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Stabile Architektur für Europa - Sachverständigenrat zur ...

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Vom Krisenmanagement zu einer stabilen <strong>Architektur</strong> <strong>für</strong> die Europäische Währungsunion 105<br />

177. Ein solcher Durchgriff auf nationale Finanz- und Steuerverwaltungen ist notwendig,<br />

weil andernfalls die von einer europäischen finanzpolitischen Instanz ausgehenden haushaltspolitischen<br />

Vorgaben bei der Umsetzung unterlaufen werden können. Die Erfahrungen von<br />

Bundesstaaten, nicht zuletzt in Deutschland, liefern vielfältige Belege da<strong>für</strong>. Die Haushaltsautonomie<br />

der Länder besteht im Wesentlichen im Bereich der Ausgaben und der Verschuldung.<br />

Eine individuelle Steuerautonomie besteht <strong>für</strong> die Länder kaum. Zudem befinden sie sich in<br />

einem stark egalitären Finanzausgleichssystem im Haftungsverbund in der bundesstaatlichen<br />

Gemeinschaft. Im Falle ungünstiger wirtschaftlicher Entwicklungen reagierten die Länder in<br />

der Vergangenheit vornehmlich mit einer höheren Verschuldung, sodass diese im Zeitablauf<br />

angestiegen ist (Ziffer 377) und einzelne Länder in Haushaltskrisen gerieten, die Transferzahlungen<br />

auslösten.<br />

Die Steuerverwaltungskompetenz liegt hingegen auf der Ebene der Länder, die diese dazu<br />

nutzen, trotz der einheitlichen Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer einen Steuerwettbewerb<br />

durch laxeren Steuervollzug zu erreichen (Baretti et al., 2002). Bislang sind alle<br />

Versuche fehlgeschlagen, diese Möglichkeiten zu unterbinden. Weiterreichende Reformschritte,<br />

wie etwa die Einrichtung einer Bundessteuerverwaltung mit Durchgriffsrechten auf<br />

die Steuerverwaltungen der Länder, wurden von den Ländern in den Föderalismusreformen I<br />

und II abgelehnt.<br />

Ähnlich schwierig gestaltet sich der Versuch, das Ausgabengebaren der Länder unter Kontrolle<br />

zu halten. Selbst im Fall der Haushaltsnotlagen Bremens und des Saarlands konnte der<br />

Bund, der beiden Ländern zusätzliche Finanzmittel als Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen<br />

(SoBEZ) <strong>für</strong> Haushaltsnotlagen <strong>zur</strong> Verfügung stellte, nicht auf deren Ausgabentätigkeit<br />

einwirken. Schließlich klagten beide Länder erneut auf die Anerkennung einer<br />

extremen Haushaltsnotlage.<br />

Zwar verpflichtet das deutsche Verfassungsrecht die Länder <strong>zur</strong> Bundestreue. Gemäß Artikel<br />

37 Absatz 1 Grundgesetz besteht die Möglichkeit, gegen eine Bundespflichtverletzung<br />

mit Bundeszwang vorzugehen. Allerdings ist offen (Sierck und Pöhl, 2006), ob eine verschwenderische<br />

Haushaltspolitik bereits eine Bundespflichtverletzung in diesem Sinne darstellt,<br />

sodass die Entsendung eines Sparkommissars gerechtfertigt wäre. Nicht einmal der<br />

Bundesrepublik Deutschland gelingt es somit, eine unsolide Finanzpolitik in den Ländern zu<br />

unterbinden, die durch das Auseinanderfallen von Haftung und Kontrolle verursacht wird.<br />

178. Die Vereinigten Staaten, Kanada und die Schweiz sehen wegen dieser Schwierigkeiten<br />

<strong>für</strong> die Finanzbeziehungen in ihren Bundesstaaten konsequenterweise strikte Eigenverantwortlichkeit<br />

vor. Die Gliedstaaten haben dort weitgehende Haushaltsautonomie auf der Einnahme-<br />

und Ausgabenseite. Sie sind aber zugleich voll verantwortlich <strong>für</strong> ihr Haushaltsgebaren.<br />

Haftung und Kontrolle liegen beieinander. In den Vereinigten Staaten wurden in der Vergangenheit<br />

aus diesem Grund Insolvenzen von Bundesstaaten hingenommen. Die Schweizer<br />

Kantone waren bislang nicht in einer solch heiklen Finanzlage. Die Vereinigten Staaten und<br />

die Schweiz besitzen schon seit langem ein kommunales Insolvenzrecht. In beiden Ländern<br />

<strong>Sachverständigenrat</strong> - Jahresgutachten 2012/13

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