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Die Arabische Welt im Rautenstrauch-Joest-Musem

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Inhalt<br />

Ein toller Typ ...<br />

... und ein beeindruckender Film<br />

von Britta Wandaoga über ihren<br />

Bruder Seite 2<br />

<strong>Arabische</strong> <strong>Welt</strong> ...<br />

... auch <strong>im</strong> Museum. Im <strong>Rautenstrauch</strong>-Jost-Museum<br />

kann man<br />

eine Zeitreise in die arabische<br />

<strong>Welt</strong> des 19. Jahrhunderts unternehmen.<br />

Seite 3<br />

Zwei Schwestern ...<br />

... führen <strong>im</strong> Girls‘ Focus junge<br />

Frauen ans Regiefach heran:<br />

Martina und Monika Pluha<br />

Seite 4<br />

Das Blog<br />

http://festivalblog.onlineredakteure.com/2012/<br />

IFFF Dortmund | Köln<br />

FESTIVALNEWS<br />

We need to talk about Kevin<br />

Ein Film, über den man reden muss, meint unsere Autorin Merle Sievers<br />

Freitag<br />

Mit „We need to talk about Kevin“ von Lynne Ramsay präsentiert sich das Londoner Frauenfilmfestival Birds Eye View in Köln.<br />

Wegen der drastischen Kürzungen der britischen Regierung kann das Festival in diesem Jahr in London nicht stattfinden.<br />

Der Film trägt die Kernbotschaft<br />

eigentlich schon <strong>im</strong><br />

Titel. Es geht um Kevin, einen<br />

schwierigen Jungen, über den<br />

man sich Gedanken machen<br />

muss. Und trotzdem wirkt sie<br />

am Ende wie die Untertreibung<br />

des Jahrhunderts.<br />

<strong>Die</strong> Hauptfigur Eva, unglaublich<br />

eindringlich gespielt von<br />

Tilda Swinton, ist Mutter eines<br />

Sohnes, der mit 15 Jahren ein<br />

Massaker verübt. In Zeitsprüngen<br />

lässt Eva die letzten Jahre<br />

Revue passieren und geht dabei<br />

der Frage nach, wie es so weit<br />

kommen konnte. Hat sie ihren<br />

Sohn nicht genug geliebt? Hätte<br />

sie ihn aufhalten können?<br />

Schnell wird deutlich, dass<br />

Kevin von Anfang an Züge eines<br />

Soziopathen aufweist. Bereits<br />

als Baby ist er apathisch und<br />

kommuniziert nicht. Als Kind<br />

tritt <strong>im</strong>mer mehr sein bösartiges<br />

und intrigantes Wesen in den<br />

Vordergrund. Mutter und Sohn<br />

beginnen regelrecht einen stillen<br />

Krieg zu führen, bei dem sie Vater<br />

Franklin <strong>im</strong>mer wieder subtil<br />

gegeneinander ausspielen. <strong>Die</strong><br />

Katastrophe scheint die ganze<br />

Zeit unausweichlich und trotzdem<br />

ist das eigentlich Schockierende<br />

nicht das Massaker selbst,<br />

als vielmehr der Weg dorthin.<br />

Wir lernen Eva kennen als<br />

Mutter, die eigentlich gar keine<br />

Mutter sein will. Wir erleben<br />

eine Ehe, die von Wolke sieben<br />

langsam in Richtung Scherbenhaufen<br />

steuert. Und wir sehen<br />

Kevin, der von Beginn an mit<br />

den Waffen eines Erwachsenen<br />

kämpft und der nur seiner<br />

Mutter gegenüber sein wahres<br />

Ich preisgibt.<br />

Vorlage für den Film war der<br />

gleichnamige Roman der<br />

amerikanischen Autorin Lionel<br />

Shriver. Das Buch besteht ausschließlich<br />

aus Briefen von Eva<br />

an ihren entfremdeten Ehemann,<br />

in denen sie das Familienleben<br />

aufarbeitet und „den Donners-<br />

tag“, wie sie das Massaker nennt,<br />

verarbeitet.<br />

<strong>Die</strong> Regisseurin Lynne Ramsay<br />

inszeniert den Roman, der<br />

eigentlich eher einem Drama<br />

oder einer Tragödie ähnelt,<br />

als psychologischen Thriller.<br />

Packende Darsteller, gewaltige<br />

Bilder und eine sehr dichte<br />

Handlung fesseln bis zuletzt.<br />

Und trotzdem gibt es zwischendurch<br />

auch Szenen zum<br />

Schmunzeln. Beklemmende<br />

Momente werden beispielsweise<br />

mit Countrymusik oder Songs<br />

von Buddy Holly unterlegt,<br />

sodass die eigentlich schl<strong>im</strong>me<br />

Situation einen skurril-grotesken<br />

Anstrich bekommt.<br />

„We need to talk about Kevin“<br />

überrascht an vielen Stellen,<br />

regt zum Nachdenken an und<br />

sorgt garantiert für reichlich<br />

Gesprächsstoff nach der Vorstellung.<br />

We need to talk about Kevin<br />

Fr, 20 Uhr, Filmforum


IFFF Dortmund | Köln 2012 2<br />

„Ein toller Typ“ und ein sehr persönlicher Film<br />

<strong>Die</strong> Kölner Filmemacherin Britta Wandaogo porträtiert ihren drogenabhängigen Bruder Dirk<br />

Fünf Jahre nach Dirks Tod begann Britta Wandaogo, aus unzähligen Stunden Videoaufnahmen<br />

den Film über ihren Bruder zusammenzustellen.<br />

Im Filmforum war es Mittwoch<br />

Abend sehr still nach dem Dokumentarfilm<br />

„Nichts für die<br />

Ewigkeit“ von Britta Wandaogo.<br />

Über Jahre hat sie ihren<br />

drogenabhängigen Bruder mit<br />

der Kamera begleitet.<br />

Entstanden ist ein sehr persönlicher<br />

Film, der die Heroinabhängigkeit<br />

ihres Bruders Dirk<br />

dokumentiert, der <strong>im</strong>mer wieder<br />

rückfällig wird, <strong>im</strong>mer wieder<br />

körperlich an seine Grenzen<br />

stößt. Doch auch das innige<br />

Verhältnis der Geschwister wird<br />

deutlich.<br />

„Das ist Britta. Britta ist coabhängig.”<br />

„Das ist Britta. Britta ist 29, coabhängig.“<br />

So stellt Dirk seine<br />

Schwester kichernd zu Beginn des<br />

Films vor. Zu diesem Zeitpunkt<br />

wohnt Dirk bei Britta, in der<br />

Hoffnung, mit ihrer Hilfe clean<br />

zu werden. <strong>Die</strong>se Hoffnung wird<br />

<strong>im</strong>mer wieder enttäuscht, Britta<br />

wird <strong>im</strong>mer wieder enttäuscht.<br />

Mit ihrer Kamera dokumentiert<br />

sie Dirks Höhen und Tiefen, sie<br />

ist seine engste Vertraute und<br />

hautnah mit dabei, wenn Dirk<br />

körperlich und psychisch am<br />

Ende ist. Sie teilt Momente mit<br />

ihm, die weit über eine normale<br />

Geschwisterbeziehung hinaus gehen.<br />

Oft sind die Aufnahmen, die<br />

Britta von Dirk macht, nicht<br />

schön. Dirk, wie er blutend und<br />

betrunken aus einer Dose Thunfisch<br />

isst. Dirk, wie er <strong>im</strong> Bett<br />

liegt und <strong>im</strong> kalten Entzug nicht<br />

in der Lage ist, die Beine ruhig zu<br />

halten. Dirk, wie er in Zeitlupe<br />

ein Stück Alufolie faltet, weil er<br />

so zugedröhnt ist. Trotzdem war<br />

es Britta Wandaogo wichtig, zu<br />

zeigen, dass es auch eine andere<br />

Seite gibt. Dass Dirk fast <strong>im</strong>mer<br />

auch ein normales Leben mit<br />

vielen schönen Momenten führt,<br />

nie seinen klaren Blick verliert.<br />

Sie spricht rückblickend von einer<br />

Parallelwelt. Eine <strong>Welt</strong>, die<br />

sie kennen lernen will, nachdem<br />

sie von der Drogensucht ihres<br />

Bruders erfährt. Mit ihrer Kamera<br />

ist sie sowohl bei den Abstürzen<br />

ihres Bruders dabei als auch<br />

bei Momenten der Freude, bei<br />

Erlebnissen mit der Familie. Sie<br />

nennt ihren Bruder einen „tollen<br />

Typ“.<br />

Kein gebrochener Junkie<br />

Der Zuschauer lernt keinen gebrochenen<br />

Junkie kennen, sondern<br />

einen Mann, der Humor<br />

hat, seinen klaren Blick nie verliert<br />

und unhe<strong>im</strong>lich charmant<br />

und liebenswert ist.<br />

Nach dem Film ist es fast ein beklemmendes<br />

Gefühl, Britta Wandaogo<br />

vor dem Publikum stehen<br />

zu sehen. Denn hier steht nicht<br />

nur die Regisseurin, der ein toller<br />

Britta Wandaogo (Re) mit Betty Schiel<br />

<strong>im</strong> Filmforum. Foto: C. Krauß<br />

Film gelungen ist, sondern neben<br />

Dirk auch die Hauptprotagonistin,<br />

die man soeben noch in sehr<br />

privater Umgebung und auch in<br />

schwierigen, sehr persönlichen<br />

Momenten gesehen hat. <strong>Die</strong> letzten<br />

Aufnahmen des Films zeigen<br />

das Grab von Dirk. Der „tolle<br />

Typ“ hat es trotz zahlreicher Versuche,<br />

trotz der bedingungslosen<br />

Unterstützung und Liebe seiner<br />

Schwester nicht geschafft und ist<br />

<strong>im</strong> Winter 2005 gestorben.<br />

Wie ist es möglich, so private<br />

Ausschnitte einem fremden Publikum<br />

zu präsentieren? Britta<br />

Wandogo strahlt etwas sehr Gefasstes<br />

und Ruhiges aus. Fünf<br />

Jahre nach seinem Tod stieß sie<br />

wieder auf die alten Videobänder.<br />

So entstand die Idee, einen<br />

Film über ihren Bruder zu machen.<br />

Sie erzählt, dass sie von<br />

Anfang wusste, was ihr Film<br />

aussagen soll. So begann sie, aus<br />

unzähligen Stunden von Material<br />

wie bei einem Memory-Spiel<br />

die richtigen Ausschnitte auszuwählen.<br />

In dieser Zeit habe sie noch einmal<br />

mit ihm gelebt, aber auch<br />

eine Distanz entwickeln können,<br />

die es ihr ermöglichte, den<br />

Film letztlich loszulassen und zu<br />

veröffentlichen. Das Publikum<br />

lernte gestern Abend nicht nur<br />

eine außergewöhnlich starke und<br />

sympathische Frau kennen, sondern<br />

vor allem eine professionelle<br />

und begabte Regisseurin.<br />

Louisa Wittke<br />

Who would‘ve guessed?<br />

Knobelspaß für Jung und Alt be<strong>im</strong> Film-Fotorätsel<br />

A uch heute gibt es für Rätsel- und Filmfreunde wieder zwei Freikarten<br />

zu gewinnen. Gesucht wird wie <strong>im</strong>mer ein Filmtitel aus<br />

dem aktuellen Festival-Programm. Wenn Sie ihn erraten haben, einfach<br />

eine E-Mail an presse@frauenfilmfestival.eu schicken oder - ganz<br />

analog - einen Zettel mit der Lösung an der Infotheke abgeben. Und<br />

damit Sie nicht länger <strong>im</strong> Dunkeln tappen, verraten wir Ihnen auch<br />

der Rätsel Lösungen der vergangenen beiden Ausgaben: gesucht waren<br />

Schildkrötenwut und Codependent Lesbian Space Alien Seeks Same.


IFFF Dortmund | Köln 2012 3<br />

Sehenswert: <strong>Die</strong> <strong>Arabische</strong> <strong>Welt</strong> <strong>im</strong> <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-<strong>Musem</strong><br />

Begegnungen mit fremden Kulturen und eigenen Vorurteilen <strong>im</strong> preisgekrönten Kölner Museum<br />

„Begegnung und Aneignung: Grenzüberschreitungen – Max von Oppenhe<strong>im</strong> Forscher, Sammler, Diplomat” ;Themenparcours „Der<br />

Mensch in seinen <strong>Welt</strong>en“ <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum – Kulturen der <strong>Welt</strong>; Foto: Martin Claßen und Arno Jansen, Köln<br />

Wer in diesen Tagen von Köln<br />

aus einen Ausflug in die arabische<br />

<strong>Welt</strong> unternehmen<br />

möchte, braucht nicht unbedingt<br />

einen Flieger zu besteigen.<br />

In diesem Fall führen auch die<br />

Kölner Verkehrsbetriebe zum<br />

Ziel: Das Internationale Frauenfilmfestival<br />

Dortmund|Köln zeigt<br />

in seinem Länderfokus Innenansichten<br />

arabischer Regisseurinnen<br />

von der arabischen <strong>Welt</strong> des 21.<br />

Jahrhunderts. Wer einen kurzen,<br />

aber lohneswerten Abstecher in<br />

die arabische <strong>Welt</strong> von gestern<br />

mitnehmen mag, sollte sich zum<br />

<strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong> Museum<br />

aufmachen.<br />

Meissener Porzellan und Stilelemente<br />

europäischer Rokoko-<br />

Wohnkultur sind nicht unbedingt<br />

das, was man erwartet, wenn man<br />

<strong>im</strong> <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

– Kulturen der <strong>Welt</strong> einen Empfangssalon<br />

aus dem arabischen<br />

Raum des beginnenden 19. Jahrhunderts<br />

betritt. Genau dieser<br />

überraschende Befund bringt<br />

aber auf den Punkt, was vor rund<br />

200 Jahren schwer in Mode war:<br />

Gegenseitige Begegnung und<br />

Aneignung europäischer und arabischer<br />

Kultur. Und zwar durchaus<br />

<strong>im</strong> positiven Sinn. Dass der<br />

europäische Kolonialismus auch<br />

das negative Spektrum von Aneignungsbestrebungen<br />

reichlich<br />

bediente, ist ja bekannt.<br />

Das sogenannte Kayseri-Z<strong>im</strong>mer,<br />

benannt nach seinem Herkunftsort<br />

in der Türkei, war einst der<br />

Empfangsraum eines wohlhabenden<br />

türkischen Kaufmanns.<br />

Der Zutritt war Frauen grundsätzlich<br />

verboten. „Frauen waren<br />

diejenigen, die hier bedient haben“,<br />

so Dr. Clara H<strong>im</strong>melheber,<br />

Referentin des Museums für<br />

die Abteilung Afrika, „sie hatten<br />

einen eigenen Raum, den sogenannten<br />

haremlik“. Nur wichtige<br />

Gäste wurden in den Empfangssaal<br />

der Männer, den selamlik,<br />

eingelassen. Und denen galt es,<br />

etwas zu bieten. Dazu gehörte<br />

vor allem Tabakrauchen und<br />

Kaffeetrinken. Letzteres aus chinesischen<br />

oder Meissener Porzellanwaren,<br />

denn die waren damals<br />

Statussymbole. In Meissen wurde<br />

sogar eigens Porzellan mit arabischen<br />

Schriftzeichen hergestellt<br />

für den arabischen Markt. Globalisierung<br />

<strong>im</strong> 19. Jahrhundert.<br />

Schenkungen eines Kölner<br />

Bankiersohns mit schillerndem<br />

Doppelleben<br />

Dass man heute <strong>im</strong> Kölner <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

auf<br />

Zeitreise in die arabische <strong>Welt</strong> des<br />

19. und 20. Jahrhunderts gehen<br />

kann, ist einem Sohn der Stadt<br />

zu verdanken: Max von Oppenhe<strong>im</strong>,<br />

1860 geborener Spross<br />

einer Kölner Bankiersfamilie.<br />

Der wollte sich nicht mit Finanzgeschäften<br />

befassen, sondern zur<br />

Erforschung ferner Länder aufbrechen.<br />

Marokko, Ägypten und Syrien<br />

sind nur einige Stationen seiner<br />

Reisen durch die arabische <strong>Welt</strong>.<br />

Oppenhe<strong>im</strong> sprach perfekt Arabisch<br />

und wurde <strong>im</strong> Alter von 36<br />

Jahren Berichterstatter am deutschen<br />

Generalsekretariat in Kairo.<br />

Daneben widmete er sich umfassend<br />

der Beduinenforschung<br />

und der Archäologie.<br />

Pendler zwischen den Kulturen<br />

Oppenhe<strong>im</strong> war es auch, der<br />

von 1911 bis 1913 die berühmt<br />

gewordene Palastanlage von Tell<br />

Halaf freilegte und Ende der<br />

1920er Jahre in Berlin ein Museum<br />

mit den dort gefundenen<br />

Kunstschätzen eröffnete; die <strong>im</strong><br />

Zweiten <strong>Welt</strong>krieg zerstörten Statuen<br />

von Tell Halaf wurden erst<br />

<strong>im</strong> vergangenen Jahr, mühevoll<br />

restauriert, in Berlin wieder der<br />

Öffentlichkeit gezeigt. Oppenhe<strong>im</strong><br />

war ein Pendler zwischen<br />

dem europäischen und arabischen<br />

Kulturraum und führte<br />

ein Doppelleben: Privat lebte er<br />

wie ein Araber, eigener Harem<br />

inklusive. Beruflich pflegte er<br />

hingegen Kontakte zur europäischen<br />

Gesellschaft, insbesondere<br />

nach Berlin.<br />

Im <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

sind Innenansichten von Oppenhe<strong>im</strong>s<br />

Kairoer Haus und von<br />

seiner Berliner Wohnung mit<br />

originalen Ausstattungsobjekten<br />

rekonstruiert. Sie geben eine Idee<br />

vom Einfluss arabischer Kultur<br />

auf die Berliner Gesellschaft des<br />

19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.<br />

Gewinner des europäischen Museumspreises<br />

2012<br />

Wer <strong>im</strong> <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

nach einer abgeschlossenen<br />

Sektion zum arabischen Raum<br />

oder anderen geografischen Räumen<br />

sucht, sucht vergeblich. Und<br />

das aus gutem Grund: Unter Themenwelten<br />

wie „Wohnen“, „Tod<br />

und Jenseits“ oder „Rituale“ können<br />

Besucher Gemeinsamkeiten<br />

zwischen unterschiedlichen Kulturen<br />

erkennen, Brücken zwischen<br />

gestern und heute bauen.<br />

Im Themenparcours „Vorurteile“<br />

werden Besucher angeregt, eigene<br />

Klischees und Vorurteile zu überprüfen.<br />

<strong>Die</strong> Art und Weise, wie <strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

den häufig<br />

verstellten Blick auf Kulturen<br />

und Regionen dieser <strong>Welt</strong> öffnet,<br />

wird in der kommenden Woche<br />

in besonderer Weise gewürdigt:<br />

Das Museum erhält die höchste<br />

kulturpolitische Auszeichnung<br />

für europäische Museen: den<br />

Museumspreis des Europarates.<br />

<strong>Die</strong>se Auszeichnung wird jährlich<br />

einem Museum zuteil, das<br />

einen bedeutenden Beitrag zum<br />

Bewusstsein des kulturellen Erbes<br />

Europas geleistet hat. Als Wanderpreis<br />

zieht dann übrigens für<br />

ein Jahr eine Frauenstatue ins<br />

<strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

ein: Joan Mirós „La femme aux<br />

beaux seins“.<br />

Birgit Pieplow<br />

<strong>Rautenstrauch</strong>-<strong>Joest</strong>-Museum<br />

Cäcilienstraße 29-33<br />

Öffnungszeiten:<br />

<strong>Die</strong>nstag bis Sonntag: 10:00–<br />

18:00<br />

Donnerstag: 10:00–20:00


IFFF Dortmund | Köln 2012 4<br />

Girls‘ Focus<br />

Heute beginnt der Workshop für Nachwuchs-Regisseurinnen<br />

Drehen Filme seit sie elf Jahre alt waren: die Schwestern Martina und Monika Plura.<br />

Ihr aktueller Film „A que no te atreves“ spielt auf Kuba (nicht <strong>im</strong> Bild).<br />

Wie viele bekannte Regisseurinnen kommen aus Deutschland? Da<br />

gibt es Doris Dörrie, Caroline Link… Und dann hört gemeinhin die<br />

Liste der erfolgreichen Filmemacherinnen auch schon auf.<br />

Martina und Monika Plura wollen<br />

das ändern. In einem dreitägigen<br />

Workshop bieten die<br />

beiden Regisseurinnen jungen<br />

Frauen die Möglichkeit, praktisches<br />

Handwerkszeug für den<br />

kreativen Part hinter der Kamera<br />

zu lernen. Mit elf Jahren haben<br />

Monika und Martina Plura ihren<br />

ersten Film gedreht. Damals<br />

nahmen die Zwillingsschwestern<br />

selbst an einem Film-Workshop<br />

teil. Anfangs interessierten<br />

sie sich eher für den Beruf der<br />

Schauspielerin. „Wir haben dann<br />

aber schnell gemerkt, dass es viel<br />

mehr Spaß macht, die Fäden<br />

hinter der Kamera zusammenzuhalten“,<br />

erzählt Martina. Von<br />

da an produzierten sie Filme am<br />

laufenden Band. Bis zum Ende<br />

ihrer Schulzeit entstanden mehr<br />

als 60 Filmprojekte. Mittlerweile<br />

studieren beide Schwestern an<br />

Filmhochschulen und arbeiten<br />

nebenbei an nationalen und internationalen<br />

Filmprojekten.<br />

„Wir wurden oft von anderen<br />

Regisseuren unterstützt und in<br />

unserer Arbeit bestärkt. Es ist<br />

wichtig auch mal ein professionelles<br />

Feedback zu bekommen<br />

und nicht <strong>im</strong>mer nur von Mama<br />

und Papa zu hören, dass deine<br />

Filme toll sind.“<br />

<strong>Die</strong>se Erfahrung wollen Moni-<br />

ka und Martina Plura an junge<br />

Filmemacherinnen weitergeben.<br />

In dem Workshop „Frauen führen<br />

Regie“ können Mädchen ab<br />

16 Jahren ihre eigenen Filme in<br />

kleiner Runde vorstellen und besprechen.<br />

Außerdem lernen sie,<br />

wie sich die Hauptaufgabe eines<br />

Regisseurs am besten umsetzen<br />

lässt: Das Inszenieren der Schauspieler.<br />

“Als Regisseur hat man<br />

kein Werkzeug, man arbeitet mit<br />

Menschen. Und das lässt sich sowohl<br />

theoretisch als auch praktisch<br />

lernen”, sagt Martina Plura.<br />

Obwohl es viele junge Frauen<br />

gibt, die sich für den Beruf der<br />

Regisseurin interessieren, ist die<br />

Branche nach wie vor von Männern<br />

dominiert. Weniger als 20<br />

Prozent aller Regisseure sind<br />

weiblich. „Wir wollen das Interesse<br />

der Mädchen für den Beruf<br />

fördern, um mehr Frauen in die<br />

Branche zu holen, die sich während<br />

des Festivals in Köln trifft”,<br />

sagt Eva-Maria Marx vom Festivalteam.<br />

Der Workshop dient<br />

den Teilnehmerinnen also zur<br />

Berufsorientierung, aber auch<br />

als Kontaktbörse. Und vielleicht<br />

ist er ja für die eine oder andere<br />

junge Filmemacherin genauso ein<br />

Sprungbrett, wie damals für Monika<br />

und Martina Plura.<br />

Merle Sievers<br />

Voll psycho?<br />

Suicide Room sorgte für Diskussionen <strong>im</strong> Schulfilmprogramm<br />

Der polnische Spielfilm „Suicide<br />

Room“ <strong>im</strong> Schulfilmprogramm<br />

zeigt das Abdriften<br />

eines 18-Jährigen in die virtuelle<br />

<strong>Welt</strong> eines Chatrooms für<br />

Selbstmörder. In eindringlichen<br />

Bildern wird gezeigt, wie Dominik<br />

<strong>im</strong>mer tiefer in den Sog der<br />

Cyberwelt gerät. <strong>Die</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler <strong>im</strong> Filmforum<br />

finden den Film „zu psycho<br />

und unrealistisch“. Doch genau<br />

da liegt das Problem, auf das<br />

der Film aufmerksam machen<br />

will.<br />

Das Internet ist Segen und Fluch<br />

zugleich. <strong>Die</strong>se Erfahrung macht<br />

Abiturient Dominik, ein typischer<br />

Jugendlicher auf der Suche<br />

nach dem eigenen Weg <strong>im</strong><br />

Leben. Als er wegen eines peinlichen<br />

Vorfalls von seinen Mitschülern<br />

<strong>im</strong> Internet gemobbt<br />

wird, gerät sein Leben aus den<br />

Fugen.<br />

Zuflucht findet er in einem<br />

Chatroom für Selbstmörder, in<br />

dessen unkontrollierbare <strong>Welt</strong> er<br />

<strong>im</strong>mer tiefer abgleitet: Über Tage<br />

und Wochen schließt er sich in<br />

seinem Z<strong>im</strong>mer ein und kommuniziert<br />

nur noch mit den Mitgliedern<br />

des Chatrooms. Seine Eltern<br />

versuchen vergeblich, die Situation<br />

mit hoch bezahlten Psychiatern<br />

zu lösen. Hautnah erlebt<br />

man, wie Dominik Psychosen<br />

entwickelt und sich schrittweise<br />

selbst zerstört.<br />

<strong>Die</strong> Schülerinnen und Schüler<br />

der 11. Klasse eines Deutzer<br />

Gymnasiums sind beeindruckt.<br />

Sie bezeichnen den Film als „psycho“,<br />

„krank“ und „krass“. <strong>Die</strong><br />

16-jährige Yasemin glaubt allerdings<br />

nicht, dass so etwas wirklich<br />

passieren kann: „Ich finde<br />

den Film überzogen. <strong>Die</strong> Psychotrips<br />

waren ein bisschen unrealistisch.“<br />

Aber was ist realistisch? Auf die<br />

Frage, wie viele von ihnen bei Facebook<br />

sind, heben fast alle Schüler<br />

die Hand. „Wir sind zwar alle<br />

<strong>im</strong> Internet, aber direktes Mobbing<br />

<strong>im</strong> Netz kennen wir eigentlich<br />

nicht“, sagt die 17-jährige<br />

Adriana.<br />

Denn Mobbing fängt oft in der<br />

Schule an und verlagert sich<br />

dann ins Internet – wie bei Dominik.<br />

Doch in dem Moment, in<br />

dem es für das Opfer gefährlich<br />

wird, kriegen die Mitschüler gar<br />

nichts mehr mit. Der Gemobbte<br />

kommt nicht mehr zur Schule<br />

und bricht soziale Kontakte ab.<br />

„Es ist wichtig, bei den Schülern<br />

ein Bewusstsein für die Folgen<br />

von Mobbing zu schaffen“, sagt<br />

die Deutschlehrerin Jacqueline<br />

Anthes. Das Internet ist Segen,<br />

aber eben auch Fluch – und damit<br />

müssen besonders Jugendliche<br />

lernen umzugehen. Filme<br />

wie „Suicide Room“ bieten dazu<br />

einen Zugang. Merle Sievers<br />

Krass, psycho, überzogen? Der Film über Cybermobbing sorgte für viele Diskussionen<br />

<strong>im</strong> Schulfilmprogramm. Aycha Riffi leitete das Filmgespräch <strong>im</strong> Filmforum.<br />

Foto: Charlotte Krauß

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