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KOMpass – Ausgabe 11/ 3. Quartal 2015

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Zeitung der Kommunistischen Gewerkschaftsinitiative <strong>–</strong> International (KOMintern) / <strong>Ausgabe</strong> <strong>11</strong> / <strong>3.</strong> <strong>Quartal</strong> <strong>2015</strong><br />

HEISSES THEMA ARBEITS-<br />

ZEITVERKÜRZUNG ... Seite 8+9<br />

Schuldsprüche für die Zivilcourage<br />

KOMinterns ... Seite 2<br />

Berichte aus der AK ... Seite 3<br />

Care about Care ... Seite 4<br />

Kindergartenstreik ... Seite 5<br />

Die „Benya-Formel“ ... Seite 6<br />

Betriebsräte als Freiwild der FSG? ... Seite 6<br />

Für eine Wende in den KV-Runden ... Seite 7<br />

Griechenland: Das Imperium schlägt zurück ... Seite 10<br />

Unrecht gegen Flüchtlinge ... Seite 12<br />

Blackrock <strong>–</strong> König der Wallstreet ... Seite 13<br />

Verhaftungswellen, Krieg, Ausnahmezustand in der<br />

Türkei ... Seite 14<br />

Nein zum Mietwucher, für sozialen Wohnbau ... Seite 15


Aktion von<br />

„Linz gegen Rechts“<br />

FREISPRÜCHE FÜR RECHTSRADIKALE,<br />

SCHULDSPRÜCHE FÜR ZIVILCOURAGE<br />

Am 20. April dieses Frühjahres folgte das Wiener Strafgericht<br />

der ganzen Prozess-Farce um den Angriff der „Unsterblich“-<br />

Neonazis auf die KOMintern-Versammlung und die ATIGF im<br />

Oktober 2013 auch in seinen Urteilssprüchen <strong>–</strong> und gab damit<br />

der von der Staatsanwaltschaft betriebenen Täter-Opfer-Umkehr<br />

statt.<br />

Anstatt den Neonazi-Schlägermob für seine Attacke auf unsere<br />

Konferenz gerichtlich zu belangen und wegen Wiederbetätigung<br />

und Verhetzung zu verhandeln, wurden <strong>–</strong> pikanterweise<br />

just an Hitlers Geburtsdatum <strong>–</strong> fünf der sieben Angeklagten<br />

von “Unsterblich” freigesprochen und ein anderer lediglich wegen<br />

Hausfriedensbruchs verurteilt.<br />

Jener „Unsterblich“-Angreifer, der damals bekanntlich ein Vorstandsmitglied<br />

KOMinterns auf der Stiege krankenhausreif<br />

zusammengeschlagen hatte, wurde zwar ebenfalls schuldig<br />

gesprochen <strong>–</strong> mit 14 Monaten bedingt für schlussendlich nur<br />

leichte Körperverletzung und Hausfriedensbruch jedoch mit<br />

viel zu mildem Urteil. Ansonsten ist die rechtsradikale Attacke<br />

und der versuchte Sturm unserer Versammlung und Räumlichkeiten<br />

für die Justiz als Bagatellakt abgetan. Eine staatliche<br />

Nachsichtigkeit, die die beständig zunehmenden Attacken und<br />

Angriffe von Rechtsextremen und Neonazis diverser Couleur<br />

auf AntifaschistInnen und Linke geradezu befördert.<br />

Mit der Verurteilung zwei unserer KOMintern-Genossen zu je<br />

zwölf Monaten bedingter Haft wurde im Namen der Republik<br />

jedoch das Verteidigungsrecht von AntifaschistInnen, eine solche<br />

Attacke zurückzudrängen und die rechten Recken dingfest<br />

zu machen, kriminalisiert. Ein Schandurteil mit politischer Brisanz<br />

weit über den unmittelbaren Anlass hinaus <strong>–</strong> gegen das<br />

wir daher auch in Berufung gegangen sind. Wie aber immer<br />

auch das letztinstanzliche Urteil ausfällt: Wer erwartet, dass<br />

wir uns justiziell einschüchtern und kriminalisieren lassen,<br />

wird sich allemal täuschen!<br />

Spendenkonto: IBAN: AT47 1400 00<strong>11</strong> 1006 0625<br />

BIC: BAWAATWW<br />

lautend auf KOMintern, Verwendungszweck: „Prozesse“<br />

Buchtipp zu unseren antifaschistischen Aktivitäten gegen die Idiotären<br />

Rechtsextreme Gruppen mobilisieren zu Demonstrationen, Kundgebungen und anderen rassistischen Veranstaltungen. Neben<br />

Pegida propagiert vor allem die „Identitäre Bewegung“ Ausgrenzung und Menschenfeindlichkeit. Julian Bruns, Kathrin<br />

Glösel und Natascha Strobl zeigen in ihrem Grundlagenwerk zu den Identitären, dass diese Gruppe nicht aus dem Nichts<br />

kommt. Sie schlüsseln auf, warum und wie antimuslimischer Rassismus und„Ethnopluralismus“ Kerne ihrer Agitation<br />

sind. Das Buch erklärt ihre Ideologie, ihre Wurzeln und worin sie sich von anderen rechtsextremen Gruppen unterscheiden.<br />

Innerhalb des Spektrums der „Neuen Rechten“ stehen Identitäre für Aktionismus, Jugend, Popkultur und Corporate Identity.<br />

Sie bieten ein neues, modernisiertes rechtsextremes Angebot für jene, die weder etwas mit Neonazikameradschaften<br />

anfangen können, noch mit alten Männern in verstaubten Hinterzimmern. Die Identitären stehen für einen bürgerlichen und<br />

elitären Rechtsextremismus. Erklärtes Ziel ist die „Kulturrevolution von rechts“, mit dem die gesellschaftlichen Veränderungen<br />

der 68er umgekehrt werden sollen. Das Buch zeigt auch, dass das Klischee des vermeintlich dummen Nazihools als<br />

Beschreibung für ein gesamtes rechtsextremes Spektrum zu kurz greift. Vielmehr hat sich ein junges rechtsextremes Spektrum<br />

entwickelt, das statt Hitler auf alternative Formen des historischen Rechtsextremismus und Faschismus zurückgreift.<br />

An dem Buch kommt man nicht vorbei, wenn man aktuelle rechtsextreme Phänomene verstehen will.<br />

2<br />

Impressum:<br />

Medieninhaber & Verleger: Kommunistische Gewerkschaftsinitiative <strong>–</strong> International (KOMintern),<br />

Rankgasse 2/5, A-<strong>11</strong>60 Wien; Redaktion, Fotos (falls nicht anders angegeben); Grafik & Gestaltung:<br />

KOMintern; www.komintern.at; Kontakt und Bestellung: info@komintern.at


BERICHTE AUS DER<br />

Absurde Verrenkungen der AK Niederösterreich<br />

zur muttersprachlichen Beratung<br />

Selma Schacht, AK-Rätin für<br />

KOMintern in Wien<br />

Can Tohumcu, AK-Rat für<br />

KOMintern in Niederösterreich<br />

AK Wien sagt Ja zum KOMintern-Antrag<br />

und „Nein zum sozialen Backlash!“<br />

Eine gute Nachricht vorweg: Nach einigen<br />

Diskussionen im Vorfeld stimmte die<br />

Mehrheit der KammerrätInnen in der AK-<br />

Vollversammlung Wien dann doch dem von<br />

KOMintern eingebrachten Antrag „Nein zum<br />

sozialen Backlash in Wien“ zu. Die AK Wien<br />

hat in dem Antrag u.a. folgendes beschlossen:<br />

Die Unterstützung und Initiierung politischer,<br />

gewerkschaftlicher und betrieblicher<br />

Kampagnen für massiv mehr Ressourcen<br />

(zusätzlicher Personaleinsatz, bessere Ausstattung,<br />

höhere Gehälter) in allen Bereichen<br />

der Sozial- und Gesundheitsbranche und die<br />

Unterstützung von Initiativen der Beschäftigten<br />

und BetriebsrätInnen gegen Einsparungen<br />

und Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich.<br />

Wir wissen, diese Kampagnen<br />

und Initiativen werden wir bitter brauchen…<br />

Bitter war jedoch auch, wie offen die sozialdemokratischen<br />

KammerrätInnen ihr zurückweichen<br />

vor Politik und Kapital formulierten:<br />

Anlässlich des KOMintern-Antrags zu TTIP<br />

„Nein zum „kalten Staatsstreich“ <strong>–</strong> Nein der<br />

Erhebung der transnationalen Konzerne zu<br />

den entscheidenden Subjekten des internationalen<br />

Rechts“ meinte der Redner im Namen<br />

der FSG: „Wir sind nicht für `Stopp TTIP´<br />

ohne Wenn und Aber“. Diesen Frontalangriff<br />

auf ArbeitnehmerInnenrechte durch die Freihandelsabkommen<br />

nicht massiv zu bekämpfen,<br />

ist ein Skandal. Doch deswegen heißt<br />

es wohl: Die FSG trägt den Kompromiss in<br />

sich wie die Wolke den Regen. Genauso bei<br />

der Lohnsteuerreform: Die Kritik durch den<br />

Antrag „Keine Zustimmung zu dieser Lohnsteuerreform“<br />

wurde fast als Majestätsbeleidigung<br />

angesehen <strong>–</strong> berechtigte und durch<br />

Berechnungen belegte Kritik und Warnungen<br />

vor kommenden Belastungspaketen wurden<br />

hochnäsig vom Tisch gewischt.<br />

Die Anträge zu den Themen konsequenter<br />

Kampf für Arbeitszeitverkürzung und „Care<br />

about Care“ (Für eine Aufwertung der Pflege<br />

in allen Bereichen) wurden einfach zugewiesen<br />

<strong>–</strong> ich bin gespannt auf die Diskussionen<br />

dazu in den Ausschüssen!<br />

Die <strong>3.</strong> Vollversammlung der AK-NÖ fand<br />

im AK-Festsaal in St. Pölten statt. Unter<br />

anderem haben wir uns als KOMintern<br />

hinsichtlich der Fülle an Anträgen der<br />

FSG und auch der VP/ÖAAB-Fraktion<br />

auf drei politisch spezifische Anträge<br />

konzentriert.<br />

Unser erster Antrag war zur äußerst aktuellen<br />

Frage der Arbeitszeitverkürzung.<br />

Mit annähernd einer halben Million Arbeitslosen<br />

zu Jahresbeginn <strong>2015</strong> kletterte<br />

die Arbeitslosigkeit in Österreich auf ein<br />

abermaliges, trauriges Rekordhoch der<br />

Zweiten Republik. Und eine „Entspannung“<br />

ist nicht in Sicht.<br />

Doch alleine die endliche Durchsetzung<br />

der 35-Stunden-Woche würde gut<br />

180.000 zusätzliche Arbeitsplätze bringen<br />

und zusammen mit einem Überstundenabbau<br />

über 200.000 Arbeitslose<br />

wieder in Broterwerb und Arbeit setzen.<br />

Mit einer 30-Stunden-Woche bei vollem<br />

Lohn- und Personalausgleich ließe sich<br />

im Folgeschritt dann überhaupt eine<br />

Wende einleiten.<br />

Doch die FSG-VP/ÖAAB-Mehrheit der<br />

Vollversammlung in der AK-NÖ hat<br />

diesen Antrag entsprechend ihrer Gesinnung<br />

wie im Rahmen ihrer politischen<br />

Orientierung an der Bundesregierung nur<br />

zugewiesen.<br />

Unser zweiter Antrag „Keine Zustimmung<br />

zu dieser Lohnsteuerreform“ wurde<br />

mit den Stimmen der FSG, VP/ÖAAB<br />

und FA, aber auch mit bedenklicher<br />

Stimmenthaltung der AUGE/UG abgelehnt.<br />

Vor allem bei FSG und VP/ÖAAB<br />

ist es offensichtlich, dass sie die Lohnsteuerreform<br />

der SP-ÖVP Regierung in<br />

der AK vertreten. Diese Lohnsteuerreform<br />

bedeutet für die breite Bevölkerung<br />

nichts anderes, als dass sie neue Sparpakete<br />

erwartet und der Reichtum in Österreich<br />

gerichtet auf kapitalistische Interessen<br />

unangetastet bleibt.<br />

Der dritte KOMintern Antrag betraf<br />

den von uns geforderten Ausbau der<br />

muttersprachlichen Fachberatung in<br />

der AK-NÖ.<br />

Im Einklang mit der Resolution „Herausforderungen<br />

der Migration“, dass „ArbeitnehmerInnen<br />

internationaler Herkunft<br />

vor besonderen Herausforderungen<br />

stehen und oftmals sprachliche und kulturelle<br />

Verständnisschwierigkeiten haben<br />

oder Barrieren überwinden müssen“,<br />

bedarf es gerade seitens der AK zurecht<br />

auch in Niederösterreich „spezieller Angebote,<br />

um die Integration zu erleichtern<br />

und für Inklusion und Chancengleichheit<br />

zu sorgen.“<br />

In Wien jubelte die AK- und ÖGB-Führung<br />

über die seit 30 Jahren andauernde<br />

muttersprachliche Fachberatung seitens<br />

AK und ÖGB. Auch die UNDOK-Beratungstelle<br />

wurde den migrantischen ArbeiterInnen<br />

als das große integrative Angebot<br />

vorgestellt. Doch die gleiche FSG<br />

in Niederösterreich hat schlussendlich<br />

die bis dahin breitgedeckte muttersprachliche<br />

Fachberatung in den niederösterreichischen<br />

AK-Bezirksstellen streichen<br />

lassen. Statt dem systematischen Ausbau<br />

der muttersprachlichen Fachberatung in<br />

Niederösterreich werden die Beratungen<br />

faktisch nur mehr mit Terminausgaben<br />

gedolmetscht. Obwohl es in den Reihen<br />

der FSG auch Gegenstimmen und Unterstützung<br />

für unseren Antrag gab, ließ<br />

sich die FSG-Führung von ihren dahingehenden<br />

Einschnitten und Umstrukturierungen<br />

in der AK Niederösterreich<br />

nicht abdrängen.


CARE ABOUT CARE!<br />

Wer war nicht schon froh über die Pflegekraft, die einem am Wochenende<br />

im Krankenhaus, in der Klinik oder im Rehabzentrum betreute?<br />

Oder jene, die einem das Leben im Seniorenheim, im Tageszentrum<br />

oder durch Hauskrankenpflege erleichtert? PflegerInnen<br />

verbringen ihren Berufsalltag damit, anderen Menschen zu helfen<br />

<strong>–</strong> immer mit dem Anspruch, die PatientInnen bestmöglich<br />

und freundlich zu versorgen.<br />

Es sind Menschen, die für und mit Menschen arbeiten! Gerade<br />

deshalb nehmen sie einen extrem wichtigen Part in unserer<br />

Gesellschaft ein. Ihre Arbeit gehört auch dementsprechend gewürdigt<br />

und entlohnt.<br />

Die Wirklichkeit ist jedoch eine andere: Arbeitsdruck, immer<br />

mehr Verantwortung und Forderung nach Flexibilität mit der<br />

einhergehenden Unvereinbarkeit von Beruf und Privatleben<br />

stehen einem völlig unangemessenem Gehalt gegenüber! Über<br />

Ausgliederungen, die Einbindung von privaten Unternehmen<br />

und Konzernen und den Einsatz von LeiharbeiterInnen wird<br />

der Bereich mehr und mehr privatisiert. Unter diesen haarsträubenden<br />

Bedingungen kann keine qualitativ hochwertige Pflege<br />

erfolgen.<br />

Die Beschäftigten der Gesundheits- und Sozialbranche leisten<br />

tagtäglich Bestes unter immer schwieriger werdenden Arbeitsbedingungen,<br />

chronischem Personalmangel und unter massiv<br />

steigender Arbeitsintensivierung. Dieser Zeit- und Arbeitsdruck<br />

hat auch auf die<br />

Qualität der Betreuung<br />

und Pflege Einfluss,<br />

so dass alte und<br />

kranke Menschen oft<br />

„wie am Fließband“<br />

versorgt werden müssen.<br />

Die Erschwerung<br />

des Erhalts von Pflegestufen<br />

und -geld tut<br />

dazu ihr Übriges.<br />

JMG_pixelio.de<br />

Mit dem Slogan „Join<br />

the CaREvolution“ begann<br />

ein Betriebsrat in<br />

Salzburg, gegen diese<br />

Missstände und vor allem<br />

für höhere Gehälter<br />

einzutreten <strong>–</strong> und<br />

viele Beschäftigte aus<br />

der stationären Pflege<br />

schlossen sich ihm auf<br />

Facebook an. In vielen<br />

anderen Bundesländern gründeten sich „Care Revolution“-<br />

Gruppen, die „30% mehr Gehalt, 30% mehr Personal an der<br />

Basis“ fordern, bei Flashmobs mit dem Motto „Die Pflege ist<br />

am Boden <strong>–</strong> aber wir stehen auf“ legten sich hunderte mit ihren<br />

Forderungen auf die Straße, die Gewerkschaften verhandelten<br />

neben den Protesten der ÄrztInnen teilweise auch Verbesserungen<br />

für die Pflegekräfte. Aber eine schlagkräftige bundesweite<br />

Bewegung, die vor allem auch die ambulant arbeitenden KollegInnen<br />

<strong>–</strong> Hauskrankenpflege, Heimhilfen, 24-h-Betreuung, …<br />

einbezieht und die Zersplitterung auf mehrere <strong>–</strong> kompromisslerische<br />

- Gewerkschaften aufhebt, wird noch zu bilden sein.<br />

„Würden Pflegekräfte in Österreich in einen bundesweiten<br />

Streik treten, würde man rasch merken, wie wichtig ihre Arbeit<br />

wirklich ist. … Da nicht nur Österreich ein wachsendes Problem<br />

mit der demografischen Entwicklung und gleichzeitig mit<br />

einer zu geringen Anzahl an Pflegekräften hat, stellt sich die<br />

Frage, warum man diese nicht nach skandinavischem Vorbild<br />

bezahlen will, um eine weitere Ausdünnung dieser Berufsgruppe<br />

zu vermeiden (Die finnische Gewerkschaft TEHY erkämpfte<br />

2007 eine 20-prozentige Lohnerhöhung für Pflegekräfte).“ so<br />

Mag. Alexandra Prinz MSc., Dipl. Gesundheits- und Krankenpflegerin<br />

und Aktivistin im Pflegebereich.<br />

Wir von KOMintern fordern eine massive Erhöhung der Finanzmittel,<br />

unter anderem unterstützen wir den Kampf der<br />

Pflegekräfte auch mit dem entsprechenden Antrag „Für eine<br />

Aufwertung der Pflege in allen Bereichen“ an die AK Wien<br />

(siehe S.3). Wir müssen endlich genügend Personal und Ressourcen<br />

für qualitativ gute Arbeit UND gute Arbeitsplätze im<br />

Gesundheits- und Sozialbereich erhalten!<br />

KOMintern fordert u.a.:<br />

Das Recht auf einen Vollzeit-Arbeitsplatz!<br />

Generelle Arbeitszeitverkürzung, beginnend mit maximal<br />

35 Stunden pro Woche bei vollem Personal- und Lohnausgleich<br />

(und damit eine direkte Gehaltserhöhung für<br />

Teilzeitbeschäftigte)!<br />

Lebensweltgerechte und alternsgerechte Arbeitsplätze!<br />

Jeder Mensch in Österreich hat das Recht auf<br />

qualitätsvolle und stressfreie Pflege und Betreuung!<br />

Abschaffung der Möglichkeit von Scheinselbständigkeit<br />

in der 24-Stunden-Betreuung!<br />

Erhöhung der Förderbudgets für die Betreuung zu Hause!<br />

Rücknahme der Erschwerung des Zuspruchs der<br />

Pflegegeldstufen bzw. massive Erleichterung für den<br />

Erhalt der niedrigen Pflegegeldstufen!<br />

4 <strong>KOMpass</strong>


LEHREN AUS DEM FANTASTISCHEN<br />

KINDERGARTEN-<br />

STREIK IN DEUTSCHLAND<br />

Es war die größte Streik-Kampagne in<br />

der Geschichte der Sozial- und Erziehungsberufe<br />

in Deutschland. Zehntausende<br />

Erzieher_innen haben für deutlich<br />

höhere Löhne unbefristet gestreikt. Viele<br />

von ihnen über vier Wochen. „Wir wollen<br />

eine Aufwertung für alle im Sozial- und<br />

Erziehungsdienst Beschäftigten“, sagte<br />

der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft<br />

(ver.di), Frank Bsirske.<br />

Den mehrheitlich streikenden Frauen rief<br />

er zu: „Aufwertung ist überfällig, gerade<br />

in typischen Frauenberufen.“<br />

Bei Protesten forderten mehr als 30.000<br />

Erzieherinnen mehr Lohn und Anerkennung<br />

für ihren Beruf. Bei einer Demonstration<br />

in Frankfurter nahmen nach<br />

Polizeischätzungen mehr als 15.000 Menschen<br />

teil. Eltern solidarisierten sich mit<br />

den Erzieher_innen und die Bundeselternvertretung<br />

übergab mehr als 50.000<br />

Unterschriften für die Streikenden an den<br />

Verband kommunaler Arbeitgeber. In der<br />

Petition stand: „Wir Eltern solidarisieren<br />

uns mit den ErzieherInnen, weil wir wollen,<br />

dass der Lohn für die Tätigkeit der<br />

Erzieherinnen Respekt ausdrückt und<br />

leistungsgerecht ist. Das jetzige Gehalt einer<br />

ErzieherIn ist respektlos ...“<br />

Basisdemokratisch?<br />

Die Kolleg_innen hatten für die Tarifverhandlungen<br />

extra die Streikdelegiertenversammlung<br />

geschaffen. Deren erste<br />

Versammlung hatte beschlossen, dass der<br />

Streik so lange fortgesetzt wird, bis es ein<br />

annahmefähiges Verhandlungsergebnis<br />

gibt. Diese neue demokratische Struktur<br />

aus etwa 300 Delegierten aus v.a. Kindergärten,<br />

Jugend- und Sozialämtern sollte<br />

bei allen wichtigen Entscheidungen das<br />

letzte Wort haben. Aber nach vier Wochen<br />

Arbeitskampf einigte sich ver.di mit<br />

dem Arbeitgeber auf eine Schlichtung<br />

und hat damit der Kita-Streikbewegung<br />

einen schweren Schlag versetzt. Während<br />

der Schlichtung herrscht nämlich<br />

„Friedenspflicht“. Die Streiks waren ausgesetzt,<br />

ohne die Delegiertenkonferenz<br />

zu fragen. „Die Öffentlichkeit hätte kein<br />

Verständnis, wenn wir die Schlichtung<br />

nicht angenommen hätten“, behauptete<br />

der ver.di-Vorsitzende. Aber laut Infratest-dimap-Umfrage<br />

haben 69 Prozent<br />

der Deutschen Verständnis für den Streik<br />

und nur 29 Prozent keines.<br />

Gewerkschaften dürfen sich<br />

nicht selbst schwächen<br />

Die Schlichter, je ein Politiker der CDU<br />

und der SPD, haben sich auf verschiedene<br />

mäßige Erhöhungen für die einzelnen<br />

Berufsgruppen geeinigt. Nach<br />

lebhaften und kritischen Diskussionen<br />

haben die Delegierten der Streikkonferenz<br />

beschlossen, dass es eine ver.<br />

di-Mitgliederbefragung zum Schlichterspruch<br />

geben soll. Ein neuer Streik ist<br />

also möglich, aber anstehende Ferien<br />

machen solchen schwieriger.<br />

Laut Bsirske habe es „keine rechtliche<br />

Möglichkeit gegeben, die Schlichtung<br />

zu verhindern“. ver.di kann die gültige<br />

Schlichtungsvereinbarung mit den Arbeitgebern<br />

des öffentlichen Dienstes,<br />

in welcher sie einem Streikverzicht zustimmt,<br />

zu jedem <strong>Quartal</strong>sende kündigen.<br />

Die ver.di-Führung sollte sich<br />

selbst und die Basis nach der Erfahrung<br />

der tollen Streikbewegung nicht limitieren<br />

lassen.<br />

Zu Redaktionsschuss erreichte uns die Meldung,<br />

dass in einer Abstimmung die Gewerkschaftsmitglieder<br />

den Schlichterspruch mit fast 70<br />

Prozent zurückwiesen und den Kampf weiterführen.<br />

Situation in Österreich<br />

Schon seit Jahren fordern die Gewerkschaften die Umsetzung der<br />

parlamentarischen „Bürgerinitiative für ein einheitliches, österreichisches<br />

Bundesrahmengesetz“. Je nach Arbeitgeber sind die<br />

vier Gewerkschaften GÖD, vida, GPA-djp und GdG-KMSfB zuständig.<br />

Es existiert ein bundesweiter „Fleckerlteppich“ von 40 verschiedenen<br />

Gehaltsschemata. Vor- oder Nachbereitungszeit der PädagogInnen<br />

und die Ausbildung der AssistentInnen sind quer durch<br />

Österreich verschieden geregelt. „Wir brauchen bessere Gehälter<br />

und Anerkennung der Bildungsarbeit im außerschulischen Bereich.<br />

Wir brauchen einheitliche gesetzliche Regelung der Aus- und Fortbildung<br />

für das pädagogische<br />

Personal und für das unterstützende<br />

Personal. Wir brauchen<br />

25 % der vereinbarten<br />

wöchentlichen Arbeitszeit<br />

als Vor- und Nachbereitungszeiten.<br />

Der Pädagog_innen-<br />

Kind-Schlüssel und die Kinderanzahl<br />

müssen modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen<br />

entsprechen. Die Solidaritätserklärung der GPA-djp für die streikenden<br />

deutschen Kolleg_innen ist großartig. Jetzt heißt es für uns von<br />

ihnen das Kämpfen zu lernen.“, so Karin Wilflingseder, Vorsitzende<br />

der Themenplattform Elementar- Hort- und Freizeitpädagogik in der<br />

GPA-djp Wien<br />

<strong>KOMpass</strong> 5


DIE „BENYA-FORMEL“<br />

Gegen alle Verklärungen der sog. „Benya-Formel“<br />

sei nachdrücklich hervorgehoben:<br />

ihr zugrunde bzw. eingeschrieben<br />

liegt nicht nur die irrige Auffassung, es<br />

ließe sich mit ihr eine Art „gerechter“<br />

oder „richtiger“ Lohn in beiderseitiger<br />

Ausgewogenheit ausmachen, für den<br />

man zudem auch noch gleichsam objektive<br />

Kriterien an der Hand habe.<br />

Der Lohnstreit und die Lohnfindung entzieht<br />

sich aber einer solchen „Versachlichung“.<br />

In derartigen „Zauber-Formeln“<br />

reflektiert sich folglich nur eine falsche<br />

Interpretation der Beziehungen zwischen<br />

Arbeit und Kapital. In Wirklichkeit bedeutet<br />

die reine Nachäffung der Arbeitsproduktivität<br />

als quasi buchhalterisches<br />

Kriterium der Lohnentwicklung bereits<br />

eine Parteinahme im Lohnkampf auf<br />

Seiten des Kapitals. Sie betrachtet den<br />

Lohn darin vorrangig als Kostenfaktor<br />

der Unternehmen und geht wie selbstverständlich<br />

von der unausgesprochenen<br />

Voraussetzung aus, dass die Lohnquote<br />

am Volkseinkommen konstant zu bleiben<br />

habe. Daran würde auch ihr Revival<br />

nichts ändern.<br />

Ja, selbst eine Durchsetzung der noch<br />

ein Stück darüber hinausgreifenden und<br />

sich am sog. „neutralen Verteilungsspielraum“<br />

orientierenden „produktivitätsorientierten<br />

Reallohnentwicklung“<br />

(der zufolge die Reallöhne in Höhe der<br />

Inflationsrate plus des unverkürzten jährlichen<br />

Produktivitätszuwachses steigen<br />

sollen), würde am Verteilungsverhältnis<br />

zwischen Kapital und Arbeit nichts<br />

ändern. Zwar höbe sie sich sicherlich<br />

wohltuend von der herrschenden Lohnzurückhaltung<br />

ab und würde zumindest<br />

der ständigen Verschlechterung der Verteilungsverhältnisse<br />

Einhalt gebieten.<br />

Einer neuen Primärverteilung zwischen<br />

Kapital und Arbeit vermag aber weder<br />

diese noch jene zum Durchbruch zu gereichen.<br />

Der Lohnstreit ist denn auch<br />

keine nach sozusagen statistischen Parametern<br />

bestimmbare Angelegenheit,<br />

sondern eine Frage des Klasseninteresses<br />

und Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.<br />

In diesem Zusammenhang<br />

ist auch der an sich nicht unrichtige<br />

Verweis auf die Stärkung der Kaufkraft<br />

und Binnennachfrage nur ein flankierendes<br />

Hilfs- und Zusatzargument.<br />

Betriebsrat? Sowas wie Betriebswirt? Wenn du als arbeitslos gewordener Betriebsrat den Gang zum AMS anzutreten hast, kann das<br />

durchaus komische Züge annehmen. So geschehen, als ein Kollege entsprechend seiner Vergangenheit angab, die letzten Jahre als Betriebsrat<br />

tätig gewesen zu sein. Das dürfte den KollegInnen beim AMS nicht oft passieren. Denn trotz Erklärungsversuchen, was denn das sei (nach<br />

der Frage, ob Betriebsrat denn sowas wie Betriebswirt wäre) <strong>–</strong> gab die Beraterin als Tätigkeitsprofil „Betriebsrat“ ein. Doch seltsamerweise<br />

spuckte die superschlaue Suchmaschine hinterm Schalter keine Jobs als Betriebsrat aus. Schade eigentlich.<br />

Unabhängige, konsequente Betriebsräte als Freiwild der FSG? Nach dem durch die FSG betriebenen skandalösen Rausschmiss<br />

des kritischen Voest-BR Johann Linsmaier erreichten ihre verlotterten „Kollegen“ nun auch in Niederösterreich die Entlassung<br />

eines weiteren engagierten und konsequenten Betriebsrats. Zunächst verzockten die rosaroten Betriebskaiser der Semperit Wimpassing,<br />

über ihre betriebsrätliche Untätigkeit hinaus, weitestgehend auch den Betriebsratsfonds der Beschäftigten mit über 200.000 Euro beim<br />

Pyramidenspiel. Nach unnachgiebiger Aufdeckung dieses Skandals durch die oppositionelle „BR-Liste Eller“ gerieten sie völlig außer<br />

Rand und Band: Nicht nur die von hunderten Beschäftigten geforderte Betriebsgruppenversammlung wurde mit aller Kraft abgeblockt.<br />

Darüber hinaus zog die FSG, um ihre lediglich mehr knappe Mehrheit zu sichern, auch noch in schändlichem Zusammenspiel mit dem<br />

Arbeitgeber gegen den unliebsamen wie unbestechlichen Listenführer Sepp Eller zu Felde: Unter einer mehr als offensichtlich konstruierten<br />

Anschuldigung betrieben sie mit aller Macht die Entlassung des unabhängigen Betriebsrats Eller. Dass der Klüngel aus FSG-<br />

Betriebsrat und Geschäftsführung in einem ersten Urteil diesbezüglich auch noch recht bekam, ist der nächste handfeste Skandal gegen<br />

ehrliche Interessensvertretung der Beschäftigten. Ein Farceurteil, gegen das Kollege Eller selbstverständlich in Berufung geht.<br />

6 <strong>KOMpass</strong>


ZEIT FÜR EINE WENDE!<br />

Der Nebelschleier um die angeblich „größte Steuerreform aller Zeiten“ hat sich<br />

mehr und mehr gelichtet. Nun gilt es die verabsäumte Umverteilung der so<br />

gut wie völlig ungeschoren davongekommenen Konzerne und des Reichtums<br />

im Land endlich auch über eine neue Primärverteilung über entsprechende Lohnabschlüsse<br />

in Angriff zu nehmen.<br />

Die Entlastungseffekte der Lohnsteuerreform<br />

sind in spätestens zwei, drei<br />

Jahren wieder verpufft. Die Löhne und<br />

Gehälter werden danach <strong>–</strong> ohne automatischer<br />

Inflationsanpassung der Steuerstufen <strong>–</strong><br />

wieder dieselbe steuerliche Belastung erreichen<br />

wie 2009. Und ab Einkommen von rd. 1.800,- Euro<br />

brutto wird einem darüber hinaus sowieso von jeder<br />

aktuell anstehenden und hinkünftigen Lohnerhöhung<br />

fast dasselbe abgezogen wie bisher!<br />

Mehr als Zeit also, nach Jahren des Reallohnverlusts und mauer<br />

Abschlüsse im Land endlich kräftige Lohnabschlüsse durchzusetzen<br />

und eine Wende in den KV-Runden einzuläuten!<br />

Umso grotesker und alarmierender ist die Zustimmung des<br />

gewichtigen Wiener AK-Direktors und Faymann-Beraters<br />

Werner Muhm zum dreisten Vorstoß der Industrie-Vertreter,<br />

die Entlastungen durch die Steuerreform in den anstehenden<br />

Lohnrunden ein- und gegenzurechnen. Ein Ansinnen, dem<br />

ÖGB-Präsident Erich Foglar völlig zurecht schon im Vorfeld<br />

eine deutliche Absage erteilte. Eine „Zurückhaltung bei den<br />

Lohnverhandlungen als Ausgleich für die Steuerreform wird<br />

es nicht geben“, so Foglar.<br />

Gewerkschaftlicher Kurswechsel notwendig<br />

Aber dafür bedarf es über vollmundige Presseerklärungen hinaus<br />

jedoch eines grundlegenden ideologischen und gewerkschaftspolitischen<br />

Kurswechsels. Denn der ideologische Tsunami<br />

des sogenannten „Neoliberalismus“ fand zurückliegend<br />

auch in Österreich immer stärkeren Eingang in die Kollektivvertragspolitik.<br />

Dessen zentrales lohnpolitisches bzw. KV-politisches<br />

Credo maßvoller Lohnabschlüsse, Deregulierungen und<br />

Arbeitszeitflexibilisierungen um der vielbeschworenen „internationalen<br />

Konkurrenzfähigkeit“ wegen, stieß auch seitens der<br />

Gewerkschaftsspitzen auf strategische Akzeptanz und entwand<br />

dem ÖGB im Grunde die Möglichkeit jedweder theoretisch begründeter<br />

autonomer Gegenposition. Während die so sukzessiv<br />

verdrängte frühere keynesianistisch begründete lohnpolitische<br />

Konzeption in der Entwicklung der Löhne und Gehälter noch<br />

das entscheidende Nachfrageaggregat in Anschlag brachte, trat<br />

mit der ideologischen Wende zum „sozialpartnerschaftlichen<br />

Angebotskorporatismus“ an deren Stelle vorrangig die Froschperspektive<br />

der betriebswirtschaftlichen Verwertungslogik des<br />

Kapitals sowie das Mantra des internationalen Standortwettbewerbs.<br />

Damit verabschiedete sich der ÖGB nicht nur selbst<br />

noch von der Grundideologie des Reformismus nach 1945 im<br />

Land, sondern verfügt seither auch über kein eigenes Konzept<br />

gegen die neoliberale Offensive.<br />

Dementsprechend wurde auch die einst wie ein heiliger Gral vor<br />

sich her getragene, sogenannte lohnpolitische „Benya-Formel“<br />

(benannt nach dem langjährigen, ehemaligen ÖGB-Präsidenten)<br />

entsorgt: die jährliche Lohnerhöhung habe den Anstieg der<br />

Lebenserhaltungskosten (die Inflationsrate) auszugleichen plus<br />

den halben Wert des Produktivitätszuwachses zu umfassen. Ihr<br />

bezüglich gilt es zwar auch in der Hinterdreinsicht allen Verklärungen<br />

entgegenzutreten, denn auch sie war stets eine gewerkschaftliche<br />

Integrations-Formel in die Kapitalverwertung und<br />

änderte nichts am Verteilungsverhältnis zwischen Kapital und<br />

Arbeit. (Siehe S. 6) Allerdings lieferte sie die Gewerkschaften<br />

noch nicht direkthin ans offene Messer.<br />

Neue (Primär-)Umverteilung in den KV-Runden<br />

Für eine reale Umverteilung in der Primärverteilung von Oben<br />

nach Unten bedarf es jedoch des hinter sich Lassens aller buchhalterischen<br />

Selbstbindungen. Dahingehend ist vielmehr eine<br />

grundsätzliche ideologische und gewerkschaftspolitische Wende<br />

von Nöten, sprich: sich einzig den Arbeits- und Lebensinteressen<br />

der Werktätigen verpflichtende Lohnabschlüsse deutlich<br />

über der Inflation und Zunahme der Arbeitsproduktivität. Solche<br />

sind allerdings ohne konsequenten Kampf in Mobilisierung<br />

und Einbeziehung der Beschäftigten nicht zu erringen. Auf<br />

„sozialpartnerschaftlich“ ausgetretenen Pfaden und Samtpfoten<br />

wie in Sekunden gemessenen Arbeitskonflikten lässt sich eine<br />

solche Wende im Kampf zwischen Arbeit und Kapital um den<br />

entsprechenden Anteil am durch unsere Hände geschaffenen<br />

gesellschaftlichen Reichtum aber nicht bewerkstelligen.<br />

<strong>KOMpass</strong> 7


BOJEN RICHTIG SETZEN!<br />

ZUR AKTUELLEN ARBEITSZEITVERKÜRZUNGS-<br />

DEBATTE<br />

Nach Jahrzehnten des gesetzlich-allgemeinen Arbeitszeitverkürzungsstillstands,<br />

einer kontinuierlich absackenden Lohnquote und des Reallohnverlusts,<br />

des zunehmenden Arbeitsdrucks, sowie einer explodierenden<br />

Arbeitslosigkeit bedarf es dringendst einer radikalen Arbeitszeitverkürzung<br />

und gesellschaftlichen Umverteilung auf alle im Land!<br />

Soll die unlängst gestartete und an sich begrüßenswerte GPAdjp-Kampagne<br />

„Kürzer arbeiten <strong>–</strong> leichter leben. Die Arbeitszeit<br />

neu verteilen“ realiter aber nicht schon im Ansatz versanden,<br />

gar die Bojen falsch setzen, gilt es den Kampf um eine<br />

weitreichende Arbeitszeitverkürzung auch konsequent und<br />

zielgerichtet aufzunehmen. Denn durchsetzen lassen wird sie<br />

sich nur in kollektiver Mobilisierung und kämpferischem, zähem<br />

Ringen wie unter tragfähiger strategischer Perspektive.<br />

Das Mandat dafür haben GPA-djp und ÖGB, wie eine aktuelle<br />

IFES-Befragung unter Beweis stellt, durch die Beschäftigten<br />

bereits erhalten. Dieses wieder „sozialpartner“schaftlich aus<br />

der Hand zu geben, wäre ein fataler Schritt <strong>–</strong> und eine gänzlich<br />

falsche Option.<br />

Klare 2/3-Mehrheit für Arbeitszeitverkürzung<br />

Das sehen auch die Beschäftigten im Land so <strong>–</strong> wie die angesprochene<br />

IFES-Befragung mit einer glatten 2/3-Mehrheit für<br />

eine allgemeine und flächendeckende Arbeitszeitverkürzung<br />

eindringlich zeigt. Ein deutliches Votum der Beschäftigten,<br />

sich die ökonomische Produktivitätssteigerung der zurückliegenden<br />

Jahrzehnte über kräftigere Löhne hinaus auch in Form<br />

von mehr freier Zeit aneignen zu wollen. Sprich: in Form des<br />

Gewinns an Freizeit und Eigenzeit fürs Private, für Muße, Genuss<br />

und Selbstentfaltung.<br />

Ein Votum, das zugleich als Auftrag an die Gewerkschaften<br />

verstanden werden muss. Ein Auftrag jedoch, dem man sich<br />

nicht mit defensiven Selbstbeschränkungen entschlagen wird<br />

können. Sei es, dass man sich wie maßgebliche KV-Verhandlungsführer<br />

vornehmlich darauf kapriziert, in pragmatischer<br />

Option eine Stück weit der Wiederheranführung der Real- an<br />

die gesetzliche Arbeitszeit in Angriff nehmen zu wollen. Bzw.<br />

anstelle des konsequenten Kampfes um eine allgemeine und flächendeckende<br />

Arbeitszeitverkürzung, den ebenso zwieschlächtigen<br />

wie zudem nur für bestimmte Branchen und Einkommenssegmente<br />

stehenden „Ausweg“ des Abtausches mehr<br />

freier Zeit gegen Lohnerhöhungen (sog. „Freizeitoption“) einzuschlagen.<br />

Ein Kontra und eine Entgegenstellung zweier Hand<br />

in Hand gehender Grundinteressen der Werktätigen, die nicht<br />

nur die Zerstückelung und Entgegensetzung zweier einheitlicher<br />

Bestimmungsstücke des gewerkschaftlichen Kampfes bedeuten,<br />

sondern mit den mit ihr einhergehenden individuellen<br />

Entscheidungen: Geld<br />

versus Freizeit, auch<br />

dazu tendiert, die Belegschaften<br />

zunehmend<br />

massiver in zwei<br />

Lager zu spalten. Ein<br />

Abtausch, der zudem<br />

schon rein rechtlich nur<br />

in bestimmten Branchen möglich ist, weil er eine Überzahlung<br />

über den KV voraussetzt, da man andernfalls im Abtauschfall<br />

unter den KV-Mindestlohn/-gehalt fiele, was in heimischen<br />

Gefilden zurecht unzulässig ist. Aber nicht nur rechtlich, auch<br />

faktisch setzt die „Freizeitoption“ zumindest mittlere Durchschnittsgehälter<br />

voraus, um es sich überhaupt leisten zu können<br />

als Option gewählt werden zu können.<br />

Das Votum der Beschäftigten aufgreifen!<br />

Was dem gegenüber ansteht, ist so denn auch vielmehr eine<br />

kollektive und klassenvereinheitlichende Orientierung auf den<br />

Kampf um eine weitreichende (gesetzliche) umfassende und<br />

generelle Arbeitszeitverkürzung für alle bei vollem Lohnausgleich!<br />

Eine solche durch ein Zurück hinter die seit über drei<br />

Jahrzehnten geforderte 35-Stunden-Woche auf eine gesetzliche<br />

Normalarbeitszeit von 38,5 Stunden zu unterlaufen, wie nunmehr<br />

seitens der GPA-djp propagiert, führt jedoch auf einen<br />

Holzweg. Soweit die 38,5-Stunden in verschiedentlichen Branchen<br />

nicht schon durchgesetzt werden konnte, zöge eine derart<br />

marginal veranschlagte Arbeitszeitverkürzung um 1,5 Stunden<br />

die Woche in Form einer leicht zu bewerkstelligenden Kompensation<br />

seitens der Unternehmer vor allem eine weitere Arbeitsverdichtung<br />

nach sich. Die tatsächliche Auseinandersetzung um<br />

die 35-Stunden-Woche nach Jahren ihres stillen Dahinvegetierens<br />

in ÖGB-Schubladen jetzt den einzelnen Kollektivvertragsauseinandersetzungen<br />

überwälzen zu wollen, heißt die Zeichen<br />

der Zeit zu verkennen und das quer durch alle Branchen und<br />

wirtschaftlichen Sektoren ausgesprochen bekommen habende<br />

Mandat der Arbeitenden abzuwiegeln.<br />

Für die längst überfällige Durchsetzung der von ÖGB und<br />

AK schon seit Jahrzehnten geforderten 35-Stunden-Woche<br />

bei vollem Lohn- und Personalausgleich sowie begleiten<br />

der Arbeitszeitregelungen!<br />

8 <strong>KOMpass</strong>


Für eine weitreichende Arbeitszeitverkürzung auf eine allgemeine und flächendeckende 30-Stunden-Woche!<br />

Für wirksame Maßnahmen zum Abbau der chronischen Überstunden!<br />

Keine Abänderungen mehr des Arbeitszeitgesetzes, Arbeitsruhegesetzes und diverse Spezialgesetze durch Kollektivverträge<br />

und Betriebsvereinbarungen zum Nachteil der Beschäftigten! Rücknahme sämtlicher diesbezüglicher Ausnahmen aus der<br />

Ära Schwarz-Blau!<br />

Für eine flächendeckende Einführung der 6. Urlaubswoche für alle unselbständig Beschäftigten!<br />

Zurück zum Ringen um eine (gesetzliche) umfassende und generelle Arbeitszeitverkürzung, anstatt des Abtausches gegen<br />

Lohnerhöhungen (so genannte „Freizeitoption“)!<br />

Offensiver und konsequenter Kampf der Gewerkschaften für eine weitreichende Arbeitszeitverkürzung!<br />

Arbeitszeitverkürzung: Es geht uns alle an!<br />

<strong>KOMpass</strong> im Gespräch mit AK-Rätin Selma Schacht<br />

und AK-Rat Can Tohumcu<br />

INTERVIEW<br />

<strong>KOMpass</strong>: Warum ist Arbeitszeitverkürzung<br />

so ein heißes<br />

Thema?<br />

Selma Schacht: Es ist ja komplett<br />

widersinnig: Während auf<br />

der einen Seite die Arbeitslosigkeit<br />

steigt und steigt, wird auf der<br />

anderen Seite der Leistungsdruck<br />

auf die Beschäftigten und die Intensivierung<br />

der Arbeit immer<br />

ärger. Die einen können gar nicht<br />

oder nur Teilzeit arbeiten, und den<br />

anderen bürdet man Millionen von<br />

Überstunden auf. Beides spiegelt<br />

die kapitalimmanente Kehrseiten ein und derselben Medaille<br />

wider. Und beidem lässt sich ohne einer weitreichenden Arbeitszeitverkürzung<br />

und gesellschaftlichen Umverteilung auf<br />

alle nicht beikommen.<br />

Can Tohumcu: Eine 35-Stunden-Woche begründet sich heute,<br />

wie die weitreichendere Arbeitszeitverkürzung auf 30<br />

Stunden, ökonomisch schon alleine aus der enormen Produktivitätssteigerung<br />

der letzten beiden Jahrzehnte <strong>–</strong> das waren<br />

von 1994 bis 2012 fast 24%! <strong>–</strong> bei einem gleichzeitigem Nettoreallohnverfall<br />

im selben Zeitraum um 0,5%. Und allein die<br />

Durchsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und<br />

Personalausgleich würde gut 130.000 <strong>–</strong> 180.000 zusätzliche<br />

Arbeitsplätze bringen, zusammen mit einem Überstundenabbau<br />

brächte es mind. 230.000 Vollzeitjobs.<br />

Welche Aspekte sind für euch darüber hinaus relevant?<br />

Can Tohumcu: Die physische und psychische Belastung<br />

durch die Arbeit nimmt immer mehr zu, immer mehr Menschen<br />

werden krank durch ihre Arbeit. Früher war klar: Der<br />

Fortschritt führt dazu, dass immer mehr Freizeit erkämpft<br />

wird und diese auch immer besser genossen werden kann,<br />

weil die Arbeit durch viele Maßnahmen einfach leichter geworden<br />

ist. Doch mittlerweile geht das alles wieder in die andere<br />

Richtung. Und vergessen darf man auch nicht, dass lange<br />

Arbeitslosigkeit genau so krank machen kann.<br />

Selma Schacht: Wir erleben auch immer wieder KollegInnen,<br />

die einfach neben ihrem Job keine Kraft mehr haben, gesellschaftlich,<br />

politisch bzw. gewerkschaftlich aktiv zu sein. Der<br />

Kampf für Arbeitszeitverkürzung ist eben auch ein Kampf<br />

dafür, mehr freie Zeit zu haben <strong>–</strong> für sich und für andere. Und<br />

das Gute daran ist auch, dass es einfach alle gleichermaßen<br />

betrifft <strong>–</strong> egal ob ArbeiterIn, Angestellte, wurscht welcher Beruf<br />

oder welche Branche. Das bedeutet, dass auch gemeinsam,<br />

Schulter an Schulter, dafür gekämpft werden kann.<br />

Was wollt ihr abschließend noch hervorheben?<br />

Can Tohumcu: Besonders wichtig ist auch, dass eine radikale<br />

Arbeitszeitverkürzung auch das Ungleichgewicht zwischen<br />

den Geschlechtern reduziert: Sie ermöglicht es Frauen, leichter<br />

aus den mannigfach erzwungenen flexiblen Arbeitszeiten<br />

und Zwangsteilzeit mit zu wenig Lohn auszubrechen, wie es<br />

zum Beispiele oft in der mobilen Pflege und Betreuung der<br />

Fall ist, während die Männer wiederum mehr Zeit hätten, um<br />

ihren Teil an Haushalt und Kinderbetreuung zu übernehmen.<br />

Selma Schacht: Der Kampf dafür darf aber nicht einem<br />

schlechten Kuhhandel <strong>–</strong> Zeit statt Lohnerhöhung <strong>–</strong> weichen,<br />

und wir müssen wachsam sein, dass durch Flexibilisierungen<br />

nicht Verschlechterungen durch die Hintertür<br />

sozial“partnerschaftlich“ eingeführt werden. Eine weitreichende<br />

Arbeitszeitverkürzung <strong>–</strong> bei vollem Lohn und Personalausgleich,<br />

das muss klar sein! <strong>–</strong> ist ebenso gesellschaftlich<br />

notwendig wie für die einzelnen Arbeitenden <strong>–</strong> und sie ist<br />

möglich, wenn die Gewerkschaften diesen Kampf endlich offensiv<br />

angehen!<br />

<strong>KOMpass</strong> 9


DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK<br />

Das zurückliegende Halbjahr stand auf EU-Ebene zweifellos im Zeichen der Auseinandersetzung der neuen<br />

Regierung Griechenlands um eine anvisierte Alternative zur herrschenden Austeritäts- und Knebelungspolitik<br />

der EU. Angetreten mit dem Versprechen, die verheerende Spar- und Kürzungspolitik zu beenden und innerhalb<br />

des Euros einen politischen Kurswechsel durchzusetzen, endete das Vorzeigeexperiment der reformistisch<br />

pro-europäischen Linken in einer offenen Kapitulation vor den Euro-Eliten, einer politischen Niederlage<br />

auf ganzer Linie und der Degradierung Griechenlands auf den Status einer innereuropäischen Halbkolonie.<br />

Hier ist freilich nicht der Ort, diesem<br />

Ergebnis im Einzelnen und seinen vielfältigen<br />

ideologischen, politischen und<br />

internationalen Kontexten nachzugehen,<br />

sondern lediglich die zentralen Wegmarken<br />

nachzuzeichnen und einige wesentliche<br />

Lehren für unsere Kampfperspektive<br />

zu ziehen.<br />

Die Ende Jänner unter ihrem charismatischen<br />

Vorsitzenden und neuen reformistisch<br />

pro-europäischen Shootingstar<br />

Alexis Tsipras gewählte Syriza trat nach<br />

Jahren der Verheerungen Griechenlands,<br />

die die gesamte Gesellschaft ökonomisch<br />

und sozial regelrecht zerstörte,<br />

an, dem ein Ende zu setzen und einen<br />

linken Kurswechsel in der EU einzuleiten.<br />

Keine weiteren Lohnkürzungen<br />

und Aufweichungen von Arbeitsrechten<br />

mehr, der abgesenkte Mindestlohn sollte<br />

wieder angehoben, die Gewerkschaftsrechte<br />

wie das Recht auf Kollektivvertragsverhandlungen<br />

wiederhergestellt<br />

werden, die Pensionskürzungen sollten<br />

beendet werden und die Erhöhung<br />

der Mehrwertsteuer ihr Ende finden.<br />

Demgegenüber sollten endlich die von<br />

den Vorgängerregierungen systematisch<br />

verschonten Reichen und griechischen<br />

Großunternehmer effektiver und<br />

höher besteuert werden. Nicht zuletzt<br />

die Reeder, die seit dem faschistischen<br />

Obristen-Putsch 1967 praktisch keine<br />

Steuern bezahlen. Zudem sollte mit der<br />

Steuerkriminalität aufgeräumt und die<br />

exorbitanten Militärausgaben des NA-<br />

TO-Frontstaats beschnitten werden. Die<br />

Angelpunkte gegen das „fiskalische Waterboarding“<br />

wiederum bildeten die Forderung<br />

nach einem Schuldenschnitt sowie<br />

die Koppelung der Kredit-Tilgungen<br />

und Zinszahlungen an das Wirtschaftswachstum.<br />

Vom „Hoffnungs-Projekt“ zur<br />

Kapitulation<br />

Mit Regierungsantritt entfaltete das neue<br />

griechische Kabinett dann eine geradezu<br />

hektische Reisetätigkeit wie einen einsetzenden<br />

Verhandlungsmarathon mit den<br />

EU-Mächtigen in Brüssel, Berlin und<br />

Paris, den Finanzministern und Regierungschefs<br />

der Euro-Gruppe sowie den<br />

maßgeblichen Figuren der kosmetisch<br />

in „Institutionen“ unbenannten „Troika“<br />

aus EU-Kommission, Europäischer<br />

Zentralbank (EZB) und Internationalem<br />

Währungsfond (IWF). Auf weiter Flur<br />

isoliert, geriet der versprochene Kurswechsel<br />

jedoch zusehends in die Defensive.<br />

Das sog. Thessaloniki-Programm von<br />

September 2014, welches durchzusetzen<br />

das zentrale Wahlversprechen Syrizas<br />

bildete, wurde daraufhin eingemottet<br />

und durch eine Politik der Verteidigung<br />

sog. unüberschreitbarer „roter Linien“<br />

ersetzt. Mit ihrem am 22. Juni unterbreiteten<br />

Verhandlungs-Vorschlag, der neben<br />

Mehrwertsteuererhöhungen, höhere<br />

Pensions- und Krankenversicherungsbeiträge,<br />

weniger Frühpensionierungen,<br />

mehr Privatisierungen…. vorsah, wurden<br />

schließlich auch noch diese „rote Linien“<br />

übersprungen und seitens der Syriza-<br />

Spitze offen die Waffen gestreckt.<br />

„Grabstein für Griechenland“<br />

Als aber selbst diese Kapitulation unter<br />

Federführung des deutschen Finanzministers<br />

und EU-Zuchtmeisters Wolfgang<br />

Schäuble noch in Form eines unverbrämten<br />

Gegen-Ultimatums zurückgewiesen<br />

wurde, wurde vollends klar, dass die<br />

maßgeblichen Kräfte der EU-Eliten auf<br />

einen unverhohlenen Staatsstreich orientierten.<br />

Die Athener Regierung setzte<br />

daraufhin bekanntlich ein Referendum<br />

an, um sich einerseits den Rücken zu<br />

stärken und anderseits die Spaltung der<br />

Partei angesichts des selbst unterbreiteten<br />

„Grabsteins für Griechenland“, wie ein<br />

Syriza-Abgeordneter den eigenen Verhandlungs-Vorschlag<br />

unverblümt nannte,<br />

zu verhindern. Wie immer man zu diesem<br />

in vielerlei Hinsicht umstrittenen<br />

Referendum im Einzelnen auch stehen<br />

mag, für die Euro-Eliten kam alleine der<br />

Umstand, die Bevölkerung in Angelegenheiten<br />

der Hochfinanz (mit-) entscheiden<br />

lassen zu wollen, einem unverzeihlichen<br />

Tabubruch gleich. Ein Affront, den die<br />

EZB umgehend dahin beantwortete, zur<br />

finanzpolitischen „nuklearen Option“<br />

(so die US-Bank JP-Morgan) zu greifen<br />

und Griechenlands Banken die Liquidität<br />

zu entziehen. Das überwältigende<br />

„Oxi“, dem Nein von 61% der Griechen<br />

zum Brüsseler Spardiktat, konnte aber<br />

auch die erzwungene Bankenschließung<br />

nicht verhindern. Nimmt man die Abertausenden,<br />

mit regierungsunabhängigen<br />

eigenen Stimmzetteln sowohl gegen das<br />

Brüsseler Diktat wie gegen das Syriza-<br />

Kapitulationsangebot votierenden Stimmen<br />

hinzu, dürften es sogar über 70%<br />

gewesen sein, die den Euro-Eliten eine<br />

Absage erteilten.<br />

Vom „Oxi“ zum offenen Debakel<br />

Nach kurzem Jubel über den Referendums-Ausgang<br />

trat Tsipras allerdings<br />

keine 24 Stunden später seinen Canossa-<br />

Gang an. Der vermeintliche Rückenwind<br />

des Votums entlockte den kapitalistischen<br />

Eliten der EU und Berlins nicht<br />

einmal ein müdes Lächeln. Die griechische<br />

Regierung knickte daraufhin zusammen<br />

mit dem Parlament endgültig<br />

ein und unterzeichnete nur eine Woche<br />

nach dem „Oxi“ für ein drittes „Hilfspaket“<br />

und um im Euro zu verbleiben die<br />

bedingungslose Kapitulation. EU, EZB<br />

und IWF übernahmen die Macht im<br />

Land. Griechenland verpflichtete sich,<br />

das volle Gläubiger-Programm umzusetzen.<br />

Mit der Übertragung „griechischen<br />

Staatsvermögens“ im Wert von 50 Mrd.<br />

Euro an eine „unabhängigen Privati-<br />

10 <strong>KOMpass</strong>


Großdemonstration des griechischen<br />

Gewerkschaftsverbands PAME<br />

(Kämpferische Arbeiterfront)<br />

sierungs-Fonds“ unter Aufsicht der EU<br />

kommt das Land (trotz gewisser Herunterschraubungen<br />

der erwarteten Erlöse<br />

und Auflagen) regelrecht unter den Hammer.<br />

Die Filetstücke Hellas‘, von den Häfen<br />

über den Energiesektor, werden dem<br />

Totalausverkauf des Landes zu Schleuderpreisen<br />

anheimfallen. Die staatlichen<br />

Apparate bis hin zur Gesetzgebung und<br />

Budget“autonomie“ stehen wieder unter<br />

Troika-Kontrolle, womit Griechenland<br />

allenfalls noch auf dem Papier souverän<br />

ist. Alle wesentlichen Entscheidungen<br />

müssen zuvor von der Troika abgenickt<br />

werden, bevor sie dem gewählten griechischen<br />

Parlament überhaupt vorgelegt<br />

werden. Daran ändern auch einzelne<br />

Farbtupfer wie die Zuführung eines<br />

Viertels der Privatisierungserlöse für<br />

Investitionen oder die realisierbarere<br />

Erschließung bisher brachliegender Investitionsmittel<br />

aus dem EU-Kohäsionsfonds<br />

nichts. Die erneut aufgebürdeten<br />

Belastungen, Massensteuererhöhungen,<br />

Abschaffung sozialer Sicherheits- und<br />

Arbeitsrechte und Lohn- und Pensionskürzungen<br />

<strong>–</strong> von Tsipras (dem zugleich<br />

Spitzenkandidaten der „EU-Linkspartei“<br />

bei der EU-Parlamentswahl 2014) in Koalition<br />

mit den im Jänner für ihre Politik<br />

abgestraften und abgewählten vormaligen<br />

Regierungsparteien parlamentarisch<br />

durchgewunken <strong>–</strong> verschlimmern die<br />

dramatische Arbeits- und Lebenssituation<br />

der Massen in nochmals drastischem<br />

Ausmaß. Aber wie kam es dahin?<br />

Lehren für eine tragfähige Kampfperspektive<br />

1. Die Illusion, der Machtstruktur<br />

des Euro-Projekts<br />

allein auf Boden der besseren<br />

ökonomischen Argumente begegnen<br />

zu wollen, ist an den<br />

Klasseninteressen der herrschenden<br />

ökonomischen und<br />

politischen Eliten EU-Europas<br />

wie eine Seifenblase zerborsten.<br />

Dahingehend half auch<br />

das Beispringen so prominenter<br />

Ökonomen wie der beiden US-<br />

Nobelpreisträger Joseph Stieglitz<br />

und Paul Krugman oder des<br />

ehemaligen Chef-Volkswirten<br />

der UNCTAD Heiner Flassbeck<br />

nichts. Selbes gilt auch für den<br />

hartnäckigen Glauben sich mit dem<br />

politischen Personal des internationalen<br />

Kapitals irgendwie auf Augenhöhe zu<br />

wähnen und zu glauben, in „harten Verhandlungen“<br />

an den durch sie vertretenen<br />

Kapitalinteressen und Machtstrukturen<br />

rühren zu können.<br />

2. Ohne massive außerparlamentarische<br />

soziale Massenbewegungen und gewerkschaftliche<br />

Kämpfe, dem konsequenten<br />

Druck und Einfluss von Unten seitens<br />

der Arbeitenden, breiten Massen und<br />

Bedürftigen lässt sich kein Politikwechsel<br />

bewerkstelligen. Geschweige denn,<br />

die existierenden Klassenkräfteverhältnisse<br />

substanziell verschieben. Die konzeptionelle<br />

Anlage Syrizas, gestützt auf<br />

Mandate des richtigen Kreuzes an der<br />

Wahlurne oder in einem Referendum in<br />

Stellvertretung der Arbeitenden und von<br />

Massenbewegungen einen Ausweg zu<br />

eröffnen versuchen, erwies sich so denn<br />

auch in diesem Punkt nicht trag- und<br />

durchsetzungsfähig. Abgesehen von einigen<br />

wenigen Kundgebungen rund um<br />

die Wahlen und außerparlamentarischen<br />

Mobilisierungen im Vorfeld des Referendums,<br />

ging das Ringen nicht mit großen<br />

gesellschaftlichen Mobilisierungen<br />

einher. Ein strategischer Paternalismus,<br />

den Tsipras in vielen seiner Reden immer<br />

wieder bestärkte. Eine Politik, die ihren<br />

internationalen Ausdruck darin fand,<br />

dass die immense Reisetätigkeit des Syriza-Führungsduos<br />

dieses zwar Woche<br />

für Woche in die Hauptstädte Europas<br />

brachte, sich in einem fort die Türklinken<br />

mit den Vertretern der „Institutionen“ in<br />

die Hand gebend, es aber gleichzeitig jeden<br />

ernsthaften Konsultationen mit den<br />

europäischen Gewerkschaftsvertretern<br />

ermangelte.<br />

<strong>3.</strong> Schon in ihrer ursprünglichen Anlage<br />

verfehlt, Griechenland auf Gedeih und<br />

Verderb im Rahmen der Eurozone einen<br />

Ausweg weisen zu wollen, hätte es für<br />

einen wirklichen Ausbruch des Landes<br />

aus seiner Zwickmühle zumindest einen<br />

Plan B geben müssen. Einen Plan B des<br />

Bruchs des Landes mit der EU und des<br />

Ausstiegs aus dem Euro. Einen solchen<br />

hatte die Syriza-Führung hinter Tsipras<br />

in Verkennung der herrschenden ökonomischen<br />

und politischen Lage, taktischen<br />

Fehleinschätzungen und dem Mantra des<br />

Traums von einem demokratischen und<br />

sozialen EU-Europa wie einer neuen solidarischen<br />

Euro-Architektur aber nie auch<br />

nur erwogen. „Dies beließ ihn“ nicht nur,<br />

wie US-Ökonom und Nobelpreisträger<br />

Paul Krugman zurecht bemerkte, „in<br />

einer hoffnungslosen Verhandlungsposition“.<br />

Denn die Falken der Euro-Eliten<br />

hatten mit dem Vorschlag Wolfgang<br />

Schäubles eines vorübergehenden „Grexits“<br />

demgegenüber einen manifesten<br />

Plan B in der Hinterhand. Es versperrte<br />

den Griechen vielmehr selbst noch als die<br />

Entwicklungen aller Welt immer drastischer<br />

vor Augen führten, dass im gegebenen<br />

EU-Zusammenhang und Machtgefüge<br />

keine sozialen und demokratischen<br />

Reformspielräume mehr existieren, die<br />

Möglichkeit das Ruder nochmals herumzureißen<br />

und einen sozialen und demokratischen<br />

Ausbruch jenseits des Berliner<br />

und Brüsseler Consensus’ zu wagen.<br />

„Wo die Logik der Klassenzusammenarbeit sowie die unternehmer- und regierungstreuen<br />

Gewerkschaften vorherrscht“ bzw. politische Kräfte und Gewerkschaften sich<br />

Träumereien einer „harten Herbeiverhandlung“ einer neuen solidarischen EU und Eurozone<br />

verschreiben, so die PAME, verwandeln sich die Gewerkschaften zu bürokratischen<br />

Stützen im Systemzusammenhang. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB)<br />

hat das über die griechischen Werktätigen, Arbeitslosen, PensionstInnen und Familien<br />

verhängte Los als tragbaren Kompromiss charakterisiert.<br />

<strong>KOMpass</strong> <strong>11</strong>


HELP KOBANÊ! Nach der großen Zerstörung der westkurdischen Stadt Kobanê durch die IS <strong>–</strong> Terroristen braucht sie<br />

jede auch so kleine Hilfe. Der Wiederstand gegen die Fundamentalisten hat viel Leid und Opfer gefordert. Viele Häuser und Straßen in<br />

Kobanê liegen in Schutt und Asche. Viele Schulen und Krankenhäuser sind zerstört. Die Infrastruktur liegt brach. Die Zivilisten in Kobanê<br />

leben unter schweren Bedingungen. Seien Sie auch ein Baustein auf dem Weg zum Wideraufbau der Stadt aus den Trümmern.<br />

Jede Spende hilft das Leben in Kobanê wieder möglich zu machen. Die ehemaligen Bewohner der Stadt, die noch auf der Flucht sind<br />

möchten so schnell, wie möglich wieder in ihre Stadt zurück. Hierfür sind sie dringend auf Ihre Unterstützung angewiesen.<br />

Unterstützen Sie uns mit Ihrer Spende <strong>–</strong> jeder Euro hilft Menschen in Not <strong>–</strong> in Kobanê und in Westkurdistan!<br />

BANK: Bank Austria, IBAN: AT74 1200 0100 1348 0628, BIC: BKAUATWW<br />

Verwendungszweck: „Wiederaufbau Kobanê“<br />

Help Kobanê <strong>–</strong> Humanitäre Hilfsorganisation für Kobanê in Österreich, Kontakt: www.helpkobane.at<br />

UNRECHT GEGEN FLÜCHTLINGE<br />

Die imperialistischen Staaten der EU und<br />

Nordamerikas konkurrieren weltweit um<br />

Einflusssphären, Rohstoffe, Ressourcen,<br />

Marktanteile und Transportwege. Dabei<br />

schrecken sie vor wenig zurück: Sie unterstützen<br />

autoritäre Herrscher und Warlords,<br />

liefern ihnen Waffen, Geld und<br />

Know-how, sie inszenieren „Bürgerkriege“<br />

und starten selbst Interventionen,<br />

Okkupationen und Militäreinsätze. Die<br />

Menschen der betroffenen Länder und<br />

Regionen fliehen vor Krieg, Unterdrückung,<br />

Terror und Verfolgung, deren Ursachen<br />

aufgrund der Interessen der EU<br />

und USA entstehen. Imperialismus und<br />

Neokolonialismus sind ein wesentlicher<br />

Fluchtgrund v.a. in Afrika und Asien.<br />

Und zweifellos fallen diese Flüchtlinge<br />

unter die Bestimmungen der Genfer<br />

Flüchtlingskonvention (GFK) <strong>–</strong> doch diese<br />

ist in Österreich und der EU de facto<br />

außer Kraft gesetzt.<br />

Der andere Hauptgrund <strong>–</strong> beide sind oft<br />

verknüpft <strong>–</strong> für Flucht ist ein Ergebnis<br />

des globalen Kapitalismus: Die Arbeitskräfte<br />

großer Teile Afrikas und Asiens<br />

sind aus Sicht der großen Konzerne nicht<br />

ausreichend verwertbar. Die betroffenen<br />

Länder werden zu reinen Lieferanten<br />

von Rohstoffen und landwirtschaftlichen<br />

Grundprodukten degradiert. Es geht nur<br />

um die billigste und massenhafte Förderung<br />

von Öl und Mineralien sowie um die<br />

Bereitstellung von Agrar- sowie Fischereiprodukten<br />

für Europa. Demgegenüber<br />

wird eine ausreichende Produktion für<br />

einheimische Bedürfnisse verunmöglicht,<br />

ebenso die Schaffung nachhaltiger<br />

Arbeitsplätze. In Europa werden die<br />

Menschen, die vor Elend und Hungertod,<br />

vor Krankheiten und Umweltzerstörung<br />

fliehen, als „Wirtschaftsflüchtlinge“ delegitimiert.<br />

Doch es sind der Entzug der<br />

Lebensgrundlage, die Ausbeutung und<br />

Ruinierung ihrer Länder durch den europäischen<br />

Kapitalismus, der sie fliehen<br />

lässt. Auch mit dieser Verantwortung<br />

ist umzugehen, selbst wenn keine Asylgründe<br />

im Sinne der GFK vorliegen.<br />

Es sind dieselben imperialistischen Staaten<br />

der kapitalistischen Zentren, die<br />

Krieg, Elend und Hunger in der Welt<br />

verbreiten, die den Menschen die Flucht<br />

davor verwehren, die sich abschotten <strong>–</strong><br />

auch um den Preis tausender Toter an<br />

den EU-Außengrenzen bzw. im Mittelmeer<br />

(und von wesentlich mehr in den<br />

betroffenen Ländern). Fluchtursachen<br />

nachhaltig zu beseitigen, bedeutet letztlich<br />

Überwindung des imperialistischen<br />

und kapitalistischen Systems. Bis dahin<br />

stehen jedoch die europäischen Verursacher<br />

in der Pflicht, sichere Fluchtmöglichkeiten<br />

zu schaffen, möglichst viele<br />

Flüchtlinge aufzunehmen und diese<br />

menschenwürdig unterzubringen und zu<br />

behandeln. Doch wir sehen tagtäglich,<br />

dass die Regierungen der imperialistischen<br />

Staaten <strong>–</strong> egal, ob „sozialdemokratisch“,<br />

„christlich“-konservativ, rechtsnationalistisch<br />

oder sogar mit grünem<br />

Einschlag <strong>–</strong> kein Interesse an Menschenrechten<br />

oder auch nur am reinen Überleben<br />

von afrikanischen und asiatischen<br />

Flüchtlingen haben. Denn der imperialistische<br />

Kapitalismus agiert in Europa<br />

genauso wie in den Herkunftsländern<br />

der Flüchtlinge <strong>–</strong> menschenverachtend<br />

und menschenfeindlich.


BLACKROCK<br />

DER KÖNIG DER WALLSTREET<br />

Diese Firma mit Sitz in New York ist der größte Vermögensverwalter der Welt. Direkt verwaltet<br />

sie ca. 5.000 Mrd. USD, indirekt noch mal ca. 14.000 Mrd. USD! Sie kontrolliert alle<br />

großen Firmen der Welt. Banken, Versicherungen, IT-Firmen, Rüstungsbetriebe, was auch<br />

immer. Ihr gehört auch ein Anteil an der Rating-Agentur Standard & Poor´s. Praktisch, wenn<br />

S & P die Firmen beurteilt, die ihr Miteigentümer BlackRock gerade kauft, oder verkauft.<br />

Im deutschen Aktienindex DAX sind die 30 größten Aktiengesellschaften<br />

Deutschlands zusammengefasst. An 28<br />

davon ist BlackRock beteiligt, an 9 sogar größter Aktionär<br />

(Eon, Deutsche Bank, Allianz, Lufthansa etc.).<br />

Der Chef von BlackRock ist Larry Fink. Auf ihn hören alle <strong>–</strong> Finanzminister,<br />

Notenbanker, große Banken & Versicherungen <strong>–</strong><br />

mit ihm geht alles, ohne ihn geht nichts <strong>–</strong> um es einfach zu sagen.<br />

Begonnen hat die Firma mit dem „Verbriefen von Hypotheken“.<br />

Das waren jene „toxischen US-Immobilienpapiere“, die ab<br />

2007 zur Finanzkrise in den USA geführt haben. In der Folge<br />

gingen in den USA viele Banken pleite. Um sie abwickeln zu<br />

können, mussten die Konkursrichter deren Kredite verkaufen.<br />

Dazu musste man aber erst mal wissen, wie viel denn diese<br />

noch wert sind. Diese Bewertung erledigte BlackRock im Auftrag<br />

der Regierung <strong>–</strong> ohne Ausschreibung. Dafür kauften sie<br />

nachher auch einen Großteil der Papiere auf. Die wussten ja,<br />

was die wert waren.<br />

Wundert es jetzt, dass die auch in Griechenland mitmischen?<br />

Es ist ziemlich sicher, dass BlackRock alles bewerten wird,<br />

was im Privatisierungsfonds ist, und irgend einer von den<br />

20.000 Fonds, die sie verwalten, oder den tausenden Firmen,<br />

an denen sie beteiligt sind, wird kaufen. Die Wunderwaffe von<br />

BlackRock ist „Aladdin“ - ein EDV-Programm zur Risikobewertung.<br />

Das Programm beantwortet die Frage: was passiert,<br />

wenn ein ökonomisches Ereignis eintritt? Welche Investitionsentscheidung<br />

hat welche Folgen? Mehr als 70 der größten Finanzunternehmen<br />

der Welt arbeiten mit „Aladdin“. Gewartet<br />

und aktualisiert wird es von BlackRock. Dies ist de facto ein<br />

Informationsmonopol. Dies alles ist komplett legal. Niemand<br />

verstößt gegen Gesetze. Das ist der real existierende Kapitalismus<br />

<strong>–</strong> wie kindisch und naiv sind da Verschwörungstheorien!<br />

„Die freie Wirtschaft“<br />

Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.<br />

Ihr sollt auf Euren Direktor vertrauen.<br />

Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.<br />

Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.<br />

Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein.<br />

Wir wollen freie Wirtschaftler sein!<br />

Wir diktieren die Preise und die Verträge -<br />

kein Schutzgesetz sei uns im Wege.<br />

Ihr braucht keine Heime für Eure Lungen,<br />

keine Renten und keine Versicherungen.<br />

Ihr solltet Euch allesamt was schämen,<br />

von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!<br />

Ihr sollt nicht mehr zusammenstehen -<br />

Wollt Ihr wohl auseinandergehen!<br />

Ihr sagt: Die Wirtschaft müsse bestehen.<br />

Eine schöne Wirtschaft! Für wen? Für wen?<br />

Das laufende Band, das sich weiterschiebt,<br />

liefert Waren für Kunden, die es nicht gibt.<br />

Ihr habt durch Entlassung und Lohnabzug sacht<br />

Eure eigene Kundschaft kaputtgemacht.<br />

Denn Deutschland [und Europa] besteht -<br />

Millionäre sind selten -<br />

aus Arbeitern und aus Angestellten!<br />

Und Eure Bilanz zeigt mit einem Male<br />

einen Saldo mortale.<br />

Während Millionen stempeln gehen.<br />

Die wissen, für wen!<br />

Kurt Tucholsky, 1930<br />

<strong>KOMpass</strong> 13


HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT!<br />

Am 15. April <strong>2015</strong> wurden in Deutschland in offener Komplizenschaft mit dem autoritärmilitaristischen<br />

AKP-Regime der Türkei durch Spezialeinheit der Polizei Räumlichkeiten<br />

der ATIK (Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei) gestürmt und 7 führende<br />

Mitglieder inhaftiert.<br />

Diese international<br />

organisierte<br />

Polit-Razzia setzte<br />

sich dann in<br />

einer zweiten Verhaftungswelle<br />

in<br />

Griechenland, der Schweiz und Frankreich fort.<br />

Eine europaweit akkordierte Repression, in deren<br />

Zuge auch zahlreiche Datenträger beschlagnahmt<br />

und Privatwohnungen durchsucht und<br />

verwüstet wurden und insgesamt 12 AktivistInnen<br />

der ATIK in Isolationshaft gesteckt wurden.<br />

Darunter auch Musa Demir, Gründungsmitglied<br />

der ATIGF (Föderation der ArbeiterInnen aus<br />

der Türkei in Österreich), jahrzehntelanger antifaschistischer<br />

und linker Aktivist im Land, wie<br />

aktiver Unterstützer KOMinterns.<br />

Ihnen soll wegen angeblicher „Rädelsführerschaft“<br />

in einer „terroristischen Vereinigung“ der<br />

Prozess gemacht werden. Angeklagt nach § 129<br />

a & b, eines Paragraphen der schon für das Verbot<br />

anderer linker politischer Zusammenhänge in<br />

Deutschland Pate stand, gibt es bis dato auch so<br />

gut wie keinen Kontakt zu den Inhaftierten.<br />

Die als Organisation von MigrantInnen aus der<br />

Türkei auf Mitte der 1970er Jahre zurückreichende<br />

ATIK, in Österreich seit 1986 als ATIGF<br />

tätig und politisch wirksam, ist allerdings weder<br />

neu, noch irgendwo irgendwie ungesetzlich,<br />

sondern eine seit über einem Vierteljahrhundert<br />

agierende und etablierte Föderation. Ein für die<br />

Rechte von MigrantInnen, gegen Rassismus und<br />

Fremdenfeindlichkeit und für ArbeiterInnenund<br />

Frauenrechte aktiver politischer Zusammenhang,<br />

in gleichzeitigem, unnachgiebigem<br />

Eintreten für Völkerfreundschaft und internationale<br />

Solidarität.<br />

Als solcher ist die ATIGF bzw. sind engagierte<br />

AktivistInnen und GewerkschafterInnen ihres<br />

Hintergrunds denn auch MitbegründerInnen<br />

und eine der tragenden Kräfte KOMinterns für<br />

eine neue, internationalistisch-kämpferische<br />

Perspektive von Unten.<br />

Die Verhaftung der Mitglieder der ATIK ist<br />

denn auch vielmehr ein weiterer Mosaikstein<br />

der unverhohlenen Kumpanei der Deutschen<br />

Regierung und europäischen Regierungen mit<br />

dem immer mehr im Stile eines Putschmilitärs<br />

regierenden AKP-Regimes in der Türkei, und<br />

dessen entfesselte Repressions- und Gewaltwellen<br />

gegen fortschrittliche und demokratische<br />

Kräfte wie konsequente Linke inner- und außerhalb<br />

der Türkei.<br />

Kurz nach der staatsübergreifend akkordierten<br />

Inhaftierung der ATIK-AktivistInnen in Westeuropa<br />

stürmten hunderte Polizisten und Spezialkräfte<br />

der Anti-Terroreinheiten in Istanbul die<br />

Vereinsräume wie Wohnungen der DHF (Demokratik<br />

Haklar Federasyonu) und nahmen unter<br />

dem Vorwand, dass sie am 1. Mai und Berkin<br />

Elvan-Demonstrationen teilgenommen haben,<br />

an die zwei Dutzend Mitglieder der, mit uns im<br />

Land als ADHF (Föderation für demokratische<br />

Rechte in Österreich) gleichfalls Seite an Seite<br />

im gemeinsamen Kampf um eine progressive<br />

Veränderung der hiesigen Verhältnisse stehenden,<br />

DHF in Haft.<br />

Am 20.7., zum dritten Jahrestag der als „Rojava-Revolution“<br />

gefeierten Bildung der Selbstverwaltungsgebiete,<br />

kam es in Suruç dann zum<br />

heimtückischen, blutigen Bombenanschlag<br />

auf den sozialistischen Jungendverband SGDF<br />

(Föderation der sozialistischen Jugendvereine),<br />

dem 32 junge SozialistInnen zum Opfer fielen.<br />

Ein Bombenattentat, das sich ganz gezielt gegen<br />

die mehreren hundert jungen AktivistInnen<br />

richtete, die sich gerade zu einer Pressekonferenz<br />

versammelt hatten, in deren Anschluss<br />

sie als Solidaritätsbrigaden zum Wiederaufbau<br />

der nach monatelangem erbitterten Kampf zum<br />

Symbol des Selbstbestimmungskampfes wie<br />

Widerstands gegen den IS-Terror aufgestiegenen<br />

Stadt aufbrechen wollten. Eine aktive Wiederaufbausolidarität,<br />

die allerdings nicht nur die<br />

Mörderbanden des IS in Blut ertränken wollten.<br />

Der heimtückische Selbstmordanschlag reiht<br />

sich gleichzeitig in das dreckige Zusammenspiel<br />

des Erdoğan-Regimes mit dem IS ein, welches<br />

die Wochen und Tage davor durch staatliche<br />

Repressionen und mediale Hetze mehrfach versucht<br />

hatte, die Solidaritätsarbeit mit Rojava mit<br />

allen Mitteln zu be- und verhindern.<br />

In einer, geradewegs gegen den Strich gebürsteten,<br />

Perfidität nahm die AKP-geführte Übergangsregierung<br />

das Attentat jedoch auch noch<br />

zum Vorwand, um einen offenen Krieg für seinen<br />

Machterhalt zu entfesseln und den Ausnahmezustand<br />

über das Land zu verhängen. Dem<br />

immer stärkeren Bröckeln des gesellschaftlichen<br />

Rückhalts des immer drakonischer agierenden<br />

Regimes, dessen erklärtem Ziel ein „türkisches<br />

Präsidialsystem“ installieren zu wollen mit dem<br />

parlamentarischen Einzug der HDP (Demokratische<br />

Partei der Völker) bei den Juni-Wahlen<br />

und gleichzeitiger Wahlschlappe der AKP eine<br />

Abfuhr erteilt wurde, soll mit einer offen verkündeten<br />

„anderen Periode“ mit aller zur Verfügung<br />

stehenden Macht Einhalt geboten werden.<br />

In einer seitens des Regimes nochmals gesteigerten<br />

Repressions- und Gewaltwelle wurden<br />

seither über 1.200 HDP-AktivistInnen, DemokratInnen<br />

unterschiedlichsten Couleur, AlevitInnen,<br />

revolutionäre Linke, GewerkschafterInnen<br />

und KCK-PKK-AktivistInnen in verhaftet.<br />

In eins damit hat das Regime mit der Bombardierung<br />

der PKK-Stützpunkte im Nordirak den<br />

Friedensprozess aufgekündigt und auch offiziell<br />

für beendet erklärt. Die Polizeieinsätze im Inneren<br />

gehen derweilen mehr und mehr in einen offenen<br />

Staatsterror über. Und mit der anvisierten<br />

„Pufferzone“ jenseits der Grenze zu Syrien verfolgt<br />

Ankara im nun direkten Kriegseinsatz eine<br />

eigenhändige militärische Okkupation Rojavas<br />

und die Zerschlagung der kurdischen Selbstverwaltungsstrukturen<br />

in Nordsyrien, deren<br />

Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts<br />

und Modell den türkischen Eliten ein derartiger<br />

Dorn im Auge ist, dass sie mit Erdoğans eigenen<br />

Worten: „wie hoch der Preis auch sein mag“<br />

unterbunden und mit Stumpf und Stil beseitigt<br />

zu werden haben. Sich ihrer zu entledigen, wie<br />

zur Neuaufteilung Syriens, gegen das der „neue<br />

Sultan von Ankara“ seit 20<strong>11</strong> einen nichterklärten<br />

Angriffskrieg führt, hat das Regime denn<br />

nun auch einen breitflächigen Krieg losgetreten.<br />

All dies mit imperialer Rückdeckung des US-<br />

Imperialismus und der erklärten „starken Solidarität“<br />

der NATO-Partner.<br />

14 <strong>KOMpass</strong>


NEIN ZUM MIETWUCHER!<br />

FÜR SOZIALEN WOHNBAU!<br />

Wohnen ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, aber<br />

die Einkommen halten mit den allen voran in den<br />

Städten wie Wien, Innsbruck oder Salzburg regelrecht<br />

explodierenden Mieten nicht mit.<br />

Es ist aber kein Naturgesetz, dass Wohnen in der Stadt immer<br />

unerschwinglicher wird. Es ist schlicht Ausdruck davon, dass<br />

Hauseigentümer, Miethaie, Immobilienfirmen, Spekulanten,<br />

Baukonzerne und Banken satte Gewinne auf unsere Kosten<br />

machen. Gerade bei alten Mietshäusern sind die Errichtungskosten<br />

schon längst wieder hereingekommen <strong>–</strong> der Eigentümer<br />

hat kaum Aufwand, aber ein gesichertes Einkommen bzw. kann<br />

er teuer an jemanden veräußern, der davon überzeugt ist, auf<br />

welchem Weg auch immer noch höhere Mieten aus den Bewohnern<br />

pressen zu können.<br />

Menschen mit (noch) günstigem Mietvertrag werden etwa in<br />

Wien immer mehr Opfer von Spekulanten: Alte Mieter werden<br />

zunehmend systematisch drangsaliert und hinausgeekelt, um<br />

zu sanieren und dann ein Vielfaches der bisherigen Miete zu<br />

verlangen. Darüber hinaus stehen rund 80.000 Wohnungen <strong>–</strong><br />

die genauen Zahlen werden bezeichnender Weise nicht ermittelt<br />

<strong>–</strong> in Wien leer. Viele davon könnten sofort als Wohnraum<br />

genutzt werden <strong>–</strong> aber es ist für manche Eigentümer profitabler,<br />

einige Wohnungen leer stehen zu lassen bzw. „aufzuwerten“,<br />

als „zu günstig“ zu vermieten.<br />

SPÖ: Leere Phrasen als Wahlkampf-Schmäh<br />

Gleichzeitig hat die Wiener SPÖ den tatsächlichen sozialen<br />

Wohnbau seit Langem unter absurden Argumenten eingestellt<br />

(es gebe ohnehin viele günstige Wohnungen, die Grundsückspreise<br />

seien zu hoch, die privaten Bauträger könnten‘s besser,<br />

es könnte mit der EU Probleme geben, ...) und durch profitorientierten<br />

Wohnbau ersetzt, an dem sie finanziell auch noch<br />

munter mitschneidet. Die nun angekündigte Errichtung einiger<br />

Hände voll neuer Gemeindewohnungen ist schon alleine<br />

angesichts des jährlichen Bevölkerungswachstums der Stadt<br />

die reinste Verhöhnung. Es wäre schön, wenn die Rathausmächtigen<br />

wirklich eingesehen hätten, dass es dringend neuer<br />

Gemeindewohnungen bedarf! Aber mehr als ein billiger Wahlkampfschmäh<br />

ist diese Ankündigung bisher nicht: Konkret<br />

geplant sind gerade einmal 120 Wohnungen <strong>–</strong> in Worten: einhundertzwanzig!<br />

Für die nächsten fünf Jahre wurden unverbindlich<br />

2.000 neue Einheiten angekündigt <strong>–</strong> Wien wächst aber<br />

pro Jahr um 20.000 Menschen, in den 60ern wurden jährlich<br />

9.000 Wohnungen von der Stadt gebaut. Auch sollen wieder<br />

gewinnorientierte Baufirmen beim Auftrag mitverdienen <strong>–</strong> immerhin<br />

sitzen dort einige gut bezahlte SPÖ-Mitglieder in den<br />

Aufsichtsräten.<br />

So fordert<br />

denn auch die<br />

PdA*Solidaritätsplattform<br />

Wien gemeinsam<br />

mit KOMintern:<br />

Einen wirklichen<br />

und ausreichenden<br />

sozialen<br />

Wohnbau!<br />

Ein solcher ist<br />

sowohl aus den<br />

staatlichen, kommunalen<br />

und öffentlichen Mitteln zu<br />

tragen, wie durch eigene (Rechts-)Träger und eigenes<br />

Personal des öffentlichen Sektors zu leisten!<br />

- Denn öffentliche Gelder dürfen weder privaten noch<br />

parteinahen Profiten dienen!<br />

- Ein derartiger kommunaler Wohnbau unterbindet aber<br />

nicht nur Privatprofite (sowie die grassierende Korruption<br />

und den allgegenwärtigen Betrug), sondern kommt auch<br />

steuerlich günstiger. Er ermöglicht darüber hinaus eine<br />

städtische Beschäftigungsoffensive, die gezielt Menschen<br />

ausbilden und einstellen kann, nicht zuletzt auch jene, die<br />

aktuell am Arbeitsmarkt nicht unterkommen!<br />

Keine Privatisierung von Gemeindewohnungen!<br />

Rücknahme der Verschärfungen bei Wohnungsvergaben!<br />

Verpflichtende Nennung leer stehender Wohnungen und<br />

Einführung einer Leerstandsabgabe!<br />

Übernahme leer stehender Spekulationsobjekte durch die<br />

Gemeinde!<br />

Für ein neues Mieterschutzgesetz mit einer strikten<br />

Obergrenze für Mieten pro m²!<br />

Schluss mit dem Zuschlagsunwesen<br />

(für Lage, Verkehrsanbindung etc.)!<br />

Anfallende Maklergebühren sind von den Vermietern zu<br />

tragen!<br />

Für die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Mieten,<br />

Betriebskosten und „warmes Wohnen“!<br />

Gegen jede Art von Ghettoisierung!<br />

Für die Überführung des Grund und Bodens in<br />

öffentliches Eigentum <strong>–</strong> als Voraussetzung sozialen<br />

Wohnbaus und dauerhaft leistbarer Mieten!<br />

<strong>KOMpass</strong> 15


KOMINTERN AKTIV!<br />

Schulter an Schulter mit tausenden AntifaschistInnen<br />

gegen PEGIDA<br />

Bei der Protestkundgebung der TrainerInnen von<br />

AMS-Kursen<br />

KOMintern-AktivistInnen aktiv auf der Demo in Linz gegen<br />

die Kürzungen im Sozialbereich<br />

Eröffnung der KOMintern-Generalversammlung <strong>2015</strong><br />

Aktiv gegen den G7-Gipfel in Elmau und die<br />

Bilderbergerkonferenz in Telfs<br />

Auf der Wiener Großdemonstration im Rahmen des<br />

weltweiten Aktionstags „TTIP-Stoppen“<br />

Internationalistischer 1. Mai in Wien<br />

Internationalistischer 1. Mai in Innsbruck<br />

Internationalistischer 1. Mai in Linz<br />

Auf der Großdemonstration zum 100. Jahrestags des<br />

Genozids an den ArmenierInnen<br />

Am 1. Mai-Fest KOMinterns: alevitisches Statement<br />

der Gruppe „Devri Alem“ gegen den IS<br />

Trauer, Wut und Solidarität anlässlich des heimtückischen<br />

Bombenanschlags in Suruç<br />

Kommunistische Gewerkschaftsinitiative <strong>–</strong> International KOMintern<br />

aktiv in Wien, Niederösterreich, Tirol, Oberösterreich und Salzburg<br />

Bundesbüro: Rankgasse 2/5, <strong>11</strong>60 Wien, info@komintern.at, www.komintern.at

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