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Grundschule aktuell 119

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www.grundschulverband.de · September 2012 · D9607F<br />

<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>119</strong><br />

Naturwissen schaffen


Praxisbücher für die <strong>Grundschule</strong><br />

Christina Buchner zeigt in ihrem<br />

Buch sehr anschaulich, anhand<br />

vieler Übungen und Beispiele,<br />

wie Lehrer/innen allen Kindern<br />

den Einstieg in die Welt der Zahlen<br />

ermöglichen können. Der<br />

Kerngedanke: Mechanisches<br />

Rechnen hilft nicht – Kinder<br />

müssen Rechnen handelnd<br />

begreifen.<br />

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Inhalt<br />

Editorial<br />

Tagebuch<br />

S. 2 Gerechte Bedingungen schaffen (M. Lassek)<br />

Thema: Naturwissen schaffen<br />

S. 3 Lernen durch Erfahrungen mit der Natur<br />

(Ch. Biermann / U. Bosse / L. Falcke)<br />

S. 7 Fragen an unsere Schulen und unseren Unterricht<br />

(U. Bosse)<br />

S. 9 Naturforscher: Draußen sein – Natur erkunden –<br />

Persönlichkeit stärken (U. Bosse)<br />

Praxis: Naturwissen schaffen<br />

S. 17 Lernkompetenzen entwickeln und nutzen<br />

(Ch. Biermann)<br />

S. 19 Lernen an Phänomenen (U. Bosse)<br />

S. 21 Brücken aus Papier – Statik und Stabilität<br />

(U. Bosse)<br />

S. 23 Bionik – Fliegen in Natur und Technik (L. Falcke)<br />

Rundschau<br />

S. 26 Grundschulverband: Neuer Vorstand (S. Reinisch)<br />

S. 27 Deutscher Schulpreis 2012 (U. Hecker)<br />

S. 28 Standpunkt Schulentwicklung: <strong>Grundschule</strong><br />

entwickeln – Gestaltungsspielräume schaffen<br />

S. 29 VERA weiter in der Diskussion (M. Lassek)<br />

S. 31 Aus der Forschung: Soziale Ungleichheit<br />

(B. Schumann)<br />

S. 33 Projekt »Eine Welt in der Schule« (A. Pahl))<br />

Landesgruppen <strong>aktuell</strong> – u. a.:<br />

S. 34 Bayern: Inklusion im Blickpunkt<br />

S. 35 Baden-Württemberg: Inklusion ist Menschenrecht<br />

S. 37 Hamburg: Ein Jahr Grundschrift in Hamburg<br />

S. 39 Saarland: Prävention in der <strong>Grundschule</strong><br />

Impressum<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />

erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />

kostet 9,00 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 5,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />

60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

in Zusammen arbeit mit Dr. h. c. Horst Bartnitzky<br />

Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />

Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />

Fotos: Autorinnen und Autoren<br />

Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />

Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />

Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />

Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />

Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />

Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6054<br />

Beilagen: »GrundschulEltern« als ständiger Einhefter, Beilage des<br />

Toussini-Circus Mobile<br />

Neu: Die »Rundschau«<br />

Eine neue Rubrik startet mit diesem Heft: Die »Rundschau«.<br />

Der Grundschulverband engagiert sich auf vielen Feldern<br />

aktiv für die Bildungsansprüche von Grundschulkindern.<br />

Über diese vielfältigen Initiativen, Aktivitäten und Impulse<br />

wollen wir regelmäßiger und ausführlicher informieren.<br />

Dazu dient unsere neue Rubrik als <strong>aktuell</strong>e und (hoffentlich<br />

auch) lesenswerte »Chronik der laufenden Ereignisse«<br />

( S. 26 ff.). Die »Rundschau« wird möglich durch eine Erweiterung<br />

des Umfangs unserer Zeitschrift auf nunmehr<br />

40 Seiten – 8 Seiten mehr Aktualität und Information für<br />

unsere Leserinnen und Leser.<br />

Naturwissen schaffen<br />

Ein wichtiges Thema schließen wir mit diesem Heft auf, das<br />

in Zusammenarbeit mit KollegInnen der Laborschule in<br />

Bielefeld entstanden ist. Christine Biermann, Ulrich Bosse<br />

und Lina Falcke (Näheres zu den Autorinnen und zum<br />

Autor S. 6) möchten mit ihren Beiträgen eine Diskussion<br />

anregen und praktisch werden lassen, die den Fokus auf die<br />

Kinder richtet: »Ausgangspunkt und Ziel sind nicht in erster<br />

Linie die Naturwissenschaften als solche, sondern es sind die<br />

Natur, das Naturerleben, die Naturerfahrungen, die Naturerforschung<br />

der Kinder. Hierum geht es, hieran entwickeln<br />

wir unsere Ziele, hieraus entfalten sich die Kompetenzen<br />

der Kinder.« Wir bedanken uns für die überaus produktive<br />

Zusammenarbeit und wünschen der kommenden Buchproduktion<br />

zu diesem Thema ( Kasten S. 3) viel Erfolg.<br />

Neues von der Grundschrift<br />

»Lehrkräfte berichten durchweg von positiven Ergebnissen.<br />

Das Interesse an der Grundschrift wächst«, so heißt es im<br />

<strong>aktuell</strong>en Bericht der Landesgruppe Hamburg ( S. 37). Um<br />

dem wachsenden Informationsbedürfnis entgegenkommen<br />

zu können, gibt es nun eine Liste von ModeratorInnen zur<br />

Grundschrift, die für Fortbildungen, Konferenzen und Veranstaltungen<br />

in allen Bundesländern zur Verfügung stehen.<br />

Moderationsmaterialien, die sich auch zum Selbststudium<br />

oder für selbst organisierte Veranstaltungen eignen, sind<br />

ebenfalls leicht erhältlich.<br />

Neben dem umfangreichen Grundschrift-Materialpaket<br />

nun zwei weitere konkrete Hilfen, um sich auf den Weg zur<br />

Arbeit mit der Grundschrift zu machen oder vor Ort in der<br />

Praxis mit der Grundschrift zu beginnen ( Kasten S. 32).<br />

Aktion »Starke <strong>Grundschule</strong>n«<br />

Die letzte Ausgabe von »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« bildete den<br />

Startschuss der Aktion »Starke <strong>Grundschule</strong>n«. Unsere<br />

inter aktive Landkarte ( www. www.starke-grundschulen.de)<br />

bietet die Gelegenheit, sich zu zeigen und sich zu vernetzen,<br />

um sich gegenseitig zu unterstützen.<br />

Wir möchten nachdrücklich ermutigen, auch Ihre eigene<br />

Schule einzutragen ( S. 36).<br />

Ulrich Hecker<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

1


Tagebuch<br />

Allen Kindern gerecht werden –<br />

gerechte Bedingungen schaffen<br />

Maresi Lassek<br />

»Das tägliche Unrecht in den Schulen ist, dass arme Kinder<br />

bildungsarm gemacht werden«, resümierte Horst<br />

Bartnitzky (bis 2010 Vorsitzender des Grundschulverbandes)<br />

im Februar 2007 in einer Pressemitteilung: Internationale<br />

Bildungsstudien führen Deutschland dieses<br />

Faktum seit Jahren vor, denn in keinem anderen Industrieland<br />

ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft<br />

und Bildungserfolg so groß wie hier.<br />

Wie und auf welchen Wegen schaffen es andere Länder<br />

besser, mit den unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen<br />

von Kindern konstruktiv umzugehen? Die Suche<br />

nach Antworten läuft und läuft und …<br />

Hinlänglich wurde von Bildungsexperten über die<br />

Schulstruktur, die Bedeutung von gutem Unterricht und<br />

die Verantwortung von Eltern und Schulen diskutiert.<br />

Vehement lehnt die Politik eine Veränderung der Schulstruktur<br />

ab, kommt mit der Entwicklung von Ganztagsschulen<br />

nur langsam voran und offeriert zu wenige<br />

Lösungen in der Frage des Zusammenhangs von Armut<br />

und Bildungsarmut.<br />

Wir können nicht länger riskieren, die Leistungsmöglichkeiten<br />

von Kindern aus benachteiligten Familien und<br />

Zuwandererfamilien nicht abzurufen. Schule kann (und<br />

dies geschieht aufgrund der vorhandenen Bedingungen)<br />

das Versagen und die Abqualifizierung von Kindern verfestigen<br />

und so zur Verstärkung der belastenden Faktoren<br />

beitragen. Schule kann aber auch zum Schutzfaktor<br />

gegen Kinderarmut und damit für arme Kinder und<br />

Kinder mit ungünstigen Voraussetzungen werden. Kindergärten<br />

und <strong>Grundschule</strong>n als Institutionen, in denen<br />

elementare Voraussetzungen für die Persönlichkeitsentwicklung<br />

und das Lernen angelegt und gefördert werden,<br />

benötigen in belasteten Quartieren Stärkung. Die Herausforderung<br />

hier ist hoch, es reicht nicht, mit der Regelausstattung<br />

darauf zu reagieren.<br />

Bildungsgerechtigkeit bedeutet an dieser Stelle, nicht<br />

alle gleich zu behandeln. Schulen, deren Schülerinnen<br />

und Schüler unter ungünstigeren Bedingungen aufwachsen<br />

als Kinder woanders, brauchen zusätzliche Ressourcen,<br />

um notwendige unterstützende Hilfen gewähren zu<br />

können, um vielfältige kulturelle Begegnungen zu ermöglichen,<br />

die vom Elternhaus her versagt bleiben (müssen),<br />

um die Eltern ins Boot zu holen und die <strong>Grundschule</strong><br />

zu einem Begegnungs-(Bildungs-)Zentrum im<br />

Wohnumfeld zu machen.<br />

In der Verantwortung der Politik liegt es, diese Ausstattung<br />

mit dem Ziel, mehr Bildungsgerechtigkeit zu<br />

schaffen, bereitzustellen. Der politischen Verantwortung<br />

obliegt es auch, die frühe Auslese abzubauen, denn Kinder<br />

mit ungünstigen Bedingungen brauchen mehr Zeit<br />

für die Entfaltung ihrer Möglichkeiten, beispielsweise bei<br />

der Entwicklung von Sprache und Kommunikationsfähigkeit.<br />

Es wäre gerecht, auf die Unterschiede der Bedarfe<br />

zu reagieren.<br />

Ändern müssen sich zudem Haltungen gegenüber<br />

benachteiligten Kindern und Jugendlichen, Haltungen,<br />

denen innewohnt, dass Stärken nur bei privilegierten<br />

Bevölkerungsgruppierungen zu finden wären, dass<br />

Leistungsfähigkeit nur Kindern aus bildungsnahen Elternhäusern<br />

zugetraut werden kann und eine andere<br />

Muttersprache als die deutsche sich nachteilig auf den<br />

Bildungserfolg auswirkt. Kinder, die es aufgrund ihrer<br />

familiären Bedingungen schwerer haben, verdienen<br />

Vertrauen und verdienen, dass wir ihnen und ihren Eltern<br />

mit Wertschätzung begegnen. Die Kompetenz, mit<br />

der Voraussetzung einer anderen Muttersprache in der<br />

Fremdsprache Deutsch alphabetisiert zu werden und die<br />

Kulturtechniken zu erlernen, sollten wir bei Kindern aus<br />

zugewanderten Familien sehr hoch schätzen und nicht<br />

als problembelastet begreifen. Es braucht zum Heben<br />

dieses Schatzes Bedingungen, die es einzurichten gilt.<br />

Bewiesen ist längst, dass die Wirkung von unterstützenden<br />

Hilfen bei Kindern, die von zu Hause wenig Unterstützung<br />

erhalten können, besonders hoch ist. Weichenstellungen<br />

erfolgen bei der frühkindlichen Förderung<br />

und setzen sich in der <strong>Grundschule</strong> fort.<br />

Die Forderung muss sein, endlich eine hervorragende<br />

Ausstattung von Kitas und Schulen in armen Quartieren<br />

zu schaffen, denn wir können es uns in Deutschland<br />

nicht länger leisten, auf die Kompetenzen dieser Kinder<br />

zu verzichten.<br />

Ihre<br />

Maresi Lassek<br />

Vorsitzende des Grundschulverbandes<br />

2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Christine Biermann / Ulrich Bosse / Lina Falcke<br />

Lernen durch Erfahrungen mit der Natur<br />

Naturwissenschaften in den <strong>Grundschule</strong>n haben seit einigen Jahren eine regelrechte<br />

Hochkonjunktur. Publikationen schießen aus dem Boden, von vielen<br />

Verlagen werden Unterrichtsreihen und -hilfen angeboten, für Lehrerinnen<br />

und Lehrer gibt es reihenweise Fortbildungen. Nicht nur in die <strong>Grundschule</strong>n,<br />

sondern bis in die Kindergärten dringt inzwischen ein Fachgebiet vor, das ursprünglich<br />

der Sekundarstufe – und dort vor allem den höheren Jahrgängen<br />

– vorbehalten war. Nach den Fremdsprachen und dem Computer gehören nun<br />

auch Physik, Biologie und Chemie zum Inhaltsrepertoire der Bildungseinrichtungen<br />

für die jungen und ganz kleinen Kinder.<br />

Keine <strong>Grundschule</strong>, kein Kindergarten,<br />

die etwas auf sich<br />

halten, lassen diese Bereiche in<br />

ihrem Angebotskanon aus. Der PISA-<br />

Schock, die Angst vor einem Abhängen<br />

der deutschen Bildungslandschaft, aber<br />

auch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse,<br />

z. B. der Hirnforschung darüber,<br />

dass Kinder in jungen Jahren besonders<br />

gut in der Lage sind, komplexe<br />

Inhalte aufzunehmen und zu verarbeiten,<br />

haben hierzu erheblich beigetragen.<br />

Beinahe alle Bundesländer beteiligen<br />

sich am Programm SINUS an <strong>Grundschule</strong>n,<br />

in dem für Mathematik und<br />

die Naturwissenschaften neue, handlungsorientierte<br />

Module erarbeitet und<br />

erprobt werden (www.sinus-an-grundschule.de).<br />

Für die Naturwissenschaften<br />

wurde die Reihe prima(r)forscher geschaffen,<br />

in der eine Vielzahl an Schulen<br />

aus vielen beteiligten Bundesländern<br />

solche Einheiten entwickeln und<br />

in ihrem Unterricht ausprobieren.<br />

Lernen aus der und durch die Natur<br />

Wir möchten mit unseren Beiträgen in<br />

dieser »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« eine Diskussion<br />

anregen und praktisch werden<br />

lassen, die den Fokus ein wenig anders<br />

ausrichtet. Ausgangspunkt und Ziel sind<br />

nicht in erster Linie die Naturwissenschaften<br />

als solche, sondern es sind die<br />

Natur, das Naturerleben, die Naturerfahrungen,<br />

die Naturerforschung der<br />

Kinder. Hierum geht es, hieran entwickeln<br />

wir unsere Ziele, hieraus entfalten<br />

sich die Kompetenzen der Kinder. Unsere<br />

Hauptintention liegt nicht darin, die<br />

Naturwissenschaften in die <strong>Grundschule</strong><br />

zu holen, sondern Naturerfahrungen<br />

für Kinder zu ermöglichen. Kinder sol-<br />

len Erfahrungen und Kompetenzen im<br />

Umgang mit ihrer natürlichen Umgebung<br />

gewinnen und erwerben und so in<br />

ihrer gesunden Entwicklung gefördert<br />

werden. Das Lernen von Kindern soll<br />

in sinnstiftenden Zusammenhängen<br />

stattfinden. Ihnen sollen dabei Werkzeuge<br />

an die Hand gegeben und Fähigkeiten<br />

vermittelt werden, durch die sie<br />

ihre Umwelt selber entdecken können.<br />

So können sie daraus auch den Gewinn<br />

ziehen, in weiteren Lebenssituationen<br />

kompetent handeln zu können. Wir<br />

nennen das Lernkompetenzen, die um<br />

die inhaltlich-fachlich ausgerichteten<br />

Sachkompetenzen ergänzt werden.<br />

Dafür bedienen die Kinder sich<br />

durchaus einiger Methoden der Naturwissenschaften<br />

und erhalten Einblicke<br />

in deren Arbeit. Das sollen sie und<br />

so verstehen sich in der Regel auch die<br />

Wissenschaften: als Instrument der<br />

Weltaneignung – nicht als Selbstzweck.<br />

»Im Blickpunkt stehen hier vielmehr<br />

Gelegenheiten zum Nachdenken, zum<br />

genaueren Hinsehen, zum Ordnen<br />

und Fragenstellen« (Prenzel 2010, S. 8).<br />

Dieses sind auch genuine Vorgehensweisen,<br />

Methoden der Naturwissenschaften<br />

– aber für die Kinder sind es<br />

doch in erster Linie Kompetenzen, mit<br />

denen sie in die Lage versetzt werden,<br />

die Welt besser zu verstehen. Auf dieses<br />

zielt nach unserer Auffassung der<br />

Lernprozess vorrangig ab. Hierfür bedient<br />

man sich sinnvollerweise auch<br />

des wissenschaftlichen Denkens. »Kinder<br />

scheinen in solchen Situationen wie<br />

naturwissenschaftliche Forscherinnen<br />

und Forscher zu handeln, ohne dass ihnen<br />

dies bewusst wird« (Prenzel 2010,<br />

S. 9). Doch der Kerninhalt für Kinder<br />

ist nach unserer Auffassung und Erfah-<br />

Die hier vorgestellten Überlegungen<br />

und Praxisbeispiele wurden an der<br />

Bielefelder Laborschule in einem<br />

mehrjährigen Entwicklungsprozess<br />

aus Erfahrungen und mit wissenschaftlicher<br />

Begleitung gewonnen.<br />

Sie werden Anfang 2013 ausführlich<br />

im Kallmeyer-Verlag, Bad Heilbrunn,<br />

als Buch veröffentlicht.<br />

In den Beiträgen erwähnte Materialien<br />

können unter dem folgenden<br />

Link heruntergeladen werden: www.<br />

www.naturforscher.laborschule.de<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

3


Thema: Naturwissen schaffen<br />

rung die Weltaneignung aus der kindlichen<br />

Wahrnehmung heraus – und die<br />

findet bei ihnen in kompletten Sinnzusammenhängen<br />

und komplexen Erfahrungsräumen<br />

statt. In seinem Buch<br />

»Mehr Matsch!« beschreibt der Philosoph<br />

und Biologe Andreas Weber (2011)<br />

eindringlich diese Zusammenhänge.<br />

Experimentieren mit Kindern<br />

Über Experimente in der <strong>Grundschule</strong><br />

und im Kindergarten gibt es inzwischen<br />

vielfältige Literatur und Unterrichtsentwürfe.<br />

Die Wirksamkeit der<br />

Effekte, die hohe Motivation bei den<br />

Kindern, das interessante Ambiente<br />

von Experimentierecken erzielen einen<br />

hohen Reiz. Aber wie werden diese Experimente<br />

in einen Gesamtunterricht<br />

eingegliedert? Wie werden die Beobachtungen<br />

von den Kindern verarbeitet?<br />

Sind das die bildenden Erfahrungen,<br />

die Kinder machen sollen, entspricht<br />

das einem selbstkompetenten Lernen,<br />

das Kinder zunehmend befähigt, ihr<br />

Lernen, die Lernwege und -prozesse<br />

und damit den Inhalt, die Sache selber<br />

in die Hand zu nehmen? Besorgt fragt<br />

Jörg Ramsegger (2009, S. 15): »Könnte<br />

es sein …, dass wir mit manchen Experimenten<br />

das Gefühl des Nichtverstehens<br />

der Naturwissenschaft noch<br />

früher und schneller bei Kindern auslösen,<br />

als es die Sekundarstufe normalerweise<br />

tut?« Und Kornelia Möller<br />

merkt kritisch an: »Die Kinder führen<br />

›Experimente‹ durch – anschließend geben<br />

die Schulbücher oder die Lehrperson<br />

die Erklärung. Implizit wird damit<br />

das folgende Verständnis transportiert:<br />

In Experimenten werden Phänomene<br />

gezeigt, die mit Hilfe von nur schwer<br />

oder gar nicht verständlichen Theorien<br />

durch Experten anschließend erklärt<br />

werden« (Möller 2009, S. 170). Es geht<br />

darum, das Experimentieren von Kindern<br />

in Sinnzusammenhängen und<br />

kindlichen Erfahrungsräumen stattfinden<br />

zu lassen. Es soll ihnen ein Fenster<br />

zum Weltverstehen öffnen, ihnen bei<br />

der Suche nach Erklärungen von Phänomenen,<br />

nach Antworten auf ihre Fragen<br />

behilflich sein.<br />

Lernen an Phänomenen<br />

Bei Experimenten sind häufig beeindruckende<br />

Phänomene zu beobachten.<br />

Oft sind es gerade diese, die das Experiment<br />

spannend und interessant machen.<br />

Viele kleine Phänomene lassen<br />

sich auch in unserer Alltagswelt entdecken.<br />

Wieso bleibt der Spielstein, den<br />

ich über einen Tisch schieße, plötzlich<br />

stehen, wenn er auf einen anderen trifft,<br />

und dieser bewegt sich weiter? Warum<br />

zieht sich die leere Plastikflasche knackend<br />

zusammen, wenn ich im Winter<br />

mit ihr die Wohnung verlasse, um<br />

sie zum Pfand automaten zu bringen?<br />

Warum schwimmt Eis oben? Wenn es<br />

uns gelingt Kinder in Situationen zu<br />

erleben, in denen sie solche Phänomene<br />

entdecken und beobachten, bei ihnen<br />

(und bei uns selber) den Blick für solche<br />

Phänomene zu schärfen, und vor allem<br />

gemeinsam eine Fragehaltung an die<br />

Phänomene zu entwickeln und miteinander<br />

in einem offenen Diskurs diesen<br />

Fragen nachzugehen, dann haben wir<br />

einen wesentlichen Schritt in Richtung<br />

einer naturforschenden Haltung bei<br />

den Kindern getan: Staunen, Interesse,<br />

Aufmerksamkeit, Beobachten, Fragen.<br />

Hierfür ist ein konstruktiv-genetischer<br />

Ansatz des Unterrichts sinnvoll, der<br />

»… die Notwendigkeit der eigenen konstruktiven<br />

Tätigkeit, die Bedeutung und<br />

Berücksichtigung von Vorerfahrungen<br />

und Ideen der Lernenden sowie die Bedeutung<br />

einer genetischen Entwicklung<br />

von Denkprozessen betont« (Möller<br />

2010, S. 22).<br />

Lernumgebung und<br />

Lerngelegenheiten<br />

Die Möglichkeit zur Erlangung vielfältiger,<br />

wirklicher eigener Erfahrungen der<br />

Schülerinnen und Schüler ist wesentliche<br />

Voraussetzung für erfolgreiches Lernen.<br />

Hierfür muss die Schule ein breites<br />

Spektrum an Gelegenheiten bieten. Bei<br />

den Naturforschergängen und den vielen<br />

Draußen- und Waldzeiten der Naturwerkstatt<br />

finden die Kinder solche<br />

Gelegenheiten im Wald, auf der Wiese,<br />

am Teich – eben in der Natur. Gibt es<br />

anschließend Raum und Gelegenheit zur<br />

Weiterarbeit, zur Vertiefung, zur Dokumentation?<br />

Experimentierecken, Labore,<br />

ein Fundus an Informationsmöglichkeiten<br />

wie Bibliotheken und Internetzugang<br />

sind in hohem Maße dienlich, aber<br />

nicht unbedingte Voraussetzung. – Vermutlich<br />

wichtiger als die rein äußeren<br />

Lerngelegenheiten sind nach unserer Erfahrung<br />

die Organisation und Struktur<br />

des Lernens in einer Schule. Bietet der<br />

Schul(all)tag die Chance zur Aufnahme<br />

der Kinderfragen und ihrer Erlebnisse<br />

und Eindrücke? Stehen die Schülerinnen<br />

und Schüler und ihre Erwachsenen<br />

in einem solchen Verhältnis zueinander,<br />

dass Situationen erkannt und aufgegriffen<br />

werden können, die Gelegenheiten<br />

zum selbstgesteuerten forschenden Lernen<br />

bieten? Besitzt man im Schulbetrieb<br />

die Flexibilität zum spontanen Ergreifen<br />

solcher Gelegenheiten? Bieten der Stundenplan<br />

und die Gestaltung von Klasse<br />

und Schule hierfür Raum? Sich all diese<br />

Fragen zu stellen ist mindestens ebenso<br />

wesentlich wie die konkrete Ausstattung<br />

mit naturwissenschaftlichem Instrumentarium,<br />

Laboren und Computern.<br />

Individuelles Lernen in der<br />

Gemein schaft, Ko-Konstruktion<br />

und Reflexion<br />

Nicht jede Frage eines Schülers ist zugleich<br />

die Frage der anderen – geschweige<br />

denn der ganzen Klasse. Bei den<br />

Waldgängen erleben die einzelnen Kinder<br />

in hohem Maße Unterschiedliches,<br />

ganz eigenes. Nicht jedes Phänomen<br />

bringt allen die gleiche Ergriffenheit<br />

und sie in gleichem Maße zum Staunen.<br />

Experimente im Klassenverbund,<br />

vor allem wenn sie in Folge durchgeführt<br />

werden, geraten in die Gefahr,<br />

zum fremdbestimmten schulischen<br />

4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Lernstoff zu verkümmern, aus dem sich<br />

nach und nach mehr und mehr Kinder<br />

»ausklinken«. Wie kann es gelingen,<br />

möglichst alle Kinder an der Sache zu<br />

halten, ihre motivierte Lernhaltung aus<br />

innerem Antrieb heraus zu speisen und<br />

so zu effektiven Formen des Lernens an<br />

und durch die Natur zu gelangen?<br />

Wir haben in allem Unterricht –<br />

nicht nur zum Bereich »Natur« – sehr<br />

gute Erfahrungen damit gemacht, mit<br />

den Schülerinnen und Schülern nach<br />

gemeinsamen Themenstellungen zu suchen<br />

und diese in einem gemeinsamen<br />

Prozess in Fragen, Ideen und Aspekte zu<br />

gliedern. Jeder darf – in der Klammer<br />

des verabredeten Oberthemas – seinen<br />

Interessen und Wünschen nachgehen –<br />

alleine, zu zweit oder in kleinen Gruppen.<br />

Alle Formen der Zusammenarbeit<br />

sind wünschenswert – wenn sie nicht<br />

erzwungen werden. Gerade im Umgang<br />

mit der Natur möchten sich die Kinder<br />

gegenseitig etwas zeigen, mitteilen,<br />

ihre Beobachtungen teilen. Sie erhalten<br />

Gelegenheiten, eigene Interpretationen<br />

zu formulieren, eigene Ordnungsmuster<br />

zu entwickeln, eigene Schlüsse<br />

zu ziehen. Im Austausch mit anderen<br />

erhalten sie Rückmeldung, erfahren<br />

Wahrnehmungen anderer, setzen sich<br />

hiermit auseinander, überprüfen die eigene<br />

Sicht der Dinge und kommen unter<br />

Umständen zu gemeinsamen Ergebnissen.<br />

Ko-Konstruktion wird dieser<br />

natürliche Prozess genannt, der immer<br />

dann geschieht, »… wenn das Kind versucht,<br />

sich die Welt um sich herum zu<br />

erklären« (Fthenakis 2009, S. 9).<br />

Die einzelne Schülerin, der einzelne<br />

Schüler wird – im Austausch mit<br />

anderen – zur Expertin bzw. zum Experten.<br />

Jeder erlangt besondere Kenntnisse,<br />

bereichert sein eigenes Wissen,<br />

erwirbt Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />

spezialisiert sich. Dabei ist es nicht von<br />

zentraler Bedeutung, dass das gesamte<br />

Inhaltsspektrum abgedeckt wird. Wichtiger<br />

sind die Identifizierung der Kinder<br />

mit »ihrem« Thema und die damit verbundene<br />

Motivation und die so erworbenen<br />

und erweiterten Kompetenzen.<br />

Bei all diesen Lernprozessen helfen<br />

unterschiedliche Formen der Reflexion<br />

des eigenen Lern- und Arbeitsprozesses,<br />

aber auch der Präsentation der<br />

Lernergebnisse. Mit den Schülerinnen<br />

und Schülern gemeinsam entwickelte<br />

Arbeitspläne, Aufgabenstellungen und<br />

Lernwege erhöhen ihre Kompetenz<br />

zum selbstgesteuerten Lernen. Mündliche<br />

und schriftliche Formen der Selbstbeobachtung<br />

und -einschätzung eröffnen<br />

ihnen Perspektiven zur weiteren<br />

Entwicklung. Rückmeldesysteme durch<br />

einzelne Mitschüler, Kleingruppen<br />

oder die ganze Klasse können ihnen<br />

Wertschätzung entgegenbringen und<br />

Verbesserungshinweise geben. Das Anlegen<br />

von Portfolios ermöglicht die Dokumentation<br />

von Lernprozessen und<br />

Selbstreflexion. Der Zusammenhang<br />

zwischen Sachthema, der eigenen Person<br />

und der gesamten Lerngruppe kann<br />

so hergestellt werden (vgl. hierzu Bartnitzky<br />

/ Bosse / Gravelaar 2007, S. 12 ff.).<br />

Wichtig bei alledem ist ein konstruktives,<br />

den Schülerinnen und Schülern<br />

wahrhaftig Raum bietendes Lernklima<br />

der gesamten Lerngruppe.<br />

Schulbücher und<br />

Naturwissenschaften<br />

Viele Inhalte von naturwissenschaftlichem<br />

Lernen finden sich in Schulbüchern,<br />

für die <strong>Grundschule</strong> vornehmlich<br />

in Büchern zum Fach Sachunterricht.<br />

Hier stößt man neben Seiten zur Verkehrs-<br />

und Körpererziehung, zur Geografie<br />

und Atlaskunde, zum Basteln von<br />

Weihnachtsschmuck und zur Sozialkunde<br />

auf ganz ähnliche Inhalte, häufig<br />

auch ähnliche Experimente, wie sie in<br />

den vielfältigen naturwissenschaftlichen<br />

Experimentierreihen vorgestellt<br />

werden. Der Oldenbourg-Verlag hat in<br />

seiner Star-Reihe ein Heft speziell für<br />

die Naturwissenschaften, die Forscher-<br />

Stars 3/4 (2011), vorgelegt. In bunter<br />

Folge reihen sich Texte, Bilder, Tabellen,<br />

Arbeits- und sogenannte Erkundungsaufgaben<br />

Seite um Seite aneinander. Das<br />

alles bietet ein durchaus nicht uninteressantes<br />

Inhaltsspektrum. Doch: Welche<br />

Auffassungen und Vorstellungen von<br />

Lernen und Erkenntnisgewinn liegen<br />

diesen Werken zu Grunde? Reduziert<br />

man hierdurch solche interessanten Inhalte<br />

nicht auf Buchseiten, vorgeblich<br />

handlungs- und erfahrungszentriert? In<br />

der Praxis wird sicherlich ein Bedürfnis<br />

vor allem von naturwissenschaftlich<br />

nicht ausgebildeten Lehrerinnen und<br />

Lehrern bedient, die wesentlichen Inhalte<br />

»behandelt«, »durchgenommen«,<br />

»erledigt« zu haben. Wo aber bleibt<br />

das Ansetzen an den Erfahrungen der<br />

Schülerinnen und Schüler? Wie werden<br />

ihnen wirkliche Erfahrungen und nicht<br />

lediglich Experimentierübungen geboten?<br />

Wodurch sollen Erkenntnisfragen<br />

von Kindern in den Mittelpunkt gestellt<br />

werden? Kurz: Wie kommt es mit Hilfe<br />

solcher Bücher und Hefte tatsächlich zu<br />

einer Kompetenzentwicklung? Ist das so<br />

überhaupt möglich?<br />

Kompetenzen entwickeln<br />

Die Entwicklung von Kompetenzen<br />

steht bei unserem Ansatz im Vordergrund.<br />

Lernen primär aus einem Schulbuch<br />

– und sei es noch so gut gestaltet<br />

und gemacht – verträgt sich hiermit<br />

nicht. Auf Kompetenzen zielendes Lernen<br />

geht von Erfahrungssituationen<br />

aus, greift diese auf, baut sie gezielt ein<br />

oder arrangiert sie systematisch. Das<br />

alles kann über die Lernorganisation<br />

mit Hilfe von Lehrgängen, Fibeln, Sachunterrichtskursen<br />

etc. nicht wirklich<br />

stattfinden. Diese können bestenfalls<br />

Werkzeuge, Hilfsmittel, Informationsmaterial<br />

für den von den Schülerinnen<br />

und Schülern mit zu gestaltenden Lernprozess<br />

darstellen.<br />

Der Kompetenzbegriff ist ein vielfältiger,<br />

schillernder und stark klärungsbedürftiger.<br />

Eine übersichtliche<br />

begriffliche Unterscheidung findet man<br />

bei Kirchhöfer (2004, S. 63 – 70). In der<br />

auf schulisches Lernen hin geführten<br />

Diskussion um den Kompetenzbegriff<br />

geht es im weitgehenden Konsens um<br />

Aspekte wie<br />

●●<br />

Fragehaltung und Problemorientierung,<br />

●●<br />

eigenes Interesse, eigener Antrieb,<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

5


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Christine Biermann<br />

Dr. phil., Didaktische Leiterin der Laborschule<br />

Bielefeld. Arbeitsschwerpunkte in Theorie und<br />

Praxis sind: Schulentwicklung, Individuelles<br />

Lernen, insbesondere im mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht, Geschlechterbewusste<br />

Pädagogik (v. a. Mädchenbildung,<br />

Missbrauchsprävention und Sexualerziehung),<br />

Lernkompetenzen, Portfolioarbeit.<br />

Lina Falcke<br />

Studienreferendarin am Freiherr vom<br />

Stein Gymnasium Bünde. Sie studierte<br />

Chemie und Englisch für das Lehramt<br />

an Gymnasien und Gesamtschulen<br />

an der Universität Bielefeld und<br />

arbeitete als Studentische Hilfskraft<br />

in der Wissenschaftlichen Einrichtung<br />

der Laborschule Bielefeld.<br />

●●<br />

Aneignung und Nutzung von<br />

Wissen, auch Fachwissen,<br />

●●<br />

Handlungsorientierung und<br />

-entscheidung,<br />

●●<br />

Nutzung vielfältiger Lerngelegenheiten,<br />

●●<br />

Übertragbarkeit auf andere<br />

Situationen,<br />

●●<br />

Kooperation und Teamfähigkeit,<br />

●●<br />

Dokumentieren und Präsentieren.<br />

Kompetenz geht somit deutlich über<br />

Wissen hinaus. Oder anders gesagt,<br />

kompetentes Verhalten ist Problemlösungsverhalten<br />

oder angewandtes Wissen.<br />

Kompetenz ist eine Mischung aus<br />

Zuständigkeit, Fähigkeit, Fertigkeit und<br />

Bereitschaft. Klieme (2011, S. 56) bezeichnet<br />

die Kompetenzorientierung als<br />

didaktisches Prinzip. In der Regel wird<br />

zwischen fachbezogenen und überfachlichen<br />

Kompetenzen unterschieden. Da<br />

die Attribute »fachbezogen« und »überfachlich«<br />

naheliegenderweise mit Schulfächern<br />

assoziiert werden können, reden<br />

wir lieber von den auf den Inhalt bezogenen<br />

Sachkompetenzen und von übergreifenden<br />

und methodisch ausgerichteten<br />

Lernkompetenzen. Letztere umfassen<br />

auch Haltungen und Einstellungen.<br />

Kompetenzen, Erfahrungsbezug,<br />

Hand lungsorientierung und die Würdigung<br />

der Schülerergebnisse spielen<br />

für alles wirksame Lernen eine erhebliche<br />

Rolle. Sie sind nicht voneinander<br />

zu trennen und sollten für einen nachhaltigen<br />

Lernerfolg eine Einheit bilden.<br />

Wie so viele Erkenntnisse aus der Pädagogik,<br />

insbesondere der sich auf die<br />

Eigentätigkeit der Kinder gründenden<br />

Pädagogik, werden auch diese durch<br />

die <strong>aktuell</strong>en Erkenntnisse von Medizinern<br />

(vgl. Largo / Beglinger 2009,<br />

S. 160 – 192) und der modernen Hirnforschung<br />

(Hüther 2006, S. 82; Spitzer<br />

2009, S. 421) bestätigt. Dieses ernst zu<br />

nehmen und tatsächlich in den Mittelpunkt<br />

von Lernprozessen zu stellen, ist<br />

die Grundlage für den hier vorgestellten<br />

Ansatz zum Lernen von Inhalten<br />

der Natur und in diesem Sinne auch<br />

zum naturwissenschaftlichen Lernen<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. Der hier vorgestellte<br />

Ansatz geht nicht davon aus, eine<br />

neue Reihe an Experimenten, Unterrichtseinheiten,<br />

Werkstätten und Lernstationen<br />

mit naturwissenschaftlichen<br />

Inhalten vorzustellen. Alles dieses gibt<br />

es hier auch – jedoch vor allem eingebettet<br />

in Erlebens-, Erfahrungs- und<br />

Sinnzusammenhänge. »Ein bildender<br />

Naturwissenschafts unterricht arbeitet<br />

den gesamten Erkenntnisweg ab: von<br />

der Frage an die Natur über die Vermutung<br />

und Erfindung einer angemessenen<br />

Erkundungsform bis zur Auswertung<br />

und gemeinsamen Diskussion der Befunde<br />

im Dialog der Lerngemeinschaft«<br />

(Ramsegger 2009, S. 20). Das kann sich<br />

exemplarisch an jedem Inhaltsbereich<br />

vollziehen, wenn man ihn richtig behandelt.<br />

Ulrich Bosse<br />

Diplompädagoge, Lehrer für Grundund<br />

Hauptschulen, Tätigkeiten in der<br />

Erwachsenenbildung, der Curriculumsentwicklung<br />

und der Lehrerausbildung,<br />

seit 1982 Lehrer an der Bielefelder<br />

Laborschule, Abteilungsleiter für die<br />

Primarstufe.<br />

Literatur<br />

Bartnizky, J. / Bosse, U. / Gravelaar, G. (2007):<br />

Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz. In:<br />

Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.): Pädagogische<br />

Leistungskultur: Ästhetik, Sport, Englisch,<br />

Arbeits-/Sozialverhalten. Frankfurt a. M.:<br />

Grundschulverband, Heft 1.<br />

Caspary, R. (Hrsg.) (2006): Lernen und<br />

Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik.<br />

Freiburg: Herder.<br />

Fthenakis, W. E. (2009): Ko-Konstruktion.<br />

Lernen durch Zusammenarbeit. In: Kinderzeit.<br />

Heft 3, S. 8 – 13.<br />

Hüther, G. (2006): Wie lernen Kinder?<br />

Voraussetzungen für gelingende Bildungsprozesse<br />

aus neurobiologischer Sicht. In:<br />

Caspary, S. 70 – 84.<br />

Kirchhöfer, D. (2004): Lernkultur Kompetenzentwicklung.<br />

Begriffliche Grundlagen. Berlin.<br />

Klieme, E. (2011): Bildungsstandards<br />

und Kompetenzorientierung – mehr<br />

Transparenz und Eigenverantwortung.<br />

In: Schule NRW 02, S. 54 – 58.<br />

Largo, R. / Beglinger, M. (2009): Schülerjahr.<br />

Wie Kinder besser lernen. München: Piper.<br />

Ministerium für Schule und Weiterbildung des<br />

Landes Nordrhein-Westfalen (2008): Richtlinien<br />

und Lehrpläne. <strong>Grundschule</strong>. Schule<br />

in NRW Nr. 2012. Düsseldorf.<br />

Möller, K. (2009): Was lernen Kinder über<br />

Naturwissenschaften im Elementar- und<br />

Primarbereich? Einige kritische Bemer kungen.<br />

In: Lauterbach, R. / Giest, H. / Marquardt-Mau,<br />

B. (Hrsg.): Lernen und kindliche Entwicklung.<br />

Elementarbildung und Sachunterricht. Bad<br />

Heilbrunn: Klinkhardt, S. 165 – 172.<br />

Möller, K. (2010): Naturwissenschaftliche und<br />

technische Bildung in der <strong>Grundschule</strong> und<br />

im Übergang. In: a Campo, A./ Graube, G.<br />

(Hrsg.): VDI Beruf und Gesellschaft. Report<br />

40. Übergänge gestalten. Naturwissenschaftliche<br />

und technische Bildung am Übergang von<br />

der Primarstufe zur Sekundarstufe, S. 15 – 35.<br />

Prenzel, M. (2010): Einleitung. In: Fischer,<br />

C. / Rieck, K. / Prenzel, M.: Naturwissenschaften<br />

in der <strong>Grundschule</strong>. Velber: Kallmeyer,<br />

S. 7 – 12.<br />

Ramsegger, J. (2009): Experimente, Experimente!<br />

Was lernen Kinder im naturwissenschaftlichen<br />

Unterricht? In: Grundschulzeitschrift<br />

225/226, S. 15 – 20.<br />

Spitzer, M. (2009): Lernen. Gehirnforschung<br />

und die Schule des Lebens. Heidelberg:<br />

Spektrum.<br />

Weber, A. (2011): Mehr Matsch! Kinder<br />

brauchen Natur. Berlin: Ullstein.<br />

6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Ulrich Bosse<br />

Fragen an unsere Schulen<br />

und unseren Unterricht<br />

In ihrem Film »Die Befragung der Welt – Kinder als Naturforscher« stellen<br />

Donata Elschenbroich und Otto Schweitzer (2004) in 12 Episoden verschiedene<br />

Ansätze für kindlichen Forscherdrang vor und bilden so gleichzeitig eine<br />

Systematisierung für ein umfassendes Verständnis von kindlicher Naturerfahrung<br />

und Lernen in und von der Natur. Im Folgenden werden sie unter anderen<br />

Überschriften, teilweise in geänderter Reihenfolge und um einige, uns leitende<br />

Erkenntnisfragen ergänzt, vorgestellt.<br />

1. Die Befragung der Dinge<br />

und die Befragung der anderen<br />

Von Anfang an erkunden kleine Kinder<br />

die Naturgesetze, indem sie mit den<br />

Dingen in ihrer Umwelt umgehen. Das<br />

tun sie systematisch und vielfach wiederholend<br />

– bis die Gesetzmäßigkeiten<br />

erkannt worden sind, zunächst leiblich<br />

dann mehr und mehr auch geistig. Dabei<br />

suchen sie den Kontakt zu anderen<br />

Menschen – Eltern, Geschwistern. Natürliches<br />

Experimentieren ist immer<br />

auch ein sozialer Vorgang.<br />

Wie kann dem leiblichen Erleben und<br />

vorhandenem Forscherdrang auch bei<br />

Schulkindern in der Schule noch ausreichend<br />

Raum geboten werden?<br />

2. Spontanes Beobachten,<br />

Probieren, Hantieren<br />

Kinder eines Waldkindergartens nehmen<br />

heute einmal einen Spiegel mit in<br />

den Wald. Es entstehen Fragen: Wie<br />

kommt das Bild dort hinein? Von welcher<br />

Position her sieht man was im<br />

Spiegel? Gemeinsam sucht man nach<br />

Antworten, stellt Vermutungen an,<br />

tauscht sich aus. – Der Waldboden wird<br />

untersucht. Die Kinder finden Tiere,<br />

betrachten sie interessiert und aufmerksam.<br />

Immer neue Themen entstehen:<br />

Woher kommt der Feuerstein, den wir<br />

hier finden? Wie ist er entstanden? Wie<br />

bildet sich die Erde, die wir unter der<br />

Laubdecke Schicht um Schicht in ihrer<br />

Entstehung beobachten können? Was<br />

tragen die kleinen und großen Lebewesen<br />

dazu bei? Und so weiter.<br />

Können Situationen des regelmäßigen<br />

In-der-Natur-Sein in einer Schule hergestellt<br />

werden? Ist eine Wald- oder Draußenschule<br />

vorstellbar?<br />

3. Systematisch angeleitetes<br />

Experimentieren<br />

In einer französischen École Maternelle<br />

experimentieren die Kinder einer<br />

Klasse mit guter Materialausstattung<br />

alle am selben Thema: heute der Lichtschatten,<br />

morgen das Spiegelbild. Die<br />

Versuchsanordnungen sind vorgegeben<br />

und müssen eingehalten werden. Das<br />

spontane Experiment wird unterbunden.<br />

Sozialer Austausch, Kommunikation<br />

der Kinder untereinander sind<br />

nicht vorgesehen. Die Lehrerin leitet<br />

kompetent und konsequent an und<br />

kommentiert ununterbrochen den Versuchsablauf.<br />

Es gilt das vorab bekannte<br />

Ziel zu erreichen. Experimente sind reine<br />

Methode eines vorgegebenen Lernpensums.<br />

Die Kinder wirken artig, nur<br />

begrenzt interessiert.<br />

Wie können sinnbezogene, sich an<br />

für Kinder bedeutsamen Fragestellungen<br />

ori entierende Experimente in den<br />

Unterricht einbezogen werden?<br />

4. Hinschauen, Aufzeichnen,<br />

Nachbauen<br />

Bei der Beschäftigung mit Forschern wie<br />

Leonardo da Vinci setzen sich Kinder<br />

mit deren Denkweise auseinander. Sie<br />

ist erstaunlich kindlich: vom Phänomen<br />

ausgehend, neugierig, beobachtend,<br />

fragend. Hieran entdecken die Kinder<br />

die Bedeutung des genauen Hinschauens,<br />

der exakten Aufzeichnung und des<br />

Versuchs eines Nachbaus als Mittel und<br />

Methoden des Erkenntnisgewinns. So<br />

können Gesetzmäßigkeiten entdeckt<br />

werden: »Immer wenn, dann …«<br />

Wie können wir in der Schule Gelegenheiten<br />

für elementare Beobachtungen<br />

und Versuche schaffen? Wie kann die<br />

Beschäftigung mit Naturforschern wie<br />

da Vinci, Darwin, Humboldt so interessant<br />

und motivierend gelingen?<br />

5. Auseinandernehmen,<br />

kreatives spielerisches Erfinden<br />

In einer »Erfinderwerkstatt« dürfen die<br />

Kinder technische und andere Geräte<br />

und Gegenstände auseinandernehmen,<br />

tief in sie hineinschauen, neu zusammenbauen,<br />

anderes daraus entwickeln,<br />

Neues erfinden (und sei es in der Phantasie).<br />

Wo an unserer Schule können wir den<br />

Kindern eine alltägliche Gelegenheit für<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

7


Thema: Naturwissen schaffen<br />

die Untersuchung, das Auseinanderbauen,<br />

das Hineinschauen in technische<br />

Geräte bieten?<br />

6. Eigene Erkenntniswege<br />

der Kinder zulassen<br />

Jedes Kind interessiert sich auf unterschiedliche<br />

Weise für Naturwissenschaften<br />

– und darin für verschiedene<br />

Bereiche. Kinder sind hierfür nicht alle<br />

auf die gleiche Weise begabt. Nicht jedes<br />

Experiment spricht jedes Kind an.<br />

Nicht jeder Versuch ist für jeden zum<br />

gleichen Zeitpunkt beendet. Abwarten<br />

bei den Erwachsenen, die Kinder sich<br />

entwickeln, ihre eigenen Wege finden<br />

lassen sind wichtige Grundlagen für<br />

die Herausbildung von Erkenntnissen,<br />

Forscherhaltung, Motivation und Einsichten.<br />

Wie kann dieses gelingen: Die Schule<br />

lernt von den eigenen Erkenntniswegen<br />

der Kinder?<br />

7. Beim Experimentieren auf die<br />

Fragen der Kinder eingehen<br />

Ein Experiment mit Eiswürfeln ist vorgesehen.<br />

Die Kinder kommen auf die<br />

Idee sie anzumalen. Warum nicht? Ihr<br />

Thema sind jetzt nicht die Aggregatzustände,<br />

sondern dieses. Umschalten:<br />

Probiert es aus. Hält die Farbe auf dem<br />

Eis? Was passiert, wenn man den Würfel<br />

ins Wasser legt? Wie können wir<br />

bunte Eiswürfel herstellen?<br />

Wie verhält sich Nawi-Unterricht zu<br />

scheinbar abwegigen Kinderfragen? Inwieweit<br />

erlauben wir den Kindern, ihren<br />

eigenen Fragen nachzugehen?<br />

8. Fachkundige Erwachsene – mit der<br />

Fähigkeit zum eigenen Staunen<br />

Pädagogen werden weitergebildet. Sie<br />

bringen in der Regel wenig naturwissenschaftliche<br />

Kenntnisse, Erfahrungen<br />

und Interessen mit. Durch eigenes<br />

Handeln und Experimentieren entwickeln<br />

sie einen eigenen Zugang, persönliches<br />

Interesse, Spannung und Freude<br />

an solchen Dingen, erleben das Staunen<br />

über Phänomene. Unterstützt werden<br />

sie von kompetenten Naturpädagogen<br />

und Naturwissenschaftlern.<br />

Wie gelingt uns solche Weiterentwicklung<br />

in unserem Kollegium? Was können<br />

schulinterne oder auch externe Fortbildungen<br />

dazu beitragen?<br />

9. Spielraum lassen – nicht nur<br />

das Ziel erreichen wollen<br />

Ein Großvater baut mit seinem Enkel<br />

einen einfachen Stromkreislauf. Vieles<br />

gibt er vor. Das Kind experimentiert<br />

mit unterschiedlichen Materialien: Was<br />

leitet Strom, was nicht?<br />

Geben wir den Kindern genügend<br />

Spielraum für die spielerische Aneignung<br />

der Dinge, das spielerische Wiederholen<br />

und Üben?<br />

10. Naturforschung<br />

im Alltag betreiben<br />

In der Küche. Calamaris, Oktopusse,<br />

Muscheln und Fische sollen zubereitet<br />

werden. Die – offenbar sehr sachkundige<br />

– Mutter untersucht die Tiere gemeinsam<br />

mit ihren jungen Kindern, die<br />

mit zweckmäßiger Kleidung und großem<br />

Interesse mitforschen. Sepia wird<br />

entdeckt und damit gemalt, die Fortbewegung<br />

der Oktopusse simuliert, der<br />

Darm einer Muschel kennengelernt, die<br />

Bedeutung der Seitenlinie eines Fisches<br />

erklärt und vieles mehr.<br />

Nutzen wir genügend die Alltagssituationen,<br />

um mit unseren Schülerinnen<br />

und Schülern die Natur zu erkunden?<br />

Trauen wir uns in der Schule Tiere zu<br />

zerlegen?<br />

11. Kinder sind nicht von der Wissenschaft<br />

fasziniert, sondern von der<br />

Schönheit der Phänomene<br />

Der Astrophysiker Pierre Léna kommentiert<br />

die Preisverleihung an Schulklassen:<br />

»Wir sollen wieder und wieder<br />

erklären, dass die Kinder für die<br />

Wissenschaft bereit sind. … Aber die<br />

Ur erfahrung ist die Schönheit. … Das<br />

kann man in den Kindern aufdecken, in<br />

ihnen steigern.« Und der Nobelpreisträger<br />

für Physik, Prof. Georges Charpak<br />

ergänzt: »Die Kinder sind nicht primär<br />

von der Wissenschaft fasziniert, sondern<br />

ganz natürlich fasziniert von ihrer<br />

Umwelt. An dieser Faszination setzen<br />

wir an, um ihnen etwas in die Hand zu<br />

geben, das ihnen methodisches wissenschaftliches<br />

Denken ermöglicht.«<br />

Geben wir der Schönheit naturwissenschaftlicher<br />

Phänomene den erforderlichen<br />

Raum? Beachten wir sie überhaupt?<br />

Oder dienen uns Phänomene primär zur<br />

Motivierung für die vorgegebenen Ziele<br />

des Unterrichts?<br />

12. Lernorte und Experten<br />

Der Besuch in einem Naturkundemuseum<br />

macht zum Beispiel Evolution anschaulich.<br />

Dass Wale einmal Landtiere<br />

waren, ist den Kindern erstaunlich. Der<br />

Professor zeigt ihnen die verkümmerten<br />

Rudimente eines Hinterlaufs. »Die<br />

haben sie im Laufe der Zeit verloren.«<br />

»Die haben sie einfach so verloren?«,<br />

fragt ein Kind zurück. Die Entwicklung<br />

hierhin im Laufe vieler Millionen Jahre<br />

ist den Kindern schwer vorstellbar. Der<br />

Kenntnisgewinn dennoch beachtlich.<br />

Nach einigen Erklärungen wissen sie<br />

nun, dass es sehr lange gedauert haben<br />

muss, und dass die Wale damals im<br />

Meer bessere Überlebensbedingungen<br />

vorgefunden haben als am Land. Längst<br />

nicht alles kann man durch eigene Erfahrung<br />

und eigenes Erleben lernen.<br />

Zum Beispiel nicht die Evolution. Museen<br />

und Experten können hier vieles<br />

anschaulich und damit leichter vorstellbar<br />

machen.<br />

Nutzen wir die vielen Gelegenheiten<br />

außerschulischer Lernorte häufig genug?<br />

Fragen wir hinreichend Fachleute, die<br />

manches mit einer anderen Kompetenz<br />

und vor allem Glaubwürdigkeit erläutern<br />

können, als wir Laien-Naturwissenschaftler-Lehrer?<br />

DVD und Literatur<br />

Elschenbroich, D. / Schweizer, O. (2004):<br />

Die Befragung der Welt. Kinder als Naturforscher.<br />

DVD (Deutsches Jugendinstitut).<br />

Elschenbroich, D. (2007): Weltwunder.<br />

Kinder als Naturforscher. München: Goldmann.<br />

8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Ulrich Bosse<br />

Naturforscher: Draußen sein – Natur<br />

erkunden – Persönlichkeit stärken<br />

In der Bielefelder Laborschule haben einige Klassen die regelmäßige Draußenzeit<br />

zu einem festen Element gemacht. Bei beinahe jedem Wetter geht z. B. die<br />

Gruppe Reseda an jedem Montagnachmittag meist in den nahegelegenen Wald<br />

oder zu einem anderen Ort draußen – in einer Zeit, die im Stundenplan und in<br />

der Deputatsberechnung als Unterrichtszeit ausgewiesen ist. Nicht das systematische,<br />

angeleitete Lernen mit vorbestimmten Zielen steht im Vordergrund. Die<br />

Erwachsenen, Eltern wie Lehrer, sind jedoch gemeinsam fest davon überzeugt,<br />

dass es sich hierbei um eine höchst ergiebige Form des Lernens und der Kompetenzerweiterung<br />

der Schülerinnen und Schüler handelt.<br />

Es finden ungezählte Naturerfahrungen<br />

statt, aber auch das soziale<br />

Lernen, der Umgang im Miteinander,<br />

soziale Dinge wie Achtsamkeit,<br />

Rücksichtnahme, die regelmäßige Verkehrsübung<br />

beim individuellen und<br />

gemeinsamen Überqueren der Straßen,<br />

Übernahme von Verantwortung für die<br />

mitgenommenen Sachen und nicht zuletzt<br />

das natürliche Übungsfeld für die<br />

Motorik der Kinder spielen eine große<br />

Rolle. Das alles ist nicht in abgegrenzte<br />

Unterrichtseinheiten zu packen, sondern<br />

stellt ein ständiges, alltägliches<br />

Erfahrungsfeld für die jungen Menschen<br />

dar. Freies Spielen, Naturerkundungen,<br />

spontane Entdeckungen, aber<br />

auch das Nachgehen vorab entwickelter<br />

Beobachtungs- oder Erkundungsfragen<br />

bestimmen den Ablauf. Was macht<br />

darin nun den Naturforscher aus? Der<br />

ist doch zielgerichtet, Interesse geleitet,<br />

methodisch und systematisch! Das sind<br />

Kinder während dieser Draußenzeiten<br />

auch – auf ihre Art und Weise. Und<br />

diesem kindlichen Forscherdrang soll<br />

Rechnung getragen werden. Dabei geht<br />

es nicht nur um das Forschen in Anlehnung<br />

an wissenschaftliche Kategorien.<br />

Es geht auch um die Erforschung der<br />

eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten,<br />

um ihre Weiterentwicklung, um<br />

die Ausdehnung des eigenen Horizonts,<br />

kurz: um die Entfaltung der eigenen<br />

Person.<br />

Um diesen Ansatz verständlich zu<br />

machen, wird im Folgenden auf drei<br />

wesentliche Aspekte dieses Ansatzes<br />

eingegangen: Draußen sein, Natur entdecken,<br />

Persönlichkeit stärken. Alle<br />

drei haben einen eigenen Wert, sind<br />

aber ohne die anderen beiden nicht zu<br />

denken.<br />

Literatur<br />

Berthold, M. / Ziegenspeck, J. W. (2002):<br />

Der Wald als erlebnispädagogischer Lernort<br />

für Kinder. Lüneburg: edition erlebnispädagogik.<br />

Berwanger, D. u. a. (2011): Wissenschaftliche<br />

Untersuchungen zur Arbeit der Stiftung<br />

»Haus der kleinen Forscher«. Hrsg.: Stiftung<br />

»Haus der kleinen Forscher«. 2 Bände. Köln:<br />

Bildungsverlag EINS.<br />

Gebhard, U. (2009): Kind und Natur.<br />

Die Bedeutung der Natur für die psychische<br />

Entwicklung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />

Weber, Andreas (2011): Mehr Matsch! Kinder<br />

brauchen Natur. Berlin: Ullstein.<br />

Draußen sein<br />

Unsere Draußenzeiten sehen in der<br />

Regel so aus: Nach der Versorgung mit<br />

angemessener Kleidung und der Erledigung<br />

grundlegender Bedürfnisse<br />

versammelt sich die Gruppe an einem<br />

bekannten Treffpunkt. Mit großer Zuverlässigkeit<br />

sind alle Kinder ausgesprochen<br />

pünktlich zur Stelle. Die begrenzte<br />

Zeit soll durch Zuspätkommen nicht<br />

noch weiter verkürzt werden. Regeln<br />

für den Weg sind den Kindern bekannt.<br />

Sie müssen nicht jedes Mal wiederholt<br />

werden. Sean trägt heute die Erste-<br />

Hilfe-Tasche, das Kletterseil, Kristina,<br />

Emelie, Lars und Finn haben unsere<br />

Naturforscher-Koffer in der Hand (hierüber<br />

mehr im nächsten Kapitel). Ohne<br />

Formation geht es los, Freundinnen und<br />

Freunde gehen zusammen. Einige Kinder<br />

sind so ins Gespräch vertieft, dass sie<br />

nicht mitbekommen, was neben ihnen<br />

geschieht. Andere sehen am Wegrand<br />

jede Kleinigkeit. Kaum sind wir unterwegs,<br />

befinden sich die Kinder in anderen<br />

Zeitdimensionen. Einige stürmen<br />

voran, andere trödeln gedankenverloren,<br />

manche erkunden jedes einzelne<br />

Blatt sämtlicher Büsche. Die Forsythien<br />

blühen schon gelb, aber haben ja noch<br />

gar keine Blätter. Die »wahren« Naturforscher<br />

zeigen sich bereits jetzt.<br />

Bis zum Waldrand ist es nicht mehr<br />

weit. Hier ist der erste Treffpunkt. Es<br />

wird besprochen, welche Schlucht wir<br />

heute aufsuchen. Vier haben wir zur<br />

Auswahl: Die erste, die bekannteste,<br />

bietet eine Menge an Fossilien, die die<br />

Kinder gerne erforschen. Die zweite ist<br />

eine recht tiefe Schneise, schwer einsehbar<br />

und daher besonders spannend. Die<br />

dritte fordert die Kletterei heraus und<br />

über der vierten Schlucht liegen einige<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

9


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Baumstämme, über die zu balancieren<br />

nicht ganz ungefährlich ist.<br />

Überhaupt der Umgang mit der Gefahr.<br />

Mit den Eltern habe ich Folgendes<br />

besprochen: Ich weise die Kinder<br />

ausdrücklich und immer mal wieder<br />

auf besondere Gefährdungen hin, die<br />

sie selber nicht einschätzen können.<br />

Zum Beispiel kann ein Stapel Baumstämme<br />

höchst gefährlich sein, wenn<br />

die schweren Hölzer nicht absolut stabil<br />

aufeinander lagern. Das muss ich vorher<br />

immer prüfen, bevor Kinder darauf<br />

steigen. Aber was sonst die Kinder erklimmen,<br />

welchen Baum sie erklettern<br />

oder in welche Schlucht sie hinabsteigen,<br />

das wird weitgehend ihrer Selbsteinschätzung<br />

überlassen. In der Regel<br />

»versteigen« sich Kinder nicht, wenn sie<br />

es gewohnt sind, draußen in der Natur<br />

zu sein. Und es gilt die Regel: Klettere<br />

nur soweit, wie Du auch sicher bist,<br />

wieder zurück zu kommen. In den vielen<br />

Jahrzehnten, in denen ich mit den<br />

Kindern in den Wald gehe, ist noch nie<br />

etwas Schlimmeres geschehen, als dass<br />

jemand ein Pflaster aufs Knie brauchte<br />

oder sich einen Fuß vertreten hat. Ich<br />

hoffe und vertraue darauf, dass es auch<br />

so bleibt, denn die Kinder erwerben ja<br />

Routine. Eine Garantie ist das natürlich<br />

nicht – genauso wenig wie auf einem<br />

beaufsichtigten Schulhof garantiert keine<br />

Unfälle passieren würden.<br />

Heute möchten die Kinder in die<br />

»alte« Schlucht. Da neue Drittklässler<br />

in die Gruppe gekommen sind, werden<br />

noch einmal die Grenzen erklärt. Um<br />

die Schlucht führen Wege, die man von<br />

der höchsten Stelle aus einsehen kann.<br />

Außerhalb dieser Wege endet das Gebiet.<br />

Zur Vorsicht gehen die Paten mit<br />

den Neuen diese Wege einmal ab. Von<br />

nun an verlasse ich mich darauf, dass<br />

niemand das Revier ohne Erlaubnis<br />

verlässt. Das ist bislang noch nie vorgekommen.<br />

Louis befestigt schon einmal das<br />

Kletterseil an einer Baumwurzel recht<br />

weit oben am Rand der Schlucht. Es<br />

ist behilflich, den mühsamen Auf- und<br />

Abstieg leichter zu bewältigen und gibt<br />

ein Gefühl wirklicher Pionierleistung.<br />

Die Naturforscher-Koffer stehen auf<br />

einem Baumstumpf. Bislang kümmert<br />

sich niemand um sie. Das Gelände ist<br />

zu spannend, auch wenn wir schon viele,<br />

viele Male hier gewesen sind. Eine<br />

Gruppe von Kindern genießt immer<br />

wieder das rasche Hinunterlaufen in die<br />

Schlucht hinein. Der Lauf gerät immer<br />

fast außer Kontrolle – aber eben nur<br />

fast. Schließlich fängt man sich und<br />

genießt den Auslauf die gegenüberliegende<br />

Seite hinauf. Drei Mädchen und<br />

zwei Jungen bauen an einem Tipi weiter,<br />

in das die gesamte Gruppe hineinpasst<br />

und das seit mehreren Wochen in Arbeit<br />

ist. Noch ist es sehr lichtdurchlässig,<br />

aber eine Wand ist bereits schon<br />

ziemlich dicht. Alle sind frei und lebendig<br />

beschäftigt. Emelie hat eine Muskelschwäche.<br />

Sie ist bei den wilden Laufspielen<br />

gehandicapt. Ihr ist die Gefahr<br />

zu groß umzuknicken, zu stürzen oder<br />

gar einen Bruch zu riskieren. Sie sammelt<br />

»Hexengeld«, kleine runde Fossilien<br />

der Seelilie, die hier vor Millionen<br />

von Jahren gelebt haben, als hier noch<br />

ein Meer war. Aber auch das ist ein Thema<br />

für das nächste Kapitel …<br />

Nur Martin steht unweit von mir<br />

herum und weiß nichts mit sich anzufangen.<br />

Zum Rennen und Spielen hat<br />

er keine Lust. Die Aufforderungen der<br />

anderen Kinder zum Mitspielen weist er<br />

zurück. Für ihn ist die Waldzeit langweilig,<br />

eine Zumutung – noch. Von<br />

ihm handelt der Beitrag »Persönlichkeit<br />

stärken«.<br />

Wie stehen die Eltern zu den zeitaufwändigen<br />

Gängen in die Natur? In den<br />

vielen Jahren, in denen ich diese Waldgänge<br />

mit den Dritt-, Viert- und teilweise<br />

auch Fünftklässlern durchführe, sind<br />

sie auch von Elternseite immer positiv<br />

akzeptiert worden und nie durch die<br />

Sorge in Frage gestellt worden, hierdurch<br />

würde doch »wertvolle Unterrichtszeit«<br />

wegfallen. Die Eltern akzeptieren,<br />

verstehen und wünschen diesen<br />

Teil von Schule, weil sie von seinem<br />

Nutzen für ihre Kinder überzeugt sind.<br />

Alljährlich ist dies Thema auf unseren<br />

Elternabenden, um auch die neuen Eltern<br />

in unseren jahrgangsgemischten<br />

Gruppen frühzeitig mit einzubeziehen.<br />

Manche Pädagogen vertreten die Auffassung,<br />

der natürliche Bewegungsdrang<br />

eines Kindes, eine natürliche<br />

Bewegungsumgebung seien Voraussetzung<br />

auch für die kognitive Entwicklung<br />

von Kindern, für das Erlernen der<br />

sogenannten schulischen Kernfächer<br />

wie Mathematik und Schreiben. Es gibt<br />

Aussagen wie: Wenn ein Kind nicht<br />

sicher rückwärts gehen kann, kann es<br />

auch nicht rückwärts rechnen. Oder:<br />

Ein Kind muss sicher hüpfen können,<br />

um auch den Zehnerübergang wirklich<br />

zu schaffen. Hierfür gibt es im Detail<br />

keine wissenschaftlichen Belege. Aber<br />

sicherlich gibt es einen belegbaren Zusammenhang<br />

zwischen leiblich-sinnlicher<br />

Entwicklung und der Entfaltung<br />

der Kognition. Pestalozzis Lernen mit<br />

Kopf, Herz und Hand, John Deweys<br />

learning by doing – and thinking (!) und<br />

viele weitere Zitate berühmter Pädagogen<br />

weisen darauf hin.<br />

Unsere Erfahrungen lassen uns zu<br />

einer Bestätigung dieser Ansichten gelangen.<br />

Kinder werden angeregt durch<br />

die Gänge nach draußen, in den Wald,<br />

auf die Wiese, an den Teich. Sie sammeln<br />

dort vielfältige Eindrücke, machen<br />

prägende Erfahrungen. Sie werden<br />

ausgeglichener. Sie streiten sich bei<br />

diesen Anlässen so gut wie überhaupt<br />

nicht. Sie integrieren andere in ihre<br />

Spiele oder Entdeckungen: »Schau mal<br />

her!« ist ein ganz häufig gehörter Ausruf.<br />

Dürfen sie ihre Eindrücke, Sammlungen,<br />

Erlebnisse mit in die Schule<br />

nehmen, setzt sich das Lernen dort fort.<br />

Ausstellungen entstehen spontan, man<br />

schaut in Büchern nach, recherchiert im<br />

Internet, sucht Vergleichbares, bereits<br />

Bekanntes, beginnt zu ordnen, zu katalogisieren.<br />

So und nicht anders ist auch<br />

Humboldt bei seinen Forschungsreisen<br />

vorgegangen. Ob das auch unmittelbare<br />

Auswirkungen auf das Erlernen der<br />

Kulturtechniken hat, bleibt hypothetisch.<br />

Wir vermuten es jedenfalls. Unsere<br />

Erfahrungen sprechen dafür.<br />

10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Natur erkunden:<br />

Naturforscher mit ihren Naturforscherkoffern<br />

Bei unseren Waldgängen entdeckten die<br />

Kinder so manches Interessantes. Ein<br />

Wald – und besonders unserer – hat davon<br />

eine Menge zu bieten. Das »Hexengeld«<br />

1) kommt in rauen Mengen vor. Im<br />

Herbst wachsen viele Pilze. Der Mischwald<br />

bietet uns etliche unterschiedliche<br />

Bäume, Büsche, Moose und Kräuter. Die<br />

Schluchtenwände legen mehrere Gesteinsarten<br />

offen. Getier, Geziefer und<br />

Gewürm gibt es in einem solchen Wald<br />

natürlich reichlich – lebend und mitunter<br />

als knöcherner, fiederner oder gehäuteter<br />

Überrest. Lichtspiel und Sonnenstand<br />

sind erlebbar, Orientierung<br />

erforderlich, Entfernungseinschätzung<br />

und -messung nützlich.<br />

Fragen entstehen massenhaft. »Komm,<br />

ich zeig Dir!« ist eine ständige Redewendung.<br />

»Was ist das?« die häufige Frage,<br />

auf die ich oft keine Antwort weiß.<br />

»Kann ich den Wurm mit in die Schule<br />

nehmen?« Aber worin? »Schau mal,<br />

hier im Stein ist etwas versteckt. Wie<br />

bekomme ich es heraus?« »Bekomme<br />

ich eine Krankheit, wenn ich die Feder<br />

anfasse?« Und so geht es endlos weiter.<br />

Wir brauchen Werkzeuge, Aufbewahrungsmöglichkeiten,<br />

Bestimmungsbücher,<br />

Lupen und sonstiges Gerät. Naturforscher<br />

haben das auch. Die laufen<br />

auch nicht nur so im Wald herum und<br />

wühlen mit bloßen Händen in der Erde<br />

herum. Nicht nur.<br />

Auf jeden Fall machen sie sich Notizen<br />

und fertigen Skizzen an. Hierfür<br />

bekommt jede Schülerin und jeder<br />

Schüler ein kleines Protokollheft. Ein<br />

stabiles, kariertes Oktavheft eignet sich<br />

besonders. Dass Erkundungsdatum<br />

und -ort eingetragen werden müssen,<br />

versteht sich von alleine. Sonst weiß<br />

man hinterher ja nicht mehr, was man<br />

wann und wo entdeckt hat.<br />

Drei Naturforscherkoffer werden für<br />

drei verschiedene Forschungsrichtungen<br />

geschaffen: »Pflanzen und Tiere«,<br />

»Steine und Erde« und »Karten lesen<br />

und Gelände vermessen«. Biologie,<br />

Geologie und Geografie sind die Wissenschaften,<br />

die wir bei unseren Gängen<br />

nach draußen und in den Wald<br />

am ehesten bedienen können. Für die<br />

Aufbewahrung dienen uns Werkzeugkästen<br />

aus dem Baumarkt. Dort kann<br />

man auch die meisten Gerätschaften<br />

erstehen.<br />

Und so sind die Naturforscherkoffer<br />

ausgestattet:<br />

1. »Pflanzen und Tiere« (Biologie)<br />

Hier gibt es zwei Koffer, weil nicht alle<br />

Geräte und Materialien in einen Koffer<br />

passen. Außerdem ist dieses Forschungsgebiet<br />

auch das größte, an dem<br />

sich die meisten Kinder beteiligen.<br />

Koffer 1:<br />

2 stabile Messer<br />

3 Spachtel<br />

2 Pinsel<br />

4 Pinzetten<br />

1 Drahtbürste<br />

5 Plastiktüten<br />

Aufbewahrungsboxen<br />

Koffer 2:<br />

5 Dosenlupen<br />

3 Stablupen<br />

1 Paar Handschuhe<br />

Bestimmungsbücher<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

11


Thema: Naturwissen schaffen<br />

© Google Maps<br />

2. »Karten lesen und Gelände<br />

vermessen« (Geografie)<br />

Kofferinhalt:<br />

4 Kompasse<br />

2 Schrittzähler<br />

3 Bandmaße (20 m)<br />

Taschenlampe<br />

3 Folienstifte<br />

1 Bielefeld-Karte (1 : 20.000)<br />

4 Geländekarten (laminiert)<br />

2 Satellitenbilder (laminiert)<br />

1 Symbolliste/Legende (laminiert)<br />

Buch »Karte, Kompass, Sonnenstand«<br />

3. »Steine und Erde«<br />

(Geologie)<br />

Kofferinhalt:<br />

2 Hämmer<br />

1 Drahtbürste<br />

3 stabile Messer<br />

3 Spachtel<br />

5 Kratzspieße<br />

3 Pinsel<br />

1 Taschenlampe<br />

2 Taschenlupen<br />

1 Päckchen Streichhölzer<br />

5 Plastiktüten<br />

Bestimmungsbuch<br />

Anmerkung<br />

(1) »Hexengeld« nennen unsere Kinder die<br />

fossilierten Segmente der Stängel von See lilien,<br />

die wir hier zuhauf finden können.<br />

12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Natur erkunden:<br />

Der Naturforscher-Pass<br />

Der Naturforscher-Pass ist das Curriculum<br />

unserer Wald- und Naturausflüge.<br />

Die Kinder lernen ihn bald zu Beginn<br />

ihres dritten Schuljahres kennen und<br />

haben zwei Jahre lang Zeit für die Beobachtungs-<br />

und Erkundungsaufgaben.<br />

Die Zeit ist großzügig bemessen. Es soll<br />

kein Erledigungsdruck entstehen. Kein<br />

Kind wird gezwungen (wenngleich<br />

dazu aufgefordert), alle Aufgaben zu<br />

schaffen. Was sie wann und wie tun, ist<br />

ihnen weitgehend selbst überlassen.<br />

Manches wird durch die Jahreszeiten<br />

bestimmt (zum Beispiel die Beobachtung<br />

und Bestimmung von Pilzen),<br />

anderes braucht eine Gelegenheit (zum<br />

Beispiel die Tierbeobachtung im Tierpark),<br />

einiges benötigt Anleitung (z. B.<br />

der Umgang mit dem Kompass und die<br />

Vermessung von Geländeabschnitten).<br />

Ansonsten ergibt sich die Bearbeitung<br />

der Aufgaben aus den <strong>aktuell</strong>en Interessen<br />

und jeweiligen Gelegenheiten.<br />

Jedes Kind nimmt sich eine Aufgabe<br />

vor, muss es aber nicht. Man darf auch<br />

so in den Wald gehen und muss heute<br />

auch nicht zwingend etwas finden oder<br />

forschen. Sonst würde der Ansatz nicht<br />

stimmen. Dann würden die Lernziele<br />

eines hidden curriculum der bestimmende<br />

Faktor für die Waldgänge sein<br />

und so rasch Entdeckerfreude und<br />

selbstbestimmte Motivation bei vielen<br />

Kindern abtöten. Richtig eingesetzt ist<br />

der Naturforscher-Pass ein transparentes<br />

Curriculum. Die Kinder wissen, was<br />

die Erwachsenen von ihnen erwarten.<br />

Sie verstehen, wozu es nützt. Sie haben<br />

die Werkzeuge, Hilfsmittel und Informationen<br />

zur Hand. Sie kennen die<br />

Erwartungen und ihre Spielräume. So<br />

können sie ihren Lernprozess selber in<br />

die Hand nehmen.<br />

Die Inhalte des Naturforscher-Passes<br />

sind an die Gegebenheiten unserer<br />

Umgebung angepasst. Hätten wir keine<br />

Fossilien im Gelände, würde dieser<br />

Teil für diese Art der Naturerforschung<br />

nichts nützen. Hätten wir eine geeignete<br />

Wasserstelle, einen Teich oder einen<br />

Bach in der Nähe, wäre auch die<br />

Gewässererforschung Bestandteil des<br />

Naturforscher-Passes.<br />

Dieser Pass ist zum einen eine Offenlegung<br />

der Absichten der Lehrerin, des<br />

Lehrers. Das solltet Ihr wissen, drückt<br />

er aus. Wenigstens das. Möglichst. Er<br />

ist zugleich ein Portfolio der Arbeit der<br />

Schulkinder. Hierin dokumentieren sie<br />

ihren Forschungs- und Lernzuwachs. Er<br />

wird sorgfältig aufbewahrt und natürlich<br />

nicht mit in den Wald genommen.<br />

Die Beobachtungen vor Ort werden im<br />

Protokollheft notiert. Das kann überall<br />

mit dabei sein. In der Schule wird dann<br />

der Naturforscher-Pass ausgefüllt und<br />

abgezeichnet – wenn die erledigte Aufgabe<br />

als richtig nachgewiesen wurde.<br />

Granit, Sandstein, Kalkstein, Lehmerde,<br />

Sand, Waldboden und manche<br />

andere Gesteins- und Erdarten kommen<br />

in unserer Umgebung vor. Sie sind<br />

leicht zu finden. Gereinigt und näher<br />

betrachtet können sie untersucht und<br />

unterschieden werden. Bestimmungsbücher<br />

helfen beim Erkennen und<br />

dem Herausfinden der besonderen Eigenschaften.<br />

Ein großes Glück ist das<br />

schier unerschöpfliche Vorkommen<br />

von fossilierten Segmenten der Seelilie.<br />

Dabei handelt es sich um ein tierisches<br />

Meereslebewesen, das auch heute noch<br />

in der Tiefsee vorkommt. Wie kommt<br />

es hierhin? War hier etwa ein Meer?<br />

Wann? Was sind die Segmente, die die<br />

Kinder Hexengeld nennen? Im Forscherkoffer<br />

befinden sich auch Bilder<br />

und Informationen hierüber.<br />

Kompasse finden Kinder interessant.<br />

Das sind sie auch. Man kann selber welche<br />

bauen. Bei unseren Erkundungen<br />

verwenden wir einfache Wanderkompasse.<br />

Der Umgang damit will gelernt<br />

sein. Erfahrene Schülerinnen und Schüler<br />

helfen den jüngeren. Die Kompassrose<br />

lernen wir. Hierzu veranstalten wir<br />

einen regelrechten Lehrgang. Jetzt können<br />

wir den Weg um die Schule kartografieren<br />

oder den Weg in den Wald.<br />

Laminierte Karten und Satellitenbilder<br />

werden mit Folienstiften beschriftet.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

13


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Mit Messbändern vermessen wir unsere<br />

Schrittlänge. Jede ist anders. Gut, dass<br />

es den Meter gibt. Wir zählen unsere<br />

Schritte (dabei hilft uns ein Schrittzähler<br />

aus dem Wanderladen) und errechnen<br />

die Entfernung. Das ist nicht leicht.<br />

Gut, dass es das Protokollheft gibt, darin<br />

können wir Notizen machen und<br />

Rechnungen aufschreiben. Die Karten<br />

können jetzt genauer beschriftet werden<br />

mit Himmelsrichtung und Entfernung.<br />

Die Kenntnis der Legende hilft beim<br />

Kartenlesen.<br />

Auch wenn der Forscherkoffer mit<br />

»Pflanzen und Tiere« bezeichnet ist,<br />

wird im Naturforscher-Pass zwischen<br />

Flora und Fauna unterschieden. Das<br />

liegt daran, dass Waldtiere nicht so<br />

leicht zu erkunden sind. Dazu gehen<br />

wir in den Tierpark Olderdissen. Das ist<br />

ein Tagesausflug und kann daher nicht<br />

so einfach zwischendurch stattfinden.<br />

In unserem Mischwald kommen Fichten,<br />

Lärchen und Tannen vor. Außerdem<br />

Buchen, Eichen und … Auf den<br />

Wiesen, am Feldrand und manchmal<br />

auch im Wald finden wir zu den unterschiedlichen<br />

Jahreszeiten alle möglichen<br />

Blumen. Im Spätsommer und<br />

Herbst wachsen hier reichlich Pilze.<br />

Und Moos gibt es in jedem Wald sowieso.<br />

Die Bestimmungsbücher helfen<br />

uns meist. Und wenn nicht, nehmen<br />

wir eine Pflanze mit in die Schule und<br />

versuchen dort, Näheres darüber zu erfahren.<br />

Die Ergebnisse werden vor Ort<br />

ins Protokollheft eingetragen und vom<br />

Lehrer überprüft. Erst wenn es wirklich<br />

stimmt, gibt es den Eintrag in den<br />

Naturforscher-Pass.<br />

Tiere sind in freier Natur sehr schwer<br />

zu erkunden. Natürlich finden wir kleine<br />

Würmer, Käfer, Raupen oder können<br />

ab und zu einen Vogel beobachten. Das<br />

tun wir auch und das findet im Rahmen<br />

unserer Waldgänge ständig statt. Auch<br />

finden wir immer wieder einmal Knochen,<br />

Federn oder andere Körperteile<br />

von Tieren. Aber die großen Waldtiere<br />

sind nicht im Wald – jedenfalls nicht,<br />

wenn wir da sind. Zum Glück haben<br />

wir mit dem Tierpark Olderdissen einen<br />

gut angelegten, großen Tierpark<br />

mit allen heutigen und vielen früheren<br />

einheimischen Tierarten in erreichbarer<br />

Nähe. Rot- und Damwild, Wildschweine,<br />

auch Wölfe und Luchse und<br />

sogar Bären gibt es dort. Jedes Kind<br />

sucht sich sein Lieblingstier aus und<br />

beobachtet es über einen richtig langen<br />

Zeitraum, z. B. eine ganze Stunde lang.<br />

Aussehen und Verhalten werden möglichst<br />

genau beschrieben und ge- und<br />

bezeichnet. Die Kinder finden etwas<br />

über Futtergewohnheiten heraus. Tierpfleger<br />

und vielleicht der Förster können<br />

befragt werden. Der Beobachtungsbogen<br />

für Tiere hilft den Kindern beim<br />

Aufzeichnen und Dokumentieren ihrer<br />

Beobachtungen. In der Schule wird recherchiert,<br />

ergänzt und dokumentiert.<br />

Die Urkunde bescheinigt die Erfüllung<br />

des Pensums. Mitnichten ist sie das<br />

Ende der Naturforscher-Zeit. Sie stellt<br />

den Lehrer bzw. die Lehrerin zufrieden<br />

und dokumentiert ein gewisses Spektrum<br />

an Lernarbeit während zweier<br />

Jahre draußen und im Wald. Sie ist extrinsisch<br />

– das bedeutet nicht, dass sie<br />

den Kindern unwichtig sei. Sie mögen<br />

solche Dokumente und bewahren sie<br />

stolz in ihren »Lernspuren« auf.<br />

Download des Naturforscherpasses<br />

www.<br />

www.naturforscher.laborschule.de<br />

14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Persönlichkeit stärken:<br />

zum Beispiel Martin<br />

»Wenn Kinder Erfahrungen in naturnahen<br />

Freiräumen nie oder zu wenig<br />

machen können, scheinen sie entsprechende<br />

Fähigkeiten zu verlernen oder<br />

nicht auszubilden; so lässt sich vielerorts<br />

beobachten, dass Kinder, wenn sie sich<br />

überwiegend in technisierter Umgebung<br />

oder auf Spielplätzen aufhalten, z. B.<br />

einen Wald für ihre Spiele nicht nutzen<br />

können oder sogar Angst davor haben.<br />

Nun wird ›Natur‹ kein Allheilmittel gegen<br />

alle Art von neuzeitlichen Zivilisationsschäden<br />

sein, jedoch scheinen naturnahe<br />

Spielorte Situationen für Kinder<br />

bereitzuhalten, bei denen viele kindliche<br />

Anliegen völlig nebenbei und ohne pädagogisches<br />

Arrangement ausgelebt werden<br />

können« (Gebhard 2009, S. 93).<br />

* Name geändert<br />

Als Martin * in seinem dritten Schuljahr<br />

in meine Klasse kam, fiel er auf<br />

durch seine recht adipöse Erscheinung,<br />

die damit verbundene relative Schwerfälligkeit<br />

in seinen Bewegungen, motorische<br />

Unsicherheiten, eine ausgeprägte<br />

Rechts-Links-Schwäche, vor allem aber<br />

– und dieses besonders den Kindern –<br />

durch seine Zurückgezogenheit, sein<br />

Ausweichen vor sozialen Kontakten, ja<br />

teilweise Angst davor angesprochen zu<br />

werden. Martin war ein lernschwacher<br />

Schüler mit ausgewiesenem besonderem<br />

Förderbedarf. Sein Leseverständnis<br />

war unterdurchschnittlich, seine<br />

Schreibmotorik wenig ausgebildet und<br />

sein mathematisches Verständnis nicht<br />

annähernd altersgemäß.<br />

Am auffälligsten war Martins Antriebsschwäche.<br />

Alle Verrichtungen<br />

dauerten extrem lange. Es war nicht<br />

primär ein geistiger Orientierungsmangel,<br />

der Zeit zum Durchschauen seiner<br />

Ordnung erforderte. Seine geistigen<br />

Potenziale waren weitgehend durchschnittlich.<br />

Es war eine allgemeine<br />

Langsamkeit, ja Trägheit in seinem Wesen,<br />

ein regelrechter Charakterzug. In<br />

einem Bereich allerdings war er hochmotiviert,<br />

interessiert, flink und kenntnisreich:<br />

beim Gameboy-Spielen. Seine<br />

Eltern hatten ihm das zu der Zeit weit<br />

verbreitete elektronische Spielzeug gekauft,<br />

denn auch sie erlebten hier zum<br />

ersten Mal Antriebsfreude und Interesse<br />

bei ihrem Kind. In der Schule, wo<br />

dieses Spiel in den Pausen erlaubt war,<br />

erhielt er hierüber Aufmerksamkeit und<br />

Anerkennung von anderen Kindern.<br />

Sein typisches Verhalten erlebten wir<br />

auch bei unseren Waldgängen. Martin<br />

hatte nie Lust mitzukommen. Der Weg<br />

mit ihm dauerte extrem lange, was die<br />

Geduld der ganzen Gruppe auf eine<br />

harte Probe stellte. Im Wald angekommen<br />

drückte sein Gesicht, seine Haltung<br />

beinahe noch mehr als in der ihm<br />

gewohnteren Schulumgebung die Frage<br />

aus: »Was soll ich hier? Ich will nach<br />

Hause.« Während die anderen Kinder<br />

begeistert ihre Spiel- und Erkundungssituationen<br />

entfalteten, stand Martin<br />

untätig in meiner Nähe, nie ganz dicht<br />

bei mir, aber auch nie weit entfernt.<br />

Die Aufforderungen der Kinder zum<br />

Mitmachen ignorierte er. Auf meine<br />

vorsichtigen Anstöße reagierte er mit:<br />

»Nee, ich mag nicht.« Anfangs hielt ich<br />

das für seine typische Zurückhaltung<br />

und war sicher, dass sich das bald von<br />

alleine geben würde. Aber auch nach<br />

Wochen und Monaten hatte sich nichts<br />

Wesentliches an diesem Verhalten geändert.<br />

Ich konnte nicht einmal mit<br />

Sicherheit sagen, ob er die anderen Kinder<br />

bei ihrem Tun beobachtete oder ob<br />

er Dinge in seiner Umgebung irgendwie<br />

wahrnahm. Ab und zu sprach ich<br />

ihn natürlich an, wie es ihm gehe, was<br />

er gerne machen würde, ob er sich etwas<br />

wünscht. Seine Reaktion war auch<br />

auf diese Fragen für ihn typisch: oft<br />

stumm, meist verhalten. Bis auf eine<br />

ausgesprochen deutliche Antwort, die<br />

ich nach mehreren Wochen des Nichtstuns<br />

im Wald von ihm erhielt: »Ich mag<br />

es nicht, im Wald zu sein. Das ist langweilig.«<br />

Und: »Schade, dass wir unsere<br />

Gameboys nicht mitnehmen dürfen.«<br />

Bislang hatte noch kein einziges Kind<br />

dieses Bedürfnis bei unseren Wald- und<br />

Draußenzeiten geäußert. Die natürlichen<br />

Spiel-, Bewegungs- und Erkundungsmöglichkeiten<br />

waren allen genug.<br />

Gameboys hätten hier nicht ihre<br />

artgerechte Umgebung gefunden. Das<br />

sah Martin offenbar anders. Schließlich<br />

wird dieses Spielzeug seinen einsiedlerischen<br />

Tendenzen gerecht und könnte<br />

ihn aus der Langeweile befreien. Hin<br />

und wieder habe ich darüber nachgedacht,<br />

Martin von unseren Waldgängen<br />

zu erlösen, ihn vorübergehend von<br />

einer Kollegin, einem Kollegen einer<br />

anderen Klasse mitbetreuen zu lassen.<br />

Aber ernsthaft habe ich das nicht ins<br />

Auge gefasst. Heute bin ich froh, dass<br />

ich Martin mit soviel Langmut sich mit<br />

seiner Langeweile habe auseinandersetzen<br />

lassen.<br />

Nach etlichen Wochen des lustlosen<br />

Herumstehens war Martin eines Tages<br />

nicht mehr in meiner Nähe. Ich musste<br />

ihn mit meinen Augen suchen. Er hatte<br />

sich aus dem selbst gezogenen Bannkreis<br />

begeben und erste Erkundungsschritte<br />

gewagt. Ja, er war sogar ab vom<br />

Weg gekommen, bückte sich, hob einen<br />

Zweig auf und betrachtete ihn. Es war<br />

ein langer Prozess. Nach einiger Zeit<br />

sah ich ihn vorsichtig auf einen liegenden<br />

Baumstamm zugehen, ihn mühsam<br />

erklimmen und erste Stehversuche<br />

darauf machen. Schnell stieg er wieder<br />

ab, denn die Höhe und der gerundete<br />

Stamm machten ihm noch Angst.<br />

Beim nächsten Mal traute er sich ein<br />

klein wenig darauf zu balancieren. Es<br />

gelang, erst ganz zaghaft, Fuß vor Fuß,<br />

dann immer besser. Immer mehr geriet<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

15


Thema: Naturwissen schaffen<br />

Martin ins Gleichgewicht. Immer mehr<br />

traute er sich zu, forderte er sich heraus.<br />

Es gab auch wieder Ausflüge, bei denen<br />

er bei mir blieb. Aber sein Gesicht<br />

verriet zunehmende Aufmerksamkeit,<br />

Interesse. Er beobachtete die anderen<br />

mehr und mehr. Dann nahm er sich<br />

ein Schnitzmesser und bearbeitete damit<br />

ein Stöckchen. Das schenkte er mir<br />

anschließend. Und eines Tages krabbelte<br />

er auf allen Vieren, ganz vorsichtig,<br />

ganz langsam, immer um sicheren Halt<br />

bemüht, an den Rand der Schlucht.<br />

Erst ließ er sich von mir gesichert ein<br />

wenig hinunter. Später griff er selber<br />

nach einer Wurzel, um nicht abzurutschen.<br />

So fand er mehr und mehr Halt<br />

in sich selber. Martin gewann in kurzer<br />

Zeit enorm an motorischer Kompetenz.<br />

Sein Bewegungsradius erweiterte sich<br />

von Mal zu Mal. Es dauerte gar nicht<br />

lange, und er befand sich am Grund<br />

der Schlucht. Gut, dass andere Kinder<br />

das Seil oben befestigt hatten, so war<br />

der Aufstieg nicht zu mühevoll. Allerdings<br />

befand sich das Seil an der anderen<br />

Seite der Schlucht. Um wieder zum<br />

Ausgangspunkt zu gelangen, musste<br />

Martin entweder auf äußerst unwegsamem<br />

Gelände die Schlucht umrunden<br />

oder sie erneut durchqueren. Er entschied<br />

sich für letzteres. Abstieg und<br />

dieses Mal Aufstieg auf der vertrauten<br />

Seite. Allerdings ohne helfendes Seil.<br />

Aus eigener Kraft. Von Wurzel zu Wurzel<br />

hangelnd, bis ich ihm oben endlich<br />

meine helfende Hand entgegenstreckte.<br />

Aber die brauchte er nur noch zum Einschlagen:<br />

Ich habe es geschafft!<br />

Martin wiederholte den Ab- und<br />

Aufstieg in die Schlucht bei diesem und<br />

bei den nächsten Malen immer wieder.<br />

Rasch wurde er sicherer. Bald spielte er<br />

mit den Kindern. Dann entdeckte er<br />

die Fossilien. Und hier gewann er eine<br />

Neigung. Von nun an haben Versteinerungen<br />

es ihm angetan. Zu der Zeit hatten<br />

wir noch keine Naturforscherkoffer.<br />

Aber dieses ursprüngliche Entdecken,<br />

dieses Herausbilden eines spezifischen<br />

Interesses vollzieht sich auch ohne jedes<br />

Werkzeug oder Hilfsmittel – vielleicht<br />

sogar nachhaltiger. Martin wurde<br />

unser Spezialist für Versteinerungen.<br />

Im Laufe der Zeit legte er eine große<br />

Sammlung an, kannte sich bestens aus,<br />

versorgte sich in unserer Bibliothek mit<br />

den nötigen Informationen. – Von nun<br />

an waren ihm die Gänge in die Schlucht<br />

eine reine Freude. Und auch wenn es<br />

mal woanders hinging, kam er fortan<br />

immer gerne und aufgeschlossen mit.<br />

Martin war ein Naturforscher geworden.<br />

An dieser Stelle soll nun nicht behauptet<br />

werden, dass diese Entwicklung<br />

einzig und allein unseren Waldzeiten<br />

geschuldet gewesen wären. Sicherlich<br />

spielen auch andere entwicklungspsychologische<br />

Prozesse bei Martin eine<br />

Rolle. Jedoch: hätte es die Waldzeiten<br />

für ihn nicht gegeben, so hätte er sich<br />

auf diesem Gebiet weder motorisch<br />

nach sachlich-interessebezogen derart<br />

entwickeln können. Auch dass in den<br />

nächsten Monaten ein bemerkenswerter<br />

Wandel in Martins Sozialverhalten und<br />

in seiner Stellung innerhalb der Gruppengemeinschaft<br />

stattfand, erklärt sich<br />

nicht ausschließlich aus den Gängen in<br />

den Wald. Aber hier fand die initiale<br />

Zündung draußen im Wald statt. Hier<br />

nahm er das erste Mal aktiv Kontakt<br />

mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern<br />

auf, indem er sich auf ihre motorischen<br />

und sozialen Spiele einließ.<br />

Schließlich veränderte sich auch Martins<br />

Lernverhalten deutlich. Seine Anstrengungsbereitschaft<br />

nahm zu, sein<br />

Lernfortschritt wurde in immer kürzeren<br />

Zeitintervallen sichtbar, seine Erfolge<br />

motivierten ihn zusehends. Kann es<br />

nicht sein, dass sein gewachsenes Selbstvertrauen<br />

in körperlicher, motorischer<br />

Hinsicht, seine zunehmende Sicherheit<br />

in der Bewegung seine Persönlichkeit<br />

derart gestärkt haben, dass er sich auch<br />

auf geistig-kognitivem Gebiet mehr zutraute?<br />

Ist es nicht vorstellbar, dass die<br />

sozialen Bestärkungen, die spürbare<br />

Zuwendung der anderen von ihm als<br />

aktiver, selbst mit gestalteter Wandel in<br />

seinem Verhalten wahrgenommen wurde<br />

und ihn dies motiviert und seelisch<br />

gekräftigt hat? Vielleicht ist Martin ein<br />

Beispiel dafür, wie die Herausbildung<br />

und Entdeckung der eigenen Fähigkeiten<br />

zum Abbau seiner sicherlich tendenziell<br />

pathologischen Antriebsschwäche<br />

in geistiger wie körperlicher Hinsicht<br />

beigetragen haben.<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Christine Biermann<br />

Lernkompetenzen entwickeln und nutzen<br />

Medienkompetenz<br />

»Beim Film gucken in der Schule musst<br />

Du Dir was merken, Christine fragt uns<br />

hinterher.«<br />

Ja, Filme schauen in der Schule, das ist<br />

den Kindern schnell klar, ist etwas anderes<br />

als Filme schauen zu Hause oder<br />

im Kino. Die Großen vermitteln es den<br />

Jüngeren und können – weil schon erfahren<br />

– gut erläutern, was alles dazu<br />

gehört: »Ihr müsst aufpassen, manchmal<br />

soll man sich auch etwas aufschreiben,<br />

es gibt keine Chips und kein Sofa,<br />

hinterher machen wir oft ein kleines<br />

Quiz.«<br />

Filme schauen ist eine Lernkompetenz,<br />

die in erster Linie der Informationsbeschaffung,<br />

insbesondere der<br />

Anschauung dient. Gleichsam stellt sie<br />

– bei gelungener Filmwahl – eine gute<br />

Ausgangsmotivation für ein aufmerksames<br />

Hinschauen, für intensives Verstehenwollen<br />

und nachhaltiges Behalten<br />

und Erinnern von Inhalten dar. Sie ist<br />

eine von vielen Lernkompetenzen, die,<br />

stets an Inhalte, also den Erwerb von<br />

Sachkompetenzen gekoppelt, Schritt<br />

für Schritt gelernt und in den folgenden<br />

Jahren von den SchülerInnen angewandt<br />

und ausgebaut werden können.<br />

Im Folgenden soll von folgenden Lernkompetenzen<br />

die Rede sein:<br />

●●<br />

Lernkompetenzen, die der Dokumentation<br />

und deren Ordnung dienen,<br />

●●<br />

Lernkompetenzen, die Präsentationen<br />

möglich und besser machen,<br />

●●<br />

Lernkompetenzen, die die eigene<br />

Leistung reflektieren und fremde Leistungen<br />

bewerten helfen.<br />

Dokumentationskompetenz<br />

»Manchmal ist es ganz schön anstrengend,<br />

immer alles aufzuschreiben.«<br />

Gerade in einem Unterricht, in dem<br />

es viel zu sehen gibt: bei Experimenten,<br />

bei Unterrichtsgängen, bei Filmen, im<br />

Internet, in Büchern müssen den Kindern<br />

Verfahren zur Verfügung stehen,<br />

um dieses Gesehene und Erlebte zu dokumentieren.<br />

So legen wir am Anfang<br />

des Schuljahres zunächst einmal eine<br />

»Nawi-Mappe« an: Sie bekommt ein<br />

Deckblatt 1) und ein Inhaltsverzeichnis.<br />

Wichtig ist, jedes eingeheftete Blatt in<br />

das Inhaltsverzeichnis einzutragen. Dafür<br />

muss Zeit sein, sonst verlieren alle<br />

– SchülerInnen wie Lehrende – schnell<br />

den Überblick.<br />

Für die meisten Beobachtungen, die<br />

festgehalten werden sollen, haben wir<br />

einen Protokollbogen entwickelt, der<br />

genügend Platz für eine Zeichnung und<br />

für einen Text bietet. Zu einigen Einheiten<br />

wie z. B. Bionik werden spezielle<br />

Protokollbögen entwickelt (vgl. dazu<br />

»Fliegen in Natur und Technik« von<br />

Lina Falcke in diesem Heft, S. 23 ff.). In<br />

die Mappe kommen ebenso alle freien<br />

Arbeiten wie kleine Referate, Skizzen,<br />

Fotos von Gruppenarbeiten und Plakaten<br />

und auch die Selbst reflexionen zu<br />

einigen Produkten – aber dazu später<br />

mehr.<br />

Dokumentieren will zunächst gelernt<br />

werden: Was muss ich aufschreiben?<br />

Wie genau muss meine Skizze sein? In<br />

welcher Zeit muss ich fertig sein? Muss<br />

alles richtig sein?<br />

Wichtig ist, dass über Gelingens- und<br />

Leistungskriterien gemeinsam in der<br />

Gruppe gesprochen wird. Individuelles<br />

Lernen und – im Idealfall – Notenfreiheit<br />

machen es allen SchülerInnen<br />

leicht, nicht im direkten Vergleich zu<br />

stehen. Es gibt einerseits »Von-bis-<br />

Vorgaben«, d. h., was sollte mindestens<br />

als Skizze und Text vorhanden sein,<br />

allerdings nicht mit einer Beschränkung<br />

nach oben. Es gibt Tipps zur<br />

Formulierung, es gibt Geschriebenes<br />

und Korrigiertes und es gibt bei allen<br />

Kindern das Bemühen, sich zu entwickeln.<br />

Davon gehen wir stets aus. Solch<br />

eine Entwicklung über ein halbes Jahr<br />

soll hier anhand zweier Protokoll bögen<br />

gezeigt werden. Sie sind von einem<br />

Drittklässler angelegt worden, der zu<br />

Beginn mit wenig Selbstbewusstsein<br />

und vielen Ängsten schrieb und malte,<br />

sich zunehmend mehr zutraute und nur<br />

wenige Monate später eine lange Versuchsbeschreibung<br />

– immer noch bzgl.<br />

der Rechtschreibung recht fehlerhaft –<br />

anfertigte.<br />

Eine weitere freiere Form der Dokumentation<br />

stellen die kleinen Protokollheftchen<br />

dar, die im Gepäck sind, wenn<br />

die Waldgänge mit den Forscherkoffern<br />

auf der Tagesordnung stehen. Sie wurden<br />

bereits im Aufsatz von Ulrich Bosse<br />

über die »Naturforscher« (in diesem<br />

Heft, S. 11 ff.) dargestellt.<br />

Abb. 1: erste Versuchsbeschreibung …<br />

Abb. 2: … und ein halbes Jahr später<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

17


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Präsentationskompetenz<br />

»Wir machen Plakate wie die Profis.«<br />

Gerade individuelles Lernen, Arbeiten<br />

an eigenen Unterthemen fordert<br />

dazu heraus, sich gegenseitig die Produkte<br />

vorzustellen. Das können kleine<br />

Referate sein, die schriftlich ausgearbeitet<br />

oder nur in Stichpunkten auf Karteikärtchen<br />

festgehalten, vorgetragen werden.<br />

Visualisierte Präsentationen haben<br />

den Vorteil, meist länger präsent zu sein<br />

– für die GestalterInnen, die ZuschauerInnen<br />

und weiteres Publikum wie Eltern<br />

und die Schulöffentlichkeit.<br />

Ein – auch bei den meisten SchülerInnen<br />

– beliebtes Produkt ist das Plakat.<br />

Meist haben die Kinder schon früher<br />

Plakate gemalt oder beschriftet, jetzt soll<br />

es – im Sinne eines Spiralcurriculums<br />

der Lernkompetenzen – darum gehen,<br />

ein Plakat wie ein Profi herzustellen.<br />

Dazu werden zunächst in der Gruppe<br />

Diskussionen über gute und schlechte<br />

Plakate geführt, besser noch Anschauungsmaterial<br />

begutachtet: Was muss auf<br />

einem Plakat sein? Wie ist das Thema sofort<br />

zu erkennen? Wie muss die Schrift<br />

sein? Welche Bildauswahl trifft man? Wo<br />

platziert man die Bilder? Usw. Schnell<br />

sind sich alle einig: Die Schrift muss<br />

eine bestimmte Größe haben, damit sie<br />

auch mit einigem Abstand vom Plakat<br />

noch gelesen werden kann, und sie sollte<br />

gleichmäßig sein – in Blockbuchstaben,<br />

vielleicht – bei nicht so »guter Schrift«<br />

(so die Kinder) – besser getippt und ausgedruckt.<br />

Die Überschrift sollte schnell<br />

über das Thema informieren und ins<br />

Auge fallen. Die Bilder müssen passen<br />

und einen guten Platz bekommen. Wenn<br />

man einen Vortrag hält, sollten nicht die<br />

ganzen Sätze schon auf dem Plakat stehen,<br />

Stichworte reichen.<br />

Mit diesen selbst erarbeiteten Kriterien<br />

entstehen immer noch ganz unterschiedliche<br />

Plakate, aber sie werden –<br />

auch durch die anschließende Kritik der<br />

ganzen Gruppe – von Mal zu Mal besser.<br />

Diese Plakate befanden die SchülerInnen<br />

selbst als so gelungen, dass sie<br />

sich eine Ausstellung in der Schulöffentlichkeit<br />

wünschten. Sie wurden später<br />

für diese Plakate sehr gelobt.<br />

Selbst- und Fremdbeurteilung<br />

der Portfolioarbeit 2)<br />

»Ich finde, dass Du mein Plakat gut bewertet<br />

hast«<br />

Produktorientiertes Arbeiten motiviert<br />

und zeigt Leistung. Aus dem Produkt<br />

wird ein Portfolio, d. h. in diesem<br />

Zusammenhang ein Themenportfolio,<br />

wenn über die schriftliche Selbstreflexion<br />

und die Bewertung des Produkts<br />

durch die Lehrkraft, manchmal auch<br />

durch MitschülerInnen, ein Leistungsdialog<br />

3) zustande kommt. Er soll dazu<br />

dienen, an den in der Gruppe erarbeiteten<br />

Kriterien entlang noch einmal genauer<br />

hinzuschauen, was gut und was<br />

weniger gut gelungen ist, was bei der Erstellung<br />

des nächsten Produkts beachtet<br />

werden sollte. Aneinandergereiht bilden<br />

die gesammelten Portfolioarbeiten –<br />

möglichst in einem Schuber, einer Mappe<br />

gut aufgehoben – den Lernprozess<br />

der einzelnen Lernenden anschaulich<br />

ab. Da ein weiteres Kriterium der Arbeit<br />

mit Portfolios die Präsentation der Produkte<br />

ist – in der Lerngruppe, vor den<br />

Eltern, auf schulöffentlichen Produktmärkten<br />

–, sind die meisten SchülerInnen<br />

ausgesprochen motiviert, ein gutes<br />

Portfolio herzustellen. Somit stellt dieses<br />

reflektierte, produktorientierte Arbeiten<br />

der Lernenden eine weitere Lernkompetenz<br />

dar, die zum individuellen,<br />

selbsttätigen Lernen befähigt.<br />

Weitere Lernkompetenzen ließen<br />

sich ausführen. Wichtig sind uns – zusammenfassend<br />

– für das Erlernen und<br />

Anwenden dieser Kompetenzen:<br />

●●<br />

Den SchülerInnen muss einsichtig<br />

sein, in welchem Zusammenhang die<br />

Sach- und die Lernkompetenzen stehen,<br />

d. h. kein abgekoppeltes Training von sogenannten<br />

Methodenkompetenzen.<br />

●●<br />

Lernkompetenzen sind mehr als Methodenkompetenzen.<br />

Wir rechnen ebenso<br />

Selbstkompetenzen wie Anstrengungsbereitschaft,<br />

Durchhaltevermögen<br />

u. a. wie auch weitere Kompetenzen wie<br />

Vertrauen herstellen, Kreativität ausleben,<br />

soziales Miteinander eingehen,<br />

Neugierde zeigen und vieles mehr dazu.<br />

●●<br />

SchülerInnen kommen bereits mit<br />

Lernkompetenzen aus dem Kindergarten,<br />

dem Elternhaus in die Schule. Diese<br />

Kompetenzen zu nutzen, auszutauschen,<br />

darauf aufzubauen ist Aufgabe<br />

eines Unterrichts, der – wie schon beschrieben<br />

– vom Kind aus denkt.<br />

●●<br />

Ohne Lernkompetenzen kein individualisiertes,<br />

selbstständiges Arbeiten.<br />

Sie sind sowohl Voraussetzung für diese<br />

Lernform als auch immer wieder Ziel,<br />

im Sinne eines altersgemäßen Auf- und<br />

Ausbaus.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Alle erwähnten »Formblätter« unter:<br />

www.<br />

www.naturforscher.laborschule.de<br />

(2) Bei weiterem Interesse zur Portfolioarbeit<br />

an der Laborschule: Biermann (2010).<br />

(3) vgl. Anm. 1.<br />

Literatur<br />

Biermann, Chr. (2010): Wie kommt Neues in<br />

die (Labor-)Schule? Das Beispiel »Portfolio«.<br />

In: Biermann, Chr. / Volkwein, K.: Port folioperspektiven.<br />

Schule und Unterricht mit<br />

Portfolios gestalten. Beltz, S. 194 – 206.<br />

18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Ulrich Bosse<br />

Lernen an Phänomenen<br />

Phänomene sind »Naturerscheinungen, die uns unmittelbar (oder auf einfache,<br />

durchschaubare Weise vermittelt) sich selbst sinnenhaft zeigen; und zwar<br />

so, dass wir sie als ein Gegenüber empfinden und auf uns wirken lassen noch<br />

ohne Vorurteil und Eingriff, auch wir also unbefangen, noch nicht festgelegt auf<br />

einen bestimmten Aspekt, sei es der physikalische, der ästhetische oder sonst einer.<br />

… Wir nehmen das Phänomen wahr als Menschen, das heißt: als Fragende«<br />

(Wagenschein 1980, S. 90).<br />

Damit sind als wesentliche Merkmale<br />

genannt: ein Phänomen<br />

zeigt sich sinnenhaft, wird also<br />

durch unsere Sinne in seiner Wirkung<br />

wahrgenommen.<br />

»Phänomene können nicht mit schon<br />

isoliertem Intellekt, [sie] 1) müssen mit<br />

dem ganzen Organismus (›am ganzen<br />

Leibe‹) erfahren werden. Auch wir müssen<br />

anfangs unbeschränkt sein« (Wagenschein<br />

1980, S. 97).<br />

Des Weiteren erleben die Kinder die<br />

Phänomene im Idealfalle noch ohne<br />

Vorurteil und Eingriff, haben noch keine<br />

von außen kommenden Erklärungen<br />

parat, sondern lassen die Erscheinung<br />

des Phänomens unbeschränkt auf sich<br />

wirken.<br />

Und dann kann – das ist schließlich<br />

der entscheidende Punkt – eine Frage<br />

entstehen. Hierin liegt die pädagogische<br />

Dimension (Wagenschein) dieses Unterrichts.<br />

Ein Beispiel:<br />

Was ist Naturwissenschaft?<br />

Wie funktioniert sie?<br />

An der Tafel steht »Naturwissenschaft«<br />

und das erste Kind entdeckt,<br />

dass darin eigentlich zwei Wörter, nämlich<br />

Natur und Wissenschaft enthalten<br />

sind. Ich wollte gar nicht lange bei dieser<br />

Wortexegese bleiben und hatte ein<br />

kleines Phänomen vorbereitet, über das<br />

ich mich mit den Kindern der Frage nähere,<br />

wie Wissenschaftlicher eigentlich<br />

arbeiten. In diesem Moment schlug in<br />

einem anderen Teil des Gebäudes lautstark<br />

eine Tür zu, was die leicht geöffnete<br />

Fensterscheibe unseres Klassenzimmers<br />

zum Scheppern brachte. Wir alle<br />

merkten auf, unsere Aufmerksamkeit<br />

richtete sich plötzlich auf den Lärm.<br />

Kurz danach geschah das Gleiche noch<br />

einmal. Ein Schüler merkte an: »Das ist<br />

ja komisch, da hinten schlägt eine Tür<br />

zu, und hier bei uns klappert die Fensterscheibe.«<br />

– Ein Mädchen fragte: »Wie<br />

kann das denn kommen? Wieso ist das<br />

so?«<br />

Ich schrieb spontan an die Tafel:<br />

1. Beobachtung<br />

2. Frage<br />

Scheibe. Jetzt konnte es losgehen. Im<br />

Gespräch wurde festgehalten:<br />

1. Beobachtung: Wenn die Tür zuschlägt,<br />

wackelt bei uns die Fensterscheibe.<br />

2. Versuch: Dieses geschieht immer<br />

wieder.<br />

3. Frage: Wodurch bringt die Tür die<br />

Scheibe zum Wackeln?<br />

Die Finger schnellten in die Höhe: »Ich<br />

weiß es, ich weiß es, ich kenne die Antwort!«,<br />

rief ein Drittklässer, sichtlich<br />

erregt. – An dieser Stelle bremste ich<br />

die Kinder und sagte: Wissenschaftler<br />

sagen nicht gleich die Antwort, sondern<br />

sie stellen zunächst Vermutungen an.<br />

Woher sollen sie auch gleich die Lösung<br />

wissen?<br />

Das leuchtete ein und schließlich<br />

stand an der Tafel:<br />

4. Vermutungen<br />

a) durch Weiterleitung der Vibration<br />

durch die Wand<br />

b) durch den Luftstoß, den die zuschlagende<br />

Tür nach außen auslöst<br />

c) durch den Luftstoß, den die zuschlagende<br />

Tür nach innen auslöst<br />

d) durch den Schall, das Echo des<br />

Knalls, der durch die Luft geleitet<br />

wird und von der gegenüberliegenden<br />

Wand an unser Fenster zurückgeschickt<br />

wird.<br />

Es ist die erste Stunde im neuen Schuljahr<br />

für die Schülerinnen und Schüler<br />

des dritten und vierten Schuljahres,<br />

bei der »Nawi« (Naturwissenschaft) auf<br />

dem Plan steht. Die Dreier sind hoch<br />

gespannt, haben sie sich doch schon<br />

lange hierauf gefreut. Die Vierer sind<br />

ein wenig überlegen-interessiert, denn<br />

sie haben bereits ein Jahr lang Erfahrungen<br />

mit diesen Inhalten hinter sich.<br />

Am Anfang eines jeden Schuljahres<br />

geht es immer darum, was eigentlich<br />

Naturwissenschaft bedeutet, wie Forscher<br />

und Wissenschaftlicher arbeiten.<br />

Für die einen ist es eine Einführung,<br />

für die anderen Gelegenheit zur Wiederholung<br />

und zur Darstellung ihres<br />

Wissens.<br />

… und erklärte den Kindern, dass wir<br />

jetzt schon mitten drin seien in der Vorgehensweise<br />

von Naturwissenschaftlern:<br />

Sie machen eine erstaunliche Beobachtung<br />

und stellen sich dazu eine<br />

Forschungsfrage. Dabei erwähnte ich,<br />

dass Wissenschaftler allerdings erst<br />

ausprobieren, ob sich die Beobachtung<br />

immer wiederholen ließe, also ob eine<br />

Regelmäßigkeit vorliegt. Sie führen<br />

daher Versuche durch, um das herauszufinden.<br />

Darauf sprangen die Kinder<br />

sofort an und fünf von ihnen durften<br />

zu der Tür gehen und sie zuschlagen<br />

lassen. Wir anderen wollten vor Ort<br />

beobachten, ob das Phänomen denn<br />

immer wieder auftritt. Und so war es.<br />

Bei jedem Türknall schepperte unsere<br />

Sofort war allen klar, dass es mehrere<br />

Antwortmöglichkeiten gibt, dass es sich<br />

lohnt, unterschiedliche Erklärungen zu<br />

hören und sie zu überprüfen. Also:<br />

5. Überprüfung<br />

Ein regelrechter Versuchsaufbau wurde<br />

entwickelt:<br />

Für die Vermutung a) hielten Kinder<br />

ihre flache Hand an die Wand, dort<br />

wo der Fensterrahmen eingemauert ist,<br />

denn da muss die Vibration ja entlangkommen.<br />

Für die Vermutung b) stellten sich<br />

Kinder außen vor die zuschlagende<br />

Tür, um zu erleben, ob sie einen Luftzug<br />

spüren, und für die Vermutung c)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

19


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

stellten sich Kinder innen in die Nähe<br />

der Tür.<br />

Eine weitere Gruppe von Kindern<br />

wollte ihre Hände an die Blechverkleidung<br />

der gegenüberliegenden Wand<br />

halten, um zu spüren, ob dort das Echo<br />

eine Vibration auslöst.<br />

Die übrigen Kinder durften mehrmals<br />

die Tür knallen lassen, denn wir<br />

wussten jetzt ja schon, dass man eine<br />

ganze Versuchsreihe machen muss, um<br />

zu wirklichen Ergebnissen zu kommen,<br />

die etwas zu bedeuten haben. Und das<br />

waren unsere Versuchsergebnisse:<br />

a) An der Wand und am Fensterrahmen<br />

war eine Vibration zu spüren.<br />

b) Die Kinder, die außen an der Tür<br />

standen, spürten (durch die sich nach<br />

innen öffnende, also nach außen hin<br />

zuschlagende Tür) einen deutlichen<br />

Luftzug.<br />

c) Die Kinder, die innen an der Tür<br />

standen, spürten einen ganz leichten<br />

Luftzug.<br />

d) Die Kinder an der gegenüberliegenden<br />

Wand spürten eine leichte Vibration<br />

auf der Blechverkleidung.<br />

Der Austausch dieser Versuchsergebnisse<br />

ließ uns die folgende Antwort<br />

finden:<br />

6. Antwort:<br />

Die Scheibe wackelt vermutlich<br />

durch das Zuschlagen der Tür<br />

deshalb, weil die Vibration sowohl<br />

durch die Wand als auch durch die<br />

Luft und den Schall an unsere<br />

Fensterscheibe weitergeleitet wird.<br />

Es wurde noch differenziert herausgearbeitet,<br />

dass der Luftstoß der Tür außen<br />

deshalb stärker zu spüren ist, weil<br />

die Tür nach außen hin zuschlägt und<br />

daher innen nur ein leichter Luftzug<br />

(von der weggezogenen Luft) zu fühlen<br />

ist.<br />

Leider war jetzt die Zeit zu Ende, aber<br />

Sean aus dem vierten Schuljahr merkte<br />

noch an, dass man nun eigentlich eine<br />

Zeichnung machen und ein Protokoll<br />

schreiben müsse. Auf die Frage, wofür<br />

dieses erforderlich sei, fanden auch die<br />

jüngeren Schülerinnen und Schüler<br />

eine plausible Erklärung: Damit man<br />

das anderen mitteilen kann und sie<br />

nicht selber solche Versuche erst machen<br />

müssten. Man verabredete sich,<br />

dass dieses in der nächsten Stunde geschehen<br />

solle.<br />

Anmerkung<br />

(1) Im Original steht »ist« statt »sie«. Offenbar<br />

ein Druckfehler.<br />

Literatur<br />

Bosse, U. (2003): Lernen an Phänomenen. In:<br />

Reeken, D. v. (Hrsg.): Handbuch Methoden<br />

im Sachunterricht. Hohengehren: Schneider,<br />

S. 184 – 195.<br />

Hagstedt, H. / Spreckelsen, K. (1986):<br />

Wie Kinder physikalischen Phänomenen begegnen.<br />

In: Sachunterricht und Mathematik<br />

in der Primarstufe. Heft 9, S. 318 – 323.<br />

Köhnlein, W. (1998): Der Vorrang des Verstehens.<br />

Bad Heilbrunn.<br />

Romberg, J. (2001): Wie Kinder sich die Welt<br />

erobern. In: Geo, Heft 10, S. 169 – 180.<br />

Wagenschein, M. (1968): Verstehen lehren.<br />

Genetisch – Sokratisch – Exemplarisch.<br />

Weinheim und Basel.<br />

Wagenschein, M. (1973): Kinder auf dem Weg<br />

zur Physik. In: Wagenschein, M. / Banholzer,<br />

A. / Thiel, S., S. 10 – 75.<br />

Wagenschein, M. (1980): Naturphänomene<br />

sehen und verstehen. Genetische Lehrgänge.<br />

Stuttgart.<br />

Wagenschein, M. / Banholzer, A. / Thiel, S.<br />

(1973): Kinder auf dem Weg zur Physik.<br />

Wiebel, K. H. (2000): »Laborieren« als Weg<br />

zum Experimentieren im Sachunterricht.<br />

In: Die Grundschulzeitschrift, Heft 139,<br />

S. 44 – 47.<br />

20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Ulrich Bosse<br />

Brücken aus Papier –<br />

Statik und Stabilität<br />

Dieses Thema hat den Kindern besondere Freude bereitet, war es doch eine Verbindung<br />

aus eigenem, spontanen Experimentieren und anschließend systematischer<br />

Versuchsanordnung. Auch die anfängliche Wahrnehmung der scheinbaren<br />

Unmöglichkeit der Lösung forderte die Entdeckerfreude heraus.<br />

Die Aufgabenstellung ist einfach:<br />

Lege ein Blatt Papier längs über<br />

zwei Pfeiler (z. B. Wassergläser)<br />

und stelle darauf ein möglichst volles<br />

Glas mit Wasser. Geht das?<br />

Die Kinder durften alleine oder in<br />

sehr kleinen Gruppen arbeiten. Am<br />

besten eignet sich hierfür die Partnerarbeit,<br />

bei der aber jede Schülerin bzw.<br />

jeder Schüler sein eigenes Experiment<br />

durchführt.<br />

Alle möglichen Papierfaltungen wurden<br />

erprobt, es wurde geschummelt,<br />

verworfen. Die am häufigsten gewählte<br />

Faltweise war die eines »U«. Mit einer<br />

quadratischen Röhre hatte man schon<br />

erste, aber noch nicht zufriedenstellende<br />

Erfolge. Es gab Schüler, die von alleine<br />

auf die Zickzackfaltung kamen. Ich<br />

habe aber auch eine Klasse erlebt, bei<br />

der das niemand herausfand.<br />

Im nächsten Schritt wurden die Erfolge<br />

und Misserfolge vorgeführt und<br />

erklärt. Dann führten die Schülerinnen<br />

und Schüler mit der Zickzacklösung<br />

(bei der Klasse, die diesen Weg<br />

nicht selber entdeckt hatte, habe ich das<br />

übernommen) ihren Erfolg vor. Auch<br />

wenn die Brücke noch nicht gleich ein<br />

volles Glas mit Wasser hielt, ernteten<br />

diese Kinder großen Beifall und Staunen.<br />

»Ahas« und »Achsos« wurden laut.<br />

»Stimmt, darauf hätte ich auch kommen<br />

können«, sagten etliche.<br />

Das durften sie dann auch: Alle Kinder<br />

stellten nun eine eigene Zickzackfaltung<br />

her. Die Optimierungsbedingung<br />

des genauen und nicht zu groben Faltens<br />

wurde von den Schülerinnen und<br />

Schülern selber entdeckt und benannt.<br />

Die Erklärung für die fantastische statische<br />

Verbesserung eines Blattes Papier<br />

wurde von den Kindern im Gespräch<br />

formuliert und an der Tafel sowie später<br />

in den Kinderprotokollen festgehalten:<br />

»Durch das Falten ist jetzt direkt unter<br />

dem Wasserglas viel mehr Papier als bei<br />

einem glatten Bogen. Dadurch wird es<br />

so viel stärker und kann das Glas tragen.«<br />

Diese Formulierung ist ebenso<br />

anschaulich wie korrekt. Dem musste<br />

nichts mehr hinzugefügt werden.<br />

Nächste Versuchsrunde: Viele Zickzack-Brücken<br />

wurden errichtet. Vorsichtig<br />

wurde Wasser in die daraufstehenden<br />

Becher bzw. Gläser gefüllt.<br />

Nur selten einmal fiel einer um. (Wasser<br />

richtet keinen so großen Schaden<br />

an.) Welche Brücke hält am meisten<br />

aus? Schnell entstanden diese Frage und<br />

der Wunsch nach einer Versuchsreihe.<br />

Halt! Wie kommt man zu vernünftigen<br />

Kompetenzbeschreibung<br />

Lernkompetenzen<br />

●●<br />

Eine Versuchsreihe entwickeln<br />

und dokumentieren<br />

●●<br />

Unterschiedliche Lösungswege<br />

möglichst selbst herausfinden und<br />

realisieren<br />

●●<br />

Damit experimentieren und<br />

weiterentwickeln<br />

●●<br />

Exaktes Falten von Papier einüben<br />

●●<br />

Konstante Versuchsbedingungen<br />

und damit Vergleichbarkeit herstellen<br />

●●<br />

Lösungsvorschläge vergleichen<br />

und verbessern<br />

●●<br />

Abläufe protokollieren<br />

●●<br />

Lösungen dokumentieren<br />

Sachkompetenzen<br />

●●<br />

Augenscheinliche Materialeigenschaften<br />

(Instabilität eines Blattes<br />

Papier) als veränderbar erkennen<br />

●●<br />

Den Zusammenhang von Form<br />

und Stabilität eines Papierblattes<br />

herausfinden<br />

●●<br />

Formveränderung als Mittel zur<br />

Erlangung von Stabilität nutzen<br />

●●<br />

Die Kraftverteilung als Erklärungsansatz<br />

kennenlernen<br />

●●<br />

Anwendungsmöglichkeiten<br />

entdecken und entwickeln<br />

(z. B. Wellpappe, Turmbau)<br />

●●<br />

Unterschiedliche Profilformen<br />

entwickeln und erproben<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

21


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Vergleichen? Dieselben Versuchsbedingungen.<br />

Und wie hält man die Ergebnisse<br />

so fest, dass man sie vergleichen<br />

kann? Die unterschiedlich gefüllten Becher<br />

(Versuchsergebnisse) wurden nebeneinandergestellt<br />

und für die Nachwelt<br />

muss eine Tabelle her.<br />

Name<br />

Wasserstand des<br />

Bechers auf der Brücke<br />

Jacob<br />

Luisa<br />

Inga<br />

Denkbar wäre eine Ergänzung um<br />

den Wasserstand in Millimetern als<br />

dritte Tabellenspalte. Den nächsten<br />

Schritt kennen die Kinder schon: Sorgfältige<br />

Zeichnung und Protokollierung<br />

der Versuchsreihe.<br />

Viele Kinder optimierten ihre Konstruktionen<br />

weiter und noch Tage später<br />

wurde ich mit den neuesten »Wasserstandsmeldungen«<br />

versorgt. Ein Schüler<br />

brachte es sogar auf drei (!!!) übereinandergestellte<br />

Wasserbecher!<br />

Auf Grund des hohen Interesses wurde<br />

eine nächste Fragestellung ins Spiel<br />

gebracht: Wo in unserer Welt finden<br />

sich denn solche Zickzackformen bei<br />

Papier? Vorsichtshalber hatte ich bereits<br />

unterschiedliche Wellpappen dabei.<br />

Doch einige Kinder kamen von selber<br />

auf diese Lösung. Andere hatten noch<br />

nie bewusst Wellpappe wahrgenommen.<br />

So ergab sich der nächste Schritt:<br />

Wir stellen unsere eigene Wellpappe<br />

her. Für die feste Verbindung des Zickzackpapiers<br />

mit dem Ober- und dem<br />

Unterblatt durfte nun auch der vorher<br />

nicht erlaubte Kleber verwendet<br />

werden. Neue Versuchsreihen folgten,<br />

Haus- und Turmkonstruktionen ergaben<br />

sich von alleine.<br />

www.<br />

Links für Lehrerinnen und Lehrer<br />

●●<br />

Diese Seite gibt eine Erklärung zum Thema Wellpappe und den verschiedenen<br />

Typen von Wellpappe: www.resy-gmbh.online.de/pw/pw_we.htm<br />

●●<br />

Allgemeine Informationen über Wellpappe und ihre Wellenform:<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Wellpappe#Wellenform<br />

●●<br />

Hier kann man je eine PDF-Datei über den Versuch für Betreuer bzw. Schüler<br />

herunterladen (Bau einer Papierbrücke – allerdings mit Klebstoff – und eine<br />

Versuchs beschreibung sowie Informationen über Papier):<br />

http://tek-point.hs-heilbronn.de ➝ Für Betreuer ➝ Anleitungen ➝ Brückenbau<br />

www.<br />

Links für Schülerinnen und Schüler<br />

●●<br />

Eine Bauanleitung und Erklärung der Papierbrücke für Kinder:<br />

www.kids-and-science.de ➝ Inhaltsverzeichnis Experimente für Kinder ➝ Die Brücke<br />

aus Papier, die enormes Gewicht aushält<br />

● ● ›Wissen macht Ah‹ erklärt in einem kleinen Film die Papierbrücke:<br />

www.wdr.de/tv/wissenmachtah ➝ Multimedia ➝ Videos ➝ Mini Ah! ➝ Papierbrücke<br />

(zuletzt gesehen: 08/2012)<br />

●●<br />

Hier wird der Begriff der Statik erklärt:<br />

www.tk-logo.de ➝ Ausprobieren ➝ Experimente machen (Suchbegriff eingeben:<br />

Statik)<br />

22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Lina Falcke<br />

Bionik – Fliegen in Natur und Technik<br />

›Fliegen in Natur und Technik‹ – ein Thema voller Faszination. Zum Einstieg<br />

bekommen die Kinder das Titelbild von »Amy und die Wildgänse« präsentiert.<br />

Alle Kinder kennen den Film und so kommt es zu Erzählungen, was in dem<br />

Film passiert und was genau auf dem Bild zu sehen ist. Amy fliegt mit einem<br />

Fluggerät und die Wildgänse folgen ihr.<br />

Aber was hat das nun mit dem<br />

neuen Thema zu tun? Ganz<br />

klar, es geht ums Fliegen. Aber<br />

nicht nur das Fliegen von Vögeln, sondern<br />

auch von Flugobjekten und anderen<br />

Dingen, die fliegen. Die Kinder<br />

vermerken auf zwei Plakaten, was eigentlich<br />

fliegt. Zum einen, was in der<br />

Technik fliegt, und zum anderen, was<br />

in der Natur fliegt (Flugzeuge, Hubschrauber,<br />

Fallschirmspringer, mechanische<br />

Vögel oder Libellen etc.). Aber<br />

auch Wolken fliegen und Planeten.<br />

Nun, was fliegt denn jetzt eigentlich<br />

wirklich? Das wird erst einmal in der<br />

Gruppe diskutiert. Insekten, Vögel sowie<br />

Pollen und Pusteblumen fliegen!<br />

Die Frage taucht auf: Wie fliegt etwas<br />

und wie kann man die gesammelten<br />

Begriffe sortieren? Vorgeschlagen wird<br />

eine alphabetische Sortierung, aber<br />

macht das wirklich Sinn? Zum Schluss<br />

kommen die Kinder darauf, die Begriffe<br />

nach dem, wie etwas fliegt, zu ordnen.<br />

Entweder fliegt etwas mit Motorkraft,<br />

das ist allen klar. Also ordnen wir diesem<br />

Begriff Helikopter, Düsenjet und<br />

auch Flugzeuge zu. Die nächste Kategorie<br />

ist die Windkraft. Hier ordnen<br />

die Kinder Fallschirmspringer und<br />

Gleiter sowie Pusteblumen, Pollen und<br />

Gräser zu. Aber was ist jetzt mit den<br />

Vögeln und Libellen, die fliegen nicht<br />

mit Motorkraft, aber auch nicht nur<br />

mit Windkraft. Also muss noch eine<br />

weitere Kategorie gefunden werden.<br />

Nach reiflichem Überlegen kommt die<br />

Muskelkraft ins Spiel, und nun ist es<br />

einfacher, die restlichen Begriffe zuzuordnen.<br />

Auf die Frage, ob etwas genauer<br />

betrachtet werden kann, um herauszufinden,<br />

wie es wirklich fliegt, kommen<br />

die ersten Ideen. Wir könnten auf den<br />

Schulhof gehen und alles, was fliegt,<br />

sammeln. Jede Zweiergruppe bekommt<br />

nun eine Tüte, in der Gegenstände auf<br />

dem Schulhof gesammelt werden können,<br />

und dann geht’s auch schon los. Einige<br />

Gruppen finden nicht sofort etwas,<br />

aber dafür gibt es immer jemanden, der<br />

ihnen noch einen kleinen Tipp mit auf<br />

den Weg geben kann.<br />

In der nächsten Stunde muss erst<br />

einmal überlegt werden, was genau eigentlich<br />

Pollen und Samen sind, dies ist<br />

nicht allen klar, und so wird diese Fragestellung<br />

anhand von Bildern geklärt.<br />

Im Anschluss bekommen die Kinder<br />

Lupengläser und können ihre Flugsamen<br />

genau betrachten. Auf einem Proto-<br />

Kompetenzbeschreibung<br />

Lernkompetenzen<br />

●●<br />

Konstante und damit vergleichbare<br />

Versuchsbedingungen herstellen<br />

und beschreiben<br />

●●<br />

Versuche entwickeln und<br />

dokumentieren<br />

●●<br />

Zeichnungen und Modelle<br />

anfertigen<br />

●●<br />

Unterschiedliche Lösungswege<br />

selbst herausfinden und realisieren<br />

●●<br />

Damit experimentieren und<br />

weiterentwickeln<br />

●●<br />

Lösungsvorschläge vergleichen<br />

und verbessern<br />

●●<br />

Verschiedene Medien (Internet,<br />

Printmedien) für die Informationsrecherche<br />

nutzen<br />

●●<br />

Ein Plakat nach vereinbarten<br />

Kriterien gestalten und in einer<br />

Ausstellung präsentieren<br />

Sachkompetenzen<br />

●●<br />

Funktionen von Flugsamen<br />

kennenlernen<br />

●●<br />

Bäume anhand von Flugsamen<br />

bestimmen<br />

●●<br />

Tiere, Pflanzen und Gegenstände<br />

aus der Technik (Flugzeuge, etc.) nach<br />

Flugmechanismen ordnen<br />

●●<br />

Erkenntnisse über den Begriff<br />

›Bionik‹ und die Entwicklung dieser<br />

Wissenschaftsdisziplin erlangen<br />

●●<br />

Flugmechanismen für Flugmodelle<br />

von Flugsamen ableiten<br />

●●<br />

Flugmechanismen (Schwerpunktlage<br />

bei Flugsamen) erkennen<br />

Beschreibung der Flugsamen<br />

Testen der Flugmodelle<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

23


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

kollblatt 1) zeichnen sie und schreiben sie<br />

auf, wie ihr Flugsamen fliegt und wie er<br />

aussieht. Aber wie heißt er? Manche wissen<br />

es schon und können ohne Probleme<br />

und ohne in den Bestimmungsbüchern<br />

nachzuschlagen den Namen aufschreiben.<br />

Andere sehen lieber noch einmal<br />

nach, um sich zu vergewissern. Die Entdeckung,<br />

dass ein Ahornsamen im Kreis<br />

fliegt, und zwar immer mit dem Samen<br />

nach unten, scheint den Kindern, die ihn<br />

näher betrachtet haben, klar zu sein.<br />

Andere entdecken hierin das Thema<br />

Schwerkraft. Ein Löwenzahnsamen<br />

schwebt langsam zu Boden und immer<br />

in die Richtung, in die der Wind bläst,<br />

auch diese Erkenntnis gewinnen die<br />

Kinder. Bei einem der Löwenzahnschirme<br />

ist der Samen abgegangen. Nun<br />

dreht er sich im Flug und der Stängel<br />

zeigt nach oben. Wieder die Schwerkraft:<br />

Der Schirm ist wohl schwerer als<br />

der Stängel und wird stärker angezogen.<br />

Einige Kinder sind schneller fertig<br />

und betrachten noch einen zweiten<br />

Samen oder beginnen Ausmalblätter<br />

zu bearbeiten. Hierbei überlegen sie<br />

noch einmal, welche Farben eigentlich<br />

die Blätter und der Samen des Ahornbaums<br />

und des Löwenzahns haben. Einige<br />

nehmen zur Kontrolle die Bestimmungsbücher<br />

hinzu.<br />

In der dritten Stunde geht es darum,<br />

Flugmodelle zu bauen. Die Kinder<br />

überlegen in Zweiergruppen, wie sie<br />

ein Flugmodell konstruieren können,<br />

das den gleichen Flugmechanismus wie<br />

ihr Flugsamen aufweist. Hier basteln<br />

die Kinder aus Korken, Bindfäden und<br />

Plastiktüten Fallschirme aller Art und<br />

testen sie zum Teil draußen oder auf<br />

dem Tisch stehend. Einige gehen in die<br />

1. Etage und lassen ihre Flieger von der<br />

Terrasse hinabsegeln. Aber es werden<br />

auch Schraubflieger aus Papier gebastelt,<br />

zum Teil mit Anleitung, aber auch<br />

eigene Kreationen. Die meisten fliegen<br />

sehr gut. Manche testen die Flugzeit eines<br />

Modells im Vergleich zu den Flugsamen<br />

und verbessern es so, dass es genau<br />

gleich lange fliegt. Ein Schüler kommt<br />

auf die Idee, drei Ahornflügel so mit<br />

einer Stecknadel zu verbinden, dass sie<br />

wie ein Hubschrauberrotor aussehen.<br />

Dieses Modell erlangt enorme Drehund<br />

Flugeigenschaften. Bionik einmal<br />

umgekehrt. Im Anschluss schreiben<br />

alle ihre Ergebnisse auf ein Arbeitsblatt.<br />

Hier wird auch das Flugmodell<br />

gezeichnet und der Flugmechanismus<br />

beschrieben und gemalt. Die Möglichkeit,<br />

ihren Flugmodellen eigene Namen<br />

zu geben, scheint den Kindern sehr zu<br />

gefallen, und es tauchen Namen auf wie<br />

Doppelflieger, Apollo 3 oder Nimbus 2.<br />

In der nächsten Stunde hören die<br />

Kinder die Geschichte von Daidalus<br />

und Ikarus, die mit ihren selbstgebauten<br />

Flügeln flogen. Doch Ikarus stürzt<br />

ab. Die Kinder wissen genau, wieso das<br />

passiert ist: Mit Flügeln aus Wachs und<br />

Federn kann man doch nicht zur Sonne<br />

fliegen, dann schmelzen die Flügel!<br />

Die gemeinsame Betrachtung von zwei<br />

Bildern während der Geschichte hilft<br />

ihnen dabei, diese Erkenntnis zu gewinnen.<br />

Auf dem einen Bild sehen wir<br />

Ikarus und Daidalus bei dem Bau ihrer<br />

Flügel aus Wachs und Federn und auf<br />

dem zweiten Bild sehen wir Ikarus und<br />

Daidalus bei ihrem Flug, während Ikarus<br />

abstürzt.<br />

Nun geht es darum, weitere Ideen<br />

von Menschen, die dem Traum und<br />

auch der Verwirklichung vom Fliegen<br />

nachgegangen sind – arbeitsteilig –<br />

kennenzulernen, die wichtigsten Dinge<br />

auf einem Plakat festzuhalten und den<br />

MitschülerInnen später vorzustellen.<br />

Jeweils eine Vierergruppe soll sich zusammentun<br />

und solch ein Plakat erstellen.<br />

Es stellt sich auch die Frage: Was<br />

muss eigentlich auf ein Plakat und wie<br />

muss ein Plakat aussehen, damit es gut<br />

zur Geltung kommt? Das wissen alle<br />

Kinder schon, denn damit haben sie<br />

bereits Erfahrung. Aber was soll auf<br />

dem Plakat stehen? Wir überlegen noch<br />

einmal, was die Geschichte über Ikarus<br />

für Informationen beinhaltete und entscheiden<br />

uns für Folgendes:<br />

●●<br />

Wie heißt der Erfinder?<br />

●●<br />

Wie heißt das Flugobjekt?<br />

●●<br />

Wann wurde das Flugobjekt<br />

erfunden?<br />

●●<br />

Wie fliegt das Flugobjekt?<br />

●●<br />

Welches Vorbild wurde für das<br />

Flugobjekt benutzt?<br />

Testen der Flugmodelle<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Praxis: Naturwissen schaffen<br />

Die Informationen für die Erstellung<br />

der Plakate stehen in einem Booklet. Das<br />

Booklet besteht aus einer Sammlung von<br />

Texten zum Thema Fliegen in der Bionik,<br />

die aus unterschiedlichen Büchern<br />

zur Bionik für Kinder entnommen sind.<br />

Aber wie soll man aus den ganzen Texten<br />

Informationen sammeln können?<br />

Das ist gar nicht so einfach. Die Gruppen<br />

bekommen Klebezettel und sollen die<br />

für sie interessanten Seiten markieren,<br />

um sich besser zurechtzufinden. Also<br />

muss erst einmal die richtige Seite gefunden<br />

werden, und die muss dann gelesen<br />

werden, um an Informationen zu gelangen.<br />

In den Gruppen lesen sich die Kinder<br />

gegenseitig vor und schreiben ihre<br />

Informationen auf. Bei einigen klappt<br />

das schon sehr gut, andere brauchen<br />

dabei noch Hilfe. Die Kinder erstellen<br />

Plakatentwürfe, schreiben Texte vor, die<br />

sie dann im Computerraum tippen dürfen.<br />

Hier können sie auch nach Bildern<br />

im Internet suchen, und einige, die ganz<br />

schnell sind, informieren sich schon weiter<br />

zu ihrem Thema.<br />

Die Plakatgestaltung dauert etwas,<br />

aber die Ergebnisse sind gelungen. Einige<br />

Gruppen sind früher fertig als andere<br />

und üben, wie sie ihr Plakat der Gruppe<br />

vorstellen können. Da noch Zeit ist,<br />

überlegen sie sich Quizfragen, die sie<br />

den anderen Kindern nach ihrer Präsentation<br />

stellen können.<br />

Die Präsentationen sind gut und die<br />

Kinder hören aufmerksam zu, da kann<br />

www.<br />

Links für Lehrerinnen und Lehrer<br />

●●<br />

Diese Seite enthält eine Unterrichtsreihe zum Thema Bionik für die Klassen 3 und<br />

4 mit dem Fokus auf die Sendung Löwenzahn zum Thema Bionik:<br />

www.lehrer-online.de/loewenzahn-bionik.php<br />

●●<br />

Eine Handreichung zur naturwissenschaftlichen Bildung mit dem Fokus auf Physik<br />

und Bionik findet sich hier: www.uni-kiel.de/piko/downloads/Bionik.pdf<br />

●●<br />

Allgemeine Informationen zur Bionik im Kontext Schule sind hier zu finden von<br />

der Autorin des Buches ›Die genialsten Erfindungen der Natur‹:<br />

www.grundschulpraxis.de ➝ Inhalte ➝ Forschungsreisen ➝ Bionik<br />

●●<br />

Informationen zur Bionik werden auf dieser Seite gut dargestellt und sind in<br />

verschiedene Themenbereiche aufgeteilt: www.ideenlabor-natur.de/bionik.html<br />

●●<br />

Historisches zur Bionik findet sich auf diesen Seiten:<br />

www.biokon.net/bionik/historie.html bzw. www.bionik-netz.de<br />

www.<br />

Links für Schülerinnen und Schüler und Buchvorschlag<br />

●●<br />

Auf dieser Seite sind viele Informationen zum Thema Bionik für Kinder aufbereitet:<br />

www.kindernetz.de ➝ infonetz ➝ Technik und Umwelt ➝ bionik<br />

●●<br />

Diese Seite bietet neben Informationen und Experimenten zum Thema Bionik<br />

auch ein Quiz: www.bionik-online.de/index.html<br />

●●<br />

Auf dieser Seite gibt es die Möglichkeit die Löwenzahn-Sendung zum Thema<br />

Bionik anzusehen: www.tivi.de/fernsehen/loewenzahn/index/17738/index.<br />

html?b-1-/fernsehen/loewenzahn/lexikon/02514/index2.html (bzw. www.tivi.de ➝<br />

Suche: Bionik ➝ Löwenzahn-Sendung vom 9. März 2012)<br />

Buchvorschlag<br />

Belzer, S. / Nishitani, P. (2011): Die genialsten Erfindungen der Natur. Bionik für Kinder<br />

(3. Auflage). Fischer-Schatzinsel: Bd. 85389. Frankfurt am Main: Fischer.<br />

man richtig was lernen. Die Quizfragen<br />

geben die Möglichkeit, die anderen<br />

Kinder miteinzubeziehen, und die<br />

meisten Kinder können sie gut beantworten.<br />

Im Anschluss werden die Plakate<br />

noch bewertet, mit einem Punktesystem.<br />

Drei Kategorien gibt es hier:<br />

Inhalt, Gestaltung des Texts und Gestaltung<br />

der Bilder. Das sind Kriterien,<br />

die vorher schon für die Erstellung der<br />

Plakate besprochen worden sind. Einige<br />

der Plakate schneiden richtig gut ab.<br />

Anmerkung<br />

(1) Link für dieses und weitere Blätter, die in<br />

diesem Unterricht eingesetzt werden:<br />

www.<br />

www.naturforscher.laborschule.de<br />

Plakate<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

25


Rundschau<br />

Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

ist neu aufgestellt!<br />

Der im Mai gewählte<br />

neue Vorstand<br />

(v. l. n. r.):<br />

Erika Brinkmann,<br />

Maresi Lassek,<br />

Gabriele Klenk,<br />

Marion Gutzmann,<br />

Ulrich Hecker,<br />

Susanne Peters<br />

Sorgfältig und akribisch war die<br />

Wahl vorbereitet. Das Ergebnis<br />

der Debatten über die künftige<br />

Struktur und die nötigen Arbeitsformen<br />

innerhalb der Gremien konnte sich<br />

sehen lassen, die Delegiertenversammlung<br />

war sich einig, der bisherige Vorstand<br />

hatte ein dickes Dankeschön für<br />

die in den zurückliegenden vier Jahren<br />

geleistete Arbeit verdient. Blumensträuße<br />

wurden ausgepackt und Dankesreden<br />

gehalten. Freude, Anerkennung<br />

und auch ein wenig Wehmut waren mit<br />

dabei, als Lilo Groll, die langjährige<br />

Vorsitzende und Delegierte der Landesgruppe<br />

Saarland, die Blumen überreichte.<br />

Auch sie wusste, was es heißt, neben<br />

der Arbeit als Grundschullehrerin und<br />

Schulleiterin noch ein zeitraubendes<br />

Ehrenamt auszufüllen. Viele Jahre hat<br />

sie mit ihrem breiten schulpraktischen<br />

Erfahrungshintergrund die Diskussion<br />

in den Gremien bereichert. Sie, die sich<br />

auf dieser Veranstaltung in den Ruhestand<br />

verabschiedete, übernahm auch<br />

jetzt wieder den Vorsitz im Wahlausschuss.<br />

Vielen Dank auch an Lilo Groll!<br />

Nicht nur von denen, die über eine<br />

Kandidatur ernsthaft nachgedacht haben,<br />

staunten und zweifelten einige aus<br />

der Runde, wie das, was im Rechenschaftsbericht<br />

aus der Legislaturperiode<br />

2008 – 2012 zu lesen war, neben<br />

dem Beruf und den sonstigen<br />

sozialen Verpflichtungen noch so alles<br />

gestemmt werden konnte. Zu den<br />

Themen Leistungskultur, Noten, Übergänge,<br />

Schulanfang, Bildungsgerechtigkeit,<br />

Vergleichsarbeiten und Leistungstests,<br />

Schriftentwicklung und Inklusion<br />

wurden Stellungnahmen veröffentlicht,<br />

Interviews gegeben, Einladungen zu<br />

Podiumsdiskussionen befolgt und nicht<br />

zuletzt Fachtagungen konzipiert und<br />

praxisbezogene Publikationen herausgegeben.<br />

Ohne Frage, der Grundschulverband<br />

erfreut sich einer wachsenden<br />

Beachtung in der bildungspolitischen<br />

Öffentlichkeit.<br />

Verständlich, dass die Delegiertenversammlung<br />

Maresi Lassek, Grundschullehrerin<br />

und Schulleiterin in Bremen,<br />

als Vorsitzende, Susanne Peters,<br />

Dipl.-Päd., Lehrerin und Schulinspektorin<br />

beim Institut für Bildungsmonitoring<br />

in Hamburg, und Ulrich Hecker,<br />

Grundschullehrer und Schulleiter in<br />

Moers, als stellvertretende Vorsitzende<br />

einstimmig wiedergewählt haben. Um<br />

die kommenden Aufgaben auf mehrere<br />

Schultern verteilen zu können, hatten<br />

im Vorfeld der Wahl Vorstand und Delegiertenversammlung<br />

eine Satzungsänderung<br />

beschlossen. Nach dieser<br />

konnte die Delegiertenversammlung<br />

bis zu drei weitere Vorstandmitglieder<br />

wählen. Das Amt der Schatzmeisterei<br />

wurde gestrichen, die Position einer GeschäftsführerIn<br />

stattdessen eingeführt.<br />

Der neuen Satzung folgend, hat die<br />

Delegiertenversammlung mit großer<br />

Mehrheit Dr. Erika Brinkmann, Grundschullehrerin<br />

und Hochschulprofessorin<br />

an der PH in Schwäbisch Gmünd,<br />

Marion Gutzmann, Grundschullehrerin<br />

und Referentin fürSprachförderung<br />

und DaZ amLISUM Berlin-Brandenburg,<br />

und Gabriele Klenk, Grundschullehrerin<br />

und Schulleiterin in Stein/<br />

Bayern, als weitere Vorstandmitglieder<br />

gewählt. Sylvia Reinisch wurde vom<br />

Vorstand als Geschäftsführerin bestellt.<br />

Die Delegiertenversammlung gratulierte<br />

dem gewählten Vorstand ganz<br />

herzlich. Minette Volkwardt, die durch<br />

den Wegfall des Schatzmeisteramtes im<br />

neuen Vorstand nicht mehr vertreten<br />

ist, wurde mit einem Dankeschön und<br />

süßen Leckereien verabschiedet.<br />

Hab ich da ein Aufatmen und hoffnungsfrohes<br />

Jubilieren nach dem langen<br />

Abstimmungsmarathon gehört?<br />

Es wäre nachvollziehbar – lange wurde<br />

gerade in der Strukturfrage um den<br />

richtigen Weg und die Form der Zusammenarbeit<br />

zwischen Vorstand und<br />

Fachreferaten gerungen. Die Frage, ob<br />

wissenschaftlicher Beistand künftig<br />

fakultativ in Form eines Beirates oder<br />

weiterhin verbindlich in Fachreferaten<br />

einzubinden ist, wurde zum Schluss<br />

doch einstimmig beantwortet: Auch<br />

in den kommenden vier Jahren werden<br />

ExpertInnen aus der Wissenschaft<br />

verbindlich und eng verzahnt mit dem<br />

Vorstand zusammenarbeiten und gemeinsam<br />

die anstehenden Vorhaben<br />

auf den Weg bringen.<br />

Beruhigend zu wissen, dass in den<br />

Gremien Expertinnen und Experten<br />

vertreten sind, die durch ihren beruflichen<br />

Hintergrund und ihre Kompetenzen<br />

alle grundschulrelevanten Handlungsfelder<br />

bedienen können. Ich freue<br />

mich auf weitere Jahre der Zusammenarbeit<br />

mit Vorstand und FachreferentInnen.<br />

PädagogInnen, die im Sinne einer<br />

am Kind orientierten Pädagogik im<br />

täglichen Handeln überschaubare Entwicklungsfelder<br />

schaffen, in denen<br />

Schü le rinnen und Schüler eigenständig<br />

Anforderungen erfolgreich bewältigen<br />

können, machen Mut.<br />

»Allen Kindern gerecht werden« ist<br />

Forderung und Aufgabe zugleich. Der<br />

Grundschulverband wird auch in Zukunft<br />

mit geballter Kraft sich dieser<br />

Aufgabe widmen.<br />

Sylvia Reinisch,<br />

Geschäftsführerin<br />

des Grundschulverbandes<br />

26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Rundschau<br />

Deutscher Schulpreis 2012<br />

»Dem Lernen Flügel verleihen«<br />

Unter diesem Motto steht der<br />

Deutsche Schulpreis, der alljährlich<br />

von der Robert-Bosch-<br />

Stiftung und der Heidehof-Stiftung<br />

verliehen wird. Auch in diesem Jahr<br />

gehören <strong>Grundschule</strong>n zu den Preisträgern.<br />

Mit dem Preis sollen pädagogische<br />

Leistungen gewürdigt und für<br />

die Schulentwicklung in Deutschland<br />

nutzbar gemacht werden. Grundlage<br />

des Wettbewerbs ist ein umfassendes<br />

Bildungsverständnis, das in sechs Qualitätsbereichen<br />

zum Ausdruck kommt:<br />

Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität,<br />

Verantwortung, Schulleben<br />

und Schule als lernende Institution.<br />

Den mit 100.000 Euro dotierten<br />

Hauptpreis erhielt mit der Evangelischen<br />

Schule Neuruppin in Brandenburg in<br />

diesem Jahr ein Gymnasium. Vier weitere<br />

Preise in Höhe von je 25.000 Euro gingen<br />

an die Erich Kästner-Gesamtschule<br />

in Bochum, die Paul-Martini-Schule<br />

(Schule für Kranke) in Bonn sowie die<br />

beiden <strong>Grundschule</strong>n Am Pfälzer Weg<br />

in Bremen und Rellinger Straße in Hamburg.<br />

Der »Preis der Jury« ging an die<br />

August-Claas-Schule, eine Ganztagshauptschule<br />

in Harsewinkel (NRW).<br />

In seinem Glückwunschschreiben freut<br />

sich der Vorstand des Grundschulverbandes,<br />

dass die beiden Preisträger-<br />

<strong>Grundschule</strong>n schon seit vielen Jahren<br />

Mitglied im Grundschulverband sind.<br />

Beide zeichnen sich dadurch aus, dass<br />

sie Schule und Lernen von den Kindern<br />

aus denken und durch individualisierte<br />

Lernformen und jahrgangsübergreifende<br />

Lerngruppen gute Bedingungen für<br />

erfolgreiches Lernen herstellen. Wörtlich<br />

heißt es im Glückwunschschreiben:<br />

»Allen Kindern gerecht werden – diesem<br />

gemeinsamen Ziel folgend geben<br />

Sie mit Ihrer Pädagogik, mit Ihren Beispielen<br />

guter Grundschularbeit vielen<br />

Kolleginnen und Kollegen Anregungen<br />

und Anlass, an der Entwicklung der eigenen<br />

Schulen weiterzuarbeiten.«<br />

Schule am Pfälzer Weg, Bremen<br />

Die Schule am Pfälzer Weg ist umstanden<br />

von weiß-grauen Hochhäusern.<br />

Der Bremer Stadtteil Tenever ist kein<br />

einfacher Ort. In der Schule spiegeln<br />

sich die kulturellen Unterschiede und<br />

sozialen Schwierigkeiten des Stadtteils<br />

wider: Rund 90 Prozent der knapp 180<br />

Kinder haben einen »Migrationshintergrund«,<br />

ihre Eltern kommen aus den<br />

verschiedensten Ländern und Kulturen.<br />

Mindestens 60 Prozent ihrer Familien<br />

sind auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld<br />

angewiesen.<br />

Ein schwieriges Elternhaus und ein<br />

Standort an einem »sozialen Brennpunkt«<br />

bedeuten für Kinder schlechtere<br />

Chancen auf einen guten Schulabschluss,<br />

eine Ausbildung, einen<br />

vernünftig bezahlten Job. Die Schule<br />

am Pfälzer Weg hat es sich zur Aufgabe<br />

gemacht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen,<br />

die Startnachteile der Kinder<br />

soweit es geht auszugleichen und ihnen<br />

eine Perspektive zu geben.<br />

Nach einer selbst entwickelten Eingangsdiagnostik<br />

erhalten die Kinder<br />

in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen<br />

individualisierende Angebote in<br />

den Kernbereichen der Grundschulbildung.<br />

Diese werden durch Erst- und<br />

Zweitsprachunterricht, psychomotorische<br />

Kom petenzförderung sowie durch<br />

vielfältige Gelegenheiten zur verantwortungsvollen<br />

Mitgestaltung ergänzt.<br />

Herausragend ist das in enger Zusammenarbeit<br />

mit der benachbarten Kindertageseinrichtung<br />

und der Sekundarschule<br />

entwickelte »Übergangsmanagement«<br />

und die intensive Einbeziehung<br />

der Eltern. Besonders am Herzen liegt<br />

Schulleiterin Maresi Lassek ein guter<br />

Kontakt zu den Eltern, weshalb sie vor<br />

sechs Jahren das Programm »KESch«<br />

ins Leben rief: »Kinder, Eltern und<br />

Schule im Dialog«.<br />

Schule Rellinger Straße, Hamburg<br />

Ein »Logbuch« ist eine in der Seefahrt<br />

übliche Aufzeichnung der täglichen Ereignisse.<br />

Logbücher gibt es auch an der<br />

Schule Rellinger Straße. Hier »hat jedes<br />

Kind ein solches Logbuch, in dem alle<br />

›Lern-Ereignisse‹ verzeichnet werden,<br />

damit unsere Kinder den Überblick<br />

über ihre Lernfortschritte behalten.«<br />

Dieser Satz markiert die Philosophie<br />

der Schule: Kinder lernen immer! An<br />

der Schule Rellinger Straße – liebevoll<br />

»Relli« genannt – planen Kinder ihr<br />

Lernen selbst und sind selbst verantwortlich<br />

dafür. Mädchen und Jungen<br />

lernen individuell – und doch kommt<br />

es auch auf die Gemeinschaft an: Die<br />

Kinder arbeiten in »JüL-Gruppen«, in<br />

jahrgangsübergreifenden Gruppen der<br />

Jahrgänge 1 bis 3 und 4 bis 6. Hier lernen<br />

Kinder miteinander und voneinander.<br />

Es gibt nur noch Doppelstunden,<br />

die LehrerInnen erteilen »Kompetenzzeugnisse«<br />

statt Notenzeugnisse.<br />

Zudem ist die »Relli« eine Schulversuchsschule<br />

für längeres gemeinsames<br />

Lernen. Grundschüler bleiben sechs<br />

statt der üblichen vier Jahre zusammen,<br />

bevor sie sich auf andere Schularten<br />

verteilen. Diese »Primarschule« war ursprünglich<br />

für alle Hamburger <strong>Grundschule</strong>n<br />

geplant, doch die Reform scheiterte<br />

2010 bei einer Volksabstimmung.<br />

Zu viele Hamburger Eltern fürchteten<br />

damals Nachteile durch einen zwei Jahre<br />

späteren Beginn »gymnasialen Lernens«.<br />

Nur vier Hamburger <strong>Grundschule</strong>n<br />

unterrichten ihre Schüler sechs Jahre<br />

lang – als Schulversuch. Die Schule Rellinger<br />

Straße gehört dazu.<br />

Ulrich Hecker,<br />

Redakteur <strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

www.<br />

Weitere Informationen<br />

http://schulpreis.bosch-stiftung.de<br />

www.pfaelzer-weg.de<br />

www.schule-rellinger-strasse.de<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

27


Rundschau<br />

Standpunkt Schulentwicklung<br />

<strong>Grundschule</strong> entwickeln – Gestaltungsspielräume<br />

schaffen: Qualitätsentwicklung im Dialog<br />

Zur Lage<br />

Die <strong>Grundschule</strong> steht als lernende Institution<br />

in einem ständigen Entwicklungsprozess.<br />

Dieser kann nicht »von<br />

oben« verordnet werden, bedarf aber der<br />

Herausforderung und Unterstützung<br />

»von außen«. Gelingen kann er nur im<br />

Dialog mit allen Beteiligten – innerhalb<br />

und außerhalb der Schule. In der Schule<br />

sind dies nicht nur die Pädagog(inn)en<br />

und das weitere Schulpersonal, sondern<br />

auch die Eltern und – oft vergessen – die<br />

Kinder. Schulentwicklung »von innen«<br />

und »von unten« braucht daneben Initi-<br />

ativen und Unterstützung der Schulträger,<br />

anderer (Bildungs-)Einrichtungen<br />

vor Ort, der Schulverwaltung und der<br />

Bildungspolitik. Erforderlich ist eine<br />

systemische Perspektive auf Schule, die<br />

Maßnahmen der Unterrichts-, der Personal-<br />

und Organisationsentwicklung<br />

einschließt.<br />

Auch wenn in vielen Bundesländern<br />

die (Teil-)Autonomie der Schule betont<br />

wird: Durch Leistungsstandards,<br />

durch Fremdevaluation der Einzelschule<br />

sowie standardisierte Diagnose- und<br />

Vergleichsarbeiten hat der indirekte<br />

Einfluss der Kultusbürokratie bis in den<br />

Unterricht der einzelnen Lehrperson<br />

hinein zugenommen. Die Entwicklung<br />

der Schulen wird zu stark durch die<br />

Messung fachlicher Lernstände und Effizienzforderungen<br />

bestimmt. Zudem<br />

belasten wachsende bürokratische Ansprüche<br />

Schulleitungen wie Schulpersonal<br />

gerade der personell gering ausgestatteten<br />

<strong>Grundschule</strong>n.<br />

Der Grundschulverband fordert deshalb:<br />

Freiraum für die Schulen, innerhalb<br />

des staatlichen Rahmens<br />

1<br />

eigene Schwerpunkte zu setzen,<br />

Evaluation und Qualitätssicherung<br />

selbstständig zu gestalten<br />

Schulentwicklung ist Aufgabe der Einzelschule<br />

und aller an ihr beteiligten<br />

Personen. Als Orientierung helfen pädagogische<br />

Leitbilder, wie sie beispielsweise<br />

der Grundschulverband in seinen<br />

Standpunkten formuliert hat. Zudem<br />

ist die Schule gebunden an bildungspolitische<br />

und pädagogische Vorgaben<br />

wie z. B. die Leistungsstandards. Pädagogische<br />

Ziele und rechtliche Rahmenvorgaben<br />

sind aber von der einzelnen<br />

Schule auf ihre besondere Situation hin<br />

auszulegen und die Schritte ihrer Umsetzung<br />

selbstständig zu planen.<br />

Grundlage dafür ist eine systematische<br />

Evaluation. Diese muss in der<br />

Schule selbst durch gemeinsame Reflexion<br />

aller Beteiligten und in eigener<br />

Weise erfolgen, aber auch durch Fremdblick<br />

von außen herausgefordert und<br />

unterstützt werden. Staatliche Evaluation<br />

ist so zu gestalten, dass Schulen<br />

Der hier dokumentierte »Standpunkt<br />

Schulentwicklung« wurde von der Delegiertenversammlung<br />

des Grundschulverbandes<br />

im Mai 2012 beschlossen.<br />

Gewinn aus ihr ziehen können, dass<br />

sie zur Reflexion angeregt werden und<br />

Orientierung für die Weiterentwicklung<br />

erhalten. Schulverwaltung hat die<br />

Aufgabe, übergreifende Ansprüche und<br />

Rahmenbedingungen zu formulieren,<br />

sie steht aber genauso in der Pflicht, den<br />

Schulen Hilfestellungen bei der Realisierung<br />

vor Ort zu geben.<br />

2<br />

Eine Professionalisierung<br />

der Schulentwicklung durch<br />

Aus-, Fort- und Weiterbildung<br />

Schulentwicklung hat im Tätigkeitsprofil<br />

von Pädagog(inn)en in den letzten Jahren<br />

stark an Bedeutung gewonnen. Sie muss<br />

deshalb unerlässlicher Bestandteil der<br />

Ausbildung und der berufsbegleitenden<br />

Professionalisierung von Pädagog(inn)en<br />

sein. Ausgehend von eigenen Fragestellungen<br />

in der <strong>aktuell</strong>en Schulentwicklung<br />

benötigen Schulen hochwertige<br />

Fort- und Weiterbildungsangebote, die<br />

sie entsprechend ihren Zielvorstellungen<br />

und Entwicklungsstadien flexibel<br />

abrufen können. Um im Kollegium eine<br />

Kultur der Zusammenarbeit entwickeln<br />

zu können, müssen neben verbindlichen<br />

Kooperationszeiten auch Zeitfenster für<br />

Supervision und kollegiale Fallberatung<br />

verankert werden.<br />

Dies gilt auch für Schulleitungen und<br />

für die Schulverwaltung. Mit der Dezen-<br />

tralisierung schulischer Arbeitsprozesse<br />

sind heute Führungsaufgaben für Schulleitungen<br />

entstanden, die nicht mehr als<br />

»Nebenbeschäftigung« ausgeführt werden<br />

können. Schulleitungen benötigen<br />

Zeit und Energie für konzeptionelle Arbeit,<br />

die Zusammenarbeit mit den Eltern,<br />

die Förderung der Teamentwicklung<br />

und Teamarbeit im Kollegium, die Organisation<br />

von Fort- und Weiterbildung<br />

des Schulpersonals sowie die Kooperationen<br />

mit externen Institutionen und<br />

Verbänden. Eine Schule demokratisch<br />

zu leiten erfordert einen partizipativen<br />

Führungsstil und eine professionelle<br />

Leitung. Deshalb sind Arbeitsplatzbeschreibungen<br />

und damit auch der Umfang<br />

der Unterrichtsverpflichtungen<br />

für alle Mitglieder der Schulleitungen<br />

(auch für Funktionsstellen) neu zu bestimmen.<br />

Vor allem <strong>Grundschule</strong>n mit<br />

ihren geringeren Ressourcen brauchen<br />

für eine pädagogisch fundierte Schulentwicklung<br />

eine Entlastung in den Verwaltungsaufgaben,<br />

z. B. durch eine fachlich<br />

kompetente Assistenz.<br />

3<br />

Externe Unterstützung<br />

und Vernetzung der Schulen<br />

Schulpersonal und Schulleitungen sind<br />

für Schulentwicklungsarbeit in der Regel<br />

nicht zureichend ausgebildet. Sie<br />

bedürfen deshalb fachlicher Unterstüt-<br />

28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Rundschau<br />

zung. Um die Qualität der Entwicklungsarbeit<br />

zu sichern, aber auch um<br />

externe Unterstützungssysteme / Unterstützungsangebote<br />

nutzen zu können,<br />

brauchen Schulen zudem Budgets für<br />

Beratung, Prozessbegleitung, Evaluation.<br />

Für eine erfolgreiche Schulentwicklung<br />

bedarf es Verbündeter aus unterschiedlichen<br />

Handlungsfeldern. Hilfreich<br />

sind Netzwerke. Vor Ort zwischen<br />

den Schulen und ihren Kooperationspartnern<br />

dienen sie der gegenseitigen<br />

Anregung und stärken die Wirksamkeit<br />

der gemeinsamen Arbeit. Als überregionale<br />

Netze von Schulen mit ähnlichen<br />

Arbeitsschwerpunkten dienen sie dem<br />

gemeinsamen Austausch und ermöglichen<br />

es, voneinander zu lernen.<br />

4<br />

Ressourcen für eine<br />

Schulentwicklung vor Ort<br />

(Grund-)Schulentwicklung dient dem<br />

Ziel, dass jede Schule allen Kindern<br />

ihres Einzugsgebietes gerecht wird. Sie<br />

ist eng verbunden mit dem jeweiligen<br />

schulischen Umfeld. Um diesem Anspruch<br />

inklusiver Bildung gerecht werden<br />

zu können, brauchen die Schulen<br />

eine standortspezifische Ausstattung für<br />

ihre Entwicklung und für konkrete Arbeitsvorhaben.<br />

Lehrkräfte in deutschen <strong>Grundschule</strong>n<br />

haben nicht nur im schulformbezogenen,<br />

sondern auch im internationalen<br />

Vergleich eine sehr hohe Unterrichtsverpflichtung.<br />

Das schränkt die Zeitfenster<br />

für notwendige Unterrichts- und<br />

Schulentwicklungsarbeit ein. Eine Herabsetzung<br />

der Unterrichtsverpflichtung<br />

ist deshalb für alle Lehrkräfte notwendig.<br />

Notwendig sind neue Arbeitszeitdefinitionen<br />

und -regelungen, die Zeiten<br />

für Schulentwicklungsarbeit deutlich<br />

ausweisen.<br />

Damit Kooperation und Reflexion<br />

nicht nur das Thema einzelner engagierter<br />

und interessierter Kolleg(inn)en<br />

bleibt, müssen in jeder Schule feste Zeiten<br />

für die Gestaltung von Kooperation<br />

ausgewiesen werden, denn schulinterne<br />

Kommunikation, Informationsfluss<br />

und Transparenz haben für das Gelingen<br />

kooperativer Arbeitsprozesse eine<br />

hohe Bedeutung.<br />

VERA weiter in der Diskussion<br />

VERgleichsArbeiten –<br />

und sie bewegen sich doch?<br />

Seit acht Jahren wird VERA durchgeführt,<br />

zuerst nur in einigen<br />

Bundesländern, zwischenzeitlich<br />

in allen. Ebenso lange begleitet der<br />

Grundschulverband VERA 3 kritisch<br />

und mahnend. Die Kritik bezog sich<br />

auf die Aufgaben in Deutsch und Mathematik<br />

mit der Frage, ob die Aufgabenstellungen<br />

den Kompetenzen der<br />

Bildungsstandards entsprechen und<br />

die Leistungen der Kinder tatsächlich<br />

erfassen. Im Fokus stand auch, inwiefern<br />

die Vergleichsarbeiten verlässliche<br />

Daten zum Qualitätsstand der Schulen<br />

(Monitoring-Effekt) und zum Stand der<br />

Einzelschule zu liefern vermögen und<br />

letztendlich dem schulpolitischen Anliegen<br />

von mehr Qualitätsentwicklung<br />

gerecht werden können.<br />

Die ernüchternde Erkenntnis im Jahr<br />

2011 war:<br />

1. Die Aufgaben erfassen wesentliche<br />

Kompetenzen der Kinder nicht.<br />

2. Die Auswertung bewertet richtige<br />

Lösungen der Kinder als falsch.<br />

3. Die Aufgabenstellungen machen<br />

leistungsschwächere Kinder mutlos.<br />

4. Der Umgang mit VERA ist nicht<br />

übergreifend geregelt, dem Missbrauch<br />

sind Tür und Tor geöffnet.<br />

Herbsttagung des Grundschulverbandes<br />

»Schulentwicklung im Dialog«<br />

Taunustagungshotel Friedrichsdorf / Taunus am 2./3. November 2012<br />

»Wie können wir gemeinsam guten Unterricht<br />

für die Kinder unserer Schule<br />

gestalten?« und »Wie können wir unsere<br />

Schule im Miteinander weiter entwickeln?«,<br />

das sind zentrale Fragen der<br />

diesjährigen Herbsttagung.<br />

Konzeptionelle Grundschularbeit umfasst<br />

deutlich mehr als die Entwicklung<br />

von Unterricht. Vielmehr vollzieht sie<br />

sich im Spannungsfeld von Unterrichts-,<br />

Personal- und Organisationsentwicklung<br />

und erfordert die Einbindung aller Beteiligten.<br />

5. VERA 3 ist unbrauchbar, weil das<br />

Konzept des jährlichen Massentests der<br />

grundlegende Konstruktionsfehler ist.<br />

Trotz des hohen Aufwands vonseiten<br />

der Lehrerinnen und Lehrer, der Bildungsadministrationen,<br />

der Universität<br />

Landau und des IQB (Institut für Qualitätsentwicklung,<br />

Berlin) wurde nicht<br />

erreicht, die Zielsetzungen, die mit<br />

VERA verbunden sind, zu transportieren.<br />

Die Länder gehen nach wie vor<br />

nicht einheitlich mit der Durchführung<br />

der Vergleichsarbeiten VERA und der<br />

Verwertung der Ergebnisse um. Es wurden<br />

Ressourcen verspielt und zum Teil<br />

kontraproduktive Reaktionen ausgelöst.<br />

VERA hat vieles andere, nur nicht die<br />

Unterrichts- und Schulentwicklung, in<br />

Gang gebracht. Lehrerinnen und Lehrer<br />

haben länderübergreifend ein kritisches<br />

Verhältnis zu den Vergleichsarbeiten<br />

entwickelt, nicht wegen der Arbeit, die<br />

damit verbunden ist, sondern wegen<br />

der nicht stimmigen Konstruktion der<br />

Aufgaben und der damit verbundenen<br />

Beschämung von Kindern.<br />

Soweit der Stand bis 2012, doch nun<br />

zeichnen sich Veränderungen ab, an deren<br />

Zustandekommen der Grundschul-<br />

Neben Beispielen guter Praxis, konkreten<br />

Umsetzungs- und Anwendungsvorschlägen<br />

gibt es nicht nur Zeit für gemeinsame<br />

Dialoge, sondern auch anschauliche<br />

Anregungen für die eigene Schul- und<br />

Unterrichtsarbeit.<br />

Anmeldungen sind noch möglich:<br />

www.<br />

www.grundschulverband.de.<br />

Dort finden Sie auch weitere Informationen<br />

wie Tagungsprogramm und Tagungsverlauf.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

29


Rundschau<br />

verband nicht unwesentlich beteiligt ist.<br />

Bereits im Jahr 2011 war der Grundschulverband<br />

gemeinsam mit der Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

(GEW) und dem Verband für Bildung<br />

und Erziehung (VBE) zu einem Gespräch<br />

in einen Unterausschuss des Schulausschusses<br />

der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) geladen. Frau von Ilsemann, der<br />

Leiterin des Schulausschusses, gelang es,<br />

eine konstruktive Diskussion zwischen<br />

den Vertreterinnen und Vertretern der<br />

KMK, des IQB und der Verbände über<br />

die bislang gesammelten Erfahrungen zu<br />

moderieren und die wesentlichen Kritikpunkte<br />

herauszuarbeiten.<br />

Klarstellungen sind u. a. gelungen bezogen<br />

darauf, dass<br />

●●<br />

VERA kein diagnostisches Instrument<br />

ist,<br />

●●<br />

die Zielsetzungen »Implementation<br />

der Bildungsstandards« und »schulinterne<br />

Nutzung der Daten« besser kommuniziert<br />

werden müssen,<br />

●●<br />

das Aufgabenspektrum im unteren<br />

Leistungsbereich differenzierter darzustellen<br />

ist,<br />

●●<br />

die Orientierung an den Kompetenzen<br />

Ende Klasse 4 zu Verwerfungen<br />

führt,<br />

●●<br />

das Auswertungsverfahren verbessert<br />

werden muss,<br />

KMK: Empfehlungen zur verbesserten Nutzung<br />

der VERA-Ergebnisse an den Schulen<br />

aus der »Vereinbarung zur Weiterentwicklung von VERA« |<br />

Beschluss der Kultus ministerkonferenz vom 08. 03. 2012<br />

(Auszüge aus der Vereinbarung in Bezug auf VERA 3)<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

Die Länder verstärken durch geeignete<br />

Regelungen die Verantwortung der<br />

Schulleitungen mit Hilfe von VERA<br />

schulische Qualität zu sichern und zu<br />

entwickeln. Dies umfasst:<br />

– die verbindliche Zusammenarbeit<br />

der Lehrkräfte,<br />

– die regelmäßige Information der<br />

zuständigen schulischen Gremien<br />

über die Ergebnisse und die daraus<br />

gezogenen Schlussfolgerungen.<br />

Die Länder nutzen die Möglichkeiten<br />

der Landesinstitute bzw. entsprechender<br />

Institutionen, um ein<br />

Unterstützungsangebot bereit zu<br />

halten, das möglichst flexibel auf den<br />

jeweiligen Entwicklungsstand der<br />

Schulen reagiert.<br />

Die Länder stellen erarbeitete Materialien<br />

allen anderen Ländern zur<br />

Nutzung zur Verfügung (z. B. praxistaugliche<br />

Handreichungen).<br />

● ● die Schulen Unterstützung benötigen<br />

bei der Interpretation der Daten und<br />

möglicher Folgerungen für den schulischen<br />

Entwicklungsprozess,<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

In der Aus- und Fortbildung wird die<br />

adäquate Nutzung von Vergleichsarbeiten<br />

und diagnostischen Verfahren<br />

verankert.<br />

Das IQB richtet im Jahr 2012 eine<br />

Arbeitstagung aus, in deren Mittelpunkt<br />

der Austausch über Fortbildungskonzepte<br />

und Konzepte zur<br />

Unterstützung von Schulen stehen.<br />

Lehrerverbände werden beratend<br />

einbezogen.<br />

Das IQB erhält den Auftrag, die in<br />

den Ländern bestehenden Aufgabendatenbanken<br />

für Test- und Lernaufgaben<br />

zu sichten und eine<br />

Projektskizze für den Aufbau einer<br />

länderübergreifend nutzbaren<br />

Datenbank vorzulegen.<br />

Weitere Informationen sind im Internet<br />

abrufbar.<br />

●●<br />

Ergebnisse keinesfalls für Ranking genutzt<br />

und veröffentlicht werden dürfen.<br />

Nicht zu rütteln war u. a. an der Regelung,<br />

VERA nicht jährlich, sondern<br />

KMK: Vereinbarung zur Weiterentwicklung von VERA<br />

Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08. 03. 2012<br />

(Auszüge aus der Vereinbarung in Bezug auf VERA 3)<br />

Beschlossene Vereinbarungen<br />

Um die erforderliche Weiterentwicklung<br />

von VERA in allen Bundesländern sicherzustellen,<br />

wurden folgende Vereinbarungen<br />

im Hinblick auf die Zielbestimmung<br />

von VERA, die Weiterentwicklung der<br />

Aufgabenqualität und die Optimierung<br />

der Durchführungsmodalitäten und der<br />

Ergebnisrückmeldung in den Ländern<br />

beschlossen.<br />

1. Zur Zielbestimmung von VERA in den<br />

Ländern:<br />

Zentrale Funktionen sind die Unterrichtsund<br />

Schulentwicklung jeder einzelnen<br />

Schule und die Vermittlungsfunktion bei<br />

der Einführung der fachlichen und fachdidaktischen<br />

Konzepte der Bildungsstandards.<br />

In diesem Zusammenhang sehen die<br />

Länder ab von<br />

●●<br />

der Veröffentlichung der<br />

VERA-Ergebnisse,<br />

●●<br />

der Identifikationsmöglichkeit<br />

einzelner Schulen,<br />

●●<br />

der Benotung.<br />

Die Länder entscheiden, ob die Schulaufsicht<br />

und/oder die Schulinspektion<br />

Einsicht in die VERA-Ergebnisse auf Schulund<br />

Klassenebene erhalten.<br />

2. Zur Weiterentwicklung der Aufgabenqualität:<br />

●●<br />

Das IQB entwickelt und pilotiert vermehrt<br />

Aufgaben zur Erweiterung des<br />

Leistungsspektrums.<br />

●●<br />

Das IQB erhält regelmäßig Rückmeldung<br />

zu aggregierten Daten aus den<br />

Ländern als Beitrag zur Qualitätsverbesserung<br />

in der Aufgabenentwicklung.<br />

Diese Daten werden nicht für<br />

einen Ländervergleich genutzt.<br />

3. Zur Optimierung der Durchführungsmodalitäten<br />

und der Ergebnisrückmeldung<br />

in den Ländern:<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

●●<br />

In der dritten Jahrgangsstufe wird<br />

VERA in allen Ländern grundsätzlich<br />

in allen <strong>Grundschule</strong>n in einem Fach<br />

durchgeführt.<br />

Es wird nur ein Testheft eingesetzt.<br />

Die Erweiterung des Aufgabenspektrums<br />

im unteren Leistungsbereich<br />

kann von den Ländern optional<br />

genutzt werden.<br />

Für die Ergebnisrückmeldung<br />

streben die Länder geeignete<br />

Referenzgruppen (sogenannter<br />

»Fairer Vergleich«) an.<br />

Testdurchführung und die Korrek turen<br />

erfolgen durch Lehrkräfte (in Hamburg<br />

zentral durch das Landesinstitut).<br />

Weitere Informationen sind im Internet<br />

abrufbar.<br />

Informationen zur Übersicht, zum Ablauf<br />

und über die Länder sind zu finden unter:<br />

www.<br />

www.iqb.hu-berlin.de/vera<br />

30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Rundschau<br />

in Zeitabständen von etwa drei Jahren<br />

durchzuführen, um in der Zwischenzeit<br />

mit den Ergebnissen zu arbeiten<br />

und die (Unterrichts- bzw. Schul-)Entwicklung<br />

zu beobachten. Nicht gelöst<br />

ist die Frage, wie VERA sich mit dem<br />

Ansatz der Inklusion verträgt.<br />

Die Diskussion hat Bewegung in die<br />

VERA-Gestaltung gebracht. Im März<br />

2012 beschloss die KMK Vereinbarungen<br />

zur Weiterentwicklung von<br />

VERA 3 und VERA 8 und formulierte<br />

Empfehlungen zur Nutzung der VERA-<br />

Ergebnisse. Davon war der VERA-<br />

Durchgang 2012 noch nicht beeinflusst,<br />

Absichtsbekundungen für das Jahr 2013<br />

bestehen. Ob die von der KMK beschlossenen<br />

Maßnahmen und Empfehlungen<br />

ausreichen, um das Image von<br />

VERA zu verändern, werden der Umgang<br />

mit der Umsetzung und die damit<br />

verbundene Praxiserfahrung zeigen.<br />

Alle Akteure rund um die Vergleichsarbeiten<br />

sind jetzt aufgefordert,<br />

in ihrem Bundesland die Umsetzung<br />

der Vereinbarungen und der Empfehlungen<br />

(siehe Kästen auf S. 30) zu beobachten<br />

und an den Veränderungen<br />

mitzudiskutieren. Besonders gilt dies<br />

für die Vereinbarungen zum Umgang<br />

mit den VERA-Ergebnissen und die zugesagte<br />

Unterstützung von Schulen.<br />

Maresi Lassek,<br />

Vorsitzende des<br />

Grundschulverbandes<br />

Aus der Forschung<br />

Soziale Ungleichheit zersetzt<br />

demokratische und inklusive Werte<br />

Drei Forschungsstudien aus jüngerer<br />

bzw. jüngster Zeit liefern<br />

– unabhängig voneinander –<br />

zentrale diagnostische Befunde, die<br />

übereinstimmend und sich gegenseitig<br />

verstärkend auf eine bedrohliche gesellschaftliche<br />

Spaltung und »Demokratieentleerung«<br />

in Deutschland hinweisen.<br />

Die Studien weisen nach, dass unter<br />

den gesellschaftspolitischen Bedingungen<br />

wachsender sozialer Ungleichheit<br />

Angehörige der oberen sozialen Schichten<br />

zunehmend sozial schwache Bevölkerungsgruppen<br />

ausgrenzen. Die sozial<br />

»abgehängten« Schichten reagieren auf<br />

den Verlust sozialer Teilhabe und dem<br />

daraus resultierenden Mangel an politischen<br />

Wirksamkeitsüberzeugungen<br />

mit Hoffnungslosigkeit und Desinteresse<br />

an politischer Partizipation.<br />

Dass mit wachsender Ungleichheit<br />

in Deutschland auch die Zahl der<br />

Menschen in sozial benachteiligten und<br />

prekären Lebenslagen zunimmt, ist<br />

eine bekannte Tatsache. Neu ist in diesem<br />

Zusammenhang, dass Angehörige<br />

der oberen Einkommens- und Statusgruppen<br />

im Umgang mit sozial Schwachen<br />

rechtspopulistische Einstellungen<br />

zeigen.<br />

»Deutsche Zustände«<br />

Prof. Wilhelm Heitmeyer, Leiter für<br />

interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung<br />

an der Universität Bielefeld,<br />

hat seit 2000 im Rahmen einer zehnjährigen<br />

Langzeitstudie Erscheinungsweisen,<br />

Ursachen und Entwicklungen von<br />

gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit<br />

in Deutschland erforscht und die<br />

Ergebnisse unter dem Titel »Deutsche<br />

Zustände« jährlich veröffentlicht. In<br />

seinem zehnten Band stellt er 2010<br />

heraus, dass in zunehmendem Maße<br />

Angehörige der oberen Schichten eine<br />

geringe Bereitschaft zur Unterstützung<br />

schwacher Gruppen zeigen und ihre<br />

Privilegien mit der Stigmatisierung dieser<br />

Gruppen verteidigen. Auch namhafte<br />

Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien,<br />

Kultur und Wissenschaft macht<br />

Heitmeyer verantwortlich für die Verbreitung<br />

der »Ideologie der Ungleichwertigkeit«<br />

und für »einen semantischen<br />

Klassenkampf« von oben gegen<br />

»die da unten«. Es gibt keine Scheu, im<br />

Jargon der Verachtung sich über Hartz-<br />

IV-Empfänger, Langzeitarbeitslose und<br />

Migranten auszulassen und damit soziale<br />

Ungleichheit offensiv zu legitimieren.<br />

Sarrazins Thesen gegen Migranten<br />

und die mediale Aufmerksamkeit, die<br />

man ihm dafür gewidmet hat, bezeugen<br />

dies.<br />

»Wie ticken Jugendliche?«<br />

Das Heidelberger SINUS-Institut für<br />

Markt- und Sozialforschung hat unter<br />

anderem im Auftrag der Bundeszentrale<br />

für politische Bildung und der<br />

Deutschen Kinder- und Jugendstiftung<br />

Lebenswelten von Jugendlichen zwischen<br />

14 und 17 Jahren erforscht und<br />

die Ergebnisse unter dem vielsagenden<br />

Titel »Wie ticken Jugendliche?« 2012<br />

veröffentlicht. Es ist eine qualitative<br />

Grundlagenstudie, die Jugendliche aus<br />

allen Milieus authentisch zu Wort kommen<br />

lässt: in Einzelinterviews, mit eigenen<br />

schriftlichen Aufzeichnungen und<br />

Fotos von ihren Zimmern.<br />

Die Forschergruppe kommt zu<br />

ähnlich alarmierenden Ergebnissen<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

31


Rundschau<br />

wie Heitmeyer. Sie kann nachweisen,<br />

dass die soziale Ungleichheit zu sozialer<br />

Spaltung unter den Jugendlichen<br />

führt. Jugendliche aus den oberen sozialen<br />

Schichten grenzen sich von sozial<br />

benachteiligten Jugendlichen ab.<br />

Sie werfen ihnen Faulheit, Mangel an<br />

Leistungsbereitschaft und an Eigenverantwortung<br />

vor. »Abgehängte Jugendliche«<br />

aus dem prekären Milieu reagieren<br />

darauf mit Resignation und Pessimismus.<br />

Sie erleben vor allem Schule als<br />

Ort des Konflikts, des Misserfolgs und<br />

der Demütigung.<br />

Deckungsgleich zeigt sich bei Erwachsenen<br />

und Jugendlichen aus begünstigten<br />

Milieus die tendenzielle Bereitschaft,<br />

anstelle des Solidarprinzips<br />

gnadenlos das Selbstverschuldungsprinzip<br />

gegen leistungsschwächere Gruppen<br />

anzuwenden. Die gesellschaftliche Lektion<br />

ist bei den Jugendlichen angekommen.<br />

Sie haben die Abwertungsmuster<br />

ihrer sozialen Milieus und der »rabiaten<br />

Elite« übernommen und vollziehen sie<br />

in ihren Einstellungen nach.<br />

»Soziale Ungleichheit und<br />

politische Partizipation«<br />

Die Otto Brenner Stiftung hat in einem<br />

Projekt »soziale Ungleichheit und politische<br />

Partizipation in Deutschland«<br />

erforschen lassen und die Ergebnisse<br />

im Februar 2012 veröffentlicht. Der Autor<br />

Sebastian Bödeker weist nach, dass<br />

Bildung in Verbindung mit dem sozioökonomischen<br />

Status der entscheidende<br />

Faktor für politische Wirksamkeitsüberzeugung<br />

und Partizipation ist. Je<br />

prekärer die Lebenslage, desto weniger<br />

Beteiligung. Das gilt für Wahlen, aber<br />

auch in einem noch stärkeren Maße für<br />

nicht institutionalisierte Partizipationsformen<br />

wie Proteste. Seine zentrale<br />

These lautet, dass aufgrund der sozialen<br />

Bedingtheit politischer Partizipation<br />

unter den Bedingungen sozialer Ungleichheit<br />

in Deutschland das demokratische<br />

Prinzip der politischen Gleichheit<br />

ausgehöhlt wird. »Das strategische<br />

Handeln von politischen Eliten, die um<br />

die soziale Verzerrung der Wahlbeteiligung<br />

wissen, kann somit insgesamt zu<br />

einem System der Interessenvermittlung<br />

zu Lasten der sozial Schwachen<br />

führen«, so der Autor.<br />

Die sozial selektiven Effekte bei Wahlen<br />

konnte sich z. B. die elitäre Elterninitiative<br />

»Wir wollen lernen« beim<br />

Hamburger Volksentscheid zunutze<br />

machen. Sie konnte u. a. wegen der geringen<br />

Wahlbeteiligung benachteiligter<br />

Bevölkerungsgruppen die Verlängerung<br />

der Grundschulzeit von vier auf<br />

sechs gemeinsame Jahre verhindern.<br />

Dieser kleine Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit<br />

für Kinder der unteren<br />

sozialen Schichten scheiterte am Eigennutz<br />

von Angehörigen der oberen sozialen<br />

Schichten.<br />

Angesichts der alarmierenden Befunde<br />

muss beunruhigen, dass die Politik<br />

im Zeichen der Menschenrechtskonvention<br />

Inklusion als gesellschaftliches Ziel<br />

zwar verbal willkommen heißt, aber vor<br />

inklusionsfeindlichen gesellschaftlichen<br />

Strukturen, Praktiken und Gruppeninteressen<br />

kapituliert, die Ungleichheit<br />

und Spaltung fördern. Dies zeigt sich<br />

besonders deutlich in der Bildungspolitik:<br />

Das gegliederte Schulsystem reproduziert<br />

soziale Ungleichheit, fördert<br />

soziale Spaltung durch Segregation, entlässt<br />

eine große Zahl an Jugendlichen<br />

bildungsarm und perspektivlos in die<br />

Gesellschaft und unterhöhlt damit die<br />

Demokratie. Dennoch scheut die Politik<br />

vor bildungspolitischen Konsequenzen<br />

zurück, die mit der Bildungsprivilegierung<br />

von Kindern aus den oberen sozialen<br />

Schichten brechen.<br />

Dr. Brigitte Schumann,<br />

ifenici@aol.com<br />

Literatur<br />

Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche<br />

Zustände. Folge 10. Edition Suhrkamp 2010.<br />

Marc Culmbach et al.: Wie ticken Jugendliche?<br />

2012. Lebenswelten von Jugendlichen<br />

im Alter von 14 – 17 Jahren in Deutschland.<br />

Durchführendes Institut: SINUS Marktund<br />

Sozialforschung GmbH Heidelberg und<br />

Berlin. Verlag Haus Altenberg.<br />

www.<br />

Zu Bödeker führt der folgende Link:<br />

www.otto-brenner-shop.de/uploads/<br />

tx_mplightshop/2012_02_07_Boedeker_<br />

AP_01.pdf<br />

Neues zur Grundschrift<br />

●●<br />

Veranstaltungen vor Ort<br />

Seit der Grundschrift-Tagung im März in<br />

Hannover gibt es eine Liste von ModeratorInnen<br />

und ReferentInnen, die in Ihrem<br />

Bundesland, in Ihrer Stadt oder Gemeinde,<br />

an Ihrer Schule Veranstaltungen und<br />

Konferenzen zur Grundschrift durchführen<br />

können. Die Kontaktaufnahme ist<br />

unkompliziert.<br />

Wenn Sie eine solche Veranstaltung<br />

planen oder sich informieren<br />

möchten, richten Sie Ihre Anfrage<br />

bitte an die Geschäftsstelle des<br />

Grundschul verbandes, telefonisch<br />

unter 0 69 / 77 60 06 oder per E-Mail:<br />

info@grundschulverband.de<br />

●●<br />

Moderationskoffer<br />

Bei der Tagung in Hannover wurden<br />

Materialien für Veranstaltungen zur<br />

Grundschrift vorgestellt, erprobt und<br />

erarbeitet. Der so entstandene Moderationskoffer<br />

ist über die Geschäftsstelle<br />

erhältlich. Das umfangreiche Material<br />

eignet sich besonders für die Durchführung<br />

selbst organisierter Veranstaltungen<br />

und zum Selbststudium oder für<br />

die Arbeit in kleinen Gruppen.<br />

Materialien für die Moderation von<br />

Veranstaltungen zur Grundschrift:<br />

FAQ (häufig gestellte Fragen), Präsentationen,<br />

Materialien für den Unterricht und für schul interne<br />

Arbeitspläne, Medienecho – zusammengestellt auf einem<br />

Stick (1 GB) im hand lichen Köfferchen (10 × 7 × 1,5 cm)<br />

44 Euro<br />

(inkl. Versand)<br />

32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Rundschau<br />

Neue Verpackung mit bewährten Inhalten<br />

Projekt »Eine Welt in der Schule«<br />

Das Projekt »Eine Welt in der<br />

Schule« des Grundschulverbandes<br />

e. V. wird seit 1979 vom<br />

Bundesministerium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert.<br />

In diesem langen Förderzeitraum<br />

konnte die Arbeit des Projektes<br />

kontinuierlich ausgebaut werden. Regelmäßig<br />

erschien die Zeitschrift »Eine<br />

Welt in der Schule«, und umfangreiche<br />

Serviceleistungen (Fortbildungen, Materialien,<br />

Ausleihservice, Homepage<br />

etc.) zum Lernbereich »Eine Welt / Globale<br />

Entwicklung« konnten bundesweit<br />

von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />

angeboten werden.<br />

Und dann … kam Ende 2011 ein<br />

neuer starker (Gegen-)Wind aus Bonn<br />

mit einer ungewohnt hohen Kürzung<br />

der Fördermittel daher. Nach durchaus<br />

konstruktiven Gesprächen mit dem<br />

Bundesministerium nahm das Projekt<br />

»Eine Welt in der Schule« Anfang 2012<br />

wieder Fahrt auf. Die Zeitschrift des<br />

Projektes erscheint nun nur noch dreimal<br />

pro Jahr, die Gestaltung ist völlig<br />

neu und die Auflage sinkt von 45.000<br />

auf 5.500 Exemplare. Eine Beilage der<br />

Zeitschrift in anderen pädagogischen<br />

Fachzeitschriften und auch in der Zeitschrift<br />

des Grundschulverbandes e. V.<br />

ist jetzt leider nicht mehr möglich.<br />

Die Zeitschrift »eine welt« kann nur<br />

noch direkt beim Projekt abonniert<br />

werden. Für den Preis von 6 Euro<br />

stehen dann drei Ausgaben pro Jahr<br />

zur Verfügung. Auf der Homepage<br />

des Projektes ( www. www.weltinder<br />

schule.uni­bremen.de) bieten wir jede<br />

Ausgabe und die dazugehörigen Materialien<br />

auch als Download an.<br />

Die erste Ausgabe unserer Zeitschrift in<br />

diesem Jahr ist mit dem Themenschwerpunkt<br />

Perspektivenwechsel gestartet.<br />

Wir fanden das sehr passend, da auch<br />

das Erscheinungsbild der Zeitschrift, der<br />

Erscheinungszeitraum und überhaupt<br />

die Arbeit des Projektes »Eine Welt in<br />

der Schule« unter neuen Perspektiven<br />

steht. Damit dabei die Wurzeln unserer<br />

Arbeit nicht vergessen werden, beginnen<br />

wir ab dieser Zeitschrift mit einer fortlaufenden<br />

Nummerierung von 1979 an.<br />

Trotz der Kürzungen mussten wir<br />

aber keine Abstriche bei den Zielsetzungen<br />

des Projektes und unseren<br />

Serviceleistungen machen. Ziel der<br />

gesamten Projektarbeit ist die <strong>aktuell</strong>e<br />

und strukturelle, d. h. dauerhafte<br />

Verankerung des Lernbereichs »Eine<br />

Welt / Globale Entwicklung« im Unterricht,<br />

in den Schulcurricula und in den<br />

Lehrplänen der <strong>Grundschule</strong> und der<br />

Sekundarstufe I.<br />

Die Basis unserer Arbeit bilden engagierte<br />

Kolleginnen und Kollegen, die in<br />

ihrem Unterricht die globale Perspektive<br />

von Themen immer wieder mit einbringen<br />

und uns darüber berichten. Zusätzlich<br />

sind aber die Schulen insgesamt<br />

gefordert, Profil zu zeigen und globale<br />

Fragestellungen und Probleme unseren<br />

Kindern und Jugendlichen nahezubringen.<br />

Wir wollen sie dabei unterstützen<br />

und mit unseren langjährigen Erfahrungen<br />

aus der Praxis zeigen, wie viel<br />

Engagement in den Schülerinnen und<br />

Schülern steckt.<br />

Wettbewerb »Alle für Eine Welt –<br />

Eine Welt für alle«<br />

Im April fand die Jurysitzung zur Ermittlung<br />

der Preisträger des Wettbewerbs<br />

des Bundespräsidenten »Alle für<br />

Eine Welt – Eine Welt für alle« statt.<br />

Als Mitglied der Jury konnte ich dort<br />

zahlreiche spannende Beiträge zum<br />

Thema »Perspektivwechsel« begutachten.<br />

Kinder und Jugendliche hatten<br />

recherchiert, Themen festgelegt, Aktionen<br />

geplant, Kontakte in ferne Welten<br />

geknüpft und viele phantasievolle Darstellungen<br />

gefunden, um andere in ihrem<br />

Umfeld ebenfalls für ihr Thema zu<br />

begeistern. Bundesweit sollen zukünftig<br />

weitere Schulen gewonnen werden, die<br />

den Lernbereich »Eine Welt / Globale<br />

Entwicklung« als Schwerpunkt in ihr<br />

Schulcurriculum bzw. Schulprofil aufnehmen<br />

und regelmäßig umsetzen.<br />

Praxisorientierte Fortbildungen<br />

Zur Erprobung und Erstellung von Unterrichtsbeispielen<br />

für die Zeitschrift<br />

»Eine Welt in der Schule«, zur methodisch-didaktischen<br />

Schulung zum<br />

Lernbereich »Eine Welt / Globale Entwicklung«<br />

und zur Bekanntmachung<br />

des Projektangebotes führen die wissenschaftlichen<br />

Mitarbeiter des Projektes<br />

verschiedene überregionale sowie<br />

schulinterne Lehrerfortbildungstagungen<br />

durch. Pro Jahr sind jeweils zwei<br />

überregionale Lehrerfortbildungen vorgesehen,<br />

zu denen wir sie herzlich einladen.<br />

Auf diesen sehr praxisorientierten<br />

Fortbildungen erarbeiten die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer vor allem die<br />

Konzeption von Unterrichtsbeispielen,<br />

die sie dann in ihren Klassen erproben.<br />

Anregungen und Hinweise zum Einsatz<br />

des Materials können dann die Schulen<br />

bzw. die Lehrerinnen und Lehrer der<br />

Zeitschrift »Eine Welt in der Schule«<br />

und der Homepage des Projektes entnehmen.<br />

Gleichzeitig dienen die Tagungen<br />

dazu, die Kolleginnen und Kollegen<br />

als Multiplikatoren für die Umsetzung<br />

des Lernbereichs »Eine Welt / Globale<br />

Entwicklung« zu schulen, um diesen<br />

Bereich an ihren eigenen Schulen fest zu<br />

etablieren.<br />

Als sturmerprobte Norddeutsche haben<br />

wir somit den Gegenwind aus dem<br />

Bundesministerium als Aufwind verstanden,<br />

unsere Zielsetzungen weiterzuverfolgen<br />

und dafür auch zukünftig um<br />

Mitstreiterinnen und Mitstreiter bzw.<br />

Förderer zu werben. Mit einem Abonnement<br />

unserer Zeitschrift sowie der<br />

Nutzung unserer Angebote können sie<br />

diesen Kurs zukünftig unterstützen.<br />

Andrea Pahl,<br />

Mitarbeiterin des Projekts<br />

»Eine Welt in der Schule«<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

33


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b, 86169 Augsburg<br />

www.grundschulverband-bayern.de<br />

»Allen Kindern in der<br />

<strong>Grundschule</strong> gerecht<br />

werden – Inklusion im<br />

Blickpunkt«<br />

Dieser Maxime folgend<br />

machte sich die Bayerische<br />

Landesgruppe mit Freunden<br />

in den bayerischen Osterferien<br />

zur traditionellen Hospitationsreise<br />

nach Südtirol auf.<br />

Dazu wurden Schulen in<br />

Welsberg, Bruneck und<br />

Meran besucht. Nach den<br />

dort wahrgenommenen<br />

Unterrichtsbesuchen fanden<br />

Gespräche mit KlassenlehrerInnen,<br />

Integrationslehrpersonen<br />

und DirektorInnen<br />

statt. Ein Gespräch mit Frau<br />

Dr. Pfeiffer (Deutsches<br />

Schulamt und Dienststelle für<br />

Unterstützung und Beratung)<br />

zeigte die Situation »Inklusives<br />

Schulsystem in Südtirol«<br />

zusätzlich von dienstlicher<br />

Seite.<br />

Besonders interessant war<br />

bei allen Ausführungen der<br />

Aspekt, dass Südtirol seit<br />

Jahren bereits Schulautonomie<br />

besitzt. Ein Direktor ist<br />

für mehrere Schulen zuständig.<br />

Er ist vom Unterricht<br />

befreit und organisiert das<br />

Schulmanagement mit<br />

zugewiesenem Budget. Die<br />

Schulen sind frei in der<br />

Umsetzung des Curriculums<br />

und der Methodik, tragen<br />

aber daher auch die volle<br />

Verantwortung vor Ort mit.<br />

Die Realität an Südtiroler<br />

Schulen konnten wir folgendermaßen<br />

erleben:<br />

– Schülerschlüssel: Der<br />

Schüler-Lehrer-Schlüssel liegt<br />

bei 8 : 1 (Bayern: 16 : 1).<br />

– Teamstunden: Es existieren<br />

Stunden, in denen Klassen im<br />

Team unterrichtet werden.<br />

– Integrationslehrkräfte: Ist in<br />

der Klasse ein Kind mit<br />

Beeinträchtigungen – mit<br />

sogenannter »Funktionsdiagnose«<br />

(darunter u. a. auch<br />

Lese-Rechtschreib-Schwäche<br />

oder Verhaltensschwierigkeiten),<br />

dann wird dieser Klasse<br />

eine Integrationslehrperson<br />

zugewiesen. Sie ist für viele<br />

Stunden in der Woche in<br />

dieser Klasse eingesetzt, aber<br />

der gesamten Klasse zugewiesen.<br />

– Mitarbeiter für Integration:<br />

Sollte in der Klasse ein Kind<br />

mit schweren Beeinträchtigungen<br />

sein, so erhält dieses<br />

Kind einen Mitarbeiter für<br />

Integration, der pflegerische<br />

Maßnahmen übernimmt<br />

oder dem Kind Auszeiten<br />

ermöglicht.<br />

– Lehrerstunden: Zudem<br />

erhält jede Schule 30 % mehr<br />

Lehrerstunden zugewiesen,<br />

damit können sich Schulen<br />

eigene Schwerpunkte setzen<br />

und dafür Lehrpersonen zum<br />

Teil freistellen. Durch die<br />

Schulautonomie haben die<br />

Schulen auch das Recht zur<br />

Forschung. Praktische<br />

Erfahrungen können somit in<br />

Zusammenarbeit mit einer<br />

Universität evaluiert bzw.<br />

empirisch begleitet werden.<br />

– Kein selektives Schulsystem:<br />

Die <strong>Grundschule</strong> dauert<br />

fünf Jahre. Danach folgt die<br />

dreijährige Mittelschule.<br />

Erst nach der Mittelschule<br />

können eine Oberschule,<br />

eine Fachschule oder die<br />

Berufsschule besucht<br />

werden. Es gibt zwar Noten<br />

(von 5 bis 10 – 10 ist die beste<br />

Note), diese haben aber nicht<br />

die Bedeutung von Auslese<br />

oder Selektion. Alle Kinder<br />

gehen zusammen vom<br />

Kindergarten bis zum Ende<br />

der Mittelschule. In der Regel<br />

werden die SchülerInnen mit<br />

einem höheren Stundensoll<br />

als beispielsweise in Bayern<br />

an 6 Tagen (!) beschult.<br />

Eine Schulstunde dauert<br />

60 Minuten.<br />

– Zeit für Schul- und Unterrichtsentwicklung:<br />

Durch die<br />

Schulautonomie kann<br />

Südtirol LehrerInnen besser<br />

bezahlen. Dafür unterschreibt<br />

ein Südtiroler Lehrer,<br />

dass er 220 Stunden im Jahr<br />

mehr in der Schule verbringt,<br />

wodurch ein verbindlicher<br />

Nachmittag zur Unterrichtsentwicklung<br />

bzw. Teamarbeit<br />

geschaffen werden könnte.<br />

Durch die Kombination von<br />

»neuer Lernkultur« und<br />

»pädagogische Architektur«<br />

hat uns besonders das<br />

Schulhaus der <strong>Grundschule</strong><br />

Welsberg beeindruckt.<br />

Direktor Dr. Watschinger<br />

konnte uns zusätzlich einen<br />

überzeugenden Einblick in<br />

seine Philosophie des<br />

Zusammenhangs von Lernen<br />

(von Kindern mit und ohne<br />

Beeinträchtigungen) und<br />

Architektur geben und zeigte<br />

uns die Spielräume – aber<br />

auch die Mitverantwortung<br />

aller Pädagogen – durch die<br />

Schulautonomie auf (siehe<br />

www.snets.it/ssp-welsberg/<br />

gs-welsberg/default.aspx).<br />

An anderen Schulen konnten<br />

wir Teamarbeit in einer Klasse<br />

sehen. Die Zusammenarbeit<br />

von KollegInnen innerhalb<br />

einer Klasse ermöglicht zum<br />

einen zahlreiche (Differenzierungs-)Chancen<br />

für einzelne<br />

Kinder, aber zeigt auch<br />

Grenzen des inklusiven<br />

Schulsystems Südtirol auf:<br />

zum einen wurden einzelne<br />

Kinder durch Einzelförderung<br />

eher »exkludiert«, zum<br />

anderen wurde eine solche<br />

Zusammenarbeit von den<br />

Lehrkräften nur als positiv<br />

eingeschätzt, wenn sich<br />

diese Tandem-Lehrkräfte<br />

nicht nur fachlich, sondern<br />

auch persönlich gut verstanden,<br />

was das Ganze auf eine<br />

zufällig erfolgreiche Ebene<br />

führt.<br />

Sicherlich wäre es gut<br />

gewesen, noch mehr Eindrücke<br />

vor Ort zu sammeln, so<br />

konnten wir nur einen sehr<br />

kurzen Einblick gewinnen.<br />

Klar wurde uns, dass auch<br />

Südtirol mit seiner 30-jährigen<br />

Erfahrung in Inklusion<br />

noch immer auf dem Weg<br />

und noch lange nicht am Ziel<br />

ist. Ressourcen sind das eine,<br />

engagierte PädagogInnen<br />

das andere und »die«<br />

Umsetzungsmethode für<br />

Inklusion gibt es nicht.<br />

Das macht uns Mut!<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Bianca Ederer,<br />

Gabriele Klenk,<br />

Petra Hiebl<br />

34 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Baden-Württemberg<br />

Vorsitzende: Erika Brinkmann, erika.brinkmann@ph-gmuend.de;<br />

www.gsv-bw.de<br />

Inklusion ist<br />

Menschenrecht!<br />

Die Vorsitzende der Landesgruppe,<br />

Erika Brinkmann,<br />

konnte bei der Fachtagung<br />

»Das Menschenrecht auf<br />

Inklusion« in der PH Ludwigsburg<br />

eine stattliche Zahl von<br />

Gästen begrüßen.<br />

Zunächst ging sie auf<br />

<strong>aktuell</strong>e bildungspolitische<br />

und grundschulpädagogische<br />

Entwicklungen im<br />

Ländle ein. Mit Freude<br />

registriert die Landesgruppe,<br />

dass Grundpositionen des<br />

GSV sich in den Grundpositionen<br />

der grün-roten Landesregierung<br />

wiederfinden.<br />

Gerade in Sachen Gemeinschaftsschulen<br />

sah sich die<br />

Landesgruppe allerdings<br />

veranlasst, eine dezidierte<br />

Stellungnahme abzugeben.<br />

Ansätze, die sich dazu im<br />

Gesetz finden, geben der<br />

Landesgruppe Anlass zur<br />

Besorgnis, dass diese dem<br />

Gelingen dieser neuen<br />

Schulform – vorsichtig<br />

ausgedrückt – nicht gerade<br />

förderlich erscheinen.<br />

Auch das Vorhaben der<br />

Landesregierung, die<br />

UN-Konvention konsequent<br />

in die Rechte der Bildung von<br />

Menschen mit Behinderung<br />

umzusetzen, entspricht den<br />

Grundpositionen des GSV.<br />

Mit Prof. Dr. Kerstin Merz-<br />

Atalik (PH Ludwigsburg) war<br />

es der Landesgruppe<br />

gelungen, zu diesem Punkt<br />

eine kompetente Referentin<br />

zu gewinnen. In ihrem<br />

Vortrag machte sie an<br />

konkreten Beispielen deutlich,<br />

dass Inklusion ein<br />

Menschenrecht ist, und wie<br />

sich das im gelebten Alltag<br />

zeigen könnte. Dieses<br />

Menschenrecht steht als<br />

solches nicht zur Disposition.<br />

Vielmehr kommt es darauf<br />

an, sich auf den notwendigen<br />

fortschreitenden Prozess der<br />

Inklusion einzulassen. In<br />

letzter Konsequenz dieses<br />

Ansatzes auf das schulische<br />

Lernen angewendet erfordert<br />

dies, die Vielfalt der<br />

Mitglieder jeder Lerngruppe<br />

zu erkennen und anzuerkennen<br />

und diese Vielfalt zum<br />

Ausgangspunkt des Lernens<br />

zu machen.<br />

Inklusive Schulen – auch das<br />

machte sie deutlich – benötigen<br />

eine Ausstattung mit<br />

interdisziplinären Teams, um<br />

auf dem Weg zur inklusiven<br />

Schule entscheidende<br />

Schritte voranzukommen.<br />

Wie, so war ihre Schluss frage,<br />

kommen wir aus der paradoxen<br />

Situation heraus, dass<br />

das Recht auf Inklusion<br />

eingefordert werden muss?<br />

Ganz sicher wäre es hilfreich,<br />

wenn auch Deutschland das<br />

zweite Protokoll der UN in<br />

Sachen Inklusion unterzeichnen<br />

würde, um so deutlich zu<br />

machen, dass die Umsetzung<br />

des Menschenrechts auf<br />

Inklusion nicht nur ein<br />

Lippenbekenntnis ist.<br />

Der Fachtag schloss mit einer<br />

angeregten Diskussion des<br />

Beitrags, der sich die Verabschiedung<br />

zweier verdienter<br />

Vorstandsmitglieder der<br />

Landesgruppe anschloss.<br />

Hans-Joachim Fischer<br />

und Adolf Messer aus dem<br />

Vorstand verabschiedet<br />

In einem – wie gewohnt –<br />

launigen Beitrag würdigte<br />

der Ehrenvorsitzende der<br />

Landesgruppe, Prof. Dr. Kurt<br />

Meiers, die Verdienste zweier<br />

scheidender Vorstandsmitglieder<br />

der Landesgruppe:<br />

Adolf Messer, seit den<br />

Anfängen des damaligen<br />

»AK <strong>Grundschule</strong>« dabei,<br />

blieb dem Verband über<br />

40 Jahre treu. Er war einer der<br />

Mitbegründer der Landesgruppe<br />

und seither in deren<br />

Vorstand vertreten. Als<br />

Delegierter im Bundesverband<br />

vertrat er die Landesgruppe<br />

über viele Jahre und<br />

setzte sich auch dort stets<br />

aktiv für die Belange der<br />

<strong>Grundschule</strong> ein. Die großen<br />

Grundschultage in Freiburg<br />

und Ehrenkirchen bleiben<br />

Der Ehrenvorsitzende der Landesgruppe, Prof. Kurt Meiers,<br />

würdigte die beiden aus dem Vorstand ausscheidenden langjährigen<br />

Weggefährten des Verbandes Hans-Joachim Fischer<br />

und Adolf Messer (v. l. n. r.)<br />

fest mit seinem Namen<br />

verbunden. Jetzt, so meinte<br />

Adolf Messer, sei es Zeit für<br />

den Rückzug ins Private. Die<br />

Landesgruppe dankte für die<br />

lange Mitarbeit und überreichte<br />

ihm ein Präsent.<br />

Hans-Joachim Fischer, nicht<br />

ganz so lange dabei, aber<br />

von den 12 Jahren im<br />

Vorstand 10 Jahre lang als<br />

deren Vorsitzender Antreiber,<br />

Integrationsfigur, unermüdlicher<br />

Schaffer und Verfasser<br />

von Stellungnahmen, will<br />

sich in nächster Zeit wieder<br />

verstärkt dem Sachunterricht<br />

zuwenden. 12 Jahre, so<br />

meinte er, seien genug und<br />

auch höchste Zeit für einen<br />

Wechsel in der Leitung, damit<br />

neue Impulse und Ideen Platz<br />

finden könnten. Selbstverständlich<br />

bliebe er der<br />

Landesgruppe verbunden,<br />

zumal sich in den vielen<br />

Jahren auch persönliche<br />

Freundschaften entwickelt<br />

hätten. Auch ihm dankte die<br />

Landesgruppe mit einem<br />

Präsent.<br />

Mit einem Rap wurden die<br />

beiden auch vom Restvorstand<br />

der Landesgruppe<br />

gewürdigt. »Wann habt ihr<br />

denn das noch geschafft?«,<br />

wollte Adolf Messer auf der<br />

Heimreise von der Tagung<br />

wissen.<br />

Mitgliederversammlung<br />

mit Neuwahlen<br />

In der anschließenden<br />

Mitgliederversammlung<br />

konnten Hans-Joachim<br />

Fischer und Erika Brinkmann<br />

(sie hatte den Vorsitz vor zwei<br />

Jahren übernommen) auf<br />

beachtliche Rechenschaftsberichte<br />

verweisen, die<br />

finanziell unterfüttert<br />

wurden durch den Kurzbericht<br />

der Schatzmeisterin,<br />

Gerlinde Straub.<br />

Insofern konnte nicht<br />

überraschen, dass der<br />

Vorstand einstimmig entlastet<br />

wurde. Die anschließende<br />

Neuwahl erbrachte folgende<br />

Zusammensetzung des<br />

Vorstands der Landesgruppe<br />

für die nächsten vier Jahre:<br />

Vorsitzende: Erika Brinkmann;<br />

Stellvertreterinnen: Angela<br />

Berkenhoff und Magdalene<br />

Haug; Schatzmeisterin:<br />

Gerlinde Straub; Pressereferent:<br />

Edgar Bohn;<br />

BeisitzerInnen: Martina<br />

Knörzer, Gabriele Doderer,<br />

Hans Brügelmann, Christiane<br />

Benz und Annette Pohl;<br />

Delegierte: Erika Brinkmann;<br />

Ersatzdelegierte: Gabriele<br />

Doderer, Magdalene Haug.<br />

Mit einem gemütlichen<br />

Kaffeetrinken im Café<br />

Mohrenköpfle wurde der<br />

Fachtag beschlossen.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

35


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Berlin<br />

Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />

www.gsv-berlin.de<br />

Wenn Inklusion<br />

gelingen soll<br />

Seit Jahren ist es ein Anliegen<br />

der Berliner Landesgruppe<br />

des Grundschulverbandes,<br />

die Kolleginnen und Kollegen<br />

auf ihren Schritten zum<br />

»Länger gemeinsam lernen«<br />

zu unterstützen. An einer<br />

öffentlichen Veranstaltung<br />

mit dem Thema Inklusive<br />

<strong>Grundschule</strong> – Bausteine<br />

– Gelingensbedingungen<br />

nahmen am Samstag, dem<br />

5. Mai 2012 über 100 Lehrerund<br />

Erzieherinnen teil.<br />

Auf dem Weg zur Entwicklung<br />

einer inklusiven Schule<br />

geht es um notwendige<br />

Bedingungen zur Umsetzung<br />

der UN-Konvention, um eine<br />

gewünschte veränderte<br />

Wahrnehmung vom Lernen<br />

und Lehren. Hilfe dabei<br />

bietet, dass es schon gelungene<br />

Erfahrungen aus der<br />

Praxis gibt, konkrete Beispiele<br />

für neue Wege.<br />

Der einleitende Vortrag von<br />

Prof. Dr. Ada Sasse (Humboldt-Universität<br />

zu Berlin)<br />

»Gelingende Inklusion – In<br />

der eigenen Generation<br />

verankert sein« bot einen<br />

motivierenden Einstieg. Sie<br />

lenkte die Aufmerksamkeit<br />

auf eine pädagogische<br />

Begründung für gemeinsames<br />

Lernen im Sinne der<br />

Inklusion. Ausgehend davon,<br />

dass die meisten Zuhörer und<br />

Zuhörerinnen aufgrund des<br />

<strong>aktuell</strong>en Schulsystems<br />

spätestens nach der vierten<br />

Klasse keinen Kontakt mehr<br />

zu benachteiligten Kindern<br />

hatten, konnte sie anschaulich<br />

erläutern, dass es mehr<br />

flankierende und multiprofessionelle<br />

Systeme braucht,<br />

um das bestehende Bild von<br />

Schule verändern zu können.<br />

Weiterhin zeigte sie beispielhaft,<br />

dass Kinder partnerschaftlich<br />

gemeinsam<br />

arbeiten, den Schulalltag und<br />

ihr Lernen nicht nur im<br />

Klassenrat partizipativ<br />

gestalten können. Die<br />

anschließenden Arbeitsgruppen<br />

von 11 bis 13 Uhr<br />

gestalteten Kolleginnen zu<br />

den Themen: Inklusive<br />

Strukturen entwickeln und<br />

gemeinsame Lernprozesse<br />

gestalten – auch für Kinder<br />

mit geistigen und schweren<br />

Mehrfachbehinderungen. /<br />

JÜL: Lernen mit eigenen<br />

Zielen. / Eine Aufgabe für<br />

alle? Individualisierung im<br />

jahrgangsübergreifenden<br />

Mathematikunterricht. /<br />

Inklusive Bildung bei Schüler/<br />

innen mit Beeinträchtigungen<br />

im Sozialverhalten – Projekt<br />

»Übergang«. / Umgang<br />

mit schwierigen Kindern –<br />

Interventionsstrategien. /<br />

Den Übergang von der Kita<br />

in die Schule gestalten.<br />

Die Referentinnen zeigten<br />

Möglichkeiten, dem Recht<br />

jeden Kindes auf beziehungsreiches<br />

und verstehensorientiertes<br />

Lernen mit anregenden<br />

Lernumgebungen,<br />

Ritualen und Schulkonzepten<br />

zu begegnen.<br />

Die Entwicklung und Bereitstellung<br />

von für Inklusion<br />

notwendigen Gelingensbedingungen<br />

wird in den<br />

nächsten Jahren noch auf<br />

vielfältige Weise herausfordern.<br />

Die positive und<br />

konzentrierte Stimmung, die<br />

in den Räumen der Galilei-<br />

<strong>Grundschule</strong> in der Friedrichstraße<br />

herrschte, konnte für<br />

weitere Schritte Mut machen.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Cornelia Schaffert<br />

Starke <strong>Grundschule</strong>n<br />

Mit der letzten Ausgabe von<br />

»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« ist ein<br />

Projekt gestartet, das gut zu<br />

unserem Verbandsnamen<br />

passt: Starke <strong>Grundschule</strong>n sind<br />

Mitglied im Grundschulverband<br />

– Mitgliedsschulen im<br />

Grundschulverband machen<br />

sich gegenseitig stark! Einige<br />

dieser Schulen sind bereits auf<br />

einer interaktiven Landkarte zu<br />

finden ( www. www.starkegrundschulen.de).<br />

Mehr dazu auch auf www.<br />

starke-grundschulen.de/info.<br />

»Starke <strong>Grundschule</strong>n« können<br />

so auch die Gelegenheit<br />

nutzen, sich zu vernetzen, um<br />

sich wechselseitig zu unterstützen<br />

und damit die <strong>Grundschule</strong><br />

auch nach außen stärker zu<br />

machen – das ist die Idee hinter<br />

dieser Landkarte im Internet.<br />

Gesucht werden nicht »perfekte«<br />

Schulen, sondern solche,<br />

die sich für bestimmte Leitideen<br />

engagieren: Inklusion,<br />

produktiver Umgang mit<br />

Heterogenität, Demokratisierung<br />

… (Sie finden weitere<br />

Stichworte in der Leiste rechts<br />

von der Landkarte auf der<br />

Website www.starke-grund<br />

schulen.de).<br />

Wir möchten Sie nachdrücklich<br />

ermutigen: Nutzen Sie die<br />

Kontakte und tragen Sie auch<br />

Ihre eigene Schule – bitte mit<br />

Internetadresse (wenn<br />

vorhanden) – ein, damit ein<br />

reger Austausch möglich wird.<br />

Anfang August finden sich auf<br />

der interaktiven Landkarte<br />

34 Schulen – der Schuljahresanfang<br />

ist ein guter Zeitpunkt,<br />

auch Ihre Schule auf der<br />

Landkarte starker <strong>Grundschule</strong>n<br />

zu verorten.<br />

(Das geht sehr einfach, die<br />

Schritt-für-Schritt-Anleitung<br />

finden Sie unter www.<br />

grundschulverband.de ><br />

Hinweise zur Landkarte)<br />

Axel Backhaus / Baldur Bertling,<br />

in: Nachrichten aus der GSV-Landesgruppe NRW<br />

36 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />

www.gsv-brandenburg.de<br />

Runder Tisch<br />

Inklusive Bildung<br />

Im Mai fand der dritte Runde<br />

Tisch Inklusive Bildung statt,<br />

zu dem durch das Ministerium<br />

für Bildung, Jugend und<br />

Sport (MBJS) neben mehr als<br />

30 weiteren Institutionen<br />

auch der Grundschulverband<br />

eingeladen worden war. Im<br />

Mittelpunkt des <strong>aktuell</strong>en<br />

Runden Tisches standen die<br />

Informationen zum Pilotprojekt<br />

Inklusive <strong>Grundschule</strong><br />

zur Fortbildung von Lehrkräften<br />

und zur wissenschaftlichen<br />

Begleitung. Die VertreterInnen<br />

der Verbände und<br />

Institutionen wurden seitens<br />

des Direktors des LISUM,<br />

Herrn Dr. Bieber, über das<br />

Fortbildungsprogramm<br />

informiert. Kernstück bilden<br />

Module zur Unterstützung<br />

der schulgenauen Fortbildungsplanung,<br />

zur Arbeit mit<br />

dem Index für Inklusion, zum<br />

Begleiten und Unterstützen<br />

von Lernprozessen. Es geht<br />

darum, inklusive Kulturen<br />

und inklusive Strukturen zu<br />

schaffen und inklusive<br />

Praktiken zu entwickeln.<br />

Nicht nur die Schule selbst,<br />

auch die Schulleitung soll<br />

durch ein Coaching und ein<br />

Fortbildungsprogramm<br />

begleitet werden. Wichtige<br />

Fragen in diesem Zusammenhang<br />

sind: Was leitet mich,<br />

wenn ich leiten verändern<br />

will? Wie weit sind wir bei der<br />

Einsicht in inklusive Strukturen?<br />

Wo stehen wir beim<br />

Aufbau inklusiver Lernformen?<br />

Auch die Arbeit des<br />

wissenschaftlichen Beirates<br />

wurde vorgestellt. Das von<br />

ihnen entwickelte Rahmenkonzept<br />

Inklusive Bildung<br />

soll dem Runden Tisch zur<br />

nächsten Beratung am<br />

8. November 2012 vorgelegt<br />

werden.<br />

In der sich anschließenden<br />

Diskussion wurde die<br />

»unheimliche Dynamik« der<br />

Arbeit des MBJS und des<br />

LISUM gewürdigt, aber auch<br />

die Wahrnehmung der<br />

Heterogenität in den Landkreisen<br />

gespiegelt. Gewürdigt<br />

wurde auch, gemeinsam<br />

einen großen Schritt in der<br />

Diskussion vorangekommen<br />

zu sein. Es wurde deutlich,<br />

dass der pädagogische<br />

Gesichtspunkt inklusiver<br />

Bildung bzw. deren Gelingen<br />

weniger in Frage gestellt<br />

wird. Betont wurde dagegen,<br />

dass zu Fragen der sächlichen<br />

und personellen Unterstützung<br />

die Vertreter der<br />

kommunalen Ebene einzubeziehen<br />

sind. Der Wunsch,<br />

am Ende der Pilotphase eine<br />

Verfahrensregelung für alle<br />

Träger zu finden und die<br />

Bereitstellung der entsprechenden<br />

Ressourcen zu<br />

koordinieren bzw. zu sichern,<br />

wurde bekräftigt. In diesem<br />

Zusammenhang sollte es<br />

auch weiter um Rollen- und<br />

Aufgabenklärung der<br />

Professionen gehen, die<br />

zukünftig gemeinsam in der<br />

inklusiven Schule arbeiten.<br />

Die Ministerin regte darüber<br />

hinaus an, regionale »Runde<br />

Tische« zu initiieren.<br />

83 Pilotschulen werden in<br />

den nächsten Jahren das<br />

Modell der inklusiven Schule<br />

in Brandenburg entwickeln.<br />

Dabei werden sie durch<br />

Beraterinnen und Berater für<br />

Inklusion begleitet und<br />

entsprechend fortgebildet.<br />

Einhergehend lastet jedoch<br />

seitens der Öffentlichkeit ein<br />

großer Erwartungsdruck auf<br />

den Schulen und dem<br />

Unterstützungsangebot der<br />

Beraterinnen und Berater.<br />

Dieser Erwartungsdruck<br />

bezieht sich auch auf den<br />

zukünftigen Umgang mit<br />

Leistungen in einer Schule<br />

für alle. So wurde die Thematik<br />

»Bewertung« als ein<br />

zentrales Thema der Pilotphase<br />

hervorgehoben. Offensichtlich<br />

gehen hier die<br />

Vorstellungen und Sichtweisen<br />

zum Umgang mit<br />

Leistung in der Meinung der<br />

Verbände und Institutionen<br />

noch weit auseinander. Wir<br />

als Landesgruppe sehen in<br />

dieser Thematik für die<br />

nächsten Jahre ein zentrales<br />

Arbeitsfeld und werden dazu<br />

die Expertise des Grundschulverbandes<br />

einbringen.<br />

Hier sollte jedoch endlich ein<br />

eindeutiges politisches<br />

Votum die Arbeit der Schulen<br />

vor Ort, insbesondere auch<br />

die Arbeit mit den Eltern,<br />

unterstützen.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Marion Gutzmann<br />

Fachtagung<br />

»Vielfalt fördern in<br />

einer Schule für alle«<br />

Montag,<br />

24. September 2012<br />

9.30 – 16 Uhr<br />

LISUM Berlin-Brandenburg<br />

Ein modularisiertes Fortbildungsprogramm<br />

soll den<br />

unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

und Bedürfnissen<br />

von Lehrkräften und Schulteams<br />

Rechnung tragen. Im<br />

regionalen Bereich werden<br />

aus diesem Grunde verschiedene<br />

Fortbildungsangebote<br />

gemacht, die von den<br />

Schulen in Absprache mit<br />

den Beraterinnen und<br />

Beratern und nach maßgeschneiderter<br />

schulinterner<br />

Fortbildungsplanung<br />

gewählt werden können.<br />

www.<br />

Zum Fortbildungscurriculum<br />

siehe auf dem<br />

Portal des MBJS:<br />

http://bildungsserver.<br />

berlin-brandenburg.de/<br />

fileadmin/bbb/themen/<br />

inklusion/Curriculum_<br />

Inklusion.pdf<br />

Hamburg<br />

Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg,<br />

susanne.peters@gsvhh.de; www.gsvhh.de<br />

Ein Jahr Grundschrift<br />

in Hamburg<br />

Der neue Bildungsplan<br />

<strong>Grundschule</strong> für Hamburger<br />

Schulen trat zum Schuljahresbeginn<br />

2011/2012 in Kraft.<br />

Erstmals wird darin die<br />

Grundschrift neben der<br />

Schulausgangsschrift als<br />

verbundene Schrift zur<br />

Auswahl angeboten. In stark<br />

emotionsgeladenen Diskussionen,<br />

in die sich auch die<br />

regionale und überregionale<br />

Presse vehement einbrachte,<br />

wurde dem Schulsenator Ties<br />

Rabe vorgeworfen, damit die<br />

Vernichtung deutschen<br />

Kulturguts zu betreiben. Ein<br />

Jahr lang sammelten nun<br />

einige Klassen Erfahrungen<br />

mit der neuen Schreibschrift<br />

und die Lehrkräfte berichten<br />

durchweg von positiven<br />

Ergebnissen. Das Interesse an<br />

der Grundschrift wächst.<br />

Martina Reider, Vorstandsmitglied<br />

der Landesgruppe<br />

Hamburg, bietet deshalb auf<br />

Anfrage Informationsveranstaltungen<br />

für interessierte<br />

Kollegien an. Positiv wurde<br />

vermerkt, dass mittlerweile<br />

auch einzelne Schulbuchverlage<br />

Schreiblehrgänge in<br />

der Grundschrift anbieten<br />

und damit KollegInnen<br />

entgegenkommen, die<br />

gebundene Übungshefte<br />

der Arbeit mit einer Kartei<br />

vorziehen.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Marion Lindner<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

37


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Niedersachsen<br />

Kontakt: www.gsv-nds.de<br />

Klassenstärke in den<br />

<strong>Grundschule</strong>n verringert<br />

Die Klassengrößen im 1. und<br />

3. Schuljahrgang werden mit<br />

dem Schuljahr 2012/2013<br />

verringert. Die Schülerhöchstzahlen<br />

werden<br />

zunächst von 28 auf 26 in<br />

diesen beiden Jahrgängen<br />

abgesenkt. Ab 2013/14 gilt<br />

dies auch für die Grundschuljahrgänge<br />

2 und 4. Damit<br />

können alle Klassen mit mehr<br />

als 26 Kindern geteilt werden.<br />

Kultusminister<br />

Dr. Bernd Althusmann<br />

erklärte hierzu: »Gerade die<br />

Arbeit in unseren <strong>Grundschule</strong>n<br />

erfordert es, dass die<br />

Lehrkräfte mehr Spielraum<br />

erhalten, um auf die individuellen<br />

Bedürfnisse der Schülerinnen<br />

und Schüler einzugehen«.<br />

Wir, die Landesgruppe<br />

Niedersachsen, fordern in<br />

unserem gemeinsamen<br />

Positions papier mit der GEW<br />

und dem VBE zu inklusiven<br />

Ganztagsgrundschulen in<br />

Niedersachsen eine andere<br />

Höchstgrenze: Die Klassenobergrenze<br />

sollte in den<br />

<strong>Grundschule</strong>n auf bis zu 24<br />

Schülerinnen und Schüler<br />

abgesenkt werden.<br />

Der Blick auf andere Schulformen<br />

zeigt, welche Schritte<br />

möglich sind: Die Landesregierung<br />

hat zeitgleich<br />

die Klassengrößen im<br />

10. Schuljahrgang von<br />

Gymnasien und im Gymnasialzweig<br />

der Kooperativen<br />

Gesamtschulen um 6 Schüler<br />

von 32 auf 26 verringert.<br />

Neue Arbeitszeitverordnung<br />

für Schulleiter<br />

ohne neue Impulse<br />

Von den rund 1800 <strong>Grundschule</strong>n<br />

in Niedersachsen<br />

sind derzeit fast 140 nach<br />

Angabe des Kultusministeriums<br />

ohne eine Leitung.<br />

Es scheint, als wäre es in<br />

Niedersachsen nicht attraktiv,<br />

Schulleiterin bzw. Schulleiter<br />

zu werden. Es ist zu befürchten,<br />

dass auch die neue<br />

Arbeitszeitverordnung, die<br />

zum 1. August 2012 in Kraft<br />

tritt, nichts daran ändern<br />

wird. Insbesondere Schulleitungen<br />

kleiner Schulen,<br />

also die meisten <strong>Grundschule</strong>n,<br />

erhalten von dieser<br />

neuen Regelung keine<br />

zusätzliche Entlastung durch<br />

mehr Leitungszeit (Entlastungsstunden).<br />

Und dies,<br />

obwohl an den <strong>Grundschule</strong>n<br />

die Unterrichtsverpflichtung<br />

mit 28 Wochenstunden<br />

von allen Schulformen am<br />

höchsten ist. Die Folge ist,<br />

dass somit viele Rektorinnen<br />

und Rektoren immer noch<br />

überwiegend jeden Vormittag<br />

unterrichten werden.<br />

Die neue Verordnung<br />

berücksichtigt zudem weder<br />

den Ganztagsbetrieb noch<br />

den Einsatz pädagogischer<br />

Mitarbeite rinnen und<br />

Mitarbeiter an <strong>Grundschule</strong>n<br />

angemessen. Die Arbeit von<br />

Schulleiterinnen bzw.<br />

Schulleitern wird mit diesem<br />

Papier insbesondere in<br />

kleinen Schulen auch<br />

weiterhin erschwert.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Dr. Eva Gläser<br />

Nordrhein-Westfalen<br />

Vorsitzende: Christiane Mika, Ruhrbogen 30, 45529 Hattingen<br />

www.grundschulverband-nrw.de<br />

Fortsetzung des bildungspolitischen<br />

Reformkurses<br />

erwünscht<br />

Die neue alte rot-grüne<br />

Landesregierung in NRW<br />

knüpft in ihrem Koalitionsvertrag<br />

an ihre bisherigen<br />

bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen<br />

an. Viele der<br />

dort gemachten grundsätzlichen<br />

Aussagen werden von<br />

der Landesgruppe begrüßt<br />

und unterstützt, sehr vage<br />

aber bleiben Ankündigungen,<br />

wie die beabsichtigten<br />

Maßnahmen in der Fläche<br />

umgesetzt werden sollen.<br />

So setzt eine präventiv<br />

ausgerichtete Bildungspolitik,<br />

die in ausgewählten<br />

Kommunen z. B. durch eine<br />

stärkere Vernetzung der<br />

Akteure vor Ort dafür sorgen<br />

will »kein Kind zurückzulassen«<br />

sicherlich wichtige<br />

Akzente. Genauso wichtig für<br />

dieses Ziel ist jedoch die Qualitätssteigerung<br />

der offenen<br />

Ganztagsschulen, die unter<br />

höchst unterschiedlichen<br />

Ressourcenbedingungen<br />

arbeiten, sowie die Bereitstellung<br />

umfassender Unterstützungsmaßnahmen,<br />

um die<br />

Schulen auf ihrem Weg zur<br />

Inklusion zu begleiten.<br />

Aktuell bleibt auch weiterhin<br />

das Thema ›Ziffernnoten‹<br />

– die geltende Regelung<br />

erweist sich für eine konsequente<br />

Umsetzung eines<br />

pädagogischen Leistungsbegriffs<br />

nur bedingt als<br />

hilfreich. Die Landesgruppe<br />

hat Schulministerin Sylvia<br />

Löhrmann zur Wiederwahl<br />

gratuliert und freut sich auf<br />

die Fortsetzung der bisherigen<br />

konstruktiven Gespräche<br />

zu diesen und anderen<br />

Fragen.<br />

Umbesetzung der<br />

Vorstandsämter<br />

Um die ehrenamtliche Arbeit<br />

des Landesvorstandes besser<br />

zu verteilen, wurden einige<br />

Ämter umbesetzt: Den<br />

Vorsitz übernimmt nun<br />

Christiane Mika, Axel Backhaus<br />

ist stellvertretender<br />

Vorsitzender, Baldur Bertling<br />

Sprecher der Landesgruppe<br />

und Ute Rohrlack Schatzmeisterin.<br />

Der Vorstand<br />

bedankt sich sehr herzlich<br />

bei Gisela Cappel für ihr<br />

langjähriges Engagement als<br />

Vorstandsvorsitzende und<br />

würdigt ihren hohen und<br />

unermüdlichen Einsatz für<br />

die Landesgruppe!<br />

Alle weiteren Informationen<br />

über die Arbeit der Landesgruppe:<br />

www.grundschul<br />

verband-nrw.de<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Beate Schweitzer<br />

Beiträge zur Schulentwicklung<br />

durch den GSV:<br />

Schulleitungsfortbildung<br />

mit der GEE<br />

Am 26./27. Oktober 2012<br />

findet in Düsseldorf gemeinsam<br />

mit der Gemeinschaft<br />

Evangelischer Erzieher eine<br />

weitere Schulleitungsfortbildung<br />

statt. Mit dem<br />

bewährten Moderatorenteam<br />

Dr. Kirsten Mattern und<br />

Dr. Frank Sielecki werden<br />

Fragen zur Gestaltung eines<br />

gelingenden Veränderungsmanagement<br />

mit dem<br />

Schwerpunkt ›Professionelle<br />

Gesprächsführung‹ bearbeitet.<br />

Anmeldungen dazu<br />

können über die Homepage<br />

der Landesgruppe des GSV<br />

und der GEE erfolgen.<br />

Mitgliederversammlung<br />

Am 10. November 2012 wird<br />

in der neuen Sekundarschule<br />

Billerbeck die diesjährige<br />

Mitgliederversammlung der<br />

Landesgruppe NRW stattfinden.<br />

Sie beschäftigt sich mit<br />

Fragen des Übergangs nach<br />

der Grundschulzeit und<br />

umfasst zwei Schwerpunkte:<br />

»Übergange auf die Sekundarschule«<br />

und »Den Übergang<br />

kooperativ gestalten«.<br />

Anmeldungen erfolgen auch<br />

hierzu über die Homepage.<br />

38 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Rheinland-Pfalz<br />

Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />

www.wl-lang.de<br />

Gespräche über<br />

Weiterentwicklung<br />

der <strong>Grundschule</strong><br />

Mitglieder der Landesgruppe<br />

hatten im Mai<br />

Gelegenheit, im Bildungsministerium<br />

ein Gespräch<br />

über die Weiterentwicklung<br />

der <strong>Grundschule</strong> zu führen.<br />

Angesprochen wurden<br />

unter anderem die anstehende<br />

Überarbeitung der<br />

Grundschulordnung und<br />

die Frage der Grundschulzeugnisse.<br />

Die Landesgruppe<br />

regte an, das Halbjahreszeugnis<br />

der 3. Klasse durch<br />

ein weiteres L-E-S-Gespräch<br />

zu ersetzen, was offenbar<br />

im Ministerium bereits<br />

diskutiert wird. Zum Halbjahr<br />

der 4. Klasse sollte ein weiteres<br />

L-E-S-Gespräch geführt<br />

werden, das zugleich das<br />

»Empfehlungsgespräch« sein<br />

sollte. Dann könnte das<br />

Halbjahreszeugnis auf das<br />

begrenzt werden, was die<br />

weiterführenden Schulen<br />

benötigen. Im Zusammenhang<br />

mit dem großen Thema<br />

Inklusion betonte Staatssekretär<br />

Beckmann, dass die Zahl<br />

der Schwerpunktschulen<br />

weiter erhöht wird und<br />

mittelfristig die Förderschulen<br />

zu Kompetenzzentren ausgebaut<br />

werden. Ziel sei es, den<br />

Eltern eine Wahlmöglichkeit<br />

zwischen Regel- und Förderschule<br />

zu bieten.<br />

Der Landesgruppenvorsitzende<br />

W. Lang führte<br />

ebenfalls im Mai einen<br />

Meinungsaustausch mit der<br />

bildungspolitischen Sprecherin<br />

der SPD-Landtagsfraktion<br />

B. Brück. Dabei ging es<br />

sowohl um <strong>aktuell</strong> erforderliche<br />

Rahmenbedingungen für<br />

starke <strong>Grundschule</strong>n als auch<br />

um mittel- und langfristige<br />

bildungspolitische Ziele.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Werner Lang<br />

Saarland<br />

Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken<br />

lagroll@t-online.de<br />

Prävention in<br />

der <strong>Grundschule</strong><br />

Im Sommer 2010 startete<br />

das Ministerium für Bildung<br />

in Kooperation mit dem<br />

Landesinstitut Pädagogik<br />

und Medien (LPM) die zwei<br />

Jahre dauernde Qualifizierungsmaßnahme<br />

»Förderung<br />

und Prävention in der<br />

<strong>Grundschule</strong>«. 23 interessierte<br />

Kolleginnen und<br />

Kollegen meldeten sich für<br />

diese Zusatzqualifikation,<br />

die auch ein Mosaikstein in<br />

der Umsetzung der UN-<br />

Konvention zum Schutz der<br />

Rechte behinderter Menschen<br />

darstellt mit dem Ziel:<br />

»Inklusion – Eine Schule für<br />

alle«.<br />

Die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer trafen sich alle<br />

14 Tage im LPM mit den<br />

ReferentInnen, um Einblicke<br />

in Neues zu erlangen oder<br />

bereits Bekanntes zu<br />

vertiefen. So gab Stephanie<br />

Bechle im ersten Halbjahr<br />

den zukünftigen Präventionslehrerinnen<br />

und -lehrern<br />

einen Überblick über integrativen<br />

Unterricht und Diagnostik<br />

sowie Beispiele für Förderung<br />

und Förderplanung.<br />

Prof. Dr. Günter Dörrs und<br />

Jasmin Pfeiffers großer<br />

Themenblock im zweiten<br />

Halbjahr umfasste den Bereich<br />

»Lernen«, wobei den Teilnehmern<br />

der Qualifizierungsmaßnahme<br />

auch die primäre<br />

Erfahrung vor Ort an einer<br />

Förderschule L gewährt wurde<br />

– für viele übrigens die erste<br />

Begegnung mit dieser Schulform.<br />

Im letzten Jahr schließlich<br />

waren der Umgang mit<br />

Verhaltensauffälligkeiten,<br />

Formen des gemeinsamen<br />

Unterrichts und Sprachprobleme/-förderung<br />

in der<br />

<strong>Grundschule</strong> Inhalte der<br />

Ausbildung.<br />

Die PräventionslehrerInnen<br />

sind an 23 Schulen im Saarland<br />

in den ersten Klassen mit<br />

jeweils 6 Stunden eingesetzt.<br />

In Absprache mit den KlassenlehrerInnen<br />

erfolgt eine<br />

Förderung im Klassenverband<br />

– was vor allem bei »Offenem<br />

Unterricht« sinnvoll und<br />

möglich ist – oder in Kleingruppen.<br />

Es besteht eine<br />

enge Kommunikation<br />

zwischen den jeweiligen<br />

Lehrpersonen. Das Hauptaugenmerk<br />

wird auf Schülerinnen<br />

und Schüler gelegt,<br />

bei denen sich Lernschwierigkeiten<br />

oder ein sonderpädagogischer<br />

Förderbedarf<br />

abzeichnen.<br />

Zu den Aufgaben der<br />

PräventionslehrerInnen<br />

gehört es zudem, Vertretungsunterricht<br />

in den ersten<br />

Klassen zu halten, sollten die<br />

KlassenlehrerInnen erkrankt<br />

sein – eine sinnvolle Maßnahme,<br />

da sie durch ihre tägliche<br />

Arbeit die jeweiligen SchülerInnen<br />

gut kennen und eine<br />

Beziehung zu ihnen aufbauen<br />

konnten. Die Erfahrung<br />

der letzten zwei Jahre zeigt<br />

jedoch, dass Präventionslehrkräfte<br />

in allen Klassen der<br />

Schule für einen längeren<br />

Zeitraum als »Feuerwehrlehrer«<br />

eingesetzt werden<br />

und über Monate ihrer<br />

Präventionstätigkeit nicht<br />

mehr nachkommen können.<br />

Dies ist nach Auffassung der<br />

Landesgruppe kein Beitrag<br />

zur Prävention. Wenn schon<br />

Lehrpersonen aufwendig<br />

geschult und zusatzausgebildet<br />

werden, sollten sie nicht<br />

längerfristig für Vertretungsunterricht<br />

eingesetzt werden.<br />

Der ursprünglich positiv<br />

beschrittene Weg darf nicht<br />

verlassen werden, ansonsten<br />

würde ein weiteres Mal<br />

zulasten der Kinder gespart.<br />

Nicht zuletzt ist Kontinuität<br />

ein weiteres Ziel. Allzu oft<br />

wurden in den letzten Jahren<br />

für gut befundene Projekte<br />

– auch durch personelle<br />

Änderungen im Bildungsbereich<br />

– nicht weiterverfolgt.<br />

Mitgliederversammlung<br />

mit Neuwahlen<br />

und einem Referat<br />

zur Grundschrift<br />

Samstag,<br />

25. September 2012<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />

39


Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06114 Halle,<br />

petra.katrin.uhlig@googlemail.com; www.gsv-lsa.de<br />

Inklusive Bildung in<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Nationale Vergleichsuntersuchungen<br />

wie der jüngst<br />

erschienene Chancenspiegel<br />

der Bertelsmann-Stiftung<br />

zeigen, dass Sachsen-Anhalts<br />

Bildungssystem zu zögerlich<br />

auf die <strong>aktuell</strong>en Herausforderungen<br />

der Schullandschaft<br />

reagiert. Zwar werden<br />

Reformbemühungen auf<br />

administrativer Ebene<br />

deutlich, nur gelingt es ihnen<br />

bislang noch nicht in ausreichendem<br />

Maße, nachhaltig<br />

Wirkung zu zeigen.<br />

Die Landesgruppe hat eine<br />

Stellungnahme verfasst, die<br />

aus unserer Sicht wichtige<br />

Problemfelder der inklusiven<br />

Bildung im Land thematisiert.<br />

Das Schreiben äußert sich<br />

zu den Schwerpunkten<br />

(1) Grundsatz Kostenneutralität,<br />

(2) Pädagogischer<br />

Perspektivenwechsel in allen<br />

drei Phasen der LehrerInnenausbildung,<br />

(3) Regelungen<br />

bis zur gesetzlichen Fixierung<br />

der inklusiven Bildung in<br />

Sachsen-Anhalt und<br />

(4) Überprüfung der Wirksamkeit<br />

von Maßnahmen.<br />

Im Moment werden UnterstützerInnen<br />

der Maßnahme<br />

gesucht, bevor das Schreiben<br />

an die bildungspolitisch<br />

Verantwortlichen und die<br />

Presse geschickt werden soll.<br />

Die Stellungnahme findet<br />

sich im Internet zum Nachlesen<br />

unter: www.gsv-lsa.de<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Dr. Michael Ritter<br />

Schleswig-Holstein<br />

Vorsitzende: Prof. Dr. Beate Blaseio, Universität Flensburg, Auf dem Campus 1,<br />

24943 Flensburg; www.grundschulverband-sh.de<br />

Bewertung im Heimatund<br />

Sachunterricht<br />

Mit Unterstützung des GSV<br />

fand an der Universität<br />

Flensburg am 2. Juni der<br />

Fachtag Heimat- und Sachunterricht<br />

statt. Der lebendige<br />

Einführungsvortrag über<br />

Leistungsfeststellung und<br />

Leistungsbewertung im<br />

Heimat- und Sachunterricht<br />

von Frau Prof. Dr. Frauke<br />

Grittner, Professorin für<br />

<strong>Grundschule</strong>ntwicklung und<br />

Integrativen Sachunterricht<br />

an der Uni Kassel, bot eine<br />

gute Grundlage für die<br />

anschließenden Workshops.<br />

Ausgangspunkt war für sie<br />

die Aussage, dass es immer<br />

darum gehen muss, das<br />

Lernen und die Leistungen<br />

der Kinder wertzuschätzen.<br />

Sie versteht das Lernen als<br />

(Re)Konstruktion von Welt,<br />

das in der Schule mit dafür<br />

geeigneten Aufgaben,<br />

Materialien und Methoden<br />

verknüpft werden muss. Als<br />

gelungenes Beispiel sieht sie<br />

den SINUS-Ansatz; auch die<br />

Bedeutung des jahrgangsübergreifenden<br />

Lernens hob<br />

sie hervor.<br />

Die neue Landesregierung<br />

und die <strong>Grundschule</strong>n<br />

Erwartungsvoll blicken wir<br />

auf die Bildungspolitik der<br />

regierenden Koalition der<br />

grünen, roten und blauen<br />

Ideen. Die Politiker der SPD,<br />

des Bündnis 90 / Die Grünen<br />

und des Südschleswigschen<br />

Wählerverbandes haben in<br />

ihrem Koalitionspapier nur<br />

wenig zum Thema <strong>Grundschule</strong><br />

formuliert. Die<br />

Eingangsphase ist bezüglich<br />

des Inklusionsgedankens<br />

erwähnt. Auch wird über die<br />

Umformung der Schulübergangsempfehlung<br />

nach<br />

Klasse 4 nachgedacht. Der<br />

Schulfrieden soll für 10 Jahre<br />

gewahrt werden. Dieser ist in<br />

den Schulformen Gemeinschaftsschule<br />

und Gymnasi-<br />

um sicher angebracht. Für die<br />

<strong>Grundschule</strong>n kann Frieden<br />

aber nicht mit Ruhigstellen<br />

verwechselt werden. Zu still<br />

und brav haben sie die<br />

Veränderungen der letzten<br />

Jahre und die wechselnden<br />

Schulgesetze hingenommen<br />

und sich der Aufgabenvielfalt<br />

z. B. Individualisierung ohne<br />

Differenzierungsstunden<br />

gestellt. Wir erwarten, dass<br />

die neue Bildungsministerin<br />

Wara Wende auch einen<br />

zeitgemäßen Fokus auf die<br />

Unterstützung der Kernpunkte<br />

der Grundschulbildung<br />

richtet. Wir befürchten, dass<br />

die sinkenden Schülerzahlen<br />

wirtschaftlich als demografischer<br />

Gewinn verrechnet<br />

werden und die Versorgung<br />

zu einem Bildungsdumping<br />

führt.<br />

Für die Landesgruppe:<br />

Sabine Jesumann,<br />

Andrea Keyser<br />

Inklusions-Fachtag<br />

Samstag,<br />

22. September 2012<br />

Mitgliederversammlung,<br />

Vortrag Grundschrift,<br />

Donnerstag,<br />

15. November 2012 im<br />

Martinshaus in Rendsburg<br />

40 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012


Horst Bartnitzky, Hans Brügelmann, Ulrich Hecker, Friederike Heinzel,<br />

Gudrun Schönknecht, Angelika Speck-Hamdan (Hrsg.):<br />

Kursbuch <strong>Grundschule</strong><br />

Die <strong>Grundschule</strong> ist eine reformbewusste Schulform<br />

Welchen Leitideen folgt sie?<br />

Welche Probleme hat sie zu bewältigen?<br />

Wie ist der <strong>aktuell</strong>e Forschungsstand<br />

z. B. zu Fragen der Kindheit, zur Heterogenität,<br />

zum Lernkonzept, zu Leistung und Evaluation?<br />

Wie ist der didaktische Entwicklungsstand<br />

in den Fächern und Lernbereichen?<br />

Wie kann fortschrittlicher Unterricht realisiert werden?<br />

Kursbuch <strong>Grundschule</strong> – übersichtlich, kompakt, anschaulich<br />

Frankfurt a. M. 2009<br />

835 Seiten<br />

34 € (für Mitglieder: 26 €)<br />

ISBN 978-3-930024-99-5<br />

Bestell-Nr. 1085<br />

Heike de Boer, Susanne Peters (Hrsg.):<br />

<strong>Grundschule</strong> entwickeln –<br />

Gestaltungsspielräume nutzen<br />

Wie gelingt <strong>Grundschule</strong>n der Spagat, den gewachsenen<br />

Leistungsanforderungen von außen gerecht zu<br />

werden, ohne dabei den Blick auf die SchülerInnen zu<br />

verlieren?<br />

Alle Schulen befinden sich im Spannungsfeld zwischen<br />

ministeriellen Vorgaben, externer Evaluation und dem<br />

Auftrag, Schulentwicklungsprozesse für sich daraus<br />

abzuleiten. <strong>Grundschule</strong>n haben hierfür in der Regel<br />

keine oder kaum finanzielle und organisatorische<br />

Ressourcen zur Verfügung.<br />

In diesem Band zur <strong>aktuell</strong>en Diskussion über Schulqualität<br />

werden die Herausforderungen für Schulen<br />

analysiert, Chancen, Grenzen und Handlungsspielräume<br />

beschrieben.<br />

Frankfurt a. M. 2011<br />

313 Seiten<br />

19,50 € (für Mitglieder: 13 €)<br />

ISBN 978-3-941649-02-6<br />

Bestell-Nr. 1088<br />

Beispiele aus der Praxis zeigen, wie LehrerInnen<br />

und Schulleitungen die neuen Aufgaben bewältigen,<br />

kreative Lösungen für Probleme finden, wie Schulen<br />

miteinander und voneinander lernen und wie<br />

Schulentwicklungs prozesse dazu führen, dass die<br />

SchülerInnen davon profitieren und besser lernen.


<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Grundschulverband e. V.<br />

Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />

Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />

info@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />

Versandadresse<br />

Beitrittserklärung<br />

An den<br />

Grundschulverband<br />

Niddastraße 52<br />

60329 Frankfurt/Main<br />

Sie können sich auch im Internet anmelden:<br />

www.grundschulverband.de<br />

oder per Fax 0 69 / 7 07 47 80<br />

Ich beantrage die Mitgliedschaft im Grundschulverband e. V.<br />

Als Mitglied erhalte ich jährlich zwei neue Mitgliedsbände aus der<br />

Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>« sowie die Vierteljahreszeitschrift<br />

»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« jeweils nach Fertig stellung kostenfrei<br />

zugesandt.<br />

Den angekreuzten Betrag<br />

Jahresmitgliedsbeitrag: 66,– €<br />

Ermäßigter Beitrag (bitte belegen!): 39,– €<br />

(für Studierende, Arbeitslose, Lehramts anwärterInnen)<br />

Förderbeitrag: mindestens 39,– €<br />

(keine Mitgliedsbände, nur Zeitschrift – für Pensionäre, die weiterhin<br />

<strong>aktuell</strong> informiert werden wollen und andere Förderer, die die Arbeit<br />

des Grundschul verbandes unterstützen möchten)<br />

zahle ich nach Erhalt der Jahresrechnung per Bankeinzug<br />

Konto Nr. ___________________<br />

Bankleitzahl __________________<br />

Bankname _________________________________________________<br />

Name _____________________________________________________<br />

Straße und Hausnummer _____________________________________<br />

PLZ und Ort ________________________________________________<br />

E-Mail _____________________________________________________<br />

Tel. _______________________________________________________<br />

___________________________________________________________<br />

Datum und Unterschrift<br />

Als Mitglied im Grundschulverband<br />

… unterstützen Sie unsere Ziele:<br />

»Die pädagogisch begründeten Ansprüche<br />

der Kinder dieser Schulstufe zu vertreten, die<br />

Grundschul pädagogik weiter zu ent wickeln<br />

und die Stellung der <strong>Grundschule</strong> im öffent lichen<br />

Bildungswesen zu verbessern.« (aus der Satzung)<br />

… erhalten Sie jährlich zwei neue Bände der<br />

Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>«<br />

… erhalten Sie viermal jährlich die 40-seitige<br />

Mitglieder zeitschrift »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« mit<br />

Beiträgen zur Bildungs politik, aus der Grund schulforschung<br />

und zur pädagogischen Praxis<br />

… können Fortbildungsveranstaltungen<br />

des GSV stets zu ermäßigten Tagungsgebühren<br />

besucht werden.<br />

Für Ihren Beitritt zum Grundschulverband<br />

halten wir folgendes Werbe angebot für Sie<br />

bereit:<br />

(Bitte nur eine der beiden Möglichkeiten<br />

ankreuzen!)<br />

Als neues Mitglied im Grundschulverband<br />

wünsche ich mir den Band<br />

als Aufnahmegeschenk.<br />

Oben genanntes Mitglied habe ich für den<br />

Grundschulverband geworben.<br />

Als Werbeprämie senden Sie mir bitte den<br />

Band<br />

an folgende Anschrift:<br />

______________________________________<br />

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Straße und Hausnummer<br />

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