24.09.2015 Aufrufe

Grundschule aktuell 113

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

www.grundschulverband.de · Februar 2011 · D9607F<br />

<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>113</strong><br />

Gut für wen und<br />

kompetent für was?<br />

Gute Aufgaben und Kompetenzorientierung


Liebe Mitglieder des Grundschulverbandes,<br />

die allgemeine Kostenentwicklung macht leider auch<br />

vor gemeinnützigen Vereinen nicht halt und belastet<br />

vor allem im Porto-, Material- und im Dienstleistungsbereich<br />

auch unseren Etat.<br />

Wir sind aber weiterhin bestrebt, nicht nur unsere Leistungen<br />

zu halten, sondern sie stetig zu steigern und<br />

ihre Qualität zu erhöhen. Wir haben die Ausstattung unserer<br />

Bücher attraktiver gemacht, ihnen auch öfter eine<br />

CD zusätzlich beigelegt, den jährlichen Gesamtumfang<br />

der Zeitschrift erweitert, die Öffentlichkeitsarbeit vorangetrieben<br />

und die Kommunikation auf der Homepage<br />

ausgebaut.<br />

Dies alles ist – selbst bei größten Einsparungsanstrengungen<br />

– mit den bisherigen Beiträgen, die wir drei Jahre<br />

konstant gehalten haben, nun nicht mehr zu leisten.<br />

Die Delegiertenversammlung hat daher auf ihrer Sitzung<br />

im Mai 2010 die Erhöhung der Mitgliederbeiträge<br />

wie folgt beschlossen:<br />

Mitgliedsbeitrag monatlich 5,50 € (bisher 4,49 €)<br />

ermäßigter Beitrag monatlich 3,25 € (bisher 2,75 €)<br />

für Arbeitslose, Studierende, Lehrantsanwärter/-innen<br />

und in der Elternzeit / bitte belegen<br />

Förderbeitrag mind. monatlich 3,25 €<br />

Fördermitglieder unterstützen die Ziele des Vereins, erhalten viermal<br />

jährlich die Mitgliederzeitschrift und <strong>aktuell</strong>e Informationen<br />

Die Beiträge werden als Jahresbeitrag (66,– € / ermäßigt:<br />

39,– €) abgebucht oder in Rechnung gestellt, sie<br />

können beim Finanzamt mit der Steuererklärung geltend<br />

gemacht werden.<br />

Von Mitgliedern aus dem Ausland werden wir künftig<br />

die Mehrkosten für das Auslandsporto von 12,– € einfordern<br />

müssen.<br />

Wir bitten Sie für diese sicher unpopuläre, aber leider<br />

auch unumgängliche Maßnahme um Verständnis und<br />

hoffen, dass Sie trotzdem in Treue zu unserer gemeinsamen<br />

Sache stehen, »die pädagogisch begründeten<br />

Ansprüche der Kinder dieser Schulstufe zu vertreten,<br />

die Grundschulpädagogik weiterzuentwickeln und die<br />

Stellung der <strong>Grundschule</strong> im öffentlichen Bildungswesen<br />

zu verbessern«. (Satzung des GSV, § 2,1).<br />

Wir wünschen Ihnen für das Jahr 2011 eine gute Gesundheit<br />

und viel Freude bei Ihrer Arbeit zur Verbesserung<br />

der <strong>Grundschule</strong><br />

Maresi Lassek<br />

Vorsitzende des Grundschulverbandes e. V.<br />

Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für den Schulalltag<br />

Band 118<br />

ISBN 978-3-930024-87-2<br />

Best.-Nr. 1076<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

Band 121<br />

(5 Hefte im Schuber / mit CD)<br />

ISBN 978-3-930024-94-0<br />

Best.-Nr. 1079<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

Band 124<br />

(5 Hefte im Schuber / mit CD)<br />

ISBN 978-3-930024-96-4<br />

Best.-Nr. 1082<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €<br />

Band 119<br />

(5 Hefte im Schuber / mit CD)<br />

ISBN 978-3-930024-88-9<br />

Best.-Nr. 1077<br />

17,– € / f. Mitgl. 13,– €


Inhalt<br />

Editorial<br />

Tagebuch<br />

S. 2 Nach der <strong>Grundschule</strong> wird es ungerecht –<br />

wirklich erst danach? (M. Lassek)<br />

Thema: Gute Aufgaben und<br />

Kompetenzorientierung<br />

S. 3 Bildungs-Anspruch (U. Hecker)<br />

S. 7 »Gut« für wen und »kompetent« für was?<br />

(H. Brügelmann)<br />

Praxis: Gute Aufgaben und<br />

Kompetenzorientierung<br />

S. 13 Gute Aufgaben = Guter Mathematikunterricht?<br />

(R. Thielbeer)<br />

S. 17 Gute Aufgaben im Sachunterricht (B. Ederer)<br />

S. 21 Alles»Könner. Kompetenzen entwickeln<br />

(St. Kauder)<br />

S. 24 Philosophieren als »gute Aufgabe« für alle Kinder?<br />

(C. Schaffert)<br />

Ansichten und EInsichten<br />

S. 28 Auch Förderaufgaben müssen qualitätsvoll sein<br />

(H. Bartnitzky)<br />

Aktuell …<br />

S. 29 … aus dem Bundesvorstand<br />

… aus den Landesgruppen, u. a.<br />

S. 32 Berlin: Qualitätsoffensive?<br />

S. 33 Hessen: Auf dem Weg zur Inklusion<br />

S. 34 Niedersachsen: Weiterentwicklung der<br />

Schullandschaft<br />

S. 37 Saarland: grundschule zwanzigzwanzig<br />

Impressum<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />

erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />

kostet 7,50 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 3,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />

60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

in Zusammen arbeit mit Dr. Horst Bartnitzky<br />

Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />

Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />

Fotos: Autorinnen und Autoren; Bert Butzke, Mülheim (Titel, S. 6);<br />

Simone Knorre, Siegen (S. 35)<br />

Zeichnung: Wilhelm Nüchter, Moers (S. 3)<br />

Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />

Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />

Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />

Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />

Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />

Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6048<br />

Beilagen: »Eine Welt in der Schule« als ständige Beilage<br />

»Gut« für wen? »Kompetent« für was?<br />

Diese Fragen wirft Hans Brügelmann in seinem Beitrag anhand<br />

von Beispielen aus dem Anfangsunterricht auf (S. 7ff.). Es sind<br />

die Kernfragen, wenn es um die Diskussion um »Bildungsstandards«,<br />

»Vergleichsarbeiten«, »kompetenzorientierten Unterricht«,<br />

»Gute Aufgaben« und »Aufgabenkultur« geht.<br />

Inzwischen hat die bildungspolitische und pädagogische Debatte<br />

um Bildungsstandards und Kompetenzorientierung das »verflixte<br />

siebte Jahr« hinter sich, und nach wie vor begegnen viele Lehrerinnen<br />

und Lehrer dieser Debatte und ihren schulpolitischen<br />

Folgerungen mit Skepsis, Vorbehalten und auch Verunsicherung<br />

hinsichtlich der Frage, wie »kompetenzorientierter Unterricht«<br />

zu gestalten ist und was es mit den »guten Aufgaben« denn nun<br />

auf sich hat. »Alter Wein in neuen Schläuchen«, »technokratisches<br />

Kontrollmodell« oder notwendige Schritte zur individuellen<br />

Förderung?<br />

Diskursmaschine?<br />

Skepsis und Vorbehalte sind durchaus nachzuvollziehen. Kürzlich<br />

hat der Publizist Wieland Elfferding zum bildungspolitischen<br />

Diskurs notiert: »Die deutschen Bildungsanstalten werden<br />

seit nunmehr einem halben Jahrzehnt mit bisher nicht absehbarem<br />

Ende durch eine alles erfassende Diskursmaschine gedreht,<br />

die mit Begriffen aus der Welt der Kompetenzen, Standards und<br />

Evaluation geölt ist. Wer nicht rechtzeitig von der Sprache der<br />

Lernziele auf die der Kompetenzen umschaltet, gerät früher oder<br />

später zwangsläufig ins Abseits« (»Der Freitag«, Nr. 1 v. 6. 1. 2011,<br />

S. 11).<br />

Mit diesem Heft wollen wir in diese Debatte eingreifen – gerade<br />

mit Beiträgen aus der Praxis. Denn der Fokus des Grundschulverbandes<br />

dabei sind die Bildungsansprüche von Grundschulkindern,<br />

für die wir uns engagieren.<br />

Kein Defizitblick, sondern Kompetenzorientierung<br />

Die Herbsttagung des Grundschulverbandes im November 2010<br />

in Schmitten war ein weiterer Schritt bei der Erarbeitung eines<br />

pädagogischen Förderkonzepts. Horst Bartnitzky fasst die Kernpunkte<br />

zusammen (S. 28 ff.). Durchaus passend zum Thema dieses<br />

Heftes, denn: »Auch Förderaufgaben müssen qualitätsvoll<br />

sein«: »Hier der Defizitblick, der das Kind als förderbedürftig<br />

erklärt, dort der Kompetenzblick, der das Kind in seinem bisherigen<br />

Können erkennt und Lernsituationen arrangiert, in denen<br />

es sein Können aktiviert und erweitert. Pädagogische Pathologie<br />

gegen eine Pädagogik der Ermutigung.«<br />

Dies schließlich rührt an den Kern der ganzen Debatte: »Fördern«<br />

ist ein zentraler didaktischer Begriff: Denn »guter« Unterricht<br />

ist nichts anderes, als Kinder in für sie förderliche Situationen<br />

zu bringen. Jedes Kind hat einen Anspruch auf individuelle<br />

Förderung nach Maßgabe seiner Entwicklung und seiner Möglichkeiten.<br />

Ulrich Hecker<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

1


Tagebuch<br />

Schulempfehlung<br />

Nach der <strong>Grundschule</strong> wird es ungerecht – wirklich erst danach?<br />

Maresi Lassek<br />

Mit der ersten, bundesweit repräsentativen Studie zum<br />

Übergang nach der <strong>Grundschule</strong> belegen Jürgen Baumert<br />

und seine Mitarbeiter, dass das Ende der Grundschulzeit<br />

den Beginn der sozialen Auslese markiert. Bekanntermaßen<br />

sind die Chancen von Kindern aus der Oberschicht<br />

bei gleicher Schulempfehlung ungleich höher als die anderer<br />

Kinder. Und – je mehr Freiheit Eltern bei der Schulwahl<br />

haben, desto deutlicher wachsen die sozialen Unterschiede.<br />

*<br />

Jedoch werden nicht erst am Ende der Grundschulzeit<br />

Weichen gestellt, denn Eltern steuern weit vor der Einschulung<br />

den Bildungsweg ihres Kindes. Nach der Wahl<br />

des richtigen Kindergartens bewegt sie die Wahl der richtigen<br />

<strong>Grundschule</strong>. Die Chance von Schülerinnen und<br />

Schülern bevorzugter <strong>Grundschule</strong>n, in weiterführenden<br />

Schulen angenommen zu werden (in der Regel in Gymnasien),<br />

lenkt Einschulungskinder an privilegierte Grundschulstandorte.<br />

Der erste Ausleseschritt erfolgt vor der<br />

Schulzeit.<br />

Die Selektion am Ende der vierten Klasse in verschiedenwertige<br />

Schulformen ist der zweite Schritt. Die Sekundarstufe<br />

I arbeitet institutionell bedingt der Entwicklung einer<br />

hohen Leistungsstreuung weiter zu, stellt Baumert fest.<br />

Je nach gewählter oder zugewiesener Schulform verlaufen<br />

die Leistungskurven der Schülerinnen und Schüler extrem<br />

unterschiedlich. Während Gymnasiasten in den Fächern<br />

Mathematik und Englisch kräftig dazulernen, verweilen<br />

Hauptschüler auf einem geringen Wissensniveau. Das<br />

gegliederte Schulsystem fördert eben nicht alle Schüler<br />

gleich gut.<br />

Die Debatte um Strukturveränderung führt nicht aus dem<br />

Dilemma, denn die Konstellationen in den Bundesländern<br />

sind vielfältig und die Länder entwerten wechselseitig ihre<br />

landesspezifischen Lösungen. Der Bildungsföderalismus<br />

verhindert eine gemeinsame Orientierung, die das Bildungswesen<br />

in die Zukunft steuern könnte. Es brauchte<br />

Konsens darüber, dass die Entwicklung zu einem inklusiven<br />

Bildungssystem die richtige Richtung ist.<br />

Zurzeit haben wir ein Reformstückwerk ohne verlässliche<br />

politische und damit pädagogische Orientierung.<br />

Die Sekundarstufe I wird in verschiedener Weise<br />

umgebaut. Zehn Bundesländer setzen zwischenzeitlich<br />

auf Zweigliedrigkeit und fassen neben dem Gymnasium<br />

in einer zweiten Säule die bisherigen Bildungsgänge zusammen.<br />

Sie nennen diese Säule Stadtteilschule (HH),<br />

Mittelschule (S) Oberschule (HB), Sekundarschule (B),<br />

Realschule Plus (RP) und Regelschule (TH). Die Gesamtschulen<br />

haben darin ihren Platz oder gehen in der zweiten<br />

Säule auf. Eigenständige Hauptschulen wird es bald<br />

nur noch in fünf westdeutschen Flächenländern geben.<br />

Mit der Umgestaltung in die Zweigliedrigkeit lenkt<br />

man von der Debatte um die Wirksamkeit des gemeinsamen<br />

Lernens ab. Aus »drei mach zwei« und das Verteilen<br />

in frühem Alter geht weiter. Stärkung erfahren die<br />

Gymnasien, denn beim Wettlauf um Schülerinnen und<br />

Schüler ist die zweite Säule eben auch zweite Wahl. Das<br />

Gymnasium wird konstant gut angewählt, da Eltern sich<br />

konservativ und misstrauisch gegenüber fundamentalen<br />

Veränderungen verhalten.<br />

Zwölf bis dreizehn Jahre dauert die Schulzeit, für die<br />

<strong>Grundschule</strong> bleibt es bei vier Jahren. Sie bildet die<br />

Grundstufe und ist die einzige Gemeinschaftsschule. Sie<br />

soll den Kindern eine gute Basis für lebenslanges Lernen<br />

vermitteln und muss gleichzeitig Startrampe für das gegliederte<br />

System der Sekundarstufe I sein. Spätestens in<br />

der 4. Klasse baut sich Druck auf: für die Kinder wegen<br />

der Gymnasialempfehlung, für die Eltern angesichts der<br />

Schulwahl, für die Lehrerinnen und Lehrer aufgrund der<br />

Erwartungshaltung der Eltern.<br />

Worum es eigentlich gehen müsste, ist die Anschlussfähigkeit<br />

zwischen der <strong>Grundschule</strong> und der Sekundarstufe,<br />

Anschlussfähigkeit für die Kinder und ihr Lernen,<br />

mit Blick auf Lernorganisation, aufbauende Lerninhalte<br />

und Lernmethoden. Schulempfehlung, Noten und Aufnahmeprüfungen<br />

dominieren jedoch das Geschehen und<br />

verhindern nicht die hohe Anzahl falscher Entscheidungen.<br />

Insbesondere Kinder aus benachteiligten Familienverhältnissen<br />

brauchen mehr Zeit und Unterstützung.<br />

Maresi Lassek,<br />

Vorsitzende des Grundschulverbandes<br />

* aus: Bundesministerium für Bildung und Forschung,<br />

Bildungsforschung Band 34, Bonn, Berlin Mai 2010<br />

2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> 112 • November Februar 2011 2010


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Ulrich Hecker<br />

Bildungs-Anspruch: Was Kinder brauchen<br />

Anmerkungen zur Diskussion um Kompetenzorientierung und Aufgabenkultur<br />

Aktuelles Beispiel: Im Spätherbst 2010 stellte der Berliner Bildungssenator<br />

Prof. E. Jürgen Zöllner ein »Qualitätspaket« für die Berliner Schule vor. Erklärtes<br />

Ziel: Verbesserung der schulischen Qualität. Umgehend wurde Kritik an<br />

seinem »sehr eingeschränkten Qualitätsbegriff« laut. »<strong>Grundschule</strong>n«, so der<br />

Berliner Grundschulverband in seiner Stellungnahme, »brauchen mehr als die<br />

Vorgabe von Leistungsstandards, die Optimierung von Vergleichsarbeiten und<br />

regelmäßige Schulinspektionen.«<br />

Allein ein zunehmender datengestützter<br />

Vermessungsdruck und<br />

Zielvereinbarungen werden aus<br />

sogenannten leistungsschwachen Schulen<br />

noch keine leistungsstarken Schulen<br />

machen«, so die Berliner Kolleginnen<br />

und Kollegen weiter. Inzwischen hat die<br />

bildungspolitische und pädagogische<br />

Debatte um Bildungsstandards und<br />

Kompetenzorientierung das »verflixte<br />

siebte Jahr« hinter sich, und nach wie vor<br />

begegnen viele Lehrerinnen und Lehrer<br />

dieser Diskussion und ihren schulpolitischen<br />

Folgerungen mit Skepsis, Vorbehalten<br />

und auch Verunsicherung.<br />

»Der Wahn der Rangliste«?<br />

Seit Pisa gilt »Output-Steuerung« als<br />

zentrale schulpolitische Maßnahme:<br />

Sogenannte »Bildungsstandards« wurden<br />

definiert, die tatsächlich lediglich<br />

Fachleistungs-Standards für ausgewählte<br />

Bereiche weniger Fächer sind. Damit<br />

werden die messbaren Ergebnisse nun<br />

jährlich getestet. Dabei geht es um die<br />

Fachbereiche, die in den internationalen<br />

Schulleistungstests im Fokus stehen.<br />

Deshalb gibt es Bildungsstandards nur<br />

für Deutsch und Mathematik, und nur<br />

auf diese Fächer beziehen sich die jährlichen<br />

Vergleichsarbeiten. Alle anderen<br />

Fächer wie Sach unterricht, Kunst, Sport,<br />

Musik geraten ins Abseits der schulpolitischen<br />

und öffentlichen Aufmerksamkeit<br />

und drohen zu schulischen Nebensachen<br />

zu werden.<br />

Die Medien schenken den Ranglisten<br />

und Bepunktungsskalen regelmäßig<br />

hohe Aufmerksamkeit. Publizierte<br />

Rating-Skalen werden als Aussage über<br />

Bildungsniveaus missverstanden; ihnen<br />

wird eine Erklärungskraft angedichtet,<br />

die sie nicht besitzen. Auf die Schulen<br />

hat dies eher eine einengende, verunsichernde<br />

als eine ermutigende und herausfordernde<br />

Wirkung.<br />

Der Bildungsjournalist Karl-Heinz<br />

Heinemann schrieb dazu: »Das TÜV-<br />

Paradigma hat längst Einzug gehalten:<br />

Output-Steuerung, schlanke Lehrpläne,<br />

mehr Freiheit bei der Personaleinstellung,<br />

in etlichen Bundesländern hat<br />

die, in diesem Zusammenhang muss<br />

der Name nun mal fallen, Bertelsmann-<br />

Stiftung dafür gesorgt. Aber weniger<br />

Bürokratie? Jetzt sitzen nicht mehr<br />

bräsige Schulräte hinten im Klassenzimmer,<br />

sondern Qualitätsmanager,<br />

4Q-Inspektoren, und wie sie sonst noch<br />

heißen, huschen mit ihren Checklisten<br />

im Viertelstundentakt durch die Klassenzimmer<br />

(…) und im engmaschigen<br />

Netz von Selbst- und Fremdevaluationen,<br />

Schulinspektionen, Vergleichsund<br />

zentralen Abschlussarbeiten werden<br />

sie jeden erwischen, der da noch in<br />

einer Nische seine Sonderwege gehen<br />

will.« 1)<br />

»Pisa: Der Wahn der Rangliste« – so<br />

überschreibt der Wiener Philosoph<br />

Konrad Paul Liessmann ein Kapitel seines<br />

Buches »Theorie der Unbildung. Die<br />

Irrtümer der Wissensgesellschaft« und<br />

stellt fest: »Der Stand von Bildungspolitik<br />

heute ist durch einen einfachen Satz<br />

zu beschreiben: Sie erschöpft sich im<br />

Schielen auf die Ranglisten. (…) Alle relevanten<br />

und auch in der Öffentlichkeit<br />

heftig diskutierten bildungspolitischen<br />

Entscheidungen der letzten Jahre sind<br />

entweder durch einen schlechten Listenplatz<br />

motiviert oder geboren aus dem<br />

Wunsch, einen besseren Listenplatz zu<br />

erreichen. (...) Nicht einmal ein diffuser<br />

Bildungsbegriff, schon gar nicht ein gesellschaftspolitisches<br />

Konzept von Bildung<br />

zeichnet sich hinter gegenwärtiger<br />

Bildungspolitik ab, sondern diese lässt<br />

sich auf einen einzigen Satz reduzieren:<br />

Wo stehen wir?« 2)<br />

Von Anfang an sind die Ideen der<br />

Bewertung und des »Rankings« im<br />

Schulbereich nur im Zusammenhang<br />

betriebswirtschaftlichen Denkens zu<br />

sehen, das aus Schulen und Universitäten<br />

Unternehmen machen will,<br />

die an ihren »marktorientierten« Ergebnissen<br />

zu messen sind. Eltern und<br />

Schüler wurden dann auch schon als<br />

»Kunden« angesehen. »Output« ist ein<br />

betriebswirtschaftlicher Begriff: Der<br />

Produktionsprozess wird vom angestrebten<br />

Ergebnis her geplant und organisiert.<br />

Zuerst der Zweck, dann die<br />

dahin führenden Mittel. Dieses Bild ist<br />

für Bildungsprozesse ungeeignet, denn<br />

»die Qualität der Prozesse ist hier selbst<br />

bildungswirksam. Auf welche Weise<br />

Kinder etwas lernen ist zumindest so<br />

bedeutsam wie das, was sie lernen.« 3)<br />

Ein »Ranking« von Schulen – in ihrer<br />

großen Unterschiedlichkeit – anhand<br />

einzelner statistischer Kennziffern führt<br />

über die Wahrnehmung von Eltern<br />

schließlich dahin, dass sich soziale Unterschiede<br />

verschärfen. »Gute Schulen«<br />

bekommen Kinder mit mehr Chancen,<br />

»schlechte« werden weiter »zurückbleiben«.<br />

Ulrich Hecker<br />

Grundschulrektor in Moers, Stellv.<br />

Vorsitzender des Grundschulverbands,<br />

Redakteur »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>«<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

3


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Die Verbindung pädagogischer Arbeit<br />

mit einer »Mentalität des Gewinnens«<br />

kann vielen Kindern den Schulerfolg<br />

weiterhin vorenthalten. Damit<br />

werden derzeit schon stark ausgeprägte<br />

Bildungs-Ungerechtigkeiten weiter zugespitzt:<br />

Kinder an <strong>Grundschule</strong>n in<br />

»bildungsfernen« Milieus geraten noch<br />

mehr ins Hintertreffen. Das widerspricht<br />

der Idee inklusiver Pädagogik<br />

und befördert weitere Entsolidarisierung.<br />

4)<br />

Bleibt die Frage, ob der Druck, der von<br />

einem derartigen technokratischen<br />

Kontrollmodell ausgeht, die Qualitätsentwicklung<br />

von Schulen befördern<br />

kann. Detlef Träbert, Bundesvorsitzender<br />

der »Aktion Humane Schule«,<br />

warnt anhand von zwei Beispielen:<br />

●●<br />

Vergleichsarbeiten<br />

»Landauf, landab setzen Lehrkräfte<br />

alles daran, bei Vergleichsarbeiten gut<br />

abzuschneiden. Wochenlang werden<br />

Schulklassen auf die Anforderungen<br />

der Tests hin vorbereitet, anstatt kreative<br />

Lernprozesse anzuregen. Warum<br />

Lehrer das machen? Weil zumindest innerhalb<br />

der Schulöffentlichkeit die Klassenergebnisse<br />

verglichen werden. Auszeichnungen<br />

für Schulen mit besonders<br />

guten (Teil-) Ergebnissen beeinflussen<br />

ihr Ansehen bei der Elternschaft dann<br />

auch schulübergreifend.«<br />

●●<br />

Schulinspektion bzw. Qualitätsanalyse<br />

»Die Frage wäre einmal eine wissenschaftliche<br />

Untersuchung wert,<br />

wie viel kostbare Zeit Schulen dafür<br />

investieren, sich bei der externen Evaluierung<br />

durch Schulinspektoren in<br />

einem guten Licht zu präsentieren.<br />

Da werden Schul-Portfolios gestaltet<br />

und die vorgeschriebenen Konzepte<br />

im Schulprogramm aufbereitet, dass<br />

jeder Präsentationstrainer seine Freude<br />

hätte. Monatelang bereiten sich die<br />

Schulleitungen mit ihren Kollegien auf<br />

den Besuch der Kommission vor. Lehrkräfte<br />

üben ein, wie als gut bewertete<br />

Schulstunden auszusehen haben, nur<br />

um hinterher wieder zu ihren alten<br />

Mustern zurückzukehren.«<br />

Träbert resümiert: »Anstatt innovativ<br />

zu werden, Schule neu zu denken und<br />

zu gestalten, aus den Erfahrungen der<br />

anderen, erfolgreicheren Nationen zu<br />

lernen und Schulstrukturen ohne Tabu<br />

zu hinterfragen, hat man in Deutschland<br />

schlicht den Druck erhöht: Standards<br />

und Kontrolle sowie Konkurrenz<br />

sollten Schule besser machen.« 5)<br />

Wir brauchen eine gründliche Diskussion<br />

darüber, ob wir das in Deutschland<br />

wirklich wollen.<br />

»Bildungs-Standards«?<br />

Die bisher formulierten Bildungsstandards<br />

der Kultusministerkonferenz können<br />

die umfassende Bildungsaufgabe<br />

von Schule nicht erfassen. Die KMK-<br />

Standards weisen lediglich Leistungsstandards<br />

für einzelne Fächer aus. Solche<br />

Beschreibungen von operationalisierbaren<br />

Leistungsstandards können helfen,<br />

schulbezogene Erwartungen und stufenoder<br />

übergangsbezogene Qualifikationen<br />

zu klären. »Bildung« aber wird von<br />

diesen Standards nicht erfasst. Schon der<br />

Begriff »Bildungsstandard« legt die Vorstellung<br />

nahe, gebildete Menschen als<br />

»standardisierte« Menschen aufzufassen,<br />

wie ein Produkt am Ende einer Produktionskette.<br />

»Gebildet« wäre ein Mensch<br />

demnach, wenn er mathematische Aufgaben<br />

lösen kann, Fachbegriffe kennt,<br />

Texte verständig zu lesen vermag – wenn<br />

er also über Kompetenzen verfügt, die<br />

jeweils abprüfbar sind. So, als ob die<br />

Schule ihren »Output« (Kompetenzen)<br />

so produziert wie eine Fabrik ihre Produkte.<br />

Dieses Bild aber führt für Schule<br />

und ihre Lern- und Bildungsprozesse in<br />

die Irre. 6)<br />

Der gegenwärtige Gebrauch des Kompetenzbegriffs<br />

ist, wie Horst Bartnitzky<br />

resümiert, »durchaus schillernd: In<br />

der <strong>aktuell</strong>en Bildungsforschung, hier<br />

besonders deutlich in den didaktischen<br />

Festlegungen der internationalen und<br />

nationalen Leistungsuntersuchungen<br />

wie PISA, IGLU oder VERA, wird ein<br />

Kompetenzbegriff benutzt, der sich auf<br />

›Erträge des schulischen Unterrichts‹<br />

bezieht.« 7)<br />

In dieser Spur werden seit einigen Jahren<br />

Lehrpläne als »Kompetenzlehrpläne«<br />

neu gefasst. »Kompetenz« ist dabei<br />

zum bildungspolitischen Schlüsselwort<br />

geworden, das den politisch gewollten<br />

»Paradigmenwechsel« vom »Input-«<br />

zum »Output-System« markiert: Gemessen<br />

werden soll nur das Produkt.<br />

Mit dieser Art »Kompetenzorientierung«<br />

sind zahlreiche Erwartungen verbunden:<br />

●●<br />

Eine exakte Beschreibung dessen, was<br />

gelernt werden soll und gelernt wurde,<br />

●●<br />

eine Vereinheitlichung im Bildungssystem:<br />

Schülerinnen und Schüler an<br />

allen Schulen sollen zu gleichen Zeitpunkten<br />

über gleiche Kompetenzen<br />

verfügen – nur dann kann man mit<br />

zentralen Instrumenten Leistungsmessung<br />

betreiben,<br />

●●<br />

die Ergebnisse (»Leistungen«) von<br />

Schulen sollen unabhängig von Bundesland,<br />

Region, Einzugsbereich, aber<br />

auch von den Eigenheiten der konkreten<br />

Schule oder der bestimmten Lehrperson<br />

bestimmt werden.<br />

Um die »Qualität« solcher Produkte<br />

»objektiv« messen zu können, muss es<br />

4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

vorgegebene Kriterien geben, die umgekehrt<br />

zu einer Standardisierung des<br />

Produkts führen. Ohne kompetenzbezogene<br />

Lehrpläne ist also keine quantitative<br />

Statistik über dieserart »Bildungserfolge«<br />

möglich.<br />

Eine breite und tiefgreifende Diskussion<br />

darüber, was »Bildung« ist und sein soll,<br />

ist dringend geboten. Letztlich geht es<br />

dabei um die Frage des Menschenbildes:<br />

Ist Bildung mehr als das »Fit-gemacht-<br />

Werden« für die »Lern- und Arbeitswelt<br />

von morgen«? Selbst- und eigenständig<br />

werden Menschen doch erst, wenn<br />

sie nicht einfach für die Lern- und Arbeitswelt<br />

»fit gemacht« werden, sondern<br />

umgekehrt, wenn sie sich ihre Welt<br />

»fit machen«, also passend gestalten<br />

können. Diesen »Bildungs-Anspruch«<br />

müssen Pädagoginnen und Pädagogen<br />

bewahren – den Eigensinn der Pädagogik:<br />

Kinder darin unterstützen, in ihrer<br />

jeweiligen Welt aufzuwachsen und sich<br />

dabei zu bewahren.<br />

Nicht das »defizitäre Kind« ist dabei<br />

unser Bild vom Kind, sondern das<br />

Kind, das sich aktiv mit der Welt auseinandersetzt.<br />

Ihm müssen wir Zutrauen<br />

und Zuversicht zu den eigenen Fähigkeiten<br />

vermitteln und es die Erfahrung<br />

machen lassen, dass sich eigene Anstrengung<br />

lohnt.<br />

Bei einem daraus folgenden Verständnis<br />

von Unterricht sind Kompetenzen<br />

dann nicht erst »Erträge des<br />

Unterrichts«. Sie sind nicht nur Unterrichtsergebnisse,<br />

sondern bereits Ausgangspunkte<br />

von Unterricht. Denn, so<br />

Horst Bartnitzky, »Kinder besitzen zu<br />

jedem Zeitpunkt bereits Kompetenzen,<br />

die durch motivierende Aufgaben, Lernarrangements<br />

und Lernumgebungen<br />

aktiviert werden können. Während<br />

der Lernarbeit entwickeln Kinder ihre<br />

Kompetenzen weiter: Sie werden bestätigt,<br />

erweitert, ergänzt, neu strukturiert.<br />

Dies zeigt sich in den Arbeitsprozessen<br />

der Kinder ebenso wie in ihren Ergebnissen.«<br />

8)<br />

Um aber alle Kinder zu ermutigen,<br />

keines zurückzulassen oder zu beschämen,<br />

müssen verbindliche Anforderungen<br />

so definiert werden, dass tragfähige<br />

Grundlagen auch von allen Kindern<br />

erreicht werden können. Die Formulierung<br />

von Mindeststandards wäre der<br />

Ausweis einer pädagogischen Lern- und<br />

Leistungskultur.<br />

Solche richtigen Formulierungen<br />

Annemarie von der Groeben erinnert<br />

an einen bedeutsamen schulpolitischen<br />

Zusammenhang: »Die Einführung von<br />

Bildungsstandards in Deutschland wurde<br />

von einer Expertenkommission unter<br />

Leitung von Eckhardt Klieme vorbereitet.<br />

In diesem Gutachten<br />

wird ausdrücklich Anforderungsbereiche<br />

empfohlen, Mindeststandards<br />

und nicht Reproduzieren<br />

AB I<br />

Regelstandards einzuführen,<br />

weil diese AB II<br />

ein Denken in Gewinnern<br />

und Verlierern herstellen<br />

Zusammenhänge<br />

implizieren. Die Kultusminister<br />

haben die AB III<br />

Entwicklung solcher Verallgemeinern<br />

Mindeststandards in Reflektieren<br />

Aussicht gestellt und<br />

diese Aufgabe bisher nicht erfüllt.« 9)<br />

Dieses gewollte Versäumnis hat die<br />

Tür zu einer »Mentalität des Gewinnens«<br />

geöffnet. Zu fragen ist, ob flächendeckende<br />

Lernstandsmessungen<br />

wie VERA genau das brauchen – Gewinner<br />

und Verlierer.<br />

Dagegen setzt von Groeben die Alternative:<br />

»Die erwarteten Schülerleistungen<br />

werden auf der Basis von Mindeststandards<br />

festgelegt, ergänzt durch<br />

ein differenziertes Angebot erweiternder<br />

Aufgaben und Anforderungen zur<br />

Entwicklung individueller Leistungsprofile.<br />

Tests und Prüfungen beziehen<br />

sich auf diese Mindeststandards, sie erhalten<br />

darüber hinaus offene Aufgaben<br />

unterschiedlichen Schwierigkeitsgrads<br />

zum Nachweis individueller Leistungen.<br />

Die fachlichen Leistungsanforderungen<br />

werden nicht auf der Basis von<br />

Jahrgangsnormen, sondern von Entwicklungs-<br />

und Lernstufen festgelegt<br />

(systematische Progression des Lernens<br />

anstelle des durchschnittlichen Fortschreitens<br />

in Altersgruppen).« 10)<br />

»Aufgabenkultur«?<br />

Auch in offiziellen Materialien zur<br />

Kompetenzorientierung ist zu lesen:<br />

»Die vielen Facetten einer Kompetenz<br />

lassen sich nicht kurzfristig mit einer<br />

Unterrichtseinheit erwerben. Sie erfordern<br />

eine kontinuierliche und längerfristige<br />

Bearbeitung. (…) Im Sinne des<br />

kumulativen Lernens kommt dem kontinuierlichen<br />

Aufbau von Kompetenzen<br />

und der längerfristigen Planung der<br />

Ziele eine besondere Bedeutung zu.« 11) werden problematisch durch Modelle<br />

wie das im Kasten abgebildete, die<br />

dann auch noch zur Rückmeldung von<br />

VERA-Ergebnissen an Eltern genutzt<br />

werden (siehe Kasten) 12) :<br />

Bildungsstandards<br />

Grundwissen anwenden,<br />

bekannte Informationen wiedergeben,<br />

Routinen ausführen<br />

Erworbenes Wissen und<br />

bekannte Methoden miteinander<br />

verknüpfen, Zusammenhänge<br />

erkennen und nutzen<br />

Eigene Lösungsstrategien<br />

und entwickeln, Interpretationen<br />

und Beurteilungen einbringen<br />

Solche Modelle werden schnell zu<br />

Kategorien der Leistungsbewertung<br />

(VERA). Sie werden inzwischen sogar<br />

bis auf die Seiten von Schülerbüchern<br />

zur Klassifizierung von Aufgabenstellungen<br />

verwendet, z. T. auf<br />

ausdrückliche ministerielle Anweisung.<br />

»AB-I-Aufgaben« für die »Schwachen«,<br />

»AB-III-Aufgaben« für die »Guten«?<br />

Mit Aufgaben-Kultur hat ein solches<br />

technokratisches Verständnis nichts zu<br />

tun.<br />

Zu »guten Aufgaben« gehört zwingend<br />

eine anregende Lernumgebung im weitesten<br />

Sinn. Darauf verweisen didaktische<br />

Leitideen wie »Gesprächskultur«<br />

oder »Schreib- und Lesekultur«. Denn<br />

schulische Aufgaben werden zu »guten«<br />

Aufgaben erst in einer gestalteten<br />

Lernumgebung. Unterricht darf nicht<br />

verkürzt werden zur Abfolge von Aufgaben.<br />

In herausfordernden und förderlichen<br />

Lernumgebungen in Unterricht<br />

und Schule erweist sich zudem die Unterscheidung<br />

von Lern- und Leistungsaufgaben<br />

als künstlich.<br />

»Gute Aufgaben« haben für die Kinder<br />

motivierende Kraft, fordern ihre<br />

Kompetenzen heraus, erweitern sie und<br />

ermöglichen eine Bandbreite gültiger<br />

individueller Lösungen.<br />

»Aufgabenkultur«? Die Vorspiegelung<br />

der falschen Tatsache, die Ergebnisse<br />

der Vergleichsarbeiten gäben die<br />

tatsächlichen Leistungen der Kinder<br />

und der Schulen wieder, hat zur Folge,<br />

dass allzu oft schon die mit schlichten<br />

Aufgabenformaten konstruierten Tests<br />

vorgeben, was und wie in den Schulen<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

5


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

unterrichtet werden soll. Denn<br />

wo »Zahlen und Vergleichsdruck<br />

regieren, gelten schnell<br />

gleiche Anforderungen an alle<br />

und gleichmäßiges Fortschreiten<br />

im Unterrichtsstoff. Das<br />

Motto ›You teach what you<br />

test!‹ könnte jedoch der Rückkehr<br />

von Museumstücken einer<br />

überholten Vorstellung von<br />

Lehren, Lernen und vordemokratischer<br />

Pädagogik Tür und<br />

Tor öffnen.« 13)<br />

Bildungs-Anspruch!<br />

Es ist unbestritten, dass <strong>Grundschule</strong><br />

Reformbedarf hat, dass Schulen sich<br />

weiter entwickeln müssen. Beispiele<br />

sind die Sprach- und Lernförderung<br />

von Kindern anderer Muttersprache,<br />

die Inklusion von Kindern mit Lernund<br />

Lebensproblemen, anspruchsvolle<br />

didaktische Konzepte wie Methodenlernen,<br />

Freie Arbeit, kindgeleitete Lernwege<br />

und erzieherische Aufgaben.<br />

»Allen Kindern gerecht werden« – Mit<br />

diesem Motto seines Bundesgrundschulkongresses<br />

2009 hat der Grundschulverband<br />

den Zusammenhang von<br />

Schule und Gerechtigkeit bewusst in das<br />

Zentrum der bildungspolitischen und<br />

pädagogischen Debatte gestellt. Unter<br />

dem Deckmantel der Entwicklung von<br />

Schulqualität aber ist zunehmend ein<br />

technokratischer Umgang mit (Grund-)<br />

Schulen und mit Kindern Alltag geworden.<br />

Die Leistung der Schulen wird oft,<br />

gerade in Vergleichsstudien, verkürzt<br />

auf Ergebnisse in Fachtests. Wesentliche<br />

Leistungen gerade der <strong>Grundschule</strong>,<br />

z. B. zur Persönlichkeitsentwicklung<br />

der Kinder, zur Verminderung von Bildungsbenachteiligungen,<br />

zur Inklusion<br />

von Minderheiten, geraten in dieser engen<br />

Perspektive aus dem Blick.<br />

In seinem »Leitkonzept zeitgemäßer<br />

Grundschularbeit« hat der Grundschulverband<br />

umfassende Bildungsstandards<br />

vorgelegt und die fragwürdige Verengung<br />

auf Fachleistungsstandards vermieden.<br />

Die Bildungsstandards konkretisieren<br />

insgesamt ein Grundverständnis<br />

zeitgemäßer Primarschularbeit, das<br />

in dem Begriff »ermutigende Pädagogik«<br />

zusammengefasst werden kann. 14)<br />

Die Orientierung an solchen Standards<br />

bringt Qualitätsentwicklung nach vorn.<br />

In seinen »Acht Forderungen zur Bildungsgerechtigkeit«<br />

formuliert der<br />

Grundschulverband die Bildungsansprüche<br />

von Grundschulkindern.<br />

Zwei dieser Forderungen sind in<br />

unserem Zusammenhang besonders<br />

bedeutsam:<br />

●●Kinder brauchen ermutigende<br />

Zuwendung von Erwachsenen<br />

Für ihr geistiges, seelisches und<br />

soziales Wachsen brauchen Kinder<br />

Erwachsene, die sich ihnen respektvoll<br />

und ermutigend zuwenden,<br />

die sie durch Lernaufgaben<br />

herausfordern und ihnen helfen,<br />

sich Kompetenzen und Erkenntnisse<br />

möglichst selbstständig anzueignen.<br />

Sie brauchen Erwachsene,<br />

die mit ihnen Klasse und Schule als<br />

Ort gemeinsamen und mitverantwortlichen<br />

Lebens und Lernens gestalten.<br />

Alles, was diese pädagogische Qualität<br />

behindert, ist abzubauen. Lehrerbildung<br />

und Rahmensetzungen wie Klassengrößen,<br />

Lernzeiten, Schulstruktur<br />

müssen dazu beitragen, diese pädagogische<br />

Qualität zu erreichen und zu erhalten.<br />

●●<br />

Kinder brauchen besondere Unterstützungen<br />

Maßnahmen externer Evaluierung<br />

(Leistungstests, Schulinspektion) müssen<br />

zur Folge haben, dass Schulen, deren<br />

Kinder hinter den Bildungszielen<br />

zurückbleiben, besonders und gezielt<br />

unterstützt werden. Dies gilt insbesondere<br />

für Schulen mit hoher Zahl sogenannter<br />

Risikokinder.<br />

Diese Schulen brauchen zusätzliche<br />

Kräfte, sozialpädagogische Fachkräfte,<br />

einen höheren Materialansatz und begleitendes<br />

Coaching für das pädagogische<br />

Personal. 15)<br />

Anmerkungen<br />

(1) Karl-Heinz Heinemann, Replik auf<br />

Christian Füller , in: »Der Freitag«, 1. 9. 2009<br />

(2) Ließmann, Konrad Paul (2006): Theorie<br />

der Unbildung. Die Irrtümer der Wissensgesellschaft,<br />

Wien: Zsolnay, S. 75 (2010 als<br />

Taschenbuch bei Pieper erschienen)<br />

(3) Bartnitzky, Horst (2007): Wie Vergleichsarbeiten<br />

die Unterrichtskultur beschädigen<br />

– 5 Thesen und eine Hoffnung. In: »<strong>Grundschule</strong><br />

<strong>aktuell</strong>«, Heft 99, Frankfurt am Main:<br />

Grundschulverband, S. 3 f.<br />

(4) Vgl. dazu Röbe, Edeltraud (2010): Ein<br />

pädagogischer Leistungsbegriff als Bedingung<br />

für einen erfolgreichen Kompetenzerwerb<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. Im Internet unter<br />

www.kphvie.ac.at/ fileadmin/Dateien_KPH/<br />

Kompetenzzentren/Grundschulpaedagogik/<br />

DV-Vortrag_Wien.pdf<br />

(5) Träbert, Detlef (2010): Druck machen<br />

– für mehr Menschlichkeit! In: »Humane<br />

Schule«, Mai-Heft 2010, S. 1 – 4.<br />

(6) Siehe dazu: Ladenthin, Volker (2010):<br />

Kompetenzorientierung als Indiz pädagogischer<br />

Orientierungslosigkeit. Im Internet<br />

unter http://www.bildung-wissen.eu/<br />

tagungen/Ladenthin-Kompetenzen_<br />

Koeln%202010-2.pdf<br />

(7) Bartnitzky, Horst (Neuauflage 2011):<br />

Sprachunterricht heute, Berlin: Cornelsen<br />

Scriptor, in Kap. 1, Abschnitt »Kompetenzbezug<br />

als didaktische Grundorientierung«.<br />

(8) Vgl. ebenda<br />

(9) von der Groeben, Annemarie (2010):<br />

Wir wollen Schule machen. Eine Streitschrift<br />

des Schulverbunds »Blick über den Zaun«,<br />

Opladen & Farmington Hills: Barbara<br />

Budrich, S. 36.<br />

(10) Ebenda<br />

(11) Ministerium für Schule und Weiterbildung<br />

NRW (2008): Handreichung:<br />

Kompetenzorientierung. Eine veränderte<br />

Sichtweise auf das Lehren und Lernen in<br />

der <strong>Grundschule</strong>, Frechen: Ritterbach<br />

(12) Ebenda<br />

(13) Röbe, Edeltraud, a. a. O.<br />

(14) Grundschulverband (2002): Bildungsansprüche<br />

von Grundschulkindern –<br />

Standards zeitgemäßer Grundschularbeit.<br />

Im Internet unter www.grundschulverband.<br />

de/bildungspolitik/bildungsstandards/<br />

tragfaehige-grundlagen/<br />

(15) Grundschulverband (2009): »Allen<br />

Kindern gerecht werden«. Acht Forderungen<br />

zur Bildungsgerechtigkeit. Im Internet unter<br />

www.grundschulverband.de/fileadmin/<br />

GSa_8-Forderungen_Web_90907.pdf<br />

6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Hans Brügelmann<br />

Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung:<br />

»gut« für wen und »kompetent« für was?<br />

Wie vereinbart habe ich euch<br />

hinten auf den Tisch einige Bücher gelegt, in denen<br />

ihr Herbstgedichte finden könnt. Sucht euch bis Ende der<br />

Woche ein Gedicht aus, das euch besonders gut gefällt. Schreibt<br />

am Computer auf, warum ihr es gewählt habt. Übt das Gedicht in der<br />

kommenden Woche, so dass ihr es uns am nächsten Freitag im Kreis<br />

vortragen könnt. Lernt es danach auswendig, so dass ihr<br />

es zum Erntedank in der Schulversammlung vortragen<br />

könnt.<br />

Ihr habt 10 Minuten.<br />

Schreibt möglichst viele Wörter, in denen<br />

hinter dem Selbstlaut zwei Mitlaute stehen.<br />

Überlegt mit eurem Nachbarn, was diese Wörter<br />

gemeinsam haben.<br />

Sucht in eurer letzten Geschichte<br />

drei bis sechs Wörter, die ihr falsch geschrieben habt,<br />

die ihr aber häufiger braucht. Nehmt die Karten in eure<br />

5-Fächer-Kartei und lasst euch jeden Tag zehn Wörter aus<br />

der Kartei in Partner arbeit diktieren.<br />

Sind das »gute« Aufgaben – und nach<br />

welchen Kriterien lässt sich das beurteilen?<br />

Die besten Aufgaben sind sicher<br />

die, die sich ein Kind selbst<br />

stellt: wenn es etwas aus Neugier<br />

erforscht, eine aufzuteilende Menge<br />

von Gegenständen berechnet, einen<br />

Brief schreibt. Ein solches persönliches<br />

Interesse ist der stärkste Motor des Lernens.<br />

Aber manche Kinder äußern und verfolgen<br />

von sich aus keine eigenen Ideen.<br />

Auch bringen nicht alle in die Schule<br />

die Motivation und die Fähigkeit mit,<br />

sich selbst Neues anzueignen. Während<br />

andere in ihren Familien positive<br />

Erfahrungen bei der Bewältigung von<br />

neuen Anforderungen machen, müssen<br />

sie im Unterricht erst wieder Mut fassen<br />

und zudem lernen, sich selbst zu organisieren.<br />

Darum gibt es Schule. Sie kann Fenster<br />

in unbekannte Welten eröffnen. 1)<br />

Zu ihren etablierten Aufgaben gehört,<br />

Allgemeinbildung zu ermöglichen.<br />

Entsprechende pädagogische Konzepte<br />

(z. B. von Heymann 1997) richten die<br />

Aufmerksamkeit auf zentrale Zielperspektiven,<br />

auf die im Unterricht zu achten<br />

ist. Der <strong>aktuell</strong>e Paradigmenwechsel<br />

von der Inhalts- zur Kompetenz-Orientierung<br />

kann diesen Blick schärfen.<br />

Der Anspruch, Erwerb von Wissen und<br />

Können zu ermöglichen, ist allerdings<br />

etwas anderes als die verbreitete Forderung,<br />

Unterricht müsse und könne das<br />

Erreichen bestimmter Lernziele sichern.<br />

Eine solche Output-Fixierung verkennt<br />

die Eigenlogik menschlicher Erfahrung.<br />

Die mit ihr geweckten Hoffnungen und<br />

die damit verknüpften Erwartungen an<br />

die Schule und an die einzelne Lehrperson<br />

sind illusionär.<br />

Denn eine rein instrumentelle Sicht<br />

von Unterricht greift zu kurz: Sie überschätzt<br />

die »Machbarkeit« von Lernen<br />

und sie übersieht die Nebenwirkungen<br />

eines technologischen Verständnisses<br />

von Unterricht (vgl. zur Relativierung<br />

des Anspruchs von Bildungsstandards<br />

und der mit ihnen verknüpften Kompetenztests<br />

den Kasten auf Seite 10).<br />

Eine der problematischsten Nebenwirkungen<br />

ist das Missverständnis (oder<br />

der Missbrauch …) von Prüfungsaufgaben<br />

als Lernaufgaben. Verlagsangebote<br />

wie »PISA fit« oder »VERA 3 – Übungsaufgaben<br />

mit Lösungen« nähren dieses<br />

Missverständnis bewusst. Die häufige<br />

Folge ist ein inhaltsloses Einschleifen<br />

von Aufgabenmustern, das vielleicht<br />

testwise macht, aber nicht dazu beiträgt,<br />

dass Kinder sich ein im Alltag belastbares<br />

Wissen und Können aneignen.<br />

Wenn wir nach »guten« Aufgaben<br />

suchen, müssen wir also unterscheiden:<br />

von den Lernaufgaben zunächst einmal<br />

die Prüfungsaufgaben. Zeitvorgaben<br />

sind bei letzteren oft unvermeidlich. Sie<br />

verringern aber die Bereitschaft zum<br />

eigenständigen Denken und Probieren.<br />

Beeinträchtigt wird diese auch durch<br />

die zunehmende Tendenz, die Durchführung<br />

und Auswertung von Aufgaben<br />

zu standardisieren, um eine höhere<br />

Vergleichbarkeit zu sichern, und das mit<br />

ihr verbundene Falsch-Richtig-Schema.<br />

Kompetenztests können Leistungssituationen<br />

zudem nur simulieren. Sie<br />

liefern Hinweise auf verfügbares Wissen<br />

und Können, erfassen diese aber nicht<br />

direkt. Schon die hohe Korrelation von<br />

Mathematik- und Lesetests bei PISA<br />

offenbart das Problem: Die sprachliche<br />

Darstellung der konstruierten Anwendungskontexte<br />

verlangt zusätzlich zu<br />

den fachlichen weitere Kompetenzen,<br />

deren (Nicht-)Vorhandensein erstere im<br />

Ergebnis überlagern.<br />

Begleitende Lernbeobachtungen erlauben<br />

eher als punktuelle Tests, die<br />

Entwicklung von Wissen und Können<br />

zu erfassen. Insofern betrifft Kompetenzorientierung<br />

noch ein weiteres<br />

Qualitätsmerkmal von Aufgaben: dass<br />

nicht nur die Kinder etwas über die Sache,<br />

sondern auch die Lehrer/innen etwas<br />

über die Kinder lernen sollten. Sind<br />

die Aufgaben klar auf bestimmte Leistungen<br />

hin orientiert, kann aus ihrer<br />

Bewältigung bzw. aus den Fehlern auf<br />

spezifische Schwierigkeiten geschlossen<br />

werden. Beobachtungsbögen wie in<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

7


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Abb. 1 machen diese Zuordnung transparent<br />

und erleichtern damit die Dokumentation<br />

der individuellen Lernwege.<br />

Mit unserem Konzept der integrierten<br />

Beobachtungs- und Lernaufgaben (vgl.<br />

Brügelmann 2011) haben wir für den<br />

Schriftspracherwerb am Schulanfang<br />

versucht, diesen Ansatz systematisch<br />

zu konkretisieren. Analoge Ansätze<br />

finden sich für den Mathematikunterricht<br />

bei Sundermann / Selter (2005)<br />

im SINUS-Programm und für die<br />

anderen Fächer in den Beiträgen zur<br />

»Pädagogischen Leistungskultur« des<br />

Grundschulverband (vgl. Bartnitzky<br />

u. a. 2005 – 2007).<br />

Prüfungsaufgaben machen als Lernaufgaben<br />

nur insoweit Sinn, als sie dazu<br />

beitragen können, Testangst abzubauen<br />

und Schüler/innen auf typische Anforderungen<br />

vorzubereiten, so dass nicht<br />

äußere Bedingungen die Leistung beeinträchtigen.<br />

2) Je mehr von den Ergebnissen<br />

der Prüfung aber abhängt für<br />

Schüler/innen und ihre Lehrer/innen,<br />

desto mehr dominieren deren Muster<br />

auch den Stil des Unterrichts. Man kann<br />

dies im Gefolge von zentralen Prüfungen<br />

und Lernstandserhebungen tagtäglich<br />

erleben. Es ist schwer für Lehrer/<br />

innen, diesem Trend zu widerstehen.<br />

Umso wichtiger ist Klarheit darüber,<br />

durch welche Merkmale sich lernträchtige<br />

Aufgaben auszeichnen.<br />

Bei diesen werden gemeinhin drei<br />

Typen unterschieden, die ihrerseits unterschiedliche<br />

Anforderungen stellen: 3)<br />

Neues zu lernen (»Lernaufgaben« im<br />

engeren Sinn) verlangt andere Bedingungen,<br />

als Gelerntes zu automatisieren<br />

(»Übungsaufgaben«), und noch einmal<br />

anders sieht es aus, wenn im Unterricht<br />

Abb. 1: Beobachtungsbogen zum Stand von Teilleistungen<br />

erworbenes Wissen oder Können auf<br />

neue Situationen angewandt werden<br />

soll (»Transferaufgaben«).<br />

Hinter dieser Aufteilung steht ein<br />

Phasenmodell, dessen Gültigkeit davon<br />

abhängt, wie stark die Lernsituation aus<br />

dem Alltagskontext herausgelöst wird,<br />

so dass ein Transfer-Problem überhaupt<br />

erst entsteht. Dies muss nicht sein, wie<br />

die sog. Fermi-Aufgaben im Mathematikunterricht<br />

zeigen (s. das Beispiel<br />

in Abb. 2). Sie können vielfältige Fragen<br />

auslösen, die eng an die Alltagserfahrung<br />

angebunden sind, aber deren<br />

mathematische Modellierung und<br />

Verrechnung verlangen (s. Abb. 3). Das<br />

Abb. 2: Beispiel für eine Fermi-Aufgabe<br />

Abb. 3: Durch die Fermi-Aufgabe provozierte Fragen<br />

8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Die Zeitschrift für die<br />

Schule von morgen<br />

GRUNDSCHULE<br />

MAGAZIN FÜR AUS- UND WEITERBILDUNG<br />

GRUNDSCHULE ist die Zeitschrift für Ihr ganzes (Berufs-)Leben!<br />

Mit ihren innovativen, reformorientierten Beiträgen steht sie für die<br />

Schule von morgen – unverzichtbar für die ständige Weiterbildung.<br />

15% Rabatt*<br />

für Mitglieder des Grundschulverbandes<br />

Der Blick über den Zaun …<br />

… ist wesentliche Voraus setzung, um auf dem Laufenden zu bleiben.<br />

In jedem Heft finden Sie:<br />

einen Themenschwerpunkt mit den wichtigsten<br />

Fakten zur zeitgemäßen Pädagogik,<br />

Methodik und Didaktik<br />

inspirierende Unterrichtsanregungen<br />

Informationen über die <strong>aktuell</strong>en bildungspolitischen<br />

Diskussionen<br />

Anregungen zur Schulentwicklung – insbesondere<br />

unter dem Fokus „Inklusive Schule“<br />

praktikable Möglichkeiten zur Diagnostik<br />

und differenzierten Förderung<br />

Die Themen 2011:<br />

– Geometrie<br />

– „Lehrer werden – Lehrer bleiben“<br />

– Erzählen<br />

– VERA<br />

– Theater/Musik/Darstellendes Spiel<br />

– Sachunterricht: Lernwerkstätten<br />

– Literarische Bildung<br />

– Mathematik: Allgemeine Kompetenzen<br />

(Kommunizieren, Problemlösen)<br />

– Arbeitsblätter: Aufgaben entwickeln/<br />

Aufgaben beurteilen<br />

Erscheinungsweise/Preise:<br />

GRUNDSCHULE<br />

erscheint monatlich (die Ausgabe 7/8<br />

als Sommerdoppelausgabe).<br />

*Mitglieder des<br />

Grundschulverbands<br />

erhalten 15% Rabatt auf den<br />

regulären Abo-Preis und<br />

zahlen somit nur 74,80 €<br />

jährlich.<br />

Jahresabonnement für<br />

Privatpersonen/Institutionen:<br />

88,00 € (D) / 90,20 € (A) / 159,50 CHF<br />

Jahresabonnement<br />

für Studierende/Referendare:<br />

60,50 € (D) / 62,70 € (A) / 115,50 CHF<br />

Alle Preisangaben zzgl. Versandkosten.<br />

Lieferung solange der Vorrat reicht!<br />

Stand: 01.01.2011<br />

Preisänderungen und Irrtümer<br />

vorbehalten<br />

Weitere Informationen finden Sie unter:<br />

www.die-grundschule.de<br />

Bestellen Sie einfach und schnell per<br />

Telefon:<br />

0531-708-8631<br />

Telefax:<br />

0531-708-617<br />

E-Mail:<br />

abo-bestellung@westermann.de<br />

Post:<br />

BMS<br />

Bildungsmedien Service GmbH<br />

Zeitschriftenvertrieb<br />

Postfach 3320<br />

38023 Braunschweig<br />

FACHZEITSCHRIFTEN IM NETZ<br />

Die Suchmaschine für Ihren Unterricht<br />

Westermann-fin.de bietet Ihnen zielgenauen Zugriff auf<br />

rund 8.000 didaktische Beiträge mit direkt einsetzbaren<br />

Arbeitsblättern. Überzeugen Sie sich von der Qualität<br />

unserer Suche und unserer Materialien!<br />

www.westermann-fin.de<br />

Immer auf dem Laufenden bleiben.<br />

Abonnieren Sie den kostenlosen Westermann<br />

Fachzeitschriften-Newsletter und freuen Sie sich<br />

regelmäßig über <strong>aktuell</strong>e Informationen und<br />

erprobte Materialien, die Sie bei der Unterrichtsgestaltung<br />

in der <strong>Grundschule</strong> unterstützen.<br />

www.westermann.de/fz-newsletter<br />

GRU_PK_2011


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Lernen ist direkt in Anwendungskontexte<br />

eingebunden, so dass Transferprobleme<br />

erst gar nicht entstehen. Zudem<br />

ermöglicht die offene Form dieser<br />

Aufgabe eine Individualisierung »von<br />

unten«, indem die Kinder selbst den<br />

inhaltlichen Zugang und das Niveau<br />

der Bearbeitung wählen – ein wichtiges<br />

Kriterium für »gute« Lernaufgaben.<br />

Auch Übung kann in dieser Dimension<br />

unterschiedlich organisiert werden.<br />

Am einen Ende des Kontinuums<br />

steht die kontextfreie Wiederholung in<br />

eigens konstruierten Aufgaben (z. B.<br />

mit der 5-Fächer-Kartei, um das Lesen<br />

bzw. Schreiben von häufigen Wörtern<br />

zu automatisieren). Wenn Kinder sich<br />

andererseits nach eigenem Interesse<br />

Bücher für die freie Lesezeit suchen,<br />

kommt es zu einem beiläufigen »Üben<br />

im Gebrauch«, das in die Alltagshandlung<br />

eingebettet ist.<br />

Damit wird ein wichtiger Ertrag der<br />

Kompetenzdiskussion deutlich: Aufgaben<br />

sollten so gestaltet sein, dass die<br />

Handlungsfähigkeit im Alltag gestärkt<br />

wird. Ein zweiter Anspruch bezieht<br />

sich auf die didaktische Zurichtung<br />

der Aufgabe: Was können SchülerInnen<br />

nach Bearbeitung der Aufgabe<br />

besser als vorher? Es reicht eben nicht,<br />

dass sie »Spaß« an ihrer Bearbeitung<br />

haben. Motivation ist nur ein Aspekt<br />

guter Aufgaben. Nicht minder wichtig<br />

ist die Anforderung, dass die Aufgabe<br />

sinnvolle Erfahrungen ermöglicht. An<br />

solchen fachdidaktischen Begründungen<br />

mangelt es oft. Selbst oberflächlich<br />

gleiche Aufgaben können ganz unterschiedliche<br />

Leistungen erfordern –<br />

Abb. 4: Lesekrokodil<br />

und fördern. Nehmen wir das beliebte<br />

»Lesekrokodil« (s. Abb. 4). Traditionell<br />

wurde es als sog. »Synthese«-Aufgabe<br />

eingesetzt: »Benenn die Buchstaben<br />

und zieh die Laute zusammen!« Damit<br />

werden die Kinder in die Falle der<br />

Kunstlautung eines linearen Erlesens<br />

»von unten nach oben« gelockt. Sie<br />

entwickeln eine einseitige und damit<br />

Leistungsstandards und Kompetenztests<br />

Die Probleme mit den KMK-Standards lassen<br />

sich in fünf Thesen zusammenfassen:<br />

●●<br />

Es handelt sich um (Fach-)Leistungsstandards<br />

– nicht um Bildungsstandards.<br />

●●<br />

Sie beschränken sich auf die Zielebene<br />

(»Output«) – liefern keine Kriterien für die<br />

Qualität von Lehr-/Lernprozessen.<br />

●●<br />

Die Lernstandserhebungen reduzieren<br />

sie weiter auf das Testbare – statt den<br />

Unterricht pädagogisch anzuregen und<br />

herauszufordern.<br />

●●<br />

Die Auswertung orientiert sich einseitig<br />

an der sozial vergleichenden Bezugsnorm<br />

– statt dass die individuelle<br />

Leistungsentwicklung ausgewiesen und<br />

honoriert würde.<br />

●●<br />

Als Regelstandards errichten sie Selektionshürden<br />

– statt Anstrengungen<br />

zur optimalen Entfaltung der individuell<br />

unterschiedlichen Möglichkeiten zu fördern.<br />

Das Kernproblem aber ist die enge Anbindung<br />

der Standards an Tests, und deren<br />

Einsatz in einem Kontrollkontext, so<br />

dass sowohl LehrerInnen als auch SchülerInnen<br />

zu Täuschungsversuchen verleitet<br />

werden. Formulierungen wie das<br />

Versprechen einer Schulministerin an die<br />

Eltern der ViertklässlerInnen bei der Einführung<br />

von VERA »Jetzt wissen Sie, wo<br />

Ihr Kind wirklich steht!« suggerieren einen<br />

Autoritätsanspruch, dem Tests nicht<br />

gerecht werden können. Der berechtigte<br />

Widerstand von Lehrerinnen gegen eine<br />

solche Entmündigung kann dann leider<br />

auch dazu führen, dass sinnvolle Funktionen<br />

von Standards und Tests nicht mehr<br />

gesehen und ihr Einsatz ganz verweigert<br />

wird.<br />

Der inzwischen gängige Vorwurf fehlender<br />

Diagnosekompetenz (z. B. bei<br />

den Empfehlungen am Ende der Grundschulzeit)<br />

vereinfacht komplexe Wahrnehmungs-<br />

und Beurteilungsprozesse<br />

unzulässig. Wenn Lehrerurteil und Testergebnis<br />

differieren, wird fast selbstverständlich<br />

unterstellt, dass die Einschätzungen<br />

der PraktikerInnen falsch sind.<br />

Könnte es nicht auch umgekehrt sein,<br />

dass die<br />

●●<br />

nur punktuellen<br />

●●<br />

inhaltlich ausschnitthaften<br />

●●<br />

in der Aufgabenform künstlichen<br />

Tests in vielen Fällen irren?<br />

Dazu in Stichwortform einige Fragen (vgl.<br />

zum Folgenden Brügelmann 2008, wo<br />

auch die empirischen Befunde im Einzelnen<br />

nachgewiesen sind).<br />

Wie sicher ist die ökologische<br />

Validität von Tests?<br />

In unserer LUST-Studie mit dem Stolperwörter-Lesetest<br />

für GrundschülerInnen<br />

erreichen mehr als 10 Prozent der Handwerker<br />

in Meisterkursen nur das Durchschnittsniveau<br />

von ViertklässlerInnen;<br />

selbst von LehrerInnen in Fortbildungen<br />

lesen einige im Test nicht schneller und<br />

fehlerfreier als durchschnittliche ViertklässlerInnen.<br />

Was bedeuten solche Ergebnisse<br />

im Beruf erfolgreicher Erwachsener<br />

für die Relevanz von Ergebnissen<br />

in Leistungstests für Anforderungen in<br />

Alltagssituationen?<br />

Wie weit ist es her mit der prognostischen<br />

Vorhersagekraft von Tests?<br />

Von den 15-jährigen SchülerInnen, die<br />

bei PISA in Dänemark als »Illiterates« klassifiziert<br />

wurden, haben 20 Prozent den<br />

Sekundarschulabschluss erreicht; von<br />

denen, die in Kanada auf Stufe 1 oder darunter<br />

lagen, haben 62 Prozent den High-<br />

School-Abschluss gemacht. Selbst wenn<br />

man seine Zweifel an den Anforderungen<br />

in manchen Examina hat: Was bedeuten<br />

solche Befunde für die diagnostische<br />

Funktion von Lernstandserhebungen<br />

und zentralen Abschlussprüfungen?<br />

Wie verlässlich sind die in einzelnen<br />

Tests gewählten Indikatoren?<br />

In internationalen Lesestudien landen<br />

die USA in den letzten knapp 20 Jahren<br />

je nach Altersgruppe und Instrument im<br />

Vergleich mit denselben Ländern auf höheren,<br />

etwa gleichen oder niedrigeren<br />

Rangplätzen. Im US-internen National Assessment<br />

of Educational Progress (NAEP)<br />

sind die Leseleistungen über die letzten<br />

30 Jahre hinweg fast auf den Punkt genau<br />

konstant geblieben. Was bedeutet diese<br />

Differenz für die Reichweite von Testergebnissen<br />

– insbesondere als Grundlage<br />

für Qualitätsurteile über Schulsysteme –<br />

und Schulen?<br />

10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Allgemeine Fragen an die<br />

Gestaltung von Aufgaben<br />

Bei der Gestaltung / Auswahl von Aufgaben für die<br />

Freiarbeit sind folgende Gesichtspunkte hilfreich:<br />

1. Motivationsqualität:<br />

Welche Merkmale der Aufgabe können Kinder<br />

motivieren, sich mit ihr zu befassen?<br />

2. Passung auf den individuellen<br />

Könnens- / Wissensstand:<br />

Welche spezifischen Kompetenzen setzt ein<br />

erfolgreicher Umgang mit der Aufgabe voraus?<br />

3. Relevanz für das beabsichtigte Ziel:<br />

Welche Erfahrungen sollen durch die Aufgabe<br />

ermöglicht werden?<br />

4. Klärung der Lösungswege:<br />

Welche Lösungswege sollen / können bei der<br />

Bearbeitung der Aufgabe gegangen werden?<br />

5. Sicherung selbstständigen Arbeitens:<br />

Ermöglicht die Gestaltung der Aufgabe,<br />

dass Kinder sie ohne fremde Hilfe bearbeiten?<br />

6. Geeignete Arbeitsformen:<br />

Sind erforderliche Hilfsmittel verfügbar und<br />

die erwarteten Sozialformen eingeführt?<br />

7. Überprüfbarkeit des Ergebnisses:<br />

Welche Möglichkeiten werden den Kindern<br />

zur selbständigen Ergebniskontrolle gegeben?<br />

(im Anschluss an: Potthoff 1990, S. 58 – 59, der<br />

entsprechende Kriterien für didaktische Materialien<br />

formuliert hat)<br />

Kriterien für die<br />

Gestaltung von Übungsaufgaben<br />

●●<br />

Informationsaufnahme ist noch nicht Lernen. Etwas Neues<br />

gelernt haben wir erst, wenn es uns auch noch später zur<br />

Verfügung steht.<br />

●●<br />

Aktives Erinnern ist effektiver als (passives) Wiederlesen oder<br />

Wiederhören.<br />

●●<br />

Erkennen von Sinn und Verbinden mit positiven Gefühlen<br />

erleichtern das dauerhafte Lernen.<br />

●●<br />

Automatisierung ist nur durch kognitiv kontrolliertes und<br />

häufiges Üben zu erreichen. Dies gilt gleichermaßen für das<br />

Erlernen eines Musikinstruments, sportlicher Bewegungsabläufe<br />

und für die Schule.<br />

●●<br />

Bedeutungshaltige Information wird schneller gelernt und<br />

besser behalten als von Kontexten befreite Information<br />

(z. B. sinnlose Silben).<br />

●●<br />

Beim Einprägen von Fakten (Einmaleins, Vokabeln,…) ist<br />

Überlernen sinnvoll, um einen schnellen Abruf zu ermöglichen.<br />

●●<br />

Beim Training komplexer Fertigkeiten (Musikinstrument,<br />

Hochsprung, Aufsatzschreiben) werden Experten benötigt, die<br />

durch die Analyse guter Beispiele und konkrete Verbesserungshilfen<br />

den Lernprozess effektiv gestalten.<br />

●●<br />

Verteiltes Üben ist i. d. R. sinnvoller als massiertes Üben.<br />

●●<br />

Schüler sollten erarbeitete Inhalte aktiv verarbeiten können<br />

und daher entsprechende Strategien kennen lernen.<br />

●●<br />

Übungen versprechen den größten Lernerfolg und höhere<br />

Lernfreude, wenn sie in ansteigendem (nicht in mittlerem)<br />

Schwierigkeitsgrad präsentiert werden.<br />

●●<br />

Üben ist umso erfolgversprechender, je schneller eine Rückmeldung<br />

über die Lösung und Hinweise zu möglichen Lösungswegen<br />

erfolgen.<br />

(aus: Wellenreuther 2004, S. 109 – 160, leicht redigiert)<br />

fehlerträchtige Lesestrategie. Erfolgreich<br />

kann Lesen nur werden, wenn es<br />

die Entschlüsselung der Buchstabenkette<br />

mit einer aktiven Sinnerwartung<br />

verknüpft (s. die Bilderzeile oben in<br />

Abb. 4). Eine kleine Umformulierung<br />

der Aufgabe wird dieser fachdidaktischen<br />

Pointierung gerecht: Nach dem<br />

Herausziehen eines jeden (weiteren)<br />

Buchstabens werden die Kinder gefragt:<br />

»Welches Wort kann das (jetzt<br />

noch) werden?«<br />

Seit Jahren gehören Memorys mit<br />

Schrift in unterschiedlichen Varianten<br />

zum Standardrepertoire des Anfangsunterrichts.<br />

Aber nicht immer ist den<br />

Lehrer/inne/n deutlich, was Kinder eigentlich<br />

lernen, wenn sie die eine oder<br />

die andere Form spielen. Welche Variante<br />

für welchen Entwicklungsstand<br />

angemessen ist, hängt nämlich von der<br />

konkreten Ausgestaltung des Spiels ab,<br />

wie die folgenden Beispiele zeigen (vgl.<br />

zu weiteren Varianten Brinkmann /<br />

Brügelmann 2010, S. 22):<br />

●●<br />

Das »gezinkte Memory« kann im<br />

Kindergarten oder am Schulanfang eingesetzt<br />

werden. Die Bilder liegen – wie<br />

üblich – verdeckt unten, auf der sichtbaren<br />

Oberfläche steht aber zusätzlich das<br />

entsprechende Schriftwort, möglichst<br />

in der Form von Minimalpaaren wie<br />

WAL/WALD oder KIRCHE/KIRSCHE.<br />

Schriftunkundige Kinder betrachten<br />

die Schrift als bloßes Ornament, sie<br />

spielen dieses Memory, ohne die Hilfe<br />

zu nutzen. Wenn sie anfangen, auf die<br />

Schrift zu achten, fallen sie zunächst oft<br />

auf ähnliche Wörter herein – und lernen<br />

dadurch, die Buchstabenfolge genau<br />

und vollständig abzutasten.<br />

●●<br />

Einen Schritt weiter – zur inneren<br />

Anschauung – führt die Variante, in<br />

der die Pärchen aus Schriftwörtern<br />

bestehen, die (statt der Bilder) auf der<br />

Unterseite der Karten stehen, also beim<br />

Spielen verdeckt sind. Um die passenden<br />

Karten zu finden, müssen die Kinder<br />

sich beim Aufdecken dann nicht nur<br />

den Ort, sondern auch die Buchstabenfolgen<br />

genau merken – vor allem, wenn<br />

es wieder Minimalpaare gibt. Lautung<br />

oder Bedeutung der Wörter sind dagegen<br />

noch irrelevant.<br />

●●<br />

Dies wird erst bedeutungsvoll in der<br />

noch anspruchsvolleren Spielform, wenn<br />

die verdeckten Pärchen aus je einem<br />

Schriftwort und dem dazu passenden<br />

Bild bestehen. Die Zuordnung von Wort<br />

zu Bild erfordert bereits ein bedeutungsorientiertes<br />

(Er-)Lesen des Wortes.<br />

Kompetenzorientierung verlangt also<br />

gerade bei Aufgaben, die in Spiele oder<br />

Anwendungskontexte eingebettet sind,<br />

dass man sich über mögliche Lernerträge<br />

(und ihren Wert) genau Rechenschaft<br />

ablegt.<br />

Das betrifft auch die fachübergreifenden<br />

Kompetenzen. Ist die Aufgabe so<br />

gestaltet, dass ein selbstständiges Arbeiten<br />

gefordert – aber auch ermöglicht<br />

wird? Wer Karteien oder andere Freiarbeitsmaterialien<br />

einsetzt, weiß, wie<br />

wichtig<br />

––<br />

eine klare Aufgabenstellung,<br />

––<br />

eingeführte Symbole und<br />

––<br />

vertraute Formate<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

11


Thema: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Prof. Dr. Hans Brügelmann<br />

Professor für Grundschulpädagogik<br />

und -didaktik an der Universität Siegen.<br />

Im Grundschulverband Fachreferent<br />

für Qualitätsentwicklung<br />

sind, damit die inhaltlich-methodischen<br />

Anforderungen nicht durch technischorganisatorische<br />

Probleme überlagert<br />

werden (s. auch die Kriterien im Kasten<br />

auf Seite 11).<br />

Kompetenzorientierung hat also zwei<br />

Seiten: angezielte Erträge der Aufgabe,<br />

aber auch die Voraussetzungen zu ihrer<br />

Bewältigung – die wiederum Einfluss<br />

auf die möglichen Erträge haben.<br />

Insofern sind auch die Ergebnisse von<br />

Prüfungsaufgaben mehrdeutig. Anders<br />

gesagt: Dieselbe Lösung kann auf unterschiedliche<br />

Kompetenzen verweisen<br />

– je nachdem, ob sie von dem einzelnen<br />

Kind als verfügbares Wissen abgerufen,<br />

aus einem anderen Bereich transferiert<br />

oder als <strong>aktuell</strong>e Problemlösung situativ<br />

entwickelt worden ist. Der Aufgabenlösung<br />

als Produkt sieht man diese<br />

Unterschiede nicht ohne Weiteres an.<br />

Insofern sind Prüfungsaufgaben zu bevorzugen,<br />

die eine Dokumentation des<br />

Lösungswegs verlangen – wie z. B. die<br />

Nebenrechnungen bei der Bearbeitung<br />

einer Mathematikaufgabe oder die Entwürfe<br />

beim Verfassen von Texten. Und<br />

da, wo noch Diktate geschrieben werden,<br />

macht die anschließende Selbst-<br />

Korrektur mit Hilfe eines Wörterbuchs<br />

oder das Unterstreichen der richtigen<br />

Schreibweise von Wörtern, die falsch<br />

geschrieben waren, in der Musterlösung<br />

solche Denkprozesse transparent.<br />

Lernen bedeutet aber nicht nur Verstehen,<br />

sondern auch Behalten. Für Teilleistungen<br />

wie Buchstabenkenntnis oder<br />

Erkennen häufiger Wörter erfordert<br />

dies Automatisierung durch Wiederholung,<br />

damit sie sozusagen bewusst-los<br />

verfügbar sind und in der Folge Aufmerksamkeit<br />

für höhere Leistungen wie<br />

Textverständnis verfügbar wird. Bereits<br />

Odenbach (1963) hat auf der Basis<br />

psychologischer Erkenntnisse wichtige<br />

Kriterien für die Gestaltung von derartigen<br />

Übungsaufgaben formuliert. Eine<br />

<strong>aktuell</strong>e Zusammenfassung findet sich<br />

bei Wellenreuther (2004, S. 109 – 160),<br />

aus der ich die wichtigsten Punkte im<br />

Kasten auf Seite 11 übernommen habe.<br />

Sie machen typische Unterschiede zu<br />

den Lernaufgaben deutlich.<br />

Für deren Gestaltung halte ich abschließend<br />

folgende Kriterien als besonders<br />

wichtig fest (die auch in die<br />

Eingangsbeispiele eingegangen sind):<br />

––<br />

Aufgaben sollten Lernen möglichst<br />

»im Gebrauch« ermöglichen, also<br />

auch einen Sinn in sich tragen (»Alltagsrelevanz«),<br />

wie beispielsweise das<br />

freie Schreiben oder die Rezension<br />

von gelesenen Texten für andere;<br />

––<br />

ihr Lernpotenzial ist fachdidaktisch<br />

überzeugend zu begründen – als<br />

Lernchance, nicht deterministisch<br />

gedacht wie in den behavioristischen<br />

Lernziel-Konzepten der 1970er Jahre,<br />

und z. T. auch heute wieder in einer<br />

zu eng verstandenen Kompetenzorientierung;<br />

––<br />

die Aufgaben sollten so offen sein,<br />

dass Schüler mit verschiedenen Voraussetzungen<br />

Unterschiedliches lernen<br />

können;<br />

––<br />

ihre Bearbeitung soll nicht nur fachliche<br />

Leistungen, sondern auch<br />

Grundkompetenzen wie Selbstorganisation,<br />

Zusammenarbeit und Metareflexion<br />

fördern.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Vgl. die eindrucksvollen Erinnerungen<br />

von Helmut und Loki Schmidt in DIE ZEIT<br />

(2008, S. 29, 32) und Schmidt (2005).<br />

(2) Vgl. Brinkmann (2011).<br />

(3) Zu den besonderen Anforderungen<br />

an Lernsoftware: Brinkmann u. a. (2003,<br />

S. 121– 123 und 124 – 130).<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, H., u. a. (Hrsg.) (2005 / 2006 / 2007):<br />

Pädagogische Leistungskultur: Materialien<br />

für Klasse 1/2 und Klasse 3/4. Beiträge zur<br />

Reform der <strong>Grundschule</strong>, Bd. 119 / 121 / 124.<br />

Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

Brinkmann, E. (2010): Üben für den Ernstfall.<br />

Tipps und Tricks für das Schreiben von<br />

Diktaten. In: Grundschulzeitschrift, 24. Jg.,<br />

Nr. 235/236, S. 36 – 37.<br />

Brinkmann, E. / Brügelmann, H. (2010):<br />

Ideen-Kiste Schriftsprache 1 (mit didaktischer<br />

Einführung »Offenheit mit Sicherheit«).<br />

Hamburg: Verlag für pädagogische Medien<br />

(8. völlig neu bearb. Aufl.; 1. Aufl. 1993).<br />

Brinkmann, E. u. a. (Hrsg.) (2003): Selbstständiges<br />

Lernen und Individualisierung »von<br />

unten«. Alte und neue Medien als Herausforderung<br />

und Hilfe in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Arbeitsgruppe Primarstufe / FB 2 der Universität:<br />

57068 Siegen (2. Aufl. 2007).<br />

Brinkmann, E., u. a. (2008ff.): ABC-Lernlandschaft.<br />

Seelze: Lernbuch-Verlag / Friedrich.<br />

Brügelmann, H. (2008a): Fieber genau zu<br />

messen ist noch keine Diagnose, Fieber<br />

erfolgreich zu senken keine Therapie. Wie<br />

Leistungstests in ihren Leistungsmöglichkeiten<br />

durch PISA & Co überfordert werden.<br />

Beitrag zum Forum »Schule ist mehr als<br />

PISA – Zur Bedeutung reformpädagogischer<br />

Ansprüche an die schulische Bildung von<br />

heute« der ZEIT-Stiftung in Hamburg am<br />

6./7. März 2008.<br />

www.agprim.uni-siegen.de/printbrue/<br />

brue.08a.pisa_refpaed2.pdf<br />

Brügelmann, H. (2011): Individuell beobachten<br />

statt (bloß zu) testen. »Können«<br />

und »Wissen« erschließen sich erst unter<br />

der Oberfläche des Verhaltens. In: de Boer,<br />

H. / Reh, S. (Hrsg.) (2011): Beobachtung in<br />

der Schule – Beobachten lernen. Wiesbaden:<br />

VS Verlag für Sozialwissenschaften (in Vorb.).<br />

DIE ZEIT (2008): Helmut Schmidt.<br />

Würdigungen, Essays und Glückwünsche<br />

zum 90. Geburtstag. Zweiter Teil:<br />

Der Publizist und Privatmann.<br />

Beilage zu: Die Zeit v. 17. 12. 2008.<br />

Heymann, H. W. (Hrsg.) (1997): Allgemeinbildung<br />

und Fachunterricht. Hamburg:<br />

Bergmann + Helbig.<br />

Kaufmann, S. (2006): Fermi-Kartei. Materialkommentar.<br />

In: Grundschulzeitschrift, 20. Jg.<br />

2005, H. 191, 20 (Kartei als Einlage).<br />

Odenbach, K. (1963): Die Übung im Unterricht.<br />

Braunschweig: Westermann Taschenbuch<br />

S 1 (6. Aufl. 1974).<br />

Potthoff, W. (1990): Grundlage und Praxis der<br />

Freiarbeit. Freiburg: Reformpädagogischer<br />

Verlag Jörg Potthoff (3. Aufl.).<br />

Schmidt, L. (2005): Mein Leben für die<br />

Schule. Im Gespräch mit Reiner Lehberger.<br />

Hamburg: Hoffmann und Campe.<br />

Sundermann, B. / Selter, C. (2005): Mathematikleistungen<br />

feststellen, beurteilen und<br />

fördern. Beschreibung des Moduls 9 für das<br />

Projekt SINUS-Transfer <strong>Grundschule</strong><br />

www.sinus-grundschule-de / [Abruf: 13.1.06]<br />

Wellenreuther, M. (2004): Lehren und Lernen<br />

– aber wie? Empirisch-experimentelle<br />

Forschungen zum Lehren und Lernen im<br />

Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag<br />

Hohengehren.<br />

12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Ralph Thielbeer<br />

Gute Aufgaben =<br />

guter Mathematikunterricht?<br />

Können Mathematikaufgaben dazu beitragen, Unterricht zu verändern? Welche<br />

Bedingungen benötigt ein zeitgemäßer Mathematikunterricht und welche<br />

Rolle spielt die Lehrkraft in diesem Gefüge? Mit diesen und ähnlichen Fragen<br />

beschäftigen sich die Experten nicht erst seit PISA und Co. Die Ergebnisse<br />

<strong>aktuell</strong>er Studien, wie PISA 2009, geben Anlass zu der Hoffnung, dass die<br />

seit langem geforderten Reformen des Mathematikunterrichts langsam Wirkung<br />

zeigen. Eigene Erfahrungen scheinen aber zu bestätigen, dass an vielen<br />

Schulen nach wie vor ein Mathematikbild vorherrscht, das einen traditionellen<br />

Mathematikunterricht bestärkt.<br />

Gekennzeichnet wird ein solcher<br />

Unterricht u. a. dadurch, dass<br />

mathematische Inhalte als logisch<br />

festgefügte Systeme von abgeklärten<br />

Begriffen, Regeln und Verfahren<br />

erscheinen, dass der Stoff Schritt für<br />

Schritt gelernt und portionsweise bis<br />

zur möglichst fehlerlosen Reproduktion<br />

geübt wird oder dass ein defizitorientiertes<br />

Verständnis von Fehlern die<br />

Angst vor eigenen Überlegungen verstärkt<br />

und die Schüler auf Reproduktion<br />

vorgegebener Musterlösungen zurückgreifen<br />

lässt (vgl. Wittmann 2003).<br />

Wozu diese Art von Mathematikunterricht<br />

führen kann, zeigen die foldenden<br />

Beispiele aus einer 4. Klasse:<br />

Da hier eine offene Aufgabenstellung<br />

Ausgangspunkt der Eigenaktivitäten<br />

der Schüler war und auf keine Musterlösungen<br />

oder im Vorfeld besprochene<br />

Arbeitswege zurückgegriffen werden<br />

konnte, tritt die spezifische mathematische<br />

Leistungsfähigkeit deutlich zu<br />

Tage. Ein Unterricht, der hauptsächlich<br />

auf formelles Rechnen ausgerichtet<br />

ist und beim Behandeln von Aufgaben<br />

z. B. durch imitierendes<br />

Üben, die Sequentierung nach<br />

Rechenoperationen oder die<br />

Verpflichtung zu festgelegten<br />

Bearbeitungsschritten das<br />

Nachdenken und Sinnstiften<br />

bei den Schülern verhindert,<br />

Schreibe eine Sachaufgabe, in der du verschiedene Größeneinheiten verwendest. Rechne sie.<br />

(Drei Vögel fliegen auf ein Baum die Vögel sind 15 cm groß. wie viel wiegen sie?<br />

Rechne: 10 cm + 5 cm = 15 cm. Antwort: Die drei Vögel wiegen 15 cm)<br />

Schreibe eine Sachaufgabe, in der du verschiedene Größeneinheiten verwendest. Rechne sie.<br />

(Ein Bauarbeiter grab 20 m tief aber der Chef sagt er soll 10 m machen.<br />

Der Kollege sagt er soll 8 m tief graben. Frage: Wie tief soll er graben?<br />

Rechnung: 20 m – 10 m – 8 m = 2 m. Antwort: Er soll 2 m tief graben.)<br />

kann bei den Betreffenden den Zugang<br />

zur Mathematik erschweren oder gar<br />

unmöglich machen (vgl. Winter 2003).<br />

Ein neues Bild von Mathematik<br />

und Kompetenzorientierung<br />

Mathematik wird heute verstanden als<br />

Wissenschaft von Mustern (s. Kasten).<br />

Mathematik­lernen muss auf ein stufenübergreifendes<br />

Bild von der Frühförderung<br />

bis hin zur Lehrerbildung<br />

bezogen werden, wobei von Anfang an<br />

der Anwendungsaspekt und der »reine<br />

Aspekt« der Mathematik gleichberechtigt<br />

berücksichtigt werden müssen.<br />

Mathematik im pädagogischen Kontext<br />

soll zur Erschließung der Umwelt beitragen,<br />

was aber ohne »die Erforschung<br />

mathematischer Strukturen für sich<br />

Devlin (1998): »In den letzten zwanzig Jahren ist<br />

eine Definition [von Mathematik] aufgekommen,<br />

der wohl die meisten heutigen Mathematiker zustimmen<br />

würden: Mathematik ist die Wissenschaft<br />

von den Mustern. Der Mathematiker untersucht<br />

abstrakte »Muster« – Zahlenmuster, Formenmuster,<br />

Bewegungsmuster, Verhaltensmuster und so<br />

weiter. Solche Muster sind entweder wirkliche<br />

oder vorgestellte, sichtbare oder gedachte, statische<br />

oder dynamische, qualitative oder quantitative,<br />

auf Nutzen ausgerichtete oder bloß spielerischem<br />

Interesse entspringende. Sie können aus<br />

unserer Umgebung an uns herantreten oder aus<br />

den Tiefen des Raumes und der Zeit oder aus unserem<br />

eigenen Innern.«<br />

Als Muster werden also alle Sätze, Formeln und<br />

Algorithmen der Mathematik verstanden, ebenso<br />

die regelmäßige Wiederholung gleicher Formelemente,<br />

wissenschaftlich betrachtet jedes wiederholt<br />

zu beobachtende regelhafte Phänomen.<br />

Muster können demnach sein:<br />

●●<br />

Symmetrien von Gegenständen<br />

●●<br />

Anordnung von Flecken auf einem<br />

Leopardenfell<br />

●●<br />

Zahlenmuster<br />

●●<br />

Form- und Farbmuster<br />

●●<br />

der Satz: »Die Winkelsumme im Dreieck<br />

ist 180°«<br />

●●<br />

geometrische Muster<br />

● ● …<br />

(vgl. u. a.: Devlin 1998; Wittmann 2003; Walther /<br />

van den Heuvel-Panhuizen / Granzer / Köller 2007)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

13


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

selbst, jenseits unmittelbarer Wirklichkeitsbezüge«<br />

nicht gelingen kann (vgl.<br />

Wittmann 2003, S. 27).<br />

Mit der Einführung der Bildungsstandards<br />

für die <strong>Grundschule</strong> 2005 / 2006<br />

wurde die Qualitätsentwicklung des<br />

Mathematikunterrichts in allen Bundesländern<br />

erstmals an einem einheitlichen<br />

Maßstab ausgerichtet und auf Ebene der<br />

Lehrpläne eine deutliche Bewegung hin<br />

zu einer Output­Orientierung sichtbar. 1)<br />

Zentrales Anliegen der Bildungsstandards<br />

ist ein vernetztes, kumulatives,<br />

anschlussfähiges und auf Verstehen ausgerichtetes<br />

Lernen, bei dem den allgemeinen<br />

mathematischen Kompetenzen<br />

eine zentrale Rolle zukommt (vgl. Walther<br />

/ van den Heuvel­Panhuizen / Granzer<br />

/ Köller 2007). Neu ist dabei die<br />

Bedeutung, die den allgemeinen oder<br />

prozessbezogenen Kompetenzen neben<br />

den inhaltsbezogenen zugesprochen<br />

wird. »Das Mathematiklernen in der<br />

<strong>Grundschule</strong> darf nicht auf die Aneignung<br />

von Kenntnissen und Fertigkeiten<br />

reduziert werden. Das Ziel ist die Entwicklung<br />

eines gesicherten Verständnisses<br />

mathematischer Inhalte. Die allgemeinen<br />

mathematischen Kompetenzen<br />

verdeutlichen, dass die Art und Weise<br />

der Auseinandersetzung mit mathematischen<br />

Fragen ein wesentlicher Teil der<br />

Entwicklung mathematischer Grundbildung<br />

ist (KMK 2005).« Die Entwicklung<br />

prozessbezogener Kompetenzen kann<br />

dabei nicht von heute auf morgen erfolgen,<br />

sondern ist eine systematisch in den<br />

täglichen Unterricht zu integrierende,<br />

langfristige Aufgabe. Sie entwickeln sich<br />

nur bei der aktiven Auseinandersetzung<br />

von Schülern mit mathematischen Situationen.<br />

Guter Mathematikunterricht – und<br />

damit der Lern­erfolg aller Schüler –<br />

hängt von vielen Faktoren ab. Unter<br />

anderem von einer kompetenzorientierten<br />

Sichtweise auf die Ergebnisse<br />

der Kinder, entdeckendem Lernen<br />

als Leitprinzip des Unterrichts, einem<br />

produktiven Spannungsverhältnis von<br />

Offenheit und Zielorientierung oder<br />

einer individuellen und differenzierten<br />

Form der Leistungsfeststellung (s. auch<br />

Kasten zu Qualitätskriterien von Mathematikunterricht<br />

nach Blum). Dabei<br />

hängt im Mathematikunterricht, einem<br />

typischen Aufgabenfach, die Qualität<br />

in erheblichem Maße von der Art der<br />

Aufgaben ab. Die Aufgabenkultur ist ein<br />

Kriterien für die Qualität<br />

von Mathematikunterricht<br />

nach Blum u. a.:<br />

●●<br />

eine fachlich gehaltvolle<br />

Unterrichtsgestaltung<br />

●●<br />

die kognitive Aktivierung der<br />

Lernenden und<br />

●●<br />

eine effektive und schülerorientierte<br />

Unterrichtsführung<br />

(vgl. Blum u. a. 2005)<br />

zentrales Element in einem Unterricht,<br />

der neben den inhaltsbezogenen auch<br />

die Förderung der prozessbezogenen<br />

Kompetenzen in den Mittelpunkt stellt.<br />

Gute Aufgaben sind aber keine »pädagogischen<br />

Selbstläufer«, deren Güte<br />

ohne die Vorstellung unterrichtlicher<br />

Realisationsmöglichkeiten zu bewerten<br />

ist (vgl. Winter 2003). Der Umgang des<br />

Lehrers mit einer Aufgabe spielt eine<br />

maßgebliche Rolle, denn er entscheidet<br />

darüber, ob das in der Aufgabe steckende<br />

Potential für das Lernen nutzbar gemacht<br />

werden kann. 2)<br />

Gute Aufgaben<br />

Walther definiert gute Aufgaben als<br />

»Aufgaben, welche bei Schülern in Verbindung<br />

mit grundlegenden mathematischen<br />

Begriffen und Verfahren die<br />

Entwicklung prozessbezogener Kompetenzen<br />

unterstützen« (Walther, 2004,<br />

S. 10). Eine ähnliche Begriffsbestimmung<br />

findet man bei Ruwisch / Peter­<br />

Koop (2003, S. 6):<br />

●●<br />

Als gute Aufgaben werden Problemaufgaben<br />

mit Herausforderungen jenseits<br />

einfacher Routine angesehen.<br />

●●<br />

Gute Aufgaben regen Einsichten in<br />

mathematische Strukturen und Gesetze<br />

an oder ermöglichen das Mathematisieren<br />

außermathematischer Situationen.<br />

●●<br />

Gute Aufgaben bieten ein reichhaltiges<br />

Potential für Frage- und Lösungsmöglichkeiten,<br />

für Diskussionen und Argumentationen,<br />

für Fortführungen und<br />

Variationen.<br />

Hier finden sich die prozessbezogenen<br />

Kompetenzen<br />

Problemlösen, mathematisches<br />

Darstellen, Modellieren, Kommunizieren<br />

und Argumentieren<br />

wieder. Sundermann / Selter<br />

(2006) bezeichnen die dargestellten<br />

Kriterien als Prozessbezug<br />

und haben die Informativität<br />

(Aufgaben, bei denen die<br />

Vorgehensweise für die Einschätzung<br />

der Leistung der Schüler relevant ist)<br />

und die O ff e n h e i t (Aufgaben, bei denen<br />

variable Ergebnisse bzw. Wahlmöglichkeiten<br />

bezüglich einzelner Teilaufgaben<br />

gegeben sind) als weitere mögliche Kriterien<br />

hinzugefügt.<br />

Zahlenmauern – ein kognitiv<br />

anregendes Aufgabenformat<br />

Nicht immer tritt das Potential einer<br />

Aufgabe durch die Aufgabenstellung<br />

explizit zu Tage. Hier hängt es von der<br />

Lehrkraft ab, ob die Aufgabe durch eigene<br />

Variationen zu einer guten Aufgabe<br />

wird und als Ausgangspunkt für weiterführende<br />

Beschäftigungen durch die<br />

Schüler dient. Folgende Zahlenmauern<br />

unterstützen »nur« die Festigung der<br />

Addition und der Subtraktion.<br />

Durch einfache Variation oder Erweiterung<br />

der Zahlenmauern ist es möglich,<br />

den Schülern neben dem Üben ihrer<br />

Rechenfertigkeiten prozessbezogene<br />

Tätigkeiten zu ermöglichen. Diese sind<br />

dabei keine trennscharf voneinander<br />

abzugrenzenden Bausteine. Im Gegenteil,<br />

die Bearbeitung guter Aufgaben<br />

spricht in der Regel verschiedene<br />

prozessbezogene Kompetenzen an. So<br />

könnte eine Öffnung der Aufgabenstellung<br />

vielfältige Eigenproduktionen der<br />

Kinder anregen (s. Abb. 1).<br />

Es werden die Leistungsmöglichkeiten<br />

der Kinder deutlich, die alle die Aufgabenstellung<br />

erfolgreich bewältigt haben.<br />

So sind für die Schüler ermutigende<br />

Rückmeldungen und für den Lehrer die<br />

Einschätzung der individuellen Schülerleistungen<br />

möglich, die Perspektiven für<br />

die weitere Entwicklung aufzeigen können.<br />

Um das Potential von Zahlenmauern<br />

als kognitiv anregendes Aufgabenformat<br />

weiter auszuschöpfen, könnten weitere<br />

Abb. 1: Schülerlösungen zur Aufgabe: »Schreibe<br />

deine eigene Zahlenmauer auf.« (Ende Klasse 1)<br />

14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Variationen in einer Lernumgebung zum<br />

Thema zusammengefasst werden, in der<br />

die Schüler dazu angeregt werden, sich<br />

prozessbezogen mit Zahlenmauern auseinanderzusetzen<br />

(s. Abb. 2). Wollring<br />

(2008) spricht bei einer Lernumgebung<br />

von einer Erweiterung des üblichen Begriffs<br />

Aufgabe, »im gewissen Sinne eine<br />

natürliche Erweiterung dessen, was man<br />

gemeinhin im Mathematikunterricht<br />

traditionell eine ›gute Aufgabe‹ nennt«.<br />

Eine Lernumgebung ist gewissermaßen<br />

eine flexible große Aufgabe, die aus einem<br />

Netzwerk kleinerer Aufgaben besteht, die<br />

durch bestimmte Leitgedanken zusammengebunden<br />

sind und eine Arbeitssituation<br />

als Ganzes beschreiben, die aktiv<br />

entdeckendes und soziales Lernen ermöglichen<br />

und unterstützen.<br />

Rituale – Die »Knobelei der Woche«<br />

Die Faszination der Mathematik zeigt<br />

sich für die Kinder besonders, wenn<br />

sie Gesetzmäßigkeiten, Rechenvorteile<br />

und Regeln entdecken können. Um eine<br />

frühzeitige Auseinandersetzung mit<br />

solchen Problemen und Arbeitsweisen<br />

anzuregen, sollten regelmäßig gute Aufgaben<br />

eingesetzt werden. In bestimmten<br />

Ritualen, wie z. B. der »Knobelei der<br />

Woche«, können über den Unterricht<br />

hinaus das Ausformulieren von Gedanken,<br />

das Darstellen von Lösungswegen<br />

oder die Zusammen­arbeit mit einem<br />

Partner – alles notwendige Voraussetzungen<br />

für selbstständiges Problemlösen<br />

– angebahnt werden. Daneben<br />

lassen sich auch hier Einblicke in individuelle<br />

Leistungsstände bekommen. Die<br />

Knobeleien (s. Abb. 3a, b) werden den<br />

Kindern am Anfang der Woche ausgeteilt<br />

und können bis zum Ende derselben<br />

Woche abgegeben werden. Nach der<br />

Kontrolle durch den Lehrer werden die<br />

Aufgaben am nächsten Wochenbeginn,<br />

zusammen mit einer neuen Aufgabe,<br />

zurückgegeben und bei Bedarf im Unterricht<br />

besprochen. Ergeben sich größere<br />

Probleme oder außergewöhnliche<br />

Lösungsvorschläge, werden diese auch<br />

im Unterricht thematisiert und z. B. für<br />

<br />

<br />

<br />

WeitereAufgabenfüreineLernumgebungzuZahlenmauern<br />

WeitereAufgabenfüreineLernumgebungzuZahlenmauern<br />

• FindemöglichstvieleZahlenmauernmitdergleichenZielzahl.<br />

• FindemöglichstvieleZahlenmauernmitdergleichenZielzahl.<br />

!<br />

!<br />

!<br />

! ! ! ! ! !<br />

<br />

!<br />

!<br />

!<br />

! ! ! ! ! !<br />

<br />

!<br />

!<br />

!<br />

! ! ! ! ! ! ! ! ! …<br />

! ! ! ! ! ! ! ! ! …<br />

<br />

• BauenurausdiesenSteineneineZahlenmauer.WelchenStein<br />

• BauenurausdiesenSteineneineZahlenmauer.WelchenStein<br />

musstduganzobenalsZielsteinindieMauerlegen?Begründe.<br />

musstduganzobenalsZielsteinindieMauerlegen?Begründe.<br />

<br />

10<br />

2<br />

7<br />

10<br />

2<br />

5<br />

1<br />

3<br />

7<br />

5<br />

1<br />

3<br />

<br />

EsgibtnocheinezweiteMöglichkeit,dieSteineanzuordnen.<br />

EsgibtnocheinezweiteMöglichkeit,dieSteineanzuordnen.<br />

Findestdusie?<br />

Findestdusie?<br />

• AuchbeidieserZahlenmauerwirdauszweiNachbarsteinender<br />

• AuchbeidieserZahlenmauerwirdauszweiNachbarsteinender<br />

darüberliegendeSteinberechnet.FindetihrdieRegel?Berechnet<br />

darüberliegendeSteinberechnet.FindetihrdieRegel?Berechnet<br />

denZielstein. Erklärt,wieihrzueuremErgebnis<br />

denZielstein. Erklärt,wieihrzueuremErgebnis<br />

6 10 gekommenseid.<br />

6 10 gekommenseid.<br />

<br />

4 8 12<br />

<br />

4 8 12<br />

• SetztalsGrundsteinenurgeradeoderungeradeZahlenein.<br />

• SetztalsGrundsteinenurgeradeoderungeradeZahlenein.<br />

BerechneteureZahlenmauern.Wasfällteuchauf?Begründe.<br />

BerechneteureZahlenmauern.Wasfällteuchauf?Begründe.<br />

• KannstdudieseMauervervollständigen?Dukannstinleeren<br />

• KannstdudieseMauervervollständigen?Dukannstinleeren<br />

Zahlenmauernprobieren.<br />

Zahlenmauernprobieren.<br />

HastdueineLösunggefunden?<br />

30 HastdueineLösunggefunden?<br />

30<br />

Wennja,wiebistduzudeinerLösung<br />

Wennja,wiebistduzudeinerLösung<br />

<br />

gekommen?Wennnein,warumkanneskeine<br />

5 10 gekommen?Wennnein,warumkanneskeine<br />

5 10 geben?ErkläredeineÜberlegungen.<br />

geben?ErkläredeineÜberlegungen.<br />

• BerechnedieseZahlenmauer.<br />

• BerechnedieseZahlenmauer.<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

10 4<br />

<br />

10 4<br />

<br />

5 2 2<br />

5 2 2<br />

eine weitere Bearbeitung in »Forschergruppen«<br />

oder eine Präsentation durch<br />

die betreffenden Schüler genutzt.<br />

Problemhaltige Denkaufgaben –<br />

das jahrgangsgemischte Förderband<br />

Gute Aufgaben bieten sich auch für die<br />

Bearbeitung in leistungsgemischten<br />

Schülergruppen, z. B. in der Jahrgangsmischung,<br />

an. Im Rahmen eines Förderbandes,<br />

in dem Schüler der 3. und 4.<br />

Klassen in Kleingruppen gemeinsam an<br />

bestimmten mathematischen Themen<br />

arbeiten, zeigt sich der Wert solcher Aufgaben<br />

für den Mathematikunterricht.<br />

Die Leistungsstarken, nicht immer die<br />

Viertklässler, profitieren sicher eher von<br />

Leistungsanreiz und Leistungsbestätigung<br />

in diesen Stunden, dennoch lassen<br />

sich auch die schwächeren Schüler mitziehen<br />

und anregen, sich mit problemhaltigen<br />

Aufgaben zu beschäftigen. Die<br />

behandelten Aufgaben, die dem Buch<br />

»42 Denk­ und Textaufgaben« von Renate<br />

Rasch entnommen sind, haben trotz<br />

Abb. 2: Aufgabenbeispiele für eine Lernumgebung<br />

zu Zahlenmauern<br />

Abb. 3a, b: Beispiel für eine Aufgabe und eine Schülerlösung<br />

zur »Knobelei der Woche« (Klasse 2)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

15


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Abb. 4: Schülerlösung zum Förderband<br />

Kl. 3/4<br />

ihrer Unterschiedlichkeit hinsichtlich<br />

der Lösungsanforderung gemein, dass<br />

sie auf kein bekanntes Grundmodell<br />

des Rechnens zurückzuführen sind und<br />

durch »probierendes Lösen« bearbeitet<br />

werden (vgl. Abb. 4 sowie Rasch 2004).<br />

Um die Selbstständigkeit der Schüler bei<br />

dieser Denk­ und Lösungsart zu fördern,<br />

müssen einige Bedingungen im Unterricht<br />

erfüllt sein (vgl. Rasch 2003):<br />

●●<br />

ein fester, stets wiederkehrender organisatorischer<br />

Rahmen gibt den Schülern<br />

Sicherheit und Orientierung beim<br />

(Problem­)Lösen<br />

●●<br />

das Bearbeiten der Aufgaben liegt in<br />

der Hand der Kinder, die Lehrkraft sollte<br />

sich weitestgehend zurücknehmen<br />

●●<br />

die Unterrichtsorganisation sollte so<br />

erfolgen, dass die Sprache als Denkwerkzeug<br />

und Ausdrucksmittel sich im<br />

Mündlichen und Schriftlichen frei entfalten<br />

und weiterentwickeln kann<br />

●●<br />

die Wertung der Lösungen und Lösungswege<br />

sollte unter kompetenzorientierter<br />

Sichtweise erfolgen, um die<br />

Entdeckung der »eigenen Lösungskräfte«<br />

(Rasch) nicht zu verhindern<br />

Fazit<br />

Ralph Thielbeer<br />

tätig als Grundschullehrer in Magdeburg<br />

und in der Lehrerbildung als<br />

Fachmoderator für Mathematik.<br />

Guter Mathematikunterricht bedarf guter<br />

Aufgaben, aber erst der Umgang der<br />

Lehrkraft mit diesen Aufgaben entscheidet<br />

über die Qualität des Unterrichts. Die<br />

Weiterentwicklung der Aufgabenkultur<br />

ist ein Ansatzpunkt bei der Entwicklung<br />

eines zeitgemäßen Mathematikunterrichts.<br />

Gute Aufgaben sind dafür die<br />

Grundlage. Sie fördern gleichermaßen<br />

inhalts­ wie prozessbezogene Kompetenzen.<br />

Sie öffnen sich den individuellen<br />

Leistungsvoraussetzungen der Schüler<br />

und regen so zu einer eigenständigen<br />

Auseinandersetzung abseits von erlernten<br />

Routinen an. Sie motivieren durch<br />

das wachsende Vertrauen, dass die<br />

Schüler im Laufe der Zeit in ihre eigenen<br />

Fähigkeiten entwickeln und geben<br />

Einblick in deren Leistungsentwicklung.<br />

Wegen der Vielfalt möglicher Lösungswege<br />

und sogar möglicher Lösungen erscheinen<br />

solche Aufgaben für Lehrkräfte<br />

aber oft bedrohlich, »da man nicht mehr<br />

die richtigen Lösungen abhaken und<br />

die falschen durch ein f. kennzeichnen<br />

kann. Auf den zweiten Blick wird deutlich,<br />

dass Unterricht nur in dieser Form<br />

einerseits die Kinder ernst nimmt und<br />

andererseits ein stimmiges und modernes<br />

Bild dessen vermittelt, was Mathematik<br />

ist« (Steinweg 2006, S. 11) – eine<br />

lebendige Tätigkeit.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Zur Kritik der Output­Fixierung siehe Brügelmann<br />

in diesem Heft, S. 7 – 12.<br />

(2) Im deutschsprachigen Raum wurde der<br />

Zusammenhang kognitiv aktivierenden<br />

Mathematikunterrichts und der Entwicklung<br />

der mathematischen Kompetenz von Schülern<br />

für die Sekundarstufe I (für die <strong>Grundschule</strong><br />

liegen noch keine Untersuchungen vor) in der<br />

COACTIV­Studie (Cognitive Activation in<br />

the Classroom: The Orchestration of Learning<br />

Opportunities for the Enhancement of Insightful<br />

Learning in Mathematics; Professionswissen von<br />

Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht<br />

und die Entwicklung mathematischer<br />

Kompetenz) untersucht. Als ein Ergebnis stellte<br />

sich eine sehr niedrige Ausprägung des durch die<br />

Aufgaben vermittelten kognitiven Aktivierungspotentials<br />

im deutschen Mathematikunterricht<br />

heraus, woraus gefolgert werden kann, dass die<br />

Möglichkeit, alle Schüler möglichst umfassend<br />

über qualitätsvolle Aufgaben zu fördern, nur<br />

unzureichend genutzt wird. Auch wurde nachgewiesen,<br />

dass Schulklassen, in denen Aufgaben<br />

mit relativ höherem kognitivem Poten tial gestellt<br />

wurden, bei Kontrolle nach einem Jahr deutlich<br />

bessere Leistungen aufwiesen (vgl. Jordan u. a.,<br />

2008, S. 102 f).<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.) (2009): Kursbuch<br />

<strong>Grundschule</strong>. Frankfurt am Main: Grundschulverband<br />

– Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> e. V.<br />

Blum, W. u. a. (2005): Zur Rolle von Bildungsstandards<br />

für die Qualitätsentwicklung im<br />

Mathematikunterricht. Zentralblatt für Didaktik<br />

der Mathematik, 37 (4), S. 267 – 274.<br />

Baum, M. / Wielpütz, H. (Hrsg.) (2003): Mathematik<br />

in der <strong>Grundschule</strong> – Ein Arbeitsbuch.<br />

Seelze­Velber: Kallmeyer.<br />

Devlin, K. (1998): Muster der Mathematik.<br />

Heidelberg: Spektrum.<br />

Jordan, A. u. a. (2008): Aufgaben im COACTIV­<br />

Projekt: Zeugnisse des kognitiven Aktivierungspotenzials<br />

im deutschen Mathematikunterricht.<br />

In: Journal für Mathematik­ Didaktik. Jg. 29 (2)<br />

Wiesbaden: Vieweg und Teubner.<br />

KMK (2005): Bildungsstandards im Fach Mathematik<br />

für den Primarbereich. Neuwied: Wolters­<br />

Kluwer & Luchterhand.<br />

Rasch, R. (2003): 42 Denk­ und Sachaufgaben.<br />

Wie Kinder mathematische Aufgaben lösen und<br />

diskutieren. Seelze­Velber: Kallmeyer.<br />

Rasch, R. (2004): Problemhaltige Textaufgaben.<br />

In: Scherer, P. / Bönig, D. (Hrsg.) (2004): Mathematik<br />

für Kinder – Mathematik von Kindern.<br />

Ruwisch, S. / Peter-Koop, A. (Hrsg.) (2003): Gute<br />

Aufgaben im Mathematikunterricht der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Offenburg: Mildenberger.<br />

Scherer, P. / Bönig, D. (Hrsg.) (2004): Mathematik<br />

für Kinder – Mathematik von Kindern. Frankfurt<br />

am Main: Grundschulverband – Arbeitskreis<br />

<strong>Grundschule</strong> e. V.<br />

Steinweg, A. (2006): Gute Aufgaben. Kompetenzen<br />

für die Aufgabenauswahl und Beurteilung im<br />

Mathematikunterricht entwickeln. In: Grundschulmagazin<br />

2/06, S. 8 – 11.<br />

Sundermann, B. / Selter, C. (2006): Beurteilen<br />

und Fördern im Mathematikunterricht. Berlin:<br />

Cornelsen.<br />

Walther, G. (2004): Mathematik Modul G1:<br />

Gute und andere Aufgaben. SINUS­Transfer<br />

<strong>Grundschule</strong>. Kiel: IPN.<br />

Walther, G. / van den Heuvel-Panhuizen, M. /<br />

Granzer, D. / Köller, O. (2007): Bildungsstandards<br />

für die <strong>Grundschule</strong>: Mathematik konkret.<br />

Berlin: Cornelsen.<br />

Winter, H. (1987): Mathematik entdecken.<br />

Neue Ansätze für den Unterricht in der Schule.<br />

Frankfurt am Main: Cornelsen.<br />

Winter, H. (2003): Gute Aufgaben für das Sachrechnen.<br />

In: Baum, M. / Wielpütz, H. (Hrsg.)<br />

(2003): Mathematik in der <strong>Grundschule</strong> –<br />

Ein Arbeitsbuch.<br />

Wittmann, E. C. (2003): Was ist Mathematik und<br />

welche pädagogische Bedeutung hat das wohlverstandene<br />

Fach auch für den Mathematikunterricht<br />

der <strong>Grundschule</strong>? In: Baum, M. / Wielpütz,<br />

H. (Hrsg.) (2003): Mathematik in der <strong>Grundschule</strong><br />

– Ein Arbeitsbuch.<br />

Wollring, B. (2008): Zur Kennzeichnung von<br />

Lernumgebungen für den Mathematikunterricht<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. In: Kasseler Forschungsgruppe<br />

(Hrsg.): Lernumgebungen auf dem Prüfstand.<br />

Zwischenergebnisse aus den Forschungsprojekten.<br />

Kassel: kassel university press.<br />

www.pikas.uni-dortmund.de<br />

www.sinus-grundschule.de<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Bianca Ederer<br />

Gute Aufgaben im Sachunterricht 1)<br />

Was sind »gute Aufgaben« zum Lernen<br />

und wie kommt man überhaupt zu<br />

diesen Aufgaben?<br />

Gute Aufgaben« im Sachunterricht<br />

zeichnen sich häufig durch<br />

einen hohen Anteil an natürlicher<br />

Differenzierung aus. Sie ermöglichen<br />

eine Öffnung der Lernwege sowie<br />

des Bearbeitungs niveaus und sind offen<br />

für vielfältige Konstruktionen. Sie<br />

sind gekennzeichnet durch einen hohen<br />

Echtheitscharakter (vgl. Brügelmann<br />

2011, in diesem Heft S. 7 – 12) im Sinne<br />

einer stark herausfordernden Aufgabe.<br />

Möglichkeiten zum sozialen Lernen in<br />

einer sicheren Lernatmosphäre durch<br />

gemeinsames Planen, Absprechen, Helfen<br />

und gegenseitiges Unterstützen werden<br />

dabei ebenfalls freigesetzt. Gelingt<br />

es noch, dadurch breites Interesse der<br />

Schülerinnen und Schüler anzusprechen,<br />

ist zusätzliche Motivation kaum<br />

mehr notwendig. Fächerübergreifende<br />

Aspekte wie sie bei der Verwendung der<br />

Didaktischen Netze von Kahlert (2009)<br />

entstehen, bereichern dabei die Planungen.<br />

Als Ideengenerator dienen sie<br />

dem Aufspüren herausfordernder »guter<br />

Aufgaben« mit hohem Anspruchsniveau.<br />

Außerdem bieten diese Aufgaben autonome<br />

Lernprozesse, die selbstständig<br />

oder mit anderen gemeinsam in einem<br />

Ideen für<br />

herausfordernde Aufgaben<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

● ●<br />

Prinzip »Weißes Blatt Papier«:<br />

Bücher, Hefte, Schatzkisten erstellen<br />

Portfolios zusammenstellen<br />

Lernfeste planen<br />

Ausstellungen organisieren<br />

Externe miteinbeziehen<br />

(Eltern, Experten, andere Schüler)<br />

Jahrgangsmischung nutzen<br />

(Lernen durch Lehren)<br />

Führungen, Stadtführer erfinden und<br />

präsentieren<br />

Theaterstücke selber schreiben zu<br />

Sachthemen<br />

Gemeinsame Exkursionen und<br />

Ausflüge planen und durchführen<br />

…<br />

zuversichtlichen Rahmen einer Lerngemeinschaft<br />

kontrolliert werden können,<br />

wie es Deci und Ryan (1993) in ihrer<br />

Selbstbestimmungstheorie empfehlen.<br />

Die Lehrkraft kann anfangs ihre eigenen<br />

Ideen zur Diskussion stellen. Das<br />

bietet viel Offenheit gegenüber Beiträgen<br />

der Kinder. Deren Partizipation<br />

bereichert die grundsätzlichen Ideen<br />

(siehe Kasten) und bringt Kinder und<br />

Aufgabe nahe zusammen. Nach und<br />

nach bringen sie immer mehr eigene<br />

Ideen zur Planung ein. Die Initiative<br />

geht dann mehr und mehr von den Kindern<br />

aus.<br />

Zur »guten Aufgabe« kommt also ein<br />

ganzes Bündel an weiteren Voraussetzungen<br />

in einer pädagogischen Lernund<br />

Leistungskultur (vgl. Bartnitzky<br />

2005, 2006, 2007) hinzu:<br />

●●<br />

Vorbereitete und unterstützende<br />

Lernumgebung<br />

●●<br />

Vertrauensvolle Lernatmosphäre<br />

●●<br />

Partizipative Strukturen<br />

●●<br />

Metakommunikation über Lernprozesse<br />

●●<br />

Gemeinsame Sicherung der Erkenntnisse<br />

im Kreis oder der Versammlung<br />

●●<br />

Kompetenzen auf Schülerseite, um<br />

die gute Aufgabe überhaupt bewältigen<br />

zu können (vgl. Giest 2009, S. 5)<br />

●●<br />

Möglichkeiten zur aktiven Umarbeitung<br />

des Wissens im Sinne des Conceptual<br />

Change (vgl. Max 1995, S. 87)<br />

●●<br />

LehrerIn als Lernbegleiter<br />

●●<br />

Fachliche Sicherheit der LehrerIn<br />

Bei ihrer Bearbeitung bietet sich für<br />

die Lehrkraft die Gelegenheit, verschiedenste<br />

Beobachtungen machen zu können,<br />

darauf aufbauend Feed-Back und<br />

so z. B. bei anstehenden Übertrittsberatungen<br />

fundierter Auskunft geben zu<br />

können.<br />

Im Folgenden möchte ich an verschiedenen<br />

Beispielen aufzeigen, wie »gute<br />

Aufgaben« im Sachunterricht aussehen<br />

könnten und wie die Lehrkraft die Kinder<br />

bei der Bearbeitung unterstützen kann.<br />

Arbeit an einem Heimatbuch<br />

Bei der Arbeit mit der Ortsgeschichte<br />

entstand die Idee, dass jedes Kind sein<br />

Abb. 1: Kinder aus einer jahrgangsgemischten<br />

Klasse 3/4 führen ihre<br />

Klassenkameraden und Eltern<br />

Abb. 2: Lernumgebung zur Arbeit mit<br />

dem Heimatbuch<br />

eigenes Heimatbuch verfassen könnte.<br />

Nach dem Grundprinzip des weißen<br />

Blattes Papier (vgl. Peschel 2002a,<br />

S. 121ff) erhielt jedes Kind edles Papier,<br />

um sein eigenes Heimatbuch zu gestalten<br />

(siehe Kasten auf S. 18). Jedes Kind<br />

kam daher zu Ergebnissen, die dem<br />

vorher definierten Minimalniveau an<br />

der Wandzeitung mindestens entsprachen.<br />

Offen war diese Aufgabe für eigene<br />

Erforschungen im Museum, zu Hause<br />

oder in der Schule. Eine umgebende<br />

Unterrichtseinheit sicherte gemeinsame<br />

und individuelle Lernergebnisse. Um<br />

die erworbenen Kenntnisse noch weiter<br />

zu vertiefen, planten die Kinder noch<br />

eine Stadtführung für die Eltern und<br />

ein Expertenteam aus Tourismuschef,<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

17


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Unterrichtssequenz zur Regionalgeschichte 4. Klasse:<br />

Mein Heimatbuch<br />

01<br />

02<br />

03<br />

04<br />

05<br />

06/<br />

07/<br />

08<br />

09/<br />

10<br />

11<br />

12<br />

Vorwissen – Aktivierungsphase<br />

Vorwissen aktivieren; Struktur erarbeiten, Fragen generieren<br />

(Fragen plakate)<br />

Forscherauftrag: Geschichte erforschen: geleiteter Fragebogen an Eltern /<br />

Großeltern<br />

Information – Verknüpfung mit dem Vorwissen – positive Erlebnisse<br />

Unterrichtsgang: Historische Stadtführung durch den Leiter des<br />

Tourismusbüros Herrn Herbrich;<br />

Dokumentation<br />

●●<br />

Gespräche auf Block (Stichworte) und<br />

●●<br />

Orte über Fotografenteam<br />

Forscherauftrag: Das finde ich besonders interessant / Das habe ich mir<br />

besonders gemerkt<br />

Systematisierung der Wissensteile – Klären der Beurteilungskriterien<br />

– offene Aufgabe – Könnenserfahrung ermöglichen –<br />

Unterstützung klären<br />

Ein Geschichtsfries für Waldmünchen (Struktur des Heimatbuches<br />

erarbeiten in einer Wandzeitung, z. B. Gründung der Stadt, Burg und<br />

Schloss Waldmünchen, Stadtmauer und -tore, Trenck der Pandur,<br />

Chateaubriand, Waldmünchen während dem 2. Weltkrieg, Grenzöffnung)<br />

●●<br />

●●<br />

Vorstellung Musterexemplar Heimatbuch<br />

Klären der Bedingungen/Erwartungen<br />

Lernarrangement einführen – Könnenserfahrungen ermöglichen –<br />

offene Aufgaben – Autonomie<br />

Einführung in die<br />

●●<br />

Benutzung der Heimatkartei mit Bildern und Quellentexten<br />

●●<br />

Legekarten mit Bildern, Hinweisen, vorgefertigten Satzstrukturen<br />

und weiteren Informationen<br />

Mobilisierung von eigenen Fragen – Artikulationsphase<br />

Erweitern der Fragenplakate an der Wandzeitung<br />

Selbständigkeit – Wissen konstruieren – Fixpunkte als Sicherung<br />

– Lehrer als Begleiter – Herausforderungsphase – Kokonstruktion –<br />

Dokumentation Heimatbuch (Lern-Portfolio)<br />

Arbeit an den Heimatbüchern und Fixpunkte zu folgenden Themen:<br />

●●<br />

Gründungsexperten berichten<br />

●●<br />

Burgexperten berichten<br />

●●<br />

Trenckspezialisten berichten<br />

Forscherblätter dazu:<br />

●●<br />

Das weiß ich schon auswendig über die Gründung Waldmünchens<br />

●●<br />

Das weiß ich schon auswendig über die Burg<br />

Umarbeitungsphase – tiefere Verarbeitung des Wissens –<br />

Präsentation – Könnenserfahrungen – sicherer sozialer Raum –<br />

Integration – Argumentationsphase<br />

Planung der historischen Stadtführung für die Eltern;<br />

So kann ich einen Vortrag noch interessanter gestalten<br />

Umarbeitung des Heimatbuches und des Wissens in eine historische<br />

Stadtführung – Gruppenarbeiten<br />

Erlebnisse – Bildungserfahrungen – Wertschätzung – Autonomie –<br />

Weiterführungsphase<br />

Historische Stadtführung in Waldmünchen für die Eltern am Abend,<br />

Presse und Urkunden<br />

Lernprozess reflektieren – Methodenbildung – Lernzuwachs –<br />

Feed back<br />

Reflexion und freiwillige Leistungskontrolle<br />

Schriftliche Verknüpfung von Beobachtungen während freien Phasen –<br />

Lernerfolg – Noten – Lerntipps für die Zukunft<br />

Abb. 3: Sicherung des Wissens zur Heimatgeschichte<br />

Abb. 4: Differenzierte Rückmeldung über<br />

den Lernprozess und das Lernergebnis bei<br />

der Arbeit am Heimatbuch<br />

18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Gute Internet-Seiten für Kinder<br />

www.blinde-kuh.de<br />

www.fragfinn.de/<br />

www.kindernetz.de/suche/<br />

www.die-geobine.de/<br />

www.kindernetz.de/oli/tierlexikon/<br />

www.hanisauland.de/<br />

Abb. 5<br />

Bürgermeister und Schulleiter. Hier<br />

fanden die Lernleistungen der Kinder<br />

Anerkennung durch eine Urkunde. In<br />

jahrgangsgemischten Klassen können<br />

zum Beispiel hervorragend alters-, leistungs-<br />

oder interessendifferenziert einzelne<br />

Gruppen diese Führung im Sinne<br />

von Lernen durch Lehren planen.<br />

In einer freiwilligen Probe konnten<br />

sie außerdem ihr Wissen testen. Ich,<br />

als ihre Lehrerin, konnte sie bei ihrer<br />

selbstständigen Arbeit beobachten<br />

(s. Abb. 4). Dies diente der differenzierten<br />

Rückmeldung und gab Anlass, über<br />

Leistung mit Kind und Eltern ins Gespräch<br />

zu kommen.<br />

Referate zu Ländern der Welt<br />

Beim Thema »Wir in der Welt« bietet es<br />

sich an, mit den Kindern Lernfeste oder<br />

Plakat-Ausstellungen zu einzelnen Ländern<br />

zu planen. In Gruppen oder alleine<br />

bearbeiten sie ein Land in seiner vollen<br />

Breite. Gemeinsam können in einer<br />

Mind Map wichtige Oberpunkte fest­<br />

Abb. 6: Plakat zum Thema Alaska,<br />

während der Länderzeit von 2 Kindern<br />

im Team erstellt<br />

gehalten werden, die es genauer zu betrachten<br />

gilt. Vorkenntnisse sind hierbei<br />

vor allem im Bereich der Lesestrategien<br />

notwendig. Denn hier müssen Abschnitten<br />

Oberbegriffe zugeordnet, ergänzend<br />

weitere Texte oder Bücher gelesen, Informationen<br />

gesammelt und z. B. in Mind<br />

Maps festgehalten werden. Danach werden<br />

die Informationen zu neuen Texten<br />

verbunden und auf Plakaten präsentiert.<br />

Für die Lernumgebung sind hier Sachlesekisten<br />

(vgl. Peschel 2002b, S. 216f)<br />

ebenso wie Internet-Zugang und die<br />

Kompetenz, Informationen gezielt mit<br />

Kindersuchmaschinen (siehe Abb. 5) zu<br />

finden und auszuwerten, von besonderer<br />

Bedeutung. Fächerübergreifend bietet<br />

sich hier die Möglichkeit, Richtig schreiben,<br />

Texte verfassen und Gespräche<br />

führen bei der Erarbeitung integrierend<br />

im Gebrauch zu üben.<br />

Kommt dann noch die Vorstellung<br />

in Form von Referaten auf einem Lernfest<br />

mit den Eltern z. B. am Abend dazu,<br />

müssen auch hierzu Kompetenzen erworben<br />

und weiterentwickelt werden. 2)<br />

Durch die Feier der Lernleistung erhalten<br />

die Kinder auch von anderer Seite<br />

Würdigung, was wiederum eine »gute<br />

Aufgabe« meiner Meinung nach auszeichnet.<br />

Gelenkte Portfolio- Arbeit<br />

am Thema Müll<br />

Zum Thema Müll bot es sich in unserer<br />

Landschule an, ein sehr ausführliches<br />

gelenktes Portfolio anzulegen, für<br />

das schon viele Methoden gut geschult<br />

sein müssen, um diese herausfordernde<br />

Aufgabe bewältigen zu können (siehe<br />

Kasten). Hierbei übernahmen Expertenkinder<br />

die Kontrolle der Lernergebnisse,<br />

was wiederum einen wichtigen<br />

Faktor von »guten Aufgaben« darstellt,<br />

wie oben gezeigt wurde. Die Lehrerin<br />

stellte an den Schluss eine ausführliche<br />

Rückmeldung der Ergebnisse und<br />

Herausfordernde Aufgaben im Müll-Portfolio<br />

1. Besorge dir in der Gemeinde Informationen zum Müll.<br />

2. Gestalte dein eigenes Abfall-Mind-Map. Das fällt mir alles zum Müll ein:<br />

3. Deine eigene Idee:<br />

4. Wer produziert alles Müll? Befrage drei verschiedene Personen.<br />

Erstelle eine Stichwortliste.<br />

5. Welche Abfälle kennst du? Sortiere alle Dinge nach Oberbegriffen.<br />

6. Schreibe eine Woche lang auf, was bei dir zu Hause an Abfall anfällt.<br />

Erstelle eine Tabelle und notiere in einer Strichliste die Mengen.<br />

7. Welchen Abfall produzierst du selbst in einer Woche? Gibt es etwas, was du<br />

vermeiden könntest? Schreibe einen Bericht.<br />

8. Wie funktioniert das mit der Müllabfuhr bei uns? Zeichne eine Skizze dazu.<br />

Beginne mit dem Abfall bei dir zu Hause und beschreibe den Weg bis zur Müllhalde<br />

oder Müllverbrennungsanlage. Tipp: Befrage einen Erwachsenen oder<br />

schaue im HSU-Buch nach.<br />

Gibt es bei dir einen Plan für die Müllabfuhr?<br />

9. Wie geht das bei euch mit dem Müll, der in den Wertstoffhof gehört?<br />

Zeichne alle Behälter auf und beschrifte sie. Begleite deine Eltern zum<br />

Wertstoffhof und schreibe einen Bericht.<br />

10. Was ist Recycling-Papier? Schreibe deine Meinung dazu auf.<br />

Kannst du selbst welches herstellen?<br />

11. Sammle Ideen, wie wir sorgsam mit unseren Dingen umgehen können.<br />

Befrage 5 verschiedene Personen. Entwirf Regeln zum guten Umgang mit<br />

unseren Wertstoffen.<br />

12. Wer ist für die Müllabfuhr zuständig? Wer bezahlt für den ganzen Aufwand?<br />

Frage Experten.<br />

13. Verpackungs-Forscher<br />

Gehe in einen Supermarkt und erforsche verschiedene Verpackungen –<br />

vor allem Kinderwaren. Welche Artikel produzieren am meisten Abfall?<br />

Was für eine Abfallart ist das dann? Ist der Abfall gut zu recyceln?<br />

Erstelle eine Liste.<br />

14. Schreibe einen Brief an eine Verpackungsfabrik. Erkläre deine Ideen oder<br />

Wünsche für neue Verpackungen. Nenne Beispiele und begründe.<br />

15. In ärmeren Ländern gestalten Kinder mit dem Abfall Spielzeuge oder<br />

Musikinstrumente. Erfinde selbst ein Produkt.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

19


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

machte so die Erfahrungen für weitere<br />

Arbeiten nutzbar.<br />

Theaterstück zur<br />

Erkundung des Weltalls<br />

Nach einem spannenden Bericht über<br />

einen Besuch des Films »Das Geheimnis<br />

der Papierrakete« im Planetarium<br />

Hamburg entstand die Idee bei den<br />

Kindern, ob es nicht möglich wäre,<br />

auch so ein Theaterstück zum Weltall<br />

zu erfinden. Gemeinsam wurde das<br />

Vorhaben diskutiert und angefangen<br />

zu planen. Dazu mussten vielfältige<br />

Informationen gesammelt, gesichtet<br />

und sortiert werden. Ein Text in Dialogform<br />

musste verfasst und umgesetzt<br />

werden. Requisiten – alle Planeten und<br />

weitere Himmels-Utensilien sowie eine<br />

Rakete – mussten detailgetreu künstlerisch<br />

hergestellt, Experimente z. B. zur<br />

Verdeutlichung der Entstehung von<br />

Kratern ersonnen und an der sprachlichen<br />

und körperlichen Ausdrucksweise<br />

gearbeitet werden. Die Vorführung<br />

vor den anderen SchülerInnen der<br />

Schule stellte den Echtheitscharakter<br />

her.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Bianca Ederer<br />

ist Lehrerin an der <strong>Grundschule</strong><br />

Rötz, Lehrerin für besondere Aufgaben<br />

an der Universität Regensburg,<br />

Lehrstuhl für Grundschulpädagogik<br />

und -didaktik und seit 2000<br />

im Vorstand der Landesgruppe<br />

Bayern des Grundschulverbandes.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Aufgaben können nach Rieck (2005, S. 3)<br />

in Aufgaben zum Lernen und Aufgaben zum<br />

Prüfen unterteilt werden. In diesem Beitrag<br />

möchte ich mich auf Aufgaben zum Lernen<br />

konzentrieren. Zur Thematik Lernbegleitung<br />

und Aufgaben zum Prüfen finden Sie weitere<br />

Hinweise bei Schönknecht / Ederer / Klenk<br />

2006 oder bei Schönknecht / Hartinger 2010.<br />

Im naturwissenschaftlichen Bereich verweise<br />

ich auf das Projekt Sinus <strong>Grundschule</strong>. Dort<br />

wurden vermehrt Beispiele publiziert.<br />

(2) siehe weiterführend Schönknecht / Klenk<br />

2005<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.) (2005): Pädagogische<br />

Leistungskultur: Materialien für Klasse<br />

1/2. Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>,<br />

Bd. 119. Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.) (2006): Pädagogische<br />

Leistungskultur: Materialien für Klasse<br />

3/4. Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>,<br />

Bd. 121. Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.) (2007): Pädagogische<br />

Leistungskultur. Ästhetik, Sport, Englisch,<br />

Arbeits-/Sozialverhalten. Beiträge zur<br />

Reform der <strong>Grundschule</strong>. Bd. 124. Frankfurt<br />

a. M.: Grundschulverband.<br />

In der gemeinsamen Arbeit mit den<br />

Schülerinnen und Schülern ist es über<br />

die »gute Aufgabe« hinaus aber auch<br />

von Bedeutung, das Vorgehen auf der<br />

Metaebene aus der einzelnen Situation<br />

herauszulösen und z. B. sogenannte<br />

Forschermethoden zu generieren. So<br />

werden diese für eigene Forschungsvorhaben<br />

nutzbar und »Tiefenstrukturen«<br />

(Giest 2009, S. 5) geschaffen. »Dies ist<br />

eine wichtige Voraussetzung dafür, dass<br />

angeeignetes Wissen angewandt, d. h.<br />

zur Bewältigung von großen Klassen<br />

von Anforderungen verwendet werden<br />

kann. […] Diese grundlegende<br />

Fähigkeit oder<br />

Leistungsdisposition<br />

wird als Kompetenz<br />

bezeichnet« (ebd.). In<br />

freien Zeiten, zu Hause<br />

oder in freien Forscherzeiten<br />

können die<br />

Kinder kompetent und<br />

strukturiert eigenen<br />

Bartnitzky, H. / Speck-Hamdan, A. (Hrsg.)<br />

(2004): Leistungen der Kinder wahrnehmen,<br />

würdigen, fördern. Bd. 118. Frankfurt a. M.:<br />

Grundschulverband.<br />

Brügelmann, H. (2011): Gute Aufgaben und<br />

Kompetenzorientierung: »gut« für wen und<br />

»kompetent« für was? In: <strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>,<br />

H. <strong>113</strong>, S. 7 – 12.<br />

Deci, E. / Ryan. R. (1993): Die Selbstbestimmungstheorie<br />

der Motivation und ihre<br />

Bedeutung für die Pädagogik. In: Zeitschrift<br />

für Pädagogik, H.2, S. 224 – 238.<br />

Giest, H. (2009): Bildungsstandards und<br />

Kompetenzen im Sachunterricht. In: Grundschulunterricht,<br />

Sachunterricht, H. 4, S. 4 – 7.<br />

Kahlert, J. (2009): Sachunterricht planen und<br />

durchführen – didaktische Netze knüpfen.<br />

In: Der Sachunterricht und seine Didaktik.<br />

3. Auflage. Bad Heilbrunn: Verlag Julius<br />

Klinkhardt. S. 200 – 260.<br />

Max, Ch. (1997): Verstehen heißt Verändern.<br />

Conceptual Change als didaktisches Prinzip<br />

des Sachunterrichts. In: Meier, R. / Unglaube,<br />

H. / Faust-Siehl, G. (Hrsg.): Sachunterricht in<br />

der <strong>Grundschule</strong>. Frankfurt a. M.: Grundschulverband,<br />

S. 62 – 89.<br />

Peschel, F. (2002): Offener Unterricht. Idee,<br />

Realität, Perspektive und ein praxiserprobtes<br />

Ideen und Fragestellungen nachgehen<br />

(vgl. Peschel 2002b).<br />

Das Zeitproblem stellt sich dennoch<br />

an jeder Stelle dieser Überlegungen.<br />

Aus anderen Fächern werden Stunden<br />

aufgrund der fächerübergreifenden<br />

Schwerpunkte miteinbezogen und Inhalte<br />

hier im Gebrauch kompetenzorientiert<br />

geübt. Nur wenige Themen<br />

exemplarisch durchzuarbeiten und an<br />

der Bearbeitung dieser guten Aufgaben<br />

Kompetenzen aufzubauen ist eine weitere<br />

Strategie, um das Zeitproblem zu<br />

lösen. Häufig werden durch dieses Vorgehen<br />

viele Lehrplanvorgaben erfüllt.<br />

Bereits vorhandene Unterrichtsplanungen<br />

und -materialien nach »altem« Muster<br />

dienen stets als Basis zur Planung der<br />

Lernumgebung passend zu den »guten<br />

Aufgaben« und bereichern diese Arbeit.<br />

Zudem bestätigt das Feed-Back der Eltern<br />

und der weiterführenden Schulen den<br />

selbstständigen und kompetenten Umgang<br />

mit Informationen der so unterrichteten<br />

Kinder. Diese hatten verschiedenste<br />

Gelegenheiten, vielfältigste Kompetenzen<br />

als «gebündelte komplexe Zusammenhänge«<br />

(Schreier 2008, S. 2) anzuwenden<br />

und dabei weiterzuentwickeln. Dadurch<br />

hatten die Kinder im geschützten Rahmen<br />

der Lerngemeinschaft die Möglichkeit,<br />

aus ihrem Wissen auch tatsächlich<br />

Können erwachsen zu lassen.<br />

Konzept zur Diskussion. Teil II: Fachdidaktische<br />

Überlegungen. Baltmannsweiler:<br />

Schneider Verlag.<br />

Rieck, K. unter Mitarbeit von Friege, G. / Hoffmann,<br />

D. (2005): Modul G1: Gute Aufgaben.<br />

Sinus Transfer <strong>Grundschule</strong>. Naturwissenschaften.<br />

http://sinus-transfer-grundschule.<br />

de/fileadmin/Materialien/NaWi_Modul_G_<br />

1_050905_sw.pdf Ausdruck vom 27.12.2010.<br />

Schönknecht, G. / Ederer, B. / Klenk, G. (2006):<br />

Sachunterricht. In: Bartnitzky, H., u. a.<br />

(Hrsg.): Pädagogische Leistungskultur:<br />

Materialien für Klasse 3/4. Beiträge zur<br />

Reform der <strong>Grundschule</strong>, Bd. 121. Frankfurt<br />

a. M.: Grundschulverband.<br />

Schönknecht, G. / Hartinger, A. (2010): Modul<br />

G9: Lernen begleiten – Lernergebnisse<br />

beurteilen. Sinus Transfer <strong>Grundschule</strong>.<br />

Naturwissenschaften. Überarbeitete Fassung.<br />

http://www.sinus-an-grundschulen.de/<br />

fileadmin/uploads/Material_aus_STG/NaWi-<br />

Module/N9.pdf Ausdruck vom 27.12. 2010.<br />

Schönknecht, G. / Klenk, G. (2005): Sachunterricht.<br />

In: Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.): Pädagogische<br />

Leistungskultur: Materialien für Klasse<br />

1/2. Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>,<br />

Bd. 119. Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

www.sinus-transfer-grundschule.de<br />

20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Stefan Kauder<br />

Alles»Könner:<br />

Kompetenzen entwickeln<br />

Die Kolleginnen und Kollegen der Ganztagsgrundschule Appelhoff haben sich<br />

2008 mit 53 anderen Hamburger Schulen auf den Weg begeben, ihren Unterricht<br />

kompetenzorientierter und individualisierter zu gestalten. Die bisher gegebenen<br />

Berichtszeugnisse in den Jahrgängen 1, 2 und Ziffernzeugnisse in den<br />

Jahrgängen 3, 4 werden an der Schule Appelhoff abgeschafft.<br />

An ihre Stelle treten halbjährlich<br />

geführte Lernentwicklungsgespräche<br />

zwischen den Lehrerinnen<br />

und Lehrern des Klassenteams<br />

und den Kindern mit ihren Eltern. Am<br />

Ende des Lernentwicklungsgespräches<br />

werden Zielvereinbarungen getroffen<br />

und dokumentiert. Die Ziele werden<br />

von den Kindern vorgeschlagen und gemeinsam<br />

besprochen. Meist kleben die<br />

Kinder sich die Ziele an ihren Arbeitsplatz.<br />

Dann sind sie immer präsent.<br />

Zum Beispiel: »Ich möchte mich mehr<br />

im Klassenrat einbringen und häufiger<br />

etwas von mir erzählen.«<br />

Grundlage für die Lernentwicklungsgespräche<br />

bilden Kompetenzraster, die<br />

das Kollegium in Jahrgangs- und Fachkonferenzen<br />

erarbeitet haben.<br />

Der Unterricht wird jetzt gemeinsam<br />

in den Jahrgangskonferenzen geplant.<br />

Immer für ca. 8 Wochen. Arbeitsteilig<br />

wird vorgegangen. »Du bereitest zum<br />

Deutschthema die Werkstattaufgaben<br />

vor, ich übernehme Musik …« Teamarbeit!<br />

Da heißt es Abschied nehmen<br />

von gewohnten Arbeitsweisen. Nicht<br />

immer einfach, aber – wir sind auf dem<br />

Weg! Es werden neue Lernarrangements<br />

ausprobiert, kurz evaluiert und<br />

mit Kolleginnen und Kollegen anderer<br />

Schulversuchschulen rückgekoppelt.<br />

Welche Aufgabenformate sind geeignet,<br />

um Kompetenzen bei den Schülerinnen<br />

und Schülern zu entwickeln?<br />

Welche Kompetenzen werden vermutlich<br />

entwickelt?<br />

Kompetenzorientierung<br />

im Kunstunterricht<br />

Ein Beispiel aus dem Kunstunterricht.<br />

Die Kompetenzraster sind inhaltlich<br />

an die Hamburger Bildungspläne angelehnt,<br />

von der Fachkonferenz Kunst<br />

der Schule Appelhoff auf einer Pädagogischen<br />

Jahreskonferenz erarbeitet. Sie<br />

geben eine grobe Orientierung darüber,<br />

welche Kompetenzen uns für das Curriculum<br />

der Schule wichtig sind.<br />

Durch welche Inhalte und Aufgabenformate<br />

werden welche Kompetenzen<br />

bei den Schülerinnen und Schülern ausgebildet?<br />

Im Kompetenzraster für die Klassen<br />

1 und 2 haben wir für den Bereich »Arbeitsaufträge«<br />

als höchste Kompetenzstufe:<br />

»Du entwickelst eigene Ideen und<br />

setzt diese um. (4 Sonnen)« formuliert.<br />

Mit welchen Aufgaben können die<br />

Kinder diese Kompetenz »trainieren«?<br />

Hier ein Beispiel aus dem Kunstunterricht<br />

einer zweiten Klasse. Es geht<br />

bei dieser Aufgabe darum, Problemlösungsstrategien<br />

zu entwickeln. Es gibt<br />

verschiedenste Lösungsmöglichkeiten.<br />

Die Aufgabe ist so angelegt, dass während<br />

des Schaffensprozesses neu entdeckte<br />

Lösungsstrategien immer wieder<br />

einfließen können, die Kinder sich ausprobieren<br />

können. Durch kooperative<br />

Lernformen wird das Handlungsspektrum<br />

erweitert.<br />

Arbeitsauftrag<br />

1. Suche dir einen Partner.<br />

2. Nehmt euch ein weißes Blatt. (A4)<br />

3. Sucht euch zwei Punkte im Raum.<br />

4. Verbindet Sie!<br />

5. Nehmt euch dazu die Arbeitsmittel,<br />

die ihr braucht!<br />

Problemlösungsstrategien entwickeln<br />

Freitag in der 2a – Kunstunterricht! Die<br />

Klasse hat sich in der Kunstwerkstatt<br />

eingefunden – Es kann losgehen!<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

21


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Was liegt heute an? Ich formuliere<br />

den Arbeitsauftrag. Fangt an!<br />

Ein Partner ist zügig gefunden. Besprechung!<br />

Rebecca: »Ich habe schon<br />

eine Idee!« Sie nimmt sich eine Schere<br />

und schneidet das Papier in Streifen.<br />

Ihre Partnerin holt einen Klebestift aus<br />

dem Regal. Schnell entsteht eine lange<br />

Papierschlange.<br />

Andere Kinder besprechen sich noch.<br />

Alexander: »Wir dürfen das Papier<br />

nicht zu dünn schneiden, sonst kann es<br />

reißen.«<br />

Zwei andere Kinder sind dabei, das<br />

Blatt schneckenartig zu schneiden, von<br />

außen nach innen. Samuel: »Klebe,<br />

brauchen wir nicht!«<br />

Ein Paar klebt seine Papierstreifen<br />

mit Tesafilm zusammen. »Das hält besser!«<br />

Zwei andere Kinder haben sich<br />

einen »Tacker« geholt. Während einer<br />

schneidet, tackert der andere die Papierstreifen<br />

zusammen.<br />

Die ersten Verbindungen im Raum<br />

entstehen. Vom Materialschrank zur<br />

Tafel. Vom Bildertrockner zu einem Arbeitstisch<br />

… Festgehalten durch Steine,<br />

die die Kinder für ein anderes Projekt<br />

gesammelt hatten. Evren: »Die Federtasche<br />

ist zu leicht, das hält nicht, habe<br />

ich gerade ausprobiert.« Andere sind<br />

dabei, die entstandene Papierschlange<br />

um zwei Stühle zu knoten. Eine Papierschlange<br />

reißt. Julia: »Die Klebe hält<br />

nicht!« Schnell wird die gerissene Stelle<br />

zusammengetackert. »Das geht besser!«<br />

Der Raum verändert sich.<br />

Charles: »Oh, ist das lang! Das geht<br />

aber noch länger. Dürfen wir unsere<br />

Papierschlangen verbinden?« »Ja, wenn<br />

Stefan Kauder<br />

Leiter der Integrativen Ganztags schule<br />

Appelhoff in Hamburg; Mitglied im<br />

Projektteam, das den Hamburger<br />

Schulversuch Alles»Könner steuert;<br />

unterrichtet seit 1996 Kunst in <strong>Grundschule</strong>n.<br />

ihr zwei ein anderes Paar findet, das das<br />

auch will.«<br />

Zu viert wird sich beraten. Natürlich<br />

wollen vier Jungs die längste Papierschlange<br />

haben. Sie wird diagonal<br />

durch den Raum gespannt und mit Tesafilm<br />

an den Tischen befestigt. Andere<br />

Paare schließen sich auch zusammen.<br />

Bei den Jungen ist ein Wettkampf ausgebrochen.<br />

Die Kunstwerkstatt ist von Papierschlangen<br />

durchzogen. Niclas: »Sieht<br />

das schön aus.« Jovana: »Wie in einem<br />

Spinnennetz!«<br />

Wir treffen uns zur gemeinsamen<br />

Reflexion im Kreis. Die verschiedenen<br />

Strategien, die die Kinder entwickelt<br />

haben, werden gemeinsam besprochen.<br />

Es gibt kein Richtig oder Falsch. Die<br />

Kinder hören interessiert zu, welche<br />

Lösungen andere gefunden haben. Dabei<br />

bilden sich viele eine Meinung über<br />

vermeintliche Vor- und Nachteile der<br />

gefundenen Lösungen.<br />

Nicht alle Kinder hatten sofort eigene<br />

Ideen und konnten diese umsetzen<br />

(höchste Kompetenzstufe – Arbeitsaufträge).<br />

Aber durch die Anlage des<br />

Aufgabenformats konnten alle Kinder<br />

arbeiten und waren motiviert, nach Lösungen<br />

zu suchen.<br />

»Was passiert jetzt mit den Streifen?«<br />

»Die packen wir in eine große Kiste und<br />

überlegen das nächste Mal gemeinsam,<br />

was wir daraus machen könnten.«<br />

Der Schulversuch:<br />

53 Hamburger Schulen<br />

begeben sich auf einen Weg<br />

Der Titel des Hamburger Schulversuches<br />

erscheint manchem beim ersten<br />

Hören etwas vermessen. »Ihre Schule ist<br />

also eine Alles»Könner-Schule. Aha!«<br />

Die Betonung liegt aber auf Könner<br />

und es geht darum, einen anderen<br />

Blick auf die Schülerinnen und Schüler<br />

zu richten. Jedes Kind kann etwas<br />

– alle Kinder sind Könner. Mit dem<br />

Schuljahr 2008/2009 starten 53 Hamburger<br />

Schulen, davon 28 <strong>Grundschule</strong>n.<br />

Ziel des Schulversuches ist es, eine<br />

Lernkultur zu entwickeln, die durch<br />

Kompetenz orientierung, die Förderung<br />

individueller Lernprozesse, kooperative<br />

Lernformen und lernförderliche Rückmeldesysteme<br />

gekennzeichnet ist. Die<br />

Schulen arbeiten in einer komplexen<br />

Projektstruktur, sind untereinander vernetzt<br />

und werden wissenschaftlich begleitet.<br />

22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Kompetenzraster Kunst Klasse 1<br />

Kompetenzen ☼ ☼☼ ☼☼☼ ☼☼☼☼<br />

Umgang mit<br />

Arbeitsmaterialien<br />

Du kennst die<br />

Arbeitsmaterialien.<br />

Du kannst die<br />

Arbeitsmaterialien<br />

benennen.<br />

Du kannst mit Schere<br />

und Kleber umgehen.<br />

Du kannst mit allen<br />

Arbeitsmaterialien<br />

umgehen.<br />

Arbeitsaufträge<br />

Du fragst nach,<br />

wenn du etwas nicht<br />

verstanden hast.<br />

Du verstehst die<br />

Arbeitsaufträge und<br />

holst dir Hilfe.<br />

Du setzt<br />

Arbeitsaufträge<br />

selbstständig um.<br />

Du entwickelst<br />

eigene Ideen und<br />

setzt diese um.<br />

Farben<br />

Du kennst die<br />

Grundfarben Rot,<br />

Blau, Gelb.<br />

Du kannst Grund- oder<br />

Mischfarben benennen.<br />

Du kannst Grund- und<br />

Mischfarben benennen.<br />

Du kannst die<br />

Mischfarben mischen.<br />

Kompetenzraster Klasse 2 Kunst<br />

Kompetenzraster Kunst Klasse 2<br />

☼ ☼☼ ☼☼☼ ☼☼☼☼<br />

Umgang mit<br />

Arbeitsmaterialien<br />

Du kannst die<br />

Arbeitsmaterialien<br />

benennen.<br />

Du kannst mit<br />

Schere und Kleber<br />

umgehen.<br />

Du kannst mit allen<br />

Arbeitsmaterialien<br />

umgehen.<br />

Du wählst<br />

selbstständig die<br />

Arbeitsmaterialien<br />

die du brauchst.<br />

Arbeitsaufträge<br />

Du verstehst die<br />

Arbeitsaufträge<br />

und holst dir<br />

Hilfe.<br />

Du setzt<br />

Arbeitsaufträge<br />

selbstständig um.<br />

Du entwickelst<br />

eigene Ideen.<br />

Du entwickelst<br />

eigene Ideen und<br />

setzt diese um.<br />

Farben<br />

Du kannst Grundoder<br />

Mischfarben<br />

benennen.<br />

Du kannst Grundund<br />

Mischfarben<br />

benennen.<br />

Du kannst die<br />

Mischfarben<br />

mischen.<br />

Du setzt Farben als<br />

Ausdrucksmittel<br />

ein.<br />

Kunstwerke/Schülerarbeiten Du schaust eigene<br />

und fremde Bilder<br />

aufmerksam an.<br />

Du kannst über<br />

Kunstwerke<br />

sprechen.<br />

Du kannst<br />

Ähnlichkeiten und<br />

Unterscheide bei<br />

Kunstwerken zeigen.<br />

Du kannst über<br />

Ähnlichkeiten und<br />

Unterschiede bei<br />

Kunstwerken<br />

sprechen.<br />

Kompetenzraster Kunst Klasse 3 / 4<br />

☼ ☼☼ ☼☼☼ ☼☼☼☼<br />

Umgang mit<br />

Arbeitsmaterialien<br />

Du kannst die<br />

Arbeitsmaterialien<br />

benennen.<br />

Du kannst mit<br />

verschiedenen<br />

Schneidewerkzeugen<br />

und Klebern umgehen.<br />

Du kannst mit allen<br />

Arbeitsmaterialien<br />

umgehen.<br />

Du wählst<br />

selbstständig die<br />

Arbeitsmaterialien,<br />

die du brauchst.<br />

Arbeitsaufträge<br />

Du verstehst die<br />

Arbeitsaufträge<br />

und holst dir<br />

Hilfe.<br />

Du setzt<br />

Arbeitsaufträge<br />

selbstständig um.<br />

Du entwickelst<br />

eigene Ideen.<br />

Du entwickelst<br />

eigene Ideen und<br />

setzt diese<br />

fachgerecht um.<br />

Farben/Farbwirkung<br />

Du kannst<br />

Mischfarben<br />

mischen.<br />

Du kannst den<br />

sechsteiligen<br />

Farbkreis erklären.<br />

Du kannst<br />

Farbwirkungen<br />

gestalterisch<br />

anwenden.<br />

Du kennst die<br />

Wirkung von Farben<br />

und setzt diese<br />

gestalterisch um.<br />

Kunstwerke/<br />

Schülerarbeiten<br />

Du kannst über<br />

Kunstwerke<br />

sprechen.<br />

Du kannst<br />

Ähnlichkeiten und<br />

Unterschiede bei<br />

Kunstwerken zeigen.<br />

Du kannst über<br />

Ähnlichkeiten und<br />

Unterschiede bei<br />

Kunstwerken<br />

sprechen.<br />

Du kennst<br />

Kunstwerke und<br />

Informationen über<br />

verschiedene<br />

Künstler.<br />

Präsentation/Reflexion Du gehst mit<br />

deinen und den<br />

Ergebnissen<br />

anderer<br />

respektvoll um.<br />

Du traust dich vor<br />

anderen zu sprechen.<br />

Du kannst eigene<br />

Ergebnisse allein<br />

oder in der Gruppe<br />

präsentieren.<br />

Du kannst Kritik<br />

als hilfreich<br />

annehmen und setzt<br />

diese in deinen<br />

weiteren Arbeiten<br />

um.<br />

Kompetenzraster Klasse 3/4 Kunst


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Cornelia Schaffert<br />

Philosophieren als »gute Aufgabe«<br />

für alle Kinder in der <strong>Grundschule</strong>?<br />

Die »Liebe zur Weisheit« als Unterrichtsprinzip in heterogenen Lerngruppen<br />

Eine Kollegin meinte, dass das Philosophieren in der <strong>Grundschule</strong> doch nur<br />

etwas für Hochbegabte sei. Ist das so? Ausgehend davon, dass das Fragen stellen<br />

an Dinge, Phänomene und Vorgänge für alle Kinder ein Ausgangspunkt des<br />

Lernens sein kann soll im Folgenden dargestellt werden, inwieweit das Philosophieren<br />

eine gute Aufgabe für alle Kinder sein kann und Bildungsstandards und<br />

Kompetenzorientierung gerecht wird.<br />

Franz Weinert definiert schon 2001<br />

Kompetenz als »… die bei Individuen<br />

verfügbaren oder durch sie<br />

erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und<br />

Fertigkeiten, um bestimmte Probleme<br />

zu lösen, sowie die damit verbundenen<br />

motivationalen, volitionalen und sozialen<br />

Bereitschaften und Fähigkeiten,<br />

um die Problemlösungen in variablen<br />

Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll<br />

nutzen zu können« 1) .<br />

Anforderungen an gute Aufgaben<br />

werden jedenfalls nicht nur fachspezifisch<br />

genannt.<br />

Die Bildungsstandards der KMK unterscheiden<br />

drei Dimensionen: neben<br />

den inhaltlichen Kompetenzen sind<br />

prozessbezogene Kompetenzen (z.B.<br />

Problemlösen, Argumentieren, Kommunizieren,<br />

Modellieren, Darstellen)<br />

und die Anforderungsbereiche (kognitiver<br />

Anspruch an die Schülertätigkeit,<br />

z.B. Reproduzieren, Zusammenhänge<br />

herstellen, Verallgemeinern und Reflexion)<br />

genannt.<br />

In vielen Handreichungen, zum Beispiel<br />

in der des Ministeriums von NRW<br />

zur Kompetenzorientierung, sind Kriterien<br />

für Lernaufgaben aufgelistet. Dort<br />

heißt es auch, dass »… Fehler im Lernprozess<br />

zugelassen und eigene Lösungswege<br />

beschritten werden können …« 2)<br />

sollen. Damit der Prozess des Lernens<br />

in den Vordergrund rückt, sollten auch<br />

sogenannte »inhaltlich offene Lernangebote«<br />

genutzt werden.<br />

Themen, welche meist mit der Methode<br />

des Philosophierens in Verbindung<br />

gebracht werden, sind Streitschlichtung,<br />

Angst, Schuld – Themen aus dem Leben<br />

in der (Schul-) Gemeinschaft, des Zwischenmenschlichen.<br />

Dabei geht es oft<br />

um Verhalten und Gefühle, um die Bedeutung<br />

von Grundwerten wie Freiheit,<br />

Gerechtigkeit, Menschenwürde und Toleranz,<br />

um Wertekonflikte, Wertklärung<br />

und Wertekonsens. Philosophieren wird<br />

demnach als Methode zum Ethik-/Religionsunterricht<br />

und zur Werteerziehung<br />

genutzt. Bei solchen Themen ist es sehr<br />

einfach zu verdeutlichen, dass es Lernziele<br />

gibt, für die ein Lerneffekt nicht von<br />

jetzt auf nachher messbar ist.<br />

Aber es geht beim Philosophieren um<br />

die Welt als Ganzes, um alle Dinge die<br />

uns umgeben, eben darum, diese ganze<br />

Welt fragwürdig zu machen, auch<br />

um Wissen und Überzeugungen. »Wer<br />

wahrhaft weise ist, weiß wie Sokrates,<br />

dass er nicht weiß.« Die Aussage wird<br />

Platon (ca. 427 – 348 v. Christus) zugeschrieben.<br />

3) Philosophie – die "Liebe<br />

zur Weisheit« – ermöglicht es, die Welt<br />

mit Neugier und Wachsamkeit zu betrachten.<br />

Dies fordert eine Haltung des<br />

Hinterfragens und der Möglichkeit des<br />

Darstellens von Unbegreiflichem.<br />

Können alle Kinder philosophieren?<br />

Schon sehr früh haben Kinder eine<br />

Meinung, auch zum Sein der Welt und<br />

unterhalten sich miteinander darüber.<br />

Sie begleiten ihre Handlungen sprachlich,<br />

nutzen dabei die Wörter und Erklärungsstrategien,<br />

die sie in diesem<br />

Moment kennen. Nicht immer sind sie<br />

für Erwachsene verständlich. Mit ihren<br />

Gesprächen und Erklärungen zeigen sie<br />

immer auch ihre Vorerfahrungen, ihr<br />

Wissen, ihr Differenzierungsvermögen<br />

und ihr Sprachvermögen.<br />

Das Philosophieren wird deswegen<br />

auch als ein Unterrichtsprinzip für den<br />

Sachunterricht gesehen, »… es geht<br />

um neue, andere Zugänge zu den herkömmlichen<br />

Gegenständen des Sachunterrichts«<br />

4) .<br />

Es geht hier also nicht darum, philosophiegeschichtliches<br />

Wissen oder klassische<br />

philosophische Themen kindgerecht<br />

aufzubereiten. Philosophieren ist<br />

Selbstzweck, gemeinsames Nachdenken,<br />

welches immer wechselseitig Verstehen<br />

sucht, ist Dialog, und auch der<br />

Prozess des Verstehens wird zum Gegenstand<br />

des Nachdenkens gemacht.<br />

Das dialogische Gespräch ist rational<br />

und reflexiv. Können das alle Kinder?<br />

Rieke Bitter forschte zur Frage nach<br />

den Vorstellungen von Vorschulkindern<br />

zum Lebendigen auch danach, wie<br />

Kinder argumentieren, wenn ihre Erklärungen<br />

ausgereizt sind und in einem<br />

fragwürdigen Zusammenhang nicht<br />

mehr genügen. 5) Denn das Philosophieren<br />

ermöglicht nicht nur das Äußern<br />

von Wissen, sondern auch das Offenbaren<br />

von Denkstrukturen. Sie stellte unter<br />

anderem fest, dass einige Kinder ihre<br />

Entscheidungen nicht mit Vergleichsmerkmalen,<br />

sondern nur tautologisch<br />

begründen (»es ist so, weil das so ist«).<br />

Sie erklärt dies damit, dass den Kindern<br />

fachliche Merkmale fehlen. Aussagen<br />

werden dann nicht weiter spezifiziert,<br />

sondern vielmehr als fixe Grundlagen<br />

angenommen. Ist das weitere Hinterfragen<br />

für einige Kinder unnötig, endet<br />

das Gespräch dann oft sehr schnell.<br />

Dies wird häufig als eine entwicklungspsychologische<br />

Unzulänglichkeit<br />

der Kinder für das Philosophieren abgetan,<br />

anstelle genau hier einen gelungenen<br />

Ausgangspunkt zur Weiterentwicklung<br />

der Sprach- und Denkfähigkeiten<br />

zu sehen. Wie kann das gelingen?<br />

Was braucht es, um weiter<br />

im Gespräch zu bleiben?<br />

Besonders hilfreich ist es, wenn die<br />

Kinder sehr unterschiedliche Vorstel­<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

lungen haben und gerade diese Unterschiedlichkeiten<br />

im Gespräch aufgegriffen<br />

werden. Dazu ist es günstig, in<br />

heterogenen Lerngruppen zu agieren<br />

und entsprechend Zeit einzuplanen für<br />

die Äußerung jeder einzelnen Vorstellung.<br />

Für die Bereitschaft zur Ausdifferenzierung<br />

unterschiedlicher Aussagen<br />

haben jedoch Kinder wie Lehrende selten<br />

die nötige Ausdauer. Kindern fehlt<br />

aber auch oft das Bewusstsein für die<br />

Äußerung von Nichtwissen, wird doch<br />

oft gerade nur das Wissen abgefragt<br />

und belohnt. In Gesprächen zwischen<br />

Kindern und Erwachsenen verführt<br />

die Frage nach dem Warum häufig<br />

dazu, lexikonartig Fachwissen zu vermitteln.<br />

Im Sinne von Weinert liegt es demnach<br />

zunächst an der motivationalen,<br />

volitionalen und sozialen Bereitschaft<br />

von LehrerInnen, das Philosophieren<br />

als eine gute Aufgabe für alle Kinder<br />

anzuerkennen und in variablen Situationen<br />

mit hohem selbstgesteuertem<br />

Handlungsanteil erfolgreich und verantwortungsvoll<br />

als Unterrichtsprinzip<br />

und als Zugangsweise zu nutzen.<br />

Notwendige Fähigkeiten von LehrerInnen<br />

werden in der Fachliteratur mit<br />

konkreten Beispielen genannt. Hier<br />

sollen nur einige ausgewählte bedacht<br />

werden.<br />

Markus Rehm hat ein Kompetenzmodell<br />

zum Verstehen von Phänomenen<br />

und naturwissenschaftlichen Begriffen<br />

für die Unterrichtsforschung<br />

entwickelt.<br />

●●<br />

Fragwürdigkeit erkennen,<br />

●●<br />

Beziehung aufbauen,<br />

●●<br />

Sinn erfahren in Zusammenhängen,<br />

●●<br />

Verstehen.<br />

Diese Darstellung ist sehr verkürzt.<br />

Mehr siehe bei Markus Rehm (2006):<br />

Allgemeine naturwissenschaftliche Bildung<br />

– Entwicklung eines vom Verstehen<br />

ausgehenden Kompetenzmodells.<br />

Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften,<br />

S.23 – 44.<br />

Er geht davon aus, dass die Stufen<br />

drei und vier zunehmend verschüttet<br />

gehen, da die Lernenden nicht als sinnlich<br />

handelnde und verstehende Subjekte,<br />

sondern hauptsächlich als Rezipienten<br />

von Fachwissen betrachtet werden.<br />

Markus Rehm zeigte auf, dass jede<br />

noch so gute Phänomenpräsentation<br />

nicht zur Begriffsbildung führen kann,<br />

wenn nicht zuvor bei den Lernenden ein<br />

Lernsinn entwickelt wurde…« 6)<br />

Dass nicht alleine die Aktion des Experimentierens<br />

zu einer »bildenden Erfahrung«<br />

führt zeigt Jörg Ramseger 7)<br />

mit Bezügen zur <strong>aktuell</strong>en Forschungslage<br />

auf. Er nennt unter vielen anderen<br />

Bedingungen für eine gelungene naturwissenschaftliche<br />

Bildung einen kreisförmigen<br />

Prozess, den Kinder erleben<br />

können sollten:<br />

––<br />

Eine Frage an die Natur stellen<br />

––<br />

Ideen und Vermutungen äußern<br />

––<br />

Versuche im Team durchführen<br />

––<br />

genau beobachten<br />

––<br />

alles aufschreiben<br />

––<br />

Befunde gemeinsam dokumentieren<br />

––<br />

Befunde gemeinsam erörtern<br />

––<br />

erneut Fragen stellen …<br />

Was brauchen Kinder, um einen<br />

Lernsinn entwickeln zu können?<br />

Was brauchen sie, um eine Bedeutung<br />

für ihr Leben zu erfahren und von sich<br />

aus fragend im Gespräch zu bleiben?<br />

Für Ekkehard Martens ist das Philosophieren<br />

als gemeinsames Nachdenken<br />

über etwas ein Prozess zur Entfaltung<br />

des Bewusstseins. Er formuliert ein<br />

5-Finger-Modell 8) . Dabei geht es um<br />

die Bereitstellung von Impuls gebenden<br />

Fragen. Dies können Sachfragen<br />

um Wissen und Überzeugungen und<br />

Modellvorstellungen sein (Was können<br />

Pflanzen? Was können Tiere?), genauso<br />

wie offene Fragen, auf die es keine eindeutigen<br />

Antworten gibt, die eher auf<br />

Sinndeutungen abzielen (Warum ist das<br />

Ernten von Salat erlaubt?) neben Fragen,<br />

die eine Metaebene betrachten (»Was<br />

ist das eigentlich, was ich da tue, wenn<br />

ich ein Terrarium herstelle? Was will<br />

ich denn damit?«). Es geht um Beschreibung,<br />

Vergleiche, Gedankenexperimente,<br />

Begriffsunterscheidungen, Deutungsmuster,<br />

Argumentationsfiguren,<br />

Metaphern, kontroverse Positionen.<br />

Martens nennt fünf verschiedene gemeinsame<br />

Reflexionshandlungen:<br />

1. beobachten und möglichst differenziert<br />

beschreiben (Phänomenologie).<br />

2. begrifflich wie argumentativ prüfen<br />

(Analyse).<br />

3. sich einander widersprechen, über<br />

Behauptungen streiten (Dialektik).<br />

4. unterschiedliche Sichtweisen vom jeweiligen<br />

Standpunkt aus und als vorläufiges<br />

Wissen verstehen (Hermeneutik).<br />

5. phantasieren und sinnieren darüber,<br />

wie man etwas auch ganz anders verstehen<br />

könnte (Spekulation).<br />

Er unterscheidet drei Schwerpunkte,<br />

die sich im fortschreitenden Prozess<br />

des Philosophierens mehr oder weniger<br />

ausgeprägt ausbilden können:<br />

1. Sich-Wundern (Gedankenexperimente<br />

und Vorstellungskraft, phantasieren<br />

und sinnieren).<br />

2. Dialog-Handeln (begründen, nachfragen,<br />

zweifeln, Schlüsse ziehen, prüfen,<br />

unterscheiden, bestreiten und zustimmen,<br />

jemanden und sich selber in<br />

seinen Sichtweisen verstehen, einander<br />

widersprechen und miteinander über<br />

Behauptungen streiten, kontroverse Positionen<br />

suchen).<br />

3. Begriffs-Bildung (etwas genau beobachten,<br />

möglichst differenziert beschreiben,<br />

benennen, was jemand anderes<br />

sagt nochmals selbst begrifflich und<br />

ar-gumentativ überprüfen, es geht um<br />

Deutungsmuster, Metaphern, Vergleiche<br />

und Begriffsunterscheidungen).<br />

»Meinst du, die da Zähne hat?« fragt<br />

A., als er mit N. ein Terrarium für eine<br />

Schneckensammlung mit Blättern<br />

befüllt.<br />

N: »Wenn die Hunger hat muss die<br />

doch beißen in Salat oder so.«<br />

Nachfrage der Lehrerin: »Wie kommst<br />

du darauf?«<br />

N: »Die knabbert die Salat ab, meine<br />

Mama schimpf.«<br />

A: »Aber die muss doch auch überleben,<br />

die is doch ein Lebensdings.«<br />

L: »Kannst Du das genauer erklären?«<br />

A: »Die muss essen um zu leben.«<br />

N: »Alle Salat muss doch auch<br />

wachsen.«<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

25


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

Bei einer projektorientierten Lernsituation<br />

zur Lesekompetenz in einer<br />

jahrgangsübergreifend arbeitenden<br />

Lerngruppe (1/2/3) wurde auch der<br />

KrabbeltierKoffer 9) genutzt. Einige Kinder<br />

wollten Schnecken beobachten.<br />

Hier gäbe es die Möglichkeit, nach<br />

der Fortbewegung zu fragen, die Unterscheidung<br />

zu Insekten zu nutzen. Es<br />

könnten aber auch die Vermutungen<br />

der Kinder über das Vorhandensein von<br />

Zähnen gesammelt werden und in einem<br />

weiteren Schritt erarbeitet werden,<br />

was man alles tun kann, um die Frage<br />

selbst zu beantworten. Auch kann weiter<br />

darüber ein Austausch stattfinden,<br />

was Zähne sind, wie sie aussehen, es<br />

können Vergleiche und Begriffsunterscheidungen<br />

gelingen.<br />

Aber auch ein Gedankenexperiment<br />

wäre möglich zur Frage «Wie wäre es,<br />

wenn der Salat sich nicht essen ließe?«<br />

Dabei könnte eine gemeinsame Verständigung<br />

über die Begriffe »Lebendig«<br />

und »Nicht-Lebendig« durch das<br />

Benennen von Unterschieden Ziel sein.<br />

Wie gelingt es, die verschiedenen<br />

Möglichkeiten, das unterschiedliche<br />

Anliegen der Kinder im Sinne eines<br />

Literacy-Konzepts zu begleiten, bei<br />

dem Weltverständnis als Fähigkeit,<br />

die Welt auf unterschiedliche Weise<br />

»lesen« zu können, gesehen wird?<br />

Der mangelnden Ausdauer von Kindern<br />

entgegen kommend eignen sich<br />

nach Bitter besonders Unterrichtsvorhaben<br />

mit hohem selbstgesteuertem<br />

Handlungsanteil: »So regte während<br />

der Intervention die gemeinsame Pflege<br />

der Schnecken und Löwenzahnpflanzen<br />

den Austausch der Kinder über<br />

Gemeinsamkeiten ebenso an wie das<br />

Mikroskopieren und Untersuchen der<br />

Lebewesen im Vergleich zu Steinen.« 10)<br />

Ramseger weist unter anderem auf<br />

die Notwendigkeit einer meta-kognitiven<br />

Reflexion hin. »Der Unterricht<br />

sollte demnach bereits in seiner Struktur<br />

so gestaltet sein, dass er eine Kombination<br />

von eigenaktivem Erproben<br />

und Experimentieren und systematischem<br />

gemeinsamen Nachdenken über<br />

den Sachverhalt darstellt – »sustained<br />

shared thinking« wie die Amerikaner<br />

es nennen.« 11)<br />

Können alle Kinder miteinander<br />

philosophieren?<br />

In Lernumgebungen, in denen Kinder<br />

auch selbstständig mit Hilfe von Gegenständen,<br />

Fotos, Filmen, Bildern, Sprichwörtern,<br />

Rätseln u. a. untereinander ins<br />

Gespräch kommen, können alle Kinder<br />

innerhalb ihrer Ausdrucksformen miteinander<br />

gemeinsam nachdenken und<br />

auch philosophieren. Die Kompetenzen<br />

von LehrerInnen zeigen sich, wenn<br />

sie verbale und nonverbale Impulse, in<br />

der Kinder ihre persönliche Verwunderung,<br />

ihre Fragen und Erklärungen<br />

zeigen, immer wieder aufgreifen und<br />

begleiten, ohne gleich richtige Antworten<br />

zu erwarten. Es geht darum, das<br />

»Nichtwissen« zu entdecken und dieses<br />

Cornelia Schaffert<br />

Sonderschullehrerin in jahrgangsgemischten<br />

Klassen (1/2/3) an einer<br />

<strong>Grundschule</strong>, zudem abgeordnet<br />

zur Sprachberatung in der Kita und<br />

zur Mitarbeit im ProMint Kolleg der<br />

Humboldt-Universität in Berlin.<br />

in eine Suche nach Lösungsprozessen<br />

umzuwandeln.<br />

LehrerInnen können Kinder in ihrem<br />

Tun sprachlich im Sinne von scaffolding<br />

begleiten, Modell sein. Die Kunst,<br />

Kinder zu persönlichen Äußerungen zu<br />

ermuntern, »… nennt man in der englischen<br />

Sprachdidaktik »scaffolding«.<br />

Eine adäquate deutsche Übersetzung ist<br />

schwierig – »Einrüstung« oder »Gerüstbau«<br />

klingen wenig passend und eher<br />

abschreckend. Ich schlage vor, von aufbauender<br />

Sprachförderung zu sprechen<br />

oder den englischen Ausdruck beizubehalten.«<br />

12)<br />

Hilfreich dazu sind Gesprächsrituale,<br />

das Nutzen von Blitzlicht, Sprechstein<br />

und immer wiederkehrender Zeiten für<br />

Kreisgespräche, Austausch-, Auswertungs-<br />

oder Präsentationsrunden. Dabei<br />

können Fragen, Aussagen und Er­<br />

M: Ob die sich wohl fühlt da drinne?<br />

B: Habs viel grün rein.<br />

M: Aber die Luft hier und das Licht …<br />

B: Die Sonne is auch hell.<br />

L: Ihr macht euch Gedanken über das Leben eurer Schnecke?<br />

M: hm<br />

B: wie wir es gemütlich machen können<br />

L: Warum braucht ihr das Terrarium?<br />

B: Is ja nur für kurz, genauer gucken, …näher dran sein können,<br />

nur für jetzt …<br />

L: Gibt es noch andere Möglichkeiten?<br />

M: naja draußen<br />

B: da is sie so schnell weg<br />

M: nachher kommt sie aber wieder raus …<br />

B: ja, das machst du dann<br />

26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Kompetenz orientierung<br />

klärungen der Kinder stichpunktartig<br />

auf Karten notiert werden. Diese visualisieren<br />

das gemeinsame Nachdenken,<br />

wenn sie an die Tafel angeheftet werden.<br />

Sie können in folgenden Gesprächsrunden<br />

gemeinsam geordnet und immer<br />

wieder auch umgeordnet werden, zum<br />

Beispiel in »richtig«, »falsch« und »noch<br />

offen«.<br />

Das Philosophieren mit Kindern Unterstützendes<br />

Material bietet zum Beispiel<br />

Kerstin Michalik 13) ganz konkret.<br />

Sie nennt unter anderem eine Fülle<br />

von hilfreichen Gesprächsimpulsen zur<br />

Intensivierung der inhaltlichen Auseinandersetzung<br />

(Nachfragen, Begründen,<br />

Diskutieren, Konsequenzen durchspielen,<br />

Zusammenfassung) und zur Anregung<br />

des Miteinander Redens.<br />

»Wenn Menschen lernen sich in<br />

Sprache zu bewegen, lernen sie unweigerlich<br />

sich in einem Netz unterschiedlicher,<br />

auslegungsbedürftiger Symbole<br />

zu bewegen. Elementares Philosophieren<br />

hebt darauf ab, unser symbolisch<br />

vermitteltes Verstehen von Wirklichkeit<br />

immer gründlicher und genauer<br />

zu verstehen.« 14)<br />

Die Kompetenzen von Kindern zur<br />

Begriffsbildung und zum Verstehen<br />

können sich während des Philosophierens<br />

zeigen und entwickeln, indem in<br />

den dialogischen Gesprächen immer<br />

wieder neu eigene Lösungswege gesucht<br />

werden und so gemeinsam eine Beziehung<br />

zwischen der eigenen Person und<br />

den Phänomenen in der Welt erlebbar<br />

wird.<br />

MAIK: also bäume wachsen ja auch nicht wenn sie ganz groß sind (.) also<br />

ERZIEHERIN: wie, die wachsen nicht?<br />

THOMAS, ANNA: dooch die wachsen ((Maik »klatscht« sich mit der offenen<br />

Hand an die Stirn und schließt die Augen))<br />

JAN: klar wachsen die das sind doch lebewesen<br />

GRIT: das sind keine lebewesen bäume leben gar nicht<br />

THOMAS: dooch<br />

ANNA: bäume leben<br />

JAN: die leben<br />

MAIK: aber die gehen ja nicht<br />

JAN: aber sie sind lebewesen<br />

GRIT: NEEINN das sind doch keine tiere die gehen 15)<br />

»Philosophieren bedeutet, immer<br />

wieder die Sicherheit des Wissens anzuzweifeln<br />

und zu verstehen, dass hinter<br />

vermeintlichen Tatsachen sich oft eine<br />

zweite, eine dritte, eine andere Wahrheit<br />

finden lässt.« 16)<br />

Kompetenzmodelle beschreiben das<br />

Lernen in einem Prozess. Mit allen Kindern<br />

philosophieren ist anspruchsvoll,<br />

es setzt die Bereitschaft aller voraus, das<br />

Fragen und das gemeinsam nach <strong>aktuell</strong><br />

gültigen Antworten zu suchen in den<br />

Fokus zu stellen. Es braucht fachkundige<br />

Begleitung in Unterrichtsarrangements,<br />

in denen es gelingt, »…sich<br />

gleichzeitig mit Kindern im Denken zu<br />

orientieren, sich auf bestimmte Art und<br />

Weise mit Kindern im Denken zu orientieren<br />

und sich durch Kinder im Denken<br />

zu orientieren.« 17)<br />

Anmerkungen<br />

(1) Weinert (2001): Vergleichende Leistungsmessung<br />

in Schulen – eine umstrittene<br />

Selbstverständlichkeit. In: Weinert (Hg.):<br />

Leistungsmessungen in Schulen. Weinheim,<br />

S. 17 – 31, S. 27<br />

(2) Ministerium für Schule und Weiterbildung<br />

des Landes NRW (2008): Kompetenzorientierung<br />

– Eine veränderte Sichtweise<br />

auf Lehren und Lernen in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Handreichung, S. 13<br />

(3) siehe PLATON: Apologie des Sokrates;<br />

Übersetzung und Kommentar von Ernst<br />

Heitsch. Göttingen 2002<br />

(4) Michalik (2005): Philosophieren über<br />

Mensch und Natur im Sachunterricht. In:<br />

Hößle, Michalik (Hrsg.): Philosophieren mit<br />

Kindern und Jugendlichen. Didaktische und<br />

methodische Grundlagen des Philosophierens.<br />

Baltmannsweiler, S. 13 – 23, S. 16<br />

(5) Bitter (2010): Dogmen vom Lebendigen.<br />

Philosophieren mit Kindern im Sachunterricht.<br />

In: www.widerstreit-sachunterricht.de,<br />

Nr. 15, Oktober 2010<br />

(6) Aeschlimann, Buck, Hugo, Østergaard,<br />

Rehm, Rittersbacher (2008): Phänomenologische<br />

Naturwissenschaftsdidaktik: Der<br />

Lernweg und der Lehrweg von den Phänomenen<br />

zum Begriff. In: Höttecke, Dietmar (Hg.):<br />

Kompetenzen, Kompetenzmodelle, Kompetenzentwicklung.<br />

Berlin, S. 179 – 181, S. 181<br />

(7) Ramseger (2010): Was heißt »naturwissenschaftliche<br />

Bildung« im Kindesalter? Eine<br />

kritisch konstruktive Sichtung von Naturwissenschaftsangeboten<br />

für den Elementar- und<br />

Primarbereich. Vortrag MINT-Fachtagung<br />

Rostock 20. Sept. 2010<br />

(8) Martens (1990): Sich im Denken orientieren.<br />

Philosophische Anfangsschritte mit<br />

Kindern, Hannover<br />

(9) Hoppe, Janzen: Der Krabbeltier Koffer.<br />

In Grundschulunterricht Deutsch, 2/2010,<br />

S. 16 – 20<br />

(10) Bitter (2010): S. 6<br />

(11) Ramseger (2010): S. 8<br />

(12) Roth (2007): Scaffolding – ein Ansatz<br />

zur aufbauenden Sprachförderung. In:<br />

Sprachförderung in Köln. mehrsprachig vom<br />

Kindergarten bis ins Berufsleben, Newsletter<br />

Februar 2007, S. 33 – 35, S. 33<br />

(13) Michalik (2010): Methoden des Philosophierens<br />

mit Kindern. In: Grundschulunterricht<br />

Sachunterricht, 1/2010, S. 39 – 47<br />

(14) Wehner (2009): »Pädagogik vom Kinder<br />

aus« – Versuch einer kinderphilosophischen<br />

Reinterpretation einer pädagogischen Formel.<br />

In: www.widerstreit-sachunterrricht.de,<br />

Ausgabe 12/März 2009, S. 7<br />

(15) Rieke Bitter (2010): S. 6<br />

(16) Zoller-Morf (1998): Philosophische Reise<br />

– Unterwegs mit Kindern auf der Suche nach<br />

Lebensfreude und Sinn, Zürich, S. 11<br />

(17) Wehner (2009): S. 7<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

27


Ansichten Praxis: Gute und Aufgaben Einsichten und Kompetenz orientierung<br />

Horst Bartnitzky<br />

Auch Förderaufgaben<br />

müssen qualitätsvoll sein<br />

»Wir brauchen den Blickwechsel: weg vom Blick auf die Defizite hin zum Blick<br />

auf die Kompetenzen der Kinder.« So lautete das Fazit eines Beitrages bei der<br />

letzten Herbsttagung des Grundschulverbandes im Taunus, als es um Förderkonzepte<br />

ging. Ein Teilnehmer widersprach: »Wir müssen uns auch die Defizite<br />

klar machen. Denn das ist doch der Sinn von Förderung: die Defizite aufzuarbeiten.«<br />

Eine Teilnehmerin hielt dagegen: »Wir sollten immer sehen, welche<br />

Kompetenzen ein Kind bereits hat. Von diesen Kompetenzen aus entwickelt es<br />

sich dann mit unserer Hilfe weiter.«<br />

Wie war das noch mit dem<br />

zum Teil gefüllten Glas: Ist<br />

es halb leer oder ist es halb<br />

voll? Objektiv liegt der gleiche Sachverhalt<br />

zu Grunde. Aber die Einstellung<br />

des Betrachters ist eine andere: hier die<br />

pessimistische, dort die optimistische<br />

Sicht.<br />

Pädagogisch gewendet: Hier der Defizitblick,<br />

der das Kind als förderbedürftig<br />

erklärt, dort der Kompetenzblick,<br />

der das Kind in seinem bisherigen Können<br />

erkennt und Lernsituationen arrangiert,<br />

in denen es sein Können aktiviert<br />

und erweitert. Pädagogische Pathologie<br />

gegen eine Pädagogik der Ermutigung.<br />

Qualitätsmerkmale<br />

für Förderaufgaben<br />

Förderung in einer Pädagogik der Ermutigung<br />

– eine Projektgruppe des<br />

Grundschulverbandes hat den Auftrag,<br />

dazu didaktische Anregungen zu erarbeiten.<br />

Das Arbeitsthema kennzeichnet<br />

schon die Blickrichtung: »Individuell<br />

fördern – Kompetenzen stärken« (siehe:<br />

<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong> 2010, H. 109). Bei<br />

der Suche nach qualitätsvollen Aufgaben<br />

für die Förderung verständigte sich<br />

die Projektgruppe auf drei Qualitätsmerkmale,<br />

die sie »didaktische Leitideen<br />

zur Förderung« nennt.<br />

Förderaufgaben müssen sein:<br />

●●<br />

beziehungsreich und verstehensorientiert.<br />

Es ist ein Irrtum alter Hilfsschulpädagogik,<br />

der sich bis heute gehalten hat:<br />

dass nämlich leistungsschwächeren<br />

Kindern nur kleinste Lernportionen zu<br />

verabreichen sind. Also werden komplexere<br />

Fähigkeiten in kleinste Teilfähigkeiten<br />

zerlegt, möglichst mundgerecht<br />

gemacht und vorgekaut. Da wird zuerst<br />

das M gelernt, dann das A, daraus<br />

MAMA synthetisiert, oder es werden<br />

(ein <strong>aktuell</strong>er Trend) zuerst Silben zu<br />

lesen gelernt. Verstehensorientiert heißt<br />

aber: Einsicht in Struktur und Funktion<br />

von Schrift erkennen – nicht als spätes<br />

Ergebnis, sondern von Anfang an. Beziehungsreich<br />

bedeutet, Beziehungen<br />

herstellen zwischen Lauten und Buchstaben,<br />

zwischen Geschriebenem und<br />

Gesprochenem, zwischen mir und dem<br />

Text.<br />

●●<br />

diagnosegeleitet und differenziert.<br />

Ein Teil der <strong>aktuell</strong>en Bildungsforschung,<br />

wie sie z. B. für die Vergleichsarbeiten<br />

verantwortlich ist, trennt Lernsituationen<br />

von Leistungssituationen.<br />

Lernsituationen charakterisierten den<br />

Unterricht, dabei dürften auch Fehler<br />

gemacht werden; Leistungssituationen<br />

seien dagegen Lernkontrollen, deren<br />

Sinn es gerade sei, möglichst fehlerfrei<br />

zu arbeiten (z. B. Köster 2010).<br />

Didaktisch ist dies ein verhängnisvoller<br />

Irrtum, denn Lernsituationen<br />

sind qua Definition immer auch Leistungssituationen<br />

und Fehler können<br />

ein wichtiger Hinweis auf Lernstrategien<br />

und Denkweisen sein. Wer statt Opa<br />

Oper schreibt, hat das Rechtschreibmuster<br />

–er erkannt und verinnerlicht<br />

und wendet es hier übergeneralisiert an.<br />

Was denn anderes als eine Leistung ist<br />

das? Diagnosegeleitet bedeutet deshalb<br />

genau dies: in den Lernsituationen immer<br />

auch die Leistung zu erfassen und<br />

zu würdigen. Die Königswege dazu sind<br />

nicht Tests, sondern die Beobachtung<br />

Dr. Horst Bartnitzky<br />

Grundschulpädagoge, Autor von<br />

Schul- und Fach büchern, Ehren -<br />

mitglied des Grundschulverbandes<br />

der Lern- und Arbeitsprozesse und die<br />

Würdigung der Lerndokumente der<br />

Kinder, wie sie z. B. im Instrument des<br />

Portfolios eine Möglichkeit gefunden<br />

hat. Dass hierbei differenziert betrachtet<br />

und unterstützt wird, ist dabei inklusiv.<br />

(Zur Pädagogischen Leistungskultur<br />

siehe z. B. Bartnitzky / Speck-Hamdan<br />

2004.)<br />

●●<br />

kommunikativ und kooperativ.<br />

Zwar ist der Lernprozess individuell,<br />

aber in sozial-interaktive Prozesse eingebunden.<br />

Vereinzelung der Kinder im<br />

Lernen, wie dies bei falsch verstandener<br />

Individualisierung praktiziert wird,<br />

nimmt den Kindern wesentliche Lernchancen.<br />

Anfangsunterricht, Deutsch,<br />

Lesen – vier Beispiele<br />

An vier Beispielen von Förderideen sollen<br />

qualitätsvolle Möglichkeiten vorgestellt<br />

werden. Es sind Beispiele aus dem<br />

Bereich Anfangsunterricht Deutsch<br />

und hier zu einer kritischen Stelle im<br />

Lernprozess, die für viele Kinder eine<br />

Hürde zum weiterführenden Lesen darstellt:<br />

das selbstständige Lesen von Texten.<br />

Illustriert werden sie mit Folien aus<br />

einer Power-Point-Präsentation, die in<br />

der eingangs erwähnten Herbsttagung<br />

des Grundschulverbandes verwendet<br />

wurde.<br />

28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


Praxis: Gute Aufgaben und Ansichten Kompetenz und orientierung<br />

Einsichten<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Förderidee:<br />

Rich,g oder falsch: Sätze inhaltlich beurteilen<br />

S,mmt der Satz oder nicht?<br />

Kinder begründen mündlich<br />

Kinder erstellen Fragebögen zum Interessengebiet / zum<br />

Thema<br />

Kinder erstellen Fragebogen zu einem Text.<br />

Die Informationsentnahme wird zwingend, wenn der Satz<br />

auf seine Richtigkeit überprüft werden soll: Stimmt der Satz<br />

oder stimmt er nicht?<br />

Mündlich können die Kinder ihre Entscheidung begründen<br />

und im Zweifelsfall auch miteinander diskutieren. Entsprechende<br />

Fragebogen lassen sich für jedes Leseniveau herstellen.<br />

Hier ein Beispiel mit einfachem Schwierigkeitsgrad:<br />

Ich esse gerne Tomaten.<br />

Ich esse gerne Salami.<br />

Ich esse gerne Autos.<br />

ja<br />

nein<br />

Die Kinder können selber zu jedem Text, den sie gelesen haben,<br />

einen Fragebogen herstellen. Entsprechende Formulare<br />

sollten bereitliegen. Sie arbeiten dabei intensiv verstehensorientiert<br />

mit dem Text und dokumentieren ihr Leseverständnis.<br />

Den Text können die Kinder vorlesen und dann die<br />

Fragebögen verteilen. Oder die Texte liegen mit den Fragebögen<br />

aus. Wer den Bogen erstellt hat, ist Experte für diesen<br />

Text.<br />

Lesen und Fragebogen erstellen können wirkungsvoll partnerschaftlich<br />

geleistet werden.<br />

<br />

16<br />

Eine Bedingung für gelingende Förderung ist das eigenständige<br />

Lesen der Kinder: Hier zu motivieren, Lesen als Gewinn<br />

erfahren zu lassen, ist zentrale Förderaufgabe in der Entwicklung<br />

einer Lese-Schreib-Kultur (Grundschulverband 2006).<br />

Dazu sind mehrere Faktoren hilfreich:<br />

––<br />

Die Kinder brauchen Lesestoff, der ihr Interesse trifft – seien<br />

es Tiere, Dinosaurier, witzige Geschichten oder Bild-<br />

Text-Kombinationen zu einer Fernsehserie. Natürlich<br />

muss der Anspruch des Textes der Lesefähigkeit entsprechen.<br />

Wenn die Schule keine Bücherei hat, kann die Ortsbibliothek<br />

helfen.<br />

––<br />

Die Kinder brauchen Lesezeiten und Leseplätze zum freien<br />

Lesen in der Schule. Beim Ganztag ergeben sich mehr<br />

Möglichkeiten als bei der Viertel- bis Halbtagsschule.<br />

––<br />

Die Kinder brauchen oft Lesepartner: andere Kinder, mit<br />

denen sie sich über Gelesenes austauschen können, auch<br />

Lesepaten, z. B. aus 4. Klassen, verwandte Erwachsene oder<br />

ehrenamtliche Helfer.<br />

––<br />

Die Kinder können über ihre Lektüren ein Lesetagebuch<br />

führen: Sie schreiben zuerst nur die Titel auf, sie können<br />

dazu malen oder etwas schreiben. Individuell kann das Tagebuch<br />

dann erweitert werden: Autor/in, Titel, zum Inhalt,<br />

eigene Meinung. Später können andere Möglichkeiten hinzukommen:<br />

eine Stelle, die besonders witzig / spannend /<br />

wichtig ist, ein Brief an eine Person im Text, Überlegungen,<br />

wie die Geschichte weitergehen kann …<br />

An diesem Beispiel wird noch etwas sichtbar: Es ist gar keine<br />

Aufgabe und damit auch keine »gute Aufgabe«, sondern<br />

es sind anregende Lernsituationen, die durch die gestaltete<br />

Lernumgebung möglich werden. Solche Lernumgebung und<br />

Lernsituationen sind aber die Voraussetzung und Grundlage<br />

dafür, dass Aufgaben gute Aufgaben werden können. Die<br />

derzeitige Rede von »guten Aufgaben« als Weg zu mehr Qualität<br />

greift deshalb zu kurz.<br />

Förderidee:<br />

Lesefeld erweitern: über die Zeile lesen<br />

Zeilensprung in Sinnabschni:en:<br />

Eine Maus hat vier kleine Beine<br />

und kann damit schnell laufen.<br />

Willkürlicher Zeilensprung (hier: Fla:ersatz):<br />

Eine Maus hat vier kleine Beine und kann<br />

damit schnell laufen. Sie hat kleine …<br />

Methode (Tipp): Über die Zeile lesen<br />

• Suche den Punkt.<br />

• Mache am Punkt einen farbigen Strich.<br />

• Wenn der Satz über zwei Zeilen geht,<br />

dann unterstreiche die letzen Wörter der oberen Zeile<br />

und die ersten Wörter der nächsten Zeile mit derselben Farbe.<br />

Texte für Leseanfänger sind oft im Flattersatz gedruckt, bei<br />

dem die Zeilen unterschiedlich lang sind. Oft entsprechen<br />

die Zeilen Sinnabschnitten, was das Erlesen für die Kinder<br />

erleichtert. Häufig aber, besonders auch bei Kinderbüchern<br />

für die erste Lesestufe, endet die Zeile willkürlich im Satz.<br />

Bei allen Texten, bei denen die Zeilen willkürlich die Sätze<br />

teilen, müssen die Kinder zeilenübergreifend lesen, um den<br />

15<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

29


Ansichten Praxis: Gute und Aufgaben Einsichten und Kompetenz orientierung<br />

Textsinn herzustellen. Das ist eine Schwierigkeit für viele<br />

Kinder, die dann eine Zeile bis zum Ende lesen und dann bei<br />

der nächsten Zeile neu ansetzen. Der inhaltliche Zusammenhang<br />

geht dadurch verloren. Dem wirkt eine Methode entgegen,<br />

die hilft, zeilenübergreifend zu lesen.<br />

Die Methode kann mit den Kindern an geeigneten Texten<br />

ausprobiert werden. Dann wird partnerschaftlich weiter geübt:<br />

Die Partner markieren gemeinsam den Text, lesen halblaut gemeinsam<br />

auf den Punkt zu. Die Aufgabe heißt: Nicht am Zeilenende<br />

eine Pause machen, sondern auf den Punkt zu lesen.<br />

Danach lesen die Kinder sich gegenseitig halblaut den Text<br />

vor und besprechen, wie das Satzlesen gelungen ist. Mit dieser<br />

Methode können die Kinder auch das Vorlesen von Texten<br />

üben.<br />

Förderidee:<br />

Sätze genau lesen: Schlüsselwörter<br />

Das Auffinden von Schlüsselwörtern ist eine Methode der<br />

Text erschließung. Sie entwickelt ihre didaktische Qualität aber<br />

erst, wenn sie für die Kinder plausibel und praktikabel ist:<br />

●●<br />

Der Text muss auf das Interesse der Kinder stoßen. Zum<br />

Beispiel können beim Unterrichtsthema Tiere verschiedene<br />

kürzere lexikonartige Texte vorliegen, aus denen die Kinder<br />

aussuchen, z. B. den Kaninchentext oben.<br />

●●<br />

Das informierende Lesen sollte ein Ziel haben. Hier im<br />

Beispiel ist es der Sachvortrag: sich mit dem Text schlau machen,<br />

Schlüsselwörter markieren und herausschreiben und<br />

mit ihnen den Inhalt des Textes wiedergeben. Die Schlüsselwörter<br />

fungieren als Gedächtnishilfe.<br />

●●<br />

Für viele Kinder ist zunächst alles im Text wichtig. Deshalb<br />

wird als Vorgabe die Zahl der Schlüsselwörter begrenzt, hier<br />

sind es fünf. Dabei gibt es übrigens nicht die eindeutige<br />

Lösung.<br />

Beim nebenstehenden Beispiel werden die fünf Schlüsselwörter<br />

auf der rechten Seite notiert; das Blatt wird in der<br />

Mitte so gefaltet, dass nur noch die Wörter sichtbar sind, mit<br />

18<br />

deren Hilfe der Inhalt dem Partner, der Gruppe, der Klasse<br />

vorgetragen wird. Die Hörer können dann einschätzen und<br />

rückmelden, ob sie den Inhalt gut verstanden haben.<br />

Die Methode kann in den folgenden Schuljahren auch bei<br />

längeren Texten verwendet werden. Dann können die Kinder<br />

z. B. zuerst alle wichtigen Wörter im Text markieren und<br />

in einem zweiten Schritt aus den markierten Wörtern 5 bis<br />

8 Wörter auf Karteikärtchen schreiben und damit den Inhalt<br />

referieren.<br />

Die vier vorgestellten Beispiele erfüllen<br />

die drei Qualitätsmerk male<br />

für Förderaufgaben. Sie sind:<br />

beziehungsreich und verstehensorientiert:<br />

Sie üben einzelne Aspekte der<br />

Lesekompetenz, vermeiden aber die<br />

Isolierung von Teilfähigkeiten. Die Formate<br />

sind immer auf sinnkonstruierendes<br />

und verstehendes Lesen bezogen.<br />

Sie nutzen zudem das Lesen für weitere<br />

Aktivitäten: für geselliges Lesen und<br />

Austauschen von Leseerfahrungen, für<br />

Quizbögen, für Vorträge.<br />

diagnosegeleitet und differenziert: Die<br />

Förderformate ermöglichen unterschiedliche<br />

Niveaus der Aufgaben und<br />

der Aufgabenbearbeitung. Die Arbeitsergebnisse<br />

der Kinder belegen ihren<br />

Entwicklungsstand.<br />

kommunikativ und kooperativ: Die<br />

Förderformate ermöglichen oder er­<br />

fordern kooperatives Arbeiten. Bei der<br />

Aufgaben erledigung entstehen kommunikative<br />

Situationen, wenn Leseerfahrungen<br />

ausgetauscht werden, wenn<br />

Antworten begründet werden, wenn<br />

Vorträge gehalten und auf ihre inhaltliche<br />

Vollständigkeit von anderen Kindern<br />

begutachtet werden.<br />

Die Projektgruppe des Grundschulverbandes<br />

»Individuell fördern – Kompetenzen<br />

stärken« erarbeitet zurzeit<br />

Förderideen für den Übergang vom Elementarbereich<br />

in die <strong>Grundschule</strong> und<br />

für die Eingangsstufe zu den Fächern<br />

Deutsch, Mathematik und Deutsch als<br />

Zweitsprache. Die Materialien werden<br />

als Mitgliederband vermutlich im Frühjahr<br />

2012 erscheinen. Im Anschluss<br />

werden Materialien für die Jahrgangsstufen<br />

ab Klasse 3 erarbeitet.<br />

Literatur<br />

Bartnitzky, Horst / Speck-Hamdan, Angelika<br />

(Hrsg.) (2004): Leistungen der Kinder wahrnehmen<br />

– würdigen – fördern.<br />

Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

Dazu die Folgebände mit Materialien für alle<br />

Fächer der <strong>Grundschule</strong>:<br />

Bartnitzky, Horst u. a. (Hrsg.): Pädagogische<br />

Leistungskultur 2005, 2006, 2007.<br />

Frankfurt a. M.: Grundschulverband.<br />

<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong> (2010): Individuell<br />

fördern – Kompetenzen stärken. Heft 109,<br />

Februar.<br />

Grundschulverband (Hrsg.) (2006): Lesekompetenz.<br />

Ein Lese- und Arbeitsbuch des<br />

Grundschulverbandes. Frankfurt a. M.<br />

Köster, Juliane: Aufgabentypen für Erfolgskontrollen<br />

und Leistungsmessung im<br />

Literaturunterricht. In: Winfried Ulrich<br />

(Hrsg.): Deutschunterricht in Theorie und<br />

Praxis Band 11/3. Baltmannsweiler:<br />

Schneider Hohengehren.<br />

30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />

Grundschulverband zum »Bildungspaket«<br />

Zu den Verhandlungen und Diskussionen<br />

zum Gesetzentwurf zur Hartz-IV-Reform<br />

hat die Delegiertenversammlung des<br />

Grundschulverbands Stellung genommen.<br />

Die Erklärung wurde in einer<br />

Pressemitteilung veröffentlicht.<br />

Hier der Wortlaut:<br />

»Der Grundschulverband begrüßt<br />

grundsätzlich die Anstrengungen der<br />

Bundesregierung zum Abbau von<br />

Bildungsungerechtigkeit, wie sie im<br />

Gesetzentwurf eines ›Gesetzes zur<br />

Ermittlung von Regelbedarfen und zur<br />

Änderung des Zweiten und Zwölften<br />

Buches Sozialgesetzbuch‹ zu erkennen<br />

sind. Allerdings hält er die vorgeschlagenen<br />

Maßnahmen für nicht ausreichend<br />

und für nicht zielführend.<br />

Es ist wichtig, dass alle Kinder adäquate<br />

Unterstützung auf ihren Bildungswegen<br />

erhalten. Für die Erreichung der schulischen<br />

Lernziele sind aber die Schulen,<br />

nicht private Nachhilfeanbieter verantwortlich.<br />

Lernförderung muss in den<br />

Schulen stattfinden. Gerade Brennpunktschulen<br />

müssen in den Stand versetzt<br />

werden, besondere Unterstützungsangebote<br />

für ihre Schülerinnen und Schüler<br />

vorzuhalten. Die Mittelzuweisung an<br />

Schulen muss Benachteiligungen ausgleichen<br />

können.<br />

Die Idee der direkten Förderung von<br />

Aktivitäten, die Kindern die vom Bundesverfassungsgericht<br />

geforderte Teilhabe<br />

am sozialen und kulturellen Leben<br />

ermöglichen, ist grundsätzlich richtig.<br />

Dafür ist Familien jedoch gezielte Unterstützung<br />

anzubieten. Lehrkräfte und<br />

pädagogische Teams an Schulen kennen<br />

die kulturellen Angebote der Region. Sie<br />

kennen auch die Kinder, ihre Potenziale<br />

und haben Einblick in die Familien. Daher<br />

gehört auch die Beratung über passende<br />

Angebote und deren Vermittlung zur<br />

Aufgabe von Schule.<br />

Diese zusätzlichen Aufgaben lassen sich<br />

bei der chronischen Unterfinanzierung<br />

insbesondere der <strong>Grundschule</strong>n aber<br />

nicht zum Nulltarif leisten.<br />

Bildungsgerechtigkeit lässt sich nach<br />

Auffassung des Grundschulverbandes nur<br />

durch gezielte und die Qualität steigernde<br />

Investitionen in die vorhandenen<br />

Bildungsinstitutionen erreichen.«<br />

Jubiläum von Rolf Kielblock<br />

verbesserte endlich die<br />

Arbeitsbedingungen der<br />

Geschäftsstelle.<br />

Vier Vorsitzende konnten<br />

sich in den vergangenen<br />

25 Jahren auf die fundierte<br />

und vielseitige Arbeit von<br />

Rolf Kielblock stützen. Sein<br />

weites Aufgabenspektrum<br />

Am 1. Januar 2011 konnte Rolf Kielblock<br />

auf 25 Jahre hauptamtliche Tätigkeit für<br />

den Grundschulverband zurückblicken.<br />

Er verantwortete die Arbeit der Geschäftsstelle<br />

in der Frankfurter Schloßstraße,<br />

als der Verband viele Jahre Gast in den<br />

Räumen des Deutschen Instituts für<br />

Internationale Pädagogische Forschung<br />

war.<br />

Das Provisorium mit dem Charme eines<br />

Lagerraums entwickelte sich durch seinen<br />

Einsatz in ein Büro, das den Mitgliederzuwachs<br />

der 1990er Jahre erfolgreich<br />

bewältigen konnte. Der Umzug in die<br />

neuen hellen Räume in der Niddastraße<br />

umfasst verwaltungstechnische<br />

und pädagogische Inhalte wie<br />

die Mitglieder- und Finanzverwaltung,<br />

die Öffentlichkeitsarbeit, die Vor- und<br />

Nachbereitung von Sitzungen und<br />

Tagungen und vieles mehr.<br />

Ein besonderes Schmankerl<br />

sind die wöchentlichen<br />

Presseschauen, bei denen<br />

Rolf Kielblock so manchen<br />

politischen Akteur nicht<br />

ohne scharfsinnigen Kommentar<br />

durchkommen lässt.<br />

Der Vorstand dankt Rolf<br />

Kielblock im Namen der<br />

Delegierten, Fachreferate<br />

und Mitglieder für seine langjährige<br />

engagierte Arbeit für den Grundschulverband<br />

und die ausgesprochen kooperative<br />

Zusammenarbeit sehr herzlich.<br />

Maresi Lassek, Vorsitzende<br />

<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Baden-Württemberg<br />

Vorsitzende: Erika Brinkmann,<br />

erika.brinkmann@ph-gmuend.de; www.gsv-bw.de<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b,<br />

86169 Augsburg; www.grundschulverband-bayern.de<br />

Aufruf an alle Mitglieder<br />

der Landesgruppe!<br />

Gerne würde der Landesgruppenvorstand<br />

mit seinen<br />

Mitgliedern in engeren<br />

Kontakt treten. Dabei erweist<br />

sich der Postversand als zu<br />

langdauernd und gleichzeitig<br />

auch als zu kostenintensiv.<br />

Wir verfügen allerdings über<br />

die Möglichkeit, per Mail<br />

schnell und effektiv zu<br />

kommunizieren. Dafür wäre<br />

es hilfreich, über die Mail-<br />

Adressen unserer Mitglieder<br />

zu verfügen. Einige haben<br />

wir, die meisten jedoch nicht.<br />

Wir bitten Sie auf diesem<br />

Wege nun, uns ihre Mail-<br />

Adresse zukommen zu lassen!<br />

Bitte unterstützen Sie die<br />

Landesgruppe, lassen Sie uns<br />

Ihre Mailadresse zukommen.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Edgar Bohn<br />

Liebe Mitglieder des<br />

Grundschulverbands,<br />

1) Schon jetzt möchten wir<br />

Sie über unsere nächste<br />

Veranstaltung informieren:<br />

Grundschultag 2011<br />

»Die <strong>Grundschule</strong> weiterentwickeln<br />

– Allen Kindern<br />

gerecht werden« am<br />

16. November 2011<br />

(Buß- und Bettag)<br />

an der <strong>Grundschule</strong> Buchloe<br />

Wir würden uns über Ihre<br />

Teilnahme sehr freuen.<br />

2) Für stets <strong>aktuell</strong>e Informationen<br />

bitten wir Sie dringend<br />

um folgende Angaben:<br />

Name, Vorname, Adresse und<br />

E-Mail-Adresse per Mail an:<br />

Petra.Hiebl@ku-eichstaett.de<br />

Betreff: Grundschulverband<br />

– Mailadresse<br />

3) Wichtig: Sollten Sie an Ihrer<br />

Schule oder in Ihrer Klasse die<br />

Grundschrift ausprobieren,<br />

teilen Sie uns das bitte auch<br />

mit:<br />

Petra.Hiebl@ku-eichstaett.de<br />

Betreff: Grundschrift<br />

Mit freundlichen Grüßen,<br />

Petra Hiebl und<br />

Ihre Landesgruppe Bayern<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

31


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Berlin<br />

Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />

www.gsv-berlin.de<br />

Eine Qualitätsoffensive für<br />

Berliner Schulen<br />

Im November wurde in Berlin<br />

ein Qualitätspaket zur<br />

Verbesserung der Berliner<br />

Schule öffentlich vorgestellt.<br />

Unser Schulsenator Jürgen<br />

Zöllner spricht von einem<br />

»Dreiklang« aus Hilfen,<br />

Vorgaben und einer Transparenz,<br />

mit dem insbesondere<br />

Druck auf das schwächste<br />

Fünftel der Schulen in Berlin<br />

gemacht werden soll. Im<br />

Fokus sind die Schulen, die<br />

nur schwache Ergebnisse bei<br />

den Vergleichsarbeiten und<br />

den Schulinspektionen<br />

vorweisen. Vor allem die<br />

Veröffentlichungspflicht<br />

– die Ergebnisse aller<br />

zentralen Prüfungen und<br />

Schulinspektionsberichte<br />

sollen veröffentlicht werden<br />

– stößt auf Kritik. Experten –<br />

und eben auch eine eigens<br />

zur Qualitätssteigerung<br />

eingesetzte Arbeitsgruppe in<br />

der Senatsverwaltung – rieten<br />

von einem öffentlichen<br />

Ranking ab.<br />

U. a. sollen aber auch<br />

SchülerInnen mehr Wertschätzung<br />

erfahren, die es<br />

unter schwierigen Rahmenbedingungen<br />

schaffen, ihre<br />

Leistungen zu verbessern.<br />

Zur Finanzierung von z. B.<br />

Eintrittskarten für Sportereignisse,<br />

Kino oder Tierpark<br />

(geschätztes Budget<br />

300.000 Euro) muss allerdings<br />

noch ein Bündnis »Stark in<br />

der Schule« ins Leben<br />

gerufen werden. Als Beitrag<br />

zu einer neuen Kultur der<br />

Anerkennung soll auch ein<br />

jährlicher offizieller Empfang<br />

aller neu ernannten SchulleiterInnen<br />

und LehrerInnen<br />

beitragen.<br />

Mit Spannung hat der<br />

Grundschulverband das<br />

»Qualitätspaket« für die<br />

Berliner Schule erwartet.<br />

Nach der Veröffentlichung<br />

mussten wir aber feststellen,<br />

dass diesem Paket ein sehr<br />

eingeschränkter Qualitätsbegriff<br />

zugrunde liegt. Aus der<br />

Sicht des Grundschulverbandes<br />

brauchen die <strong>Grundschule</strong>n<br />

mehr als die Vorgabe von<br />

Leistungsstandards, die<br />

Opti mierung der Vergleichsarbeiten<br />

in der Klassenstufe<br />

3, regelmäßige Schulinspektionen<br />

und Druck auf<br />

LehrerInnen und SchulleiterInnen.<br />

Den Befürwortern<br />

eines solchen Qualitätspakets<br />

fehlt aus unserer Sicht die<br />

Erkenntnis, dass schulische<br />

Qualität selbstverständlich<br />

auch vom Input, wie der<br />

Lehrerausstattung und der<br />

räumlichen und sächlichen<br />

Ausstattung, aber auch von<br />

den Unterstützungssystemen<br />

in der Einzelschule und rund<br />

um die Schulen herum<br />

– genannt seien an dieser<br />

Stelle nur Fortbildungs- und<br />

Beratungsangebote –<br />

abhängt. Hier muss endlich<br />

auch die Qualität der Steuerung<br />

des Gesamtsystems<br />

genauer beleuchtet werden.<br />

Unser Bildungssenator<br />

wünscht sich eine breite<br />

Diskussion im Wahljahr 2011.<br />

Der Bezirkselternausschuss<br />

eines Berliner Bezirks kam<br />

diesem Wunsch bereits im<br />

Dezember nach und gestaltete<br />

wieder einen Adventskalender<br />

der ganz besonderen<br />

Art: An jedem Tag im Advent<br />

erhielten der Schulsenator<br />

(und sehr viele andere<br />

interessierte Leser) täglich<br />

per Mail einen Brief von den<br />

GesamtelternvertreterInnen<br />

vieler Schulen der Stadt.<br />

Hinter den »Türchen« im<br />

Adventskalender verbargen<br />

sich unbenutzbare Sporthallen,<br />

defekte Heizungsanlagen,<br />

stinkende Toiletten,<br />

undichte Dächer und zugige<br />

Fenster sowie Klagen über<br />

Lehrermangel und Unterrichtsausfall.<br />

Auf nichts anderes wollte der<br />

Grundschulverband mit<br />

seiner Stellungnahme zum<br />

Qualitätspaket aufmerksam<br />

machen: Wer eine Qualitätsoffensive<br />

verspricht, wird sich<br />

auch mit den Rahmenbedingungen,<br />

also auch mit dem<br />

Input, unter denen Kinder in<br />

dieser Stadt lernen sollen,<br />

beschäftigen müssen.<br />

Noch eine Bitte an alle Berliner<br />

Leser in eigener Sache:<br />

Haben Sie uns ihre <strong>aktuell</strong>e<br />

Mailadresse schon mitgeteilt?<br />

Falls nicht, bitte senden Sie<br />

sie uns. Wir könnten so sehr<br />

viel leichter mit Ihnen direkt in<br />

Kontakt kommen. Danke.<br />

Hamburg<br />

Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg, susanne.peters@gsvhh.de<br />

www.gsvhh.de<br />

Blick nach vorne!<br />

Als Folge des Volksentscheides<br />

gegen längeres gemeinsames<br />

Lernen in der Primarschule<br />

galt es zunächst in<br />

allen mit Schule befassten<br />

Institutionen »Scherben<br />

zusammen zu kehren« und<br />

einen Neuanfang unter<br />

veränderten Vorgaben zu<br />

gestalten. Der Bruch der<br />

Koalition im November<br />

brachte weitere Verunsicherungen<br />

bis hin zum Stillstand<br />

in das Hamburger Schulleben.<br />

Dennoch lässt sich die<br />

Landesgruppe nicht beirren<br />

und blickt nach vorne. Auch<br />

wenn Noten bereits wieder<br />

ab Klasse 3 von den Eltern<br />

eingefordert werden können<br />

und ab Klasse 4 verbindlich<br />

zu erteilen sind, möchten wir<br />

Hamburger Lehrerinnen und<br />

Lehrern, speziell aus den<br />

<strong>Grundschule</strong>n, alternative<br />

Formen der Leistungsbewertung<br />

nahe bringen. Im April<br />

wird von der Landesgruppe<br />

ein Seminar veranstaltet, auf<br />

dem Professor Hans Brügelmann<br />

die Teilnehmer in<br />

einem Eingangsreferat darauf<br />

einstimmen wird, was<br />

Schülerleistung eigentlich ist.<br />

Im weiteren Verlauf der<br />

Veranstaltung dreht sich in<br />

Workshops und auf einem<br />

Marktplatz mit best practice<br />

Beispielen alles darum,<br />

welche Formen man in<br />

Hamburg bereits anwendet,<br />

um Schülerleistungen zu<br />

beobachten, zu würdigen, zu<br />

dokumentieren und zurückzumelden.<br />

Gespannt sind wir<br />

dabei vor allem auf die<br />

Ergebnisse und Erfahrungen<br />

aus Schulen, die an dem<br />

Schulversuch »Alleskönner«<br />

teilnehmen, in dem sich<br />

54 Schulen auf den Weg<br />

gemacht haben, Leistungen<br />

kompetenzorientiert zu<br />

beschreiben.<br />

Die Landesgruppe möchte<br />

mit dieser Veranstaltung<br />

einen weiteren Schritt in die<br />

Richtung tun, Politiker und<br />

Eltern von der Unsinnigkeit<br />

der Noten zur Leistungsrückmeldung<br />

und Bewertung,<br />

zumindest in der <strong>Grundschule</strong>,<br />

zu überzeugen. Vor allem<br />

aber sollen Lehrerinnen und<br />

Lehrer darin unterstützt und<br />

bestärkt werden, alternative<br />

Rückmeldeformate einzusetzen.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Marion Lindner<br />

9. April 2011<br />

»Alternative<br />

Leistungs bewertung«<br />

10 bis ca. 14 Uhr<br />

in der Wichern Schule,<br />

Horner Weg 164,<br />

22111 Hamburg<br />

32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />

www.gsv-brandenburg.de<br />

Qualitätspaket<br />

und wie weiter?<br />

Die Ländervergleichsstudie<br />

2010, die für die Neuntklässler<br />

in den Bereichen Deutsch<br />

und Englisch unbefriedigende<br />

Ergebnisse erbrachte,<br />

führte im Land Brandenburg<br />

zu vielfältigen Diskussionen<br />

hinsichtlich der Fragen, wie<br />

Lernprozesse und Leistungen<br />

zu verbessern seien. Anfang<br />

Dezember 2010 wurde nun<br />

ein sogenanntes Qualitätspaket<br />

als Reaktion auf die<br />

Ergebnisse des Ländervergleichs<br />

durch das Bildungsministerium<br />

vorgestellt.<br />

Dieses enthält vor allem<br />

Maßnahmen zur Fortbildung<br />

und Beratung von Schulen,<br />

zur Stärkung von Basiskompetenzen<br />

in Deutsch, Englisch<br />

und Mathematik und zur<br />

Überprüfung der Standards.<br />

Viele der Maßnahmen<br />

beginnen bzw. zielen auf die<br />

<strong>Grundschule</strong>. Einerseits ist<br />

das verständlich, da hier der<br />

Auftrag für grundlegende<br />

Bildung liegt, andererseits<br />

wird diese Blickrichtung<br />

nicht ausreichend begründet,<br />

um die Grundschullehrkräfte<br />

nachvollziehbar zu<br />

motivieren und die Eigenverantwortlichkeiten<br />

der<br />

Schulen für ihre individuelle<br />

Unterrichtsentwicklung zu<br />

stärken. Maßnahmen und<br />

Rahmen sind so festgelegt,<br />

dass sie noch in diesem<br />

Schuljahr oder dem nachfolgenden<br />

umgesetzt werden<br />

sollen.<br />

So wird bereits daran<br />

gearbeitet, das Beratungsund<br />

Unterstützungssystem<br />

(BUSS) so umzugestalten,<br />

dass Fortbildungs- und<br />

Beratungsangebote sich<br />

stärker an die Schulen und<br />

damit an gesamte Kollegien,<br />

Fachkonferenzen und<br />

Schulgruppen (Netzwerke)<br />

richten können. Damit wird<br />

sich auch die Arbeit der<br />

bisher für die <strong>Grundschule</strong><br />

zuständigen FachberaterInnen<br />

ändern.<br />

Zur Stärkung von Basiskompetenzen<br />

sollen u. a. solche<br />

Maßnahmen beitragen wie<br />

die Ausweisung eines<br />

verbindlichen Grundwortschatzes<br />

für Deutsch für die<br />

Klassen 1 bis 4, die Entwicklung<br />

von Lektüreempfehlungen<br />

zu <strong>aktuell</strong>en Kinder- und<br />

Jugendbüchern (insbesondere<br />

für die Klassen 3 und 8)<br />

und dazu die Bereitstellung<br />

didaktischer Materialien, die<br />

Erhöhung der Stundentafel<br />

für die Jahrgangsstufen 1<br />

und 2 um jeweils eine Stunde<br />

sowie die Einführung<br />

verpflichtender zentraler<br />

Orientierungsarbeiten am<br />

Ende der Jahrgangsstufen 2<br />

und 4 und einer freiwilligen<br />

Vergleichsarbeit (VERA 6) in<br />

den <strong>Grundschule</strong>n. Die<br />

erhöhte Stundenzahl für den<br />

Anfangsunterricht wird durch<br />

eine Umschichtung aus den<br />

oberen Grundschulklassen<br />

»kostenneutral« ermöglicht.<br />

Leider enthält das Qualitätspaket<br />

keine zusätzlichen<br />

Lehrerstunden zur Verhinderung<br />

von Unterrichtsausfall<br />

und zur Absicherung von<br />

Teilungs- und Förderunterricht.<br />

Kompetenzorientierte<br />

Aufgaben für die Unterrichtsarbeit<br />

der Lehrkräfte sollen<br />

internetgestützt zur Verfügung<br />

gestellt werden, damit<br />

diese in der Praxis unmittelbar<br />

eingesetzt werden<br />

können oder Anregungen für<br />

die Entwicklung eigener<br />

Aufgaben geben.<br />

Inwiefern alle diese Maßnahmen<br />

als Unterstützung oder<br />

als enge Festlegung »von<br />

oben« empfunden werden,<br />

wird davon abhängen, ob<br />

Grundschullehrkräfte<br />

wertgeschätzt werden als<br />

Expertinnen für das tägliche<br />

Lernen und die vielfältige<br />

Arbeit mit Kindern. Das<br />

bedarf der Gestaltungsfreiräume,<br />

braucht Kontinuität<br />

und einen angemessenen<br />

Personaleinsatz in der<br />

<strong>Grundschule</strong>.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Dr. Elvira Waldmann<br />

Hessen<br />

Anschrift: Ilse Marie Krauth, Steigerwaldweg 3, 63456 Hanau, ikrauth@gsv-hessen.de<br />

www.gsv-hessen.de<br />

Hessen auf dem Weg<br />

zur Inklusion<br />

Hessen bekennt sich zur<br />

UN-Behindertenrechtskonvention.<br />

Damit haben<br />

Kinder und Jugendliche mit<br />

Behinderungen das Recht auf<br />

Bildung an Regelschulen,<br />

gemeinsam mit Nichtbehinderten,<br />

wohnortnah.<br />

Das ist gut so, entspricht es<br />

doch den Forderungen des<br />

Grundschulverbandes nach<br />

einer Schule ohne Auslese, in<br />

der Heterogenität gewollt ist<br />

und als Bereicherung für alle<br />

angesehen wird.<br />

Gleichzeitig bedeutet es aber<br />

auch eine gewaltige Herausforderung<br />

für die Schulen.<br />

Berechtigte Bedenken und<br />

viele Fragen sind vorab zu<br />

klären, unter anderem auch<br />

die nach den »angemessenen<br />

Vorkehrungen«. Hessen<br />

hat sich auf den Weg zur<br />

Umsetzung gemacht.<br />

Ein konkreter Schritt wurde<br />

Anfang Oktober in Butzbach<br />

unternommen, als das<br />

Hessische Ministerium für<br />

Arbeit, Familie und Gesundheit<br />

und das Hessische<br />

Kultusministerium gemeinsam<br />

Interessensvertretungen<br />

und Verbände eingeladen<br />

hatten, um die Einberufung<br />

einer landesweiten Arbeitsgruppe<br />

zur Umsetzung der<br />

BRK zu initiieren.<br />

Zu den Bereichen<br />

●●<br />

Bildung<br />

●●<br />

Zugänglichkeit<br />

●●<br />

Arbeit und Beschäftigung<br />

wurden Themen gesammelt,<br />

die in den Hessischen<br />

Aktionsplan einfließen<br />

sollen.<br />

Einen straffen Zeitplan gibt<br />

es auch.<br />

Inzwischen wurden die<br />

12 Mitglieder des Arbeitsausschusses<br />

benannt. Weder<br />

<strong>Grundschule</strong> noch weiterführende<br />

Schulen sind vertreten.<br />

Die berechtigte Forderung<br />

der Betroffenen »Nicht über<br />

uns ohne uns« war offensichtlich<br />

Grundlage der<br />

Auswahl. Das ist durchaus<br />

nachvollziehbar.<br />

Das sollte aber auch für<br />

Lehrerinnen und Lehrer<br />

gelten. Wenn es um die<br />

erfolgreiche Umsetzung von<br />

Inklusion geht, sind sie in<br />

höchstem Maße betroffen.<br />

Sie müssen auf jeden Fall mit<br />

einbezogen werden, ihre<br />

– ebenfalls berechtigten –<br />

Fragen und Forderungen<br />

müssen von Anfang an<br />

berücksichtigt und ernst<br />

genommen werden.<br />

Es wäre gut, die beiden<br />

Ministerien würden sie als<br />

Partner und nicht nur als<br />

»ausführende Systeme«<br />

sehen.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Ilse Marie Krauth<br />

Wichtige Veranstaltung<br />

Fachtagung<br />

»Inklusion –<br />

So kann es gehen!«<br />

Chancen, Risiken, Herausforderungen<br />

Samstag, 14. Mai 2011,<br />

9.30 – 17 Uhr<br />

Gesamtschule Gießen Ost<br />

Veranstalter: BDH, GGG, dgs,<br />

vds, GSV Landesgruppe<br />

Hessen<br />

Auskunft: Ilse Marie Krauth<br />

ikrauth@gsv-hessen.de<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

33


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Vorsitzender: Ralph Grote, Hasengang 3, 17309 Pasewalk, ralphgrote@aol.com<br />

Einführung der integrativen<br />

und präventiven<br />

<strong>Grundschule</strong> –<br />

viele offene Fragen<br />

Zum kommenden Schuljahr<br />

soll die integrative und<br />

präventive <strong>Grundschule</strong> im<br />

Bereich des Staatlichen<br />

Schulamtes Greifswald<br />

eingeführt werden. Hier<br />

sollen die Erfahrungen aus<br />

dem Modellprojekt einfließen,<br />

welches unter wissenschaftlicher<br />

Leitung des<br />

Institutes für Sonderpädagogik<br />

Rostock in diesem<br />

Schuljahr auf der Insel Rügen<br />

durchgeführt wird.<br />

Um die Umsetzung zum<br />

neuen Schuljahr vorzubereiten,<br />

wurden von Seiten des<br />

Bildungsministeriums und<br />

des Staatlichen Schulamtes<br />

Greifswald Regionalkonferenzen<br />

abgehalten, um eine<br />

Phase der Akzeptanzbildung<br />

bei den Kollegen zu erreichen.<br />

Unbestritten ist die Einsicht<br />

in die Notwendigkeit dieses<br />

Vorhabens, denn »früh<br />

fördern – statt später zu reparieren«<br />

ist wohl Anliegen aller<br />

an Bildung Beteiligter.<br />

Die Umsetzung erfolgt durch<br />

die Anwendung des RTI<br />

(Response to Intervention)-<br />

Konzeptes. Dadurch gelingt<br />

es Schulen Lernfortschritte<br />

zu beobachten und zu<br />

dokumentieren, hinsichtlich<br />

des Lernerfolges gefährdete<br />

Kinder frühzeitig zu identifizieren<br />

und Kinder mit<br />

evidenzbasierten Interventionen<br />

zu fördern.<br />

Um die wohnortnahe,<br />

gemeinsame Beschulung<br />

aller Kinder umzusetzen,<br />

kommen auf alle Beteiligten<br />

enorme Aufgaben zu. Für die<br />

Schulträger bedeutet dies<br />

einen enormen finanziellen<br />

Mehraufwand, denn es<br />

müssen z. B. komplett neue<br />

einheitliche Unterrichtsmaterialien<br />

für die ersten Klassen<br />

in Deutsch und Mathematik<br />

angeschafft werden. Das<br />

Bildungsministerium favorisiert<br />

nur ein Lehrwerk,<br />

welches bisher in den<br />

Schulen kaum eine Rolle<br />

spielte und lässt bis zum<br />

jetzigen Zeitpunkt keine<br />

Alternativen zu.<br />

Personelle Ressourcen für<br />

sonderpädagogische<br />

Förderung kommen aus den<br />

Förderschulen. Nur reichen<br />

diese aus, um eine Unterstützung<br />

für die bestehenden<br />

<strong>Grundschule</strong>n zu gewährleisten?<br />

Angedacht ist eine<br />

Fortbildung für die zukünftigen<br />

Klassenlehrer der ersten<br />

Klassen und die Schulleiter.<br />

Diese findet z. T. parallel zur<br />

Unterrichtsarbeit statt. An<br />

vielen Schulen bedeutet dies<br />

Unterrichtsausfall, bzw.<br />

Zusammenlegung von<br />

Klassen zu Lasten der Kinder<br />

und Kollegen. Die größten<br />

Aufgaben haben die Kollegen<br />

zu bewältigen. So muss<br />

die Unterrichtsqualität stetig<br />

weiter entwickelt und ein<br />

differenzierter, offener<br />

Unterricht mit kooperativen<br />

Lernformen geleistet werden.<br />

Teamteaching, kollegiale<br />

Gruppenvision und Beratung<br />

sind von zentraler Bedeutung.<br />

Ein besserer Umgang<br />

mit Lern- und Verhaltensproblemen<br />

wird ebenso<br />

erwartet wie eine Leistungsbewertung<br />

und Diagnostik<br />

durch eine Vielzahl von Tests.<br />

Dies obliegt in erster Linie<br />

dem Klassenlehrer bei einer<br />

Unterrichtsverpflichtung von<br />

27,5 h.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Manuela Bölk<br />

Niedersachsen<br />

Kontakt: www.gsv-nds.de<br />

Kultusministerium stellt<br />

10 Eckpunkte für die<br />

Weiterentwicklung der<br />

Schullandschaft vor<br />

Kurz und bündig fassen die<br />

zehn Eckpunkte, die der<br />

Kultusminister Dr. Bernd<br />

Althusmann Ende November<br />

2010 vorstellte, zusammen,<br />

wie die »qualitative Weiterentwicklung<br />

der Schullandschaft<br />

in Niedersachsen«<br />

aussehen soll. In dem Papier<br />

des Kultusministeriums<br />

werden folgende zehn<br />

Punkte aufgeführt:<br />

1. Klassenfrequenzen,<br />

2. Ganztagsschulen,<br />

3. Frühkindliche Bildung,<br />

4. Schulleiterentlastung,<br />

5. Schulen entlasten, mehr<br />

Zeit für Unterricht, 6. Instrumente<br />

der Qualitätsentwicklung,<br />

7. Inklusion, 8. Integration,<br />

9. Bildungsregionen<br />

ausweiten und 10. Ausbildungsreife.<br />

Nicht alle Punkte<br />

haben <strong>Grundschule</strong>n im<br />

Blick, so wird beispielsweise<br />

bei der Klassenfrequenz<br />

lediglich die Sekundarstufe<br />

hervorgehoben.<br />

Inklusion in niedersächsischen<br />

<strong>Grundschule</strong>n<br />

ab 2012/13<br />

»Zum Schuljahr 2012/13<br />

werden unsere <strong>Grundschule</strong>n<br />

mit der Umsetzung der<br />

Inklusion beginnen.« Die<br />

Aussage des Kultusministers<br />

Dr. Althusmann zeigt den<br />

Weg auf, der in Niedersachsen<br />

gegangen werden soll.<br />

Das meint aber nicht, dass<br />

alle Kinder ab dann in eine<br />

Schule gehen: »Inklusive<br />

Beschulung bedeutet nicht,<br />

dass es nur eine Lösung gibt,<br />

sondern individuelle Lösungen<br />

für jedes einzelne Kind.«<br />

Vielmehr betont das Ministerium:<br />

»Manche Kinder<br />

profitieren von einer integrativen<br />

Beschulung, für andere<br />

bieten spezielle Förderschulen<br />

die besseren Möglichkeiten.«<br />

Die Äußerungen über<br />

die zukünftigen inklusiven<br />

<strong>Grundschule</strong>n bleiben<br />

ansonsten recht allgemein:<br />

Wird es Ressourcen für die<br />

einzelnen geben, damit die<br />

Lehrenden sich fortbilden<br />

können? Wie wird die<br />

personelle Ausstattung sein?<br />

Die noch allgemein lautende<br />

Antwort hierzu: »Ein erfolgreicher<br />

Prozess der Umsetzung<br />

der UN-Konvention ist<br />

nur gegeben, wenn Lehrkräfte<br />

und Schulträger gleichermaßen<br />

vorbereitet und auch<br />

die finanziellen Rahmenbedingungen<br />

ausreichend<br />

berücksichtigt sind.«<br />

Eine Entscheidung, wie das<br />

dann konkret aussehen wird,<br />

welche Mittel wer bekommt<br />

bzw. nicht bekommt, wird im<br />

Laufe des Jahres fallen. Ein<br />

Entwurf zur Änderung des<br />

NSchG wird in den nächsten<br />

Monaten vorgelegt, um mit<br />

dem Umsetzungsprozess der<br />

UN-Konvention zu beginnen.<br />

Daher ist das Jahr 2011 für<br />

alle <strong>Grundschule</strong>n in Niedersachsen<br />

in Bezug auf Inklusion<br />

sehr bedeutsam!<br />

Jahrgangsgemischte<br />

Schuleingangsstufe<br />

Seit dem Jahr 2004 ist im<br />

Niedersächsischen Schulgesetz<br />

verankert, dass Grund-<br />

34 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Gisela Cappel, Habichtstr. 1d,<br />

58285 Gevelsberg; www.grundschulverband-nrw.de<br />

Mitgliederversammlung<br />

der Landesgruppe NRW<br />

Am 30. 10. 2010 fand die<br />

Mitgliederversammlung des<br />

Grundschulverbandes NRW<br />

statt. Die Teilnehmer und<br />

Teilnehmerinnen trafen sich<br />

in der neu erbauten Libellenschule<br />

in Dortmund und<br />

konnten sich so gleichzeitig<br />

über das Konzept dieser<br />

Schule als Stadtteilschule<br />

informieren. Bei einem<br />

Rundgang durch das Gebäude<br />

wurde wieder einmal<br />

deutlich, wie wichtig auch<br />

die äußeren Rahmenbedingungen<br />

für eine erfolgreiche<br />

Schul- und Unterrichtsentwicklung<br />

vor Ort sind. Die<br />

Ausführungen der Schulleiterin<br />

Christiane Mika zeigten<br />

überzeugend auf, wie<br />

konzeptionelle Fragen durch<br />

eine kindgerechte Raumgestaltung<br />

im Schulalltag<br />

realisiert werden können –<br />

angefangen von den integrierten<br />

Garderoben in den<br />

Klassen, großzügigen Fluren<br />

mit Platz für verschiedene<br />

Aktivitäten bis hin zu gut<br />

eingerichteten Fachräumen<br />

für Musik, Bewegung und<br />

Computerarbeit und eine<br />

gut ausgestattete OGS. Nach<br />

dieser gelungenen Einstimmung<br />

standen im Mittelpunkt<br />

der weiteren Arbeit<br />

Fragen nach der neuen<br />

Lehrerausbildung in NRW<br />

und den schulpolitischen<br />

Plänen der rot-grünen<br />

Landesregierung. Nach<br />

einem sehr informativen<br />

Überblick von Frau Koltermann<br />

(Praktikumsbeauftragte<br />

der Universität Dortmund)<br />

kreiste die Diskussion<br />

insbesondere um die<br />

Gestaltung der Schnittstelle<br />

zwischen Schule und<br />

Universität und um die Frage,<br />

wie Schulen mit den vorgesehenen<br />

unterschiedlichen<br />

Praktika der Studierenden<br />

umgehen können. Die<br />

Anwesenden machten<br />

jedoch deutlich, dass sie von<br />

der neuen Landesregierung<br />

die konsequente Realisierung<br />

der angekündigten Reformvorhaben<br />

im Bereich der<br />

<strong>Grundschule</strong> erwarten.<br />

Aktuell ist durch die Abschaffung<br />

der Kopfnoten und des<br />

Prognoseunterrichts noch in<br />

diesem Schulhalbjahr ein<br />

Der neu gewählte Vorstand der Landesgruppe NRW (v. l. n. r.):<br />

Christiane Mika, Brigitte Schenzer, Axel Backhaus, Rosemarie<br />

Möhle-Buschmeyer, Susanne Wessels, Gisela Cappel, Baldur Bertling,<br />

Gisela Gravelaar, Beate Schweitzer und Ute Rohrlack (nicht im Bild).<br />

wichtiger Schritt in die<br />

richtige Richtung getan<br />

wurden! Die Neuwahlen des<br />

Vorstandes der Landesgruppe<br />

führten zu einigen<br />

Änderungen: Zunächst galt<br />

ein herzlicher Dank Helga<br />

Poensgen, die aus dem<br />

Vorstand ausscheidet und<br />

die die Arbeit im Vorstand<br />

stets mit viel Engagement<br />

und Kompetenz unterstützt<br />

hat. Als neu gewählte<br />

Mitglieder bereichern nun<br />

die Arbeit Brigitte Schenzer,<br />

Susanne Wessels und Axel<br />

Backhaus.<br />

Fortbildung für<br />

Schul leitungen<br />

zusammen mit der Päd.<br />

Akademie der GEE am<br />

28./29. Januar, 1./2. April,<br />

30.Sept./1. Oktober und<br />

9./10. Dezember 2011 in<br />

Düsseldorf (FFFZ)<br />

Mehr Informationen dazu<br />

und zu anderen Themen auf<br />

www.grundschulverbandnrw.de<br />

für die Landesgruppe:<br />

Beate Schweitzer<br />

schulen den 1. und 2. Schuljahrgang<br />

als pädagogische<br />

Einheit führen können.<br />

Trotzdem haben bislang erst<br />

rund 100 Schulen von rund<br />

1800 <strong>Grundschule</strong>n diese<br />

Veränderung vorgenommen.<br />

Das ist keine große Zahl für<br />

das viertgrößte Bundesland.<br />

Der Minister spricht sich<br />

gegen diesen seit Jahren<br />

anhaltenden Trend aus:<br />

»Ich würde mich freuen,<br />

wenn sich in den nächsten<br />

Jahren viele <strong>Grundschule</strong>n<br />

für die Einführung der<br />

jahrgangs gemischten<br />

Eingangsstufe entscheiden.«<br />

Warum die Schulen keine<br />

Jahrgangsmischung befürworten,<br />

d. h. nur wenige<br />

Schulen diese bislang<br />

einführten, wird leider vom<br />

Ministerium nicht analysiert.<br />

Stattdessen gibt es freundliche<br />

Appelle.<br />

Die neue Oberschule –<br />

eine neue Schulform?<br />

»Es hat sich gezeigt, dass wir<br />

mit der Oberschule die<br />

richtige Antwort auf die<br />

künftigen Herausforderungen<br />

an unser Schulwesen<br />

gefunden haben«, so unterstrich<br />

Kultusminister<br />

Dr. Althusmann die Entscheidung<br />

für diese neue Schulform.<br />

Wie das die Schullandschaft<br />

in Zukunft verändern<br />

wird, ist noch offen, auch<br />

wenn in den erläuternden<br />

Texten des Ministeriums<br />

diese Schule schon als<br />

»Erfolgsmodell« gehandelt<br />

wird. Fakt ist, dass auf Antrag<br />

des Schulträgers die Oberschule<br />

ab Schuljahresbeginn<br />

2011/2012 beantragt werden<br />

kann. Die Oberschule kann in<br />

zwei Organisationsformen<br />

eingerichtet werden: ohne<br />

gymnasiales Angebot oder<br />

mit gymnasialem Angebot.<br />

Einfacher einzurichten ist<br />

ohne Zweifel die ohne<br />

gymnasiales Angebot: Denn<br />

die Oberschule ohne gymnasiales<br />

Angebot muss nur<br />

mindestens zweizügig sein,<br />

wohingegen die Oberschule<br />

mit gymnasialem Angebot<br />

mindestens dreizügig sein<br />

muss. Dass keine grundsätzlichen<br />

Veränderungen<br />

kommen werden, zeigt die<br />

Parallelität, die zukünftig die<br />

Schullandschaft ausmachen<br />

wird: Die Oberschule kann<br />

künftig anstelle von Hauptschulen,<br />

Realschulen,<br />

Haupt- und Realschulen und<br />

Kooperativen Gesamtschulen<br />

geführt werden (die Einrichtung<br />

ist nur auf Antrag des<br />

Schulträgers möglich). Eine<br />

Veränderung wäre aber<br />

möglich, denn die Oberschule<br />

kann neben dem Gymnasium<br />

als alleinige Schulform<br />

geführt werden. Fakt aber ist<br />

auch: Festgeschrieben<br />

wurde, dass für jeden Schüler<br />

ein Gymnasium unter<br />

zumutbaren Bedingungen<br />

erreichbar bleiben muss.<br />

Und auch: »Das gymnasiale<br />

Angebot an einer Oberschule<br />

kann nur mit Zustimmung<br />

des für das Gymnasium<br />

zuständigen Schulträgers<br />

eingerichtet werden.«<br />

für die Landesgruppe:<br />

Dr. Eva Gläser<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011<br />

35


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />

www.wl-lang.de<br />

Freiräume für Schulen<br />

In einem sehr konstruktiven<br />

Gespräch tauschten sich<br />

Mitglieder des Landesvorstandes<br />

im Ministerium über<br />

zentrale Punkte der Grundschulordnung<br />

und deren<br />

Umsetzung in Schule und<br />

Unterricht aus. Dabei wurde<br />

seitens des Ministeriums u. a.<br />

nachdrücklich darauf<br />

hingewiesen, dass den<br />

Schulen bewusst große<br />

Freiräume eingeräumt<br />

worden sind, die konstruktiv<br />

auf vielfältige Art und Weise<br />

genutzt werden können bzw.<br />

sollen.<br />

Am 14. 12. 2010 hatte der<br />

Vorstand der Landesgruppe<br />

Gelegenheit, in Mainz mit<br />

dem Arbeitskreis der SPD-<br />

Landtagsfraktion »Bildung<br />

und Jugend« <strong>aktuell</strong>e<br />

bildungspolitische Fragen zu<br />

diskutieren.<br />

Die Landesgruppe RLP will<br />

im ersten Halbjahr 2011 in<br />

mehreren regionalen<br />

Fortbildungen dazu Anregungen<br />

geben und praxisorientiert<br />

aufzeigen, wie sich<br />

Kollegien auf der Grundlage<br />

der Grundschulordnung auf<br />

den Weg zu einer Pädagogischen<br />

Leistungskultur<br />

begeben können.<br />

Die Veranstaltungen, die<br />

noch nicht terminiert sind,<br />

werden ab März in der Regel<br />

nachmittags an den Studienseminaren<br />

für GHS in<br />

Rheinland-Pfalz stattfinden.<br />

Die Einladungen werden per<br />

Mail an die Schulen gehen<br />

bzw. sind auf der Homepage<br />

www.wl-lang.de (Grundschulverband)<br />

zu finden.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Werner Lang<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06114 Halle<br />

petra.katrin.uhlig@googlemail.com; www.gsv-lsa.de<br />

Positiver Jahresrückblick<br />

2010<br />

Mit Einführung der Flexiblen<br />

Schuleingangsphase (SEP) an<br />

Sachsen-Anhalts <strong>Grundschule</strong>n<br />

ergab sich für das Jahr<br />

2010 ein wesentlicher<br />

inhaltlicher Schwerpunkt für<br />

die Aktivitäten der Landesgruppe.<br />

Auf enormes<br />

Interesse stieß die vom<br />

Grundschulverband mehrfach<br />

angebotene Fortbildung<br />

»SEP – konkret«, die den<br />

Kolleginnen und Kollegen<br />

praktische Tipps und Hilfen<br />

zur Umsetzung der Schuleingangsphase<br />

und der Jahrgangsmischung<br />

gab. Die<br />

Vorträge, die sich inhaltlich<br />

an den Fächern Mathematik<br />

und Deutsch orientierten,<br />

wurden durch einen Erfahrungsbericht<br />

engagierter<br />

Kolleginnen und Kollegen<br />

ergänzt, die seit Jahren die<br />

Flexible Schuleingangsphase<br />

an ihren Schulen erfolgreich<br />

umgesetzt haben. Anschließend<br />

stellten sich Vertreter<br />

der Schulen, des Grundschulverbandes<br />

und der zuständige<br />

Referatsleiter des Kultusministeriums,<br />

Dr. Bernd<br />

Küster, den kritischen Fragen<br />

der Teilnehmer.<br />

Hoffnungsvoller Ausblick<br />

2011: Grundschultag 2011<br />

Neben der sinnvollen<br />

Ausgestaltung der SEP steht<br />

Sachsen-Anhalt auch vor der<br />

Herausforderung des<br />

Gemeinsamen Unterrichts<br />

(GU) aller Schüler an den<br />

<strong>Grundschule</strong>n. Die Landesgruppe<br />

des Grundschulverbandes<br />

nimmt dies zum<br />

Anlass, den Grundschultag<br />

2011 unter das Motto: »Viele<br />

Kinder – eine Schule?! Wege<br />

zum individuellen Lernen« zu<br />

stellen. Dazu ist es gelungen,<br />

die beteiligten Partner VdS,<br />

die Martin-Luther-Universität<br />

Halle / Wittenberg und die<br />

GEW als Mitveranstalter ins<br />

Boot zu holen. Gemeinsam<br />

mit den Lehrkräften sollen<br />

Chancen und Wege im<br />

Umgang mit den ganz<br />

unterschiedlichen Lernwegen<br />

von Kindern gesucht<br />

und gefunden werden.<br />

Prof. Dr. Henning Scheich<br />

vom Leibniz-Institut für<br />

Neurobiologie Magdeburg<br />

beleuchtet das Thema aus<br />

einer übergeordneten<br />

Perspektive mit einem<br />

Vortrag zum Thema: Warum<br />

ist lernen individuell verschieden?<br />

Anschließend sind<br />

zahlreiche Workshops im<br />

Angebot, die sich aus ganz<br />

unterschiedlichen Blickwinkeln<br />

mit dem Thema GU<br />

beschäftigen. Eine Podiumsdiskussion<br />

zum Thema, zu<br />

der sich auch Kultusministerin<br />

Prof. Dr. Wolff angekündigt<br />

hat, rundet die Veranstaltung<br />

ab.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Ralph Thielbeer<br />

Samstag, 14. Mai 2011<br />

Grundschultag 2011<br />

»Viele Kinder – eine Schule?!<br />

Wege zum individuellen<br />

Lernen«<br />

Franckesche Stiftungen<br />

Halle/Saale<br />

Kontakt / Anmeldung:<br />

www.gsv-lsa.de<br />

36 GS <strong>aktuell</strong> <strong>113</strong> • Februar 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Saarland<br />

Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken, lagroll@t-online.de<br />

grundschule<br />

zwanzigzwanzig<br />

Sich offen austauschen,<br />

voneinander lernen, sich<br />

gegenseitig stützen und<br />

<strong>Grundschule</strong> gemeinsam<br />

weiterdenken – das sind<br />

zentrale Leitgedanken, die<br />

die Intention dieser neuen<br />

Veranstaltungsreihe skizzieren.<br />

Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter von <strong>Grundschule</strong>n<br />

sind eingeladen, im Kreis<br />

von Kolleginnen und Kollegen<br />

Herausforderungen der<br />

täglichen Arbeit in den Blick<br />

zu nehmen und gemeinsam<br />

lösungsorientiert Perspektiven<br />

zu entwickeln. Praxisnähe<br />

und Entlastungen im<br />

beruflichen Alltag sind dabei<br />

wichtige »Leitplanken« in der<br />

Diskussion. Geplant ist, dass<br />

diese Veranstaltung, die auf<br />

Wunsch von Schulleiterinnen<br />

und Schulleitern und in<br />

Kooperation mit dem Institut<br />

für Lehrerfort- und -weiterbildung<br />

und dem SLLV angeboten<br />

wird, jeweils im Herbst<br />

und Frühjahr stattfindet.<br />

Die erste Veranstaltung am<br />

11. November in der Villa Lessing<br />

in Saarbrücken nannte<br />

als Themen: »<strong>Grundschule</strong><br />

heute: eine Bestandsaufnahme«<br />

und die Diskussion über<br />

»Ändern, um zu optimieren«.<br />

Sie zeigte überdeutlich, wie<br />

stark die Schulleiterinnen<br />

und Schulleiter in die Schulentwicklung<br />

eingebunden<br />

sind, sie jedoch kaum die<br />

Möglichkeiten haben,<br />

langfristig zu planen.<br />

Zu viele Maßnahmen sind<br />

ad hoc durchzuführen und<br />

werden nach Regierungswechsel<br />

teilweise wieder in<br />

Frage gestellt. Finanzmittel<br />

werden dann je nach eigener<br />

Priorität in der Schulentwicklung<br />

zum Nachteil laufender<br />

Projekte einfach umgeschichtet.<br />

Besonders beklagten<br />

die Schulleiterinnen und<br />

Schulleiter ihre Arbeitsbedingungen,<br />

d. h. die zu hohe<br />

Unterrichtsverpflichtung von<br />

ca. 21 Unterrichtswochenstunden.<br />

Leitungszeit würde<br />

kaum gewürdigt.<br />

Im Eingangsreferat gab Lilo<br />

Groll einen geschichtlichen<br />

Überblick über die <strong>Grundschule</strong><br />

seit ihrer Gründung im<br />

Jahre 1919 in der Weimarer<br />

Republik bis heute und zeigte<br />

auf, wie stark auch die <strong>Grundschule</strong><br />

von gesellschaftlichen<br />

Gegebenheiten, schichtenspezifischen<br />

Interessen, von<br />

sich wechselnden wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen,<br />

von Image-Fragen und haushaltstechnischen<br />

Vorgaben<br />

und sogar globalem Denken<br />

abhängig ist. Und dass selbst<br />

Entscheidungen, die vor<br />

mehr als 90 Jahren getroffen<br />

wurden, bis heute nachwirken,<br />

wie z. B. die Dauer der<br />

Grundschulzeit. Es ist daher<br />

die Frage zu stellen, wie die<br />

<strong>Grundschule</strong> als »Lern- und<br />

Erfahrungsort« und auch als<br />

Arbeitsplatz der Lehrerinnen<br />

und Lehrer im Jahre 2020<br />

auszusehen hat und welche<br />

Weichen heute gestellt<br />

werden müssen, damit die<br />

gewünschten Ziele in 10 Jahren<br />

erreicht werden können.<br />

Also: eine längerfristige, am<br />

Kinde orientierte Planung<br />

– ohne den Arbeitsplatz<br />

für die Lehrkräfte aus den<br />

Augen zu verlieren – versus<br />

Ad-hoc-Entscheidungen, je<br />

nach politischem Kalkül oder<br />

finanziellen Ressourcen.<br />

Die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer einigten sich<br />

auf die Umsetzung der<br />

UN-Behindertenkonvention<br />

und die »inklusive Bildung«<br />

als Themenschwerpunkte<br />

für die nächste Tagung am<br />

22. März 2011.<br />

Aktionsplan zur Umsetzung<br />

der UN-Behindertenkonvention<br />

In Anlehnung an das Land<br />

Rheinland-Pfalz ist im<br />

Saarland ein Aktionsplan<br />

zur Umsetzung der UN-<br />

Konvention für die Rechte<br />

behinderter Menschen, die<br />

am 24. 2. 2009 in Deutschland<br />

ratifiziert wurden, in Arbeit.<br />

Der in Arbeitsgruppen und<br />

von einer Lenkungsgruppe<br />

erarbeitete Aktionsplan<br />

wurde im vielköpfigen Beirat,<br />

dem auch die Vorsitzende<br />

der Landesgruppe Saarland<br />

des Grundschulverbandes<br />

angehört, intensiv diskutiert<br />

und soll am 3. Februar 2011<br />

im Rahmen eines Impulskongresses<br />

einer breiteren<br />

Öffentlichkeit vorgestellt<br />

werden. Dieser Kongress, zu<br />

dem auch eine Einladung<br />

an die Vorsitzende der<br />

Landesgruppe des Grundschulverbandes<br />

erging, wird<br />

vom Ministerium für Arbeit,<br />

Familie, Prävention, Soziales<br />

und Sport zusammen mit<br />

dem Otto-Blume-Institut<br />

für Sozialforschung und<br />

Gesellschaftspolitik e. V. (ISG)<br />

durchgeführt.<br />

Der Aktionsplan des Bildungsministeriums<br />

gibt als<br />

Handlungsfelder die »Inklusion«<br />

in Kindertageseinrichtungen,<br />

in Schule und der<br />

Lehrerausbildung an. Der<br />

Grundschulverband bemängelte<br />

zum einen, dass sich<br />

der Aktionsplan im Rahmen<br />

der inklusiven Bildung zwar<br />

mit einer in einem Stufen­<br />

plan festgelegten besseren<br />

Unterstützung von Kindern<br />

mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf befasst, den<br />

Gedanken der inklusiven<br />

Bildung aber nicht auf alle<br />

Kinder lenkt (z. B. auch<br />

hoch begabte) im Sinne der<br />

pädagogischen Zielsetzung<br />

»Allen Kindern gerecht<br />

werden«. Zum anderen wies<br />

der Grundschulverband<br />

mehrfach darauf hin, dass<br />

zur Umsetzung der geplanten<br />

Maßnahmen dringend<br />

kleinere Klassen, ein zeitweises<br />

Zwei-Pädagogen-System<br />

zusammen mit Sonderschullehrkräften<br />

sowie eine<br />

intensive Lehrerfort- und<br />

-weiterbildung gehören.<br />

Über 37 % aller Kinder und<br />

Jugendlichen mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf<br />

besuchen im Saarland<br />

Regelschulen aller Schulformen<br />

einschließlich der<br />

Berufsschulen. Allerdings hält<br />

die Qualität der integrativen<br />

Unterrichtung nicht mit dem<br />

Ausbau Schritt, wenn man<br />

bedenkt, dass die Unterstützung<br />

durch einen Sonderschullehrer<br />

mit zwei Stunden<br />

pro Woche für ein lernbehindertes<br />

Kind bei weitem<br />

nicht ausreicht. Hier besteht<br />

dringender Handlungsbedarf,<br />

was allerdings durch<br />

den Mangel an Sonderschullehrkräften<br />

erschwert wird.<br />

»<strong>Grundschule</strong><br />

zwanzigzwanzig«<br />

3. Februar, 15 Uhr<br />

Villa Lessing, Saarbrücken


<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Grundschulverband e. V.<br />

Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />

Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />

info@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860­8604<br />

Versandadresse<br />

Die Bände des Jahres 2010<br />

ISBN 978­3­941649­00­2 | Best.­Nr. 1086 | 19,50 € / f. Mitgl. 13,– €<br />

ISBN 978­3­941649­01­9 | Best.­Nr. 1087 | 19,50 € / f. Mitgl. 13,– €<br />

»Bildungsgerechtigkeit« hatte der Grundschul ­<br />

verband zum Thema seines Bundesgrundschulkongresses<br />

2009 gemacht und es zum zentralen<br />

bildungspolitischen wie schulpädagogischen<br />

Auftrag der nächsten zehn Jahre erklärt:<br />

»Allen Kindern gerecht werden« – das ist der<br />

unverzichtbare pädagogische Anspruch und die<br />

große Herausforderung für alle Ebenen, die für<br />

die (Grund­)Schule Verantwortung tragen.<br />

Jede Verantwortungsebene ist in der Pflicht, in<br />

ihrem Entscheidungsfeld eine Schule zu schaffen<br />

und zu gestalten, die allen Kindern gerecht wird.<br />

Um dies zu verdeutlichen, sind in diesem Band<br />

Beiträge versammelt, die zu den drei Verantwortungsebenen<br />

– Politik und Verwaltung<br />

– Schule systemisch<br />

– Unterricht<br />

die Aufgabe konkretisieren und Wege zu mehr<br />

Bildungsgerechtigkeit aufzeigen.<br />

»Kinder in Gesellschaft«, so heißt der Titel dieses<br />

Bandes und das aus folgenden Gründen:<br />

● Kinder befinden sich in der Grundschulklasse<br />

in Gesellschaft anderer Kinder, und diese Gleichaltrigenbeziehungen<br />

bestimmen das Befinden<br />

und das Handeln der Kinder ganz wesentlich mit.<br />

● Kinder sind Mitglieder der Gesellschaft;<br />

dies zeigen viele der Beiträge in diesem Band.<br />

Gesellschaftliche Entwicklungen und gesellschaftliche<br />

Anforderungen beeinflussen das<br />

Leben der Kinder und den Alltag der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Zudem wünschen sich Kinder, in der Gesellschaft<br />

und der gesellschaftlichen Institution »<strong>Grundschule</strong>«<br />

mitbestimmen zu dürfen.<br />

● In diesem Band wird zudem immer wieder<br />

auf Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen<br />

Kindheitsforschung verwiesen, die Kinder als<br />

gesellschaftliche Akteure untersucht und zudem<br />

die generationale Ordnung in den Blick nimmt.<br />

Ergebnisse dieser Forschung wurden im grundschulpädagogischen<br />

Diskurs oft etwas einseitig<br />

aufgenommen. Dieser Band soll deshalb auch<br />

dazu beitragen, die Forschungsergebnisse der<br />

sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung<br />

differenzierter zu begreifen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!