Cruiser im Oktober 2015
Cruiser im Oktober: Kann das mit der LGBT Community überhaupt funktionieren? Ausserdem: Was macht eigentlich Sängerin Sandra?
Cruiser im Oktober: Kann das mit der LGBT Community überhaupt funktionieren? Ausserdem: Was macht eigentlich Sängerin Sandra?
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OKTOBER <strong>2015</strong> CHF 7.50<br />
LGBT: EINHEIT ODER DIVERSITÄT?<br />
WIE DIE COMMUNITY ZU SICH SELBST STEHT<br />
MONOGAMIE<br />
Kopieren Gays das Heteromodell?<br />
FITNESS<br />
Wer wo wie trainiert<br />
NEUE SERIE<br />
<strong>Cruiser</strong> auf Reisen
STOP<br />
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1. bis 31. <strong>Oktober</strong> <strong>2015</strong> bei teilnehmenden Teststellen<br />
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Mit freundlicher Unterstützung
EDITORIAL<br />
3<br />
Lieber Leser<br />
Wir erhalten täglich Mails (und ganz selten auch mal einen Brief) mit Leserkommentaren,<br />
Meinungen und Inputs. Dabei fällt uns auf, dass die verschiedenen<br />
Fraktionen der LGBT-Community oft ganz unterschiedliche Ansichten<br />
über unseren redaktionellen Output haben. Was den einen gefällt, finden die anderen unmöglich.<br />
Da stellt sich natürlich die Frage: Warum macht eine LGBT-Allianz überhaupt Sinn?<br />
Denn weder ist die Sexualität der verschiedenen Gruppierungen gleich noch ihre Anliegen.<br />
Grund genug also, dieser Frage in unserer Titelgeschichte genauer nachzugehen.<br />
Besonders freut uns, dass wir als einziges Gay-Magazin neu WEMF-zertifiziert sind. Wir<br />
haben unsere gedruckte Ausgabe offiziell und ordentlich bei der WEMF AG für Werbemedienforschung<br />
beglaubigen lassen und sind daher nun quasi das «amtlich beglaubigte Gay-<br />
Magazin» und daher auch klar Nummer 1 auf dem Markt. Das macht Freude und ist eine<br />
unglaubliche Motivation für die ganze <strong>Cruiser</strong>-Crew!<br />
INHALT<br />
04 THEMA LGBT: EINHEIT ODER DIVERSITÄT?<br />
09 NEWS NATIONAL<br />
10 REPORTAGE MONOGAME BEZIEHUNGEN<br />
13 INTERVIEW SIND ALLE GAYS UNTREU?<br />
14 NEWS INTERNATIONAL<br />
Herzlich, Haymo Empl<br />
CHEFREDAKTOR<br />
16 KOLUMNE WEISSBERGS WARME WEISSHEITEN<br />
18 KULTUR SO WIRD DER HERBST<br />
20 KOLUMNE BÖTSCHI KLATSCHT<br />
21 HOMOSEXUALITÄT IN GESCHCHTE UND LITERATUR:<br />
ZWEI KRIEGER IM ZELT<br />
23 KOLUMNE MICHI RÜEGG<br />
24 KOLUMNE PIA SPATZ<br />
25 RATGEBER AIDS-HILFE DR. GAY<br />
26 IKONEN VON DAMALS<br />
SANDRAS VERZWEIFELTE COMEBACK-VERSUCHE<br />
28 NEUE SERIE<br />
CRUISER AUF REISEN<br />
29 LIFESTYLE WER WO WIE RUMSTRAMPELT<br />
30 KOLUMNE THOMMEN MEINT<br />
FOTO UMSCHLAG: FOTOLIA<br />
IMPRESSUM<br />
CRUISER MAGAZIN PRINT<br />
Herausgeber & Verleger: Haymo Empl, empl.media<br />
Infos an die Redaktion: redaktion@cruisermagazin.ch<br />
Chefredaktor Haymo Empl<br />
Stv. Chefredaktor Daniel Diriwächter<br />
Bildredaktion Haymo Empl<br />
Art Direktion Ana Lewisch<br />
Redaktion Print Vinicio Albani, Thomas Borgmann, Bruno Bötschi, Daniel Diriwächter,<br />
Andreas Empl, Martin Ender, Andreas Faessler, René Gerber, Moel Maphy,<br />
Michi Rüegg, Alain Sorel, Pia Spatz, Peter Thommen, Marianne Weissberg<br />
Lektorat<br />
Ursula Thüler<br />
Anzeigen Said Ramini, Telefon 043 300 68 28<br />
anzeigen@cruisermagazin.ch<br />
Auflage<br />
Druck<br />
12 000 Exemplare,<br />
WEMF beglaubigte Auflage: 11 539 Exemplare<br />
Druckerei Konstanz GmbH<br />
Wasserloses Druckverfahren<br />
REDAKTION UND VERLAGSADRESSE<br />
empl.media, Haymo Empl<br />
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CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
4 THEMA<br />
LGBT<br />
LGBT: EINHEIT<br />
ODER DIVERSITÄT?<br />
LGBT? Oder LGBTI? Oder vielleicht LGBTQ? Was der Oberbegriff<br />
für eine Gemeinschaft sein soll, ist in Tat und Wahrheit der Oberbegriff<br />
eines politischen Schlachtschiffes, das <strong>im</strong>mer schneller in See sticht.<br />
Dies mit einer Vielfalt an Anliegen und Meinungen.<br />
VON DANI DIRIWÄCHTER<br />
Früher, da war vieles gut. Heute<br />
ist alles besser.<br />
Manchmal wäre ich froh, es wäre<br />
wieder gut», so ein Zitat des Schweizer<br />
Texters Andreas Marti. Ähnliche<br />
St<strong>im</strong>men sind <strong>im</strong>mer öfter aus der<br />
Community zu hören: «LGBT, was<br />
ist das schon?» Ein wachsendes und<br />
undurchsichtiges Konstrukt. Denn<br />
früher, da konnte man noch einfach<br />
schwul sein. Und Lesben waren Lesben.<br />
Punkt. Diese St<strong>im</strong>men bedenken<br />
aber nicht, dass in diesem «Früher»<br />
die Konsequenz eines Mauerblümchendaseins<br />
gesteckt hätte. Die direkte<br />
Einfahrt ins Ghetto.<br />
An diesem «Früher» lohnt es sich<br />
nicht zu kleben. Wir leben in einer<br />
modernen Zeit und es gilt in ebensolchen<br />
Ländern die Meinungsfreiheit.<br />
Und wir reden heute über die<br />
LGBT-Community. Eine Abkürzung,<br />
die, wie viele andere auch, aus dem<br />
Englischen stammt: Lesbian, Gay,<br />
Bisexual und Transgender. Seit Anfang<br />
der 1990er sind die vier Buchstaben<br />
auf dem Vormarsch und bieten<br />
einen schützenden Deckmantel<br />
für die sogenannten «Minderheiten».<br />
Aber es blieb nicht einfach bei vier<br />
Buchstaben. «Wir benutzen heute<br />
den Begriff LGBTI, so wie es die Bundesverwaltung<br />
auch macht», betont<br />
Bastian Baumann, der Geschäftsführer<br />
des Schweizer Dachverbands der<br />
Schwulen, «Pink Cross».<br />
Plus ein «I» also, das für Inter*/<br />
intersexuelle Menschen steht. Baumann<br />
hält aber auch fest, dass politisch<br />
derzeit für Pink Cross die ersten<br />
vier Buchstaben <strong>im</strong> Vordergrund<br />
stehen. Es gehe <strong>im</strong> Prinzip «nur»<br />
um den Überbegriff, denn die unterschiedlichen<br />
Interessen innerhalb<br />
des LGBTI-Universums seien einfach<br />
zu unterschiedlich. Und Bastian Baumann<br />
konkretisiert weiter: «Bei Pink<br />
SEIT ANFANG DER<br />
1990ER SIND DIE VIER<br />
BUCHSTABEN AUF<br />
DEM VORMARSCH UND<br />
BIETEN EINEN SCHÜTZEN-<br />
DEN DECKMANTEL<br />
FÜR DIE SOGENANNTEN<br />
«MINDERHEITEN».<br />
Cross stehen das ‚G’ und das ‚B’, also<br />
Schwule und Bisexuelle, <strong>im</strong> strategischen<br />
Fokus.» Und selbst darunter<br />
befände sich eine Vielfalt an Meinungen<br />
oder Lebensauffassungen, was<br />
die Arbeit der Organisation oft nicht<br />
ganz einfach mache.<br />
DAS G<br />
Eine extreme Breite zeigt sich unter<br />
dem «G». Angeführt von Pink Cross,<br />
will man das Max<strong>im</strong>um an Rechten<br />
(und Pflichten) für die Gleichberechtigung<br />
verlangen. «Wir wollen die bestmöglichen<br />
Ziele erreichen, Schritt für<br />
Schritt», so Baumann. Dass konservative<br />
Kritiker Pink Cross eine Salamitaktik<br />
vorwerfen, kann er sogar unterstützen,<br />
denn schliesslich sei das<br />
Usus <strong>im</strong> politischen System. Viel eher<br />
ist der Geschäftsleiter erstaunt, wenn<br />
ein Mitglied, wie kürzlich geschehen,<br />
seinen Austritt aus Pink Cross bekannt<br />
gibt, weil die Organisation die<br />
Adoption auch für gleichgeschlechtliche<br />
Paare favorisiert.<br />
Angesicht der Fortschritte, die<br />
schwule Männer erreicht haben, wird<br />
nun ersichtlich, dass der Regenbogen<br />
eben nicht nur sieben Farben hat, sondern<br />
selbst eine Jumbo-Farbstiftbox<br />
mit der Vielfalt der schwulen Welt –<br />
<strong>im</strong> Fachjargon: Diversität – nicht mithalten<br />
kann. Längst gibt es nicht nur<br />
die «Normalen», die Tunten oder die<br />
Ledertypen. Heute darf man schwul<br />
sein – und auch Chef von Apple. Man<br />
darf schwul sein – und auch in der SVP<br />
agieren. Klischees wurden verworfen<br />
oder bilden nun Teil der schwulen<br />
Realität, die Baumann trotz aller Anstrengungen,<br />
die es braucht, um diese<br />
auf einen Nenner zu bringen, definitiv<br />
als erfreulich bezeichnet.<br />
FOTOS: FOTOLIA (1)<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
DAS L<br />
Dass besagtes «L» hier erst an zweiter<br />
Stelle aufgeführt wird, dürfte in<br />
lesbischen Kreisen sauer aufstossen<br />
– wo es doch den Begriff «LGBT»<br />
anführt. Oder ist diese Meinung nur<br />
eines der Vorurteile, mit denen lesbische<br />
Frauen konfrontiert werden? «In<br />
der Tat gibt es noch viele Vorurteile<br />
gegenüber uns lesbischen Frauen,<br />
ganz oben das der Kampflesbe», sagt<br />
Barbara Lanthemann, Geschäftsführerin<br />
der Lesbenorganisation LOS.<br />
Nicht zuletzt kommt dieses Vorurteil<br />
auch von schwulen Männern. Nichtsdestotrotz<br />
ist LOS die engste Verbündete<br />
von Pink Cross. Für die «Ehe für<br />
alle» oder die Adoption setzt auch sie<br />
sich ein – logisch.<br />
«Viele lesbische Frauen sind aber<br />
auch Feministinnen», so Lanthemann.<br />
Die Gleichberechtigung der<br />
Frau steht noch <strong>im</strong>mer nicht dort, wo<br />
sie sein sollte. Und auch Lanthemann<br />
weiss, dass die Vielfalt an Frauenthemen<br />
– und an Frauen selber – es für<br />
LOS nicht einfach macht, <strong>im</strong> Sinne<br />
aller zu agieren. Aber auch sie begrüsst<br />
die Diversität. Wobei Lanthemann<br />
<strong>im</strong> Begriff «LGBT» das «B» als<br />
etwas «schwierig» bezeichnet, da<br />
LGBT: EINE COMMUNITY, DIE<br />
SICH AUSSCHLIESSLICH ÜBER DIE<br />
SEXUALITÄT DEFINIERT?<br />
sich die LOS für alle Frauen einsetzt<br />
welche sich zu Frauen hingezogen<br />
fühlen. «Bisexuelle Frauen waren bei<br />
LOS bisher kein eigenständiges Thema»,<br />
erklärt sie – und wundert sich<br />
zugleich. Wenn das Bedürfnis und die<br />
Ressourcen bestehen, seien die Türen<br />
weit offen, um sich auch speziell diesem<br />
Thema zu widmen.<br />
DAS B<br />
Bisexualität – die fast unbekannte<br />
Grösse <strong>im</strong> «LGBT»-Bereich. Bisexuelle<br />
Menschen in der Schweiz verfügen<br />
über keinen eigenen Dachverband<br />
wie LOS oder Pink Cross. Anlaufstellen<br />
wie bi-net.ch sind <strong>im</strong> Netz zwar<br />
zu finden, ansonsten bieten alle<br />
HA-Gruppen (HAZ, HAB und HABS)
6<br />
«DIE BISEXUALITÄT<br />
WIRD NUR DURCH EIN<br />
COMING-OUT SICHTBAR.<br />
UND SELBST DANN STEHT<br />
SIE IM VERDACHT, ETWAS<br />
ANDERES ZU SEIN.»<br />
einen Bi-Treff an. Hannes Rudolph,<br />
Geschäftsführer der HAZ, sieht eines<br />
der Probleme der Bisexuellen darin,<br />
dass sie «so gut wie unsichtbar» seien.<br />
Als Beispiele nennt er etwa die<br />
bisexuelle Frau, die Hand in Hand<br />
mit einem Mann geht und als hetero<br />
angesehen wird. Ebenso gilt der bisexuelle<br />
Mann, der einen Mann küsst,<br />
als schwul.<br />
«Die Bisexualität wird nur durch<br />
ein Coming-out sichtbar. Und selbst<br />
dann steht sie <strong>im</strong> Verdacht, etwas<br />
anderes zu sein», so Rudolph. Vorurteile<br />
wie «Bi-Menschen können nicht<br />
monogam sein» oder müde Sprüche<br />
wie «man habe sich noch nicht entschieden»,<br />
zermürben. «Viele lesbische<br />
Frauen, und sicher auch einige<br />
schwule Männer, können nicht nachvollziehen,<br />
wie diese Art von Sexualität<br />
gelebt werden kann», meint<br />
Barbara Lanthemann von LOS. Dabei<br />
sei Bisexualität eine sexuelle Orientierung,<br />
die genauso wenig der Rechtfertigung<br />
bedürfe wie jede andere sexuelle<br />
Orientierung, erklärt Rudolph.<br />
DAS T<br />
Das grosse «T» <strong>im</strong> Begriff holt derzeit<br />
mächtig auf. Und das muss es, denn<br />
anders als um die Sexualität wie bei<br />
«LGB», geht es <strong>im</strong> «T» um die Identität.<br />
Seit der Gründung von Transgender<br />
Network Switzerland (TGNS) vor<br />
fünf Jahren hat sich in der Schweiz<br />
das Bild der Transmenschen bereits<br />
geändert. Beispielsweise wird heute<br />
nicht mehr der Begriff «transsexuell»<br />
verwendet, sondern trans*.<br />
TGNS steht für alle Menschen ein, die<br />
sich mit dem Geschlecht, das ihnen<br />
bei Geburt zugewiesen wurde, nicht<br />
oder nicht ausschliesslich identifizieren<br />
können. Aber anders als Lesben,<br />
Schwule und Bisexuelle stehen<br />
Transmenschen noch relativ am Anfang<br />
ihrer – auch politischen – Emanzipation.<br />
Anderen Menschen <strong>im</strong>mer<br />
und <strong>im</strong>mer wieder zu erklären, das<br />
trans* nichts mit Sexualität zu tun<br />
hat, gleicht oftmals einer Sisyphusarbeit.<br />
Dass es Heteros, Homos und Bi’s<br />
unter den Transmenschen gibt, wird<br />
oft nicht verstanden.<br />
«Aber auch bei uns Transmenschen<br />
gibt es viele verschiedene Meinungen»,<br />
weiss Claudia Sabine Meier,<br />
die mit zwei Präzendenzfällen in Bezug<br />
auf Namens- und Personenstands-<br />
FOTOS: FOTOLI<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
THEMA<br />
LGBT<br />
7<br />
EIN EFFEKTIVES<br />
«MITEINANDER»<br />
EXISTIERT IN DER<br />
LGBT-GEMEINSCHAFT<br />
NUR SELTEN.<br />
AM ENDE IST «LGBT»<br />
EIN SPIEGELBILD DER<br />
GESELLSCHAFT.<br />
EIN SAMMELSURIUM AN<br />
FARBE, AN LIEBE,<br />
AN KRAFT, ABER AUCH AN<br />
DEMUT, AN STREITIG-<br />
KEITEN ODER AN MISS-<br />
GUNST.<br />
änderung für Schlagzeilen sorgte (siehe<br />
<strong>Cruiser</strong> Juli/August). Sie erlebte<br />
einen gewissen Neid unter den Transmenschen,<br />
etwa in Hinsicht darauf,<br />
wer den grösseren Nachteil hat. «Jeder<br />
Weg, egal wie gross die Hürden<br />
und die Tücken auch sind, hat seine<br />
Vorteile», so Meier. Tatsächlich bemerkte<br />
sie aber auch <strong>im</strong>mer wieder<br />
einen Graben zwischen denen, die<br />
alle medizinischen geschlechtsangleichenden<br />
Massnahmen ausschöpfen<br />
und denen, die nicht alle Operationen<br />
machen, die möglich sind.<br />
Hannes Rudolph von der HAZ,<br />
selbst ein schwuler Transmann, bemerkt<br />
dazu, dass viele Transmenschen<br />
auch die Geschlechterordnung<br />
und die Rollenbilder oder das Zweigeschlechtersystem<br />
generell hinterfragen.<br />
Immerhin, schwule Männer stehen<br />
seiner Erfahrung nach schwulen<br />
Transmännern mit viel Neugierde gegenüber.<br />
Nicht umsonst wurde an der<br />
dritten Schweizer Transtagung extra<br />
ein Workshop abgehalten, um schwul<br />
und trans* gemeinsam zu präsentieren.<br />
EIN I<br />
UND DIE ZUKUNFT<br />
Wie eingangs erwähnt, wird das «I»<br />
der Inter*/intersexuellen Menschen<br />
bereits grossgeschrieben – und es gebührt<br />
ihm Beachtung. Die HAZ hingegen<br />
benutzt «LGBTQ» – weil das<br />
«Q» (queer) für viele, die entweder ihr<br />
Begehren oder ihr Geschlecht nicht<br />
in Schubladen packen möchten, eine<br />
Selbstbeschreibung ist. Weitere Bezeichnungen<br />
und Buchstaben machen<br />
die Runde, so etwa das «P», das für<br />
Pansexuelle steht (Personen, die nicht<br />
bi sind, sondern den Menschen an<br />
sich sexuell anziehend finden). Eine<br />
berechtigte Frage ist, wie viele Gruppen<br />
«LGBT» noch aufnehmen kann.<br />
Dieser kurze Einblick in die Begrifflichkeit<br />
vermag selbstverständlich<br />
nicht die unzähligen Facetten<br />
der Sexualität zu beschreiben. Aber<br />
der Dampfer ist in See gestochen und<br />
n<strong>im</strong>mt Kurs auf. Am Ende ist «LGBT»<br />
ein Spiegelbild der Gesellschaft. Ein<br />
Sammelsurium an Farbe, an Liebe,<br />
an Kraft, aber auch an Demut, an<br />
Streitigkeiten oder an Missgunst. Die<br />
Vielfalt kommt zum Vorschein – vielleicht<br />
dürfte das der Grund sein, weshalb<br />
konservative Kräfte vor Angst erzittern.<br />
Denn was die Menschlichkeit<br />
lebendig macht, lässt sich schwer regieren<br />
und schon gar nicht in Schubladen<br />
stecken. Aber das ist eine ganz<br />
andere Geschichte. <br />
Alle Adressen der Fachstellen auf<br />
www. cruisermagazin.ch<br />
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CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
NEWS<br />
NATIONAL<br />
9<br />
FOTOS: FOTOLIA (2)<br />
NATIONALE<br />
NEWS<br />
ZÜRICH<br />
STÄNDERATSWAHLEN<br />
IM KANTON ZÜRICH:<br />
WER VERTRITT UNS?<br />
In Bern werden in den<br />
kommenden vier Jahren viele<br />
der LGBTIQ-relevanten<br />
Themen behandelt: «Ehe für<br />
alle», das Adoptionsrecht<br />
oder auch Fragen des Diskr<strong>im</strong>inierungsschutzes.<br />
Alle sieben Zürcher Kandidierenden<br />
wurden, wie vor allen Wahlen, von<br />
der HAZ (Homosexuelle Arbeitsgruppen<br />
Zürich) zu diesen Themen befragt.<br />
Auf www.regenbogenpolitik.ch<br />
sind die Antworten nachzulesen, hier<br />
die Zusammenfassung:<br />
Bezüglich der Eheöffnung für<br />
gleichgeschlechtliche Paare sind alle<br />
Kandidaten überraschend offen. Maja<br />
Ingold (EVP), Ruedi Noser (FDP) und<br />
Hans-Ueli Vogt (SVP) schränken allerdings<br />
ein, eine Lebensgemeinschaft<br />
von gleichgeschlechtlichen Paaren<br />
sollte nicht «Ehe» heissen.<br />
Anders gestalten sich die Fronten<br />
<strong>im</strong> Bereich Adoptionsrecht. Alle Befragten<br />
sind für die Stiefkindadoption.<br />
Ein generelles Adoptionsrecht lehnt<br />
Ruedi Noser ab, Barbara-Schmid Federer<br />
(CVP) hat sich noch keine Meinung<br />
gebildet. Daniel Jositsch (SP),<br />
Bastien Girod (Grüne), Martin Bäumle<br />
(GLP) und Hans-Ueli Vogt sind dafür,<br />
dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder<br />
adoptieren dürfen wie Ehepaare<br />
auch. Gemäss der HAZ-Umfrage<br />
führen in Sachen LGBT-Freundlichkeit<br />
Girod und Jositsch, beide stehen<br />
hinter jedem Anliegen – gefolgt von<br />
Bäumle (lediglich «keine Position» zur<br />
künstlichen Befruchtung bei eingetragenen<br />
Partnerinnen). Anhand des<br />
Fragebogens ist Barbara Schmid-Federer<br />
aufgeschlossener als Maja Ingold,<br />
Ruedi Noser und Hans-Ueli<br />
Vogt, die alle etwa gleich viele Bedenken<br />
zu verschiedenen Fragen haben.<br />
Weitere Infos:<br />
www.regenbogenpolitik.ch<br />
CHECKPOINT<br />
IM GESPRÄCH<br />
Bei «Checkpoint <strong>im</strong> Gespräch»<br />
informieren und diskutieren<br />
die Mannen vom Checkpoint<br />
bekanntlich über die unterschiedlichsten<br />
Themen rund<br />
um die schwule Gesundheit.<br />
In ungezwungener Atmosphäre präsentieren<br />
ausgewählte Referenten<br />
neueste Erkenntnisse; <strong>im</strong> <strong>Oktober</strong><br />
wird es zum Thema «Der schwule<br />
Mann und sein Arzt – ein starkes<br />
Team?» sein. Das Fragezeichen ist<br />
insofern berechtigt, als man be<strong>im</strong><br />
Arzt nach einer Diagnose oft rausgeht<br />
und denkt: «Weiss ich jetzt, was ich<br />
wissen wollte? Warum habe ich nicht<br />
nachgefragt? Und eigentlich ist mir<br />
überhaupt nicht klar, warum meine<br />
Medikamente umgestellt wurden.»<br />
Egal ob Hausarzt, Psychologe, Physiotherapeut,<br />
Heilpraktiker oder<br />
Zahnarzt – zwischen Therapeut und<br />
Patient ist Vertrauen eine Grundbedingung<br />
für eine erfolgreiche Betreuung.<br />
Wie man nun was genau fragen<br />
soll, erklärt Roger Fontana. Er ist<br />
langjähriger medizinischer Berater<br />
<strong>im</strong> Checkpoint Zürich und Masterstudent<br />
der Pflegewissenschaften; er<br />
wird aus seinem Erfahrungsschatz<br />
berichten.<br />
Die Veranstaltungen der Reihe<br />
«Checkpoint <strong>im</strong> Gespräch» finden <strong>im</strong>mer<br />
am dritten Donnerstag <strong>im</strong> Monat<br />
ab 18.00 Uhr <strong>im</strong> Restaurant «Bubbles»<br />
an der Werdstrasse 54 in Zürich<br />
statt; eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
10<br />
REPORTAGE<br />
MONOGAMIE<br />
MONOGAMIE<br />
DAS EINZIGE REZEPT ZUM GLÜCK?<br />
«… und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage». Alles ein Märchen?<br />
Der kirchlichen Trauungsformel «Bis dass der Tod euch scheidet» steht eine hohe<br />
Scheidungsrate gegenüber. Da stellt sich die Frage: Müssen Gays die offenbar<br />
untaugliche monogame Hetero-Ehe kopieren?<br />
VON MARTIN ENDER<br />
FPraktisch jede zweite Hetero-Ehe<br />
wird geschieden. «Bis dass der<br />
Tod euch scheidet» ist ein Ideal,<br />
das kaum noch zu halten ist. Das<br />
grosse Scheitern monogamer Beziehungen<br />
zeigt es deutlich. Kirchen<br />
geben nach wie vor die Durchhalteparole<br />
raus. Doch Psychologen raten<br />
<strong>im</strong>mer öfter zum Seitensprung. Der<br />
könnte ein Lösungsversuch für Probleme<br />
in der Partnerschaft sein. Aber<br />
eben, nicht die Lösung, nur ein Versuch,<br />
die Partnerschaft zu retten, indem<br />
durch das Fremdgehen Gespräche<br />
in Gang kommen und man sich<br />
so über nicht erfüllte Bedürfnisse klar<br />
werden kann.<br />
VON LEBENSLANG<br />
ZUM LEBENSABSCHNITT<br />
Das Versprechen einer unauflöslichen<br />
Ehe hatte in früheren Jahrhunderten<br />
eine völlig andere und überlebenswichtige<br />
Bedeutung. Leid, Krankheit,<br />
Hunger sollte man gemeinsam<br />
durchstehen. Die Ehe bot also Schutz.<br />
Dieser Lebensbund war eine Art Lebensversicherung<br />
für beide Partner<br />
und damit verbunden auch für deren<br />
meist zahlreiche Kinder. Heute ist<br />
die Ehe keine unmittelbare Versorgungseinrichtung<br />
mehr. Sollte sie in<br />
die Brüche gehen, ist für die materielle<br />
Sicherheit von Frau und Kindern<br />
gesorgt dank gerichtlich festgesetzter<br />
Unterhaltszahlungen. Die «lebenslange»<br />
Ehe war früher ausserdem einfa-<br />
cher auszuhalten. Die Leute wurden<br />
schlicht nicht so alt. Nachdem die<br />
Kinder grossgezogen waren – das<br />
war der Zweck der Ehe – machte man<br />
keine grossen Sprünge mehr, sondern<br />
stellte sich bereits gemeinsam auf den<br />
herannahenden Lebensabend ein.<br />
Um 1700 lag das Durchschnittsalter<br />
bei 50 Jahren, um 1900 bei 65<br />
Jahren und heut liegt es bei rund 80<br />
Jahren. So stellen sich die Menschen<br />
auf mehrere Lebensphasen ein. Man<br />
gibt in der Mitte des Lebens nicht auf,<br />
macht allenfalls eine Weiterbildung,<br />
wechselt den Beruf, startet eine neue<br />
Karriere und sogar Rentner entdecken<br />
noch neue Welten. Oder man<br />
erfüllt sich nochmals den Traum einer<br />
neuen Beziehung. So ist auch das<br />
nicht gerade schöne Wort «Lebensabschnittpartner»<br />
entstanden.<br />
SCHEITERN ODER<br />
GLEICH SINGLE BLEIBEN?<br />
Im Jahre 2010 war die Scheidungsrate<br />
in der Schweiz am höchsten, in<br />
den Jahren bis 2014 sank sie leicht.<br />
Gemäss dem Bundesamt für Statistik<br />
betrug sie damals 54,4 Prozent.<br />
In Zahlen: 22081 Scheidungen auf<br />
43257 Eheschliessungen. Das bedeutet,<br />
mehr als die Hälfte der Ehen<br />
scheitern und dies nach durchschnittlich<br />
nur 14 Jahren. Im gleichen Jahr<br />
wurden in der Schweiz 720 eingetragene<br />
Partnerschaften begründet und<br />
77 aufgelöst. (Da die eingetragene<br />
ERSTMALS LEBTEN<br />
ENDE LETZTEN JAHRES<br />
MEHR EINWOHNER<br />
MIT DEM ZIVILSTAND<br />
«LEDIG» IN DER SCHWEIZ<br />
ALS VERHEIRATETE.<br />
Partnerschaft noch nicht so lange<br />
existiert, ist das Zahlenverhältnis natürlich<br />
nicht vergleichbar.) Dass die<br />
offiziellen monogamen Beziehungen<br />
<strong>im</strong>mer seltener werden, zeigt auch<br />
folgender Statistikauszug. Erstmals<br />
lebten Ende letzten Jahres mehr Einwohner<br />
mit dem Zivilstand «ledig»<br />
in der Schweiz als Verheiratete. Laut<br />
dem Bundesamt für Statistik (BFS)<br />
sind 3,54 Millionen Menschen ungebunden,<br />
3,53 Millionen verheiratet.<br />
In zahlreichen Kulturen werden monogame<br />
Beziehungen durch soziale<br />
Strukturen wie die Ehe gefördert und<br />
stellen <strong>im</strong>mer noch eine Norm dar.<br />
Neuerdings kommen in vielen Ländern<br />
die Homo-Ehen oder die gleichgeschlechtlichen<br />
Partnerschaften hinzu.<br />
Ist aber der Mensch tatsächlich<br />
für das Glück zu zweit gemacht? Im<br />
Prinzip ja, behaupten Wissenschaftler<br />
der US-amerikanischen Nationalen<br />
Akademie der Wissenschaften. Aller-<br />
FOTOS: FOTOLIA, ZVG<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
11<br />
dings räumen sie ein, dass monogame<br />
Beziehung nicht mehr ein Leben<br />
lang halten, es würden nach einer<br />
Beziehung andere folgen. Der Bergriff<br />
«serielle Monogamie» wurde kreiert.<br />
VON MONOGAM<br />
BIS ZUR POLYAMORY<br />
Es stellt sich die Frage, wie viel Sinn<br />
es macht, das monogame Heterokonzept<br />
für Schwule und Lesben zu<br />
übernehmen. Ist die treue monogame<br />
Beziehung zwischen Mann und Mann<br />
oder Frau und Frau genauso zum<br />
Scheitern verurteilt? Oder scheitert<br />
sie noch schneller, weil meist keine<br />
Kinder da sind, aufgrund derer die<br />
Beziehung durchgezogen wird? Gibt<br />
es allenfalls andere erfolgsversprechende<br />
Modelle? Dazu eine Auflistung<br />
und Begriffserklärung.<br />
Unter monogam versteht man eine<br />
Eins-zu-eins-Beziehung und stellt<br />
sich diese idealerweise treu vor. Bigamie<br />
– gleichzeitig mit zwei Partnern<br />
verheiratet sein – ist in unseren<br />
Breitengraden offiziell verboten. Bei<br />
der Polygamie gibt es die Polyandrie<br />
(Vielmännerei), die Polygynie (Vielweiberei)<br />
und die Polygynandrie. Bei<br />
letzterer Form der «Gruppenehe»<br />
MONOGAMIE: WARUM<br />
DAS BEI GAYS NICHT<br />
FUNKTIONIERT.<br />
ODER EBEN DOCH.<br />
haben Frauen und Männer jeweils<br />
mehrere Ehemänner und Ehefrauen.<br />
Dem ähnelt auch die Polyamory, die<br />
aber nicht an gesellschaftliche Institutionen<br />
und Normen wie die Ehe gebunden<br />
ist, und sie betont die Wahlfreiheit<br />
der Beteiligten. Insbesondere<br />
müssen diese nicht miteinander verheiratet<br />
sein. Besonderes Kennzeichen<br />
dieser Form der gleichzeitigen<br />
vielfachen Liebesbeziehungen ist,<br />
dass sie mit vollem Wissen und Einverständnis<br />
aller beteiligten Partner<br />
geschehen. Für Polyamory-Anhänger<br />
werden herkömmliche Liebeskonzepte<br />
wie die Ehe als besitzergreifend,<br />
ökonomisch begründet und unfrei<br />
kritisiert.<br />
DEHNBARE REGELN<br />
Das Bestreben, den Rahmen der Monogamie<br />
zu sprengen und die Grenzen<br />
der Treue zu dehnen, hat es <strong>im</strong>mer<br />
wieder mal gegeben. Die 68er-Generation<br />
propagierte die freie Liebe. Es<br />
entstanden Swingerclubs, Schlüsselpartys,<br />
und offene Ehen wurden erprobt.<br />
Auf dem Monte Verità vereinten<br />
sich vor über 80 Jahren die Aussteiger<br />
und Weltverbesserer und verkündeten<br />
in einer einzigartigen Mischung<br />
freie Liebe, Vegetarismus, Anthroposophie,<br />
Anarchie und kommunistisches<br />
Gedankengut. Auch Kirche und<br />
Staat waren einst recht «flexibel». Bei<br />
den Normannen und Wikingern wurde<br />
die Möglichkeit, eine Zweitfrau zu<br />
ehelichen, nach deren Christianisie-<br />
DIE KOMUNE 1 WAR EINE<br />
POLITISCH MOTIVIERTE WOHN-<br />
GEMEINSCHAFT IN BERLIN.<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
12<br />
REPORTAGE<br />
MONOGAMIE<br />
rung eine Zeit lang als More danico<br />
(dänische Sitte) seitens der Kirche geduldet.<br />
Der Reformator Martin Luther<br />
gab dem Landgrafen von Hessen, Philipp<br />
dem Grossmütigen, «auf Grundlage<br />
der Bibel» den Segen zur Heirat<br />
mit zwei Frauen, schränkte das<br />
Recht aber auf die Herrscherschicht<br />
ein. Diese sogenannten morganatischen<br />
Ehen erfolgten meist mit der<br />
Absicht des Mannes, die bestehende<br />
Liebesbeziehung zu einer Mätresse<br />
als öffentlich anerkanntes Verhältnis<br />
zu legit<strong>im</strong>ieren. Im Täuferreich von<br />
Münster wurde 1534 wegen eines erheblichen<br />
Frauen überschusses sogar<br />
die allgemeine Polygynie eingeführt.<br />
ÜBER DEN EMOTIONALEN<br />
SCHATTEN SPRINGEN<br />
Die Geschichte lehrt, dass in Sachen<br />
Liebesbeziehungen alles schon da gewesen<br />
ist. Findet deshalb in der Hetero-Welt<br />
ein Revival der Monogamie<br />
statt – allerdings unter dem neuen<br />
Vorzeichen der «seriellen Monogamie»?<br />
Ist das bei schwulen Partnerschaften<br />
anders? Ob sie nun offiziell<br />
be<strong>im</strong> Standesamt eingetragen sind<br />
oder nicht, sei hier ausser Acht gelassen.<br />
Für viele Gays ist Monogamie<br />
gleichbedeutend mit Monotonie und<br />
sie sehen sich gerne als Trendsetter.<br />
Warum aber funktionieren visionäre,<br />
zukunftsorientierte Liebesbeziehungen<br />
doch nicht so toll? Ohne Kinder<br />
wären viele doch prädestiniert für die<br />
Polyamory. Paartherapeutin Claudia<br />
Haebler glaubt, dass – geschlechterunabhängig<br />
– früher oder später die<br />
Eifersucht einen Strich durch die<br />
Rechnung macht und formuliert es<br />
so: «Es ist sehr anspruchsvoll, die<br />
verschiedenen Bedürfnisse unter einen<br />
Hut zu bringen – das ist schon<br />
in einer Zweierbeziehung schwierig<br />
genug. Aber ich kann mir vorstellen,<br />
dass es so mehr Befriedigung bringt,<br />
weil man nicht einen Partner für den<br />
anderen aufgeben muss.» In der Literatur<br />
ist ausserdem zu lesen, dass<br />
Menschen in Mehrfachbeziehungen<br />
«frubbelig» sein müssen. Frubbelig<br />
ist kurz gesagt das Gegenteil von eifersüchtig.<br />
Die Emotion geht dabei<br />
sogar soweit, dass der eine Partner<br />
glücklich ist, wenn der andere Partner<br />
mit dem dritten Partner glücklich<br />
ist – ohne dabei anwesend sein zu<br />
müssen. Nach dem Motto, geteiltes<br />
Glück ist doppeltes Glück – oder gar<br />
BIS DASS DER TOD SIE SCHEIDET …<br />
GLEICHGESCHLECHTLICH VERPARTNERT<br />
dreifaches. «Offene Beziehung» ist bei<br />
Gayromeo ein viel gelesenes Zauberwort.<br />
Und wo man hinschaut, gibt es<br />
Paare, die sich «Freiheiten» erlauben.<br />
Man kann damit «gut leben», solange<br />
dadurch der Partner nicht verletzt<br />
wird. Ansonsten heisst es, Rückkehr<br />
ins Single-Leben oder in die treue<br />
Zweierkiste.<br />
(Ein Pladoyer für die streng<br />
monogame Beziehung finden Sie auf<br />
Seite 13.)<br />
DIE UNGEHEUREN<br />
ERWARTUNGEN<br />
Der deutsche Buchautor Eric Hegmann,<br />
der u. a. die Schwulen-Kolumnen<br />
«Jungs in Beziehungskisten»<br />
schrieb, meint dazu: «Auf jeden<br />
Schwulen, der sich Monogamie nicht<br />
vorstellen kann, kommt einer, dessen<br />
schl<strong>im</strong>mster Alptraum ein untreuer<br />
Freund wäre.» Und Erich Fromm, ein<br />
deutsch-US-amerikanischer Psychoanalytiker,<br />
Philosoph und Sozialpsychologe<br />
kommt in seinem Bestseller<br />
«Die Kunst des Liebens» zum Schluss:<br />
«Es gibt kaum ein Unterfangen, das<br />
mit so ungeheuren Erwartungen begonnen<br />
wurde und das mit einer solchen<br />
Regelmässigkeit fehlschlägt wie<br />
die Liebe.»<br />
Die niederländische «Paartherapeutin<br />
Prof. Evje van Dampen» (Hape<br />
Kerkeling), die sich auf der Bühne in<br />
ihrem Seminar als «Mutter Theresa<br />
der lebensabschnittspartnerschaftlichen<br />
Beziehungsarbeit» sieht, bringt<br />
es auf den Punkt: «Liebe ist Arbeit,<br />
Arbeit, Arbeit.»<br />
DAS NEUE FAMILIENRECHT<br />
Was sagt der Staat heute zu den unterschiedlichen<br />
Lebensformen? Der<br />
Bundesrat sieht Handlungsbedarf<br />
und will das Familienrecht den heutigen<br />
Realitäten anpassen. Er will das<br />
Familienrecht modernisieren und hat<br />
dazu 2013 drei Gutachten in Auftrag<br />
gegeben. Für Diskussionen sorgte <strong>im</strong><br />
Vorfeld die Offenheit auch bei Fragen<br />
rund um die Polygamie.<br />
Grundsätzlich mischt sich der<br />
Staat nicht in die Privatspäre ein. Jeder<br />
soll die Lebensform wählen, die<br />
für ihn richtig ist. Für alle, die einen<br />
rechtlichen Schutz wünschen, schafft<br />
der Staat jedoch Institute wie die<br />
Ehe (evtl. in Zukunft in veränderter<br />
Form) oder die eingetragenen Partnerschaft<br />
(evtl in Zukunft aufgewertet<br />
oder gleichgestellt mit der Ehe).<br />
Der <strong>im</strong> März präsentierte Bericht des<br />
Bundesrates ist eine Antwort auf das<br />
Postulat Fehr. Dass der Bundesrat<br />
selber noch zuwartet, hängt auch mit<br />
der CVP-Volksinitiative zusammen,<br />
die die Ehe exklusiv auf «Mann und<br />
Frau» beschränken will. Für Zündstoff<br />
in der parlamentarischen und<br />
öffentlichen Diskussion ist gesorgt.<br />
UND DIES ZUM SCHLUSS<br />
Bei aller Rede über offene Beziehungen,<br />
Mehrfachbeziehungen und weitere<br />
Wunsch- Beziehungsmodelle: Am<br />
Ende entscheidet das eigene Bauchgefühl.<br />
Dabei wird man feststellen,<br />
dass das Herz längst nicht so flexibel<br />
ist, wie man sich das in seinen kühnen<br />
Träumen erhofft hat.<br />
FOTO: FOTOLIA<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
INTERVIEW<br />
SIND ALLE GAYS UNTREU?<br />
13<br />
«ICH HABE NOCH NIE EIN TREUES SCHWULES<br />
PAAR KENNENGELERNT»<br />
Ist der schwule Mann nicht zur sexuellen Treue fähig, so wie es der<br />
EDU-Politiker Marco Giglio zu wissen glaubt? Lucas P.*, 28, schwört auf die<br />
Monogamie. Und wurde dafür innerhalb der Szene kritisiert.<br />
<strong>Cruiser</strong>: Lucas P.*, beschreib uns<br />
dein Verständnis von Monogamie in<br />
der schwulen Welt.<br />
Lucas P.: Monogamie bedeutet für<br />
mich eine Liebe zwischen zwei Menschen,<br />
die bereit sind, miteinander<br />
durchs Leben zu gehen. Die Liebe,<br />
in der man sich ewige Treue schwört<br />
und jemanden so liebt, wie er ist.<br />
Dass quasi zwei Menschen sich eine<br />
kleine gemeinsame Welt bauen und<br />
aus «mir» und «dir» ein «wir» wird.<br />
Denkst du, deine Einstellung könnte<br />
sich einmal ändern?<br />
Diese Frage beantworte ich mit einem<br />
klaren Nein. Ich würde mich niemals<br />
auf eine offene Beziehung einlassen.<br />
Denn wenn ich das Bedürfnis habe,<br />
mit anderen zu schlafen, gehe ich keine<br />
Beziehung ein, sondern tobe ich<br />
mich erst einmal aus.<br />
Du hast den Eindruck, dass Monogamie<br />
in der Szene keinen Bestand hat.<br />
Warum ist das deiner Meinung nach<br />
so?<br />
Gegenseitige Treue hat in der Szene<br />
keinen hohen Wert. Mir scheint,<br />
dass die Szene sehr oberflächlich und<br />
auch sexuell orientiert ist. Mit meinen<br />
Erlebnissen auf Gay-Dating-Portalen<br />
habe ich erlebt, wie schwierig es<br />
ist, Liebe zu finden, und das, obwohl<br />
mein Profil nicht auf eine sexuelle<br />
Schiene ausgerichtet war.<br />
Die sogenannte Szene ist doch<br />
grösser, hast du nie ein «treues» Paar<br />
kennengelernt?<br />
Die Szene ist zwar gross, aber die<br />
«Treuen» unter uns gehören zu einer<br />
Minderheit und ich habe leider keine<br />
kennengelernt.<br />
Woher kommt denn dein Bedürfnis<br />
nach Treue?<br />
Es ist ein Bedürfnis, das aus vielen<br />
Aspekten entsteht, wie z. B. der Erziehung,<br />
der Selbstachtung oder ganz<br />
einfach, dass ich als Schwuler auch<br />
ein normales Leben führen möchte.<br />
Als Schwuler möchte ich dadurch definiert<br />
werden, dass ich Männer liebe,<br />
und nicht, dass ich dauernd nur an<br />
Sex denke.<br />
Man darf sagen, dass schwule Männer<br />
offener mit der Sexualität umgehen<br />
als heterosexuelle. Wie würdest<br />
du einem heterosexuellen Paar begegnen,<br />
das sich gegenseitig he<strong>im</strong>lich<br />
«betrügt»?<br />
Heterosexuelle werden <strong>im</strong>mer wieder<br />
gerne als Argument benutzt nach<br />
dem Motto «die sind einander ja auch<br />
nicht treu». Das sind doch nur Ausreden.<br />
Aber ich bin noch nie bewusst<br />
einem Heteropaar begegnet, das sich<br />
he<strong>im</strong>lich betrügt.<br />
Du wurdest für deine Einstellung kritisiert,<br />
was genau ist passiert?<br />
Ich werde ständig kritisiert, aber nur<br />
in der Szene. Sobald ich das Wort<br />
«Monogamie» erwähne, werde ich in<br />
Sekundenschnelle darüber belehrt,<br />
wie langweilig ich sei und dass doch<br />
eine offene Partnerschaft viel mehr<br />
Spass mache. Und dann merke ich,<br />
wie schwierig es ist, wenn man einfach<br />
die Liebe seines Lebens sucht,<br />
und wie viele St<strong>im</strong>men von aussen<br />
man überhören muss, um sich selbst<br />
treu bleiben zu können. Das ist sehr<br />
anstrengend.<br />
Die oben genannten Fragen stellen<br />
wir deshalb, weil du sehr jung bist –<br />
wo findet dein Leben als schwuler junger<br />
Mann statt?<br />
Ich lebe ganz normal wie jeder andere<br />
auch. Ich treffe Freunde, gehe<br />
aus und geniesse die Zeit mit meinem<br />
Freund. Ich muss auch betonen, dass<br />
ich keine anderen schwulen Freunde<br />
habe; dafür habe ich mich bewusst<br />
entschieden. So erspare ich mir unnötige<br />
Missgunst und Intrigen.<br />
Also sind dir andere Schwule in deinem<br />
Leben bis jetzt ohne Toleranz<br />
oder gar Akzeptanz begegnet?<br />
Ich denke nicht. Aber viele redeten<br />
mir ein, dass ich in einer Fantasiewelt<br />
lebe und dass ich nie das finden<br />
würde, was ich suche. Ich vermute,<br />
das war nur Selbstschutz, weil diese<br />
Männer sich nicht vorstellen konnten,<br />
mit nur einem Partner ihr Leben zu<br />
verbringen.<br />
Würdest du den Menschen, egal ob<br />
hetero, homo oder bi, deine Meinung<br />
«vorschreiben» – oder kannst du akzeptieren,<br />
dass es andere Lebensformen<br />
gibt?<br />
Leben und leben lassen. Vorschreiben<br />
würde ich niemanden was. Ich<br />
habe als Homosexueller eine St<strong>im</strong>me<br />
und rede nur aus meiner Sicht<br />
der Dinge. Ich möchte als Schwuler<br />
wahrgenommen werden, der einen<br />
Mann liebt, mit dem ich auch eine<br />
kleine Familie gründen möchte. Wir<br />
können nicht für Gleichberechtigung<br />
und für die «Ehe für alle» kämpfen,<br />
wenn wir dauernd das Gegenteil vorleben.<br />
Dann bleiben Vorbildfunktion<br />
und Verantwortungsbewusstsein auf<br />
der Strecke.<br />
*Name der Redaktion bekannt<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
14<br />
NEWS<br />
INTERNATIONAL<br />
INTERNATIONALE<br />
NEWS<br />
USA<br />
GAY OR NOT GAY?<br />
«How to get away with<br />
Murder»-Star Jack Falahee<br />
will nicht verraten, ob er nun<br />
schwul ist oder nicht, weil<br />
er nicht auf seine sexuelle<br />
Ausrichtung reduziert werden<br />
möchte.<br />
Unter den Fans ist der 25-jährige<br />
Schauspieler, der in der Rolle als<br />
Connor Walsh offen schwul ist, schnell<br />
zum Favoriten der Serie geworden.<br />
Die teilweise sehr ausführlich dargestellten<br />
Szenen sind ungewöhnlich<br />
fürs amerikanische Fernsehen. In der<br />
Kr<strong>im</strong>iserie setzt der Protagonist ganz<br />
unverfroren seine Sexualität ein, um<br />
an Geständnisse (oder allerlei Sonstiges)<br />
heranzukommen. Diese Szenen<br />
werden dann durchaus gezeigt,<br />
allerdings natürlich so, dass es gerade<br />
noch ins Abendprogramm des<br />
US-Senders ABC passt. Hinter der Serie<br />
steckt eine alte Bekannte: Shonda<br />
Rh<strong>im</strong>es, afroamerikanische Hit-Serien-Produzentin<br />
und Drehbuchautorin.<br />
Shonda war schon für «Greys<br />
Anatomy» (inklusive legendärem Ärzte-Lesben-Drama)<br />
oder «Scandal»<br />
verantwortlich und ist bekannt dafür,<br />
dass sie das prüde Amerika gerne mal<br />
etwas konsterniert.<br />
Bei HTGAWM-Star Falahee alias<br />
«Ich hoffe, die sexuelle<br />
Ausrichtung wird<br />
irgendwann kein Thema<br />
mehr sein.»<br />
TV-Serienstar Jack Falahee<br />
Connor Walsh wäre es nun natürlich<br />
passend, wenn der Darsteller<br />
der Figur auch <strong>im</strong> wirklichen Leben<br />
gay wäre. Falahee meint aber, dass<br />
es keine Rolle spiele, was er auf diese<br />
Frage antworten würde, es gäbe<br />
sicher <strong>im</strong>mer jemanden, der sagen<br />
würde, es sei nicht wahr. In den zahlreichen<br />
Interviews, in welchen Falahee<br />
zu diesem Thema befragt wurde,<br />
betonte er <strong>im</strong>mer wieder, er hoffe,<br />
dass diese Frage irgendwann mal<br />
nicht mehr relevant sein würde.<br />
SCHWULER<br />
SICHERHEITSBEAMTER<br />
GEFEUERT<br />
In Denver wurden zwei Sicherheitsmitarbeiter<br />
der US-Flughafensicherheitsbehörde<br />
TSA<br />
fristlos entlassen, weil sie sich<br />
ein System ausdachten, das es<br />
ihnen ermöglicht hat, attraktiven<br />
Passagieren in den Schritt<br />
zu fassen.<br />
Der eigentlich sehr s<strong>im</strong>ple Trick funktionierte<br />
folgendermassen: Wenn dem<br />
schwulen Sicherheitsbeamten ein<br />
Mann gefiel, machte er seiner Kollegin<br />
ein Zeichen. Diese gab <strong>im</strong> Scanner<br />
den Passagier als Frau ein, worauf<br />
die Abweichung der Geschlechtsmerkmale<br />
logischerweise eine genauere<br />
Untersuchung erforderte. Der<br />
inzwischen fristlos entlassene Beamte<br />
befummelte die Passagiere dann <strong>im</strong><br />
Schritt und <strong>im</strong> Genitalbereich.<br />
Durch den anonymen Hinweis eines<br />
Kollegen flog das Ganze auf. Die<br />
Behörden nahmen die beiden genauer<br />
unter die Lupe und fanden mittels<br />
der Überwachungskameras die<br />
Vorwürfe bestätigt. Mindestens zehn<br />
Mal sollen Passagiere auf diese Weise<br />
begrapscht worden sein. Zu einer Anklage<br />
ist es bisher noch nicht gekommen,<br />
da sich keines der Opfer an die<br />
Behörden gewandt hat.<br />
GROSSBRITANNIEN<br />
NEUER JAMES-BOND-<br />
TITELSONG WIRD VON<br />
SAM SMITH GESUNGEN<br />
Er ist erst 23 Jahre alt, offen<br />
schwul und seit 1965 der erste<br />
britische Solokünstler, der<br />
den neuen James-Bond-Titelsong<br />
singen darf.<br />
Der Shootingstar Sam Smith ist der<br />
Interpret des Titelsongs des <strong>im</strong> November<br />
in die Kinos kommenden<br />
James-Bond-Films «Spectre». Neben<br />
dem kultigen Daniel Craig als<br />
Gehe<strong>im</strong> agent seiner Majestät können<br />
wir uns auf weitere grosse Namen wie<br />
Monica Bellucci, Ralph Fiennes und<br />
Christoph Waltz als Bösewicht freuen.<br />
Der Song, den Smith zusammen mit<br />
seinem Hitproduzenten J<strong>im</strong>my Napes<br />
geschrieben hat, wird weltweit am<br />
25. September veröffentlicht werden<br />
und soll den Titel «Writing's on the<br />
Wall» tragen. Smith erklärte kürzlich<br />
in den Medien, dass das eines seiner<br />
Highlights seiner Karriere sei. «Ich<br />
freue mich sehr, nun ebenfalls ein<br />
FOTOS: ZVG (3)<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
15<br />
Teil dieses Bond-Vermächtnisses zu<br />
sein und es ehrt mich, dass ich mich<br />
unter einige meiner grössten musikalischen<br />
Inspirationen einreihen darf.»<br />
Er sei erleichtert, dass die Gehe<strong>im</strong>niskrämerei<br />
endlich ein Ende habe und<br />
er offen über seine Beteiligung be<strong>im</strong><br />
neuen Bond-Film sprechen könne.<br />
SÜDAFRIKA<br />
MR. GAY WORLD<br />
2010 GESTORBEN<br />
Mit nur 33 Jahren hat Charl<br />
van den Berg seinen Kampf<br />
gegen den Krebs verloren.<br />
Wie die Veranstalter des «Mr. Gay<br />
World» auf ihrer Webseite mitteilten,<br />
habe van den Berg «seinen gnädigerweise<br />
sehr kurzen Kampf gegen<br />
Lymphdrüsenkrebs» verloren. «Wir<br />
haben ein Mitglied unserer Familie<br />
verloren, einen Helden und einen<br />
Freund. Charl van der Berg wird für<br />
viele Menschen auf dieser Welt <strong>im</strong>mer<br />
eine Ikone bleiben», hiess es dort.<br />
Charl van den Berg arbeitete als<br />
Unterwäschemodel und war auch<br />
Restaurantbesitzer. 2009 wurde er<br />
zum «Mr. Gay South Africa» gewählt.<br />
Knapp ein Jahr später konnte er<br />
sich in Oslo gegen 20 Konkurrenten<br />
durchsetzen und holte sich entsprechend<br />
den Titel als «Mr. Gay World».<br />
Charl van den Berg setzte sich weltweit<br />
für die Rechte der LGBT-Community<br />
ein, so auch auf den Philippinen,<br />
als dort eine von der Bevölkerung<br />
umstrittene Mr.-Gay-Wahl auf seine<br />
Unterstützung zählen konnte.<br />
THAILAND<br />
NEUES ANTIDISKRIMI-<br />
NIERUNGSGESETZ<br />
In Thailand ist ein neues<br />
Gesetz in Kraft getreten, das<br />
Diskr<strong>im</strong>inierung aufgrund des<br />
Geschlechts, der geschlechtlichen<br />
Identität oder der sexuellen<br />
Orientierung verbietet.<br />
Der neue Passus soll nun auch in Thailand<br />
verhindern, dass Menschen aufgrund<br />
ihrer geschlechtlichen Identität<br />
oder sexuellen Orientierung diskr<strong>im</strong>iniert<br />
werden. Wer gegen diesen neuen<br />
Passus verstösst, soll künftig mit Geldstrafen<br />
von umgerechnet 500 Schweizer<br />
Franken oder gar Gefängnis bestraft<br />
werden. Wie das neue Gesetz<br />
dann aber de facto zur Anwendung<br />
kommt und wie es in der Praxis umgesetzt<br />
wird, ist noch unklar. (HE/AE)<br />
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16<br />
KOLUMNE<br />
WEISSBERGS WARME WEISSHEITEN<br />
WIE DER TEFLONPFANNEN-TINNITUS-FAKTOR<br />
MEIN LEBEN VERÄNDERTE!<br />
Kolumnistin Marianne Weissberg entdeckt, wie<br />
angenehm das Leben sein kann, wenn man falsche<br />
Fuffziger und Nervensägen treffsicher erkennt<br />
und mit der richtigen Taktik raffiniert abrutschen und<br />
verstummen lässt.<br />
VON MARIANNE WEISSBERG<br />
Man sagt, die besten Einsichten<br />
kommen einem unter der<br />
Dusche. Wie wahr. Während<br />
das Wasser plätscherte und ich mich<br />
einschäumte, grübelte ich eines Morgens<br />
darüber nach, wieso ich oft den<br />
Kurzen zog. Du bist einfach kein richtiges<br />
Arschloch, dachte ich, so wie<br />
jene schreibende Schrullette, die alle<br />
wegradiert, die ihr <strong>im</strong> Weg stehen<br />
und damit überall Erfolg hat.<br />
«DU BIST EINFACH KEIN<br />
RICHTIGES ARSCHLOCH,<br />
DACHTE ICH, SO WIE<br />
JENE SCHREIBENDE<br />
SCHRULLETTE, DIE ALLE<br />
WEGRADIERT.»<br />
«Harry, ich muss dich etwas fragen.<br />
Ich glaube, ich habe den Arschloch-Faktor<br />
entdeckt! Muss das jedoch<br />
noch anhand eines Beispiels ratifizieren»,<br />
erklärte ich anderntags meinem<br />
schwulen Busenfreund Harry.<br />
Mit ihm kann ich alles diskutieren.<br />
«Schiess los», freute sich Harry. «Du<br />
kennst doch das Frölein Filetta F.<br />
Die schreibt so Bügelbrett-Literatur<br />
(Bücher, die man neben dem Bügeln<br />
lesen kann), kommt jedoch überall<br />
rein, weil sie so aussieht wie die nette<br />
Migros-Kassiererin. In Wahrheit ist<br />
die total hinterfotzig», erinnerte ich<br />
ihn an sehr damals, als ich für ein<br />
Sonntagsblatt ein Portrait schrieb,<br />
und sie mich nach dessen Erscheinen<br />
anschrie, weil sie mir zwar an ihrem<br />
Küchentisch ihr ganzes Leben vorgejammert<br />
hatte, das gedruckte Resultat<br />
leider nicht ihrem lieblichen Selbstbild<br />
entsprach. «Die hat exakt den<br />
von dir entdeckten Arschloch-Faktor,<br />
will heissen, sie gibt sich offen, tritt<br />
aber umgehend alle, die ihr nicht nützen»,<br />
wusste Harry.<br />
«Aha, der Arschloch-Faktor funktioniert<br />
also am besten, wenn dessen<br />
Träger scharmantschliffrig daherkommt,<br />
sozusagen wie eine menschliche<br />
Teflonpfanne, auf der du quasi<br />
ausrutscht und dir das Genick<br />
brichst?», präzisierte ich. «St<strong>im</strong>mt»,<br />
sagte Harry. Wir schwiegen und<br />
liessen all die Deppen Revue passieren,<br />
die es bis ganz oben schafften,<br />
obwohl sie intrigant, ungebildet und<br />
auch noch grottenmolchhässlich sind.<br />
Oder grad deswegen. In einem solchen<br />
Club will ja niemand Nettes mitmachen.<br />
Nun beschloss ich, mir ab sofort<br />
auch einen etwas speziellerenTeflonpfannen-Faktor<br />
zuzulegen. Sozusagen<br />
ganz auf meinen Körper zugeschnitten.<br />
Mein Argument, mit dem ich jetzt<br />
alles, was nervt, abgleiten lasse, ist:<br />
«Habe leider grad Tinnitus. Kann<br />
drum auf unbest<strong>im</strong>mte Zeit nicht, es<br />
strengt mich halt soo an zuzuhören.»<br />
Prinzipiell st<strong>im</strong>mt das sogar, das erste<br />
Mal fingen meine Ohren an zu pfeifen,<br />
als mich ein schle<strong>im</strong>iger und dazu<br />
gieriger Verleger überreden wollte,<br />
ein Buchprojekt in wenigen Wochen<br />
zu liefern. Da ich erst nicht realisierte,<br />
in welche Abrissfalle ich tappte,<br />
machten meine Trommelfelle Lärm,<br />
bis ich endlich ablehnte. Danach wur-<br />
FRAU WEISSBERG LIESS SICH<br />
DIESMAL DURCH DIESE SCHLICHTE<br />
TEFLONPFANNE INSPIRIEREN.<br />
de ich meine eigene Verlegerin. Hie<br />
und da klingelt es wieder in meinen<br />
Ohren. Seither weiss ich aber: Sobald<br />
ich mich entschieden habe, Leute, die<br />
mit einem 100%-igen Arschlochfaktor<br />
agieren, mich zuverlässig versetzen,<br />
mies bescheissen, mit ihrem Seelenmüll<br />
zutexten, Leute, die sich nie hinterfragen,<br />
was sie damit bei anderen<br />
anrichten, teflonmässig abgleiten zu<br />
lassen oder explizit ins Pfefferland zu<br />
senden – ja dann tritt aahhhh heilsame<br />
Stille in meinem Kopf ein, und<br />
ich kann mich dem widmen, was ich<br />
wirklich machen will. Nicht so viel<br />
und das mit Menschen, die ich wirklich<br />
mag.<br />
Was haben Sie gesagt: Sowas geht<br />
doch nicht, man muss <strong>im</strong> Leben doch<br />
Kompromisse machen!? Sorry, kann<br />
Sie leider nicht mehr hören, Sie wissen<br />
ja, mein Tinnitus…<br />
MARIANNE WEISSBERG<br />
Ist Historikerin, Autorin & Inhaberin<br />
des Literaturlabels Edition VOLLREIF<br />
(www.vollreif.ch).<br />
Ihre Werke u. a. «Das letzte Zipfelchen<br />
der Macht» oder die Kolumnenkollektion<br />
«Tränen ins Tiramisu» sind mittlerweile<br />
schon fast Kult.<br />
FOTOS: ZVG<br />
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ACTION IN DER<br />
«MÄNNERZONE»<br />
UND IM «TIPTOP»<br />
ZÜRICH<br />
Petra serviert <strong>im</strong> Dirndl Würste<br />
und auch in der «Männerzone»<br />
wirds ein heisser <strong>Oktober</strong>.<br />
Das <strong>Oktober</strong>fest in München ist das<br />
grösste Volksfest der Welt und wird<br />
von über 6 Millionen Menschen besucht.<br />
Nach dem Vorbild dieses Festes,<br />
welches anlässlich der Hochzeit<br />
zwischen Prinzessin Therese und<br />
Kornprinz Ludwig 1810 zum ersten<br />
Mal stattfand, entstanden weltweit<br />
ähnliche Volksfeste.<br />
So auch in der «Männerzone» und<br />
<strong>im</strong> «TipTop» in Zürich. Passenderweise<br />
auch <strong>im</strong> <strong>Oktober</strong> und praktischerweise<br />
unter gleichgesinnten<br />
Prinzen und Prinzessinnen, mit oder<br />
ohne Lederhose ...<br />
Während vier Nächten (16. und<br />
17., sowie 23. und 24. <strong>Oktober</strong>) gibts<br />
in der «Männerzone» massig Bier<br />
vom Fass, Weisswürste und Brezel<br />
sowie eine Live-Show mit Drag-Queen<br />
Romy. Und apropos Königin: Petra<br />
und Entourage rüsten am <strong>Oktober</strong>fest<br />
ebenfalls auf; in ihrem «TipTop»<br />
am Seilergraben wird oktoberfestlich<br />
dekoriert, statt Cüpli gibts Mass und<br />
natürlich dazu auch Weisswurst und<br />
Brezeln und – das ist schon beinahe<br />
Tradition – am Dienstag, 20.10., wird<br />
Mme. Petra <strong>im</strong> Dirndl servieren. Dazu<br />
gibts die übliche Gastfreundlichkeit<br />
und passende Musik.<br />
www.tip-top-bar.ch<br />
www.maennerzone.ch<br />
VORMERKEN!<br />
QUEERSICHT-<br />
FILMFESTIVAL<br />
Auch dieses Jahr werden in<br />
Bern wieder viele spannende<br />
Kurzfilme rund ums Thema<br />
LGBT zu sehen sein.<br />
Vom 5.-11. November findet in Bern<br />
das älteste lesbisch-schwule Filmfestival<br />
«Queersicht» statt. In den drei<br />
Kategorien Spiel-, Dokumentar- und<br />
Kurzfilme mit LGBT-Kontext, welche<br />
sich durch Originalität, Qualität und<br />
Aktualität auszeichnen, werden Filmfreunde<br />
ganz auf ihre Kosten kommen.<br />
Ausserdem wird auch dieses Jahr<br />
wieder der mit 2000 Franken dotierte<br />
Publikumspreis «Rosa Brille» für den<br />
besten Kurzfilm verliehen.<br />
Details zum Rahmenprogramm<br />
und die Namen der Gäste waren bis<br />
Redaktionsschluss noch nicht bekannt<br />
– aber in den letzten Jahren gelang<br />
es dem OK stets, <strong>im</strong>mer wieder<br />
neu mit einer feinen Filmprogrammierung<br />
und spannenden Gästen zu<br />
faszinieren.<br />
Weitere Informationen unter<br />
www.queersicht.ch<br />
«MEIN SCHWULES<br />
AUGE 12» – DAS<br />
SCHWULE JAHR-<br />
BUCH DER EROTIK<br />
Zum 12. Mal erscheint das<br />
320 Seiten umfassende Jahrbuch,<br />
welches einen bunten<br />
Einblick in die Szene gewährt<br />
und nicht nur Freunde der<br />
schwulen Erotik begeistern<br />
wird.<br />
Die Herausgeber Rinaldo Hopf und<br />
Axel Schock setzen auf eine Mischung<br />
aus Prosatexten und Lyrik (zu verschiedenen<br />
Aspekten des schwulen<br />
Lebens, Liebeslebens und Sexlebens)<br />
sowie Fotos, Zeichnungen, Malereien<br />
und Collagen zum Thema schwule<br />
Erotik.<br />
«Mein schwules Auge 12» wird<br />
nicht nur Freunde der schwulen<br />
Erotik begeistern, sondern auch<br />
FOTOS: ZVG (2), PAUL SIXTA (1)<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
19<br />
Kunst- und Literaturliebhaber, denn<br />
die Werke genügen sowohl in Bezug<br />
auf die Technik als auch auf die Umsetzung<br />
durchaus auch hohen ästhetischen<br />
Ansprüchen.<br />
Die aktuelle Edition steht unter<br />
dem Thema «Rausch» und umfasst<br />
Texte über Drogen, die auch in der<br />
schwulen Szene eine Rolle spielten<br />
und spielen, aber auch über die Ekstase<br />
be<strong>im</strong> Sex, über die Trunkenheit<br />
der Liebe und die Sucht nach den kleinen<br />
Gelüsten des Lebens. Und auch<br />
negative Folgen des Rauschs, wie<br />
beispielsweise die Abhängigkeit oder<br />
Drogen-Entzugserscheinungen sowie<br />
Kontrollverlust werden thematisiert.<br />
PINKPANORAMA<br />
Vom 12.-18. November <strong>2015</strong><br />
gibt’s in der Innerschweiz wieder<br />
viel zu sehen: Bereits zum<br />
14. Mal findet <strong>im</strong> Stattkino<br />
Luzern das lesbischwule Filmfestival<br />
statt.<br />
Vom 12.-18. November <strong>2015</strong> gibts<br />
in der Innerschweiz wieder viel zu<br />
sehen: Bereits zum 14. Mal findet<br />
<strong>im</strong> Stattkino Luzern das lesbischwule<br />
Filmfestival statt. Thematisch<br />
liegt der Programmschwerpunkt auf<br />
«Vorbilder»; dieses Thema wird umfassend<br />
filmografisch beleuchtet. Im<br />
Film «Je suis à toi» stellt der 50-jährige<br />
belgische Bäcker Henry einem jungen<br />
Südamerikaner nach und n<strong>im</strong>mt<br />
diesen bei sich als Lehrling <strong>im</strong> Betrieb<br />
auf. Erst später realisiert er, dass der<br />
Jüngling seinem Bild vom Lover nicht<br />
gerecht werden kann, da dieser hetero<br />
ist und als Escort davon lebt, den<br />
Leuten das Bild ihrer Sehnsucht zu<br />
vermitteln.<br />
Im Dokumentarfilm «Mirco» beschäftigt<br />
sich Regisseurin Silvia Chiogna<br />
mit Menschen, die sich über die<br />
binäre Geschlechtereinteilung hinwegsetzen.<br />
Die drei Protagonistinnen<br />
Océan, Theresa und L. Cavaliero bewegen<br />
sich jenseits der üblichen Einteilung<br />
zwischen Mann und Frau. Sie<br />
wollen nicht in eine von zwei Schubladen<br />
gedrückt werden und setzen<br />
sich für fliessende Gender ein.<br />
Dies nur zwei der verschiedenen<br />
Filme, die <strong>im</strong> November gezeigt<br />
werden.<br />
Mehr auf www.cruisermagazin.ch<br />
und www.pinkpanorama.ch.<br />
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Nº 19<br />
5. - 11. November<br />
5 - 11 novembre<br />
DAVY<br />
Vom Queersicht verweht.<br />
queersicht.ch<br />
& facebook<br />
QUEERSICHT<br />
LGBTI-Filmfestival Bern<br />
Festival de films LGBTI de Berne
20<br />
KOLUMNE<br />
BÖTSCHI KLATSCHT<br />
VON DER SCHWÄNIN UND MEINEM<br />
KUTSCHERARSCH<br />
Vorab eine Entschuldigung: Diesmal wiederhole ich<br />
mich in meiner Kolumne mehrmals. Ich ziehe gerade<br />
um und ging deshalb nicht so viel weg. Zudem verrate<br />
ich, wie aus einem Kutscherarsch ein Kütschliärschli<br />
wurde. Und eine Schwänin kommt auch noch vor.<br />
VON BRUNO BÖTSCHI<br />
Ich könnte wieder eine Pr<strong>im</strong>eur-Geschichte<br />
über Reto Hanselmann<br />
ausplaudern. Nur: Ich kann ja nicht<br />
ständig über die gleichen netten Menschen<br />
berichten. Deshalb nur kurz:<br />
Der Zürcher It-Boy will einen Fitnessclub<br />
eröffnen, momoll. Noch ist<br />
es nicht soweit. Im vergangenen Sommer<br />
pilgerte er deshalb nochmals<br />
mehrmals nach Ibiza. Sun, fun and<br />
nothing to do – unter anderem mit<br />
seiner Lieblingsfreundin, der Fernsehmoderatorin<br />
und Schauspielerin<br />
Viola Tami. Am Strand soll der Reto<br />
der Viola meine «<strong>Cruiser</strong>»-Kolumne<br />
vorgelesen haben. Herzig. Viola meinte,<br />
Reto könne sich von schreiben,<br />
weil ich derart nett über ihn berichtet<br />
hätte. Ich könne auch anders. Meine<br />
Güte, ich wusste gar nicht, dass ich so<br />
ein Bad-Boy-Image habe.<br />
Getroffen habe ich den Reto <strong>im</strong> Restaurant<br />
Schützengasse. Die «Schütz»,<br />
das Lokal von Fabio Gardoni und<br />
Bruno Exposito, ist gerade einer der<br />
«places to be» <strong>im</strong> Millionen-Zürich.<br />
Die «Schützi» feierte kürzlich ihren<br />
4. Geburtstag. Alle kamen, die<br />
Ex-Missen sogar <strong>im</strong> Dutzend (Karina<br />
Berger, Dominique Rinderknecht,<br />
Melanie Winiger). Nicht da war Hildegard<br />
Schwaninger, the Queen of Züri-Klatsch.<br />
Das Schützi-Fest ist etwas<br />
für die jüngere Generation. Wie ich<br />
trotzdem auf die Schwänin komme?<br />
Kürzlich meinte einer, der es wissen<br />
muss, ihre Kolumne in der «Weltwoche»,<br />
dem Kampfblatt der Rechten<br />
und Gerechten, sei fad geworden. Ich<br />
werde mich hüten, die Schwänin zu<br />
kritisieren. Die mag das ganz und gar<br />
nicht. Sie war deswegen schon ganz,<br />
ganz böse auf mich. Dabei behauptet<br />
sie bisweilen, sie kenne mich überhaupt<br />
nicht. Ach Hildi, werden wir<br />
nicht alle betriebsblind irgendwann?<br />
Kabarettist Emil Steinberger<br />
träumte als Kind von Rolltreppen.<br />
«VIOLA MEINTE,<br />
RETO KÖNNE SICH VON<br />
SCHREIBEN, WEIL ICH<br />
DERART NETT ÜBER IHN<br />
GESCHRIEBEN HÄTTE. ICH<br />
KÖNNE AUCH ANDERS.»<br />
Psychoanalytiker und Satiriker Peter<br />
Schneider wollte den Nobelpreis in<br />
Chemie bekommen. Der Tausendassa<br />
Frank Baumann träumte davon,<br />
fliegen zu können. Schriftsteller Pedro<br />
Lenz hatte Lust auf Hamburger<br />
und wollte deshalb mit einer Harley<br />
Davidson durch die USA reisen. Und<br />
Starkoch Rico Zandonella hasste es,<br />
wenn seine Mutter am Freitag Zwiebelkuchen<br />
und Quiche Lorraine buk,<br />
weil man das bis in die Schule roch.<br />
– Warum ich das alles weiss? Sechs<br />
Jahre lang interviewte ich für die<br />
«Schweizer Familie» jede Woche eine<br />
bekannte Persönlichkeit und befragte<br />
sie über ihre Träume. In dieser Zeit<br />
erfuhr ich einiges über das Innenleben<br />
der helvetischen Promis. Es<br />
reichte sogar für ein Buch: «Traumfänger»<br />
ist sein Titel. Erschienen sind<br />
meine 53 Interviews mit bekannten<br />
Persönlichkeiten <strong>im</strong> Applaus Verlag,<br />
Zürich.<br />
Eigenlob stinkt. Ich weiss. Aber<br />
natürlich hat es einen Grund, warum<br />
ich mein Buch erwähne, zum wiederholten<br />
Mal. Erstens wegen meiner<br />
Züglerei, zweitens wegen den Schaufenstern<br />
<strong>im</strong> Kiosk «Quellenstrasse»<br />
in Zürich: Besitzer Joe Bürli dekoriert<br />
die mit viel Liebe. Und <strong>im</strong> <strong>Oktober</strong><br />
liegt eben mein Buch bei ihm <strong>im</strong><br />
Fenster auf. Bitte gucken gehen – und<br />
am besten gleich ein Exemplar kaufen.<br />
Oder zwei. Ist schliesslich Weihnachten<br />
demnächst. Oder so.<br />
Und wenn ich mich schon wiederhole,<br />
sei diesmal auch nochmals<br />
erwähnt: Mein Lieblingsverkäufer in<br />
Zürich ist der Arthur vom «Kitchener<br />
Plus». Er warf mir einmal an<br />
den Kopf, ich hätte einen Kutscherarsch.<br />
Besser bedient wurde und<br />
werde ich trotzdem nur selten. Ehrlichkeit<br />
währt länger. Übrigens: Der<br />
Kutscher arsch ist heute nur noch<br />
Kütschliärschli. Sagt auch der Arthur.<br />
Wie ich das geschafft habe? Weniger<br />
Kohlenhydrate, mehr Badminton.<br />
Eigenlob stinkt. Ich weiss, ich wiederhole<br />
mich. Nur: Hin und wieder<br />
drehen wir uns doch alle <strong>im</strong> Kreis.<br />
Schliesslich ist wieder Ballsaison, gell<br />
Hildi.<br />
www.brunoboetschi.ch<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
SERIE<br />
HOMOSEXUALITÄT IN GESCHCHTE<br />
UND LITERATUR<br />
21<br />
ZWEI KRIEGER<br />
IM LUXUSZELT<br />
Sie waren <strong>im</strong> griechischen Heer vor Troja, aber lange liessen sie den Kampf<br />
bleiben. Sie wuchsen wie zwei Brüder auf und hatten sich gern. Der Freund von<br />
Patroklos war der Mann mit der verwundbaren Ferse. Aus dem grossen Krieg<br />
kehrten beide nicht nach Hause zurück.<br />
VON ALAIN SOREL<br />
FOTO: ZVG (1)<br />
Die Rolle war massgeschneidert<br />
für ihn: Brad Pitt spielt in «Troja»,<br />
dem legendären Monumentalfilm<br />
von Wolfgang Petersen, den<br />
Achill, den Superhelden der griechischen<br />
Streitkräfte bei der Belagerung<br />
der kleinasiatischen Stadt Troja an<br />
der türkischen Küste. Ja, akkurat wie<br />
Brad Pitt hätte der Achill der griechischen<br />
Sage aussehen können: blondes<br />
halblanges Haar, ein herbes Gesicht<br />
umrahmend, blitzende, wachsame<br />
Augen, sehniger Körper, perfekt umschlossen<br />
von einer glänzenden Rüstung.<br />
Unerschrocken <strong>im</strong> Kampf, kühn<br />
vorwärtsstürmend ist der Achill von<br />
Brad Pitt, genau so, wie er in der Literatur<br />
geschildert wird. Ein Schrecken<br />
seiner Feinde. Gemäss mythologischer<br />
Überlieferung hatte sich Achill<br />
an der Spitze seiner Myrmidonen dem<br />
griechischen Expeditionsheer angeschlossen,<br />
das Troja für den Raub der<br />
Spartakönigin Helena bestrafen wollte.<br />
Doch zum «Spaziergang» wurde<br />
der Feldzug nicht, auch wenn ihn der<br />
Film auf wenige Wochen verkürzte<br />
(<strong>im</strong>merhin unter Bezugnahme auf vorangegangene<br />
Kämpfe). Der Dichter<br />
Homer setzt mit seiner Versdichtung,<br />
der «Ilias», <strong>im</strong> zehnten Jahr eines<br />
zermürbenden Stellungskrieges und<br />
militärischen Patts ein, in dem die<br />
Griechen gegen Troja anstürmten und<br />
mehrmals fast aufgerieben wurden.<br />
BRAD PITTS<br />
DER COMPUTERTECHNIK<br />
Die Trojaner – eine brandgefährliche<br />
Spezies. «Wem sagt ihr das», würden<br />
neben Achill auch andere griechische<br />
Heldengestalten uns zurufen. Nun, die<br />
Trojaner von heute haben es gleichfalls<br />
in sich. Sie stecken zwar nicht<br />
in sch<strong>im</strong>mernden Wehren, haben<br />
keine Lanzen und Schwerter, stellen<br />
sich nicht in den Weiten einer Landschaft<br />
auf, aber verstehen es meisterhaft,<br />
verdeckt zu operieren und dabei<br />
Datenwege zu benützen. Sie heissen<br />
nicht Hektor oder Aeneas, sondern<br />
beispielsweise «Dyre» und infizieren<br />
Rechner. Trojaner vermögen Chaos<br />
und Schaden in Elektronengehirnen<br />
anzurichten.<br />
WIE DER WIRKLICHE ACHILL<br />
AUSGESEHEN HAT, WEISS MAN<br />
HEUTE NICHT MEHR SO GENAU.<br />
Sie schmeicheln sich ein auf der<br />
Festplatte, tarnen sich als hilfreich<br />
und nützlich wie seinerzeit das Trojanische<br />
Pferd, von dem sie den Namen<br />
haben. Dieses hölzerne Ungetüm, als<br />
vermeintliche Opfergabe der Griechen<br />
an die Göttin Pallas Athene<br />
von den scheinbar mit ihrer Flotte<br />
abgezogenen Belagerern am Strand<br />
zurückgelassen und von den verblendeten<br />
Bewohnern Trojas in die Stadt<br />
hineingezogen, versteckte in seinem<br />
Bauch griechische Helden, die sich<br />
bereithielten, um in der Nacht hinauszuklettern,<br />
Schlüsselpositionen zu<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
22<br />
SERIE<br />
HOMOSEXUALITÄT IN GESCHCHTE<br />
UND LITERATUR<br />
besetzen, die Stadttore für die sich<br />
mit ihren Schiffen nur versteckt haltenden<br />
Kampfgenossen zu öffnen und<br />
die Stadt endlich einzunehmen.<br />
Aktuell ausgedrückt war nicht ein<br />
«Grexit» eingetreten, ein Abzug der<br />
Griechen aus der Troja-Zone, wie der<br />
Trojaner-König Priamos gemeint hatte.<br />
Nein, <strong>im</strong> Gegenteil: Es erfolgte ihr<br />
Einmarsch in Troja, wo sie unter den<br />
Einwohnern ein fürchterliches Blutbad<br />
anrichteten.<br />
EIN UNERHÖRTER<br />
VORGANG: EIN OFFIZIERS-<br />
UND SOLDATENSTREIK<br />
In der Sage sind in logischer Konsequenz<br />
die Trojaner die Opfer, <strong>im</strong><br />
Internet in einer Umkehrung der Tatsachen<br />
die Angreifer. Um diese Trojaner<br />
zu bekämpfen, braucht es Brad<br />
Pitts der Computertechnik. Muskeln<br />
sind dabei nicht so wichtig. Köpfchen<br />
müssen die haben, wie es – ja, wie es<br />
auch der Erfinder des Trojanischen<br />
Pferdes hatte, Odysseus. Kriegslisten<br />
gegen Trojaner – damals wie heute.<br />
Die erotische Ausstrahlungskraft<br />
der mythologischen Trojaner war<br />
ungleich stärker als die der elektronischen.<br />
Und ihre griechischen Gegner<br />
konnten da problemlos mithalten. Neben<br />
Achill ist etwa auch an Patroklos<br />
zu denken, seinen Freund und Waffengefährten.<br />
ACHTGEBEN AUFEINANDER<br />
Während antike Autoren Achill und<br />
Patroklos nicht nur Tisch, sondern<br />
auch Bett teilen liessen, mussten<br />
Brad Pitt und Garrett Hedlund den sexuellen<br />
Aspekt der Beziehung in Petersens<br />
Film nicht durchspielen. Die<br />
Originale in der Sage aber hatten sich<br />
so lieb, dass sie wussten: Würde der<br />
eine vor Troja fallen, wäre der andere<br />
gebrochen.<br />
Dann gab es – und wir halten uns<br />
an die Zeitrechnung von Homer – <strong>im</strong><br />
zehnten Jahr des Krieges ein schweres<br />
Zerwürfnis zwischen dem von<br />
Ehrgeiz zerfressenen Oberbefehlshaber<br />
der Armee, Agamemnon, und<br />
Achill. Mit der Folge, dass der Myrmidonenherrscher<br />
mit den Seinen<br />
den Kampfhandlungen ab sofort fernblieb.<br />
Ein unerhörter Vorgang: Ein<br />
Offiziers- und Soldatenstreik. Aber<br />
Achill konnte sich das leisten: Sein<br />
Vater Peleus war ein mächtiger König,<br />
seine Mutter, die Meeresnymphe<br />
Thetis, gar eine Unsterbliche, weshalb<br />
der Sohn ein Halbgott war. Unter<br />
den Griechen wollte sich niemand<br />
mit Achill anlegen. Und weil er in der<br />
Liebesbeziehung mit Patroklos der<br />
Beschützer, der gutmütige, grosse<br />
Bruder war, verbot er auch Patroklos<br />
den weiteren Waffengang mit den<br />
Trojanern. Mit dem Hintergedanken<br />
natürlich, damit auch das Leben des<br />
Freundes schonen zu können. «Make<br />
love, not war» lautete gewissermassen<br />
Achills Devise. Sie schliefen zusammen<br />
in ihrem Luxuszelt vor Troja<br />
und kuschelten, anstatt Schwerter<br />
und Speere zu schwingen und jene zu<br />
töten, die nichts anderes wollten, als<br />
ihre Stadt zu verteidigen.<br />
Achill war, vielleicht gerade <strong>im</strong><br />
sicheren Bewusstsein seiner Riesenkräfte,<br />
keine Kriegsgurgel. Einen Moment<br />
lang hatte er sich bei Ausbruch<br />
des Streits mit Agamemnon sogar<br />
überlegt, mit seinen Myrmidonen<br />
in sein Reich Phthia he<strong>im</strong>zukehren.<br />
Denn die Trojaner hätten ihm eigentlich<br />
nichts getan, nur aus Solidarität<br />
sei er mitgezogen. Was der Dichter<br />
in der «Ilias» durch Achill antönt, hat<br />
sich in der Realität in allen Epochen<br />
bestätigt: Die Menschheit hat sehr<br />
viele Kriege geführt, die hätten vermieden<br />
werden können.<br />
Achill und Patroklos blieben – und<br />
vor Troja sollten ihre Lebenswege zu<br />
Ende gehen, die sich in ihrer Kindheit<br />
HOMOSEXUALITÄT<br />
IN GESCHICHTE UND<br />
LITERATUR<br />
Mehr oder weniger versteckt findet sich<br />
das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte,<br />
der Politik, in antiken Sagen<br />
und traditionellen Märchen – in der Literatur<br />
ganz allgemein – <strong>im</strong>mer wieder. <strong>Cruiser</strong><br />
greift einzelne Beispiele heraus, würzt<br />
sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische<br />
Zusammenhänge und wünscht<br />
bei der Lektüre viel Spass – und hie und<br />
da auch neue oder zumindest aufgefrischte<br />
Erkenntnisse. Diese Folge befasst sich mit<br />
einem Freundespaar, das in einem Krieg<br />
mitmischt.<br />
erstmals gekreuzt hatten. Patroklos<br />
war in der Familie des Achill gross<br />
geworden. Die beiden Burschen wurden<br />
schnell einmal ein Herz und eine<br />
Seele – und ihre Körper fanden sich<br />
auch …<br />
MAHNUNG NICHT BEHERZIGT<br />
Schauplatz Troja: Eines Tages drang<br />
der Kampflärm näher und näher zu<br />
den Freunden. Die Trojaner trieben<br />
die ohne Achill geschwächten Griechen<br />
vor sich her zu den Schiffen, die<br />
allein die Rückkehr in die He<strong>im</strong>at gewährleisteten.<br />
Jetzt konnte Patroklos<br />
nicht mehr an sich halten, bestürmte<br />
Achill, endlich von seinem Zorn abzulassen<br />
– oder aber ihm zu erlauben,<br />
mit den Myrmidonen einzugreifen.<br />
Wollte nun der mächtige Freund<br />
dem Drängenden endlich wieder einmal<br />
ein Erfolgserlebnis gönnen oder<br />
verkannte er in seiner selbstgewählten<br />
Zwangspause die Gefahr? Achill<br />
gab nach – mit einem letzten grossen<br />
Akt der Fürsorglichkeit. Er erlaubte<br />
Patroklos nur, die Attacke des Gegners<br />
auf die Schiffe abzuwehren.<br />
Doch Patroklos vergass – buchstäblich<br />
in der Hitze des Gefechts – die<br />
Mahnung, setzte den nun wieder<br />
fliehenden Trojanern nach und wurde<br />
vor den Stadtmauern von Hektor,<br />
dem stärksten Verteidiger der Stadt,<br />
mit der Lanze erlegt. Mit seinem Tod<br />
erkaufte er die Rückkehr Achills ins<br />
Kampfgetümmel, denn dieser, halb<br />
wahnsinnig vor Leid um den gefallenen<br />
Freund und getrieben von Rachedurst,<br />
suchte den Zweikampf mit<br />
Hektor und tötete den trojanischen<br />
Prinzen.<br />
Doch Achill selbst traf kurze Zeit<br />
später in der Schlacht ein Pfeil aus<br />
dem Hinterhalt in die berühmte Ferse,<br />
die einzige Stelle seines Körpers,<br />
die verwundbar war – die Achillesferse<br />
eben – und brachte ihm den Tod.<br />
Jeder, und sei er noch so unangefochten<br />
sonst, hat Schwachpunkte – auch<br />
solche, die als Halbgötter gelten, haben<br />
eines Tages loszulassen. Den Fall<br />
Trojas erlebte Achill nicht mehr – nur<br />
bei Brad Pitt war das anders. Der<br />
Film wollte ihn unbedingt <strong>im</strong> Trojanischen<br />
Pferd haben, weshalb die Regie<br />
den Tod des Helden kurzerhand auf<br />
die Nacht verschob, in der Troja in<br />
Schutt und Asche gelegt wurde. <br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
KOLUMNE 23<br />
MICHI RÜEGG<br />
DIE GUTEN MÄNNER<br />
VON SZECHUAN<br />
VON MICHI RÜEGG<br />
Ich bin neulich in ein Flugzeug gestiegen<br />
und nach China geflogen.<br />
Nach Chengdu, <strong>im</strong> Südwesten, in<br />
der Provinz Szechuan. Das ist eine<br />
in Europa mehrheitlich unbekannte<br />
Siedlung mit lächerlichen 13 Millionen<br />
Menschen. Wenig überraschend<br />
sind fast alle davon Chinesen, wobei<br />
man auch auf Minderheiten wie<br />
Tibeter, Qiang, Musl<strong>im</strong>e und Schwule<br />
trifft. Es war meine erste Reise nach<br />
China. Und ich fand auch die putzigen<br />
Altstadthäuser mit ihren typischen<br />
geschwungenen Dächern vor.<br />
Wobei, die waren mehrheitlich aus<br />
Kunststoff, nachgebaut, für die (chinesischen)<br />
Touristen. Der Rest ist<br />
moderne Stadt.<br />
Das mit dem Kapitalismus haben<br />
die mittlerweile recht gut <strong>im</strong> Griff:<br />
Die Louis-Vuitton-Filiale umfasst drei<br />
Stockwerke und der Bally-Laden ist<br />
etwa doppelt so gross wie derjenige<br />
in St. Moritz. Die Leute shoppen den<br />
ganzen Tag, wobei sie kaum je etwas<br />
kaufen. Ausser am Wühltisch <strong>im</strong> japanischen<br />
Department Store.<br />
Das Staatsfernsehen hat sogar einen<br />
englischsprachigen Sender. Dort<br />
verlesen schöne weisse Menschen,<br />
die in Europa nach ihrem Journalismusstudium<br />
keinen Job gefunden haben,<br />
den ganzen Tag Nachrichten aus<br />
aller Welt. Als ich <strong>im</strong> Lande weilte,<br />
berichtete der Sender über die Vorbereitungen<br />
zur grossen Militärparade<br />
– zum Jahrestag des Endes des<br />
Zweiten Weltkriegs. Draussen auf der<br />
Strasse sassen derweil alte Männer<br />
auf Plastikstühlen und zogen sich Tag<br />
und Nacht Kriegsfilme über die Gräueltaten<br />
der japanischen Besatzer rein,<br />
projiziert auf Grossleinwände.<br />
Der Staatsjournalist, der am Fernsehen<br />
über den Beitrag der Luftwaffe<br />
zur anstehenden Parade berichtete,<br />
interviewte einen hohen Offizier.<br />
Dieser erklärte, die Armee <strong>im</strong> Reich<br />
der Mitte stünde mitten in einem<br />
Reformprozess. Man kaufe viele moderne<br />
Flugzeuge. Die Militärstrategie<br />
Chinas sei bislang auf Verteidigung<br />
ausgerichtet gewesen. Nun wolle man<br />
eine Armee, die auch Angriffe führen<br />
könne. Damit, so der Mann, würde<br />
die Armee der neuen Rolle gerecht,<br />
die das Land auf der Welt einnehme.<br />
Keine Frage, hier reagiert China auf<br />
den japanischen Premier, der vor<br />
einer Weile sein Verteidigungs- in<br />
Kriegsministerium umtaufte.<br />
Allerdings verspürt der ganz und<br />
gar pazifistische westliche Besucher<br />
angesichts dieser stolzen Ankündigung<br />
ein gewisses Unbehagen. Wen<br />
möchte Beijing denn genau angreifen?<br />
Russland und Indien scheiden<br />
aus, Japan wohl auch, sonst gibts ein<br />
Gemetzel. Verbleiben ein paar kleinere<br />
Länder Indochinas und Korea. Und<br />
die werden sich sagen: Ach herrje, ob<br />
wir nun von chinesischen Billigtouristen<br />
oder von ihrer Armee überrannt<br />
werden, kommt nun wirklich auf dasselbe<br />
heraus.<br />
Allerdings fragt sich der Beobachter<br />
aus dem Westen auch, wie denn<br />
China einen solchen Überfall auf einen<br />
Nachbarstaat an die Hand nehmen<br />
wollte – angesichts der Tatsache,<br />
dass der typische Chinese permanent<br />
mit einer Hand an seinem Smartphone<br />
rumspielt. «Moment, ich schiesse<br />
gleich, nur noch schnell whatsappen.»<br />
Doch die Ablenkung durch iPhone<br />
und Samsung Galaxy ist nicht das einzige<br />
Problem, mit dem die chinesische<br />
Militärführung <strong>im</strong> Falle eines solchen<br />
Angriffsplans zu kämpfen hätte.<br />
ACH HERRJE, OB WIR NUN<br />
VON CHINESISCHEN BIL-<br />
LIGTOURISTEN ODER VON<br />
IHRER ARMEE ÜBERRANNT<br />
WERDEN, KOMMT NUN<br />
WIRKLICH AUF DASSELBE<br />
HERAUS.<br />
Denn während China in Asien nun<br />
den starken Mann spielt, verliert die<br />
männliche Bevölkerung drastisch an<br />
Männlichkeit. Zwar w<strong>im</strong>melt es von<br />
Penisträgern – denn die Ein-Kind-Politik<br />
verunmöglichte es so manchem<br />
weiblichen Fötus, sich einzunisten;<br />
es wurde freudigst abgetrieben, bis<br />
ein Stammhalter in der Gebärmutter<br />
sass. An Männern herrscht also kein<br />
Mangel.<br />
Das wiederum führt dazu, dass die<br />
junge chinesische Frau aus einem<br />
ganzen Arsenal von Kerlen aussuchen<br />
kann. Und natürlich stellt sie Ansprüche<br />
an Galanterie. So sieht man selten<br />
eine junge Chinesin ihre Handtasche<br />
selber tragen – diese Aufgabe obliegt<br />
ihrem Partner. Wer also Männer mit<br />
den neusten Täschchen von Michael<br />
Kors und Co. (alles Originale, die<br />
Kopien fertigt man für weisse Mittelmeertouristen<br />
an) sehen möchte, der<br />
muss nach China. Ruppiges Verhalten<br />
kommt bei den Damen hingegen weniger<br />
gut an. Der Mann muss hilfsbereit,<br />
geschmeidig und einfühlsam<br />
sein. Sonst wird er ausgewechselt gegen<br />
einen, der das besser kann.<br />
Die Ein-Kind-Politik hat damit<br />
letztlich zwar biologisch gesehen<br />
mehr Männer produziert. Doch sie<br />
hat ebenso die Männlichkeit gekillt.<br />
Denn der neue chinesische Mann ist<br />
einer, der es punkto Qualitäten mit<br />
jeder Frau aufnehmen kann. Und<br />
der nicht mit dem Maschinengewehr<br />
übers Reisfeld rennt, sondern<br />
das Handtäschchen selbstbewusst<br />
in der einen, das Smartphone in der<br />
anderen Hand, durch die glitzernden<br />
Shoppingmalls des neuen China<br />
schlurft.<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
24<br />
KOLUMNE<br />
PIA SPATZ<br />
SEHEN UND<br />
GESEHEN WERDEN<br />
Pia guckt in diverse dunkle Öffnungen hinein<br />
und würde liebend gerne auch in die Augen ihres<br />
Arztes sehen.<br />
VON PIA SPATZ<br />
Ich sehe, also bin ich – so mein Motto<br />
für den <strong>Oktober</strong>, ihr Lieben. Nicht,<br />
dass ich dabei das Denken vergesse:<br />
Cogito ergo sum versteht sich das<br />
ganze Jahr über. Allerdings verfügen<br />
wir nicht alle über Supermans Röntgenblicke,<br />
um in dunkle Abgründe<br />
oder auch in weniger tiefe Körperöffnungen<br />
zu spähen. Lasst uns deshalb<br />
über die Syphilis reden, eine ziemlich<br />
fiese Bakterie, die <strong>im</strong>mer mal wieder<br />
zum Comeback ansetzt. Wir denken,<br />
wir kennen das Miststück, weil sie<br />
an pr<strong>im</strong>ären Geschlechtsteilen einige<br />
Tage nach der Infektion unschöne<br />
«LASST UNS DESHALB<br />
ÜBER DIE SYPHILIS<br />
REDEN, EINE ZIEMLICH<br />
FIESE BAKTERIE.»<br />
Krater hinterlässt – die dann nicht<br />
einmal weh tun! Aber dieses Ding<br />
kann auch <strong>im</strong> schönen Kussmund<br />
oder <strong>im</strong> super durchgespülten Füdli<br />
vorkommen, halt überall dort, wo<br />
man sich angesteckt hat. Weil: «tut<br />
nicht weh» heisst: «merke nüt!» Also<br />
trägt man die Syphilis gut und gerne<br />
in die Welt hinaus. Doch hier kommen<br />
meine tollen und erfahrenen Männer<br />
vom Checkpoint Zürich ins Spiel. Im<br />
<strong>Oktober</strong> bieten sie wieder Gratis-Syphilistests<br />
an und machen es uns einfach,<br />
diesen versteckten Bakterien<br />
TIPPS UND TRICKS<br />
GIBT DAHER DER CHECK-<br />
POINT-TALK, DAMIT DER<br />
NÄCHSTE BESUCH BEIM<br />
ARZT AUF GLEICHER<br />
AUGENHÖHE ABLÄUFT.<br />
den Garaus zu machen! In Saunas<br />
und Clubs werden sie diese Tests<br />
vornehmen; ein Picks und die Sache<br />
ist geritzt. Zeigt der Test an, dann ist<br />
eine Syphilis leicht mit Antibiotika zu<br />
behandeln. Bringen wir also Licht ins<br />
Dunkel, damit es auch das nächste<br />
Mal bei Kerzenschein wieder so richtig<br />
Spass macht.<br />
Von wegen sehen und gesehen<br />
werden: Ein Besuch be<strong>im</strong> Gott in<br />
Weiss, sprich, dem Arzt des Vertrauens<br />
(oder einer Göttin), läuft ja oft sowohl<br />
verbal wie auch körperlich ab.<br />
Dabei ist der Augenkontakt enorm<br />
wichtig und schafft Vertrauen. Nicht,<br />
dass eine ärztliche Visite sexy wäre (je<br />
nach Gottheit ...), aber es lohnt sich,<br />
erwähntes Vertrauen einzuholen und<br />
– bei Bedarf – über Sex und Lifesty-<br />
le zu reden. Sonst weiss der Gute ja<br />
nicht, wo er überhaupt suchen soll.<br />
Weswegen der nächste «Checkpoint<br />
<strong>im</strong> Gespräch» am 15. <strong>Oktober</strong> genau<br />
dieses Thema unter das Mikroskop<br />
n<strong>im</strong>mt: Reden mit dem Arzt. Keine<br />
Sorge, man soll sich nicht «Grey’s<br />
Anatomy»-mässig durch 15 Minuten<br />
Selbstbehalt quatschen – aber ist ein<br />
ideales Gespräch überhaupt möglich,<br />
wenn sich Onkel Doktor hinter Laborwerten<br />
und Display verbirgt? Viele<br />
Männer bewegen sich bei solchen<br />
Besuchen zudem in einer Art «neutralen<br />
Zone». Was einem konkret mit<br />
anderen Männern und unter welchen<br />
Umständen Spass macht, kommt dabei<br />
zu kurz – und der arme Doc zäumt<br />
das Ross sozusagen am Schwanz<br />
auf. Tipps und Tricks gibt daher der<br />
Checkpoint-Talk, damit der nächste<br />
Besuch be<strong>im</strong> Arzt auf gleicher Augenhöhe<br />
abläuft.<br />
Apropos Augen auf die Weide lassen:<br />
Am Pink Monday <strong>2015</strong> – das<br />
schwule <strong>Oktober</strong>fest geht am 26. <strong>Oktober</strong><br />
in die nächste Runde – werden<br />
800 Familienmitglieder erwartet, um<br />
die Bierglasböden und strammen<br />
Wädli mit Argusaugen zu erkunden.<br />
Logisch, dass ich dort mit Weitsicht<br />
und meinem Chörbli aufwarte.<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
RATGEBER AIDS-HILFE 25<br />
DR.GAY<br />
Dr. Gay<br />
ER IST NICHT GEOUTET<br />
Seit etwa einem Monat habe ich einen<br />
Freund und es läuft eigentlich alles<br />
super. Nur ist er nicht ganz geoutet,<br />
vor allem wegen seines Arbeitsplatzes.<br />
Irgendwie stört es mich, dass er<br />
nicht klar zu mir und unserer Beziehung<br />
stehen kann. Björn (23)<br />
Hallo Björn<br />
Das Coming-out deines Freundes ist<br />
eine sehr persönliche Angelegenheit.<br />
Wenn es schlussendlich sein Wunsch<br />
ist, sich nicht zu outen, solltest du das<br />
respektieren. Ich denke nicht, dass<br />
dies ein Zeichen dafür ist, dass er<br />
nicht zu eurer Beziehung steht. Wie<br />
du selber schreibst, läuft doch sonst<br />
eigentlich alles super. Wenn ihr, du<br />
oder dein Freund, weitere Unterstützung<br />
be<strong>im</strong> Coming-out braucht, könnte<br />
das kostenlose Beratungsangebot<br />
«Du bist du» vielleicht helfen. Weitere<br />
Informationen findest du unter:<br />
www.du-bist-du.ch.<br />
IST DAS EIN HIV-RISIKO?<br />
Ich hatte ein Abenteuer mit einem<br />
mir nicht näher bekannten Mann.<br />
Wir hatten Oralsex ohne Sperma <strong>im</strong><br />
Mund und haben uns gegenseitig gewichst.<br />
Er kam zuerst und hat mir auf<br />
die Brust gespritzt. Soweit also kein<br />
HIV-Risiko. Nach etwa zwei Minuten<br />
hat er seine Hand mit Gleitmittel eingerieben<br />
und mir einen runtergeholt.<br />
Ich habe es zwar nicht gesehen, aber<br />
wenn er noch Sperma an der Hand<br />
gehabt hätte, wäre das ein HIV-Risiko?<br />
Marcel (25)<br />
Hallo Marcel<br />
Ich kann dich beruhigen. Eine Übertragung<br />
von HIV durch Spermareste<br />
auf der Hand, so wie du es beschreibst,<br />
ist kaum denkbar. HIV ist ein relativ<br />
schwer übertragbares Virus. Für eine<br />
Infektion braucht es unter anderem<br />
eine ausreichende Menge an infektiöser<br />
Körperflüssigkeit, was hier nicht<br />
der Fall war. Abgesehen davon verliert<br />
das HI-Virus an der Luft relativ<br />
rasch an Infektiosität. Anders sieht es<br />
allerdings aus, wenn die ganze Ladung<br />
Sperma direkt als Wichs- oder Gleitmittel<br />
verwendet wird. Davon rate ich<br />
klar ab. Wenn du trotzdem einen Test<br />
machen willst, ist dieser bereits nach<br />
2 Wochen möglich. Er muss aber<br />
nach drei Monaten mit einem Antikörper-Test<br />
bestätigt werden. Das kannst<br />
du beispielsweise be<strong>im</strong> Checkpoint<br />
machen. www.mycheckpoint.ch<br />
DR. GAY<br />
Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-<br />
Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online<br />
auf www.drgay.ch gestellt. Die Redaktion<br />
druckt die Fragen genau so ab, wie sie<br />
online gestellt werden.<br />
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26<br />
SERIE<br />
PERSÖNLICHKEITEN<br />
IKONEN VON DAMALS<br />
SANDRA<br />
In unserer Serie stellen wir Ikonen aus vergangenen Dekaden vor, berichten über<br />
gefallene Helden und hoffnungsvolle Skandalsternchen aus längst vergangenen<br />
(Gay-)Tagen. Dieses Mal: Sandra oder der verzweifelte Versuch eines Comebacks.<br />
VON HAYMO EMPL<br />
Eigentlich hatten wir K<strong>im</strong> Wilde<br />
<strong>im</strong> Programm für diese Ausgabe;<br />
K<strong>im</strong> ziert sich aber bezüglich eines<br />
Interviews noch etwas und daher<br />
ziehen wir Sandra vor. In den 80ern<br />
schmetterte sie «Maria Magdalena»,<br />
«In The Heat Of The Night» und natürlich<br />
«Everlasting Love» (in einer<br />
grandiosen Maxi-Single-Version, dies<br />
so nebenbei).<br />
2007 WIRKTE SANDRA<br />
IN EINEM TV-INTERVIEW<br />
SICHTLICH «DOWN<br />
TO EARTH» UND ETWAS<br />
FRUSTRIERT.<br />
SANDRA HEUTE: IHRE KOMMERZIELLEN MISSERFOLGE<br />
SCHLAGEN SICH AUCH OPTISCH NIEDER.<br />
Sandra – eigentlich Sandra Ann<br />
Lauer aus Saarbrücken – verkaufte<br />
33 Millionen Tonträger. Und das vor<br />
allem in den 1980er-Jahren. Beinahe<br />
wöchentlich war sie auf dem<br />
Bravo-Cover zu sehen und obschon<br />
sie nie eine grosse Gay-Affinität hatte,<br />
mutierte Sandra schnell zu einer<br />
Gay-Ikone. Vielleicht lag es einfach<br />
auch daran, dass die von Michel Cretu<br />
komponierten Hits den «cheesy-groove»<br />
haben, den die Gays oft so lieben.<br />
Cretu komponierte, Sandra sang sich<br />
FOTO: PD (1)<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
27<br />
SANDRA IN DEN 1980ER-JAHREN AUF<br />
DEM HÖHEPUNKT IHRER KARRIERE.<br />
<strong>im</strong> audiotechnischen Hall durch die<br />
Charts und dann war plötzlich nichts<br />
mehr. Keine Hits. Nada. Bis dann<br />
plötzlich während des 1. Golfkrieges<br />
seltsam spirituelle Ethnoklänge aus<br />
dem Radio klangen. (Man hatte das<br />
damals noch.) Lange war nicht klar,<br />
wer hinter dem Hit «Sadeness» (und<br />
warum der Titel falsch geschrieben<br />
wurde seinerzeit steckte) – bis dann<br />
quasi das Outing erfolgte. Sandra<br />
mit noch mehr Hall und noch sinnfreieren<br />
Texten. Produziert von Cretu,<br />
der mittlerweile mit der Sängerin<br />
verheiratet war. Es folgten dann<br />
noch ein paar frühe 1990er-Hits mit<br />
Eng<strong>im</strong>a und dann begann das grosse<br />
Jammern. Denn: Sandra hätte gerne<br />
weitergemacht, Ehemann Michel<br />
Cretu produzierte aber lieber weitere<br />
Enigma-Alben und Sandra durfte<br />
dabei nur hauchen und ein bisschen<br />
sprechen.<br />
Immerhin: Der Busenfreund von<br />
Michel Cretu – Jens Gand – erbarmte<br />
sich und nahm mit Sandra neue Solo-CDs<br />
auf. Der Erfolg blieb aus, die<br />
Hits fehlten. 2007 wirkte Sandra in einem<br />
TV-Interview sichtlich «Down To<br />
Earth» und etwas frustriert. Auch gab<br />
sie sich nicht mehr ganz so sexy. Ob<br />
die 2012er-Zusammenarbeit mit DJ<br />
Bobo kurz zuvor («Secrets Of Love»)<br />
taktisch eine kluge Entscheidung war,<br />
bleibt dahin gestellt. Der mangelnde<br />
Erfolg scheint der Sängerin nicht so<br />
gut zu bekommen; ihre St<strong>im</strong>me ist<br />
live einfach zu dünn (und mittlerweile<br />
auch sehr rauchig) und bei einem<br />
Playbackauftritt in Russland 2014 ist<br />
die Gute auch sichtlich aus dem Le<strong>im</strong><br />
gegangen, wie unser Bild beweist.<br />
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gewachsen sind. Fragen Sie nach unserer Erbschaftsberatung.
28<br />
NEUE SERIE<br />
JOURNEYLICIOUS<br />
NEUE SERIE:<br />
JOURNEYLICIOUS<br />
Gerade wenns draussen wieder kälter wird, packt viele das Fernweh. So auch<br />
unsere Reisefüdlis Jenny & Tanja. Die beiden fliegen in den kommenden Monaten<br />
einmal um die Welt und berichten künftig an dieser Stelle von Tops & Flops,<br />
von spannenden Begegnungen und weniger erfreulichen Konfrontationen.<br />
VON HAYMO EMPL<br />
<strong>Cruiser</strong>: Was muss man arbeiten, um<br />
sich einfach mal <strong>im</strong> Stil von «Ich bin<br />
dann mal weg» für ein Jahr verabschieden<br />
zu können?<br />
Jenny: Ich bin «Kundenberaterin Zeitungsdruck»<br />
in einer Druckerei.<br />
Tanja: Ich habe als Reiseverkehrskauffrau<br />
natürlich eine hohe Affinität<br />
zum Reisen …<br />
Wohin solls denn gehen?<br />
Jenny: Bangkok – Singapur – Bali –<br />
Australien – Fidschi – Mexico – Los<br />
Angeles – Vancouver … – dort bleiben<br />
wir dann etwas länger und hoffen in<br />
Vancouver für einige Monate einen<br />
Job zu finden. Aber wer weiss? Vielleicht<br />
stellen wir die Route unterwegs<br />
auch noch spontan um.<br />
Was ist die Motivation hinter dieser<br />
Reise? Es könnte doch einfach ein<br />
längerer Urlaub sein, es muss ja nicht<br />
gerade eine Weltreise sein!<br />
Tanja: Wir sind beide chronisch<br />
reisesüchtig und wollten schon <strong>im</strong>mer<br />
eine Weltreise machen.<br />
In einem Urlaub hat man <strong>im</strong>mer ein<br />
sehr begrenztes Zeitfenster, man<br />
muss sich stark einschränken und<br />
vorausplanen. In diesem Jahr freuen<br />
wir uns auf das Ungewisse und die<br />
Flexibilität.<br />
Wir lieben es Neues zu entdecken,<br />
neue Menschen und fremde Kulturen<br />
kennenzulernen, fremdes Essen zu<br />
kosten. Wir möchten beide noch einmal<br />
dem Alltagstrott entfliehen (wir<br />
waren bereits 2008/2009 zusammen<br />
für ein Jahr in Kanada – Work&Travel)<br />
und ein Leben ausserhalb der gesellschaftlichen<br />
Norm leben.<br />
Jenny: Das Näherrücken der 30 (ich<br />
dieses Jahr & Tanja nächstes Jahr)<br />
war zudem ein kleiner «Schubs»,<br />
nochmals was «Grosses» zu machen.<br />
«Jetzt oder nie» ist die Devise.<br />
Wie macht ihr es mit dem Gepäck?<br />
Rucksack … Koffer … oder <strong>im</strong>mer alles<br />
neu kaufen?<br />
Jenny: Wir sind keine klassischen<br />
Backpacker, eher sogenannte «Flashpacker»…<br />
Das heisst, wir werden einen Kofferrucksack<br />
mitnehmen. Sehr praktisch,<br />
da er sich wie eine Reisetasche packen<br />
und wie ein Trolley auf zwei Rädern<br />
ziehen lässt. Und wenn es das<br />
Terrain verlangt, kann er einfach zu<br />
einem bequemen Backpack umfunktioniert<br />
werden.<br />
Was macht euch Bauchschmerzen<br />
bzw. Kopfzerbrechen? Gab oder gibt<br />
es noch besondere Hürden?<br />
Tanja: Die besondere Hürde für Jenny<br />
war wohl, dass sie ihren Job kündigen<br />
musste, weil ihr Arbeitgeber ihr<br />
kein Sabbatical gewähren konnte. Für<br />
mich wars und ists eher in Bezug auf<br />
die Packerei eine Herausforderung:<br />
Wie soll ein Jahr in einen Kofferrucksack<br />
passen?<br />
Was ist mit euren Wohnungen? Vermietet<br />
ihr die? Oder habt ihr sie aufgelöst?<br />
Tanja: Die Wohnungen sind bereits<br />
aufgelöst und wir wohnen – um zu<br />
sparen – bis zur Abreise bei unseren<br />
Eltern.<br />
JENNY UND TANJA<br />
werden ab 1. Dezember in unregelmässigen<br />
Abständen auf www.cruisermagazin.ch in<br />
ihrem Reiseblog über ihre Erlebnisse<br />
berichten.<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
LIFESTYLE<br />
FITNESS<br />
29<br />
WER, WO UND<br />
WIE RUMSTRAMPELT<br />
700 000 Schweizer stählen mehr oder weniger<br />
regelmässig die Muskeln. Ein Weltrekord, der sich<br />
in Helvetien mit einem Gym an jeder Ecke zeigt.<br />
Doch, wer trainiert wo? Und wie sieht es mit den<br />
Flirtchancen aus?<br />
FOTOS: FOTOLIA (2)<br />
VON MOEL MAPHY<br />
Wie pflegte Fitness-Ikone Jane<br />
Fonda zu sagen: «And up. And<br />
down. And breathe. And now<br />
to the left …» – oder an die Kraftmaschine,<br />
und davon stehen überall jede<br />
Menge. Doch wer schwitzt wo? Um<br />
das herauszufinden, genügen zwei<br />
Indizien: das Outfit und die Gadgets.<br />
Beginnen wir mit den Outfits.<br />
Wenn <strong>im</strong> Gym die Sportbegeisterten<br />
in einem langärmligen «Abercrombie»-Shirt<br />
schwitzen, dann tun sie das<br />
ziemlich sicher <strong>im</strong> «David-Gym» am<br />
Letzigraben in Zürich. Denn dort wird<br />
seriös und nicht mehr ganz zeitgemäss<br />
(siehe Outfit) trainiert. Das Ziel:<br />
rapider Muskelzuwachs. Weil man<br />
den Konkurrenten an der Maschine<br />
gegenüber über seinen Bizepsumfang<br />
aber <strong>im</strong> Unklaren lassen will, trainiert<br />
man in – genau! – einem langärmligen<br />
Shirt.<br />
Wer in einer Muskelbude gelandet<br />
ist und dort zwischen Hanteln und<br />
Laufbändern weniger Muskeln als<br />
plaudernde Menschen sieht (mobiler<br />
Champagner-Cüplihalter inklusive),<br />
der hat sich in einen Migros-Fitness-Park<br />
verirrt, mit bekanntlich<br />
hohem Gay-Faktor. In Zürich wäre<br />
das derjenige <strong>im</strong> «Puls 5». Denn dort<br />
– also in jenem Club – treffen sich all<br />
die Leute wieder, die sich zuvor schon<br />
<strong>im</strong> Café Gloria <strong>im</strong> Kreis 5 getroffen<br />
haben. Und weil alle selbstständig erwerbend<br />
sind, wird be<strong>im</strong> Cüpli auch<br />
gleich übers Business geredet.<br />
BEGINNEN WIR MIT DEN<br />
OUTFITS. WENN IM GYM<br />
DIE SPORTBEGEISTERTEN<br />
IN EINEM LANGÄRMLIGEN<br />
«ABERCROMBIE»-SHIRT<br />
SCHWITZEN, DANN TUN<br />
SIE DAS ZIEMLICH SICHER<br />
IM «DAVID-GYM» AM<br />
LETZIGRABEN IN ZÜRICH.<br />
Hat man sich vom Hipster-Look<br />
bereits verabschiedet und trägt Funktionsfitnesskleidung,<br />
dann trainiert<br />
man ziemlich sicher in einem der<br />
«Holmes Places». Diese Kette gibt<br />
sich nobel, hat aber in den letzten<br />
Jahren etwas an Glamour eingebüsst.<br />
Man trifft dort gerne Ex-Szenies,<br />
Ex-Hipsters und in der Regel auch<br />
noch seinen Ex. Aktuell verlost «Holmes<br />
Place» gerade einen Trip in einen<br />
Robinson-Club in Spanien. Robinson-Club?<br />
Das sind doch diese Ressorts<br />
aus den 1980er-Jahren? Genau.<br />
Andere wiederum legen Wert auf<br />
Betreuung. Outfit: egal. Diese Spezies<br />
trainiert gerne in kleinen Fitnessclubs,<br />
dort darf man sich aber natürlich<br />
nicht als Gay outen, denn das<br />
würde für Verwirrung sorgen. Dort<br />
FÜR EINEN STAHLHARTEN<br />
BODY BRAUCHT ES DAS<br />
RICHTIGE FITNESSCENTER<br />
hört man auch ziemlich selten mittels<br />
Kopfhörer Musik, sondern diskutiert<br />
eher über die neusten Nahrungsergänzungsmittel<br />
(und anderes, das es<br />
noch so gibt, um schnell Muskeln zu<br />
bekommen). Apropos Musik: Geht<br />
man nach den Gadgets, lassen sich<br />
wiederum verschiedene Fitnesscenters<br />
und Typen ausmachen. Wer beispielsweise<br />
eine Apple-Watch als Fitnesstracker<br />
trägt, trainiert ziemlich<br />
sicher in einem «Activ Fitness»-Studio.<br />
Diese Kette ist günstig und daher<br />
kann man sich mit dem Ersparten<br />
ein solches Teil leisten. Und genau so<br />
unstylish und uncool wie die «Activ<br />
Fitness»-Centers sind, ist passenderweise<br />
auch die Apple-Uhr. Mehr Zurückhaltung<br />
zeigt, wer «Fitbit» trägt.<br />
Funktionelles Gadget, entsprechendes<br />
Fitnesscenter. Beispielsweise die<br />
Muskelbuden von «Silhouette». Dort<br />
trifft so ziemlich jeder auf alle, und<br />
das ganz unprätentiös. Auf dem Vitaparcours<br />
gehts ebenfalls schlicht zu<br />
und her. Dort braucht man aber idealerweise<br />
als Gadget einen Hund. Dies<br />
empfiehlt sich generell, wenn es darum<br />
geht, mit Leuten ins Gespräch zu<br />
kommen. Denn dafür sind alle Gyms<br />
in der Regel absolut ungeeignet.<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
30<br />
KOLUMNE<br />
THOMMEN MEINT<br />
«WENN ICH NICHT<br />
LIEBEN DARF...<br />
… dürfens andere auch nicht!»* Das ist eine Haltung –<br />
auch unter Männern –, die sich heute wieder mehr und<br />
mehr verbreitet. Sehr oft wird dabei der Sex «mitgemeint»<br />
oder gar gleichgestellt, angelernt in der Familie<br />
und der heterosexuellen Kultur – und ein Teil der<br />
Männerliebenden möchte da auch unbedingt dabei sein!<br />
VON PETER THOMMEN<br />
Klara Obermüller schrieb in der<br />
NZZaS ** über Papst Franziskus,<br />
er habe eigentlich nirgendwo<br />
eine «Wende» eingeleitet, er sei einfach<br />
«konzilianter» geworden. «Wenn<br />
jemand schwul ist und Gott mit ganzem<br />
Herzen sucht, wer bin ich, über<br />
ihn zu urteilen?», zitiert sie ihn. Ich<br />
habe schon früh den Eindruck bekommen,<br />
dass Männerliebende gerne<br />
über sich selber und andere «urteilen».<br />
Die «queer community» beeilt sich<br />
seit einiger Zeit, darüber zu urteilen,<br />
wer von all diesen Grüppchen, die mit<br />
Buchstaben bezeichnet werden, mehr<br />
oder weniger diskr<strong>im</strong>iniert sei. Ich<br />
sehe aber alle einfach jeweils anders<br />
diskr<strong>im</strong>iniert. Und der Konzilblick ist<br />
eben mehr als ein Papstblick. Oder<br />
der auf einen definierten Body.<br />
Die Willkommenskultur von heute<br />
lässt den Gayblick auf die individuellen<br />
Vergangenheiten fast nicht mehr<br />
zu. Es kann uns doch nur noch besser<br />
gehen? Ich werde <strong>im</strong>mer wieder genötigt,<br />
den Blick von der Vergangenheit<br />
abzuwenden und auf die Gegenwart<br />
zu richten. Wir sollten vielleicht<br />
doch alles ruhen lassen? Ich denke<br />
daran, dass viele Männerliebenden<br />
einen grossen Rucksack mit sich herumtragen,<br />
worin ihre Biografien ruhen.<br />
Und bei jedem Date und jedem<br />
Beziehungsversuch, jeder Enttäuschung<br />
und jeder Beleidigung wird er<br />
grösser. Und die Suche mit ganzem<br />
«UND JETZT, NACH<br />
ETWA DREI JAHRZEHNTEN,<br />
ERGIBT DAS ENDLICH<br />
EINEN SINN FÜR MICH!<br />
ER WOLLTE DEN BALLAST<br />
IN SEINEM RUCKSACK<br />
LOSWERDEN!».<br />
Herzen nach einem Prinzen wird <strong>im</strong>mer<br />
inbrünstiger ...<br />
Ich weiss schon lange, dass<br />
Männerliebende für sich selbst das<br />
allergrösste Verständnis für ihre Situation<br />
und ihre Probleme erwarten<br />
und gar auch einfordern. Aber mit<br />
dem Verständnis für die anderen<br />
Männerliebenden sind sie dann doch<br />
überfordert. Wer sollte dieses Verständnis<br />
auch aufbringen können,<br />
wenn er damit bei sich selbst schon<br />
überfordert ist?<br />
Ich erinnere mich grad an einen<br />
sehr jungen Schwulen, der vor vielen<br />
Jahren den Kontakt zu mir gesucht<br />
hatte und zu einem Date kam.<br />
Er stellte sich erst vor und erzählte<br />
mir dann alle seine Sünden und<br />
Missetaten, die er verbrochen hatte<br />
und fragte mich zuletzt: «Und jetzt<br />
du?» Ich war völlig überrascht. – Und<br />
jetzt, nach etwa drei Jahrzehnten, ergibt<br />
das endlich einen Sinn für mich!<br />
Er wollte den Ballast in seinem Rucksack<br />
loswerden!<br />
Es gibt für Männerliebende keinen<br />
Beichtstuhl wie bei Franziskus,<br />
der übrigens weiterhin selber beichten<br />
geht. Aber es gibt überall viel<br />
Beichtmaterial, das uns daran hindert,<br />
Freundschaften «aufzubauen».<br />
Wenn ein Date schon nicht zur Ehe<br />
führt, dann könnte es wenigstens zu<br />
Solidarität reichen. Sein «Solo» hergeben,<br />
um eine individuelle Gruppe<br />
zu gewinnen.<br />
P.S. Für Willige: Horst. E. Richter,<br />
Lernziel Solidarität, Rowohlt TB<br />
7251, 1979, 310 S.<br />
PETER THOMMEN<br />
Peter Thommen (65), von Jugend an<br />
ausgeprägt gleichgeschlechtlich orientiert<br />
und späterhin eine Art Dokumentarist<br />
der schwulen Szene in Basel und anderswo,<br />
hat einen rosa Blick auf Geschichte<br />
und Tagesaktualitäten. Er hat <strong>im</strong> letzten<br />
Jahrhundert auch schwule Radiosendungen<br />
produziert. Trotzdem er <strong>im</strong> Kopf<br />
<strong>im</strong>mer mal den Briefkasten mit dem<br />
Papierkorb verwechselt, hat er sich fleissig<br />
durchs schwule Leben geschrieben und<br />
findet auch in alten Büchern <strong>im</strong>mer wieder<br />
überraschend Aktuelles.<br />
* So lautet der Titel eines Buches<br />
von Siegfried Rudolf Dunde aus dem<br />
Jahr 1987.<br />
** NZZaS vom 13.9.15, S. 26<br />
ILLUSTRATIONEN: ANASTASIYA UDOVENKO<br />
CRUISER OKTOBER <strong>2015</strong>
Demokratie<br />
braucht Dich,<br />
Dandy.<br />
Foto: Stefan M./photocase.de<br />
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Vogt<br />
Hans-Ueli<br />
Der brillante Kopf für Zürich.