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Drei Jahrhunderte Agrarwissenschaft in Russland: Von 1700 ... - IAMO

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<strong>Drei</strong> <strong>Jahrhunderte</strong> <strong>Agrarwissenschaft</strong> <strong>in</strong> <strong>Russland</strong>: <strong>Von</strong> <strong>1700</strong> bis zur Gegenwart<br />

Im Durchschnitt stieg der Ertrag von 1861/70 bis 1901/1910 bei den Bauern von<br />

29 auf 43 Pud/Desjat<strong>in</strong>e 29 , bei den Gutsbesitzern von 33 auf 54 Pud/Desjat<strong>in</strong>e<br />

(KONDRATJEW, 1991). <strong>Russland</strong> wurde zu e<strong>in</strong>em großen Getreideexporteur. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

sanken auf dem Weltmarkt, bed<strong>in</strong>gt durch das gleichzeitige Auftreten<br />

Amerikas als Getreideexporteur die Preise stark ab, z.B. für 1 Pud Weizen von<br />

90,1 Kopeken <strong>in</strong> den Jahren 1871/75 auf 55,6 Kopeken im Zeitraum 1891/95. Das<br />

dürfte der Hauptgrund dafür se<strong>in</strong>, dass im Allgeme<strong>in</strong>en die Kapital<strong>in</strong>tensität sowohl<br />

der Bauernwirtschaften als auch der Güter niedrig blieb. 30 Die langsamere<br />

Entwicklung der Erträge <strong>in</strong> den bäuerlichen Betrieben im Vergleich zu den Gütern<br />

führt NIKONOW auf negative Wirkungen der Obschtsch<strong>in</strong>a und das Fehlen von<br />

privatem Bodeneigentum zurück, da Investitionen zur Verbesserung des Bodens<br />

wegen der Umverteilung nicht unbed<strong>in</strong>gt dem Investor zugute kamen.<br />

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte <strong>Russland</strong> große Wissenschaftler<br />

hervor, wie den Mathematiker TSCHEBYSCHEW, den Chemiker MENDELEJEW, den<br />

Bodenkundler DOKUTSCHAJEW und die Physiologen SETSCHENOW und PAWLOW,<br />

von denen letzterer 1904 den Nobelpreis erhielt. Viele herausragende Persönlichkeiten<br />

dieser Epoche waren Wissenschaftler, Schriftsteller und auf Grund der Zuspitzung<br />

der gesellschaftlichen Verhältnisse auch Revolutionäre. E<strong>in</strong>er der bedeutendsten<br />

von ihnen, der sich auch mit der sogenannten Agrarfrage ause<strong>in</strong>andersetzte,<br />

war NIKOLAI GAWRILOWITSCH TSCHERNYSCHEWSKIJ (1828-1889). In Saratow<br />

als Sohn e<strong>in</strong>es Popen geboren, besuchte er dort das Geistliche Sem<strong>in</strong>ar und<br />

danach die Historisch-Philologische Fakultät <strong>in</strong> St. Petersburg, wobei er sich <strong>in</strong>tensiv<br />

mit den Lehren HEGELs, FOURIERs, RICARDOs, FEUERBACHs und HERZENs<br />

befasste. Ende der 50er Jahre trat er der revolutionären Gruppe "Boden und Freiheit"<br />

bei. 1862 wurde er verhaftet und befand sich über 20 Jahre <strong>in</strong> Haft bzw.<br />

Verbannung.<br />

TSCHERNYSCHEWSKIJ nahm e<strong>in</strong>en scharfen Standpunkt gegen die Leibeigenschaft<br />

e<strong>in</strong>, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Werken "Über das Bodeneigentum" (1857), "Über neue Bed<strong>in</strong>gungen<br />

der landwirtschaftlichen Lebensweise" (1858), "Kritik philosophischer<br />

Standpunkte gegen den Obschtsch<strong>in</strong>abesitz" (1859) u.a. zum Ausdruck<br />

kommt. Er trat für e<strong>in</strong>e revolutionäre Lösung der Bauernfrage e<strong>in</strong> und vertrat<br />

29 1 Pud = 16,3805 kg. Die Daten lauten folglich: 4,75 dt/Desjat<strong>in</strong>e – 7,04 dt/Desjat<strong>in</strong>e<br />

(4,36 dt/ha – 6,46 dt/ha) bei den Bauern, 5,40 dt/Dejat<strong>in</strong>e – 8,85 dt/Desjat<strong>in</strong>e (4,96 dt/ha –<br />

8,11 dt/ha) bei den Gutsbesitzern.<br />

30 NIKONOW stellt diesen Zusammenhang nicht her, sondern kritisiert, dass die Betriebe nicht<br />

stärker modernisiert worden s<strong>in</strong>d und die <strong>Drei</strong>felderwirtschaft beibehalten worden ist, obwohl<br />

entsprechende wissenschaftliche Vorleistungen der KFÖG und der Universitäten vorlagen,<br />

die über Druckerzeugnisse verbreitet worden s<strong>in</strong>d. Er bewertet deshalb ähnlich wie<br />

TROTZKI (1930) auch den Anstieg der Erträge als zu niedrig. Nach LOEWE (2003) stieg allerd<strong>in</strong>gs<br />

die landwirtschaftliche Produktion ab den 1870er Jahren <strong>in</strong> <strong>Russland</strong> schneller als <strong>in</strong><br />

Deutschland, der Pro-Kopf-Verbrauch an Getreide blieb jedoch im Zeitraum 1907-1911<br />

40 kg h<strong>in</strong>ter dem deutschen Verbrauch zurück (406,1 kg gegenüber 446,4 kg).<br />

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