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Seminar|brief<br />

Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong><br />

Sommer 2012<br />

PRIESTERSEMINAR STUTTGART<br />

FREIE HOCHSCHULE DER<br />

CHRISTENGEMEINSCHAFT e.V.<br />

In eigener Trägerschaft, ohne staatliche Anerkennung


Über den<br />

„Seminarbrief“<br />

Die Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong> ist eine der drei<br />

Priesterbildungsstätten der Christengemeinschaft. Die Christengemeinschaft ist<br />

eine weltweite Bewegung für religiöse Erneuerung – in den inneren und äußeren<br />

Umgestaltungen unserer Zeit – gegründet für die Menschen, die ein modernes<br />

sakramentales Leben suchen. In ihrem Mittelpunkt steht der neue Gottesdienst,<br />

die Menschenweihehandlung. Um ihn versammeln sich Menschen in freien<br />

Gemeinden.<br />

Der Seminarbrief wird von den Studenten des <strong>Priesterseminar</strong>s für dessen Freunde<br />

und Förderer geschrieben. Er richtet sich aber ebenso an Interessierte, die auf<br />

diese Weise das Seminar kennen lernen wollen. Unser Ziel ist es, in ihm das<br />

Studium und das gemeinsame Leben als Teile der Priesterbildung anschaulich und<br />

miterlebbar zu machen. Er erscheint zwei Mal jährlich und kann vom Sekretariat<br />

der Freien Hochschule bezogen werden.<br />

Geleitet wird das <strong>Priesterseminar</strong> derzeit von Georg Dreißig, Joachim Knispel und<br />

Gisela Thriemer. Weitere Informationen erhalten Sie im Sekretariat oder auf unserer<br />

Webseite:<br />

Freie Hochschule der Christengemeinschaft <strong>Stuttgart</strong> e.V.<br />

Spittlerstrasse 15<br />

D-70190 <strong>Stuttgart</strong><br />

Tel. +49 (0)7 11 / 166 830<br />

E-Mail info@priesterseminar-stuttgart.de<br />

www.priesterseminar-stuttgart.de


Liebe Freunde des Seminars,<br />

das Jahr 2012 ist, wie bereits im letzten Seminarbrief<br />

beschrieben, ein Jahr der Schwelle. Grund<br />

genug, sich über Schwellensituationen im Allgemeinen<br />

einmal Gedanken zu machen. Wo überschreiten<br />

wir Grenzen, wie tun wir es, wer bringt uns von<br />

einem Ufer ans andere? Über-setzen ist das Thema<br />

dieses Seminarbriefs und der Bindestrich öffnet den<br />

Raum für jegliches „von einem Ort zum anderen<br />

Kommen“. Leben ist eigentlich nichts anderes als ein<br />

Wandern von einem Bereich in einen anderen, über<br />

Grenzen hinweg – wir „setzen“ unsere Gedanken in<br />

gesprochene Sprache „über“ oder in andere kulturelle<br />

Äußerungen, wir interpretieren das, was uns von<br />

einem anderen Menschen entgegenkommt, „setzen“<br />

es „über“ in unsere Welt und reagieren entsprechend.<br />

Außen wird Innen und wieder Außen,<br />

Fremdes wird Eigenes und wieder Fremdes, Geistiges<br />

wird materiell und wieder zu Geist – Ernährung<br />

(außen-innen), Lernen (fremd-eigen) und Schaffen<br />

(Geist-Materie) sind grundlegende Lebensvorgänge.<br />

Übersetzung ist damit etwas viel Grundlegenderes,<br />

als man gemeinhin annehmen könnte, und wird von<br />

uns allen ständig vollzogen. Vielleicht liegt es in der<br />

Natur dieser Ausbildungsstätte, dass wir mit keinem<br />

Artikel auf die Übersetzung von einer Sprache in die<br />

andere eingehen, obwohl ohne sie eine weltweite<br />

Verständigung schlichtweg nicht möglich wäre.<br />

Dafür gibt es Beiträge zu anderen Arten des<br />

Hinübergehens von einem Ort zum anderen.<br />

Grußwort der Redaktion<br />

Diese Ausgabe des Seminarbriefs kommt etwas früher<br />

als gewöhnlich – das ist der Jugendtagung<br />

„Kairos“ in Überlingen zu verdanken. Die im letzten<br />

Heft begonnene Ausschau in die Welt und zu unseren<br />

„Geschwistern“ hat leider in diese Ausgabe nicht<br />

mehr herein gepasst und soll im nächsten Heft fortgesetzt<br />

werden. Sie finden dafür viele Einblicke in<br />

unser Studium und eine ganze Reihe von Wegen ans<br />

Seminar. Ein Ausblick soll auch gegeben werden –<br />

wir arbeiten wieder an einem Kabarett!<br />

Die Veränderungen in der Studentenschaft sind<br />

nicht so deutlich wie im Herbst, dennoch gibt es<br />

kleinere Wechsel, die Sie den Fotos entnehmen können.<br />

Ein großes Ereignis war die Priesterweihe, die<br />

wir diesmal nur zur Hälfte in <strong>Stuttgart</strong> gefeiert<br />

haben. Drei Kandidaten wurden hier, die übrigen drei<br />

zwei Wochen später in Spring Valley in den USA<br />

geweiht. Das Foto zeigt alle sechs kurz vor ihrem<br />

großen Tag.<br />

Bleibt noch Ihnen, unseren verehrten Leserinnen und<br />

Lesern, zu danken für Ihre Unterstützung und Sie zu<br />

ermuntern, mit uns ins Gespräch zu kommen.<br />

Schreiben Sie uns – wir freuen uns über Post! Im Namen<br />

der Redaktion wünsche ich Ihnen sonnige Wochen<br />

und viele glückliche Über-Setzungen,<br />

Ihre<br />

In eigener Sache:<br />

Wir sind uns der schmählichen Tatsache bewusst, dass die männliche Form in der Sprache nur einen Teil der<br />

Bevölkerung bezeichnet. Dennoch haben wir einer besseren Lesbarkeit zugunsten darauf verzichtet, konsequent<br />

immer von AutorInnen oder Leserinnen und Lesern zu sprechen. Wir bitten Sie daher, grundsätzlich<br />

auch die weibliche Hälfte der Bevölkerung mitzulesen und mitzudenken, wenn Sie im Folgenden von<br />

Bewohnern, Helfern, Studenten und anderen Wesen lesen.<br />

3


4<br />

Inhalt<br />

Wege zum Seminar<br />

Über-setzen<br />

Lernen<br />

Leben & Begegnung<br />

Grußwort der Redaktion<br />

Studenten des 3. Trimesters | Sommer 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Mein Weg zum Seminar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Viele Fragen – wo sind die Antworten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

Studenten des 6. Trimesters | Sommer 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Grenzgänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

Ungeahnte Schicksalsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

Aller guten Dinge sind drei … . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

Moral und Naturgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

Novalis – Übersetzer zwischen den Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />

Gedanke – Wort – Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Hilfe, ich verstehe mich selbst nicht mehr!!! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

Fichte – Wirken durch das Ich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

Dag Hammarskjöld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Referate im Wintertrimester | 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Referate im Sommertrimester | 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

Hauptkurse Sommertrimester 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Rudolf Köhler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Neugeweihte Priester . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Der Beginn einer Reise mit Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Haikus über das erstorbene Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

Leben mit einem Weihekandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

Vom Werden ... und wie man Priester wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Brauergärten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

„Ist das etwa die Hefepaste aus dem Seminar?" . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

Kairos – weltweite Jugendfesttage in Überlingen . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

Priesterweihe in Nordamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

Grußwort der Seminarleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50


Studenten des 3. Trimesters | Sommer 2012<br />

Von oben nach unten<br />

Nikolaus Güttinger, 1986, Schweiz<br />

Viviane Malena Trunkle, 1964, Brasilien<br />

Helge Tietz, 1975, Deutschland<br />

Diana Hurst, 1977, Argentinien<br />

Astrid Bruhns, 1970, Deutschland<br />

Ben Horsington, 1978, Australien<br />

Rose Steinberg, 1985, Deutschland<br />

Julia Ballaty, 1991, Deutschland<br />

Andrea Kluge, 1964, Deutschland<br />

Cécile Lapointe, 1956, Frankreich<br />

Michael Rheinheimer, 1978, Deutschland<br />

Julian Rögge, 1984, Deutschland<br />

Anka Kruczek, 1977, Polen<br />

Wege zum Seminar<br />

5


Wege zum Seminar<br />

6<br />

Mein Weg zum Seminar<br />

| Geert Möbius, 6. Trimester<br />

Berlin, Alexanderplatz, 4. November 1989. Ich stehe<br />

am Rand des riesigen Platzes und staune über die<br />

Ruhe und gespannte Aufmerksamkeit der unübersehbaren<br />

Menschenmenge. Die DDR ist am Ende,<br />

doch es herrscht eine große Ratlosigkeit, wie es mit<br />

dem Staat nun weitergehen soll. Abends dann eine<br />

Versammlung von ca. 70 Jugendlichen. Eigentlich<br />

könnte nun frei gehandelt werden, aber ich bemerkte:<br />

Jetzt fehlten die Ideen, was kommen soll.<br />

Da stand ich nun, 22 Jahre alt, Funktionär einer winzigen<br />

trotzkistischen Kleinpartei mit umso größeren<br />

Idealen, wie das Zusammenleben in unserer Welt so<br />

verwandelt werden könnte, dass jeder Mensch seine<br />

individuellen Fähigkeiten frei entwickeln kann.<br />

Dadurch würde so viel Potenzial wirksam, dass alle<br />

auch ihre Bedürfnisse frei befriedigen könnten.<br />

Leistung und Konsum würden entkoppelt und statt<br />

Konkurrenz und Gier würde sich Brüderlichkeit ausbreiten.<br />

Kurz nach dem Abitur 1987 hatte ich mich<br />

in einem ernsten Gespräch mit der Parteileitung entschieden,<br />

diesen Idealen mein Leben zu widmen.<br />

Anlass für das Gespräch war meine Bewerbung, für<br />

ein Jahr in London im Exilbüro der südafrikanischen<br />

Gruppe unserer internationalen Vereinigung zu<br />

arbeiten. Anschließend kam ich wieder nach<br />

Deutschland und war dann als hauptamtlicher<br />

Betreuer unserer Gruppen in Norddeutschland tätig.<br />

In der Zeit nach dem Zusammenbruch der stalinistischen<br />

Staatsform begann ich zu zweifeln, dass der<br />

historische und dialektische Materialismus den Lauf<br />

der Weltgeschichte richtig erklärt. Hinzu kamen<br />

Zweifel an den Fähigkeiten der Menschen in der<br />

Partei, große Verantwortung tragen zu können. So<br />

zog ich mich schweren Herzens aus der politischen<br />

Arbeit zurück mit der Empfindung, einem tiefen<br />

inneren Impuls untreu werden zu müssen, um neu<br />

verstehen zu können, worin dieser Impuls eigentlich<br />

besteht.<br />

Jetzt stand meine Familie im Mittelpunkt, und ich<br />

absolvierte eine Ausbildung zum Schriftsetzer.<br />

Inzwischen waren meine beiden Kinder Paula (geb.<br />

1994) und Janusz (geb. 1996) in einem Waldorfkindergarten,<br />

und zwar trotz des marxistisch eingestellten<br />

Elternpaars! In der Verpackung des Baby-<br />

Tragetuchs hatte die Telefonnummer einer Frau<br />

gelegen, die den Käufern zeigen würde, wie man das<br />

Tuch umbindet. Und diese Frau ist Mitglied der<br />

Gemeinde Köln-Ost. Sie hatte statt viel zu erklären,<br />

mich einfach erleben lassen, wie gut sich ein solcher<br />

Kindergarten im Vergleich zu den üblichen anfühlt.<br />

Meine Frau ging schon vorher in die Spielgruppe der<br />

Gemeinde und nahm auch an den Kinderfesten teil.<br />

Ich selbst konnte die Stimmung des Kultus noch<br />

nicht ertragen und wollte beim Einsatz säuselnden<br />

Leierklangs am liebsten aus der Taufe eines befreundeten<br />

Kindergartenkindes hinauslaufen. Als meine<br />

Frau mich aufforderte, dies doch einfach mal mit<br />

dem Pfarrer (Christian Schädel) zu besprechen, verließ<br />

mich der Mut: Ich ahnte, dass ich meine Weltanschauung<br />

verlieren würde, und fühlte mich dem<br />

nicht gewachsen.<br />

Die innere und äußere Dramatik um meine Ideale<br />

sollte sich aber noch verstärken: Ich war inzwischen<br />

Anfang 30. Nach einer längeren Phase großer familiärer<br />

Spannungen trennte sich meine Frau von mir,<br />

wir suchten eigene Wohnungen, und sie war bald<br />

von ihrem neuen Freund schwanger. Meine Versuche,<br />

gemeinschaftsbildend zu handeln, waren<br />

gescheitert. Allein in einem leeren Zimmer unter<br />

einer nackten Glühbirne auf dem Boden sitzend<br />

fasste ich einen zweiteiligen Entschluss: Ich würde<br />

noch einmal ganz von vorne beginnen, und zwar bei<br />

mir selbst. Weltanschauung und Ideale erklärte ich<br />

für vorläufig aufgehoben mit dem Vorsatz, alles, was


nun an mich herankommen würde, ganz neu aufzufassen.<br />

Und als zweiten Teil: Ich würde in diesem<br />

Leben wieder froh werden.<br />

Auf der Suche nach neuen Begegnungen traf ich<br />

eine Internetprogrammierin - glaubte ich zumindest.<br />

Doch in Wahrheit wollte sie Heilerin nach der<br />

Barbara Brennan School of Healing werden. Da ich ja<br />

beschlossen hatte, alles unbefangen entgegenzunehmen,<br />

musste ich mich also inhaltlich damit auseinandersetzen:<br />

eine schwere Arbeit, marxistisch<br />

geschulte Denkgewohnheiten aufzulösen. Das führte<br />

mich zu Büchern des spirituellen Lehrers A. H.<br />

Almaas. In diesen fand ich meine seelische Lage so<br />

klar geschildert, dass ich mich entschloss, einen Kurs<br />

seiner Schule (Ridhwan School) zu besuchen.<br />

Während der einwöchigen Seminare lernte ich<br />

regelmäßiges Meditieren und hatte bald genügend<br />

Erlebnisse, die das alte materialistische Denken sehr<br />

effektiv widerlegten. Die innere Arbeit umfasste eine<br />

psychologische Selbstanalyse und griff neben eigenen<br />

geistigen Erlebnissen des Gründers auf traditionelle<br />

Lehren z.B. der Sufis oder auf das Enneagramm<br />

der neun heiligen Ideen zurück. Nach ca. einem Jahr<br />

wurde mir deutlich, dass dieser Weg mich in eine<br />

Selbstversenkung führen und von meinem Urimpuls<br />

weiter ablenken würde.<br />

In Gesprächen über Probleme um die Klassenlehrerin<br />

meines Sohnes lernte ich eine Mutter kennen, die<br />

mich zu einer Sonntagshandlung für die Kinder im<br />

Rohbau der neuen Kirche von Köln-Ost mitnahm und<br />

die mir erste Bücher von Rudolf Steiner auslieh. Die<br />

Raumweihe im Oktober 2005 war meine erste<br />

Menschenweihehandlung. Ich fühlte mich so stark<br />

berührt, dass ich von nun an sonntags in die Kirche<br />

ging und gleich schwungvoll den 14-tägigen Gemeindearbeitskreis<br />

mit meinen Fragen und Ausführungen<br />

aus dem gewohnten Trott brachte. Endlich<br />

war die Zeit reif für ein Gespräch mit Herrn Schädel,<br />

und kurz darauf lud er mich in das Proseminar Köln<br />

ein. Die methodischen und inhaltlichen Widersprüche<br />

der Schulungswege forderten bald eine<br />

Eindeutigkeit. Die Entscheidung ist mir sehr leicht<br />

gefallen: In unserem kultischen Leben habe ich eine<br />

Heimat gefunden, die eine Brücke von der Innenwelt<br />

zur Außenwelt, von der rein geistigen zur äußerlich<br />

wahrnehmbaren bildet. Eine Heimat, die eigenes<br />

inneres Wachstum so ermöglicht, dass es der<br />

Entwicklung der menschlichen Gemeinschaft dient.<br />

Tiefe Dankbarkeit breitet sich seitdem in mir aus. So<br />

konnte ich die innere Treue wiedergewinnen, die<br />

lange Jahre so schmerzlich gefährdet war. Nach<br />

einer Zeit von fast vier Jahren im Proseminar, in der<br />

auch meine beiden Kinder konfirmiert wurden, kam<br />

ich für ein gutes Jahr ins Praktikum in die Wuppertaler<br />

Gemeinde. Und seit Oktober 2011 arbeite ich<br />

nun im zweiten Studienjahr die gesammelten Erfahrungen<br />

ein weiteres Mal vollständig um.<br />

Wege zum Seminar<br />

7


Wege zum Seminar<br />

8<br />

Viele Fragen – wo sind die Antworten?<br />

| Ben Horsington, 3. Trimester<br />

Im Alter von 33 Jahren habe ich mich auf eine Reise<br />

begeben, eine Reise nach Hause. Die Saat für diese<br />

Reise wurde durch einen Impuls zur inneren Erneuerung<br />

vor sechs Jahren gesät. Ich habe festgestellt,<br />

dass Impulse aus der geistigen Welt einige Zeit brauchen,<br />

um sich in äußeren Ereignissen zu manifestieren,<br />

ihre irdische Form zu finden. Nach dem beruflichen<br />

Start als Chiropraktiker in Sydney, Australien,<br />

bemerkte ich, dass die meisten Menschen in meiner<br />

Praxis eine Art Heilmittel für die Seele suchten. Mich<br />

eingeschlossen. Das weckte die kritische Frage in mir,<br />

was zum Menschsein dazugehöre. Ich erkannte, dass<br />

wir ohne das richtige Verständnis unserer selbst oder<br />

ohne die Entwicklung unserer inneren Fähigkeiten<br />

sehr an unserem Getrenntsein von der Welt leiden<br />

können. Ich verließ den Arbeitsbereich der Chiropraktik<br />

und begab mich ins Unbekannte, um mich selbst<br />

zu verstehen und zu entwickeln.<br />

So studierte ich die Welt der Pflanzen, erlebte ihr<br />

Ein- und Ausatmen im Lauf der Jahreszeiten, pflanzte<br />

und jätete mit einem Team zur Aufforstung des<br />

australischen Buschs. Nach einiger Zeit des Jätens an<br />

mir selbst tauchten die Kunst-Formen der Eurythmie<br />

zufällig in einem Gespräch auf. Da war ich neugierig<br />

geworden. Ja, und wie! Ich arbeitete als Hilfskraft bei<br />

unserer örtlichen Waldorfschule und lernte die<br />

Christengemeinschaft kennen. Hier fand ich bald eine<br />

soziale Gemeinschaft, die aus dem Geist und dem<br />

Verständnis der Welt und unseres Platzes darin lebte.<br />

Für mich war es ein Akt des Erinnerns. Nun stellte<br />

sich die Frage, wie ich die Realität dieser Gemein-<br />

schaftsform für mich selbst bestätigen könnte.<br />

Würde sie gegenüber Fragen bestehen und neue<br />

Kraft hervorbringen können? Um diesem Problem<br />

nachzugehen, qualifizierte ich mich kurze Zeit später<br />

als Waldorflehrer (2008) und arbeitete von da an<br />

sowohl Vollzeit als auch aushilfsweise als Klassenlehrer,<br />

bis sich der Weg der Anthroposophie für mich<br />

persönlich und in meinem beruflichen Leben voll<br />

bestätigt hatte.<br />

Diese „Konfirmation“ kam für mich durch die<br />

Tatsache, dass die Anthroposophie Fragen in mir hervorbrachte<br />

und von mir eine aktive Rolle in der Suche<br />

nach den Antworten forderte.<br />

Als nächstes fragte ich mich, was die Religion für<br />

einen Platz in meinem Leben hat und welche Rolle sie<br />

für die Gemeinschaftsbildung spielt, ob sie gar ein<br />

Grundstein zum Bauen dieser erneuerten sozialen<br />

Formen ist. Nach einem Sommeraufenthalt in der<br />

mittelaustralischen Wüstenstadt Alice Springs und<br />

einer lehrreichen Begegnung mit der Kultur der<br />

Ureinwohner und dem Erleben der Kraft der Ewigkeit<br />

in Raum und Zeit entschied ich mich, an den erneuerten<br />

geistigen Impulsen der Christengemeinschaft<br />

mitzuwirken. Denn ich hörte eine “Gemeinschafts-<br />

Stimme“, die Fragen nach sich selbst stellte sowie<br />

nach der sozialen Form, in der sie in eine vielversprechende<br />

Zukunft treten könnte. Es waren Fragen, die<br />

teils einer Klärung galten, teils die Anpassungsfähigkeit<br />

der Form prüfen sollten, damit innere Wahrheiten<br />

in ihr in Erscheinung treten können. Dies alles<br />

fühle ich in der Christengemeinschaft, der Bewegung<br />

für religiöse Erneuerung. Sowohl das Individuum als<br />

auch die Gemeinschaft haben die Freiheit, diese<br />

Fragen zu stellen. Und in dieser Gemeinschaft sehe<br />

ich den Willen, in das Unbekannte einzutreten auf<br />

einem Weg mit offenem Ende, um Antworten zu finden.<br />

Was auch immer auf diesem Erkundungsweg am<br />

<strong>Priesterseminar</strong> in <strong>Stuttgart</strong> kommen mag, es wird<br />

mich mit großer Freude und Ehrfurcht erfüllen. Die<br />

Annäherung an das Unbekannte in Freiheit macht<br />

mein langsames Ankommen so bedeutsam für mich.


Studenten des 6. Trimesters | Sommer 2012<br />

Von links nach rechts<br />

Karin Eppelsheimer, 1961, Deutschland<br />

Geert Möbius, 1967, Deutschland<br />

Johanna Taraba, 1991, Deutschland<br />

Lander van den Bussche, 1974, Belgien<br />

Sebastian Schütze, 1966, Deutschland<br />

Rafal Nowak, 1976, Polen<br />

Soledad Davit, 1985, Italien<br />

Annette Semrau, 1967, Deutschland<br />

Wege zum Seminar<br />

9


Wege zum Seminar<br />

10<br />

Grenzgänger<br />

| Sebastian Schütze, 6. Trimester<br />

Es gibt viele Geheimnisse im Leben. Mein Geburtsort<br />

ist für mich ein solches Geheimnis. Warum bin ich in<br />

Detmold zur Welt gekommen? In der Nähe von<br />

Detmold stehen die Externsteine, die für die<br />

Germanen ein wichtiges Heiligtum waren. Sie waren<br />

so wichtig, dass die Germanen um die Zeitenwende<br />

alle verfügbaren Kräfte mobilisierten, um zu verhindern,<br />

dass die Römer dieses Heiligtum eroberten. Im<br />

Teutoburger Wald war die nördlichen Grenze des<br />

damaligen römischen Reiches.<br />

Mit zehn Jahren fand ich mich nicht an der Grenze<br />

des römischen Reiches, sondern an der innerdeutschen<br />

Zonengrenze wieder. Meine Eltern beschlossen,<br />

das Leben in der Stadt aufzugeben, und begannen<br />

eine biologisch-dynamische Landwirtschaft in<br />

Oberfranken. Unser Hof lag direkt an der grünen<br />

Grenze zwischen Bayern und Thüringen, nur wenige<br />

Meter vom doppelten Grenzzaun und vom Minenfeld<br />

entfernt. Unsere Kühe verliefen sich bisweilen ins<br />

Niemandsland, und unter den Augen russischer,<br />

amerikanischer und deutscher Soldaten holten wir<br />

sie von dort zurück.<br />

Mit siebzehn Jahren begann ich eine Tischlerlehre:<br />

Ich lernte, wie man Türen herstellt und einbaut.<br />

Meinen Zivildienst leistete ich in Frankreich bei dem<br />

französischen Zweig des internationalen Bauordens,<br />

den „Compagnons Bâtisseurs“, ab. Zu Beginn dieses<br />

Dienstes machte ich eine wichtige Erfahrung. Ich<br />

erlebte Einsamkeit, wie ich sie zuvor nicht gekannt<br />

hatte. In ganz Frankreich arbeiteten Regionalgruppen<br />

der „Compagnons Bâtisseurs“. Meine Gruppe<br />

bestand aus mir und Michel. Michel liebte das Leben<br />

auf dem Bau, und am Wochenende spielte er<br />

Fußball. Ich selbst sprach nur spärlich Französisch,<br />

ich kannte niemanden, und für Fußball interessierte<br />

ich mich gar nicht. Aus dieser Situation heraus lernte<br />

ich, dass es möglich ist, eine äußerlich schwierige<br />

Situation durch ein inneres spirituelles Leben zu stabilisieren.<br />

Ich wohnte inmitten der „Sidobre“, einem eher unbekannten<br />

Gebiet im Südwesten Frankreichs. In der<br />

Sidobre wird Granit abgebaut, und sie ist bekannt<br />

für ihre „Pierres Tremblants“, zu deutsch „Wackelsteine“.<br />

Das sind riesengroße vereinzelte Felsbrocken,<br />

die auf einer so kleinen Standfläche ruhen, dass man<br />

glaubt, sie mit dem kleinen Finger umstoßen zu können.<br />

Nach dem Zivildienst begann eine mühsame Phase<br />

der Orientierung, die mich schließlich veranlasste,<br />

Architektur zu studieren. Mein Studienplatz wurde<br />

mir in Berlin zugewiesen. Ich lebte wieder in einer<br />

Grenzsituation, die es zwar offiziell nicht mehr gab,<br />

denn die Mauer war während meines Aufenthalts in<br />

Frankreich gefallen, aber sie prägte noch Jahre das<br />

Stadtbild und lebte weiter in den Menschen. Im ehemaligen<br />

Osten der Stadt schloss ich mich einer<br />

Gruppe von Menschen an, die unter Zuhilfenahme<br />

öffentlicher Fördermittel beschloss, zwei Altbauten<br />

im Stadtteil Weißensee umzubauen und zu sanieren.<br />

Während ich studierte, baute ich mit an unserem


Haus und war verantwortlich für alle Türen. Wir<br />

arbeiteten und diskutierten viel, und nach fünf<br />

Jahren waren wir fertig. In dieser Hausgemeinschaft<br />

erlebten meine Frau und ich unsere ersten Ehejahre<br />

und meine beiden Töchter ihre frühe Kindheit.<br />

Im Winter 2001 war ich mit der Berliner Domkantorei<br />

auf einer Chorreise in Israel. Wir sangen in<br />

Haifa und besuchten das tote Meer, Galiläa, die<br />

Golanhöhen und Jerusalem. In Jerusalem waren wir<br />

mehr oder weniger die einzigen Touristen, weil kurz<br />

nach dem elften September kaum noch jemand fliegen<br />

wollte. Den tiefsten Eindruck machte auf mich<br />

die Golgathakapelle über der Schädelstätte in der<br />

Grabeskirche. Durch eine Öffnung unter dem Altar<br />

können die Besucher den Golgathafelsen berühren.<br />

Ich saß stundenlang dort und erlebte Andacht in<br />

einer mir bis dahin unbekannten Dichte. Ich selbst<br />

habe den Felsen nicht berührt.<br />

Mit 38 Jahren wurde ich arbeitslos, und das einzige<br />

ernstzunehmende Stellenangebot kam aus Genf in<br />

der französischen Schweiz. Die Hälfte meiner Kollegen<br />

dort waren „Frontaliers“, das heißt Grenzgänger.<br />

Sie lebten in Frankreich und fuhren jeden Morgen<br />

über die nahe Grenze in die Schweiz zur Arbeit. Ich<br />

war wieder an der Grenze. Jeden Morgen fuhr ich in<br />

einem kleinen Boot über den Genfer See, denn unsere<br />

Wohnung liegt am linken und das Büro am rechten<br />

Ufer. Am Anleger, wo alle zehn Minuten das<br />

Schiff anlegt, liegen seit Urzeiten zwei gewaltige<br />

Granitbrocken im Wasser. Sie heißen „Pierres de<br />

Niton“ und jeder Schweizer kennt sie, weil sie die<br />

offizielle Höhenreferenz für das ganze Land sind.<br />

In der Gemäldegalerie der Stadt Genf hängt ein Bild<br />

von Konrad Witz. Er hat den wunderbaren Fischzug<br />

an den Genfer See verlegt. Wer genau hinschaut,<br />

kann die beiden Felsen vor der Hand des rechten<br />

Ruderers erkennen. Das linke Ufer, an dem wir leben,<br />

ist auf dem Bild deutlich zu sehen. Inzwischen ist es<br />

dicht bebaut; das Stadtviertel heißt „Eaux-Vives“<br />

(lebendige Wasser). Wir wohnen in der „Rue des<br />

Eaux-Vives“ (Strasse der lebendigen Wasser).<br />

© siehe Impressum<br />

In Genf habe ich mich daran erinnert, dass ich vor<br />

über zwanzig Jahren bei der Konfirmation meiner<br />

Cousine die Menschenweihehandlung erlebt hatte.<br />

Ich suchte auch in Genf nach der Christengemeinschaft<br />

und bin so auf die Genfer Gemeinde gestoßen.<br />

Von hier habe ich den Weg ans <strong>Priesterseminar</strong><br />

begonnen oder vielleicht auch nur fortgesetzt. Auf<br />

diesem Weg bin ich noch immer. Welche Grenzen<br />

dabei noch zu überwinden sind und welche Türen<br />

sich mir noch öffnen werden, wird die Zukunft mir<br />

zeigen.<br />

Wege zum Seminar<br />

11


Wege zum Seminar<br />

12<br />

Ungeahnte Schicksalsführung<br />

| Soledad Davit, 6.Trimester<br />

Johanna Taraba:<br />

Buon giorno! Non ci conosciamo già di vista?<br />

Soledad Davit:<br />

Na Mensch, natürlich kennen wir uns vom Sehen!<br />

Nach eineinhalb Jahren Studium hier…<br />

JT: Mehr Italienisch kann ich leider im Moment<br />

nicht. Also Signora, dann mal los. Du bist 26<br />

Jahre jung und doch schon am <strong>Priesterseminar</strong>.<br />

Wenn ich an Italien denke, dann schnell auch an<br />

die Katholische Kirche und den Papst. Wie bist du<br />

aufgewachsen?<br />

SD: Ich bin in Villar Pellice in der Provinz von Turin<br />

in den Alpen geboren. Diese Gegend ist sehr protestantisch<br />

geprägt. In meinem Dorf war jedes Jahr die<br />

große Synode der Waldenser, da ist immer viel los.<br />

Ich war als Kind immer beim Sonntagsunterricht<br />

gewesen. Da haben wir viel gemalt und Geschichten<br />

gehört, und ich habe viele andere Kinder getroffen.<br />

JT: Du bist also sehr idyllisch aufgewachsen?<br />

SD: Ja, mitten in der Natur, auf einem Bauernhof mit<br />

vielen Tieren. Da brauchte mir keiner zu erzählen,<br />

wie ein Tier auf die Welt kommt und was eine<br />

Kartoffel ist … Nichts war abstrakt, sondern immer<br />

zum Anfassen und Anschauen - jeden Tag! Aber es<br />

war auch abseits der normalen Welt. Ich habe mich<br />

auch manchmal abgetrennt gefühlt. Aber ich hatte<br />

schon auch eine gute Freundin – wir waren immerhin<br />

die einzigen zwei Mädels in der Klasse.<br />

JT: Huch?<br />

SD: Ja, es gab nur sechs Kinder- vier Jungs und zwei<br />

Mädchen. Jaja, darum kamen immer mal Besucher<br />

zu uns auf den Bauernhof. Also nicht wegen uns<br />

Kindern, sondern weil es so schön ist in dem Ort.<br />

JT … in Italien …<br />

SD: Ja, alle Besucher sind ganz idealistisch, hach,<br />

was könnte man alles Tolles machen … und dann<br />

sind sie überrascht, dass man auch praktisch arbeiten<br />

muss. Oft kamen auch Deutsche zu den Synoden<br />

und haben dann Wanderungen zu unserem Hof hoch<br />

gemacht und Pizza gegessen und frischen Käse und<br />

leckeren Honig bei uns gekauft. Menschen brachten<br />

immer ihre Spezialitäten auch mit, die dann ein<br />

wenig geblieben sind in unserem normalen Leben.<br />

JT: Irgendwann bist du aber auch mal herausgekommen<br />

aus dem Tal.<br />

SD: Genau. Ich ging später in ein so genanntes<br />

Europäisches Gymnasium – ich hatte zwei Sprachen<br />

gewählt: Französisch und Englisch. Im Stundenplan<br />

war vorgesehen, dass man Reisen machte mit Briefwechsel<br />

und Klassenaustausch, wo man das Land<br />

und die Menschen kennen lernt.<br />

JT: Und die Liebe zu Fremdsprachen ist dir bis<br />

heute geblieben?<br />

SD: Ja, als Kind war mein Traum, einmal alle Sprachen<br />

der Welt zu können.


JT: Und du bist auf das Gymnasium gegangen,<br />

um dir deinen Kindertraum mit den Sprachen zu<br />

erfüllen?<br />

SD: Als ich noch ganz klein war, träumte meine<br />

Mutter, dass ich die Verbindung zur Welt bin für die<br />

Familie. Auf diese Weise könnte dann durch mich die<br />

Welt in unser kleines Dorf kommen. Deswegen bin<br />

ich dann dahin. Ich wollte mich auch immer überall<br />

selbst verständigen können und die Menschen verstehen.<br />

Später habe ich auch noch Spanisch gelernt,<br />

als ich ein bisschen Management studierte. Die<br />

Sprachen kamen einfach immer zu mir. Im Gymnasium<br />

hatten wir auch Latein gelernt. Da habe ich<br />

besonders das Übersetzen geliebt.<br />

JT: Über - setzen ist ja auch das Thema dieses Seminarbriefs.<br />

Da passt du ja gut rein. Aber wie hast<br />

du eigentlich zur Anthroposophie gefunden?<br />

SD: Ich hatte schon immer viel mit Kindern zu tun<br />

gehabt: so Kinderhüten, Ferienlager. Und immer<br />

fragte ich mich, was denn da nicht stimmt! Was mit<br />

den Kindern in den Ferienlagern gemacht wurde, war<br />

so abstrakt in meinen Augen und so fern von dem<br />

Eigentlichen. Das war nur ein Gefühl, aber ich habe<br />

gemerkt, dass es so erwachsen ist, was wir da mit<br />

den Kindern machen, aber die brauchen etwas ganz<br />

anderes. Und das wollte ich endlich kennen lernen.<br />

Das hat mich auch wirklich dann zu Fragen<br />

gebracht, und ich habe eine innere Sicherheit entwickelt,<br />

dass ich es entdecken kann, was ein Kind<br />

braucht, und da können die anderen sagen, was sie<br />

wollen - ich finde es doch. Und zwar in mir…wenn<br />

ich dem Kind wirklich begegne! Und auf einmal kam<br />

eine Freundin der Familie, die eine Frau kennen<br />

gelernt hatte, die Waldorflehrerein war.<br />

JT: Und da war sofort alles klar für dich?<br />

SD: Sie hat uns nur davon erzählt. Aber ich habe das<br />

sofort gegoogelt und gleich die ersten Vorträge von<br />

Rudolf Steiner gelesen über die zwölf Sinne. Und ich<br />

habe nichts verstanden. Trotzdem bin ich kurz darauf<br />

einfach nach Venedig gefahren und habe das<br />

Waldorflehrerseminar besucht.<br />

JT: Und dich noch am gleichen Tag entschieden,<br />

was?<br />

SD: Ja, du lachst. Es war ganz einfach das, was ich<br />

immer gesucht hatte.<br />

JT: Wenn du aber schon alles mit den Kindern<br />

konntest – was wolltest du noch lernen?<br />

SD: Eigentlich bin ich zum Lehrerseminar gegangen<br />

mit einer Frage: Wie kann ich entdecken, was das<br />

Kind wirklich braucht? Bis dahin hatte ich einfach<br />

meine Wahrnehmungen und habe dann nach ihnen<br />

gehandelt. Aber ich wollte wissen, WIE ich das<br />

mache. Ich wollte eigentlich mich selbst erkennen,<br />

also: Wie komme ich ganz bewusst zu diesem<br />

Unsichtbaren des Menschen, das mich dies wahrnehmen<br />

lässt, was sich im Körper ausdrückt…<br />

JT: Spannende Fragen. Hast du sie in der Ausbildung<br />

beantworten können?<br />

SD: Na, dann wäre ich heute nicht hier. Ich habe die<br />

Ausbildung fertig gemacht. Das war eine gute<br />

anthroposophische Grundlage. Aber meiner<br />

Grundfrage nach dem Unsichtbaren, Unantastbaren<br />

kam ich nicht näher. In einer Eurythmiestunde kam<br />

mir dann eine Eingebung. Da erlebte ich, dass da rein<br />

in der Qualität der Bewegung alles Wesentliche<br />

sichtbar werden kann, ganz bewusst. Und da merkte<br />

ich, wenn ich vielleicht nun noch Eurythmie studiere,<br />

kann ich meine Wahrnehmung so weit üben und<br />

verfeinern, dass ich zwar in der Pädagogik arbeite,<br />

aber noch ein weiteres Instrument habe und somit<br />

bewusster handeln kann.<br />

Wege zum Seminar<br />

13


Wege zum Seminar<br />

14<br />

… Ungeahnte Schicksalsführung<br />

JT: Und du wolltest mal wieder eine neue<br />

Sprache lernen und bist nach <strong>Stuttgart</strong> für dein<br />

Eurythmie-Studium gekommen.<br />

SD: Na, in Italien gibt es gar keine richtige Ausbildung.<br />

Ich bin nach ein paar Gesprächen einfach hier<br />

nach <strong>Stuttgart</strong> gefahren, und es hat mir im Eurythmeum<br />

gleich sehr gut gefallen, und da hab ich mit<br />

dem Studium dort begonnen.<br />

JT: Aber – nun sitzen wir ja zusammen im <strong>Priesterseminar</strong><br />

…<br />

SD: Ja, das Schicksal hat manchmal ungeahnte<br />

Pläne. Die Kinder haben mich zur Anthroposophie<br />

gebracht. Und das war wichtig für mich, da ich so<br />

den frühen Tod meines Vaters besser verarbeiten<br />

konnte. In der Eurythmie war es dann irgendwann<br />

Aller guten Dinge sind drei …<br />

| Ellen Buhles, ehemalige Seminaristin<br />

Ich bin von Beruf Sozialarbeiterin und war alleinerziehende,<br />

berufstätige Mutter (jetzt bereits dreifache<br />

Großmutter und zweifache Pflege-Großmutter).<br />

Ich lebe in Hildesheim.<br />

Mein erster Weg ans Seminar begann mit dem<br />

Besuch eines Orientierungskurses 2001, ich war 48<br />

Jahre alt, in fester Anstellung bei der Stadtverwaltung<br />

als Sozialarbeiterin und hatte über zehn Jahre<br />

einen sozialen Brennpunkt betreut und meine beiden<br />

Töchter in ihr eigenständiges Leben begleitet. Ich<br />

war ausgelaugt. Es musste sich etwas ändern. Die<br />

Idee, Priesterin zu werden, kam irgendwann in dieser<br />

Zeit „angeflogen“, hat mich berührt, ich war völlig<br />

ablehnend – unvorstellbar!!!<br />

Aber sie blieb als Frage, wurde bewegt, ich näherte<br />

rein physisch für mich nicht mehr möglich, weiter zu<br />

machen – aber ich war total dankbar, hier in<br />

Deutschland gelandet zu sein. Und dann kam die<br />

Frage, was ich hier in diesem fremden Land denn<br />

machen sollte. Was war denn meine Aufgabe? Mein<br />

Freund hat mir dann sehr geholfen – er hat gesagt:<br />

„Ja, mach doch mal eine Pause, lass die Sachen ein<br />

wenig ruhen und schau, was kommt.“<br />

Und dann habe ich ein Trimester ausgesetzt und<br />

selbst noch mehr Anthroposophie studiert, und dann<br />

war ich am <strong>Priesterseminar</strong> zur Orientierungswoche.<br />

Und erstaunlicherweise kam es sehr schnell so, dass<br />

auch dies nun mein Weg sein kann.<br />

JT: Na dann alles Gute dir! Und: mille grazie!<br />

SD: S’immàgini! Gern geschehen!<br />

mich an – und wollte es überprüfen. Also habe ich<br />

mich zum Orientierungskurs angemeldet. Dort<br />

wurde mir nach den Gesprächen mit der<br />

Seminarleitung angeboten, für ein Jahr das Studium<br />

aufzunehmen und zum Wintersemester 2002 ans<br />

Seminar zu kommen.<br />

Ich habe den Arbeitsplatz gekündigt, meine Wohnung<br />

untervermietet und die Erfahrung gemacht,<br />

dass viele Menschen mich in dem Vorhaben ideell<br />

und finanziell unterstützen. Es hieß also, alles Bisherige<br />

loszulassen und mit voller Fahrt nach <strong>Stuttgart</strong><br />

in ein anderes Leben zu segeln.<br />

Was für eine Umstellung! Zusammenleben mit vielen<br />

Menschen aus aller Welt, völlig andere Themen, mit<br />

denen ich mich auseinandersetzen durfte, viele


künstlerische Angebote – Musik, Eurythmie, Plastizieren<br />

– Griechisch (mein Lieblingsfach!) und interessante<br />

Hauptkurse. Eine für mich nicht zu bewältigende<br />

Fülle! Das Zusammenleben war überwiegend<br />

harmonisch, wir hatten viele humorvolle Beiträge<br />

und vor allem gute Musik! In dieser Zeit wurde mir<br />

immer klarer, dass ich gern geweiht werden und als<br />

Pfarrerin arbeiten möchte, möglichst in einem sozialen<br />

Brennpunkt. Die Menschen, mit denen ich bisher<br />

gearbeitet hatte, empfand ich als bedürftig und<br />

suchend – alles, was eine Gemeinde der Christengemeinschaft<br />

zu bieten hat, wäre dort sinnvoll und<br />

lebenswichtig. Leider war das nicht möglich.<br />

Ich bin noch ein drittes Semester geblieben, um<br />

mein Leben ohne Seminar vorzubereiten. Es war<br />

außerordentlich schwierig. Mit über 50 Jahren ist<br />

der Arbeitsmarkt ziemlich zu und als Sozialarbeiterin<br />

ist es erst recht schwierig, einen Arbeitsplatz zu finden.<br />

Die Wohnung war aufgelöst…<br />

Und wieder habe ich unglaublich viel Unterstützung<br />

bekommen. Ich durfte bei Freunden wohnen, ich<br />

habe am Kindergartenseminar den berufsbegleitenden<br />

Kurs besuchen können, in einem Waldorf-<br />

Kindergarten für die Kinder und Erzieherinnen<br />

gekocht und eine kleine Hortgruppe betreut. So<br />

konnte ich meinen Lebensunterhalt sichern und<br />

langsam ging’s aufwärts. Jetzt arbeite ich wieder als<br />

Sozialarbeiterin mit Eltern, Pflegeeltern und Kindern.<br />

Diese Aufgabe macht mir Freude.<br />

Der zweite Weg ans Seminar waren die „Ehemaligen-Tagungen“<br />

die seit 2002 immer Anfang Januar<br />

in <strong>Stuttgart</strong> sind. Ich war unmittelbar nach dem<br />

Weggang 2004 gleich das erste Mal dabei und habe<br />

bis 2010 mitgearbeitet. Das war eine wunderbare,<br />

gute Zeit mit interessanten Begegnungen und einer<br />

intensiven Arbeit an den gesetzten Themen, die die<br />

Vorbereiter mit der Seminarleitung vereinbarten,<br />

ergänzt durch die künstlerischen Angebote und den<br />

Austausch über die neuen Lebensschritte nach der<br />

Seminarzeit.<br />

Der dritte Weg ans Seminar war das Aufgreifen des<br />

Angebotes, eine „Gastwoche“ mitzumachen, den<br />

Hauptkurs zu besuchen und am Seminar zu wohnen.<br />

Das habe ich nun dieses Jahr ausprobiert. Ich habe<br />

am Hauptkurs „Embryologie“ bei Frau Goodwin teilgenommen.<br />

Diese Möglichkeit zu nutzen, habe ich<br />

sehr genossen. Ich wurde herzlich aufgenommen,<br />

fühlte mich von Anfang an wohl, hatte interessante<br />

Gespräche und war beeindruckt von der heiteren<br />

Stimmung – obwohl ein Weihesemester dort ist.<br />

Es ist alles wie gewohnt – aber leichter und heiterer.<br />

Ich kann nur empfehlen, es auszuprobieren – eine<br />

Woche Seminar, nur Hauptkurs und den Schlüssel<br />

für die Bibliothek, gute Verköstigung, Freiraum und<br />

viele nette Menschen... Das ist einfach optimal!<br />

Zum Schluss noch etwas aus der Studienzeit: Im<br />

Credo-Kurs bei Herrn Schroeder (Dezember 2002)<br />

lautete eine Aufgabe, einen Dreiminuten-Vortrag zu<br />

einem Satz des Credos zu halten. Mein Satz war:<br />

„Durch Ihn kann der heilende Geist wirken“<br />

Wenn wir in Weihe-Nächten<br />

Den Christus in uns finden<br />

Und mit ihm unser höheres Selbst,<br />

dann kann uns das Feuer der<br />

wesenschaffenden Liebe entzünden,<br />

und wir können schöpferisch-schaffende,<br />

wahrhafte Menschen werden<br />

und die Erde heilen.<br />

In diesem Sinne sind wir<br />

alle aufgerufen mitzuwirken!<br />

Wege vom Seminar<br />

15


16<br />

Über-setzen<br />

Moral und Naturgesetz<br />

| Adam Ricketts, derzeit im Praktikum in Basel<br />

Wer wird uns bringen ans andere Ufer?<br />

Fährmann, Fährmann, komm und hol über!<br />

Eine der grundlegendsten Fragen, die sich ein<br />

Mensch stellen kann, ist die, ob die eigenen moralischen<br />

und religiösen Ideale irgendeinen Einfluss auf<br />

die Welt um ihn haben. Wenn die Welt von<br />

Naturgesetzen bestimmt wird, wie kann dann das,<br />

was in meiner Seele als die Grundlage meines Handelns<br />

lebt, irgendeine Auswirkung auf die Welt haben?<br />

Wenn die moderne Naturwissenschaft recht<br />

hat, dann werden die Sonne, die Erde und der<br />

Kosmos langsam ausbrennen und alles wird zerstört<br />

werden, und ob nun Menschen in der einen oder<br />

anderen Weise gehandelt haben, wird nicht den<br />

geringsten Unterschied machen.<br />

Die Seele des modernen Menschen wird entzwei<br />

gerissen, wenn er die Konsequenzen der Naturgesetze<br />

in seinem Intellekt bewusst akzeptiert und<br />

zugleich versucht, seinen religiösen und spirituellen<br />

Gefühlen Raum zu geben. Wir sind schon so weit,<br />

dass das gesamte moderne Leben langsam auseinandergerissen<br />

wird, und wir finden keinen Weg, diese<br />

beiden Teile des inneren Lebens in eine glückliche<br />

Verbindung zu bringen.<br />

Zwei Welten scheinen nebeneinander zu existieren,<br />

einander widersprechend, Zweifel und Missverständnisse<br />

auslösend und in vielen Seelen auch große<br />

Not. Einerseits wird in der modernen Physiologie und<br />

Psychologie immer wieder betont, dass alles, was wir<br />

tun, wünschen oder hoffen konditioniert sei durch<br />

unsere Körpernatur, durch Vererbung, durch<br />

Faktoren, auf die wir keinerlei Einfluss haben, und<br />

dass wir in einer Illusion leben, wenn wir glauben,<br />

diese Faktoren formen und unseren Bedürfnissen<br />

anpassen zu können. Zur gleichen Zeit ist es für uns<br />

völlig normal und richtig, dass Menschen für<br />

Verbrechen bestraft werden, weil von ihnen erwartet<br />

wird, dass sie aus ihrem moralischen Kern, ihrem Ich<br />

heraus, ganz eigenverantwortlich handeln können.<br />

Wir haben also die Freiheit und Fähigkeit, unsere<br />

Handlungen selbst zu bestimmen. Was für den einen<br />

Bereich unseres Lebens gilt, tut es offenbar nicht für<br />

den anderen. Es scheint keinen größeren Widerspruch<br />

im modernen Leben zu geben, wenn man so<br />

auf den Menschen schaut. Eine Lösung dieses<br />

Widerspruchs zu finden, ist ein drängendes Problem<br />

und wird der entscheidende Faktor für die weitere<br />

menschliche Entwicklung sein.<br />

Diese Kernfrage nach dem Ineinandergreifen von<br />

moralischem und natürlichem Gesetz wird von<br />

Rudolf Steiner die „Kardinalfrage“ genannt. Die<br />

Antwort, die jeder Mensch für sich darauf findet und<br />

finden muss, entscheidet darüber, wie er sein Leben<br />

gestaltet. Erst dann kann er das Vertrauen haben,<br />

dass es von Bedeutung für die naturgesetzliche Welt<br />

ist, wie er seine Seele formt.<br />

Wenn der Mensch keine Brücke findet zwischen dem<br />

Bereich der Moralität und jenem der Naturgesetze,<br />

dann ist sein idealistisches Streben von geringem<br />

Wert für die Welt, und er könnte auch einfach aufgeben<br />

und die kurze Lebensfrist, die ihm gegeben ist,<br />

so gut wie möglich genießen. Oder er könnte es sich<br />

gemütlich machen in einer illusionären Welt des<br />

Glaubens, die es ihm erlauben würde, jene nagenden<br />

Ängste und Zweifel zu verscheuchen. Doch es wäre<br />

vermutlich eine Welt ohne jeglichen Bezug zur<br />

Realität.<br />

Können wir also jene Brücke finden, die uns erlaubt,<br />

eindeutig und dauerhaft zwischen der Welt der<br />

Naturgesetzlichkeit und jener der Moralität hin und<br />

her zu reisen? Gibt es einen Pfad, der beide Gebiete<br />

auf eine Weise verbindet, die sowohl den Naturgesetzlichkeiten<br />

als auch den Geistesgesetzlichkeiten<br />

entspricht, die das eigentliche Wesen der


Moralität bilden? Rudolf Steiner zeigt diese Brücke<br />

auf in dem „Wärmeelement“. Wärme können wir in<br />

vielen Facetten des Lebens antreffen. Die entscheidende<br />

Qualität der Wärme ist, dass sie sowohl als<br />

äußere wie als innere Qualität erlebt werden kann.<br />

Sie ist dasjenige Element, das dem Geistigen am<br />

nächsten liegt. Wenn wir Wärme empfinden, ist nur<br />

ein kleiner Schritt notwendig, um sie auch in ihrer<br />

geistigen Manifestation zu spüren. Wenn wir einer<br />

Kerzenflamme nahekommen, spüren wir Wärme.<br />

Aber auch wenn wir uns für eine Idee begeistern,<br />

haben wir eine bestimmte und deutliche Wärmeempfindung<br />

in unserer Seele. Wo immer Liebe in<br />

egal welcher Erscheinungsform anwesend ist, erfahren<br />

wir die reale, greifbare Präsenz von Wärme, die<br />

Gedanken, Gefühle und sogar unsere Taten formt.<br />

Durch die Wärmeprozesse im Menschen gelangen<br />

die Impulse aus dem geistigen Wesen des Menschen<br />

heraus und durchdringen seine Seele und seinen<br />

Körper. Das Wärmeelement pflanzt Samen in die luftigen,<br />

wässrigen und festen Aspekte unserer<br />

Organisation und verbindet damit nicht nur das<br />

Elementarische innerhalb des Menschen mit den<br />

Elementen in der Welt um ihn herum. Die Wärme,<br />

die in der Ich-Organisation lebt, verkoppelt auch<br />

seine höheren Wesensglieder mit den Elementen,<br />

denn der Astralleib lebt in der luftigen, der Ätherleib<br />

in der wässrigen und der physische Leib in der<br />

festen, erdigen Organisation des Menschen.<br />

Diese Samen werden jedoch nicht notwendigerweise<br />

zur Frucht im äußeren Leben werden. Aber sie haben<br />

kreatives Potential, wie die schlafende Natur des<br />

Saatmaterials, das darauf wartet, in eine geeignete<br />

Umgebung zu kommen, um blühen zu können.<br />

Wenn wir uns mit moralischen und religiösen Idealen<br />

verbinden und dies nicht auf intellektuelle,<br />

kalte und abstrakte Art tun, sondern ihnen erlauben,<br />

unseren Enthusiasmus und unsere Gefühle zu befeuern,<br />

dann bereiten wir damit die Schaffung einer<br />

neuen Natur vor, durchtränkt mit moralischem<br />

Inhalt. Ein geistiges Gesetz bestimmt, dass jede Idee,<br />

die uns nicht zum Ideal wird, Leben von uns nimmt.<br />

Jede Idee hingegen, die mit unseren Idealen zusammengebracht<br />

wird, wärmt uns, füllt uns mit Leben.<br />

Dieses Leben strahlt von uns aus wie die leuchtende<br />

Sonne und gibt der Welt um uns kraftspendendes<br />

Leben.<br />

Nur der Mensch ist in der Lage, sich dem Leben entweder<br />

abstrakt und kalt zu nähern oder warm und<br />

enthusiastisch, mit wahrem Interesse, Staunen und<br />

dem Wunsch teilzunehmen, auf größtmögliche<br />

Weise mit der Welt und ihren Wesenheiten mitzufühlen.<br />

Aus unserer inneren Sonne heraus säen wir ständig<br />

Samen in unser Wesen. Ob sie dort gute Erde finden<br />

oder nicht, hängt von unserer Bereitschaft ab, für sie<br />

in einer Weise zu sorgen, die es ihnen erlaubt, den<br />

© siehe Impressum<br />

17


18<br />

Über-setzen<br />

… Moral und Naturgesetz<br />

richtigen Moment für ihr Aufsprießen abzuwarten.<br />

Rudolf Steiner zeichnet ein außergewöhnliches Bild<br />

von der Kraft dieses Samenpotentials: Selbst wenn<br />

nur ein Dutzend Menschen in der Lage sind, ihren<br />

Enthusiasmus zu bewahren und ihre moralischen<br />

Ideale zu verwirklichen, wird die Erde immer noch in<br />

der Lage sein, wie die Sonne zu leuchten.<br />

Das Bild der Aussaat dieser Samen wurde wunderbar<br />

von Vincent van Gogh eingefangen, der in seinen<br />

letzten Jahren viele französische und belgische<br />

Landschaften malte. Eines seiner treffendsten Bilder<br />

ist das des „Sämanns“ vom Juni 1888, kurz vor seinem<br />

tragischen Tod. Wir sehen, wie der Sämann mit<br />

großem Schwung die Landschaft durchschreitet, die<br />

in das Licht der aufgehenden Sonne getaucht ist.<br />

Sein diagonaler Weg durch das Bild erinnert mich an<br />

die Stellung des Priesters, wenn er in der Menschenweihehandlung<br />

das Evangelium verkündet. Fröhlich<br />

verstreut der Sämann den Samen, wohin er auch fallen<br />

mag. Die innere Wärme des Sämanns und die<br />

äußere Wärme der aufgehenden Sonne treffen sich<br />

in den ausgestreuten Samen, die bereit sind, dort zu<br />

sprossen, wo die Menschen sie aufnehmen und pflegen<br />

können, so dass sie sowohl den Menschen als<br />

auch der Erde reichlich Frucht bringen können.<br />

Die Art der Darstellung und die Wahl der Farben<br />

wurden durch das Sämannsgleichnis im Evangelium<br />

(Lk 8,4) inspiriert. Da, wo Samen aus unseren moralischen<br />

Impulsen gepflanzt werden, bringen sie ein<br />

Element in die Welt, das zwar in der Welt wirkt, aber<br />

nicht von ihr stammt. Es ist ein Same, der erst dann<br />

wahrhaft zur Frucht reift, wenn er sich wieder im<br />

Leben zwischen Tod und neuer Geburt befindet und<br />

neue Quellen kreativer Energie in den Kosmos bringt.<br />

Diese Energie kann dann für die Schöpfung zukünftiger<br />

Welten verwandt werden.<br />

Aufgrund ihrer ureigenen Natur gehören uns unsere<br />

moralischen Ideale insofern nicht, als sie uns nicht<br />

erlauben, unser eigenes Wesen um unserer selbst<br />

willen zu manifestieren, sondern sie strahlen aus in<br />

die Welt und füllen sie mit Wärme. Sie durchdringen<br />

die Elemente der Natur selbst und geben ihnen<br />

Leben, auch wenn das Äußere aufgelöst ist.<br />

In der Menschenweihehandlung hören wir das in<br />

dem abschließenden Satz der Opferung, in dem es<br />

um die wesenschaffende Liebe geht. Es ist eine<br />

Ehrfurcht gebietende und sogar etwas erschreckende<br />

Aussicht, sich der Verantwortung bewusst zu<br />

werden, die uns übertragen wurde. Und trotzdem ist<br />

es erfreulich, befreiend und inspirierend zu wissen,<br />

dass unsere Entschlüsse, Ideale und Bemühungen,<br />

das Gute zu tun, einen lebenspendenden, dauerhaften<br />

Beitrag für die künftige Entwicklung von Mensch<br />

und Kosmos bilden.


Novalis – Übersetzer zwischen den Welten<br />

| Julian Rögge, 3. Trimester<br />

Friedrich von Hardenberg<br />

Fährmann zur geistigen Welt<br />

„Unverbrennlich steht das Kreuz – eine Siegesfahne<br />

unseres Geschlechts.“<br />

Am 2. Mai 1772 wurde Georg Friedrich Philipp von<br />

Hardenberg in Oberwiederstadt geboren. Das Geschlecht<br />

der von Hardenberg hatte sich einige Generationen<br />

vor seiner Geburt in zwei Linien aufgespalten.<br />

Die eine diente als Diplomaten und Minister in<br />

preußischen Diensten. Die zweite Linie, welcher sein<br />

Vater angehörte, kann dem Land- und Beamtenadel<br />

Sachsen zugerechnet werden. Durch seine adelige<br />

Geburt genoss Friedrich von Hardenberg vom Beginn<br />

seines Lebens an eine gute Ausbildung. In seiner frühen<br />

Kindheit wird er als ein ruhiges, verträumtes Kind<br />

beschrieben, und so blieb er im Unterricht schnell<br />

hinter seinen jüngeren Geschwistern zurück.<br />

Mit neun Jahren erkrankte er schwer an der Ruhr und<br />

musste einige Tage mit dem Tod kämpfen. Als die<br />

Ärzte ihn schon aufgegeben hatten, gelang es ihm<br />

die Krankheit zu überwinden. Das Kind war danach<br />

wie verwandelt. Es wurde fröhlicher, neugieriger und<br />

aufgeweckter. Seine jüngeren und älteren Geschwister<br />

hatte er schulisch bald überflügelt. Auch der<br />

Hauslehrer war seinem Lerneifer nach kurzer Zeit<br />

nicht mehr gewachsen, und so entschied sein pietistischer<br />

Vater, ihn zu den Herrenhutern nach Neudietendorf<br />

zu schicken.<br />

Hier entwickelte er sich schnell und begann, geistig<br />

unabhängig zu werden. Dies zeigte sich auch in seiner<br />

immer stärkeren Opposition gegen die Herrenhuter<br />

und in der Weigerung, sich bei ihnen konfirmieren<br />

zu lassen. Seine weitere Schulbildung erhielt<br />

er daraufhin an verschiedenen Orten: teilweise im<br />

weltoffenen Haushalt eines Vetters, teilweise durch<br />

gelehrte Hauslehrer und abschließend im berühmten<br />

Gymnasium von Eisleben. Hier erhielt er eine humanistische<br />

Bildung und beschäftigte sich mit den klassischen<br />

antiken Denkern und Dichtern.<br />

Über-setzen<br />

Von seinem Vater, welcher Zeit seines Lebens eine<br />

wichtige Rolle bei allen seinen Berufs- und<br />

Studienentscheidungen spielte, wurde Friedrich von<br />

Hardenberg zum Studium der Jurisprudenz nach Jena<br />

geschickt (1790). Der junge Student wurde jedoch<br />

mehr von den geschichtlich-philosophischen Vorlesungen<br />

Friedrich Schillers angezogen. Er gewann die<br />

Freundschaft Schillers und wurde zu seinem Verehrer<br />

und Verteidiger. Seine Schrift „Apologie Friedrich<br />

Schillers“ zeigt, das er sich endgültig von der Orthodoxie<br />

seines Elternhauses gelöst hatte.<br />

In Jena kam er auch erstmals mit den Schriften<br />

Kants in Berührung. Hier gewann Friedrich von Hardenberg<br />

auch die Freundschaft Friedrich Schlegels,<br />

welcher Zeit seines Lebens einer seiner wichtigsten<br />

Begleiter war. Durch ihn wurde insbesondere sein<br />

Interesse an der Philosophie geweckt. Doch auch<br />

darüber hinaus hatte Schlegel einen großen Einfluss<br />

auf die Erweckung des unabhängigen, freien Geistes<br />

Hardenbergs. Obwohl ihm seine Beschäftigung mit<br />

den Geistesgrößen seiner Zeit, mit Philosophie und<br />

Geschichte wichtiger war, schloss er sein juristisches<br />

Studium nach einem Wechsel an die Universität<br />

Leipzig im Jahr 1794 ab.<br />

In den folgenden Jahren entwickelte sich sein berufliches<br />

Leben in einer klassischen Beamtenlaufbahn.<br />

Zunächst in den verschiedensten Ämtern Sachsens,<br />

dann als Beamter der Salinendirektion. Die ihm<br />

neben seiner Amtstätigkeit verbleibende freie Zeit<br />

verwendete er auf philosophische Studien. Von den<br />

1794 beginnenden Fichte-Studien sind uns viele<br />

Mitschriften und Gedanken erhalten.<br />

Durch Fichte kam Friedrich von Hardenberg auch in<br />

einen vertieften Kontakt zu den Ideen Kants. Fichte<br />

stand mit seiner Philosophie in engem Austausch<br />

mit Goethe, Schelling und Hegel. Zentral war für<br />

Fichte die eigene Denkaktivität, welche sich mit der<br />

Moralität zum Handeln verbinden sollte. Dies zeigt<br />

sich in dem Zitat: „Nicht Wissen, sondern das Tun ist<br />

19


20<br />

Über-setzen<br />

… Novalis – Übersetzer zwischen den Welten<br />

die menschliche Bestimmung.“ Dies galt für ihn<br />

äußerlich, aber auch innerlich. Der Mensch müsse,<br />

so Fichte, sein Ich ergreifen, er müsse 'ichen'. Das Ich<br />

wird nur durch die Tätigkeit greifbar. Ein weiterer<br />

zentraler Punkt Fichtes war der Zugang zur geistigen<br />

Welt. Er sah den Menschen auch schon im irdischen<br />

Leben als Teil der geistigen Welt: „Ich bin und ich bin<br />

mit all meinen Zielen nur in der geistigen Welt. *<br />

Wolle sein, was du sein sollst, was du sein kannst<br />

und eben darum sein willst.“ Der Tod ist damit nur<br />

für den irdischen Leib und für die auf der Erde<br />

zurückbleibenden von Bedeutung. Das Ich des<br />

Menschen wird „(…) in einem höheren Leben wiedergeboren.“<br />

Das Leben in der geistigen Welt gehört für<br />

Fichte zum Menschsein, in ihm liegt und aus ihm<br />

empfängt der Mensch seine Bestimmung. Mit Hilfe<br />

des Denkens kann er in sich die Anlage zum Geistesauge<br />

erwecken und damit das Geistige sehen.<br />

Diese Ideen Fichtes wurden auch für das Denken<br />

Hardenbergs von großer Bedeutung. Zentrale Gedanken,<br />

die er von Fichte übernahm, waren die<br />

Konsequenz im Denken und Handeln, das Ziel der<br />

ästhetischen Schönheit und das Streben nach<br />

Wissenschaft. Von Fichte übernahm er auch das dialektische<br />

Denken, das Denken der Gegensätze und<br />

der Einheit: „Gott. Notwendig. Natur. Wirklich. Ich.<br />

Möglich.“ Er sucht nach der Universalität des Ichs<br />

und beurteilt seine eigenen Auseinandersetzung mit<br />

Fichte: „Spinoza stieg bis zur Natur – Fichte bis zum<br />

Ich, ich bis zur These Gott.“ Hier zeigt sich Hardenbergs<br />

Bestreben über Fichte hinaus zu gehen und<br />

sein Denken mit der Idee Gottes zu verbinden.<br />

Diese Fichte-Studien gehen einher mit der wichtigsten<br />

Schicksalsbegegnung Friedrich von Hardenbergs.<br />

Am 17. November 1794 lernte er die noch<br />

nicht dreizehnjährige Sophie von Kühn kennen. Die<br />

erste Viertelstunde ihrer Begegnung bestimmte sie<br />

beide für den Rest ihres Lebens. Sie verlieben sich<br />

ineinander und verloben sich wenig später. Für den<br />

Dichter Novalis wird Sophie die Inspiration seines<br />

weiteren Schaffens, sie erweckt den Dichter ihn ihm.<br />

Nachdem er schon seit seiner Jugend immer wieder<br />

eigene Gedichte geschrieben hatte, entstand nun<br />

sein eigener, nicht mehr durch seine großen<br />

Vorbilder geprägter Stil. Dem Paar war jedoch nur<br />

eine kurze gemeinsame Zeit auf der Erde vergönnt:<br />

Sophie von Kühn erkrankte schwer und starb kurz<br />

nach ihrem fünfzehnten Geburtstag.<br />

Die folgenden Monate und Jahre seines Lebens<br />

waren für Friedrich von Hardenberg ein Einweihungsprozess<br />

und ermöglichten ihm erst seine großen<br />

dichterischen und philosophischen Werke. Dies<br />

wird unter anderem an der Schilderung des ersten<br />

Besuchs am Grab der Sophie deutlich, welche er später<br />

in den „Hymnen an die Nacht“ verarbeitet:<br />

„Wie ich da nach Hülfe umherschaute, vorwärts nicht<br />

konnte und rückwärts nicht, und am fliehenden, verlöschenden<br />

Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: –<br />

da kam aus blauen Fernen – von den Höhen meiner<br />

alten Seligkeit ein Dämmerungsschauer – und mit<br />

einem Male riss das Band der Geburt – des Lichtes<br />

Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine<br />

Trauer mit ihr – zusammenfloss die Wehmut in eine<br />

neue, unergründliche Welt – du Nachtbegeisterung,<br />

Schlummer des Himmels kamst über mich – die<br />

Gegend hob sich sacht empor; über der Gegend<br />

schwebte mein entbundner, neugeborener Geist. Zur<br />

Staubwolke wurde der Hügel – durch die Wolke sah<br />

ich die verklärten Züge der Geliebten. In ihren Augen<br />

ruhte die Ewigkeit – ich fasste Ihre Hände, und die<br />

Tränen wurden ein funkelndes, unzerreißliches Band.<br />

Jahrtausende zogen abwärts in die Ferne, wie<br />

Ungewitter. (…) und erst seitdem fühl' ich ewigen,<br />

unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht<br />

und sein Licht, die Geliebte.“


Novalis schildert hier ein klassisches Einweihungserlebnis.<br />

Die „Hymnen an die Nacht“ zeigen, dass das<br />

äußere, irdische Leben für Novalis seine Bedeutung<br />

verloren hatte. Er geht durch ein Todeserlebnis und<br />

wird im Geiste neu geboren. Eine wichtige Rolle<br />

spielt dabei die Beziehung und die Liebe zu seiner<br />

verstorbenen Sophie. Dass Friedrich von Hardenberg<br />

sich einen Zugang zur geistigen Welt errungen<br />

hatte, wird von nun an in all seinen Werken deutlich.<br />

So auch in den „Geistlichen Liedern“:<br />

„Da ich so im stillen krankte,<br />

Ewig weint' und wegverlangte,<br />

Und nur blieb vor Angst und Wahn:<br />

Ward mir plötzlich wie von oben<br />

Weg des Grabes Stein gehoben,<br />

Und mein Innres aufgetan.<br />

Wen ich sah, und wen an seiner<br />

Hand erblickte, frage keiner,<br />

Ewig werd' ich dies nun sehn;<br />

Und von allen Lebensstunden<br />

Wird nur die wie meine Wunde<br />

Ewig heiter, offen stehn.“<br />

Friedrich von Hardenberg durchdrang mit seinem<br />

Denken die Ideen des deutschen Idealismus und verband<br />

sie mit den Inspirationen der göttlichen Welt.<br />

So konnte Novalis die letzten Jahre seines Lebens ein<br />

Übersetzer zwischen den Welten werden und kann<br />

durch seine Werke auch heute noch ein Fährmann in<br />

die geistige Welt sein.<br />

Nach drei Jahren des intensiven Schaffens verstarb<br />

er mit 29 Jahren an einer schweren Krankheit.<br />

Alle Zitate aus „Hymnen an die Nacht“ in: Kluckhohn, Paul;<br />

Samuel, Richard (Hgg): Novalis Schriften, Darmstadt 1977, Bd. 1<br />

© siehe Impressum<br />

Friedrich von Hardenberg1772-1801<br />

Gemälde von Franz Gareis, um 1798<br />

Über-setzen<br />

21


22<br />

Über-setzen<br />

Gedanke – Wort – Schrift<br />

| Astrid Bruns, 3. Trimester<br />

„Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig“<br />

-2. Korinther, 3<br />

Wir machen uns in der Regel nicht bewusst, was für<br />

ein phantastischer Vorgang dem Lesen zugrunde<br />

liegt. – Wenige Striche und Bögen können ein ganzes<br />

Universum bedeuten, still wartend, dass jemand<br />

kommt und den Inhalt herausliest.<br />

Was geht da vor sich?<br />

Zunächst ist da der Autor, der einen Gedanken hat,<br />

den er teilen, mitteilen möchte. Vielleicht weiß er<br />

schon genau, was er ausdrücken möchte, die Gedanken<br />

sind fertig in seinem Innern, und doch lassen<br />

sie sich nicht so ohne weiteres in Sprache übersetzen.<br />

Wenn wir genau beobachten, sind unsere<br />

Gedanken in den seltensten Fällen Wortgedanken.<br />

Viele Gedanken sind als Ganzes da, unmittelbar und<br />

müssen dann mühsam in Worte gefasst werden,<br />

wenn wir sie ausdrücken wollen. Manchmal sind sie<br />

wie hörbar, erlauschbar, aber eher musikalisch als<br />

sprachlich, wie feine Schwingungen, die bestimmte<br />

Muster bilden, fast sphärisch. Und dann gibt es<br />

Bildgedanken, die plastisch und beweglich farb- und<br />

formfroh in uns leben. Immer geht mit diesem Übersetzungsvorgang<br />

ein gewisses Ohnmachtsgefühl<br />

einher. Wir spüren, dass die Sprache dem, was wir in<br />

uns tragen, nicht gerecht wird. Wir können nur hindeuten<br />

auf das, was wir sagen wollen, nie können<br />

wir wirklich zufrieden sein.<br />

Gedanken die bereits Worte sind – gibt es die? Bei<br />

Wortgedanken liegt immer der Verdacht nahe, dass<br />

es sich um leere Phrasen oder Worthülsen handelt.<br />

Diese muss ich zunächst mit Inhalt füllen und beleben,<br />

bevor ich sie mit gutem Gewissen verwenden<br />

kann. Habe ich ein direktes Gegenüber, mit dem ich<br />

spreche, vollzieht sich der Übersetzungsvorgang von<br />

Gedanken in Sprache sehr schnell, indem wir uns<br />

unbewusst aufeinander einstimmen, einschwingen.<br />

Dabei fällt es umso leichter, je besser ich mein<br />

Gegenüber kenne. Aber auch bei einem Fremden<br />

kann ich ein Gespür dafür entwickeln, ob meine<br />

Worte bei ihm ankommen, und ich kann mich zur<br />

Not immer wieder anders auszudrücken versuchen.<br />

Die Modulation der Stimme ist dabei eine große<br />

Hilfe, denn nicht nur was, sondern auch wie ich<br />

etwas sage, hat Aussagekraft. Selbst bei einer größeren<br />

Zuhörerschaft ist es möglich, ein Stimmungsbild<br />

wahrzunehmen und auf Rückfragen direkt einzugehen,<br />

so dass Missverständnisse ausgeräumt werden<br />

können.<br />

Beim Schreiben eines Artikels für eine zum großen<br />

Teil unbekannte Leserschaft fällt dieser ganze Vorgang<br />

weg. Jedes Wort, das ich benutze, muss ich<br />

gründlich abwägen und immer wieder neu abspüren,<br />

ob man das Geschriebene so verstehen kann, wie es<br />

von mir gemeint ist.<br />

Der Leser hat am Ende nur schwarze Striche und<br />

Bögen auf dem Papier und muss sich diese in<br />

Sprache zurückübersetzen. Dabei muss er sich auf<br />

den Autor einlassen, in dessen Gedankengänge einsteigen.<br />

Er hat keine Unterstützung durch die Stimme<br />

und die Art, wie etwas gesagt wird. Und doch ist<br />

es möglich, sich auf den Autor einzuschwingen, in<br />

Resonanz zu treten und das Gewebe des Textes in<br />

ein Gedankengebäude zurück zu übersetzen. Es ist<br />

möglich, Texte gänzlich fremder Autoren zu verste-


hen, aus den völlig abstrakten Zeichen auf dem<br />

Papier lebendige Gedanken herauszulesen.<br />

Und seltsamer Weise gelingt uns dies bei verschiedenen<br />

Autoren ganz unterschiedlich gut. Manche Texte<br />

erschließen sich mir unmittelbar, andere muss ich<br />

mehrmals lesen und entdecke immer neue Ansätze,<br />

wieder andere bleiben mir verschlossen, ich kann<br />

oder mag dem Autor nicht folgen.<br />

Woran liegt das?<br />

Hat es etwas damit zu tun, was „zwischen den<br />

Zeilen“ steht? Diesen Ausdruck kennt jeder Leser,<br />

obwohl er mit Verstandeslogik kaum zu begründen<br />

ist. Was steht denn da, zwischen den Zeilen? Ist es<br />

die Haltung des Autors, die Intention, mit der er seinen<br />

Text geschrieben hat? Und die meinen wir, herauslesen<br />

zu können?<br />

Wie können wir so etwas?<br />

Ich behaupte, wir können es, indem wir nicht nur mit<br />

dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen lesen.<br />

In unseren Herzen haben wir ein untrügliches Organ,<br />

das uns befähigt, in Resonanz mit anderen Wesen,<br />

Bildern, Gedanken u.ä. zu treten. Wir spüren, ob die<br />

entstehenden Schwingungen harmonisch sind, sich<br />

wohlklingend ineinander fügen, oder ob es zu<br />

Dissonanzen und Schwebungen kommt, zu heraus-<br />

© siehe Impressum<br />

fallenden Schwingungen, die darüber schweben<br />

bleiben und Missstimmung erzeugen.<br />

Es ist etwas anderes festzustellen, ob die Thesen<br />

eines Textes logisch haltbar sind oder nicht, oder<br />

hinzuspüren, ob sie uns zu Herzen sprechen. Heutzutage<br />

kommt es viel weniger darauf an, was jemand<br />

sagt, als darauf, wer etwas sagt. Denn der gleiche<br />

Inhalt ist bei verschiedenen Autoren lange noch<br />

nicht derselbe. Auf diesen Umstand hat Rudolf<br />

Steiner öfter hingewiesen: In Zukunft werde es<br />

immer mehr darauf ankommen, dieses Gespür des<br />

„zwischen den Zeilen Lesens“ und „hinter die Worte<br />

Hörens“ zu entwickeln.<br />

1918 sagt Rudolf Steiner in einem Vortrag<br />

sinngemäß:<br />

Worte sind letztlich nur Gebärden, und man muss<br />

den Menschen kennen, der diese Gebärde macht. Es<br />

ist ein Unterschied, ob im persönlichen Ich erkämpft<br />

wird Satz für Satz, oder aber ob es von unten oder<br />

von oben oder von seitwärts her in irgendeiner<br />

Weise zum Beispiel eingegeben ist.<br />

Wir müssen auf den ganzen menschlich-geistigen<br />

Zusammenhang desjenigen sehen, der da spricht.<br />

Es kommt nicht allein darauf an, was da für Worte<br />

stehen, sondern vor allem, aus welchem Geiste heraus<br />

sie sind.<br />

Doch um dies zu bemerken, braucht es Zeit und<br />

Aufmerksamkeit. Das flüchtige Drüberlesen was wir<br />

uns oft, besonders beim Lesen digitaler Texte, angeeignet<br />

haben, lässt ein tieferes Hineinspüren in den<br />

Text meist kaum mehr zu.<br />

Ich selbst erlebe es für mich als hilfreich und gesund,<br />

lieber weniger und dafür gründlicher und mit voller<br />

Aufmerksamkeit zu lesen. Es tun sich mir dann<br />

Facetten auf, die mir sonst verschlossen bleiben.<br />

Aber das mag jeder für sich selbst überprüfen.<br />

Steiner, Rudolf: Der Tod als Lebenswandlung<br />

(GA 182), Vortrag vom 16.10.1918.<br />

Über-setzen<br />

23


24<br />

Über-setzen<br />

Hilfe, ich verstehe mich selbst nicht mehr!!!<br />

| Stefanie Schäfer, derzeit im Praktikum in Wuppertal<br />

Wer übersetzt mir mich selbst? Diese Frage, die ein<br />

wenig amüsant klingt, ist jedoch ernste Realität; und<br />

wir begegnen ihr überall in unserem Alltag. Verstehe<br />

ich mich selbst richtig? Und kann ich dann nach diesem<br />

Verständnis mein Leben ordnen?<br />

Dass der Mensch sich selbst und sein Leben nicht<br />

mehr versteht, scheint eine immer häufiger auftretende<br />

Erscheinung zu sein. Und immer da, wo ein<br />

Bedürfnis auftaucht, schießen die Bedürfnisbefriediger<br />

wie Pilze aus dem Boden. Auf den Türschildern<br />

der „Übersetzungsbüros“ steht dann<br />

Psychoanalyse, Psychotherapie, Gesprächstherapie,<br />

Biografieberatung, spirituelle Lebensbegleitung usw.<br />

Der Erfolg, der daran zu messen wäre, dass sich der<br />

Kunde hinterher tatsächlich besser versteht, liegt<br />

nicht im Namen und der Methode, die das Türschild<br />

preisgibt. Er stellt sich einzig und allein dann ein,<br />

wenn der Therapeut, Lebensbegleiter oder Analytiker<br />

die Fähigkeit mitbringt, in eine echte Übersetzungsarbeit<br />

gehen zu können.<br />

Der Computer scheint diese Fähigkeit nicht zu besitzen.<br />

Er übersetzt eins zu eins auf der horizontalen<br />

Ebene, so dass meist ein ziemlicher Unfug dabei herauskommt<br />

wie z.B. „Machst du des öfteren dort<br />

Urlaub?“ wird zu: Do you frequently holiday there?<br />

Oder:„And his tongue shall be filled with praise.“ wird<br />

zu: Und seine Zunge wird mit Lob gefüllt werden.<br />

Was Sprache ausdrückt, scheint nicht programmierbar<br />

zu sein. Um ein Gedicht in eine andere Sprache<br />

zu übersetzen, so dass es Dichtung bleibt, muss der<br />

Übersetzer alles, was äußere Sprache ist, völlig auslöschen<br />

und zu dem Wesentlichen des Gedichts<br />

gelangen. Da heraus muss er es ganz neu schöpfen,<br />

allerdings in der Intention des Dichters, nicht in seiner<br />

eigenen. Wer Dichtung übersetzt, muss also<br />

selbst Dichter sein, doch ein völlig selbstloser Dichter,<br />

damit Baudelaire Baudelaire bleibt und Blake Blake<br />

und nicht etwa zu Anton Grünschnabel mutiert.<br />

Der Übersetzer von technischen Gebrauchsanweisungen<br />

jedoch sollte sich selbst in Technik auskennen,<br />

wenn die Gebrauchsanweisung sinnvoll und<br />

verständlich sein soll.<br />

Was muss der Übersetzer<br />

meiner selbst demnach sein?<br />

Ein Mensch! Ein Mensch, dem nichts Menschliches<br />

fremd sein darf. Haben wir ein Problem mit uns<br />

selbst (und wir haben ja immer nur Probleme mit uns<br />

selbst, nie mit den anderen), so schätzen wir in der<br />

Regel gar nicht so sehr die Rede eines anderen, sondern<br />

etwas ganz anderes. „Der kann gut zuhören!“,<br />

sagen wir dann, wenn wir uns verstanden fühlen.<br />

Wann aber bin ich ein guter Zuhörer? Wenn ich mich<br />

für den Moment des Hörens selbst auslösche, meine<br />

Gedanken, Erfahrungen, mein Wissen, meine<br />

Assoziationen. Wenn ich auf all das, was mich so<br />

reich macht, verzichte. Erst dann kann ich ganz in<br />

das Wesen des anderen Menschen eintauchen und<br />

ihn in mich aufnehmen. Was ich da aber aufnehme,<br />

ist das, was ihm selbst verborgen ist, weshalb er ja<br />

sich selbst nicht mehr versteht. Es ist sein höheres<br />

Wesen, sein höheres Ich. Aus dem Wahrnehmen dieses<br />

Höheren, aus dem Verständnis desselben kann<br />

ich so dem anderen etwas sagen, worin er sich selbst<br />

erkennt und versteht. Dann habe ich nicht aus mir<br />

gesprochen, sondern aus dem eigentlichen Wesen<br />

des anderen.<br />

Rudolf Steiner nennt diesen Vorgang das soziale<br />

Urphänomen. Wir lassen uns durch das Sprechen des<br />

anderen „einschläfern“ und retten im „Aufwachen“<br />

sein Wesen in unser Bewusstsein, wodurch wir ihn<br />

für sich selbst übersetzen können. Wer ist aber der<br />

eigentliche Übersetzer? Wer ist der Selbstlose, sich<br />

Auslöschende, sich an das andere Wesen Hingebende?<br />

Bleiben wir im Zuhören in unserem Verstand, wollen<br />

wir mit dem Verstand aufnehmen, was der andere<br />

uns mitteilt, werden wir genauso wenig verstehen


wie sein eigener Verstand. Ein echtes Verstehen geht<br />

durch alle äußeren Worte hindurch von Herz zu<br />

Herz. Im Herzen aber wartet Christus. Er ist der<br />

eigentliche Übersetzer. Christus ist derjenige, der uns<br />

das Wesen des anderen verstehen lässt, so dass wir<br />

aus Christus sprechen in unserer Übersetzung.<br />

Immer da, wo wir tatsächlich aus Christus sprechen,<br />

fühlt sich der andere von uns verstanden und versteht<br />

sich dadurch selbst besser.<br />

Fichte – Wirken durch das Ich<br />

| Julia Ballaty, 3. Trimester<br />

Wenn eine Idee zum Gegenstand des Willens wird,<br />

d.h. der Wille zur praktischen Verwirklichung einer<br />

Idee entsteht, sprechen wir von einem Ideal. Was wir<br />

als Idee vor Augen haben, nennen die Griechen idea<br />

– diese leitet sich von dem Wort eidon (ich sah) ab.<br />

Im Ideal werden aus den geistigen Bildern der Idee<br />

geistige Impulse, die wir ins Praktische umsetzen<br />

wollen.<br />

Bezeichnend für die Zeit des deutschen Idealismus<br />

(~1780 bis ~1832) ist, dass in diesen Jahren bedeutende<br />

Persönlichkeiten lebten, die ihre großartigen<br />

Ideen mit vollkommener Hingabe zur Realisierung<br />

bringen wollten, die ihr Leben ihren Idealen opferten.<br />

Nur einige von ihnen seien hier genannt: Kaspar<br />

David Friedrich in der Malerei, Ludwig van<br />

Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart mit der<br />

Musik, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von<br />

Über-setzen<br />

Die letzte Frage daran anknüpfend lautet: Gibt es<br />

eine endgültige Übersetzung? Ein: So! Jetzt hab ich’s<br />

für alle Zeiten? Wir müssen uns darüber im Klaren<br />

sein, dass alles, was uns begegnet in der irdischen<br />

Welt und was wir bemüht sind zu übersetzen, selbst<br />

schon Übersetzung ist, sei es die Bibel, ein Gemälde<br />

oder die physische Erscheinung des Menschen. Es ist<br />

das übersetzte Werk einer Idee, eines geistigen<br />

Wesens, welches dahintersteht oder in ihm verborgen<br />

ist. Es ist übersetzt für eine jeweilige Bewusstseinsstufe<br />

des Menschen. Gehen wir davon aus, dass<br />

der Mensch ein Werdender, ein sich Wandelnder ist,<br />

so müssen die Übersetzungen selbst sich wandeln. In<br />

diesem Werden und Wandeln wandelt Christus mit<br />

uns und hilft uns, uns gegenseitig Übersetzer zu sein.<br />

Goethe und Novalis als Dichter und die Philosophen<br />

Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph<br />

Schelling und Georg Wilhelm Friedrich Hegel.<br />

Obwohl jeder dieser Menschheitsgenies einen<br />

Kosmos für sich bildet, haben sie alle das Prinzip des<br />

Idealismus gemeinsam. Jeder von ihnen ermöglichte<br />

der Menschheit auf seine Weise den Zugang zu einer<br />

höheren Geistigkeit, indem er selbst seine Ideen aus<br />

dieser geistigen Ebene über den Weg des Ideals im<br />

Physischen verwirklicht hat.<br />

Um auf die im Deutschen Idealismus vorherrschende<br />

Dynamik im Detail einzugehen, werfen wir einen<br />

Blick auf Johann Gottlieb Fichte. Ihm gelingt es, in<br />

wenige Sätze gebündelt das auszudrücken, was sein<br />

philosophisches Wirken und dessen Ziele im Wesentlichen<br />

ausmacht. Im Mittelpunkt seiner Philosophie<br />

steht das Ich. „In ihm ist das System der ganzen<br />

Lernen<br />

25


26<br />

Lernen<br />

… Fichte – Wirken durch das Ich<br />

Geisterwelt...“ 1 So tritt das Ich als Möglichkeit für<br />

den Menschen hervor, in bewusste Wechselbeziehung<br />

mit der geistigen Welt zu treten. Diese Möglichkeit<br />

zu ergreifen und auch die ganze Menschheit<br />

dazu zu bewegen, scheint Fichte als tiefste Grundmotivation<br />

zu erfüllen; denn er erkennt eine existenzielle<br />

Bedeutung der Ichtätigkeit im Sinne der Aufnahme<br />

höherer Geistigkeit darin, dass sich diese<br />

Ichtätigkeit auf die Welt und dadurch auf die Göttlichkeit<br />

auswirkt und dass infolge dessen „mit der<br />

fortrückenden Kultur des Menschen zugleich die<br />

Kultur des Weltalls fortrücken werde“ 2 . Dieses Vorgehen<br />

beschreibt Fichte prägnant: „... in jedem Moment<br />

seiner Existenz reißt er [der höhere Mensch]<br />

etwas Neues außer sich in seinen Kreis mit fort, und<br />

er wird fortfahren, an sich zu reißen, bis er alles in<br />

denselben verschlinge: bis alle Materie das Gepräge<br />

seiner Einwirkung trage und alle Geister mit seinem<br />

Geist einen Geist ausmachen.“ 3<br />

Fichtes Handeln entspricht durchaus den eindeutigen<br />

Gedanken, die er sich über die Weltzusammenhänge<br />

macht. Wo die Umstände der Zeit nicht seinen<br />

Ideen, die aus seinem Innersten heraus entstehen,<br />

entsprechen, weist er mit Vehemenz darauf hin, ändert<br />

sie, oder verlässt die Uneinsichtigen, die sich<br />

den Neuerungen widersetzen. Zurückhaltend in dem,<br />

was auf seinen Idealen beruht, ist er keinesfalls.<br />

Beispielsweise gibt er der Mutter derjenigen Kinder,<br />

für die er vom Herbst 1788 bis zum Frühling 1790 in<br />

Zürich als Hauslehrer arbeitet, in einer Zuschrift<br />

deutlich zu erkennen, dass ihm die Erziehung der<br />

Kinder keinerlei Schwierigkeiten bereite, dass aber<br />

die Mutter erzogen werden müsse, und riskiert damit<br />

eine Kündigung. Etwa zwanzig Jahre später wird<br />

Fichte damit beauftragt, einen Plan für die neue<br />

Universität in Berlin zu erstellen. In seinem<br />

'Deducierten Plan einer zu Berlin zu errichtenden<br />

höheren Lehranstalt' entwickelte er in konkreter<br />

Darstellung sein Konzept für „eine Schule der Kunst<br />

des wirklichen Verstandesgebrauchs.“ 4<br />

Aus seinem geisterfüllten Ich heraus wirkte in Fichte<br />

eine Kraft, die sich unmittelbar in seiner energischen<br />

aber klaren Handlungsweise widerspiegelt. „Innerhalb<br />

dieser Tätigkeit [der Menschenseele] findet er<br />

in der Seele auch die Stelle [nämlich das Ich], wo<br />

Weltengeist im Seelengeist sich offenbart. Es webt<br />

und wirkt durch alles Sein für diese Weltanschauung<br />

der Weltenwille.“ 5<br />

Fichte steht also neben einigen seiner Zeitgenossen<br />

als wirklicher Idealist für eine gesamtmenschheitliche<br />

Entwicklungsstufe, in der sich das Ich zum<br />

Gefäß der geistigen Impulse öffnet, um sie in die<br />

praktische Tat überfließen zu lassen. Im Deutschen<br />

Idealismus konnte dieser an Fichte deutlich zu<br />

erkennende Impuls verdichtet einschlagen und weiter<br />

in die Zukunft wirken.<br />

1 Fichte, Johann Gottlieb: Die Bestimmung des Menschen,<br />

Vorlesung „Über die Würde des Menschen“, S. 151.<br />

2 Ebd., 3 Ebd. S. 153, 4 Fichte, Johann Gottlieb: Sämtliche<br />

Werke Band VIII, S. 102.<br />

5 Steiner, Rudolf: Vom Menschenrätsel, GA 20, S. 33.<br />

© siehe Impressum


Dag Hammarskjöld<br />

| Michael Rheinheimer, 3. Trimester<br />

Dag Hammarskjöld wird am 29. Juli 1905 in eine der<br />

angesehensten schwedischen Adelsfamilien hineingeboren.<br />

Sein Geburtsort ist die Stadt Jönköpping<br />

am südschwedischen Vätternsee. Dag ist der jüngste<br />

der vier Söhne des damaligen Justiz- und Kultusministers<br />

Schwedens, Hjalmar Hammarskjöld, der während<br />

des Ersten Weltkriegs drei Jahre schwedischer<br />

Premier- und Verteidigungsminister sein wird. Seit<br />

Jahrhunderten ist es in der Familie Hammarskjöld<br />

Tradition, Staat und Gesellschaft in herausragenden<br />

Spitzenämtern zu dienen: als Politiker, Diplomaten<br />

oder als Offiziere beim Militär.<br />

Der Adelsname Hammarskjöld, zu deutsch „Hammerschild“,<br />

ist auf dem Familienwappen verewigt: zwei<br />

Hämmer über Kreuz auf einem weißen Schild. Name<br />

und Wappen lassen spontan auch an den nordischgermanischen<br />

Donnergott Thor mit seinem Hammer<br />

denken, womit Hammarskjöld selbst Zeit seines<br />

Lebens gerne kokettiert hat. (Als neu gewählter Generalsekretär<br />

der Vereinten Nationen wird er aus der<br />

Bedeutung seines Namens sein Selbstverständnis als<br />

UNO-Chef ableiten: „... ein Schmiedehammer für die<br />

Realisierung der UN-Charta und ein Schutzschild für<br />

die kleinen blockfreien Staaten.“) Der altnordische<br />

Vorname Dag heißt schwedisch „Tag“, das bedeutet<br />

„Zeit, da die Sonne brennt“. Bezeichnenderweise ist<br />

in seinem Geburts- und Todesjahr, 1905 und 1961,<br />

jeweils eine totale Sonnenfinsternis in Teilen Europas<br />

sichtbar gewesen.<br />

1907 zieht die Familie nach Uppsala, dem historischen<br />

Zentrum Schwedens, weniger als 100 Kilometer<br />

nordwestlich von Stockholm, wo Dags Vater<br />

mit Frau und den vier Kindern als neuer Regierungspräsident<br />

im so genannten Roten Schloss residiert.<br />

Seinem Kindermädchen Erna gilt Dag als „das merkwürdigste<br />

Kind der Welt mit seinen strahlend wissenden<br />

Augen-Blicken.“ So vertraut sie seiner Mutter<br />

den heimlichen Eindruck an, dass Dag „einer der bedeutendsten<br />

Männer der Welt werden würde.“<br />

Auch die Mutter wird eines Abends von ihrem Sohn<br />

überrascht, als der beim Nachtgebet eine Schutzbitte<br />

für die kleinen Negerkinder in Afrika hinzufügt.<br />

Niemand in der Familie kann sich erklären, woher<br />

dieses Anliegen bei ihm kommt. Von dem elfjährigen<br />

Knaben, der allein wie in einem Märchen den großen<br />

roten Turm der Schlossburg bewohnt, sind folgende<br />

Zeilen wie ein Menetekel überliefert: „An dem Tag, an<br />

dem du geboren wurdest, waren alle froh – du alleine<br />

weintest. Lebe so, dass in deiner letzten Stunde<br />

alle anderen weinen, und du der einzige bist, der<br />

keine Träne zu verlieren hat. Dann wirst du ruhig dem<br />

Tod begegnen, wann immer er auch kommt.“ 1 Die<br />

Tagebuchaufzeichnungen, die man nach seinem Tod<br />

in seiner New Yorker Privatwohnung findet, werden<br />

ein beredtes Zeugnis dieses Lebens geben.<br />

In der Privatschule der Villa Totembo, die er ab 1911<br />

besucht, ist er als Klassenprimus während der gesamten<br />

Schulzeit seinen Kameraden intellektuell<br />

und bildungsmäßig weit voraus. Dag profitiert von<br />

den hochrangigen Bekanntschaften und Kontakten<br />

seines prominenten Vaters. Einige Mitschüler werden<br />

ihn später auch als unnahbar und abgehoben<br />

beschreiben. Andere erwähnen den tiefen Eindruck,<br />

den seine ungewöhnliche Reinheit, sein großer Ernst<br />

und die christliche Reife auf sie machen.<br />

Zu Dags Konfirmation 1921 schenkt seine Mutter<br />

Agnes ihm „Die Nachfolge Christi“ von Thomas von<br />

Kempen, jenen Klassiker der geistlichen Weltliteratur,<br />

den man vierzig Jahre später zusammen mit<br />

dem Amtseid des UNO-Chefs in seinem Hotelzimmer<br />

finden wird. Die Konfirmation wird in der Domkirche<br />

von Uppsala vollzogen, die auf einer ehemaligen<br />

Mysterienstätte des schon erwähnten germanischen<br />

Gottes Thor gebaut ist.<br />

Nach dem glänzend absolvierten Abitur studiert er in<br />

Uppsala erst Literaturgeschichte und Philosophie,<br />

dann in alter Familientradition Volkswirtschaft,<br />

Lernen<br />

27


28<br />

Lernen<br />

… Dag Hammarskjöld<br />

Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Seine akademische<br />

Ausbildung wird 1930 mit dem Abschluss<br />

einer Dissertation über Zyklen der Konjunkturausbreitung<br />

gekrönt, was im Königreich Schweden einer<br />

Habilitation gleichkommt. Als Volkswirt arbeitet er<br />

nun für den schwedischen Finanzminister Ernst Wigforss<br />

als Assistent und wird mit einunddreißig Jahren<br />

Staatssekretär im Finanzministerium. Er gehört zu<br />

einem Kreis von Leuten, die an dem Modell des so genannten<br />

schwedischen Wohlfahrtsstaates mitwirken.<br />

1949 wird er Unterstaatsekretär im Außenministerium.<br />

Von 1951 bis 1953 ist er zwei Jahre stellvertretender<br />

schwedischer Außenminister und stellvertretender<br />

Leiter der schwedischen Delegation in der<br />

UNO-Generalversammlung. Hammarskjöld ist die<br />

ganzen Jahre über parteilos und wird sowohl von<br />

konservativer, als auch sozialdemokratischer Seite als<br />

hochkompetenter Fachmann geschätzt.<br />

Am 7. April 1953 wird Dag Hammarskjöld dann in<br />

New York, auch für ihn selbst überraschend, zum<br />

zweiten Generalsekretär der Vereinten Nationen vorgeschlagen<br />

und eingesetzt. Obwohl man dem international<br />

noch unbekannten schwedischen Diplomaten<br />

anfangs die nötige Härte zur Lösung internationaler<br />

Konflikte nicht wirklich zutraut, wird er<br />

1957 von der UN-Generalversammlung einstimmig<br />

wiedergewählt. Nachdem es Hammarskjöld 1954<br />

gelungen war, vier amerikanische Kriegsgefangene<br />

des Koreakrieges in Peking frei zu bekommen, war<br />

die allgemeine Skepsis weltweit in Respekt umgeschlagen.<br />

Sein geistiges und auch mystisches Leben und<br />

Arbeiten, das erst 1963 nach der Veröffentlichung<br />

seines Tagebuches der Öffentlichkeit bekannt werden<br />

wird, hält er selbst vor seinen engsten Vertrauten<br />

geheim.<br />

„Die längste Reise<br />

ist die Reise nach innen.<br />

Wer sein Los gewählt hat,<br />

wer die Fahrt begann<br />

zu seiner eigenen Tiefe<br />

(gibt es denn Tiefe?)<br />

noch unter euch,<br />

ist er außerhalb der Gemeinschaft.“ 2<br />

Sture Linner, ein ehemaliger Mitarbeiter, wird später<br />

im Hinblick darauf über Hammarskjöld sagen, auf<br />

dessen Initiative hin sogar ein Meditationsraum im<br />

New Yorker UNO-Gebäude errichtet wird: „Hätten<br />

bestimmte Mächte gewusst, was in Dag Hammarskjöld<br />

wirklich vorgeht, hätten sie ihn niemals zum<br />

Generalsekretär gewählt.“ 3 Und der Herausgeber seines<br />

Tagebuches wird bei der Veröffentlichung darüber<br />

sagen: „Wohl nie ist aus dem Kreis der Mächtigen<br />

ein Dokument erschienen, das wie dieses Tagebuch<br />

eine Art Weißbuch ist schonungsloser Verhandlungen<br />

mit dem Ich und seinem Gott.“ 4<br />

In seinen Aufzeichnungen 1955 schreibt der schwedische<br />

Spitzendiplomat selbst, dem als Friedensvermittler<br />

mehr als einmal zu verdanken ist, dass es<br />

nicht zu einem weltweiten Atomkrieg kommt: „Als<br />

derjenige, der du im Innersten sein musst, um deine<br />

Aufgabe zu erfüllen, darfst du dich nicht zeigen –<br />

damit man dir gestattet, sie zu erfüllen.“ Immer wieder<br />

bekennt er, dass ihm, „ob als nächtliches Traumbild<br />

oder als kurze Vision im Tagesgeschehen, geistige<br />

Phänomene wie zeitweise Hellsichtigkeit nicht<br />

fremd gewesen sind.“ 5 So heißt es bei Hammarskjöld<br />

auch an einer Stelle: „Im Prozess dieser absoluten<br />

Aufrichtigkeit kann einer bei einer Erkenntnis ankommen<br />

von dem, was sich ereignen wird.“ 6<br />

Das, was sich dann tatsächlich ereignen wird, davon<br />

sprechen große Teile der mehr als 500 Einträge dieses<br />

spirituellen Tagebuches in Form von Gedichten,<br />

Aphorismen, oder Meditationen, die Hammarskjöld


sowohl als Student, als Wirtschaftsexperte und Kabinettssekretär<br />

als auch als Generalsekretär der Vereinten<br />

Nationen niedergeschrieben hat:<br />

„Öffnen seh ich geblendet<br />

Das Tor zur Arena<br />

Und geh hinaus, um nackt<br />

Den Tod zu treffen.<br />

Die andern sah ich.<br />

Jetzt bin ich der Erwählte,<br />

fest gespannt auf den Block,<br />

Opfer zu werden, …“ 7<br />

© siehe Impressum<br />

heißt es an einer Stelle. An einer anderen: „Früher<br />

war der Tod immer mit dabei. Heute ist er Tischkamerad:<br />

ich muss Freund mit ihm werden.“ 8<br />

Schließlich: „Um Bürden batest du-. Und wimmertest,<br />

als du beladen wurdest. Dachtest du dir eine<br />

andere Last? Glaubtest du, das Opfer sei anonym?“<br />

fragt Hammarskjöld sich selbst. „Das Opfer der<br />

Opferhandlung ist, als sein Gegenteil beurteilt zu<br />

werden. O Cesarea Philippi. Die Verurteilung als die<br />

Frucht und Voraussetzung des Einsatzes hinzunehmen,<br />

dies hinzunehmen, wenn man seinen Einsatz<br />

kennt und wählt.“ 9 Und an seinem letzten Weihnachtsabend<br />

1960 schreibt er: „Wie richtig, dass<br />

Weihnachten dem Advent folgt. Für den Vorausblickenden<br />

ist Golgatha der Platz für die Krippe und<br />

das Kreuz schon in Bethlehem errichtet.“ 10<br />

Einige Rezensenten werden ihm nach der Lektüre<br />

des Buches Größenwahn und Blasphemie vorwerfen:<br />

„Das Schockierende an diesem Mythos ist, dass Dag<br />

Hammarskjöld offensichtlich davon überzeugt war,<br />

er sei wie Christus von Gott zum Opferlamm ausersehen<br />

worden, und dass er glaubte, er könne durch<br />

Hinnahme dieses Loses ebenso wie Christus die<br />

Menschheit erlösen.“ 11<br />

Als am 18. September 1961 das Flugzeug Hammarskjölds<br />

über der kongolesischen Provinz Katanga<br />

durch ein raffiniertes Komplott internationaler Geheimdienste<br />

zum Absturz gebracht wurde, entdeckte<br />

man auf dem Nachttisch in seinem Hotelzimmer seinen<br />

Amtseid in dem Buch des christlichen Mystikers<br />

Thomas von Kempen: „Die Nachfolge Christi.“ Artikel<br />

99 der UN-Charta, dem Gründungsvertrag der<br />

Vereinten Nationen, auf den er ihn 1953 vor den 51<br />

Gründungsmitgliedern der UN-Vollversammlung in<br />

New York mit einer Hand geschworen hat, lautet:<br />

„Der Generalsekretär kann die Aufmerksamkeit des<br />

Sicherheitsrats auf jede Angelegenheit lenken, die<br />

nach seinem Dafürhalten geeignet ist, die Wahrung<br />

des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit<br />

zu gefährden.“<br />

Dag Hammarskjöld hat seinen Amtseid im Sinne<br />

der UN-Charta mit dieser letzten Botschaft erfüllt.<br />

1 Mögle-Stadel, Stephan: Dag Hammarskjöld. <strong>Stuttgart</strong> 1999, S. 57.<br />

2 Hammarskjöld, Dag: Zeichen am Weg. <strong>Stuttgart</strong> 2011, S. 97.<br />

3 Mögle-Stadel, Stephan: Dag Hammarskjöld, S. 94.<br />

4 Nordmeyer, Barbara: Zeitgewissen. <strong>Stuttgart</strong> 1966, S. 10.<br />

5 Mögle-Stadel, Stephan: Dag Hammarskjöld, S. 94.<br />

6 Hammarskjöld, Dag: Zeichen am Weg. <strong>Stuttgart</strong> 2011, S. 156.<br />

7 Ebd. S. 213, 8 Ebd. S. 134, 9 Ebd. S. 79, 10 Ebd. S. 207.<br />

11 Stolpe, Sven: Dag Hammarskjölds geistiger Weg. Frankfurt/Main<br />

1956, S. 115<br />

Lernen<br />

29


30<br />

Lernen<br />

Referate im Wintertrimester | 2012<br />

Grundstudium 2. Trimester<br />

Ballaty, Julia Simone Weil – ihr Durchbruch zur Christus-Erfahrung<br />

Güttinger, Nikolaus Fercher von Steinwand<br />

Rheinheimer, Michael Dag Hammarskjöld<br />

Steinberg, Rose Emil Bock<br />

Tietz, Helge Paracelsus<br />

Vertiefungsstudium 5. Trimester<br />

Davit, Soledad Über „Glaube, Liebe Hoffnung“ (GA 130; 2. u. 3.12.1911)<br />

Referate im Sommertrimester | 2012<br />

Grundstudium 3. Trimester<br />

Bruns, Astrid Die Freundschaft von Goethe und Schiller<br />

Horsington, Ben Julian Apostata<br />

Hurst, Diana Jeanne d'Arc<br />

Kluge, Andrea Schelling<br />

Kruczek, Anna Janusz Korczak<br />

Lapointe, Cécile George G. Ritchie<br />

Rögge, Julian Origenes<br />

Vertiefungsstudium 6. Trimester<br />

Zu öffentlichen Vorträgen von Rudolf Steiner<br />

Nowak, Rafal A. Die physische Welt und die moralisch-geistigen Impulse<br />

Vier Stufen des inneren Erlebens (GA 84; Dornach am 21.4.1923)<br />

Der Seminargeist<br />

Liebe Leser des Seminarbriefes!<br />

Nach guter, bewährter Sitte möchten wir alle Förderer im Winter- und Sommertrimester 2012 wieder sehr<br />

herzlich einladen, gemeinsam mit uns die Hauptkurse des 1. Jahres wahrzunehmen (Ausnahmen sind mit *<br />

gekennzeichnet). Die Kurse finden in der Regel von Montag bis Samstag von 9.15 bis 10.30 Uhr statt.<br />

Gerne können Sie auch in den Kurswochen mit uns morgens um 7.30 Uhr die Menschenweihehandlung in der<br />

Kapelle des <strong>Priesterseminar</strong>s feiern und uns danach bei einem guten Frühstück in geselliger Runde besser kennen<br />

lernen. Bei Interesse melden Sie sich bitte möglichst frühzeitig im Sekretariat des Seminars an, denn die<br />

Teilnehmerzahl ist begrenzt.<br />

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!


Hauptkurse Sommertrimester 2012<br />

Grundstudium 3. Trimester<br />

April 23.04.-28.04. Das erste christliche Jahrtausend Gisela Thriemer<br />

Mai 30.04.-04.05. Lukasevangelium Engelbert Fischer<br />

05.05. freier Studientag<br />

07.05.-12.05. Trinität Michael Debus<br />

14.05.-19.05. Wie bildet sich ein musikalisches<br />

Verhältnis zu Christus? Lothar Reubke<br />

21.05.-26.05. Geheimwissenschaft im Umriß Stephan Meyer*<br />

Pfingsten freie Studienwochen (internationale Jugendtagung in Überlingen)<br />

Juni 04.06.-09.06. Christus und der Gral Andrew Wolpert<br />

11.06.-16.06. Weltreligionen Milan Horák<br />

18.06.-23.06. Theaterimprovisation Jörg Andrees*<br />

25.06.-30.06. Reformation Carola Gerhard<br />

Juli 02.07.-07.07. Junikurs Georg Dreißig*<br />

Vertiefungsstudium 6. Trimester<br />

April 23.04.-05.05. Apokalypse M.Oltmann-Wendenburg<br />

Mai 07.05.-12.05. Einführung in die Idee der sozialen<br />

Dreigliederung mit besonderem Blick<br />

auf die Gemeinde Alfred Wohlfeil<br />

14.05.-19.05. Wie bildet sich ein musikalisches<br />

Verhältnis zu Christus? Lothar Reubke<br />

21.05.-26.05. eigene Projekte<br />

Pfingsten freie Studienwoche (internationale Jugendtagung in Überlingen)<br />

Juni 04.06.-09.06. eigene Projekte<br />

11.06.-16.06. Gemeindearbeit (auch Ehe) Gisela Thriemer<br />

18.06.-23.06. Theaterimprovisation Jörg Andrees<br />

25.06.-30.06. Pastoralmedizin (männlich/weiblich) Christian Schikarski<br />

Juli 02.07.-07.07. Christologie Joachim Knispel<br />

Vorstellung der Projektarbeiten<br />

Änderungen vorbehalten, den aktuellen Stand entnehmen Sie bitte unserer<br />

Homepage: www.priesterseminar-stuttgart.de<br />

Lernen<br />

31


32<br />

Lernen<br />

Rudolf Köhler<br />

Im Vorbereitungskurs, der dem Weihekurs vorausgeht,<br />

ist es eine gute Sitte, dass jeder Kandidat sich<br />

aus dem Kreis der Urpriester einen Paten aussucht.<br />

Die Beschäftigung mit dem Leben dieses gewählten<br />

Urpriesters begleitet den Kandidaten durch die<br />

gesamte Vorbereitungszeit, an deren Ende er die<br />

Biografie in einem Vortrag innerhalb seiner Gruppe<br />

vorstellt. Paul Newton hat sich bereit erklärt, auch für<br />

uns über seinen Paten etwas zu schreiben.<br />

In den 1960er Jahren reiste Dr. Rudolf Köhler als<br />

Lenker für Nordamerika häufig zwischen Toronto<br />

(Kanada) und Chicago hin und her. Er war mit der<br />

Schweizer Familie Zinniker bekannt, die in die USA<br />

gezogen war und dort in der Nähe von East Troy/<br />

Wisconsin, einige Stunden nördlich von Chicago eine<br />

biologisch-dynamische Farm betrieb.<br />

Rosemarie Bergman, die erste Chicagoer Priesterin,<br />

die im September 2011 starb, erzählte mir, wie Dr.<br />

Köhler so oft wie möglich diese Familie besuchte<br />

und manchmal auch ein Kind taufte, wenn er dort<br />

war. Aber er wollte auch eine reale Verbindung<br />

schaffen zwischen dem sakramentalen Leben der<br />

Christengemeinschaft und der Arbeit einer heilenden<br />

Landwirtschaft. Frau Bergman berichtete, wie Dr.<br />

Köhler einmal zu Besuch war und einen LKW vorbeifahren<br />

sah, der ein Fertighaus geladen hatte. Da kam<br />

ihm die Idee, eine solche Konstruktion zu kaufen, auf<br />

die Farm zu bringen und dort als Kapelle zu nutzen.<br />

Gesagt, getan – die folgenden 50 und mehr Jahre<br />

kam fast jeden Monat ein Priester aus Chicago, um<br />

an einem Samstag auf der Zinniker-Farm zu zelebrieren.<br />

Diese Farm ist die älteste biologisch-dynamische<br />

Farm in den USA, und die Mitglieder dieser<br />

Gemeinde kommen aus einem weiten Umkreis. Eine<br />

derjenigen, die die Christengemeinschaft durch die<br />

Gemeinde in East Troy kennenlernten, ist meine Weiheschwester<br />

Ann Burfeind.<br />

Rudolf Köhler wurde 1899 geboren und war wie<br />

Rudolf Steiner Sohn eines Eisenbahnangestellten.<br />

Die Familie war deutsch, lebte aber im Gebiet der<br />

heutigen Tschechischen Republik. Mit zehn Jahren<br />

ging Rudolf Köhler auf das Gymnasium in Dresden.<br />

Gegen Ende des Ersten Weltkriegs leistete er einige<br />

Monate Militärdienst. Danach begann er sein<br />

Theologiestudium und steuerte auf eine Position in<br />

der evangelischen Kirche zu. In dieser Zeit lernte er<br />

die Anthroposophie kennen und engagierte sich sehr<br />

bald im örtlichen Zweig der Anthroposophischen<br />

Gesellschaft. Eines Tages fand er bei seiner Rückkehr<br />

in seine Studentenbude einen Zettel von Rudolf<br />

Frieling an der Tür, der ihn einlud, an den Vorbereitungen<br />

zur Gründung der Christengemeinschaft<br />

teilzunehmen. Damit begann eine lebenslange<br />

Freundschaft, die darin ihren Höhepunkt fand, dass<br />

beide in den 70er Jahren im Siebenerkreis zusammenarbeiteten.<br />

Rudolf Köhler war an Missionsarbeit interessiert und<br />

wurde ausgewählt, an einer Missionsreise der evangelischen<br />

Kirche nach China teilzunehmen. Er lernte<br />

Chinesisch und stürzte sich enthusiastisch auf das<br />

Studium der chinesischen Kultur. Weil er Priester der<br />

neuen Bewegung für religiöse Erneuerung wurde,<br />

konnte er dieses Ziel nicht verwirklichen. Dieser<br />

Leidenschaft verdanken wir aber zwei sehr interessante<br />

Artikel über China, die er Mitte der 20er Jahre<br />

für die Zeitschrift „Die Christengemeinschaft“<br />

schrieb. Darin erklärte er, dass die Intention “Christus<br />

aller Erde” (so der Titel anderer früher Publikationen<br />

unserer Bewegung) auch das riesige und sehr wichtige<br />

China einschließe. Er schreibt über die großen


spirituellen Traditionen Chinas, über Konfuzianismus,<br />

Taoismus und Buddhismus. Man bemerkt, dass<br />

er wie ein Missionar denkt (im positiven Sinne),<br />

insofern er wirklich versucht, die Kultur und Spiritualität<br />

Chinas zu verstehen und, ein ganz wesentlicher<br />

Punkt, wie man diese unterschiedlichen<br />

Traditionen mit dem Christentum verbinden könnte.<br />

Sehr viel später führten Dr. Köhler seine priesterlichen<br />

Aufgaben nach Fernwest statt nach Fernost.<br />

Vor dem Krieg aber gründete er die Christengemeinschaft<br />

in der Schweiz. Die erste Gemeinde entstand<br />

in St. Gallen, wo er auch heiratete und wo sein<br />

erstes Kind auf die Welt kam. Danach gründete er<br />

zusammen mit Rudolf Frieling die Wiener Gemeinde<br />

neu und diesmal erfolgreich. Später ging er nach<br />

Leipzig. Nach dem Krieg gab es eine aufregende<br />

Entwicklung in den USA. Zwei junge Amerikaner,<br />

Greg Brewer und Richard Lewis, kamen ans <strong>Stuttgart</strong>er<br />

<strong>Priesterseminar</strong>, wo auch Dr. Köhler lehrte.<br />

Rev. Lewis beschrieb, wie er Dr. Köhler in der Zeit<br />

erlebte: Er war groß und hielt sich sehr aufrecht, die<br />

Schultern hochgezogen. Er war extrem höflich, ja<br />

vornehm.<br />

Es war geplant, dass Frieling nach New York gehen<br />

sollte und Köhler nach Chicago. 1950 ging er nach<br />

London, um Englisch zu lernen, und wartete auf sein<br />

Visum. Weil er aber als deutscher Soldat im Krieg<br />

gewesen war – wenn er sich auch geweigert hatte,<br />

Offizier zu werden –, war für die Arbeit in Amerika<br />

gesperrt. Deshalb segelte er 1953 zusammen mit<br />

seinem jüngsten Sohn Andreas, der später ebenfalls<br />

Priester werden sollte, nach Kanada. Er ließ sich in<br />

Toronto nieder und gründete schnell eine Gemeinde,<br />

wobei ihm seine alten Verbindungen aus Wiener<br />

Zeiten halfen. Er besuchte regelmäßig Quebec und<br />

Ottawa und reiste jeden Monat 1300 km in seinem<br />

kleinen englischen Auto „Esmeralda“. Wie schwer es<br />

war, die urkanadische Bevölkerung zu erreichen,<br />

berichtete er 1955:<br />

„Das ist überall schwierig, an eigentliche Kanadier<br />

heranzukommen. Die seit Generationen hier Ansäs-<br />

sigen sind reiche und exklusive Leute und scheinen<br />

keine religiösen Probleme zu haben. Sie nehmen die<br />

zahllosen Kirchen und Sekten wie Naturereignisse<br />

hin und werten sie nach ihrer Art für ihre persönlichen<br />

oder sozialen Interessen aus — oder ignorieren<br />

sie ganz. Auch in der Anthroposophischen Gesellschaft,<br />

die kurz bevor wir kamen hier begründet<br />

wurde, sind nach fünzehnjährigen Bemühungen<br />

nicht mehr als zwei geborene Kanadier. Alle anderen<br />

kommen aus Europa oder den Vereinigten Staaten.<br />

Wenn wir in den drei Städten jetzt kleine Gemeinde<br />

haben, so sind sie nicht durch öffentliche Vortragstätigkeit<br />

entstanden, sondern durch die Weihehandlung,<br />

Predigten, Studienkreise und Seelsorge. Wir<br />

haben gleich mit der Weihehandlung angefangen<br />

am 1. Advent 1953 und auf das Kultische den größten<br />

Wert gelegt.”<br />

Später konnte Köhler in die USA reisen und wurde<br />

dort 1961 Lenker. Im selben Jahr weihte er Dorothy<br />

Hegg in Toronto als erste in Nordamerika.<br />

Ein kleines Detail über ihn kommt aus seiner späten<br />

Zeit in England. Er war Anfang der 70er Jahre nach<br />

Europa zurückgekehrt, arbeitete mit Frieling im<br />

Siebenerkreis und zog später nach England, wo er<br />

ein zweites Mal heiratete – die viel jüngere Margaret<br />

Roberts.<br />

Kapelle auf der Zinniker-Farm<br />

Lernen<br />

33


34<br />

Lernen<br />

… Rudolf Köhler<br />

Frau Ute Schobbert erinnert sich, dass Dr. Köhler aus<br />

ästhetischen Gründen, wie er sagte, einen Abscheu<br />

vor Kunstpostkarten hatte. Er nannte ihre häufige<br />

Verwendung in unseren Kreisen eine „anthroposophische<br />

Krankheit”.<br />

Ein anderes Detail aus seinen späten Jahren zeigt<br />

eine ganz andere Seite von ihm. Oliver Steinrueck,<br />

inzwischen selbst Lenker für Nordamerika, verbrachte<br />

in seiner Jugend einige Jahre in <strong>Stuttgart</strong> im selben<br />

Haus wie Dr. Köhler. Eines Abends übte er auf<br />

seiner Blockflöte, als es an der Tür klopfte. Dr. Köhler,<br />

Anfang 80, erklärte ihm, dass er selbst gerade<br />

Blockflöte lernen würde und ob sie nicht zusammen<br />

spielen könnten. Wenn wir in der Weihe die Worte<br />

hören, die den Priester als „Werdenden“ bezeichnen,<br />

dann können wir an jenen würdigen alten Herrn<br />

denken, der es in seinem hohen Alter noch unternahm,<br />

ein Musikinstrument zu erlernen.<br />

Dr. Köhler schrieb ein Büchlein für die Christengemeinschaft:<br />

„Weihe des Sterbens“ (1930). Wenn<br />

Die Welt als Gleichnis –<br />

wie wird Geist greifbar?<br />

Öffentlicher Sommer-Kurs am <strong>Priesterseminar</strong><br />

<strong>Stuttgart</strong><br />

„Kloster auf Zeit“<br />

von Mittwoch, 11. Juli 2012, 17.00 Uhr<br />

bis Mittwoch, 18. Juli 2012, 21.15 Uhr<br />

Leitung: Andreas Weymann in Zusammenarbeit mit<br />

Sabine Layer und Dr. Barbara Hoos de Jokisch.<br />

Weitere Informationen bei:<br />

<strong>Priesterseminar</strong> <strong>Stuttgart</strong><br />

Spittlerstr. 15 | D-70190 <strong>Stuttgart</strong><br />

Tel: 0711-166 83 08 | Fax: 0711-16 68-24<br />

e-mail: info@priesterseminar-stuttgart.de<br />

man dies zusammen nimmt mit den Berichten über<br />

seine Aktivitäten, kann man sein tiefes Gefühl für die<br />

Sakramente mitempfinden. Man kann verstehen,<br />

dass er nach seiner Zeit im Siebenerkreis zur Arbeit<br />

als Gemeindepfarrer zurückkehren wollte.<br />

Rudolf Gädecke, der kurze Biografien der Gründer<br />

aufgeschrieben hat, zitiert Dr. Köhler: „Es ist zum<br />

Chinesisch-Werden interessant.” Man könnte sich<br />

fragen, ob er nicht tatsächlich diesen ursprünglich<br />

weltumfassenden Christusimpuls in dieser Richtung<br />

nach seinem Tod nahm.<br />

Ich danke den Priestern Richard Lewis, Werner<br />

Grimm, Oliver Steinrueck, Jim Hindes und Pearl<br />

Goodwin sowie Frau Ute Schobbert in <strong>Stuttgart</strong> und<br />

Irene Mayerhofer in Toronto für ihre Hilfe bei meinen<br />

Versuchen, mehr über das Leben von Rudolf<br />

Köhler herauszufinden. Nur ein kleiner Teil meiner<br />

Erkenntnisse fand Raum in diesem Artikel. Ich würde<br />

gern mehr über ihn herausfinden. Bitte schreiben Sie<br />

mir unter: paulknewton@msn.com.<br />

Priester werden – ich?<br />

Unter dieser Fragestellung hat auch in Graz (A)<br />

ein Proseminar-Keimling mit Teilnehmern aus<br />

Österreich, Slowenien und Kroatien erste grüne<br />

Blätter hervorgebracht.<br />

Seit September 2011 trifft man sich im Monatsrhythmus<br />

an Wochenenden zur Arbeit an<br />

Evangelium und Credo und zur Vertiefung der<br />

Sakramentenkunde und Christologie, Übungen<br />

an der Sprache und Eurythmie gehören dazu.<br />

Die weitere Entwicklung wird derzeit beraten.<br />

Informationen können angefordert werden bei:<br />

Engelbert Fischer<br />

Menendorfberg 64<br />

A-8042 Graz


Neugeweihte Priester<br />

Von links nach rechts<br />

sitzend<br />

Von links nach rechts<br />

stehend<br />

Ann Burfeind, 1970, USA (entsandt nach Chicago, USA)<br />

Ardan Heerkens, 1973, Niederlande (entsandt nach Amsterdam, Niederlande)<br />

Arnold Lansing, 1983, Deutschland (entsandt nach Hannover, Deutschland)<br />

Paul Newton, 1964, Großbritannien (entsandt zunächst nach Stroud, UK)<br />

Daan Ente, 1960, Niederlande (entsandt nach Herdecke, Deutschland)<br />

Darryl Coonan, 1957, Australien (entsandt nach Boston, USA)<br />

Lernen<br />

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36<br />

Lernen<br />

Der Beginn einer Reise mit Paulus<br />

| Adam Ricketts, derzeit im Praktikum in Basel<br />

Im zweiten Trimester des zweiten Jahres am<br />

<strong>Priesterseminar</strong> nehmen die Paulusbriefe eine zentrale<br />

Stellung ein. Während dieser zehn Wochen<br />

waren wir aufgerufen, jeweils zu zweit einen der<br />

Briefe zu studieren, vorzubereiten und dann zwei<br />

Kursstunden über diesen Brief zu gestalten. Darüber<br />

hinaus hatten wir die Möglichkeit, in zwei Projektwochen<br />

an den Paulusbriefen oder an damit<br />

verwandten Themen zu arbeiten.<br />

Für viele und auch für mich sind die Paulusbriefe<br />

immer wieder eine Entdeckung. Manches kennt man<br />

sicherlich, doch an wie vielen glänzenden Juwelen,<br />

die so überreich in der Lehre des Paulus verstreut<br />

sind, geht man vorüber, ohne sie wirklich wahrzunehmen!<br />

Umso mehr erstaunt man darüber, wie ein<br />

einziger Mensch, ein Riese von einem Menschen im<br />

Grunde, das Christentum in der bekannten Welt<br />

alleine verbreiten konnte. Und wie er aus seinem Erlebnis<br />

vor Damaskus und seiner daraus entstandenen<br />

Beziehung zum auferstandenen Christus sein tiefes<br />

Wissen schöpfte und seine Lehre entwickeln konnte.<br />

Paulus beschreibt sich selbst als „zu früh geboren“.<br />

Was meinte er damit? An der Art seines Ausdrucks<br />

und an dem Entwicklungsprozess, den er in seinen<br />

Briefen durchmacht, können wir verfolgen, wie er<br />

mit seinem starken Willen ringt, einem Willen, der<br />

ihn vorwärts treibt und der nach einem blinden<br />

Fanatismus gegen die Christen immer mehr von den<br />

Kräften eines neuen Bewusstseins durchdrungen<br />

wird. Aus diesem Willen entwickeln sich lebendige<br />

Begriffe und Ideen, die nicht abstrakt und fertig sind,<br />

sondern keimende Samen für die heutige Zeit bilden.<br />

Paulus lebt nicht nur mit einer Bewusstseinsseele in<br />

der Kultur der sich entwickelnden Verstandesseele,<br />

1500 Jahre bevor sich die Bewusstseinsseele in der<br />

ganzen Menschheit durchzusetzen begann, sondern<br />

erstreckte sich noch über diese hinaus. Er mühte sich<br />

ab, die hervorbrechenden Kräfte der Selbstreflexion,<br />

des Verstandes, sich entgegen den Tendenzen der<br />

Bewusstseinsseele in Abstraktionen zu bewegen, mit<br />

lebendigen Ideen aus der Wärme des Herzens und<br />

dem gebündelten Willen zu durchtränken. Es ist ein<br />

schönes Bild, sich vorzustellen, wie Paulus durch die<br />

mysterienreichen Orte Kleinasiens wandelt, vorbei<br />

an der schönen und kunstvollen Geschichte<br />

Griechenlands, hin zu den genialen Gesetzesmachern<br />

und Technikern Roms. Paulus ging seinen Weg<br />

von den Willenskräften der Mysterien, durch das<br />

vom Gefühl der Weite durchdrungene Leben Griechenlands<br />

zu der starken, formenden Verstandeskraft<br />

Roms. Er verstand alle Menschen die er traf,<br />

war fähig, sie dort abzuholen, wo sie standen und<br />

ihnen einen Weg zu einem Bewusstsein des neuen<br />

Impulses zu zeigen, der alles bisher Entstandene beleben<br />

und in die Zukunft fortsetzen wollte.<br />

In seiner Aussage, dass der auferstandene Christus<br />

die Verkörperung des Gesetzes und dass „das Gesetz“<br />

nunmehr das Ideal „einander zu lieben“ geworden sei,<br />

zeigt er, wie weit sein visionärer Geist in zukünftige<br />

Zeiten reicht. Gab es jemals einen Menschen, der den<br />

Geist des Wandels so radikal, selbstlos, leidenschaftlich<br />

und menschlich verkörperte wie Paulus?<br />

In der „Philosophie der Freiheit“ beschreibt Rudolf<br />

Steiner, wie die Menschheit an Stelle der von außen<br />

an sie herangetragenen Richtlinien mehr und mehr<br />

dazu kommt, ihre eigenen, intuitiv erkannten moralischen<br />

Impulse als Wegweiser zu sich selbst anzuerkennen.<br />

Dieser Prozess birgt in sich das Ziel, die Gelegenheit<br />

und auch die Verantwortung, eine neue<br />

Welt zu schaffen, die auf der Liebe gründet.<br />

Paulus versuchte diese Ideen und Impulse schon vor<br />

zweitausend Jahren zu erfassen. Seit dieser Zeit ist<br />

er eine zentrale Figur in der Entwicklung des Christentums,<br />

die Millionen von Menschen bei ihrer Frage<br />

nach einer Beziehung zu Christus inspiriert und<br />

begeistert, manchmal missverstanden, manchmal<br />

aus dem Zusammenhang gerissen, missbraucht, aber


immer im Zentrum. Man kann das Gefühl bekommen,<br />

dass es noch viel gibt, was Paulus uns sagen<br />

will und dass erst spätere Zeiten die wahre Tiefe seines<br />

Werkes enthüllen werden. Es ist, als ob wir erst<br />

jetzt beginnen würden, die Sinne zu entwickeln, die<br />

wir brauchen, um seine Bilder zu verstehen.<br />

Vor diesem Hintergrund scheint es wichtig, die paulinischen<br />

Ideen und Konzepte nicht nur als „inspirierend“<br />

oder „ermutigend“ zu betrachten. In der Sprache<br />

seiner Zeit entwickelte er eine Reihe von Bildern,<br />

die sein tiefes Verständnis des sich entwickelnden<br />

Verhältnisses des Menschen zum lebendigen Christus<br />

zeigen.<br />

Ich möchte im Folgenden das Bild der göttlichen<br />

Waffenrüstung näher betrachten. Paulus macht<br />

deutlich, dass wir als Menschheit nicht gegen<br />

Mächte aus Fleisch und Blut, sondern gegen geistige<br />

Mächte der höchsten Hierarchien kämpfen. Wir<br />

sind aufgerufen, die göttliche Rüstung anzulegen,<br />

um uns in diesem Kampf zu schützen. Das beginnt in<br />

der Körpermitte: Wir sollen unsere Hüften mit Wahrhaftigkeit<br />

gürten, die Brust mit dem Harnisch der<br />

Rechtschaffenheit schützen, unsere Füße mit der<br />

Bereitschaft, das Evangeliums des Friedens zu verbreiten,<br />

beschlagen, den Schild des Glaubens aufnehmen,<br />

unser Haupt mit dem Helm des Heils schützen<br />

und das Schwert des Gotteswortes ergreifen.<br />

Vieles in diesem Bild kann uns schon Stärke geben,<br />

uns inspirieren, uns standhaft machen und uns<br />

ermutigen, unseren Weg zu gehen. Doch wir können<br />

noch etwas Grundsätzlicheres in diesem Bild sehen.<br />

Wenn wir diese Waffenrüstung darstellen wollen,<br />

können wir dies etwas abstrahiert in der folgenden<br />

Art und Weise tun:<br />

Helm des Heils<br />

Schwert des Wortes | Schild des Glaubens<br />

Harnisch der Rechtschaffenheit<br />

Schuhe des Friedens | Gürtel der Wahrhaftigkeit<br />

Dann sehen wir: Der Mensch wird in Kreuzgestalt<br />

gekleidet, und dieses Kreuz schützt ihn von allen<br />

Seiten mit den Eigenschaften der göttlichen Waffenrüstung.<br />

Wir sehen dann, wie eine klare Unterscheidung<br />

zwischen dem inneren und äußeren Sein<br />

des Menschen besteht. Während wir im normalen<br />

Leben Schutzkleidung anziehen können und dadurch<br />

automatisch geschützt sind, müssen wir bei der<br />

göttlichen Waffenrüstung selbst aktiv werden. Wir<br />

müssen dafür aufwachen, was es im täglichen Leben<br />

bedeuten kann, diese Rüstung anzulegen. Bekleide<br />

ich mich mit den Schuhen des Friedens, bringe ich<br />

auch wirklich Frieden oder etwas anderes? Fordert<br />

der Gürtel nicht Wahrhaftigkeit in dem, was ich tue?<br />

Was lebt in meinen Gedanken und Vorstellungen –<br />

das Heil oder etwas anderes?<br />

Lernen<br />

37


38<br />

Lernen<br />

… Der Beginn einer Reise mit Paulus<br />

Die göttliche Waffenrüstung wird dann nicht nur ein<br />

Schutz, sondern auch ein Fenster in mein eigenes<br />

Sein. Wahrhaftigkeit sollen wir dort umlegen, wo<br />

unsere Bedürfnisse, Instinkte und Impulse schlafen,<br />

im völlig unbewussten Bereich des Willens. Und<br />

doch ist Wahrhaftigkeit nicht ohne das Licht des<br />

Bewusstseins und die Kräfte des Herzens zu erlangen.<br />

Den Gürtel der Wahrhaftigkeit um die Hüften<br />

zu legen, wird damit zur Aufforderung, die verschwommenen<br />

Tiefen unseres Selbst mit Bewusstsein<br />

zu durchdringen. Genauso bin ich aufgerufen,<br />

den Bereich des Denkens und seine Tendenz, sich<br />

selbst zu isolieren und sich in abstrakten, gedanklichen<br />

Bildern zu verhärten, mit den belebenden<br />

Kräften der Erlösung zu durchdringen, mit den Kräften<br />

der Wärme, mit dem neuen Leben künstlerischer<br />

Beweglichkeit.<br />

Die Bewusstseinsseele ist der Teil unseres Seins, der<br />

es uns erlaubt, objektiv auf uns selbst zu schauen, zu<br />

lernen, wie wir aus uns selbst und in der Welt handeln.<br />

Die göttliche Waffenrüstung gibt uns das<br />

Werkzeug in die Hand, uns selbst zu erkennen und<br />

wir selbst zu werden.<br />

Paulus ist ein Mensch unserer Zeit, und was er<br />

gelehrt hat, richtet sich an uns. Zweitausend Jahre<br />

sind seither vergangen. Ist es für die Menschheit<br />

nicht langsam an der Zeit, sich auf den Weg zu<br />

machen und „aufgefordert durch Paulus“ Ruf, die<br />

göttliche Waffenrüstung anzulegen?<br />

Haikus über das erstorbene Wort<br />

| Blütenlese aus dem Wortkurs im vergangenen Herbsttrimester<br />

Lebenslos und still<br />

Die Worte auf dem Papier<br />

Schwarz auf weiß und leer.<br />

Karin Eppelsheimer<br />

Forest filled with life<br />

Becomes a page where I plant<br />

The urns filled with dust.<br />

Rafal Nowak<br />

Leben. Es erstarrt.<br />

Kalte leblose Hülle<br />

Bleibt zurück. Leer. Tot.<br />

Caspar v. Loeper<br />

In mir war der Sinn<br />

Weil das Wort in mir lebte<br />

Bis der Verstand kam.<br />

Sebastian Schütze<br />

Für dich ging ich ganz<br />

In den kalten schwarzen Tod.<br />

Wirst du mich lieben?<br />

Geert Möbius<br />

Katastrophal arm<br />

Mit vielberedtem Schweigen<br />

Prahlt modernes Wort<br />

Annette Semrau


Leben mit einem Weihekandidaten<br />

| Ein kleiner Einblick von Angélique Heerkens<br />

Am Tag, als der Vorbereitungskurs begann, hat unser<br />

Sohn das erste Mal laut gelacht. Er war sechs<br />

Wochen alt und wir so verliebte Eltern, dass der Blick<br />

in den Kinderwagen ihn wahrscheinlich so sehr freute.<br />

Sein mutiger Schritt in das Erdenleben hat uns<br />

eigentlich das ganze halbe Jahr, das der Weihekurs<br />

dauerte, getragen. Er erinnerte uns, wie viel Kraft<br />

und Mut man als Mensch haben kann aus Liebe zu<br />

dieser Welt, zum Leben.<br />

Auf diesen mutigen Schritt haben wir lange gewartet,<br />

weil wir ihn viel eher erwartet hatten. Der Bauch<br />

wurde größer und größer, und der errechnete Termin<br />

war schon überschritten. Wir kamen an einen Punkt,<br />

wo es fast nicht mehr zum Aushalten war, die<br />

Spannung so groß, dass doch endlich etwas passieren<br />

musste. Als wir durch diesen Punkt hindurch<br />

gegangen sind, waren wir ruhiger als zuvor, konnten<br />

die Zeit aushalten, die es brauchte, bis unser Sohn<br />

den Kairos des Erdenlebensbeginns empfunden hat.<br />

Für mich, aus der Peripherie betrachtet, ist der<br />

Vorbereitungs- und spätere Weihekurs nicht das<br />

Absolvieren bestimmter Lerninhalte, sondern es bildet<br />

sich ein Raum, in dem die Kandidaten so sehr mit<br />

sich selbst in Berührung kommen können, dass sie<br />

einen ebensolchen mutigen Schritt machen können.<br />

Denn das ist auch deutlich wahrnehmbar: dass in<br />

dieser Zeit jeder für sich prüft, ob er diesen schicksalsprägenden<br />

Schritt machen möchte, ob die<br />

Berufung zum Priester wirklich seine ist in diesem<br />

Leben.<br />

Diese Bewegungen haben wir als Familie natürlich<br />

mitgemacht, weil auch unser Leben sich dadurch<br />

stark verändern wird. Es sind Fragen, die man nicht<br />

einfach so entscheiden kann, da gibt es nichts abzuwägen,<br />

es ist eher ein Aushalten, die Fragen tragen,<br />

bis man spürt, ob das Leben da mitgehen will.<br />

Rilke hat in einem Brief an den jungen Dichter Franz<br />

Xaver Kappus geschrieben, dass er die Fragen „leben“<br />

soll. „Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten,<br />

die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie<br />

nicht leben könnten. Leben Sie die Fragen. Vielleicht<br />

leben Sie dann allmählich … in die Antwort hinein.“<br />

Für dieses Hineinleben in die Fragen, dafür bildet der<br />

Vorbereitungskurs den Raum. So haben wir also<br />

jeden Tag mehr in die Antwort hinein gelebt und<br />

wurden nicht zuletzt durch das Strahlen unseres<br />

Sohnes darin bestärkt, dass die Antwort richtig ist.<br />

Leben & Begegnung<br />

39


Leben & Begegnung<br />

40<br />

Vom Werden ... und wie man Priester wird.<br />

| Eindrücke von der Orientierungswoche und anschließenden Priesterweihe<br />

| März 2012, Corinna Gehrmann<br />

Ich sitze in der Sonne und denke an eine Woche zurück,<br />

die mit einer Suche begann und einer Priesterweihe<br />

endete. Ende Februar führte mich meine<br />

Suche ins <strong>Priesterseminar</strong> nach <strong>Stuttgart</strong> zu einer<br />

Orientierungswoche. Ich wusste zwar, dass es dort<br />

zur selben Zeit eine Priesterweihe geben würde,<br />

doch das interessierte mich nicht primär. Mich interessierte<br />

vielmehr, was es mit mir und dem <strong>Priesterseminar</strong><br />

auf sich hat. Der Ort war schnell gefunden,<br />

der innere Weg, der mich dorthin führte, war weniger<br />

klar. So saß ich in <strong>Stuttgart</strong> erst einmal nachdenklich<br />

im Schlosspark. Es nieselte.<br />

Grübelnd, warum ich hier bin, wurde mir klar: Ich<br />

folge einem Ruf. Am <strong>Priesterseminar</strong> angekommen,<br />

etwas nervös doch auch voller Vorfreude, traf ich auf<br />

meine Mitteilnehmenden. Eine bunte, internationale<br />

Gruppe aus Interessierten, Suchenden und Fragenden<br />

tummelte sich um einen bereits für uns gedeckten<br />

Tisch. (An dieser Stelle sende ich einen Dank an<br />

die Köchinnen für das gute Essen und an alle Seminarmitarbeiter<br />

und -bewohner für die Gastfreundschaft.)<br />

Und bald stellte sich heraus, dass sie alle<br />

irgendwie einem Ruf folgten, ob sie nun Antworten<br />

auf ihre Fragen oder ihre Aufgabe in der Welt suchten.<br />

Wie es bei den Orientierungswochen üblich ist,<br />

nahmen wir im Lauf dieser Woche am Hauptkurs der<br />

Seminaristen des 2. Trimesters teil, an Fachstunden<br />

und ein bisschen am Alltag des Seminarlebens. Der<br />

Hauptkurs war die Einführung in die Priesterweihe.<br />

Da erst stellte ich fest, welches Glück ich hatte,<br />

genau an diesem Orientierungskurs teilzunehmen.<br />

Denn zum Einen konnte ich meine lange gehegten<br />

Vorbehalte gegen die Begriffe „Kirche“ und „Priester“<br />

endlich auflösen. Zum Anderen konnte ich einen<br />

Eindruck von den Mitgliedern des Siebenerkreises<br />

gewinnen, die für die Priesterweihe anreisten und als<br />

Lenkende das „administrative Herz“ der Christengemeinschaft<br />

bilden. Im Hauptkurs bewegten wir zunächst<br />

die Frage, was denn Kirche und Priestertum<br />

heute noch bedeuten. Und wir lernten: „Die Kirche<br />

kann, wenn sie sich selber richtig versteht, nur die<br />

eine Absicht haben, sich unnötig zu machen auf dem<br />

physischen Plane, indem das ganze Leben zum<br />

Ausdruck des Übersinnlichen gemacht wird.“ 1 Allein<br />

dieser Satz ließ mich aufatmen, denn er beinhaltet<br />

den wunderschönen Gedanken, dass in der Begegnung<br />

mit einem anderen Menschen eine Begegnung<br />

mit Gott stattfinden kann, dass wir ein „Tempel<br />

Gottes“ sein können 2 .<br />

Nun folgte natürlich die logische Frage, wozu wir<br />

denn Priester brauchen, wenn die Kirche sich doch<br />

eigentlich unnötig machen soll? Wir hörten einen<br />

Kurzabriss der Historie der Einweihungsriten, des<br />

Bedeutungswandels der Einweihung in die geistige<br />

Welt bis hin zur heutigen Situation, in der der<br />

Mensch mit allem Wissen über die geistige Welt<br />

bereits geboren wird. Leider, um alles im Lauf des<br />

Heranwachsens zu vergessen, um es dann neu lernen<br />

zu müssen. Oder auch nicht „leider“?<br />

Passend zu dieser Frage fand in dieser bemerkenswerten<br />

Woche im Rudolf-Steiner-Haus ein Vortrag<br />

von Herrn Debus statt, zum Thema „Die Karmafrage<br />

als soziale Frage“. Herr Debus referierte über die<br />

Bedeutung von Gemeinschaftsprozessen für das<br />

Karma Einzelner. Um die Gemeinschaft fähig zu<br />

machen, an einem Tempel zu bauen, müsse jeder<br />

Einzelne das verwirklichen können, was er eigentlich<br />

will. Denn in diesem „eigentlich“ stecke der Inkarnationsimpuls,<br />

den dieser Mensch mit auf die Erde<br />

bringe. Und die soziale Aufgabe bestehe auch darin,<br />

dieses Wollen im Anderen zu erkennen ... Michael<br />

Debus nannte es „interpretieren“.<br />

Diese Aufgabe könnte also auch eine besonders<br />

befähigte Arbeitsberatung des „Jobcenters“ sein.<br />

Dafür braucht es keine Priester. Auch das Jobcenter<br />

hat übrigens das Ziel, sich selbst unnötig zu machen,<br />

ebenso wie ein guter Therapeut, Erzieher oder<br />

Zahnarzt. All diese Berufsbilder übernehmen die<br />

Aufgabe, einen hilfsbedürftigen Zustand eines<br />

Menschen zu erkennen und diesen Menschen zu


egleiten, bis er keiner Hilfe mehr bedarf, um gesund<br />

und aus sich heraus lebensvoll zu sein. Wir lernen,<br />

„Werkzeuge“ zu benutzen, Zahnbürsten oder eben<br />

seelische Werkzeuge, wie z.B. die Stimme unseres<br />

Gewissens, die uns sagt, ob wir mit dem, was wir<br />

sein wollen, übereinstimmen. Nun wiederholt sich<br />

die Frage: Wenn, optimistisch ausgedrückt, unsere<br />

Gesellschaft alles bereithält, um einen Menschen<br />

gesund zu machen und in seinen Fragen unterstützend<br />

zu begleiten: Wozu brauchen wir dann noch<br />

Priester?<br />

Nun, der Clou liegt hier im Bewusst-Werden unserer<br />

geistigen Herkunft und des „göttlichen Ebenbildes“<br />

in uns. Die Mitglieder christlicher Gemeinschaften<br />

oder auch verschiedener spiritueller Strömungen<br />

ahnen ja zumindest, dass sich in der Stimme des<br />

Gewissens mehr verbirgt, als nur ein Wegweiser für<br />

ein zufriedenes Leben oder das Mit-sich-im-Reinensein.<br />

Sie suchen einen Raum, in dem sie diesem<br />

„Mehr“ begegnen können. Und hier werden in der<br />

christlichen Gemeinschaft die Priester gebraucht. In<br />

der Menschenweihehandlung entsteht so ein Raum,<br />

in dem jedem Einzelnen die Möglichkeit gegeben<br />

wird, in seinem Ich das, was wir „Christuskraft“ oder<br />

„Christuswesenheit“ nennen, als wirksam zu erleben.<br />

In der Menschen-Weihe-Handlung sagt der Priester<br />

„Christus in euch“. Der Ministrierende antwortet:<br />

„Und Deinen Geist erfülle er“. Denn es kann nur ein<br />

von Christus erfüllter Geist glaubwürdig einen Kultus<br />

vollziehen, der eine so unglaubliche Strahlkraft<br />

hat wie die Menschenweihehandlung. Als Pfarrer<br />

und Mensch unter Menschen ist es dann unter anderem<br />

eine Aufgabe, Einzelnen zu helfen, diesen in der<br />

Menschenweihehandlung erlebten Raum als verinnerlichten<br />

Raum zu etablieren. (Ich nenne diesen<br />

Raum manchmal augenzwinkernd meine innere<br />

„docking station“).<br />

Ich habe während dieser Orientierungswoche erlebt,<br />

mit welchem Ernst der Weg verbunden ist, der einen<br />

zu einem Priester und Pfarrer für die Menschen<br />

macht. Man muss leer werden, um Gott völlig in sich<br />

aufnehmen zu können. 3 Tiefe innere Gespräche und<br />

Auseinandersetzungen mit sich selbst sind Teil des<br />

Studiums am <strong>Priesterseminar</strong>.<br />

Aber auch Lachen und Herzlichkeit durften wir erleben.<br />

Parallel zu unserem „Schnupperkurs“ fanden die<br />

Vorbereitungen der Weihekandidaten für die Priesterweihe<br />

statt. Ein interessantes Bild: Lustig herumflatternde<br />

Neugierige in den Fluren, recht ernste<br />

Zeremonien hinter einzelnen Türen...<br />

Im weiteren Verlauf des Hauptkurses lernten wir<br />

noch so manches über den Ablauf der Priesterweihe,<br />

die gesprochenen Worte, die Handlungen und den<br />

tieferen Sinn all dessen. Während der Priesterweihe<br />

selbst war es, als wären wir Gast bei einem abschließenden<br />

Ritual eines lange zuvor begonnenen Weges.<br />

Die Kandidaten wurden durch die Gemeinschaft der<br />

Priester und durch die Anerkennung ihres steten<br />

Werdens zu neuen Mitgliedern der Gemeinschaft der<br />

Priester ernannt. Und in diesem Werden, das zu dem<br />

eigentlichen Wollen dazugehört, wird ihnen hoffentlich<br />

alle erdenkliche Unterstützung zuteil.<br />

1 Rudolph Steiner: „Was tut der Engel in unserem Astralleib?“<br />

In: Der Tod als Lebenswandlung (GA 182), Vortrag vom 09.10.1918<br />

2 Frei nach Paulus: 1. Korinther 3,16.<br />

3 Frei nach Meister Eckhart: Das Buch der göttlichen Tröstung.<br />

41


Leben & Begegnung<br />

42<br />

Brauergärten<br />

| Nikolaus Güttinger, 3. Trimester<br />

In Zürich gibt es ein Rotlichtmilieu. Es ist nicht groß,<br />

erstreckt sich aber doch über einige Straßen und<br />

Gässchen. Im rausten Eck, es wird im Volksmund<br />

Bermuda-Dreieck genannt, weil dort nicht Schiffe,<br />

aber Menschen verschwinden, möchte ich einen<br />

mobilen Garten auf einem Kiesplatz gründen. Bis<br />

August dieses Jahres soll ein schöner Quartiergarten<br />

mitten im Milieu entstehen. Was wie eine Utopie<br />

klingt, möchte ich tatsächlich versuchen.<br />

Ein Garten aus Recyclingmaterial<br />

Angepflanzt wird in so genannten Pflanzboxen. Das<br />

sind Kisten und Säcke, die aus Recyclingmaterial bestehen<br />

und aus der Lebensmittelbranche stammen.<br />

Diese Pflanzboxen werden mit Bioerde befüllt. Dann<br />

wird gesät, gesetzt und gesteckt. Aus einem alten<br />

Einkaufskorb wächst so z.B. ein Kopfsalat, in einer<br />

ausgemusterten Brotbox eine Handvoll Karotten, in<br />

einem Reissack gedeiht Kohl, aus alten Milchpacks<br />

kommt Pfefferminze, Erdbeeren wachsen in Einkaufswägen.<br />

All diese verschiedenen mobilen Pflanzboxen werden<br />

dann auf dem Kiesplatz, welchen ich von der Stadt<br />

gepachtet habe, zu einem Garten angelegt. Statt in<br />

den üblichen Beeten, wachsen die Pflanzen in diesem<br />

Garten also in Boxen und Säcken, die gut<br />

zugänglich, unproblematisch zu bewässern und zu<br />

pflegen sind. Alle Pflanzboxen sind ohne maschinelle<br />

Hilfe transportierbar. Mit dieser Gartenbauart<br />

kann unabhängig von der Bodenbeschaffenheit und<br />

Bodenqualität jeder Standort begrünt werden, auch<br />

die versiegelte Fläche an der Brauerstrasse, wo der<br />

Garten entstehen soll. Und sie ist nicht nur versiegelt,<br />

sondern mit Bauabfall kontaminiert. Sie darf<br />

deshalb nicht einfach gepflügt und mit guter Erde<br />

angereichert werden. Die Fläche muss so bleiben,<br />

wie sie ist, denn die Stadt möchte diese Fläche<br />

irgendwann einmal verbauen. Darum ist der Vertrag<br />

auf drei Jahre beschränkt, danach muss der ganze<br />

Garten umziehen. Ich hoffe aber, dass die Stadt bis<br />

dahin kein Baugesuch erstellt hat.<br />

Ziele<br />

Mit dem Garten will ich zusammen mit den<br />

Anwohnern einen kleinen friedlichen Platz in einer<br />

sehr rauen und zuweilen auch brutalen Gegend<br />

schaffen. Es soll eine kleine grüne Garteninsel mit<br />

Blumen, Gemüse, Beeren und kleinen Bäumchen<br />

entstehen. Ich will nicht missionieren oder Menschen<br />

verändern oder bekehren - sondern einfach<br />

nur gärtnern. Gärtnern ist sinnvolle Arbeit, und sinnvolle<br />

Arbeit verbindet Menschen. Da braucht es<br />

nicht „Sozikulturellanimationstherapeuten“, sondern<br />

die Möglichkeit, dass jeder seine eigenen Fähigkeiten<br />

einbringen kann. Im Garten gibt es immer etwas,<br />

das jeder kann und sei es nur Erdbeeren probieren<br />

oder gießen oder staunen. Das Gartengelände ist<br />

umringt von Nachtclubs und Bordellen. Wenn ich an<br />

den Wochenenden vom Bahnhof zum Garten gehe,<br />

werden mir Drogen und Frauen angeboten. Es ist<br />

schon ein bisschen eine andere Welt als im<br />

<strong>Priesterseminar</strong>. Die Sprache, der Umgang und vor<br />

allem die Kleidung ist anders. Aber auch an der<br />

Brauerstrasse sind es nur Menschen, Menschen die<br />

etwas suchen - ähnlich wie am Seminar, nur auf eine<br />

andere Art.


Organisation<br />

Die Schweiz ist ein Vereinsland. Es gibt für alles<br />

Vereine. Und tatsächlich: will man etwas auf die<br />

Beine stellen, funktioniert das besser als Verein, als<br />

wenn man nur Privatperson ist. Die Leute haben<br />

mehr Vertrauen, wenn man ein Verein ist. Ich weiß<br />

nicht, woher dieser Vereinswille kommt, wahrscheinlich<br />

hängt das mit dem Kantönligeist zusammen.<br />

Ich habe darum auch einen Verein gegründet.<br />

Dazu braucht man Statuten (Satzung), ein Gründungsprotokoll,<br />

einen Kassier, einen Protokollschreiber<br />

und einen Präsidenten. Die Statuten und<br />

das Gründungsprotokoll habe ich in den Weihnachtsferien<br />

geschrieben. Dann habe ich meinen<br />

Kumpel gefragt, ob er Kassier werden will, und er<br />

sagte zu. Darauf fragte ich meinen Bruder, ob er das<br />

von mir geschriebene Gründungsprotokoll mit seinem<br />

Namen unterschreiben könne, und er tat`s. Nun<br />

war der Verein schon fast gegründet. Es fehlte nur<br />

noch der Präsident. Ich stellte mich zur Verfügung<br />

und wurde ohne Gegenstimme gewählt. So wurde<br />

ich am 2. Dezember 2012 Präsident des Vereins<br />

Brauergarten.<br />

Meine Aufgabe als Möchtegern-Präsident ist alles<br />

Organisatorische. Ich investiere viel Zeit mit dem<br />

Schreiben irgendwelcher Budgets und Konzepte. Alle<br />

wollen Budgets und Konzepte, es scheint, als wäre<br />

die Welt verrückt danach, dabei ist es eine kleine<br />

Fläche von nur 200 m 2 . Auch ist die Suche von<br />

Plastikkisten schwieriger, als ich bis anhin dachte.<br />

Aber der Verein (ich) ist optimistisch, bis Ende März<br />

genügend Kisten, Einkaufswägen und Säcke beisammen<br />

zu haben, damit wir dann endlich mit dem<br />

Gartenaufbau beginnen können und das „nur drüber<br />

reden“ aufhört.<br />

Vorblick<br />

Anfang März war das Grundstück noch ein Kiesplatz.<br />

Mitte März, wenn im Seminar Ferien sind, werden 22<br />

m 2 Bioerde, ca. 150 alte Reissäcke, ca. 100 Plastikkisten,<br />

10 Obstbäume sowie mehrere alte Salzkisten<br />

als Geräteschuppen geliefert. Dann beginnt die<br />

große Aufstellarbeit. Kisten und Säcke werden mit<br />

Erde gefüllt, Regenwassertonnen und Infotafeln aufgestellt,<br />

Samen und Setzlinge organisiert, Interessenten<br />

informiert ... aber, wenn ich ehrlich bin: Wie<br />

genau das vonstatten gehen wird, weiß ich noch<br />

nicht. Irgendwie wird es schon gehen...<br />

Ende März wird der erste Infotag auf dem Gelände<br />

des zukünftigen Gartens stattfinden. Quartierbewohner<br />

werden eingeladen, mit alten Tetrapacks auf<br />

das Gelände zu kommen. Dort wird erklärt, was entstehen<br />

soll, und sie dürfen selbst ein bisschen Garten<br />

gründen. Dazu können sie ihre mitgebrachten<br />

Tetrapacks zu Setzlingsboxen umfunktionieren. Das<br />

geht so: Deckel abschneiden, Löcher in Boden<br />

machen, Tonscherben auf den Grund legen, mit<br />

Aussaaterde auffüllen, Samen stecken, gießen und<br />

auf die Fensterbank stellen. Irgendwann im Mai sind<br />

dann alle Gartengründer herzlich eingeladen, ihre<br />

Setzlinge zu bringen und im Garten in ein großes<br />

Beet zu pflanzen.<br />

Mir ist bewusst, dass nicht alle Pflänzchen von den<br />

Gartengründern gedeihen, darum bekomme ich von<br />

einer Demeter-Gärtnerei noch weitere Setzlinge. Mit<br />

der Gartengründungsaktion geht es nicht direkt um<br />

Setzlinge, sondern darum, alle Interessierten mit einzubeziehen.<br />

Leben & Begegnung<br />

43


Leben & Begegnung<br />

44<br />

… Brauergärten<br />

Zeitplan<br />

Im August gibt es dann ein großes Einweihungsfest.<br />

War der Garten bis dahin nur für aktive Brauergärtner<br />

zugänglich, ist er ab dem Fest für alle offen. Der<br />

Garten soll dann ein Quartiergarten werden. Man<br />

kann kommen und schauen, wenn man will mithelfen,<br />

reden, genießen, sich austauschen. Aus Erfahrung<br />

kenne ich des Gärtners zwei liebste Beschäftigungen.<br />

Das eine ist das Ernten, das andere ist Tipps<br />

geben. Jeder Gärtner vergibt unheimlich gerne Tipps.<br />

Genau das soll gefördert werden. Es soll ein Soziound<br />

Biotop für kreatives Stadtgärtnern werden.<br />

Nun stellt sich die Frage, wie man von<br />

<strong>Stuttgart</strong> aus einen Garten pflegen kann?<br />

Es ist das Ziel, in den Frühlingsferien den Garten so<br />

weit vorzubereiten, dass ich während des Sommertrimesters<br />

alle Arbeiten von <strong>Stuttgart</strong> aus „telegieren“<br />

kann und nur an den Wochenenden nach Zürich<br />

reise. Es haben sich schon viele Freunde und Bekannte<br />

fürs Gießen und Jäten angemeldet, drum bin<br />

ich optimistisch, dass alles klappt.<br />

Idee<br />

Die Idee, in recycelten Gefäßen Pflanzen zu ziehen,<br />

ist mir Anfang August letzten Jahres im Nachtzug<br />

von Zürich nach Ljubljana gekommen. Schon davor<br />

fand ich es nicht gut, alte Einkaufswägen und Körbe<br />

in den See zu schmeißen. Da müsste man was tun,<br />

dachte ich. Plötzlich war die Idee da, in alten Einkaufskörben<br />

Kräuter anzupflanzen. Wochen später<br />

hörte ich durch Zufall von einem Garten in Berlin, der<br />

genau das tut. Noch bevor ich ins Seminar ging, reiste<br />

ich in die Hauptstadt. Und tatsächlich, sie hatten<br />

„meine“ Idee schon zwei Jahre davor verwirklicht.<br />

Zwar nicht genau so, aber sehr ähnlich. Die Idee ließ<br />

mich aber nicht los, und so begann ich in Zürich<br />

geeignete Flächen für ein solches Projekt zu suchen.<br />

Ich musste aber rasch erkennen, dass man als normaler<br />

Bürger in der Verwaltung der Stadt nicht viel zu<br />

sagen hat. Man wird von der einen Warteschleife zur<br />

nächsten weitergeleitet. Als nach drei Wochen immer<br />

noch keine Rückmeldung von der Liegenschaftsverwaltung<br />

kam, schrieb ich der Stadtpräsidentin einen<br />

Brief und ein Kurzkonzept mit Bildern. Und plötzlich<br />

bewegte sich etwas, langsam aber immerhin. Nach<br />

vielen Telefonaten und Gesprächen bekam ich im<br />

Dezember 2011 die Aussicht auf eine kleine Fläche im<br />

Rotlichtmilieu, die als illegale Mülldeponie am Vermüllen<br />

war. Ich schaute mir die Fläche an der Brauerstrasse<br />

von <strong>Stuttgart</strong> aus auf Google Maps an und<br />

sagte, noch bevor ich dort war, zu. In den Trimesterferien<br />

ging ich dann gleich vorbei und unterschrieb<br />

den Vertrag. So kam das alles zustande. Schon komisch,<br />

hätte nie gedacht, dass meine erste gepachtete<br />

Fläche als Bauer ein Kiesplatz mitten im Züricher<br />

Milieu sein wird, aber man muss ja mal anfangen.<br />

Ich glaube, ein solches Gartenkonzept wäre auch<br />

etwas fürs Seminar, denn in Schwaben gehört ja der<br />

Gehsteig zum Garten. Anstatt ihn immer nur zu kehren,<br />

könnte man die Hälfte für Gemüse nutzen. Das<br />

würde Kosten sparen und wäre sinnvoller. Aber das<br />

müsste jemand anders in die Hand nehmen, denn<br />

mir reicht im Moment ein Garten in einem speziellen<br />

Milieu.


„Ist das etwa die Hefepaste aus dem Seminar?"<br />

| Bericht von einer Woche in Dornach (13.-17.11.2011) Geert Möbius, 6. Trimester<br />

Zum Ausgleich für eine ausgefallene Kursstunde<br />

besuchte uns Frau Glöckler im Pfadfinderheim zum<br />

Abendessen und erkannte mit diesem Ausruf den<br />

glänzendbraunen Inhalt eines unbeschrifteten<br />

Schraubglases. Es war wie alle Abende ein fröhliches<br />

Zusammensein in dem großen Aufenthaltsraum des<br />

Pfadiheims, heizbar nur mit einem offenen Kamin,<br />

den wir auch über Nacht nicht ausgehen ließen.<br />

Außer dem Aufenthaltsraum und ein paar großen<br />

Schlafräumen gab es noch eine Küche, in der wir aus<br />

den liebevoll von der Hauswirtschaft zusammengestellten<br />

Vorräten unsere Mittagessen für die 10<br />

<strong>Stuttgart</strong>er (Seminarleiter mitgezählt) und 4 Hamburger<br />

Teilnehmer zubereiteten. Das Pfadiheim liegt<br />

auf halber Höhe zwischen dem Goetheanum und der<br />

Burgruine Dorneck. Unser Lebensrhythmus war<br />

schlicht: Nach dem Aufstehen Lesung eines Teils der<br />

Menschenweihehandlung mit anschließendem Gespräch,<br />

Frühstück, Abstieg aus der Hütte zum<br />

Goetheanum, Morgenkurs, Aufstieg und Mittagessen,<br />

Abstieg und Nachmittagsprogramm, Aufstieg und<br />

Abendessen mit gemütlichem Ausklang. Und alles<br />

begleitet von dem schönsten sonnigen Herbstwetter.<br />

Der Hauptkurs mit Frau Glöckler behandelte die<br />

Stellung der Anthroposophischen Gesellschaft und<br />

der Hochschule in der Welt und auch ihr Verhältnis<br />

zur Christengemeinschaft. Die Woche diente so im<br />

Wesentlichen dazu, Gesichtspunkte zu erfahren, um<br />

unser eigenes, individuelles Verhältnis zur anthroposophischen<br />

Bewegung zu bilden und zu vertiefen.<br />

Neben dem Hauptkurs gab es Führungen durch das<br />

Gebäude und das Archiv und in drei Gesprächsrunden<br />

standen uns aus dem Vorstand Paul Mackay,<br />

Bodo von Plato und Seija Zimmermann zur Verfü-<br />

gung. Ein spontanes Geschenk war die Begegnung<br />

mit Mathias Ganz, einem früher am Goetheanum<br />

tätigen Architekten, der uns erläuternd durch das<br />

Atelier, das Sterbezimmer und die Scheune führte.<br />

Die Besichtigung des Menschheitsrepräsentanten<br />

und der Fenster des großen Saales konnten wir selbständig<br />

unternehmen. Abgerundet wurde das Programm<br />

durch ein Gespräch mit den Interimsleitern<br />

der Jugendsektion. Abgesehen von den Spaziergängen,<br />

die wir in der freien Zeit in der Umgebung<br />

unternehmen konnten, ließ uns die Besichtigung der<br />

Eremitage erleben, an was für einem besonderen<br />

geografischen Ort das Herz der Anthroposophischen<br />

Bewegung sein Zentrum gefunden hat.<br />

Ein zusätzliches Erlebnis war die Besichtigung einer<br />

Ausstellung von Ninetta Sombart in der Ita-<br />

Wegmann-Klinik. Frau Sombart beantwortete geduldig<br />

jede Frage, und wir konnten sie sogar später<br />

noch einmal in ihrem Atelier besuchen, wo sie gerade<br />

an dem neuen Altarbild für Spring Valley, USA,<br />

malt.<br />

Unsere Seminargemeinschaft hat in Dornach eine<br />

wichtige Belebung und Intensivierung erfahren. Und<br />

vor allem ist sie größer geworden: Das Zusammensein<br />

mit den vier Mitseminaristen aus dem<br />

Hamburger Seminar hat den Blick auf die Größe<br />

unserer Gemeinschaft wunderbar erweitert. Es ist<br />

ein bisschen schade, dass der Kontakt jenseits einer<br />

solchen Gelegenheit so schwierig zu pflegen ist. Wir<br />

haben alle bemerkt: Es wäre schön, dies nicht nur<br />

weiter zu pflegen, sondern möglichst nach zusätzlichen<br />

Gelegenheiten zur Begegnung zu suchen.<br />

Leben & Begegnung<br />

45


Leben & Begegnung<br />

46<br />

Kairos – weltweite Jugendfesttage in Überlingen<br />

| Ute Lorenz, derzeit im Praktikum in Überlingen<br />

Warum am Bodensee? Warum zu Pfingsten 2012?<br />

Kairos – Wirklichkeit jetzt. Das ist der Titel, der den<br />

Jugendlichen aus aller Welt sagen soll, was die<br />

Hoffnung, die Sehnsucht, das Ziel dieser Tagung der<br />

Christengemeinschaft am Bodensee ist. In der Vorbereitung<br />

haben wir viele Menschen befragt, was für<br />

sie „Wirklichkeit“ sei. Es gab erstaunlich viele philosophische<br />

Antworten.<br />

Wenn Wirklichkeit entstehen soll, so hat das offenbar<br />

viel mit der Wahrnehmung und Wachheit im<br />

Augenblick zu tun. Die möglichen erkenntnistheoretischen<br />

Erörterungen werde ich hier überspringen. Es<br />

wird aber deutlich, dass eine liebevolle Hinwendung<br />

zur Welt und zu den Menschen, ein warmes Interesse<br />

an allem nötig ist, damit wir im Jetzt wahrnehmen<br />

und damit Wirklichkeit entstehen kann.<br />

Ich habe mich gefragt, ob dieses Thema nicht vielleicht<br />

mehr mit dem Bodensee und seiner Umgebung<br />

als Ort des weltweiten Treffens zu tun hat, als wir<br />

ahnen. Der Ort wurde von den Jugendlichen ausgesucht.<br />

Anna Cecilia Grünn, eine ehemalige Schülerin der<br />

Freien Waldorfschule am Bodensee, berichtet über<br />

ein Erlebnis im Umgang mit der Landschaft des<br />

Bodensees. Mit dem Pferd reitet sie vom Bodensee<br />

aus nach Norden und befragt auf ihrer Reise die<br />

Naturgeister, für deren Leben und Sprechen sie<br />

Wahrnehmungsfähigkeiten hat. Den Hüter der Bodenseelandschaft<br />

fragt sie nach der Entwicklung<br />

dieser Gegend. Seine von ihr übersetzte Antwort lautet:<br />

„Diese Landschaft könnte innerhalb von Gesamtdeutschland<br />

eine Art Ohr werden. Das ist so<br />

gemeint, dass hier die für das Land wichtigen Impulse<br />

aufgenommen und an das ganze Land weitergegeben<br />

werden. Also hier könnte ein Tor zu allem<br />

Neuen entstehen Ein Ort, der der Erde und den<br />

Sternen lauscht und ihre Zukunftsmusik empfängt.“ 1<br />

Und auf die Frage nach der Zukunft der Kultur in<br />

dieser Landschaft antworten die sogenannten Zivilisationsbegleiter:<br />

„In dieser kulturellen Landschaft<br />

wird mehr und mehr die Fähigkeit wachsen, Toleranz<br />

und Charakter zu verbinden.“ 2<br />

Wenn diese Gegend eine Art Ohr wird, dann kann es<br />

schon sein, dass Menschen, die sich hier begegnen,<br />

genauer hinhören, lauschen, um jemandem aus<br />

einem ganz anderen Teil der Welt zu begegnen. Das<br />

wäre auch die Grundlage für Toleranz auf seelischer<br />

Ebene, für Wirklichkeit auf geistiger Ebene.<br />

Die Erde als lebendigen Organismus mit Organen zu<br />

begreifen, war auch im Mittelalter eine Sehnsucht<br />

der Menschen. Sie ahnten, dass die Erde als der Leib<br />

Christi dem menschlichen Leibe ähnlich sein muss.<br />

So gibt es eine Vorstellung von Europa als Sophien-<br />

Gestalt, deren Haupt in Spanien liegt und deren<br />

Füße bis zum Ural reichen. 3


Der Rhein fließt durch ihre Brust und pulsiert als<br />

Herz (nicht auf diesem Bild sichtbar) im Bodensee.<br />

Nimmt man das Bild vom Ohr mit jenem vom Herzen<br />

zusammen, so könnte man einen Satz aus dem<br />

„Kleinen Prinzen“ von Antoine de St. Exupéry abwandeln<br />

und sagen: Man hört nur mit dem Herzen<br />

gut! Wenn uns dieses Motiv bei der Begegnung mit<br />

den Jugendlichen aus aller Welt leiten könnte, so<br />

entstünde „Wirklichkeit jetzt“.<br />

Die Frage nach dem Ort der Tagung lässt aber<br />

sogleich auch die Frage nach der Zeit entstehen.<br />

Welche Bedeutung hat es, dass die weltweite<br />

Begegnung der Jugendlichen zu Pfingsten 2012<br />

stattfinden soll? Ich möchte nur eine Antwort versuchen,<br />

es gibt sicher viele: Am 1. Juli 2012 jährt sich<br />

zum 10. Mal das Flugzeugunglück über dem Bodensee.<br />

Dieser Unfall damals war so unwahrscheinlich,<br />

dass es ihn eigentlich nicht hätte geben dürfen. In<br />

einer langen Nacht las ich das Unfallprotokoll mit<br />

den vielen Einzelereignissen, die sich verketten<br />

mussten, um ein solches Unglück geschehen zu lassen.<br />

In der sternklaren Nacht des 1. Juli 2002 trafen<br />

über dem Bodensee der DHL-Flug 611 von Bergamo,<br />

Italien, kommend mit dem Flug der Bashkirian-Airlines<br />

von Ufa in einem fast exakt rechten Winkel<br />

zusammen. 71 Opfer waren zu beklagen, darunter 49<br />

Kinder und Jugendliche. Sämtliche Wrackteile landeten<br />

in der Umgebung von Überlingen, ohne auf<br />

der Erde einen einzigen Menschen zu verletzen. Mir<br />

fiel auf, dass viele Nationalitäten in diesem Drama<br />

eine Rolle spielten. Neben den Abflugorten Baschkirien<br />

und Italien, den Zielorten Spanien und Belgien<br />

waren als Heimatorte der Kapitäne Kanada, England<br />

und Russland beteiligt. Der Unfall selbst geschah<br />

über der Fläche des Bodensees, die sich die Länder<br />

Deutschland, Österreich und Schweiz teilen. Sie ist,<br />

im Obersee, die einzige Gegend Europas, für die in<br />

der gesamten Geschichte nie feste Grenzen oder<br />

Zugehörigkeiten festgelegt wurden. Das ist auffällig.<br />

Und wenn sich nun gerade hier über diesem geografischen<br />

Herzorgan Toleranz entfalten könnte durch<br />

vertieftes Hinhören und Lauschen?<br />

Mir wurde berichtet, dass nach diesem Absturz<br />

Frauen und Männer erstmals gemeinsam in einer<br />

Moschee in Ufa beteten. Und was noch erstaunlicher<br />

ist: Christliche und muslimische Kinder wurden erstmals<br />

auf einem gemeinsamen Friedhof nebeneinander<br />

bestattet. Vor diesem Hintergrund erscheint<br />

auch die Eröffnungsveranstaltung der Tagung in<br />

einem ganz neuen Licht: „Nathan, der Weise“ von<br />

Lessing soll in einer veränderten Form von Jugendlichen<br />

aus Deutschland und Israel gemeinsam dreisprachig<br />

aufgeführt werden, auf Deutsch, Arabisch<br />

und Hebräisch. Ein neues Wirklichkeits-Erlebnis für<br />

Ohr und Herz entsteht.<br />

1 Grünn, Anna Cecilia: Ellenlang. Meine Reise mit den Naturgeistern<br />

durch Deutschland.<br />

2 ebd.<br />

3 Europa als Reichskönigin in: Heinrich Bünting: Itinerarium Sacrae<br />

Scripturae, 1588<br />

Leben & Begegnung<br />

47


Leben & Begegnung<br />

48<br />

Priesterweihe in Nordamerika<br />

| Jakob Butschle<br />

Als ich nach der Priesterweihe in <strong>Stuttgart</strong> nach<br />

Hause fuhr, erfüllt von den Erlebnissen dieses Tages,<br />

dachte ich mir: „Das war dieses Jahr aber wieder<br />

schön.“<br />

Knapp eine Woche später wurde ich von einer<br />

Studentin des <strong>Priesterseminar</strong>s von Spring Valley<br />

vom Flughafen Newark abgeholt und tauchte in das<br />

Seminarleben des nordamerikanischen Seminars ein.<br />

Sowohl die Studenten als auch die Gemeindemitglieder<br />

fieberten einem großen Ereignis entgegen:<br />

dem zweiten Teil der diesjährigen Priesterweihen,<br />

die am 16., 17. und 18. März hier an der<br />

Ostküste der USA stattfinden würden. Seit der<br />

Begründung der Christengemeinschaft in Nordamerika<br />

1948 hatte es erst zwei Weihen in Nordamerika<br />

gegeben, deshalb waren diese Ereignisse, die da<br />

kamen, ein „big deal“.<br />

Drei Kandidaten aus Australien, England und<br />

den USA wurden in diesen drei Tagen geweiht.<br />

Die erste Weihe war am Freitag, den 16. März in der<br />

Gemeinde Taconic Berkshire Region, im Norden des<br />

Bundesstaates New York. Wie der Name schon sagt,<br />

eine Gemeinde für eine ganze Region, wunderschön<br />

gelegen in einem kleinen Tal in der Nähe eines<br />

Flusses; manche Gemeindemitglieder haben einen<br />

Anfahrtsweg von eineinhalb Stunden. In der Woche<br />

vor der Weihe hatte eine Priestersynode stattgefunden<br />

mit Gästen aus Südafrika, Südamerika, Großbritannien<br />

und Australien, so dass ca. 30 Priester an<br />

der Weihe teilnehmen konnten. Die Gemeinde hat<br />

großzügige Gemeinderäume und eine schöne, mittelgroße<br />

Kirche, die fast aus allen Nähten platzte. Im<br />

Anschluss an die Weihe gab es ein Buffet und eine<br />

Möglichkeit der Begegnung, bevor sich der Großteil<br />

der Festgemeinschaft auf den Weg nach Spring<br />

Valley machte, wo die anderen beiden Weihen stattfinden<br />

sollten.<br />

Spring Valley liegt ca. 40 Minuten von New York City<br />

entfernt in direkter Nachbarschaft zu einer Waldorfschule,<br />

einem Waldorflehrerseminar, einer<br />

Eurythmieschule, einem biologisch-dynamischen<br />

Ausbildungszentrum für Gärtner, einer Dreigliederungsgemeinschaft<br />

und einem anthroposophischen<br />

Altersheim. Außerdem befindet sich hier das <strong>Priesterseminar</strong><br />

der Christengemeinschaft, das allerdings<br />

noch keine eigenen Räumlichkeiten hat. Die<br />

Gemeinde hat einen wunderschönen Weiheraum,<br />

aber nur sehr kleine Gemeinderäume, so dass ein<br />

großes Zelt aufgestellt werden musste, das vor der<br />

Weihe als Ausweichsakristei fungierte und nach der<br />

Weihe als Festzelt.<br />

Dicht an dicht standen die Stühle im Weiheraum, so<br />

dass alle anwesenden Priester und rund 140 Gemeindemitglieder<br />

und Angehörige an den Weihen<br />

teilnehmen konnten. Am Samstag fand ein festlicher<br />

Nachmittag mit humorvollen und ernsten Beiträgen<br />

statt. Am Sonntagnachmittag gab es eine Zusammenkunft<br />

mit Musik und abschließenden Worten,<br />

wo u.a. einer der Frischgeweihten an die in <strong>Stuttgart</strong><br />

geweihte Hälfte der Weihegruppe erinnerte, über<br />

jeden von ihnen ein paar Worte sagte und die drei<br />

auf diese Weise auch anwesend sein konnten.<br />

Es war für viele Menschen wichtig, dass diese<br />

Weihen hier in den USA stattfinden konnten. Zum<br />

einen natürlich für die Kandidaten selbst, um in ihrer<br />

Muttersprache das Sakrament zu erleben, aber auch<br />

für die Angehörigen, Freunde und Gemeindemitglieder,<br />

die die weite Reise nach Deutschland vielleicht<br />

nicht auf sich genommen hätten. Für fast alle<br />

der acht Studenten des <strong>Priesterseminar</strong>s waren es<br />

die ersten Weihen, die sie miterlebten. Sie waren<br />

sehr dankbar für die Möglichkeit, in den Räumen, in<br />

denen sonst der Seminarbetrieb stattfindet, Zeuge<br />

zu sein, wie drei Studenten zu Kandidaten wurden,<br />

dann zu Priestern und zum ersten Mal zelebrierten,<br />

die Kommunion austeilten.


Verehrte, liebe Freunde des Seminars,<br />

Im Thema dieses Seminarbriefs – dem Übersetzen –<br />

können wir mühelos die besondere Aufgabe des<br />

Erdenmenschen erkennen – vor allem dann, wenn<br />

wir dabei nicht nur an die etwas staubige Beschaulichkeit<br />

einer Schreibtischexistenz denken, sondern<br />

vielmehr an den, der auf seinem Weg mutig über<br />

einen Abgrund setzt, um auf die andere Seite zu<br />

gelangen.<br />

Ein Sprung, ein Satz wird getan, wenn etwas Unausgesprochenes<br />

ins Wort, in den Begriff findet. Nie<br />

gelingt das völlig. Das ausgesprochene Wort kann<br />

immer nur als Hinweis auf etwas weiterhin Unausgesprochenes<br />

dienen. Das Übersetzen wird letztlich<br />

zur Aufgabe dessen, der das Wort hört und bereit ist,<br />

es als Sprungbrett ins Ungesagte zu nutzen.<br />

Mit jedem Wort, das wir äußern, tun wir einen Satz:<br />

von innen nach außen, aus dem Übersinnlichen ins<br />

Sinnliche, aus dem Ungesagten ins Gesagte. Mit<br />

jedem Wort springt die Tür zwischen zwei Welten<br />

auf; im Wort finden sie zusammen, werden sie eins,<br />

werden ein und dasselbe. D.h. aber zugleich, dass<br />

dasselbe nun auf zweierlei Art wahrgenommen werden<br />

will von dem, der beide Aspekte in dem Einen erfassen<br />

will. Der Sinn muss tiefer dringen, als er zunächst<br />

von sich selbst aus dringen kann: von außen<br />

nach innen, aus dem Sinnlichen ins Übersinnliche,<br />

aus dem Gesagten ins Ungesagte.<br />

Der Mensch ist nicht nur ein sprechendes Wesen,<br />

weil er Worte aus seinem Mund hervorgehen lässt,<br />

sondern er ist selbst Wort, d.h. ein Sprung, ein Satz<br />

über den Abgrund. Er eint in seinem Wesen fortwährend<br />

zwei Welten und ist nur zu verstehen, wenn er<br />

auf zweifache Art verstanden wird: sinnlich und<br />

übersinnlich, als Form und als Impuls, als Erden-Ich<br />

und als Himmelsbote. (Wenn wir unser Seelenleben<br />

beobachten, bemerken wir bald, dass dies die fort-<br />

währende Tätigkeit ist, die wir leisten: Im eigenen<br />

Inneren ersinnen wir, was wir in der Welt verwirklichen<br />

wollen – sei es die nächste Mahlzeit, die wir<br />

zubereiten wollen, sei es unser Berufsziel. Die<br />

Tätigkeit unseres Wesens ist Übersetzen.)<br />

Im Kultus drängt der übersinnliche Teil unseres<br />

Wesens und der Welt weiter in die Sinneswelt vor als<br />

gewöhnlich. Gerade diese Tatsache macht nötig, das<br />

Übersinnliche, das sich offenbaren will, seiner<br />

Wesensart gemäß wahrzunehmen und zu begreifen.<br />

Wir sind eingeladen, im Anschauen, im Anhören, im<br />

Ertasten den Sprung zu tun, den Satz in die Welt des<br />

Geistigen und sie in solchem eigenen Anteilnehmen<br />

– wahrnehmend wahrmachend – mit der Erdenwelt<br />

zu vereinen.<br />

Diese Tätigkeit üben wir hier am Seminar verständlicherweise<br />

etwas ausgiebiger als an anderen Orten<br />

– und fühlen dabei natürlich auch, wie anstrengend<br />

dieses Übersetzen ist; wir werden gelegentlich ein<br />

bisschen atemlos. Immer aber reicht unser Atem, um<br />

Ihnen zu danken, dass Sie uns in unserem Tun auf<br />

Ihre liebevolle, treue Art unterstützen, sich hineindenken<br />

in unsere Arbeit und den Grund schaffen,<br />

dass wir – immer wieder neu – den Sprung wagen<br />

können von hier nach dort und von dort nach hier.<br />

Und da stehen wir wieder vor Ihnen, verneigen uns<br />

vor Ihnen und fühlen uns herzlich mit Ihnen verbunden.<br />

Im Namen der ganzen Seminargemeinschaft grüßt<br />

Sie<br />

Ihr<br />

Grußwort der Seminarleitung<br />

49


50<br />

Impressum<br />

Textredaktion<br />

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<strong>Layout</strong> und Satz<br />

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V. i. S. d. P.<br />

Annette Semrau, Johanna Taraba, Julian Rögge, Helge Tietz<br />

Johanna Taraba<br />

seminarbrief@priesterseminar-stuttgart.de<br />

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Die Stadtdruckerei | Gebrüder Knöller GmbH & Co KG<br />

2.800<br />

Alle Studenten<br />

S. 11 Grenzgänger: Konrad Witz, La Pêche miraculeuse,1444, Photo : Bettina Jacot-Descombes mit frdl.<br />

Genehmigung des Musée d’art et d’histoire, Ville de Genève, inv. n° 1843-11. S. 17 Moral und Naturgesetz:<br />

Collection Kröller-Müller Museum, Otterlo, the Netherlands. S. 21 Novalis: Verlag Urachhaus.<br />

S. 22/23 Gedanke Wort Schrift:http://upload.wikimedia.org/ wikipedia/commons/a/ae/ Metal_movable_<br />

type.jpg?uselang=de. S. 26 Fichte: Verlag Urachhaus. S. 29 Hammarskjold: Dag Hammarskjold: UN/DPI.<br />

Wappen mit frdl. Genehmigung Verlag Urachhaus. 4. Umschlagseite: Anka Kruczek<br />

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