwaschenen Sweatshirt und das Mädchen<br />

mit den roten Haaren. Sie standen eng beieinander<br />

und Leander konnte den frischen Geruch nach Zitrone<br />

und Apfel wahrnehmen, der von dem Mädchen<br />

ausging. Der schwarz gekleidete Junge drehte sich<br />

um und ging wortlos zur hinteren Bankreihe.<br />

„Ich heiße Maresa“, sagte das Mädchen, lächelte<br />

und streckte Leander ihre Hand entgegen.<br />

„Leander, ich bin der Neue.“<br />

„Das ist schön, dass du zu uns kommst“, das Mädchen<br />

lächelte Leander an und es war für Leander ein<br />

echt guter Beginn in seiner neuen Umgebung.<br />

Nicolaus Kessener ist Vater an der<br />

FWS <strong>Eckernförde</strong><br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Die 12. Klasse in Italien<br />

Kunst erleben – mit allen Sinnen<br />

Von Justin Pöhler<br />

Anregungen in Fülle<br />

Die Schreibgruppe lässt sich von Wasser, Fels, Wärme und Licht inspirieren.<br />

Unsere zweiwöchige Kunstfahrt nach Italien begann<br />

am Freitag, den 14. 9. 2007, mit einem Flug<br />

von Lübeck nach Pisa. Von dort fuhren wir in die<br />

wunderschöne Altstadt von Lucca. Innerhalb der<br />

noch gut erhaltenen Stadtmauer stehen die bunten,<br />

italienischen Häuser dicht gedrängt, kleine Gassen<br />

freilassend, die sich immer wieder zu gemütlichen<br />

Plätzen öffnen. Der Ort machte es uns durch seine<br />

Gemütlichkeit leicht, erst einmal in Italien anzukommen.<br />

Der dortige Dom San Martino verschaffte uns<br />

einen guten ersten Eindruck von der Beschaffenheit<br />

der italienischen Kirchen, gegen die unsere<br />

norddeutschen Kirchen recht karg, fast asketisch<br />

wirken. Am zweiten Tag besuchten wir die Piazza dei<br />

Miracoli in Pisa. Dieses während der Gotik entstan-<br />

dene Areal ist sehr schön komponiert und die vielgestaltigen<br />

Bauwerke beeindrucken. Doch dass der<br />

Glockenturm schief steht, wirkt fast wie eine Art<br />

Witz. Er hat durch seine Schieflage im Gegensatz zur<br />

Pompösität und Erhabenheit der übrigen Anlage<br />

eher etwas Liebenswertes.<br />

Einen Kontrast zur Ruhe und Erhabenheit des<br />

Ortes bildeten auch die vielen Stände und Händler,<br />

die in der Anlage zu finden waren. Bei ihnen bekam<br />

man vom robbenden und schießenden Plastiksoldaten<br />

mit Soundmodul bis zur schiefen Pisa-Tasse<br />

alles, was man nicht braucht. Aber dem und der<br />

nicht wenigen Menschen ungeachtet strahlte der<br />

Ort eine Ruhe aus und es wirkte nicht hektisch dort.<br />

Nach drei Tagen mit ständigem Ortswechsel<br />

kamen wir auf Elba erstmals zur Ruhe und wirklich<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 13


Der Stein und das Sein<br />

Die Tragenden und der Schwebende stellen keine Frage, die<br />

Zukunft bekümmert sie nicht. Erst der menschliche Denkblick<br />

steht vor ihnen: Aus der Unerträglichen Leichtigkeit des Seins<br />

(Milan Kundera) entsteht ihm die unerträgliche Leichtigkeit<br />

des Steins.<br />

an. Dort lebten wir eine Woche lang in einer Bucht<br />

auf einem Campingplatz direkt am warmen, blauen<br />

Mittelmeer in kleinen, gelben Bungalows unter Bäumen.<br />

Hier wurden wir nun auch selbst künstlerisch<br />

tätig, nachdem wir schon einige Eindrücke von früherer<br />

Kunst gesammelt hatten. Zur Wahl standen<br />

verschiedene Gebiete, von denen man sich einem<br />

zunächst zuordnen sollte. Angeboten wurde die Arbeit<br />

mit Holz, Stein in Form von Mosaiken und Sprache,<br />

die kreativ niedergeschrieben werden sollte.<br />

Uns war jedoch auch freigestellt, selbst ein künstlerisches<br />

Projekt in der Natur zu entwickeln.<br />

Trotz der Unterteilung in Gruppen fiel die Klasse<br />

nicht auseinander, denn auf der Piazza zwischen<br />

den Bungalows fand man sich immer wieder als<br />

Ganzes zusammen. Es war sogar sehr befriedigend,<br />

obgleich man Teil einer Gruppe war, seinen eigenen<br />

künstlerischen Prozess zu durchlaufen und diesen,<br />

auch losgelöst von anderen Interessen, gestalten zu<br />

können. Dies bewirkte auch, dass wir uns alle mit<br />

Freude und Schaffensdrang an die Arbeit machten,<br />

da diese etwas war, hinter dem man voll und ganz<br />

stehen konnte und die einem entsprach.<br />

Die Holz-Gruppe machte sich als erstes auf den<br />

Weg in einen anliegenden Wald, in dem sich jeder<br />

ein Stück Holz seiner Wahl aussuchen sollte, wel-<br />

14<br />

ches dann bearbeitet wurde. Es galt, die gegebenen<br />

Formen im Holz aufzugreifen und aus diesen das<br />

Kunstwerk zu entwickeln. Dabei half es, dass wir<br />

nur wenig Werkzeug auf die Reise mitnehmen konnten<br />

und so im Wesentlichen nur Klöpfel und Stemmeisen<br />

zur Verfügung standen. Während des Arbeitsprozesses<br />

musste nun auf das Material eingegangen<br />

werden und so entwickelten sich anfangs entstandene<br />

Ideen ständig weiter, wodurch gelernt wurde<br />

auch mal loszulassen und sich von der Arbeit tragen<br />

zu lassen.<br />

Die Arbeit an meinem Werkstück habe ich mit<br />

einer Vorstellung begonnen, welche ich in das Holz<br />

schnitzen wollte. Während dieser Arbeit gelangte ich<br />

jedoch an einen Punkt, an dem ich nicht nur versuchte<br />

mich vom Holz leiten zu lassen, sondern ab dem<br />

mir die Ideen während der Arbeit kamen. So hat sich<br />

mein Werkstück mit mir entwickelt. (Philip)<br />

Der Strand an unserem Campingplatz war ein sehr<br />

vielfältiger Steinstrand mit Kieseln in allen möglichen<br />

Formen und Farben (weiß, grün, rot, beige,<br />

braun und schwarz), der es ermöglichte, die Mosaike<br />

direkt am Wasser zu legen. Es entwickelten sich<br />

sehr schöne Formen und Motive. Beim Legen der<br />

Mosaike kam man zur Ruhe und es entstanden<br />

durch die Vertiefung in die Arbeit und das Material<br />

tiefe Erkenntnisse.<br />

In einem künstlerischen Prozess geht der Mensch<br />

zuerst in sich und überlegt dann, wie er das momentane<br />

Gefühl ausdrücken könnte. Um Ideen zu bekommen<br />

und die Möglichkeiten zu kennen, schaut er sich<br />

sein Umfeld an und fühlt, was in diesem schon lebt.<br />

Ein Abend auf Elba …<br />

… und erstmals kommen wir zur Ruhe und wirklich an.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Dieser Steinbach …<br />

… entspringt der Felswand, schmiegt sich abwärts mäandernd<br />

über Geröll, Erde und Fels.<br />

Wenn er beide Charaktere begriffen hat, kann er seinem<br />

Innern in seiner Umgebung Ausdruck verleihen.<br />

(Sabine)<br />

Teil des künstlerischen Prozesses ist die Entwicklung<br />

der individuellen Wahrnehmungsfähigkeit.<br />

Wenn ich jetzt am Strand entlanggehe, sehe ich<br />

überall Mosaike, weil ich mir diese Kunstart erschlossen<br />

habe. (Grete)<br />

Wie erstaunlich und beeindruckend ist es zu sehen,<br />

wie aus totem, leblosem Stein wieder etwas ganz<br />

Neues und Lebendiges entstehen kann oder wie aus<br />

ganz verschiedenen Einzelteilen ein schönes Ganzes<br />

entstehen kann. (Pia)<br />

Doch durch die Nähe zu Meer wurden die Mosaike<br />

oft schon am nächsten Tag vom Meer verschlungen.<br />

Die Gewissheit, dass die Flut unser erstes Mosaik<br />

mitnehmen würde, erfüllte mich mit Zufriedenheit,<br />

denn nur so entsteht ein Geben und Nehmen. (Sabine)<br />

Die Schreibgruppe ließ sich zu jeder »Arbeitseinheit«<br />

an einem anderen Ort in der Bucht nieder. Dort<br />

wurden dann zu verschiedensten Themen Texte aller<br />

Art verfasst. Es entstanden Naturbeschreibungen,<br />

Spirale im Quadrat<br />

Dieses zu Fragen anregende Mosaikkunstwerk verbindet eine<br />

ein- und eine auswickelnde Spirale mit vier Quadraten.<br />

Humorvolles und Philosophisches zu verschiedensten<br />

Themen und Aufgaben. Auch hier waren die<br />

neuen Erfahrungen mit geschriebener Sprache bereichernd.<br />

Ein künstlerischer Prozess ist für mich eine Handlung,<br />

die eine vorher dagewesene Stimmung, Vorstellung<br />

oder Empfindung aufgreift und verbildlicht.<br />

Es wird etwas erschaffen, was zuvor zwar anwesend,<br />

aber nicht sichtbar war. (Jan)<br />

Außer diesen Gruppen gab es noch viele freie Projekte,<br />

die meist mit Stein in der Natur entstanden.<br />

Es wuchsen auf beiden Seiten der Bucht Steintürme<br />

empor, ein Rundbogen und eine Bank entstanden,<br />

ein weißer Steinbach entsprang der Steilwand und<br />

wand sich ins Meer; mit Farbe wurde die Bucht auf<br />

Papier dargestellt, ein Spruch auf einen Felsen geschrieben;<br />

und eine kleine Nebenbucht wurde gestaltet,<br />

indem die im Stein vorhandenen Formen<br />

hervorgehoben weitergeführt und miteinander verbunden<br />

wurden.<br />

Hätte man genaue Vorgaben, wäre kein Prozess<br />

mehr nötig. Im Prozess entwickelt sich etwas. […] Ich<br />

weiß beim Beginn der Arbeit nicht, was ich nach<br />

ihrem Abschluss betrachten kann. (Kim)<br />

Während der Arbeit wurde das Bild, die Vorstellung<br />

klarer. Die Steine und die Bucht bekamen Struktur,<br />

vielleicht wie das Bild eines Malers. Und dadurch be-<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 15


16<br />

kommt auch das innere Wesen eines Menschen Klarheit<br />

und Struktur. […] Der künstlerische Prozess ist<br />

die Arbeit mit einem Material und seinem inneren<br />

Wesen. […] Nicht die vollendeten Dinge sind die<br />

Kunst, sondern der Prozess. (Sam)<br />

In dieser Weise erfüllt von der künstlerischen Arbeit,<br />

verabschiedeten wir uns nach einer Woche<br />

wieder von Elba und machten uns auf den Weg in<br />

das kunstbeladene Florenz. Diese Stadt war der totale<br />

Kontrast zu der Zeit auf Elba. Nachdem wir die<br />

ganzen vorherigen Tage auf der bergigen, felsigen<br />

und grünen Insel Elba zwischen Meer, Felsen, Bäumen<br />

und Steinen verbracht hatten, fanden wir uns<br />

jetzt inmitten hoher Häuser, enger, verkehrsverstopfter<br />

Straßen und der unglaublich vielen, verschiedenen<br />

Menschen wieder. Zwischen all dem Trubel<br />

hindurch machten wir uns auf den Weg zu unserer<br />

Jugendherberge, die, vom Gebäude her zwar<br />

recht kunstvoll, lange nicht so gemütlich war wie<br />

jene, die wir in Lucca bewohnten. Man spürte, nicht<br />

nur an den Matratzen, dass dieser Ort ständig von<br />

neuen und vielen Menschen durchlaufen wurde.<br />

Am Morgen nach der Ankunft fuhren wir dann<br />

auch sogleich in die Innenstadt zum Il Domo Santa<br />

Maria Del Fiore. Nachdem der Dom und das davor<br />

erbaute Baptisterium von außen bestaunt worden<br />

war, kamen wir dann dazu, auch das Innere des<br />

Doms zu betrachten. Das, was einen an der Fassade<br />

an Verzierungen und verzierten Verzierungen erschlug,<br />

erschlug einen im Innern nun durch Abwesenheit.<br />

Durch die Größe und Leere dieses Raumes<br />

war er völlig unbelebt, trotz der vielen Besucher,<br />

und die Imposanz traf einen mit solcher Wucht, dass<br />

man völlig haltlos gewesen wäre, hätte einen nicht<br />

das Mosaik des Bodens gehalten und getragen.<br />

Nach diesem Erlebnis besichtigten wir die Kirche<br />

Santa Maria Novella. Leider war es hier nur möglich<br />

einen Eindruck vom Inneren der Kirche zu bekommen,<br />

da die Fassade gerade restauriert wurde und<br />

durch ein Gerüst verdeckt war. In dieser Kirche fühlte<br />

man sich trotz ihrer Größe nicht so verloren wie<br />

in der Santa Maria Del Fiore. Es gab mehr Farben in<br />

dieser Kirche und an den Wänden verschiedene<br />

Fresken. Diese drängten sich einem jedoch nicht auf,<br />

sondern man musste aus einem eigenen Impuls zu<br />

ihnen hingehen, um sie zu betrachten. In dieser Kirche<br />

war mehr ein Gefühl der Freiheit zu erleben.<br />

Hier haben wir auch wieder gesungen, was mir<br />

sehr gut gefiel. Denn durch das Singen und Hören<br />

bekam man noch einmal eine ganz andere Möglichkeit<br />

den Raum zu erleben und zu begreifen, als<br />

es durch das bloße Betrachten möglich ist.<br />

Zu den verschiedenen Kirchen bekamen wir auch<br />

immer einige Aufgaben, die es zu bearbeiten galt.<br />

Durch diese wurde einem ein Weg aufgezeigt, wie<br />

man sich einem Kunstwerk nähern kann. Dies war<br />

oft hilfreich für ein tieferes Verständnis der Werke.<br />

Am Abend stiegen wir auf die Kuppel der Santa<br />

Maria Del Fiore und konnten dort einen wunderschönen<br />

Sonnenuntergang über den Dächern von<br />

Florenz und den Bergen der Toskana bewundern.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Dies bildete einen schönen Abschluss für einen sehr<br />

eindrucksreichen Tag.<br />

Den nächsten Vormittag hatten wir zur eigenen<br />

Gestaltung freibekommen, wir hatten die Möglichkeit,<br />

uns in selbst erwählte Kunstwerke zu vertiefen.<br />

Nach dem Mittag trafen wir uns, um in der<br />

Galleria dell´Accademia die Sklaven von Michelangelo<br />

sowie den berühmten David zu betrachten und<br />

zu zeichnen.<br />

Danach liefen wir zur Klosterkirche San Miniato al<br />

Monte. Dort konnten wir einer Messe der Mönche<br />

beiwohnen. Dann sangen wir dort noch. Es war<br />

fantastisch.<br />

Von dem Berg aus gab es wieder einen wundervollen<br />

Ausblick über das abendliche Florenz zu genießen.<br />

Während des darauffolgenden Vormittags besichtigten<br />

wir das Kloster San Marco. Dort lag der<br />

Schwerpunkt auf der Betrachtung der Fresken von<br />

dem Mönch und Maler Fra Angelico, zu denen wir<br />

auch wieder mit einigen Aufgaben betraut worden<br />

waren. Die Fresken waren durch ihre Schlichtheit<br />

und die Verwendung der Farben sehr eindrucksstark<br />

und man konnte durch sie das Gottesverständnis<br />

und Bewusstsein der Menschen zur Zeit ihrer Entstehung<br />

gut nachempfinden. Ihre Schlichtheit und<br />

auch die Ruhe in diesem Kloster bildeten einen starken<br />

Kontrast zu der umliegenden Stadt, und auch<br />

vor allem zur Fassade des Doms, die man am anschließenden<br />

freien Nachmittag betrachten konnte.<br />

Einfühlsam natürlich<br />

Steinkunst ergänzt die vorhandene Felsformation einfühlsam natürlich.<br />

Es bedarf des genauen Hinschauens, um die Grenzen und Harmonie des<br />

Natur- und Kunstwerks zu erfahren.<br />

Am nächsten Morgen war der Zeitpunkt zur<br />

Heimreise gekommen.<br />

Es war eine erfüllende und schöne Zeit in Italien,<br />

aus der sicherlich jeder etwas mitnehmen konnte.<br />

Justin Pöhler ist Schüler der<br />

12. Klasse der FWS <strong>Eckernförde</strong><br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 17


Sieben Fleckebyer Künstler<br />

Schöpferisches gegen den Alltag<br />

Von fognin<br />

Zum Zentrum einer Kunstregion wird <strong>Eckernförde</strong><br />

zunehmend. Zahlreiche Kreative siedeln in der<br />

Stadt oder im nahen Umfeld und prägen mit ihrem<br />

Wirken die Region. Ständig finden Ausstellungseröffnungen,<br />

Aktionen oder offene Ateliers statt.<br />

18<br />

Rita Frind<br />

Bilder, Objekte, Performance, Illustration und<br />

Grafik-Design. Dorfstraße 20, 24357 Fleckeby<br />

T. 04354 996050<br />

Schon seit einigen Jahren zeigen Künstler in dem<br />

nördlich vor den Toren <strong>Eckernförde</strong>s gelegenen Dorf<br />

Fleckeby ihre Werke während offener Ateliertage.<br />

Die Expedition in das nahe Fleckeby beginnt passend<br />

an einem strahlenden Spätsommertag. Verschiedene<br />

Wohnungen und Ateliers sind heute geöffnet.<br />

Rita Frind: Unser Besuch startet in dem Haus von<br />

Rita Frind. Frappant ist es immer wieder, wenn zu<br />

besonderen Gelegenheiten die privaten Räume von<br />

Künstlern geöffnet sind: Neben vielen sorgsam ausgestellten<br />

Werken fällt eine fast unbewohnt anmutende<br />

Umgebung auf, alles glänzt still und kein aufgeschlagenes<br />

Buch kündet davon, dass hier gestern<br />

noch Menschen gemütlich beisammen gesessen<br />

haben. Rita Frinds Anwesen ist den Einheimischen<br />

wohlbekannt: Oft nutzt sie den langen Zaun um ihr<br />

Anwesen zur Präsentation verschiedener Botschaften.<br />

An den Wänden ihrer Wohnung zeigt sie Alltägliches<br />

in ihrer eigenen Sprache gewandelt. Bemalte<br />

Kartonagen, auseinander gefaltete Verpackungen<br />

als Malgrund. Ihre Motive gewinnt sie häufig aus<br />

biblischen Geschichten. Lange hat sie sich mit religiösen<br />

Themen beschäftigt. Die Künstlerin Rita Frind<br />

stammt aus Köln, vertiefte sich in den jüdischen<br />

Alltag und die religiösen Gebräuche durch einen<br />

längeren Studienaufenthalt in Israel. Nach kunstgeschichtlichen<br />

Studien erwarb sie den Titel Diplomgrafikerin<br />

in Hamburg. Nach 20 Jahren in der Hansestadt<br />

verlagerte sie ihren Lebensschwerpunkt nach<br />

Fleckeby an der Schlei. Über die im Spannungsfeld<br />

der jüdischen und christlichen Religion entstandenen<br />

Bilder ist ein ansprechendes Buch entstanden. (Die<br />

Bibel. Patmos Verlag, 3-491-79444-7, 24,90 Euro).<br />

„Ich genieße es, als Künstlerin anders sein zu dürfen.<br />

Ich empfinde dies als Schule für mich.“<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Joachim Blümke: Wenige Schritte weiter öffnete<br />

sich die kreative Wohnwelt von Joachim Blümke<br />

den Besuchern. Bilder, Skulpturen und gestaltete<br />

Alltagsgegenstände sind nicht nur an den Wänden<br />

zu bewundern, fast unauffällig integrieren sie sich<br />

in den Wohnbereich, sind überall präsent, wollen<br />

aber entdeckt und aufgefunden werden.<br />

Der erste Eindruck ist sogleich: Hier wohnen Menschen<br />

die gestaltend wirken. Gerne nehmen wir das<br />

Angebot an, uns mit einer Tasse frischen Kaffee in<br />

dem bezaubernden Garten niederzulassen. Joachim<br />

Blümke ist Eurythmist an der <strong>Freie</strong>n <strong>Waldorfschule</strong><br />

<strong>Eckernförde</strong>. Die Bewegungskunst entdeckte er mit<br />

26 Jahren nach einem Studium der Germanistik und<br />

Geographie. Seine sehr eigene gestaltende Sprache<br />

in seinen Werken lässt das hinterfragende Beschäftigen<br />

mit dem Räumlichen deutlich sichtbar werden.<br />

Selbst die gemalten Bilder liebäugeln mit der dritten<br />

Dimension. Beim Gang durch sein Haus fallen<br />

immer wieder kleine Gegenstände auf, die Ecken<br />

Joachim Blümke<br />

Malerei, Skulpturen. Geb.1957 in Kiel, ab 1996 an der FWS <strong>Eckernförde</strong>,<br />

Unterricht bei Michael Eumann, Beschäftigung mit Malerei, Collage,<br />

Fundstücken und Fotografie. Seit sieben Jahren Ausstellungswochenenden<br />

im eigenen Heim. Südring 8, 24357 Fleckeby T. 04354 154<br />

und Winkel beleben und wie Zwerge oder märchenhafte<br />

Elementarwesen etwas bewachen oder besser<br />

noch hüten. Manchmal muss der Besucher vorsichtig<br />

den Atem anhalten, um dem Leisen und Geheimnisvollen,<br />

das in einem Winkel zu leben scheint,<br />

nicht den Raum zu nehmen. „Wenn Menschen<br />

meine Werke betrachten, verändern sich diese“, beobachtet<br />

Blümke und er meint damit, dass seine<br />

Werke für ihn dadurch anders werden.<br />

Michael Eumann und Joachim Blümke verbindet ganz sicher<br />

eine Freundschaft, die in der Ausstrahlung in ihren ansonsten<br />

sehr unterschiedlichen Werken<br />

sichtbar wird. Beide sind als<br />

Lehrer tätig. Eumanns Haus<br />

präsentiert sich als Erlebnispark<br />

aus einem surrealen<br />

Märchen. Ein romantischer,<br />

scheinbar wilder Garten, Katakomben<br />

ähnliche Atelierräume<br />

und Berge leckeren Kuchens<br />

nehmen die Gäste während der<br />

Betrachtung verschiedener<br />

Werke gefangen. Der Übergang<br />

Michael Eumann<br />

Autodidakt, freischaffend als Maler,<br />

Objektmacher, Autor und Lehrer. Atelierbesuche<br />

sind nach Absprache willkommen.<br />

Haselberg <strong>11</strong>, 24357 Fleckeby<br />

T. 04354 98376, eufleck@gmx.de<br />

zwischen den verwendeten<br />

Ausdrucksformen scheint bei<br />

Michael Eumann zu verschwimmen.<br />

Bilder sind aus<br />

Holz gestaltet, Plastiken wie<br />

Bilder bemalt und jeder noch<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 19


so alltägliche Gegenstand findet erst<br />

nach einer liebevollen Gestaltung seine<br />

wahre Aufgabe. Deutlich wird, dass der<br />

Kreative gerne hinter sein Werk zurücktritt.<br />

Statt die Quellen der erstaunlichen<br />

handwerklichen und künstlerischen<br />

Qualitäten zu nennen, erfahren wir nur,<br />

dass er sich als Autodidakt bezeichnet.<br />

Eine Haltung, die es dem Besucher nicht<br />

leicht macht, aber vehement auf die<br />

Werke hinweist.<br />

In dem dichten Besucherstrom wandere<br />

ich mit durch das Hinterhaus, die<br />

Werkstatt, den Malraum und das Bilderzimmer<br />

und lasse die Farben und Gegenstände<br />

auf mich wirken; es fällt uns nicht<br />

schwer, diese Sprache aufzunehmen.<br />

Anna Brunner-Mocka<br />

Malerei, Installation, Kunst im öffentlichen Raum/auf dem Wasser,<br />

Performance, Tanz. Mal- und Tanzworkshops. Geb. 1952 in München,<br />

Holzschnitzschule in Berchtesgarden; Studium der Kunstgeschichte,<br />

Kunst- und Werkerziehung in Mainz, <strong>Freie</strong> Malerei an der Kunstakademie<br />

Düsseldorf, seit 1981 freischaffend in Schleswig-Holstein tätig.<br />

Bramberg 10, 24357 Fleckeby T. 04354 4528<br />

Anna Brunner-Mocka: Versteckt auf einem Hügel<br />

liegt das Anwesen der Familie Brunner-Mocka.<br />

Wenn der Besucher die kleine Mühsal der Steigung<br />

überwunden hat, belohnt ihn ein prächtiger Blick<br />

auf die umliegende Landschaft und jede Menge<br />

Kunst. Anna Brunner-Mocka ist in vielen Kunstgebieten<br />

zu Hause. Gebürtig in München hat sie die<br />

Holzschnitzschule Berchtesgaden besucht, ein Stu-<br />

20<br />

dium der Kunstgeschichte und freien Malerei in<br />

München, Mainz und Düsseldorf absolviert und ist<br />

seit 1981 freischaffend tätig. Neben Malerei finden<br />

sich noch die Begriffe Installation, Kunst im öffentlichen<br />

Raum / auf dem Wasser, Performance, Tanz,<br />

Events, Workshops in ihrer Vita. Diese Vielseitigkeit<br />

und Offenheit lässt sich auch in ihren Bildern wieder<br />

finden. Zahlreiche Aktivitäten zeichnen diesen<br />

künstlerischen Lebenslauf aus, stellvertretend seien<br />

der Kunstraum Wasser und der Kulturpreis der Stadt<br />

Schleswig genannt. Die klaren, deutlichen und dominanten<br />

Farben in ihren Bildern erzeugen einen<br />

starken Ausdruck, der den Betrachter gefangen<br />

nimmt. Anna Brunna-Mockas Bilder brauchen Raum<br />

und Freiheit, um mit dem Betrachter ein intimes<br />

Verhältnis aufbauen zu können.<br />

Hans-Joachim Mocka ist in der Öffentlichkeit als<br />

sachkundiger Gestalter von Festschriften, Internetauftritten<br />

und Büchern bekannt geworden. Der Mitarbeiter<br />

des Landesmuseum Schleswig zeigt aber<br />

auch Zeichnungen und beteiligt sich an Landart Projekten<br />

in ganz Schleswig-Holstein.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Hans-Joachim Mocka<br />

Fachhochschule für Kunst und Gestaltung Düsseldorf und<br />

Folkwangschule Essen; seitdem als Künstler tätig, seit 1982<br />

Publikationsdesigner am Archäologischen Landesmuseum,<br />

Schleswig, seit 1995 Gestaltung und Herausgabe von<br />

Künstlerkatalogen (Edition Werkstatt).<br />

Paul Nennencke: Der Hof Nennecke, ein Bioland-<br />

Bauernhof mit Laden in Götheby, öffnete seine Pforten<br />

als Kunstort ein Wochenende später. Sehr unterschiedliche<br />

künstlerische Werke gab es auf dem<br />

Gemüse- und Pferdehof zu erleben. Während die<br />

Paul Nennecke<br />

geb. 1957 in Hamburg, landwirtschaftliche Lehre, landwirtschaftliches<br />

Studium bei Kassel mit dem Schwerpunkt ökologischer<br />

Landbau. Seit 1986 Bewirtschaftung eines Biolandhofes<br />

in Fleckeby/Götheby. Malt vorzugsweise auf Reisen Aquarelle.<br />

Biolandhof Götheby-Holm, Dorfstr. 28 T. 04354 1521<br />

kleinen Aquarelle von Landwirt Paul Nennencke zart<br />

und unauffällig, fast bescheiden wirken, treten die<br />

großflächigen Bilder seiner Frau Sybille Voigt-Nennecke<br />

schon wegen ihrer Fläche klar in den Vordergrund.<br />

Paul Nennecke malt hauptsächlich auf Reisen,<br />

berichtet er. Dabei entstehen die kleinen Skizzen,<br />

deren zarte Gestaltungsart die Kreativität des<br />

Betrachters anregt. Was so duftig und vorübergehend<br />

gestaltet scheint, wächst bei der Betrachtung.<br />

Im Gespräch mit Paul Nennecke wird klar, dass der<br />

Künstler sich vertiefend mit den verschiedensten<br />

Kunstthemen auseinandersetzt und forschend studiert.<br />

Geradezu genial empfinde ich es, dass sich<br />

diese Auseinandersetzung zwar deutlich in den Bildern<br />

nacherleben lässt, aber nicht zu platten Zitaten<br />

oder stilistischen Verschiebungen führt. Eine stille<br />

Kunst, die wie eine homöopathische Medizin wirkt<br />

und weiterarbeitet. Gern würde ich das Werk dieses<br />

Künstlers in einer Einzelausstellung zusammengestellt<br />

finden. Paul Nennecke fasst sein Wirken burschikos<br />

mit „Kartoffeln und Aquarelle“ zusammen.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 21


Sybille Voigt-Nennecke ist gleichermaßen als Pädagogin<br />

wie Bildhauerin ausgebildet. Vielleicht<br />

kommt der Mut, große Fläche mit Bildmotiven zu<br />

füllen, von der plastischen Arbeit, von der sie sich<br />

abgewandt hat. Ihre Motive zeigen deutlich den<br />

bäuerlichen Bezug, ohne überflüssig im Alltag zu<br />

verweilen. Selbst schwierige Motive, wie Sonnenblumen<br />

gestaltet sie gekonnt als Flächenerlebnis.<br />

Sybille Voigt-Nennecke<br />

Geb. 1959 in Mühlheim an der Ruhr, Erzieherseminar Schloß<br />

Hamborn, Bildhauerstudium in Bonn und in der Schweiz, Bildhauerkurse<br />

in der Toscana, Lehrerseminar, Reitausbildung,<br />

arbeitet als Reitpädagogin. Seit 2000 auf dem Biolandhof,<br />

verbindet dort Kunst mit Landwirtschaft. Fotograf: fognin<br />

22<br />

Was sie verbindet, wollte ich von den sieben Fleckebyer<br />

Künstlern wissen. Die Frage löste schnell<br />

eine unverkrampfte Diskussion aus. Als Künstlergruppe<br />

wollen sie sich nicht verstanden wissen,<br />

denn ihre Verschiedenartigkeit dürfte eines der wesentlichen<br />

Elemente sein. „Ich muss nicht etwas<br />

sagen, was ich nicht meine, wenn ich die Werke der<br />

anderen betrachte“. „Alle Werke sind mit einer inneren<br />

Mission verbunden“. „Ich werde von den anderen<br />

schon beeinflusst, nicht nur im einzelnen Strich“.<br />

„Kunst in das eigene Leben hineinnehmen, das erlebe<br />

ich bei uns allen, das beeinflusst mich.“ „Wir<br />

definieren uns alle nicht als Künstler – Kein Ismus<br />

verbindet uns. Das ist Leben, nicht Produktion und<br />

nicht Marketing“. „Es gibt nicht so etwas wie Konkurrenz<br />

zwischen uns, sondern wohlwollende Aufmerksamkeit“.<br />

„Wer versucht, schöpferische Prozesse<br />

am Leben zu erhalten, stellt sich gegen den Alltag.<br />

Es macht mir Mut, dass die anderen auch daran<br />

arbeiten“. „Obwohl wir keine Gemeinschaft sind,<br />

findet etwas Gemeinschaftliches statt.“<br />

Die Zitate des freundschaftlichen Gesprächs möchte<br />

ich zum Abschluss für sich allein und anonym wirken<br />

lassen. Es ist zu hoffen, dass im nächsten Spätsommer<br />

wieder die Ateliertage ein geneigtes Publikum<br />

finden. Alle Künstler<br />

gewähren auch gerne Einblick<br />

in ihr Schaffen außerhalb<br />

von Ausstellungen, allerdings<br />

sollte ein Termin<br />

vorher vereinbart werden.<br />

fognin ist freier Journalist in<br />

<strong>Eckernförde</strong><br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Waldorfkinderkrippe im Erlengrund<br />

Kinderstube entsteht in 49 Tagen<br />

Von Luna Wiedemann<br />

Fröhliche Aktivität<br />

Während die Kinder ihren Platz in den hellen und freundlichen Räumlichkeiten im Erlengrund suchen, werden sie liebevoll<br />

betreut.<br />

Anknüpfen<br />

Frau Wiedemann ist „mittendrin“ und ihre Schützlinge sind vollauf<br />

und eifrig beschäftigt.<br />

Kurz vor den Sommerferien gab der Kreis Rendsburg-<br />

<strong>Eckernförde</strong> seine Zustimmung für die Einrichtung<br />

einer Waldorfkinderkrippe in <strong>Eckernförde</strong>. Durch die<br />

Ferien hindurch errichteten acht zukünftige Kinderstubeneltern,<br />

drei Kindergärtnerinnen und die Firma<br />

Jürgensen im Non-Stop-Programm die Kinderstube.<br />

Trotz intensiven und unermüdlichen Arbeitseinsatzes<br />

der Eltern wurde es schwierig, den Eröffnungstermin<br />

am 3. September 2007 zu halten. In der letzten<br />

Nacht vor der Eröffnung, um 23.15 Uhr brachen sich<br />

alle gestauten Gefühle in Form eines Wasserrohrschadens<br />

Bahn. Nach dieser Taufe war es umso wunderbarer,<br />

dass sich mit der Hilfe vieler helfender<br />

Hände die Baustelle um 10.00 Uhr am Morgen des<br />

3. September als Kinderstube präsentieren konnte.<br />

Vielen Dank an alle Helfer und für die vielen<br />

Sachspenden zur Einrichtung der Kinderstube!<br />

Alltag in der Kinderstube: Am 3. September 2007<br />

begannen Frau Ruff, Frau Rützel und ich unsere<br />

pädagogische Arbeit mit einer achtsamen Eingewöhnungszeit.<br />

Die Eltern unterstützen uns in dieser<br />

Phase sehr, denn von einer gelungenen Eingewöhnung<br />

profitieren alle.<br />

Es ist schön zu sehen, wie behutsam die Kinder<br />

ihren Weg zu uns fanden. Bis 8.00 Uhr sind alle Kinder<br />

da; gemeinsam zünden wir unsere Lichtlein an.<br />

Unser Kinderstubenalltag besteht aus Freispielzeit,<br />

Körperpflege, Essenszubereitung, Aufräumen,<br />

der Spielzeit im <strong>Freie</strong>n, rhythmischen Handgestenspielen<br />

im Morgen- und Mittagskreis, köstlichen<br />

Mahlzeiten und dem Mittagsschlaf. Wir Kindergärtnerinnen<br />

wachsen mit den Erfahrungen der letzten<br />

acht Wochen. So hat es sich bewährt, die Gruppe in<br />

»klein« und »größer« aufzuteilen, wenn wir draußen<br />

spielen und Mittag essen. Damit ermöglichen wir<br />

Ruhezonen, Intensität und Genuss. Die »Kleinen«<br />

fahren wir im Kinderwagen zur Ruhe – die »Großen«<br />

ziehen am goldenen Band in den Schlafraum. Das<br />

Goldtröpfchen hüllt die Füßchen ein und gerne<br />

schlafen die müden Kinder in ihren Betten. Jetzt<br />

sind sich Himmel und Erde sehr nah und ein Moment<br />

der Andacht und Besinnlichkeit geschieht.<br />

Ab 14.30 Uhr holen die Eltern ihre Kinder nach<br />

einem kleinen Imbiss satt und ausgeschlafen ab.<br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007 23


Jetzt noch einmal fegen und abwaschen, dann ist<br />

Feierabend.<br />

Damit ein Alltag mit zehn kleinen Kindern gelingen<br />

kann, haben wir die Räumlichkeiten der Kinderstube<br />

sinnvoll strukturiert und klar und gemütlich<br />

eingerichtet. Wir sind ein beständiges Dreierteam in<br />

Das Letzte<br />

Aber Cola seid ihr beide, ne?<br />

Im Handy von Bernie <strong>Bernstein</strong><br />

Lesson 1: Es gibt keine Mehrzahl<br />

Kunde: Zwei Bratwurst, bitte!<br />

Listen and repeat:<br />

Zwei Bratwurst, bitte!<br />

Geübte Besteller gehen einen Schritt weiter und<br />

konkretisieren ihre Bestellung:<br />

Kunde: Einmal zwei halbe Hahn.<br />

Listen and repeat:<br />

Einmal zwei halbe Hahn.<br />

Lesson 2: Vergessen Sie: der, die, das. Es gibt<br />

nur den.<br />

Bedienung: Kommt auf den Pommes noch was<br />

drauf?<br />

Listen and repeat:<br />

Kommt auf den Pommes noch was drauf?<br />

Lesson 3: Es geht auch ohne Hauptwort.<br />

Bedienung: Hier kam noch zweimal ohne.<br />

Listen and repeat:<br />

Hier kam noch zweimal ohne.<br />

24<br />

den Kernzeiten von 10.00 bis 13.30 Uhr. Mit den 90<br />

Stunden, die unserer Krippengruppe wöchentlich<br />

zustehen, haben wir drei Stellen eingerichtet. Auf<br />

diese Weise können wir das Essen selbst zubereiten,<br />

in den Ferien öffnen und uns in Krankheits- und in<br />

Ferienzeiten gegenseitig unterstützen. Wir sind froh,<br />

dass wir unter diesen Bedingungen den Tag mit den<br />

kleinen Kindern verbringen dürfen.<br />

Besuche ermöglichen wir gerne: Wenn Sie Interesse<br />

an der Kinderstube haben, können Sie uns<br />

jeden zweiten Montag im Monat von 16.30 Uhr bis<br />

17.30 Uhr nach vorheriger Anmeldung besuchen.<br />

Tel. 04354 / 996574 (Luna Wiedemann)<br />

Spenden: Durch den Umbau und die Ausstattung<br />

der Kinderstube sind erhebliche Kosten entstanden.<br />

Wir bitten daher dringend um Spenden auf unser<br />

Spendenkonto, Kontonummer 137<strong>11</strong>7, BLZ 21050170<br />

bei der Förde Sparkasse <strong>Eckernförde</strong>.<br />

Luna Wiedemann ist die Leiterin der Waldorfkinderkrippe<br />

im Erlengrund<br />

Mit der Jugendsprache hat sich Bernie <strong>Bernstein</strong> im Heft <strong>Nr</strong>. 8 beschäftigt. Von einem aufmerksamen<br />

Leser und Zeitgenossen erhielt er daraufhin per Handy-Nachricht folgende Dialoge<br />

in bestem Imbissdeutsch.<br />

Lesson 4: Richtig antworten:<br />

Bedienung: War’n Sie die Thüringer?<br />

Achtung: Sagen Sie nicht was Sie wollen, sondern<br />

was Sie sind.<br />

Kunde: Nein, ich bin das Schaschlik und er ist die<br />

Pommes.<br />

Listen and repeat:<br />

War’n Sie die Thüringer?<br />

Kunde: Nein ich bin das Schaschlik und er ist die<br />

Pommes.<br />

Merke: Der Kunde und sein Produkt sind einund<br />

dasselbe:<br />

Bedienung: Aber Cola seid ihr beide, ne?<br />

Kunde: Genau<br />

Liebe Leserinnen und Leser !<br />

Wir werden auch künftig auf den Sprachgebrauch<br />

unserer Zeitgenossen lauschen und Sie in den weiteren<br />

Ausgaben unserer Zeitschrift unter der Rubrik<br />

»Das Letzte« über die wirklich wichtigen und interessanten<br />

Entwicklungen auf dem Laufenden halten.<br />

Ihr Bernie <strong>Bernstein</strong><br />

bernstein <strong>11</strong> | 2007


Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik<br />

<strong>Eckernförde</strong> e. V.<br />

Schleswiger Straße <strong>11</strong>2<br />

24340 <strong>Eckernförde</strong><br />

Telefon 0 43 51-76 75-0<br />

Telefax 0 43 51-76 75-15<br />

www.waldorf-eckernfoerde.de

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