Grundschule aktuell 119
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
www.grundschulverband.de · September 2012 · D9607F<br />
<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>119</strong><br />
Naturwissen schaffen
Praxisbücher für die <strong>Grundschule</strong><br />
Christina Buchner zeigt in ihrem<br />
Buch sehr anschaulich, anhand<br />
vieler Übungen und Beispiele,<br />
wie Lehrer/innen allen Kindern<br />
den Einstieg in die Welt der Zahlen<br />
ermöglichen können. Der<br />
Kerngedanke: Mechanisches<br />
Rechnen hilft nicht – Kinder<br />
müssen Rechnen handelnd<br />
begreifen.<br />
Ergänzend<br />
erhältlich:<br />
126 Kopiervorlagen,<br />
die direkt<br />
im Unterricht<br />
eingesetzt werden<br />
können.<br />
Innovativer<br />
Ansatz<br />
2012. 272 Seiten. Broschiert.<br />
€ 29,95 D<br />
ISBN 978-3-407-62803-9<br />
Die Autorinnen bieten fundiertes<br />
Grundwissen und zahlreiche<br />
Anregungen für die Arbeit mit<br />
Grundschulklassen.<br />
Vom Grenzen setzen, dem<br />
Umgang mit Konflikten über die<br />
Klassenraumgestaltung bis zur<br />
Gesprächsführung mit Kindern<br />
und Eltern – der umfangreiche<br />
Praxisteil mit Kopiervorlagen<br />
und Formularen zum Download<br />
enthält alles, was Sie für eine<br />
gute Klassenleitung brauchen.<br />
Neu<br />
2012. 197 Seiten. Broschiert.<br />
€ 19,95 D<br />
ISBN 978-3-407-62827-5<br />
2012. 128 Seiten. Broschiert.<br />
€ 19,95 D<br />
ISBN 978-3-407-62849-7<br />
Neugierig auf spannende (Klassen-) Lektüre?<br />
<br />
<br />
»Klasse Lektüre« bietet Ihnen:<br />
Anregungen für Ihren Unterricht mit Lesetexten der Verlage<br />
Beltz & Gelberg und Carlsen.<br />
120 Titel für den Einsatz in der Schule – fächerübergreifend<br />
Zu allen Titeln im Katalog gibt es Lehrerbegleitmaterialien –<br />
gedruckt oder kostenlos zum Download unter www.beltz.de/lehrer.<br />
Ihr Geschenk:<br />
Begleitmaterial<br />
für Ihren<br />
Unterricht<br />
Bestellen Sie jetzt kostenfrei<br />
Ihr Kennenlern-Set*:<br />
»Klasse Lektüre 2012/13«<br />
»Ich bin der Stärkste im ganzen Land«,<br />
Unterrichtsmaterialien zum Kinderroman von Mario Ramos<br />
(Klasse 1–2, mit Kopiervorlagen)<br />
Best.-Nr. 901517 angeben (951821) *solange der Vorrat reicht<br />
E-Mail: bestellung@beltz.de Tel.: 0 81 91 / 9 70 00-622<br />
Leseproben auf www.beltz.de
Inhalt<br />
Editorial<br />
Tagebuch<br />
S. 2 Gerechte Bedingungen schaffen (M. Lassek)<br />
Thema: Naturwissen schaffen<br />
S. 3 Lernen durch Erfahrungen mit der Natur<br />
(Ch. Biermann / U. Bosse / L. Falcke)<br />
S. 7 Fragen an unsere Schulen und unseren Unterricht<br />
(U. Bosse)<br />
S. 9 Naturforscher: Draußen sein – Natur erkunden –<br />
Persönlichkeit stärken (U. Bosse)<br />
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
S. 17 Lernkompetenzen entwickeln und nutzen<br />
(Ch. Biermann)<br />
S. 19 Lernen an Phänomenen (U. Bosse)<br />
S. 21 Brücken aus Papier – Statik und Stabilität<br />
(U. Bosse)<br />
S. 23 Bionik – Fliegen in Natur und Technik (L. Falcke)<br />
Rundschau<br />
S. 26 Grundschulverband: Neuer Vorstand (S. Reinisch)<br />
S. 27 Deutscher Schulpreis 2012 (U. Hecker)<br />
S. 28 Standpunkt Schulentwicklung: <strong>Grundschule</strong><br />
entwickeln – Gestaltungsspielräume schaffen<br />
S. 29 VERA weiter in der Diskussion (M. Lassek)<br />
S. 31 Aus der Forschung: Soziale Ungleichheit<br />
(B. Schumann)<br />
S. 33 Projekt »Eine Welt in der Schule« (A. Pahl))<br />
Landesgruppen <strong>aktuell</strong> – u. a.:<br />
S. 34 Bayern: Inklusion im Blickpunkt<br />
S. 35 Baden-Württemberg: Inklusion ist Menschenrecht<br />
S. 37 Hamburg: Ein Jahr Grundschrift in Hamburg<br />
S. 39 Saarland: Prävention in der <strong>Grundschule</strong><br />
Impressum<br />
GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />
erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />
kostet 9,00 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 5,00 €.<br />
Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />
60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />
www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />
Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />
in Zusammen arbeit mit Dr. h. c. Horst Bartnitzky<br />
Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />
Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />
Fotos: Autorinnen und Autoren<br />
Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />
Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />
Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />
Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />
Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />
Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />
ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6054<br />
Beilagen: »GrundschulEltern« als ständiger Einhefter, Beilage des<br />
Toussini-Circus Mobile<br />
Neu: Die »Rundschau«<br />
Eine neue Rubrik startet mit diesem Heft: Die »Rundschau«.<br />
Der Grundschulverband engagiert sich auf vielen Feldern<br />
aktiv für die Bildungsansprüche von Grundschulkindern.<br />
Über diese vielfältigen Initiativen, Aktivitäten und Impulse<br />
wollen wir regelmäßiger und ausführlicher informieren.<br />
Dazu dient unsere neue Rubrik als <strong>aktuell</strong>e und (hoffentlich<br />
auch) lesenswerte »Chronik der laufenden Ereignisse«<br />
( S. 26 ff.). Die »Rundschau« wird möglich durch eine Erweiterung<br />
des Umfangs unserer Zeitschrift auf nunmehr<br />
40 Seiten – 8 Seiten mehr Aktualität und Information für<br />
unsere Leserinnen und Leser.<br />
Naturwissen schaffen<br />
Ein wichtiges Thema schließen wir mit diesem Heft auf, das<br />
in Zusammenarbeit mit KollegInnen der Laborschule in<br />
Bielefeld entstanden ist. Christine Biermann, Ulrich Bosse<br />
und Lina Falcke (Näheres zu den Autorinnen und zum<br />
Autor S. 6) möchten mit ihren Beiträgen eine Diskussion<br />
anregen und praktisch werden lassen, die den Fokus auf die<br />
Kinder richtet: »Ausgangspunkt und Ziel sind nicht in erster<br />
Linie die Naturwissenschaften als solche, sondern es sind die<br />
Natur, das Naturerleben, die Naturerfahrungen, die Naturerforschung<br />
der Kinder. Hierum geht es, hieran entwickeln<br />
wir unsere Ziele, hieraus entfalten sich die Kompetenzen<br />
der Kinder.« Wir bedanken uns für die überaus produktive<br />
Zusammenarbeit und wünschen der kommenden Buchproduktion<br />
zu diesem Thema ( Kasten S. 3) viel Erfolg.<br />
Neues von der Grundschrift<br />
»Lehrkräfte berichten durchweg von positiven Ergebnissen.<br />
Das Interesse an der Grundschrift wächst«, so heißt es im<br />
<strong>aktuell</strong>en Bericht der Landesgruppe Hamburg ( S. 37). Um<br />
dem wachsenden Informationsbedürfnis entgegenkommen<br />
zu können, gibt es nun eine Liste von ModeratorInnen zur<br />
Grundschrift, die für Fortbildungen, Konferenzen und Veranstaltungen<br />
in allen Bundesländern zur Verfügung stehen.<br />
Moderationsmaterialien, die sich auch zum Selbststudium<br />
oder für selbst organisierte Veranstaltungen eignen, sind<br />
ebenfalls leicht erhältlich.<br />
Neben dem umfangreichen Grundschrift-Materialpaket<br />
nun zwei weitere konkrete Hilfen, um sich auf den Weg zur<br />
Arbeit mit der Grundschrift zu machen oder vor Ort in der<br />
Praxis mit der Grundschrift zu beginnen ( Kasten S. 32).<br />
Aktion »Starke <strong>Grundschule</strong>n«<br />
Die letzte Ausgabe von »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« bildete den<br />
Startschuss der Aktion »Starke <strong>Grundschule</strong>n«. Unsere<br />
inter aktive Landkarte ( www. www.starke-grundschulen.de)<br />
bietet die Gelegenheit, sich zu zeigen und sich zu vernetzen,<br />
um sich gegenseitig zu unterstützen.<br />
Wir möchten nachdrücklich ermutigen, auch Ihre eigene<br />
Schule einzutragen ( S. 36).<br />
Ulrich Hecker<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
1
Tagebuch<br />
Allen Kindern gerecht werden –<br />
gerechte Bedingungen schaffen<br />
Maresi Lassek<br />
»Das tägliche Unrecht in den Schulen ist, dass arme Kinder<br />
bildungsarm gemacht werden«, resümierte Horst<br />
Bartnitzky (bis 2010 Vorsitzender des Grundschulverbandes)<br />
im Februar 2007 in einer Pressemitteilung: Internationale<br />
Bildungsstudien führen Deutschland dieses<br />
Faktum seit Jahren vor, denn in keinem anderen Industrieland<br />
ist der Zusammenhang von sozialer Herkunft<br />
und Bildungserfolg so groß wie hier.<br />
Wie und auf welchen Wegen schaffen es andere Länder<br />
besser, mit den unterschiedlichen Sozialisationsbedingungen<br />
von Kindern konstruktiv umzugehen? Die Suche<br />
nach Antworten läuft und läuft und …<br />
Hinlänglich wurde von Bildungsexperten über die<br />
Schulstruktur, die Bedeutung von gutem Unterricht und<br />
die Verantwortung von Eltern und Schulen diskutiert.<br />
Vehement lehnt die Politik eine Veränderung der Schulstruktur<br />
ab, kommt mit der Entwicklung von Ganztagsschulen<br />
nur langsam voran und offeriert zu wenige<br />
Lösungen in der Frage des Zusammenhangs von Armut<br />
und Bildungsarmut.<br />
Wir können nicht länger riskieren, die Leistungsmöglichkeiten<br />
von Kindern aus benachteiligten Familien und<br />
Zuwandererfamilien nicht abzurufen. Schule kann (und<br />
dies geschieht aufgrund der vorhandenen Bedingungen)<br />
das Versagen und die Abqualifizierung von Kindern verfestigen<br />
und so zur Verstärkung der belastenden Faktoren<br />
beitragen. Schule kann aber auch zum Schutzfaktor<br />
gegen Kinderarmut und damit für arme Kinder und<br />
Kinder mit ungünstigen Voraussetzungen werden. Kindergärten<br />
und <strong>Grundschule</strong>n als Institutionen, in denen<br />
elementare Voraussetzungen für die Persönlichkeitsentwicklung<br />
und das Lernen angelegt und gefördert werden,<br />
benötigen in belasteten Quartieren Stärkung. Die Herausforderung<br />
hier ist hoch, es reicht nicht, mit der Regelausstattung<br />
darauf zu reagieren.<br />
Bildungsgerechtigkeit bedeutet an dieser Stelle, nicht<br />
alle gleich zu behandeln. Schulen, deren Schülerinnen<br />
und Schüler unter ungünstigeren Bedingungen aufwachsen<br />
als Kinder woanders, brauchen zusätzliche Ressourcen,<br />
um notwendige unterstützende Hilfen gewähren zu<br />
können, um vielfältige kulturelle Begegnungen zu ermöglichen,<br />
die vom Elternhaus her versagt bleiben (müssen),<br />
um die Eltern ins Boot zu holen und die <strong>Grundschule</strong><br />
zu einem Begegnungs-(Bildungs-)Zentrum im<br />
Wohnumfeld zu machen.<br />
In der Verantwortung der Politik liegt es, diese Ausstattung<br />
mit dem Ziel, mehr Bildungsgerechtigkeit zu<br />
schaffen, bereitzustellen. Der politischen Verantwortung<br />
obliegt es auch, die frühe Auslese abzubauen, denn Kinder<br />
mit ungünstigen Bedingungen brauchen mehr Zeit<br />
für die Entfaltung ihrer Möglichkeiten, beispielsweise bei<br />
der Entwicklung von Sprache und Kommunikationsfähigkeit.<br />
Es wäre gerecht, auf die Unterschiede der Bedarfe<br />
zu reagieren.<br />
Ändern müssen sich zudem Haltungen gegenüber<br />
benachteiligten Kindern und Jugendlichen, Haltungen,<br />
denen innewohnt, dass Stärken nur bei privilegierten<br />
Bevölkerungsgruppierungen zu finden wären, dass<br />
Leistungsfähigkeit nur Kindern aus bildungsnahen Elternhäusern<br />
zugetraut werden kann und eine andere<br />
Muttersprache als die deutsche sich nachteilig auf den<br />
Bildungserfolg auswirkt. Kinder, die es aufgrund ihrer<br />
familiären Bedingungen schwerer haben, verdienen<br />
Vertrauen und verdienen, dass wir ihnen und ihren Eltern<br />
mit Wertschätzung begegnen. Die Kompetenz, mit<br />
der Voraussetzung einer anderen Muttersprache in der<br />
Fremdsprache Deutsch alphabetisiert zu werden und die<br />
Kulturtechniken zu erlernen, sollten wir bei Kindern aus<br />
zugewanderten Familien sehr hoch schätzen und nicht<br />
als problembelastet begreifen. Es braucht zum Heben<br />
dieses Schatzes Bedingungen, die es einzurichten gilt.<br />
Bewiesen ist längst, dass die Wirkung von unterstützenden<br />
Hilfen bei Kindern, die von zu Hause wenig Unterstützung<br />
erhalten können, besonders hoch ist. Weichenstellungen<br />
erfolgen bei der frühkindlichen Förderung<br />
und setzen sich in der <strong>Grundschule</strong> fort.<br />
Die Forderung muss sein, endlich eine hervorragende<br />
Ausstattung von Kitas und Schulen in armen Quartieren<br />
zu schaffen, denn wir können es uns in Deutschland<br />
nicht länger leisten, auf die Kompetenzen dieser Kinder<br />
zu verzichten.<br />
Ihre<br />
Maresi Lassek<br />
Vorsitzende des Grundschulverbandes<br />
2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Christine Biermann / Ulrich Bosse / Lina Falcke<br />
Lernen durch Erfahrungen mit der Natur<br />
Naturwissenschaften in den <strong>Grundschule</strong>n haben seit einigen Jahren eine regelrechte<br />
Hochkonjunktur. Publikationen schießen aus dem Boden, von vielen<br />
Verlagen werden Unterrichtsreihen und -hilfen angeboten, für Lehrerinnen<br />
und Lehrer gibt es reihenweise Fortbildungen. Nicht nur in die <strong>Grundschule</strong>n,<br />
sondern bis in die Kindergärten dringt inzwischen ein Fachgebiet vor, das ursprünglich<br />
der Sekundarstufe – und dort vor allem den höheren Jahrgängen<br />
– vorbehalten war. Nach den Fremdsprachen und dem Computer gehören nun<br />
auch Physik, Biologie und Chemie zum Inhaltsrepertoire der Bildungseinrichtungen<br />
für die jungen und ganz kleinen Kinder.<br />
Keine <strong>Grundschule</strong>, kein Kindergarten,<br />
die etwas auf sich<br />
halten, lassen diese Bereiche in<br />
ihrem Angebotskanon aus. Der PISA-<br />
Schock, die Angst vor einem Abhängen<br />
der deutschen Bildungslandschaft, aber<br />
auch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse,<br />
z. B. der Hirnforschung darüber,<br />
dass Kinder in jungen Jahren besonders<br />
gut in der Lage sind, komplexe<br />
Inhalte aufzunehmen und zu verarbeiten,<br />
haben hierzu erheblich beigetragen.<br />
Beinahe alle Bundesländer beteiligen<br />
sich am Programm SINUS an <strong>Grundschule</strong>n,<br />
in dem für Mathematik und<br />
die Naturwissenschaften neue, handlungsorientierte<br />
Module erarbeitet und<br />
erprobt werden (www.sinus-an-grundschule.de).<br />
Für die Naturwissenschaften<br />
wurde die Reihe prima(r)forscher geschaffen,<br />
in der eine Vielzahl an Schulen<br />
aus vielen beteiligten Bundesländern<br />
solche Einheiten entwickeln und<br />
in ihrem Unterricht ausprobieren.<br />
Lernen aus der und durch die Natur<br />
Wir möchten mit unseren Beiträgen in<br />
dieser »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« eine Diskussion<br />
anregen und praktisch werden<br />
lassen, die den Fokus ein wenig anders<br />
ausrichtet. Ausgangspunkt und Ziel sind<br />
nicht in erster Linie die Naturwissenschaften<br />
als solche, sondern es sind die<br />
Natur, das Naturerleben, die Naturerfahrungen,<br />
die Naturerforschung der<br />
Kinder. Hierum geht es, hieran entwickeln<br />
wir unsere Ziele, hieraus entfalten<br />
sich die Kompetenzen der Kinder. Unsere<br />
Hauptintention liegt nicht darin, die<br />
Naturwissenschaften in die <strong>Grundschule</strong><br />
zu holen, sondern Naturerfahrungen<br />
für Kinder zu ermöglichen. Kinder sol-<br />
len Erfahrungen und Kompetenzen im<br />
Umgang mit ihrer natürlichen Umgebung<br />
gewinnen und erwerben und so in<br />
ihrer gesunden Entwicklung gefördert<br />
werden. Das Lernen von Kindern soll<br />
in sinnstiftenden Zusammenhängen<br />
stattfinden. Ihnen sollen dabei Werkzeuge<br />
an die Hand gegeben und Fähigkeiten<br />
vermittelt werden, durch die sie<br />
ihre Umwelt selber entdecken können.<br />
So können sie daraus auch den Gewinn<br />
ziehen, in weiteren Lebenssituationen<br />
kompetent handeln zu können. Wir<br />
nennen das Lernkompetenzen, die um<br />
die inhaltlich-fachlich ausgerichteten<br />
Sachkompetenzen ergänzt werden.<br />
Dafür bedienen die Kinder sich<br />
durchaus einiger Methoden der Naturwissenschaften<br />
und erhalten Einblicke<br />
in deren Arbeit. Das sollen sie und<br />
so verstehen sich in der Regel auch die<br />
Wissenschaften: als Instrument der<br />
Weltaneignung – nicht als Selbstzweck.<br />
»Im Blickpunkt stehen hier vielmehr<br />
Gelegenheiten zum Nachdenken, zum<br />
genaueren Hinsehen, zum Ordnen<br />
und Fragenstellen« (Prenzel 2010, S. 8).<br />
Dieses sind auch genuine Vorgehensweisen,<br />
Methoden der Naturwissenschaften<br />
– aber für die Kinder sind es<br />
doch in erster Linie Kompetenzen, mit<br />
denen sie in die Lage versetzt werden,<br />
die Welt besser zu verstehen. Auf dieses<br />
zielt nach unserer Auffassung der<br />
Lernprozess vorrangig ab. Hierfür bedient<br />
man sich sinnvollerweise auch<br />
des wissenschaftlichen Denkens. »Kinder<br />
scheinen in solchen Situationen wie<br />
naturwissenschaftliche Forscherinnen<br />
und Forscher zu handeln, ohne dass ihnen<br />
dies bewusst wird« (Prenzel 2010,<br />
S. 9). Doch der Kerninhalt für Kinder<br />
ist nach unserer Auffassung und Erfah-<br />
Die hier vorgestellten Überlegungen<br />
und Praxisbeispiele wurden an der<br />
Bielefelder Laborschule in einem<br />
mehrjährigen Entwicklungsprozess<br />
aus Erfahrungen und mit wissenschaftlicher<br />
Begleitung gewonnen.<br />
Sie werden Anfang 2013 ausführlich<br />
im Kallmeyer-Verlag, Bad Heilbrunn,<br />
als Buch veröffentlicht.<br />
In den Beiträgen erwähnte Materialien<br />
können unter dem folgenden<br />
Link heruntergeladen werden: www.<br />
www.naturforscher.laborschule.de<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
3
Thema: Naturwissen schaffen<br />
rung die Weltaneignung aus der kindlichen<br />
Wahrnehmung heraus – und die<br />
findet bei ihnen in kompletten Sinnzusammenhängen<br />
und komplexen Erfahrungsräumen<br />
statt. In seinem Buch<br />
»Mehr Matsch!« beschreibt der Philosoph<br />
und Biologe Andreas Weber (2011)<br />
eindringlich diese Zusammenhänge.<br />
Experimentieren mit Kindern<br />
Über Experimente in der <strong>Grundschule</strong><br />
und im Kindergarten gibt es inzwischen<br />
vielfältige Literatur und Unterrichtsentwürfe.<br />
Die Wirksamkeit der<br />
Effekte, die hohe Motivation bei den<br />
Kindern, das interessante Ambiente<br />
von Experimentierecken erzielen einen<br />
hohen Reiz. Aber wie werden diese Experimente<br />
in einen Gesamtunterricht<br />
eingegliedert? Wie werden die Beobachtungen<br />
von den Kindern verarbeitet?<br />
Sind das die bildenden Erfahrungen,<br />
die Kinder machen sollen, entspricht<br />
das einem selbstkompetenten Lernen,<br />
das Kinder zunehmend befähigt, ihr<br />
Lernen, die Lernwege und -prozesse<br />
und damit den Inhalt, die Sache selber<br />
in die Hand zu nehmen? Besorgt fragt<br />
Jörg Ramsegger (2009, S. 15): »Könnte<br />
es sein …, dass wir mit manchen Experimenten<br />
das Gefühl des Nichtverstehens<br />
der Naturwissenschaft noch<br />
früher und schneller bei Kindern auslösen,<br />
als es die Sekundarstufe normalerweise<br />
tut?« Und Kornelia Möller<br />
merkt kritisch an: »Die Kinder führen<br />
›Experimente‹ durch – anschließend geben<br />
die Schulbücher oder die Lehrperson<br />
die Erklärung. Implizit wird damit<br />
das folgende Verständnis transportiert:<br />
In Experimenten werden Phänomene<br />
gezeigt, die mit Hilfe von nur schwer<br />
oder gar nicht verständlichen Theorien<br />
durch Experten anschließend erklärt<br />
werden« (Möller 2009, S. 170). Es geht<br />
darum, das Experimentieren von Kindern<br />
in Sinnzusammenhängen und<br />
kindlichen Erfahrungsräumen stattfinden<br />
zu lassen. Es soll ihnen ein Fenster<br />
zum Weltverstehen öffnen, ihnen bei<br />
der Suche nach Erklärungen von Phänomenen,<br />
nach Antworten auf ihre Fragen<br />
behilflich sein.<br />
Lernen an Phänomenen<br />
Bei Experimenten sind häufig beeindruckende<br />
Phänomene zu beobachten.<br />
Oft sind es gerade diese, die das Experiment<br />
spannend und interessant machen.<br />
Viele kleine Phänomene lassen<br />
sich auch in unserer Alltagswelt entdecken.<br />
Wieso bleibt der Spielstein, den<br />
ich über einen Tisch schieße, plötzlich<br />
stehen, wenn er auf einen anderen trifft,<br />
und dieser bewegt sich weiter? Warum<br />
zieht sich die leere Plastikflasche knackend<br />
zusammen, wenn ich im Winter<br />
mit ihr die Wohnung verlasse, um<br />
sie zum Pfand automaten zu bringen?<br />
Warum schwimmt Eis oben? Wenn es<br />
uns gelingt Kinder in Situationen zu<br />
erleben, in denen sie solche Phänomene<br />
entdecken und beobachten, bei ihnen<br />
(und bei uns selber) den Blick für solche<br />
Phänomene zu schärfen, und vor allem<br />
gemeinsam eine Fragehaltung an die<br />
Phänomene zu entwickeln und miteinander<br />
in einem offenen Diskurs diesen<br />
Fragen nachzugehen, dann haben wir<br />
einen wesentlichen Schritt in Richtung<br />
einer naturforschenden Haltung bei<br />
den Kindern getan: Staunen, Interesse,<br />
Aufmerksamkeit, Beobachten, Fragen.<br />
Hierfür ist ein konstruktiv-genetischer<br />
Ansatz des Unterrichts sinnvoll, der<br />
»… die Notwendigkeit der eigenen konstruktiven<br />
Tätigkeit, die Bedeutung und<br />
Berücksichtigung von Vorerfahrungen<br />
und Ideen der Lernenden sowie die Bedeutung<br />
einer genetischen Entwicklung<br />
von Denkprozessen betont« (Möller<br />
2010, S. 22).<br />
Lernumgebung und<br />
Lerngelegenheiten<br />
Die Möglichkeit zur Erlangung vielfältiger,<br />
wirklicher eigener Erfahrungen der<br />
Schülerinnen und Schüler ist wesentliche<br />
Voraussetzung für erfolgreiches Lernen.<br />
Hierfür muss die Schule ein breites<br />
Spektrum an Gelegenheiten bieten. Bei<br />
den Naturforschergängen und den vielen<br />
Draußen- und Waldzeiten der Naturwerkstatt<br />
finden die Kinder solche<br />
Gelegenheiten im Wald, auf der Wiese,<br />
am Teich – eben in der Natur. Gibt es<br />
anschließend Raum und Gelegenheit zur<br />
Weiterarbeit, zur Vertiefung, zur Dokumentation?<br />
Experimentierecken, Labore,<br />
ein Fundus an Informationsmöglichkeiten<br />
wie Bibliotheken und Internetzugang<br />
sind in hohem Maße dienlich, aber<br />
nicht unbedingte Voraussetzung. – Vermutlich<br />
wichtiger als die rein äußeren<br />
Lerngelegenheiten sind nach unserer Erfahrung<br />
die Organisation und Struktur<br />
des Lernens in einer Schule. Bietet der<br />
Schul(all)tag die Chance zur Aufnahme<br />
der Kinderfragen und ihrer Erlebnisse<br />
und Eindrücke? Stehen die Schülerinnen<br />
und Schüler und ihre Erwachsenen<br />
in einem solchen Verhältnis zueinander,<br />
dass Situationen erkannt und aufgegriffen<br />
werden können, die Gelegenheiten<br />
zum selbstgesteuerten forschenden Lernen<br />
bieten? Besitzt man im Schulbetrieb<br />
die Flexibilität zum spontanen Ergreifen<br />
solcher Gelegenheiten? Bieten der Stundenplan<br />
und die Gestaltung von Klasse<br />
und Schule hierfür Raum? Sich all diese<br />
Fragen zu stellen ist mindestens ebenso<br />
wesentlich wie die konkrete Ausstattung<br />
mit naturwissenschaftlichem Instrumentarium,<br />
Laboren und Computern.<br />
Individuelles Lernen in der<br />
Gemein schaft, Ko-Konstruktion<br />
und Reflexion<br />
Nicht jede Frage eines Schülers ist zugleich<br />
die Frage der anderen – geschweige<br />
denn der ganzen Klasse. Bei den<br />
Waldgängen erleben die einzelnen Kinder<br />
in hohem Maße Unterschiedliches,<br />
ganz eigenes. Nicht jedes Phänomen<br />
bringt allen die gleiche Ergriffenheit<br />
und sie in gleichem Maße zum Staunen.<br />
Experimente im Klassenverbund,<br />
vor allem wenn sie in Folge durchgeführt<br />
werden, geraten in die Gefahr,<br />
zum fremdbestimmten schulischen<br />
4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Lernstoff zu verkümmern, aus dem sich<br />
nach und nach mehr und mehr Kinder<br />
»ausklinken«. Wie kann es gelingen,<br />
möglichst alle Kinder an der Sache zu<br />
halten, ihre motivierte Lernhaltung aus<br />
innerem Antrieb heraus zu speisen und<br />
so zu effektiven Formen des Lernens an<br />
und durch die Natur zu gelangen?<br />
Wir haben in allem Unterricht –<br />
nicht nur zum Bereich »Natur« – sehr<br />
gute Erfahrungen damit gemacht, mit<br />
den Schülerinnen und Schülern nach<br />
gemeinsamen Themenstellungen zu suchen<br />
und diese in einem gemeinsamen<br />
Prozess in Fragen, Ideen und Aspekte zu<br />
gliedern. Jeder darf – in der Klammer<br />
des verabredeten Oberthemas – seinen<br />
Interessen und Wünschen nachgehen –<br />
alleine, zu zweit oder in kleinen Gruppen.<br />
Alle Formen der Zusammenarbeit<br />
sind wünschenswert – wenn sie nicht<br />
erzwungen werden. Gerade im Umgang<br />
mit der Natur möchten sich die Kinder<br />
gegenseitig etwas zeigen, mitteilen,<br />
ihre Beobachtungen teilen. Sie erhalten<br />
Gelegenheiten, eigene Interpretationen<br />
zu formulieren, eigene Ordnungsmuster<br />
zu entwickeln, eigene Schlüsse<br />
zu ziehen. Im Austausch mit anderen<br />
erhalten sie Rückmeldung, erfahren<br />
Wahrnehmungen anderer, setzen sich<br />
hiermit auseinander, überprüfen die eigene<br />
Sicht der Dinge und kommen unter<br />
Umständen zu gemeinsamen Ergebnissen.<br />
Ko-Konstruktion wird dieser<br />
natürliche Prozess genannt, der immer<br />
dann geschieht, »… wenn das Kind versucht,<br />
sich die Welt um sich herum zu<br />
erklären« (Fthenakis 2009, S. 9).<br />
Die einzelne Schülerin, der einzelne<br />
Schüler wird – im Austausch mit<br />
anderen – zur Expertin bzw. zum Experten.<br />
Jeder erlangt besondere Kenntnisse,<br />
bereichert sein eigenes Wissen,<br />
erwirbt Fähigkeiten und Fertigkeiten,<br />
spezialisiert sich. Dabei ist es nicht von<br />
zentraler Bedeutung, dass das gesamte<br />
Inhaltsspektrum abgedeckt wird. Wichtiger<br />
sind die Identifizierung der Kinder<br />
mit »ihrem« Thema und die damit verbundene<br />
Motivation und die so erworbenen<br />
und erweiterten Kompetenzen.<br />
Bei all diesen Lernprozessen helfen<br />
unterschiedliche Formen der Reflexion<br />
des eigenen Lern- und Arbeitsprozesses,<br />
aber auch der Präsentation der<br />
Lernergebnisse. Mit den Schülerinnen<br />
und Schülern gemeinsam entwickelte<br />
Arbeitspläne, Aufgabenstellungen und<br />
Lernwege erhöhen ihre Kompetenz<br />
zum selbstgesteuerten Lernen. Mündliche<br />
und schriftliche Formen der Selbstbeobachtung<br />
und -einschätzung eröffnen<br />
ihnen Perspektiven zur weiteren<br />
Entwicklung. Rückmeldesysteme durch<br />
einzelne Mitschüler, Kleingruppen<br />
oder die ganze Klasse können ihnen<br />
Wertschätzung entgegenbringen und<br />
Verbesserungshinweise geben. Das Anlegen<br />
von Portfolios ermöglicht die Dokumentation<br />
von Lernprozessen und<br />
Selbstreflexion. Der Zusammenhang<br />
zwischen Sachthema, der eigenen Person<br />
und der gesamten Lerngruppe kann<br />
so hergestellt werden (vgl. hierzu Bartnitzky<br />
/ Bosse / Gravelaar 2007, S. 12 ff.).<br />
Wichtig bei alledem ist ein konstruktives,<br />
den Schülerinnen und Schülern<br />
wahrhaftig Raum bietendes Lernklima<br />
der gesamten Lerngruppe.<br />
Schulbücher und<br />
Naturwissenschaften<br />
Viele Inhalte von naturwissenschaftlichem<br />
Lernen finden sich in Schulbüchern,<br />
für die <strong>Grundschule</strong> vornehmlich<br />
in Büchern zum Fach Sachunterricht.<br />
Hier stößt man neben Seiten zur Verkehrs-<br />
und Körpererziehung, zur Geografie<br />
und Atlaskunde, zum Basteln von<br />
Weihnachtsschmuck und zur Sozialkunde<br />
auf ganz ähnliche Inhalte, häufig<br />
auch ähnliche Experimente, wie sie in<br />
den vielfältigen naturwissenschaftlichen<br />
Experimentierreihen vorgestellt<br />
werden. Der Oldenbourg-Verlag hat in<br />
seiner Star-Reihe ein Heft speziell für<br />
die Naturwissenschaften, die Forscher-<br />
Stars 3/4 (2011), vorgelegt. In bunter<br />
Folge reihen sich Texte, Bilder, Tabellen,<br />
Arbeits- und sogenannte Erkundungsaufgaben<br />
Seite um Seite aneinander. Das<br />
alles bietet ein durchaus nicht uninteressantes<br />
Inhaltsspektrum. Doch: Welche<br />
Auffassungen und Vorstellungen von<br />
Lernen und Erkenntnisgewinn liegen<br />
diesen Werken zu Grunde? Reduziert<br />
man hierdurch solche interessanten Inhalte<br />
nicht auf Buchseiten, vorgeblich<br />
handlungs- und erfahrungszentriert? In<br />
der Praxis wird sicherlich ein Bedürfnis<br />
vor allem von naturwissenschaftlich<br />
nicht ausgebildeten Lehrerinnen und<br />
Lehrern bedient, die wesentlichen Inhalte<br />
»behandelt«, »durchgenommen«,<br />
»erledigt« zu haben. Wo aber bleibt<br />
das Ansetzen an den Erfahrungen der<br />
Schülerinnen und Schüler? Wie werden<br />
ihnen wirkliche Erfahrungen und nicht<br />
lediglich Experimentierübungen geboten?<br />
Wodurch sollen Erkenntnisfragen<br />
von Kindern in den Mittelpunkt gestellt<br />
werden? Kurz: Wie kommt es mit Hilfe<br />
solcher Bücher und Hefte tatsächlich zu<br />
einer Kompetenzentwicklung? Ist das so<br />
überhaupt möglich?<br />
Kompetenzen entwickeln<br />
Die Entwicklung von Kompetenzen<br />
steht bei unserem Ansatz im Vordergrund.<br />
Lernen primär aus einem Schulbuch<br />
– und sei es noch so gut gestaltet<br />
und gemacht – verträgt sich hiermit<br />
nicht. Auf Kompetenzen zielendes Lernen<br />
geht von Erfahrungssituationen<br />
aus, greift diese auf, baut sie gezielt ein<br />
oder arrangiert sie systematisch. Das<br />
alles kann über die Lernorganisation<br />
mit Hilfe von Lehrgängen, Fibeln, Sachunterrichtskursen<br />
etc. nicht wirklich<br />
stattfinden. Diese können bestenfalls<br />
Werkzeuge, Hilfsmittel, Informationsmaterial<br />
für den von den Schülerinnen<br />
und Schülern mit zu gestaltenden Lernprozess<br />
darstellen.<br />
Der Kompetenzbegriff ist ein vielfältiger,<br />
schillernder und stark klärungsbedürftiger.<br />
Eine übersichtliche<br />
begriffliche Unterscheidung findet man<br />
bei Kirchhöfer (2004, S. 63 – 70). In der<br />
auf schulisches Lernen hin geführten<br />
Diskussion um den Kompetenzbegriff<br />
geht es im weitgehenden Konsens um<br />
Aspekte wie<br />
●●<br />
Fragehaltung und Problemorientierung,<br />
●●<br />
eigenes Interesse, eigener Antrieb,<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
5
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Christine Biermann<br />
Dr. phil., Didaktische Leiterin der Laborschule<br />
Bielefeld. Arbeitsschwerpunkte in Theorie und<br />
Praxis sind: Schulentwicklung, Individuelles<br />
Lernen, insbesondere im mathematisch-naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht, Geschlechterbewusste<br />
Pädagogik (v. a. Mädchenbildung,<br />
Missbrauchsprävention und Sexualerziehung),<br />
Lernkompetenzen, Portfolioarbeit.<br />
Lina Falcke<br />
Studienreferendarin am Freiherr vom<br />
Stein Gymnasium Bünde. Sie studierte<br />
Chemie und Englisch für das Lehramt<br />
an Gymnasien und Gesamtschulen<br />
an der Universität Bielefeld und<br />
arbeitete als Studentische Hilfskraft<br />
in der Wissenschaftlichen Einrichtung<br />
der Laborschule Bielefeld.<br />
●●<br />
Aneignung und Nutzung von<br />
Wissen, auch Fachwissen,<br />
●●<br />
Handlungsorientierung und<br />
-entscheidung,<br />
●●<br />
Nutzung vielfältiger Lerngelegenheiten,<br />
●●<br />
Übertragbarkeit auf andere<br />
Situationen,<br />
●●<br />
Kooperation und Teamfähigkeit,<br />
●●<br />
Dokumentieren und Präsentieren.<br />
Kompetenz geht somit deutlich über<br />
Wissen hinaus. Oder anders gesagt,<br />
kompetentes Verhalten ist Problemlösungsverhalten<br />
oder angewandtes Wissen.<br />
Kompetenz ist eine Mischung aus<br />
Zuständigkeit, Fähigkeit, Fertigkeit und<br />
Bereitschaft. Klieme (2011, S. 56) bezeichnet<br />
die Kompetenzorientierung als<br />
didaktisches Prinzip. In der Regel wird<br />
zwischen fachbezogenen und überfachlichen<br />
Kompetenzen unterschieden. Da<br />
die Attribute »fachbezogen« und »überfachlich«<br />
naheliegenderweise mit Schulfächern<br />
assoziiert werden können, reden<br />
wir lieber von den auf den Inhalt bezogenen<br />
Sachkompetenzen und von übergreifenden<br />
und methodisch ausgerichteten<br />
Lernkompetenzen. Letztere umfassen<br />
auch Haltungen und Einstellungen.<br />
Kompetenzen, Erfahrungsbezug,<br />
Hand lungsorientierung und die Würdigung<br />
der Schülerergebnisse spielen<br />
für alles wirksame Lernen eine erhebliche<br />
Rolle. Sie sind nicht voneinander<br />
zu trennen und sollten für einen nachhaltigen<br />
Lernerfolg eine Einheit bilden.<br />
Wie so viele Erkenntnisse aus der Pädagogik,<br />
insbesondere der sich auf die<br />
Eigentätigkeit der Kinder gründenden<br />
Pädagogik, werden auch diese durch<br />
die <strong>aktuell</strong>en Erkenntnisse von Medizinern<br />
(vgl. Largo / Beglinger 2009,<br />
S. 160 – 192) und der modernen Hirnforschung<br />
(Hüther 2006, S. 82; Spitzer<br />
2009, S. 421) bestätigt. Dieses ernst zu<br />
nehmen und tatsächlich in den Mittelpunkt<br />
von Lernprozessen zu stellen, ist<br />
die Grundlage für den hier vorgestellten<br />
Ansatz zum Lernen von Inhalten<br />
der Natur und in diesem Sinne auch<br />
zum naturwissenschaftlichen Lernen<br />
in der <strong>Grundschule</strong>. Der hier vorgestellte<br />
Ansatz geht nicht davon aus, eine<br />
neue Reihe an Experimenten, Unterrichtseinheiten,<br />
Werkstätten und Lernstationen<br />
mit naturwissenschaftlichen<br />
Inhalten vorzustellen. Alles dieses gibt<br />
es hier auch – jedoch vor allem eingebettet<br />
in Erlebens-, Erfahrungs- und<br />
Sinnzusammenhänge. »Ein bildender<br />
Naturwissenschafts unterricht arbeitet<br />
den gesamten Erkenntnisweg ab: von<br />
der Frage an die Natur über die Vermutung<br />
und Erfindung einer angemessenen<br />
Erkundungsform bis zur Auswertung<br />
und gemeinsamen Diskussion der Befunde<br />
im Dialog der Lerngemeinschaft«<br />
(Ramsegger 2009, S. 20). Das kann sich<br />
exemplarisch an jedem Inhaltsbereich<br />
vollziehen, wenn man ihn richtig behandelt.<br />
Ulrich Bosse<br />
Diplompädagoge, Lehrer für Grundund<br />
Hauptschulen, Tätigkeiten in der<br />
Erwachsenenbildung, der Curriculumsentwicklung<br />
und der Lehrerausbildung,<br />
seit 1982 Lehrer an der Bielefelder<br />
Laborschule, Abteilungsleiter für die<br />
Primarstufe.<br />
Literatur<br />
Bartnizky, J. / Bosse, U. / Gravelaar, G. (2007):<br />
Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz. In:<br />
Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.): Pädagogische<br />
Leistungskultur: Ästhetik, Sport, Englisch,<br />
Arbeits-/Sozialverhalten. Frankfurt a. M.:<br />
Grundschulverband, Heft 1.<br />
Caspary, R. (Hrsg.) (2006): Lernen und<br />
Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik.<br />
Freiburg: Herder.<br />
Fthenakis, W. E. (2009): Ko-Konstruktion.<br />
Lernen durch Zusammenarbeit. In: Kinderzeit.<br />
Heft 3, S. 8 – 13.<br />
Hüther, G. (2006): Wie lernen Kinder?<br />
Voraussetzungen für gelingende Bildungsprozesse<br />
aus neurobiologischer Sicht. In:<br />
Caspary, S. 70 – 84.<br />
Kirchhöfer, D. (2004): Lernkultur Kompetenzentwicklung.<br />
Begriffliche Grundlagen. Berlin.<br />
Klieme, E. (2011): Bildungsstandards<br />
und Kompetenzorientierung – mehr<br />
Transparenz und Eigenverantwortung.<br />
In: Schule NRW 02, S. 54 – 58.<br />
Largo, R. / Beglinger, M. (2009): Schülerjahr.<br />
Wie Kinder besser lernen. München: Piper.<br />
Ministerium für Schule und Weiterbildung des<br />
Landes Nordrhein-Westfalen (2008): Richtlinien<br />
und Lehrpläne. <strong>Grundschule</strong>. Schule<br />
in NRW Nr. 2012. Düsseldorf.<br />
Möller, K. (2009): Was lernen Kinder über<br />
Naturwissenschaften im Elementar- und<br />
Primarbereich? Einige kritische Bemer kungen.<br />
In: Lauterbach, R. / Giest, H. / Marquardt-Mau,<br />
B. (Hrsg.): Lernen und kindliche Entwicklung.<br />
Elementarbildung und Sachunterricht. Bad<br />
Heilbrunn: Klinkhardt, S. 165 – 172.<br />
Möller, K. (2010): Naturwissenschaftliche und<br />
technische Bildung in der <strong>Grundschule</strong> und<br />
im Übergang. In: a Campo, A./ Graube, G.<br />
(Hrsg.): VDI Beruf und Gesellschaft. Report<br />
40. Übergänge gestalten. Naturwissenschaftliche<br />
und technische Bildung am Übergang von<br />
der Primarstufe zur Sekundarstufe, S. 15 – 35.<br />
Prenzel, M. (2010): Einleitung. In: Fischer,<br />
C. / Rieck, K. / Prenzel, M.: Naturwissenschaften<br />
in der <strong>Grundschule</strong>. Velber: Kallmeyer,<br />
S. 7 – 12.<br />
Ramsegger, J. (2009): Experimente, Experimente!<br />
Was lernen Kinder im naturwissenschaftlichen<br />
Unterricht? In: Grundschulzeitschrift<br />
225/226, S. 15 – 20.<br />
Spitzer, M. (2009): Lernen. Gehirnforschung<br />
und die Schule des Lebens. Heidelberg:<br />
Spektrum.<br />
Weber, A. (2011): Mehr Matsch! Kinder<br />
brauchen Natur. Berlin: Ullstein.<br />
6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Ulrich Bosse<br />
Fragen an unsere Schulen<br />
und unseren Unterricht<br />
In ihrem Film »Die Befragung der Welt – Kinder als Naturforscher« stellen<br />
Donata Elschenbroich und Otto Schweitzer (2004) in 12 Episoden verschiedene<br />
Ansätze für kindlichen Forscherdrang vor und bilden so gleichzeitig eine<br />
Systematisierung für ein umfassendes Verständnis von kindlicher Naturerfahrung<br />
und Lernen in und von der Natur. Im Folgenden werden sie unter anderen<br />
Überschriften, teilweise in geänderter Reihenfolge und um einige, uns leitende<br />
Erkenntnisfragen ergänzt, vorgestellt.<br />
1. Die Befragung der Dinge<br />
und die Befragung der anderen<br />
Von Anfang an erkunden kleine Kinder<br />
die Naturgesetze, indem sie mit den<br />
Dingen in ihrer Umwelt umgehen. Das<br />
tun sie systematisch und vielfach wiederholend<br />
– bis die Gesetzmäßigkeiten<br />
erkannt worden sind, zunächst leiblich<br />
dann mehr und mehr auch geistig. Dabei<br />
suchen sie den Kontakt zu anderen<br />
Menschen – Eltern, Geschwistern. Natürliches<br />
Experimentieren ist immer<br />
auch ein sozialer Vorgang.<br />
Wie kann dem leiblichen Erleben und<br />
vorhandenem Forscherdrang auch bei<br />
Schulkindern in der Schule noch ausreichend<br />
Raum geboten werden?<br />
2. Spontanes Beobachten,<br />
Probieren, Hantieren<br />
Kinder eines Waldkindergartens nehmen<br />
heute einmal einen Spiegel mit in<br />
den Wald. Es entstehen Fragen: Wie<br />
kommt das Bild dort hinein? Von welcher<br />
Position her sieht man was im<br />
Spiegel? Gemeinsam sucht man nach<br />
Antworten, stellt Vermutungen an,<br />
tauscht sich aus. – Der Waldboden wird<br />
untersucht. Die Kinder finden Tiere,<br />
betrachten sie interessiert und aufmerksam.<br />
Immer neue Themen entstehen:<br />
Woher kommt der Feuerstein, den wir<br />
hier finden? Wie ist er entstanden? Wie<br />
bildet sich die Erde, die wir unter der<br />
Laubdecke Schicht um Schicht in ihrer<br />
Entstehung beobachten können? Was<br />
tragen die kleinen und großen Lebewesen<br />
dazu bei? Und so weiter.<br />
Können Situationen des regelmäßigen<br />
In-der-Natur-Sein in einer Schule hergestellt<br />
werden? Ist eine Wald- oder Draußenschule<br />
vorstellbar?<br />
3. Systematisch angeleitetes<br />
Experimentieren<br />
In einer französischen École Maternelle<br />
experimentieren die Kinder einer<br />
Klasse mit guter Materialausstattung<br />
alle am selben Thema: heute der Lichtschatten,<br />
morgen das Spiegelbild. Die<br />
Versuchsanordnungen sind vorgegeben<br />
und müssen eingehalten werden. Das<br />
spontane Experiment wird unterbunden.<br />
Sozialer Austausch, Kommunikation<br />
der Kinder untereinander sind<br />
nicht vorgesehen. Die Lehrerin leitet<br />
kompetent und konsequent an und<br />
kommentiert ununterbrochen den Versuchsablauf.<br />
Es gilt das vorab bekannte<br />
Ziel zu erreichen. Experimente sind reine<br />
Methode eines vorgegebenen Lernpensums.<br />
Die Kinder wirken artig, nur<br />
begrenzt interessiert.<br />
Wie können sinnbezogene, sich an<br />
für Kinder bedeutsamen Fragestellungen<br />
ori entierende Experimente in den<br />
Unterricht einbezogen werden?<br />
4. Hinschauen, Aufzeichnen,<br />
Nachbauen<br />
Bei der Beschäftigung mit Forschern wie<br />
Leonardo da Vinci setzen sich Kinder<br />
mit deren Denkweise auseinander. Sie<br />
ist erstaunlich kindlich: vom Phänomen<br />
ausgehend, neugierig, beobachtend,<br />
fragend. Hieran entdecken die Kinder<br />
die Bedeutung des genauen Hinschauens,<br />
der exakten Aufzeichnung und des<br />
Versuchs eines Nachbaus als Mittel und<br />
Methoden des Erkenntnisgewinns. So<br />
können Gesetzmäßigkeiten entdeckt<br />
werden: »Immer wenn, dann …«<br />
Wie können wir in der Schule Gelegenheiten<br />
für elementare Beobachtungen<br />
und Versuche schaffen? Wie kann die<br />
Beschäftigung mit Naturforschern wie<br />
da Vinci, Darwin, Humboldt so interessant<br />
und motivierend gelingen?<br />
5. Auseinandernehmen,<br />
kreatives spielerisches Erfinden<br />
In einer »Erfinderwerkstatt« dürfen die<br />
Kinder technische und andere Geräte<br />
und Gegenstände auseinandernehmen,<br />
tief in sie hineinschauen, neu zusammenbauen,<br />
anderes daraus entwickeln,<br />
Neues erfinden (und sei es in der Phantasie).<br />
Wo an unserer Schule können wir den<br />
Kindern eine alltägliche Gelegenheit für<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
7
Thema: Naturwissen schaffen<br />
die Untersuchung, das Auseinanderbauen,<br />
das Hineinschauen in technische<br />
Geräte bieten?<br />
6. Eigene Erkenntniswege<br />
der Kinder zulassen<br />
Jedes Kind interessiert sich auf unterschiedliche<br />
Weise für Naturwissenschaften<br />
– und darin für verschiedene<br />
Bereiche. Kinder sind hierfür nicht alle<br />
auf die gleiche Weise begabt. Nicht jedes<br />
Experiment spricht jedes Kind an.<br />
Nicht jeder Versuch ist für jeden zum<br />
gleichen Zeitpunkt beendet. Abwarten<br />
bei den Erwachsenen, die Kinder sich<br />
entwickeln, ihre eigenen Wege finden<br />
lassen sind wichtige Grundlagen für<br />
die Herausbildung von Erkenntnissen,<br />
Forscherhaltung, Motivation und Einsichten.<br />
Wie kann dieses gelingen: Die Schule<br />
lernt von den eigenen Erkenntniswegen<br />
der Kinder?<br />
7. Beim Experimentieren auf die<br />
Fragen der Kinder eingehen<br />
Ein Experiment mit Eiswürfeln ist vorgesehen.<br />
Die Kinder kommen auf die<br />
Idee sie anzumalen. Warum nicht? Ihr<br />
Thema sind jetzt nicht die Aggregatzustände,<br />
sondern dieses. Umschalten:<br />
Probiert es aus. Hält die Farbe auf dem<br />
Eis? Was passiert, wenn man den Würfel<br />
ins Wasser legt? Wie können wir<br />
bunte Eiswürfel herstellen?<br />
Wie verhält sich Nawi-Unterricht zu<br />
scheinbar abwegigen Kinderfragen? Inwieweit<br />
erlauben wir den Kindern, ihren<br />
eigenen Fragen nachzugehen?<br />
8. Fachkundige Erwachsene – mit der<br />
Fähigkeit zum eigenen Staunen<br />
Pädagogen werden weitergebildet. Sie<br />
bringen in der Regel wenig naturwissenschaftliche<br />
Kenntnisse, Erfahrungen<br />
und Interessen mit. Durch eigenes<br />
Handeln und Experimentieren entwickeln<br />
sie einen eigenen Zugang, persönliches<br />
Interesse, Spannung und Freude<br />
an solchen Dingen, erleben das Staunen<br />
über Phänomene. Unterstützt werden<br />
sie von kompetenten Naturpädagogen<br />
und Naturwissenschaftlern.<br />
Wie gelingt uns solche Weiterentwicklung<br />
in unserem Kollegium? Was können<br />
schulinterne oder auch externe Fortbildungen<br />
dazu beitragen?<br />
9. Spielraum lassen – nicht nur<br />
das Ziel erreichen wollen<br />
Ein Großvater baut mit seinem Enkel<br />
einen einfachen Stromkreislauf. Vieles<br />
gibt er vor. Das Kind experimentiert<br />
mit unterschiedlichen Materialien: Was<br />
leitet Strom, was nicht?<br />
Geben wir den Kindern genügend<br />
Spielraum für die spielerische Aneignung<br />
der Dinge, das spielerische Wiederholen<br />
und Üben?<br />
10. Naturforschung<br />
im Alltag betreiben<br />
In der Küche. Calamaris, Oktopusse,<br />
Muscheln und Fische sollen zubereitet<br />
werden. Die – offenbar sehr sachkundige<br />
– Mutter untersucht die Tiere gemeinsam<br />
mit ihren jungen Kindern, die<br />
mit zweckmäßiger Kleidung und großem<br />
Interesse mitforschen. Sepia wird<br />
entdeckt und damit gemalt, die Fortbewegung<br />
der Oktopusse simuliert, der<br />
Darm einer Muschel kennengelernt, die<br />
Bedeutung der Seitenlinie eines Fisches<br />
erklärt und vieles mehr.<br />
Nutzen wir genügend die Alltagssituationen,<br />
um mit unseren Schülerinnen<br />
und Schülern die Natur zu erkunden?<br />
Trauen wir uns in der Schule Tiere zu<br />
zerlegen?<br />
11. Kinder sind nicht von der Wissenschaft<br />
fasziniert, sondern von der<br />
Schönheit der Phänomene<br />
Der Astrophysiker Pierre Léna kommentiert<br />
die Preisverleihung an Schulklassen:<br />
»Wir sollen wieder und wieder<br />
erklären, dass die Kinder für die<br />
Wissenschaft bereit sind. … Aber die<br />
Ur erfahrung ist die Schönheit. … Das<br />
kann man in den Kindern aufdecken, in<br />
ihnen steigern.« Und der Nobelpreisträger<br />
für Physik, Prof. Georges Charpak<br />
ergänzt: »Die Kinder sind nicht primär<br />
von der Wissenschaft fasziniert, sondern<br />
ganz natürlich fasziniert von ihrer<br />
Umwelt. An dieser Faszination setzen<br />
wir an, um ihnen etwas in die Hand zu<br />
geben, das ihnen methodisches wissenschaftliches<br />
Denken ermöglicht.«<br />
Geben wir der Schönheit naturwissenschaftlicher<br />
Phänomene den erforderlichen<br />
Raum? Beachten wir sie überhaupt?<br />
Oder dienen uns Phänomene primär zur<br />
Motivierung für die vorgegebenen Ziele<br />
des Unterrichts?<br />
12. Lernorte und Experten<br />
Der Besuch in einem Naturkundemuseum<br />
macht zum Beispiel Evolution anschaulich.<br />
Dass Wale einmal Landtiere<br />
waren, ist den Kindern erstaunlich. Der<br />
Professor zeigt ihnen die verkümmerten<br />
Rudimente eines Hinterlaufs. »Die<br />
haben sie im Laufe der Zeit verloren.«<br />
»Die haben sie einfach so verloren?«,<br />
fragt ein Kind zurück. Die Entwicklung<br />
hierhin im Laufe vieler Millionen Jahre<br />
ist den Kindern schwer vorstellbar. Der<br />
Kenntnisgewinn dennoch beachtlich.<br />
Nach einigen Erklärungen wissen sie<br />
nun, dass es sehr lange gedauert haben<br />
muss, und dass die Wale damals im<br />
Meer bessere Überlebensbedingungen<br />
vorgefunden haben als am Land. Längst<br />
nicht alles kann man durch eigene Erfahrung<br />
und eigenes Erleben lernen.<br />
Zum Beispiel nicht die Evolution. Museen<br />
und Experten können hier vieles<br />
anschaulich und damit leichter vorstellbar<br />
machen.<br />
Nutzen wir die vielen Gelegenheiten<br />
außerschulischer Lernorte häufig genug?<br />
Fragen wir hinreichend Fachleute, die<br />
manches mit einer anderen Kompetenz<br />
und vor allem Glaubwürdigkeit erläutern<br />
können, als wir Laien-Naturwissenschaftler-Lehrer?<br />
DVD und Literatur<br />
Elschenbroich, D. / Schweizer, O. (2004):<br />
Die Befragung der Welt. Kinder als Naturforscher.<br />
DVD (Deutsches Jugendinstitut).<br />
Elschenbroich, D. (2007): Weltwunder.<br />
Kinder als Naturforscher. München: Goldmann.<br />
8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Ulrich Bosse<br />
Naturforscher: Draußen sein – Natur<br />
erkunden – Persönlichkeit stärken<br />
In der Bielefelder Laborschule haben einige Klassen die regelmäßige Draußenzeit<br />
zu einem festen Element gemacht. Bei beinahe jedem Wetter geht z. B. die<br />
Gruppe Reseda an jedem Montagnachmittag meist in den nahegelegenen Wald<br />
oder zu einem anderen Ort draußen – in einer Zeit, die im Stundenplan und in<br />
der Deputatsberechnung als Unterrichtszeit ausgewiesen ist. Nicht das systematische,<br />
angeleitete Lernen mit vorbestimmten Zielen steht im Vordergrund. Die<br />
Erwachsenen, Eltern wie Lehrer, sind jedoch gemeinsam fest davon überzeugt,<br />
dass es sich hierbei um eine höchst ergiebige Form des Lernens und der Kompetenzerweiterung<br />
der Schülerinnen und Schüler handelt.<br />
Es finden ungezählte Naturerfahrungen<br />
statt, aber auch das soziale<br />
Lernen, der Umgang im Miteinander,<br />
soziale Dinge wie Achtsamkeit,<br />
Rücksichtnahme, die regelmäßige Verkehrsübung<br />
beim individuellen und<br />
gemeinsamen Überqueren der Straßen,<br />
Übernahme von Verantwortung für die<br />
mitgenommenen Sachen und nicht zuletzt<br />
das natürliche Übungsfeld für die<br />
Motorik der Kinder spielen eine große<br />
Rolle. Das alles ist nicht in abgegrenzte<br />
Unterrichtseinheiten zu packen, sondern<br />
stellt ein ständiges, alltägliches<br />
Erfahrungsfeld für die jungen Menschen<br />
dar. Freies Spielen, Naturerkundungen,<br />
spontane Entdeckungen, aber<br />
auch das Nachgehen vorab entwickelter<br />
Beobachtungs- oder Erkundungsfragen<br />
bestimmen den Ablauf. Was macht<br />
darin nun den Naturforscher aus? Der<br />
ist doch zielgerichtet, Interesse geleitet,<br />
methodisch und systematisch! Das sind<br />
Kinder während dieser Draußenzeiten<br />
auch – auf ihre Art und Weise. Und<br />
diesem kindlichen Forscherdrang soll<br />
Rechnung getragen werden. Dabei geht<br />
es nicht nur um das Forschen in Anlehnung<br />
an wissenschaftliche Kategorien.<br />
Es geht auch um die Erforschung der<br />
eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten,<br />
um ihre Weiterentwicklung, um<br />
die Ausdehnung des eigenen Horizonts,<br />
kurz: um die Entfaltung der eigenen<br />
Person.<br />
Um diesen Ansatz verständlich zu<br />
machen, wird im Folgenden auf drei<br />
wesentliche Aspekte dieses Ansatzes<br />
eingegangen: Draußen sein, Natur entdecken,<br />
Persönlichkeit stärken. Alle<br />
drei haben einen eigenen Wert, sind<br />
aber ohne die anderen beiden nicht zu<br />
denken.<br />
Literatur<br />
Berthold, M. / Ziegenspeck, J. W. (2002):<br />
Der Wald als erlebnispädagogischer Lernort<br />
für Kinder. Lüneburg: edition erlebnispädagogik.<br />
Berwanger, D. u. a. (2011): Wissenschaftliche<br />
Untersuchungen zur Arbeit der Stiftung<br />
»Haus der kleinen Forscher«. Hrsg.: Stiftung<br />
»Haus der kleinen Forscher«. 2 Bände. Köln:<br />
Bildungsverlag EINS.<br />
Gebhard, U. (2009): Kind und Natur.<br />
Die Bedeutung der Natur für die psychische<br />
Entwicklung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.<br />
Weber, Andreas (2011): Mehr Matsch! Kinder<br />
brauchen Natur. Berlin: Ullstein.<br />
Draußen sein<br />
Unsere Draußenzeiten sehen in der<br />
Regel so aus: Nach der Versorgung mit<br />
angemessener Kleidung und der Erledigung<br />
grundlegender Bedürfnisse<br />
versammelt sich die Gruppe an einem<br />
bekannten Treffpunkt. Mit großer Zuverlässigkeit<br />
sind alle Kinder ausgesprochen<br />
pünktlich zur Stelle. Die begrenzte<br />
Zeit soll durch Zuspätkommen nicht<br />
noch weiter verkürzt werden. Regeln<br />
für den Weg sind den Kindern bekannt.<br />
Sie müssen nicht jedes Mal wiederholt<br />
werden. Sean trägt heute die Erste-<br />
Hilfe-Tasche, das Kletterseil, Kristina,<br />
Emelie, Lars und Finn haben unsere<br />
Naturforscher-Koffer in der Hand (hierüber<br />
mehr im nächsten Kapitel). Ohne<br />
Formation geht es los, Freundinnen und<br />
Freunde gehen zusammen. Einige Kinder<br />
sind so ins Gespräch vertieft, dass sie<br />
nicht mitbekommen, was neben ihnen<br />
geschieht. Andere sehen am Wegrand<br />
jede Kleinigkeit. Kaum sind wir unterwegs,<br />
befinden sich die Kinder in anderen<br />
Zeitdimensionen. Einige stürmen<br />
voran, andere trödeln gedankenverloren,<br />
manche erkunden jedes einzelne<br />
Blatt sämtlicher Büsche. Die Forsythien<br />
blühen schon gelb, aber haben ja noch<br />
gar keine Blätter. Die »wahren« Naturforscher<br />
zeigen sich bereits jetzt.<br />
Bis zum Waldrand ist es nicht mehr<br />
weit. Hier ist der erste Treffpunkt. Es<br />
wird besprochen, welche Schlucht wir<br />
heute aufsuchen. Vier haben wir zur<br />
Auswahl: Die erste, die bekannteste,<br />
bietet eine Menge an Fossilien, die die<br />
Kinder gerne erforschen. Die zweite ist<br />
eine recht tiefe Schneise, schwer einsehbar<br />
und daher besonders spannend. Die<br />
dritte fordert die Kletterei heraus und<br />
über der vierten Schlucht liegen einige<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
9
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Baumstämme, über die zu balancieren<br />
nicht ganz ungefährlich ist.<br />
Überhaupt der Umgang mit der Gefahr.<br />
Mit den Eltern habe ich Folgendes<br />
besprochen: Ich weise die Kinder<br />
ausdrücklich und immer mal wieder<br />
auf besondere Gefährdungen hin, die<br />
sie selber nicht einschätzen können.<br />
Zum Beispiel kann ein Stapel Baumstämme<br />
höchst gefährlich sein, wenn<br />
die schweren Hölzer nicht absolut stabil<br />
aufeinander lagern. Das muss ich vorher<br />
immer prüfen, bevor Kinder darauf<br />
steigen. Aber was sonst die Kinder erklimmen,<br />
welchen Baum sie erklettern<br />
oder in welche Schlucht sie hinabsteigen,<br />
das wird weitgehend ihrer Selbsteinschätzung<br />
überlassen. In der Regel<br />
»versteigen« sich Kinder nicht, wenn sie<br />
es gewohnt sind, draußen in der Natur<br />
zu sein. Und es gilt die Regel: Klettere<br />
nur soweit, wie Du auch sicher bist,<br />
wieder zurück zu kommen. In den vielen<br />
Jahrzehnten, in denen ich mit den<br />
Kindern in den Wald gehe, ist noch nie<br />
etwas Schlimmeres geschehen, als dass<br />
jemand ein Pflaster aufs Knie brauchte<br />
oder sich einen Fuß vertreten hat. Ich<br />
hoffe und vertraue darauf, dass es auch<br />
so bleibt, denn die Kinder erwerben ja<br />
Routine. Eine Garantie ist das natürlich<br />
nicht – genauso wenig wie auf einem<br />
beaufsichtigten Schulhof garantiert keine<br />
Unfälle passieren würden.<br />
Heute möchten die Kinder in die<br />
»alte« Schlucht. Da neue Drittklässler<br />
in die Gruppe gekommen sind, werden<br />
noch einmal die Grenzen erklärt. Um<br />
die Schlucht führen Wege, die man von<br />
der höchsten Stelle aus einsehen kann.<br />
Außerhalb dieser Wege endet das Gebiet.<br />
Zur Vorsicht gehen die Paten mit<br />
den Neuen diese Wege einmal ab. Von<br />
nun an verlasse ich mich darauf, dass<br />
niemand das Revier ohne Erlaubnis<br />
verlässt. Das ist bislang noch nie vorgekommen.<br />
Louis befestigt schon einmal das<br />
Kletterseil an einer Baumwurzel recht<br />
weit oben am Rand der Schlucht. Es<br />
ist behilflich, den mühsamen Auf- und<br />
Abstieg leichter zu bewältigen und gibt<br />
ein Gefühl wirklicher Pionierleistung.<br />
Die Naturforscher-Koffer stehen auf<br />
einem Baumstumpf. Bislang kümmert<br />
sich niemand um sie. Das Gelände ist<br />
zu spannend, auch wenn wir schon viele,<br />
viele Male hier gewesen sind. Eine<br />
Gruppe von Kindern genießt immer<br />
wieder das rasche Hinunterlaufen in die<br />
Schlucht hinein. Der Lauf gerät immer<br />
fast außer Kontrolle – aber eben nur<br />
fast. Schließlich fängt man sich und<br />
genießt den Auslauf die gegenüberliegende<br />
Seite hinauf. Drei Mädchen und<br />
zwei Jungen bauen an einem Tipi weiter,<br />
in das die gesamte Gruppe hineinpasst<br />
und das seit mehreren Wochen in Arbeit<br />
ist. Noch ist es sehr lichtdurchlässig,<br />
aber eine Wand ist bereits schon<br />
ziemlich dicht. Alle sind frei und lebendig<br />
beschäftigt. Emelie hat eine Muskelschwäche.<br />
Sie ist bei den wilden Laufspielen<br />
gehandicapt. Ihr ist die Gefahr<br />
zu groß umzuknicken, zu stürzen oder<br />
gar einen Bruch zu riskieren. Sie sammelt<br />
»Hexengeld«, kleine runde Fossilien<br />
der Seelilie, die hier vor Millionen<br />
von Jahren gelebt haben, als hier noch<br />
ein Meer war. Aber auch das ist ein Thema<br />
für das nächste Kapitel …<br />
Nur Martin steht unweit von mir<br />
herum und weiß nichts mit sich anzufangen.<br />
Zum Rennen und Spielen hat<br />
er keine Lust. Die Aufforderungen der<br />
anderen Kinder zum Mitspielen weist er<br />
zurück. Für ihn ist die Waldzeit langweilig,<br />
eine Zumutung – noch. Von<br />
ihm handelt der Beitrag »Persönlichkeit<br />
stärken«.<br />
Wie stehen die Eltern zu den zeitaufwändigen<br />
Gängen in die Natur? In den<br />
vielen Jahren, in denen ich diese Waldgänge<br />
mit den Dritt-, Viert- und teilweise<br />
auch Fünftklässlern durchführe, sind<br />
sie auch von Elternseite immer positiv<br />
akzeptiert worden und nie durch die<br />
Sorge in Frage gestellt worden, hierdurch<br />
würde doch »wertvolle Unterrichtszeit«<br />
wegfallen. Die Eltern akzeptieren,<br />
verstehen und wünschen diesen<br />
Teil von Schule, weil sie von seinem<br />
Nutzen für ihre Kinder überzeugt sind.<br />
Alljährlich ist dies Thema auf unseren<br />
Elternabenden, um auch die neuen Eltern<br />
in unseren jahrgangsgemischten<br />
Gruppen frühzeitig mit einzubeziehen.<br />
Manche Pädagogen vertreten die Auffassung,<br />
der natürliche Bewegungsdrang<br />
eines Kindes, eine natürliche<br />
Bewegungsumgebung seien Voraussetzung<br />
auch für die kognitive Entwicklung<br />
von Kindern, für das Erlernen der<br />
sogenannten schulischen Kernfächer<br />
wie Mathematik und Schreiben. Es gibt<br />
Aussagen wie: Wenn ein Kind nicht<br />
sicher rückwärts gehen kann, kann es<br />
auch nicht rückwärts rechnen. Oder:<br />
Ein Kind muss sicher hüpfen können,<br />
um auch den Zehnerübergang wirklich<br />
zu schaffen. Hierfür gibt es im Detail<br />
keine wissenschaftlichen Belege. Aber<br />
sicherlich gibt es einen belegbaren Zusammenhang<br />
zwischen leiblich-sinnlicher<br />
Entwicklung und der Entfaltung<br />
der Kognition. Pestalozzis Lernen mit<br />
Kopf, Herz und Hand, John Deweys<br />
learning by doing – and thinking (!) und<br />
viele weitere Zitate berühmter Pädagogen<br />
weisen darauf hin.<br />
Unsere Erfahrungen lassen uns zu<br />
einer Bestätigung dieser Ansichten gelangen.<br />
Kinder werden angeregt durch<br />
die Gänge nach draußen, in den Wald,<br />
auf die Wiese, an den Teich. Sie sammeln<br />
dort vielfältige Eindrücke, machen<br />
prägende Erfahrungen. Sie werden<br />
ausgeglichener. Sie streiten sich bei<br />
diesen Anlässen so gut wie überhaupt<br />
nicht. Sie integrieren andere in ihre<br />
Spiele oder Entdeckungen: »Schau mal<br />
her!« ist ein ganz häufig gehörter Ausruf.<br />
Dürfen sie ihre Eindrücke, Sammlungen,<br />
Erlebnisse mit in die Schule<br />
nehmen, setzt sich das Lernen dort fort.<br />
Ausstellungen entstehen spontan, man<br />
schaut in Büchern nach, recherchiert im<br />
Internet, sucht Vergleichbares, bereits<br />
Bekanntes, beginnt zu ordnen, zu katalogisieren.<br />
So und nicht anders ist auch<br />
Humboldt bei seinen Forschungsreisen<br />
vorgegangen. Ob das auch unmittelbare<br />
Auswirkungen auf das Erlernen der<br />
Kulturtechniken hat, bleibt hypothetisch.<br />
Wir vermuten es jedenfalls. Unsere<br />
Erfahrungen sprechen dafür.<br />
10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Natur erkunden:<br />
Naturforscher mit ihren Naturforscherkoffern<br />
Bei unseren Waldgängen entdeckten die<br />
Kinder so manches Interessantes. Ein<br />
Wald – und besonders unserer – hat davon<br />
eine Menge zu bieten. Das »Hexengeld«<br />
1) kommt in rauen Mengen vor. Im<br />
Herbst wachsen viele Pilze. Der Mischwald<br />
bietet uns etliche unterschiedliche<br />
Bäume, Büsche, Moose und Kräuter. Die<br />
Schluchtenwände legen mehrere Gesteinsarten<br />
offen. Getier, Geziefer und<br />
Gewürm gibt es in einem solchen Wald<br />
natürlich reichlich – lebend und mitunter<br />
als knöcherner, fiederner oder gehäuteter<br />
Überrest. Lichtspiel und Sonnenstand<br />
sind erlebbar, Orientierung<br />
erforderlich, Entfernungseinschätzung<br />
und -messung nützlich.<br />
Fragen entstehen massenhaft. »Komm,<br />
ich zeig Dir!« ist eine ständige Redewendung.<br />
»Was ist das?« die häufige Frage,<br />
auf die ich oft keine Antwort weiß.<br />
»Kann ich den Wurm mit in die Schule<br />
nehmen?« Aber worin? »Schau mal,<br />
hier im Stein ist etwas versteckt. Wie<br />
bekomme ich es heraus?« »Bekomme<br />
ich eine Krankheit, wenn ich die Feder<br />
anfasse?« Und so geht es endlos weiter.<br />
Wir brauchen Werkzeuge, Aufbewahrungsmöglichkeiten,<br />
Bestimmungsbücher,<br />
Lupen und sonstiges Gerät. Naturforscher<br />
haben das auch. Die laufen<br />
auch nicht nur so im Wald herum und<br />
wühlen mit bloßen Händen in der Erde<br />
herum. Nicht nur.<br />
Auf jeden Fall machen sie sich Notizen<br />
und fertigen Skizzen an. Hierfür<br />
bekommt jede Schülerin und jeder<br />
Schüler ein kleines Protokollheft. Ein<br />
stabiles, kariertes Oktavheft eignet sich<br />
besonders. Dass Erkundungsdatum<br />
und -ort eingetragen werden müssen,<br />
versteht sich von alleine. Sonst weiß<br />
man hinterher ja nicht mehr, was man<br />
wann und wo entdeckt hat.<br />
Drei Naturforscherkoffer werden für<br />
drei verschiedene Forschungsrichtungen<br />
geschaffen: »Pflanzen und Tiere«,<br />
»Steine und Erde« und »Karten lesen<br />
und Gelände vermessen«. Biologie,<br />
Geologie und Geografie sind die Wissenschaften,<br />
die wir bei unseren Gängen<br />
nach draußen und in den Wald<br />
am ehesten bedienen können. Für die<br />
Aufbewahrung dienen uns Werkzeugkästen<br />
aus dem Baumarkt. Dort kann<br />
man auch die meisten Gerätschaften<br />
erstehen.<br />
Und so sind die Naturforscherkoffer<br />
ausgestattet:<br />
1. »Pflanzen und Tiere« (Biologie)<br />
Hier gibt es zwei Koffer, weil nicht alle<br />
Geräte und Materialien in einen Koffer<br />
passen. Außerdem ist dieses Forschungsgebiet<br />
auch das größte, an dem<br />
sich die meisten Kinder beteiligen.<br />
Koffer 1:<br />
2 stabile Messer<br />
3 Spachtel<br />
2 Pinsel<br />
4 Pinzetten<br />
1 Drahtbürste<br />
5 Plastiktüten<br />
Aufbewahrungsboxen<br />
Koffer 2:<br />
5 Dosenlupen<br />
3 Stablupen<br />
1 Paar Handschuhe<br />
Bestimmungsbücher<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
11
Thema: Naturwissen schaffen<br />
© Google Maps<br />
2. »Karten lesen und Gelände<br />
vermessen« (Geografie)<br />
Kofferinhalt:<br />
4 Kompasse<br />
2 Schrittzähler<br />
3 Bandmaße (20 m)<br />
Taschenlampe<br />
3 Folienstifte<br />
1 Bielefeld-Karte (1 : 20.000)<br />
4 Geländekarten (laminiert)<br />
2 Satellitenbilder (laminiert)<br />
1 Symbolliste/Legende (laminiert)<br />
Buch »Karte, Kompass, Sonnenstand«<br />
3. »Steine und Erde«<br />
(Geologie)<br />
Kofferinhalt:<br />
2 Hämmer<br />
1 Drahtbürste<br />
3 stabile Messer<br />
3 Spachtel<br />
5 Kratzspieße<br />
3 Pinsel<br />
1 Taschenlampe<br />
2 Taschenlupen<br />
1 Päckchen Streichhölzer<br />
5 Plastiktüten<br />
Bestimmungsbuch<br />
Anmerkung<br />
(1) »Hexengeld« nennen unsere Kinder die<br />
fossilierten Segmente der Stängel von See lilien,<br />
die wir hier zuhauf finden können.<br />
12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Natur erkunden:<br />
Der Naturforscher-Pass<br />
Der Naturforscher-Pass ist das Curriculum<br />
unserer Wald- und Naturausflüge.<br />
Die Kinder lernen ihn bald zu Beginn<br />
ihres dritten Schuljahres kennen und<br />
haben zwei Jahre lang Zeit für die Beobachtungs-<br />
und Erkundungsaufgaben.<br />
Die Zeit ist großzügig bemessen. Es soll<br />
kein Erledigungsdruck entstehen. Kein<br />
Kind wird gezwungen (wenngleich<br />
dazu aufgefordert), alle Aufgaben zu<br />
schaffen. Was sie wann und wie tun, ist<br />
ihnen weitgehend selbst überlassen.<br />
Manches wird durch die Jahreszeiten<br />
bestimmt (zum Beispiel die Beobachtung<br />
und Bestimmung von Pilzen),<br />
anderes braucht eine Gelegenheit (zum<br />
Beispiel die Tierbeobachtung im Tierpark),<br />
einiges benötigt Anleitung (z. B.<br />
der Umgang mit dem Kompass und die<br />
Vermessung von Geländeabschnitten).<br />
Ansonsten ergibt sich die Bearbeitung<br />
der Aufgaben aus den <strong>aktuell</strong>en Interessen<br />
und jeweiligen Gelegenheiten.<br />
Jedes Kind nimmt sich eine Aufgabe<br />
vor, muss es aber nicht. Man darf auch<br />
so in den Wald gehen und muss heute<br />
auch nicht zwingend etwas finden oder<br />
forschen. Sonst würde der Ansatz nicht<br />
stimmen. Dann würden die Lernziele<br />
eines hidden curriculum der bestimmende<br />
Faktor für die Waldgänge sein<br />
und so rasch Entdeckerfreude und<br />
selbstbestimmte Motivation bei vielen<br />
Kindern abtöten. Richtig eingesetzt ist<br />
der Naturforscher-Pass ein transparentes<br />
Curriculum. Die Kinder wissen, was<br />
die Erwachsenen von ihnen erwarten.<br />
Sie verstehen, wozu es nützt. Sie haben<br />
die Werkzeuge, Hilfsmittel und Informationen<br />
zur Hand. Sie kennen die<br />
Erwartungen und ihre Spielräume. So<br />
können sie ihren Lernprozess selber in<br />
die Hand nehmen.<br />
Die Inhalte des Naturforscher-Passes<br />
sind an die Gegebenheiten unserer<br />
Umgebung angepasst. Hätten wir keine<br />
Fossilien im Gelände, würde dieser<br />
Teil für diese Art der Naturerforschung<br />
nichts nützen. Hätten wir eine geeignete<br />
Wasserstelle, einen Teich oder einen<br />
Bach in der Nähe, wäre auch die<br />
Gewässererforschung Bestandteil des<br />
Naturforscher-Passes.<br />
Dieser Pass ist zum einen eine Offenlegung<br />
der Absichten der Lehrerin, des<br />
Lehrers. Das solltet Ihr wissen, drückt<br />
er aus. Wenigstens das. Möglichst. Er<br />
ist zugleich ein Portfolio der Arbeit der<br />
Schulkinder. Hierin dokumentieren sie<br />
ihren Forschungs- und Lernzuwachs. Er<br />
wird sorgfältig aufbewahrt und natürlich<br />
nicht mit in den Wald genommen.<br />
Die Beobachtungen vor Ort werden im<br />
Protokollheft notiert. Das kann überall<br />
mit dabei sein. In der Schule wird dann<br />
der Naturforscher-Pass ausgefüllt und<br />
abgezeichnet – wenn die erledigte Aufgabe<br />
als richtig nachgewiesen wurde.<br />
Granit, Sandstein, Kalkstein, Lehmerde,<br />
Sand, Waldboden und manche<br />
andere Gesteins- und Erdarten kommen<br />
in unserer Umgebung vor. Sie sind<br />
leicht zu finden. Gereinigt und näher<br />
betrachtet können sie untersucht und<br />
unterschieden werden. Bestimmungsbücher<br />
helfen beim Erkennen und<br />
dem Herausfinden der besonderen Eigenschaften.<br />
Ein großes Glück ist das<br />
schier unerschöpfliche Vorkommen<br />
von fossilierten Segmenten der Seelilie.<br />
Dabei handelt es sich um ein tierisches<br />
Meereslebewesen, das auch heute noch<br />
in der Tiefsee vorkommt. Wie kommt<br />
es hierhin? War hier etwa ein Meer?<br />
Wann? Was sind die Segmente, die die<br />
Kinder Hexengeld nennen? Im Forscherkoffer<br />
befinden sich auch Bilder<br />
und Informationen hierüber.<br />
Kompasse finden Kinder interessant.<br />
Das sind sie auch. Man kann selber welche<br />
bauen. Bei unseren Erkundungen<br />
verwenden wir einfache Wanderkompasse.<br />
Der Umgang damit will gelernt<br />
sein. Erfahrene Schülerinnen und Schüler<br />
helfen den jüngeren. Die Kompassrose<br />
lernen wir. Hierzu veranstalten wir<br />
einen regelrechten Lehrgang. Jetzt können<br />
wir den Weg um die Schule kartografieren<br />
oder den Weg in den Wald.<br />
Laminierte Karten und Satellitenbilder<br />
werden mit Folienstiften beschriftet.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
13
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Mit Messbändern vermessen wir unsere<br />
Schrittlänge. Jede ist anders. Gut, dass<br />
es den Meter gibt. Wir zählen unsere<br />
Schritte (dabei hilft uns ein Schrittzähler<br />
aus dem Wanderladen) und errechnen<br />
die Entfernung. Das ist nicht leicht.<br />
Gut, dass es das Protokollheft gibt, darin<br />
können wir Notizen machen und<br />
Rechnungen aufschreiben. Die Karten<br />
können jetzt genauer beschriftet werden<br />
mit Himmelsrichtung und Entfernung.<br />
Die Kenntnis der Legende hilft beim<br />
Kartenlesen.<br />
Auch wenn der Forscherkoffer mit<br />
»Pflanzen und Tiere« bezeichnet ist,<br />
wird im Naturforscher-Pass zwischen<br />
Flora und Fauna unterschieden. Das<br />
liegt daran, dass Waldtiere nicht so<br />
leicht zu erkunden sind. Dazu gehen<br />
wir in den Tierpark Olderdissen. Das ist<br />
ein Tagesausflug und kann daher nicht<br />
so einfach zwischendurch stattfinden.<br />
In unserem Mischwald kommen Fichten,<br />
Lärchen und Tannen vor. Außerdem<br />
Buchen, Eichen und … Auf den<br />
Wiesen, am Feldrand und manchmal<br />
auch im Wald finden wir zu den unterschiedlichen<br />
Jahreszeiten alle möglichen<br />
Blumen. Im Spätsommer und<br />
Herbst wachsen hier reichlich Pilze.<br />
Und Moos gibt es in jedem Wald sowieso.<br />
Die Bestimmungsbücher helfen<br />
uns meist. Und wenn nicht, nehmen<br />
wir eine Pflanze mit in die Schule und<br />
versuchen dort, Näheres darüber zu erfahren.<br />
Die Ergebnisse werden vor Ort<br />
ins Protokollheft eingetragen und vom<br />
Lehrer überprüft. Erst wenn es wirklich<br />
stimmt, gibt es den Eintrag in den<br />
Naturforscher-Pass.<br />
Tiere sind in freier Natur sehr schwer<br />
zu erkunden. Natürlich finden wir kleine<br />
Würmer, Käfer, Raupen oder können<br />
ab und zu einen Vogel beobachten. Das<br />
tun wir auch und das findet im Rahmen<br />
unserer Waldgänge ständig statt. Auch<br />
finden wir immer wieder einmal Knochen,<br />
Federn oder andere Körperteile<br />
von Tieren. Aber die großen Waldtiere<br />
sind nicht im Wald – jedenfalls nicht,<br />
wenn wir da sind. Zum Glück haben<br />
wir mit dem Tierpark Olderdissen einen<br />
gut angelegten, großen Tierpark<br />
mit allen heutigen und vielen früheren<br />
einheimischen Tierarten in erreichbarer<br />
Nähe. Rot- und Damwild, Wildschweine,<br />
auch Wölfe und Luchse und<br />
sogar Bären gibt es dort. Jedes Kind<br />
sucht sich sein Lieblingstier aus und<br />
beobachtet es über einen richtig langen<br />
Zeitraum, z. B. eine ganze Stunde lang.<br />
Aussehen und Verhalten werden möglichst<br />
genau beschrieben und ge- und<br />
bezeichnet. Die Kinder finden etwas<br />
über Futtergewohnheiten heraus. Tierpfleger<br />
und vielleicht der Förster können<br />
befragt werden. Der Beobachtungsbogen<br />
für Tiere hilft den Kindern beim<br />
Aufzeichnen und Dokumentieren ihrer<br />
Beobachtungen. In der Schule wird recherchiert,<br />
ergänzt und dokumentiert.<br />
Die Urkunde bescheinigt die Erfüllung<br />
des Pensums. Mitnichten ist sie das<br />
Ende der Naturforscher-Zeit. Sie stellt<br />
den Lehrer bzw. die Lehrerin zufrieden<br />
und dokumentiert ein gewisses Spektrum<br />
an Lernarbeit während zweier<br />
Jahre draußen und im Wald. Sie ist extrinsisch<br />
– das bedeutet nicht, dass sie<br />
den Kindern unwichtig sei. Sie mögen<br />
solche Dokumente und bewahren sie<br />
stolz in ihren »Lernspuren« auf.<br />
Download des Naturforscherpasses<br />
www.<br />
www.naturforscher.laborschule.de<br />
14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Persönlichkeit stärken:<br />
zum Beispiel Martin<br />
»Wenn Kinder Erfahrungen in naturnahen<br />
Freiräumen nie oder zu wenig<br />
machen können, scheinen sie entsprechende<br />
Fähigkeiten zu verlernen oder<br />
nicht auszubilden; so lässt sich vielerorts<br />
beobachten, dass Kinder, wenn sie sich<br />
überwiegend in technisierter Umgebung<br />
oder auf Spielplätzen aufhalten, z. B.<br />
einen Wald für ihre Spiele nicht nutzen<br />
können oder sogar Angst davor haben.<br />
Nun wird ›Natur‹ kein Allheilmittel gegen<br />
alle Art von neuzeitlichen Zivilisationsschäden<br />
sein, jedoch scheinen naturnahe<br />
Spielorte Situationen für Kinder<br />
bereitzuhalten, bei denen viele kindliche<br />
Anliegen völlig nebenbei und ohne pädagogisches<br />
Arrangement ausgelebt werden<br />
können« (Gebhard 2009, S. 93).<br />
* Name geändert<br />
Als Martin * in seinem dritten Schuljahr<br />
in meine Klasse kam, fiel er auf<br />
durch seine recht adipöse Erscheinung,<br />
die damit verbundene relative Schwerfälligkeit<br />
in seinen Bewegungen, motorische<br />
Unsicherheiten, eine ausgeprägte<br />
Rechts-Links-Schwäche, vor allem aber<br />
– und dieses besonders den Kindern –<br />
durch seine Zurückgezogenheit, sein<br />
Ausweichen vor sozialen Kontakten, ja<br />
teilweise Angst davor angesprochen zu<br />
werden. Martin war ein lernschwacher<br />
Schüler mit ausgewiesenem besonderem<br />
Förderbedarf. Sein Leseverständnis<br />
war unterdurchschnittlich, seine<br />
Schreibmotorik wenig ausgebildet und<br />
sein mathematisches Verständnis nicht<br />
annähernd altersgemäß.<br />
Am auffälligsten war Martins Antriebsschwäche.<br />
Alle Verrichtungen<br />
dauerten extrem lange. Es war nicht<br />
primär ein geistiger Orientierungsmangel,<br />
der Zeit zum Durchschauen seiner<br />
Ordnung erforderte. Seine geistigen<br />
Potenziale waren weitgehend durchschnittlich.<br />
Es war eine allgemeine<br />
Langsamkeit, ja Trägheit in seinem Wesen,<br />
ein regelrechter Charakterzug. In<br />
einem Bereich allerdings war er hochmotiviert,<br />
interessiert, flink und kenntnisreich:<br />
beim Gameboy-Spielen. Seine<br />
Eltern hatten ihm das zu der Zeit weit<br />
verbreitete elektronische Spielzeug gekauft,<br />
denn auch sie erlebten hier zum<br />
ersten Mal Antriebsfreude und Interesse<br />
bei ihrem Kind. In der Schule, wo<br />
dieses Spiel in den Pausen erlaubt war,<br />
erhielt er hierüber Aufmerksamkeit und<br />
Anerkennung von anderen Kindern.<br />
Sein typisches Verhalten erlebten wir<br />
auch bei unseren Waldgängen. Martin<br />
hatte nie Lust mitzukommen. Der Weg<br />
mit ihm dauerte extrem lange, was die<br />
Geduld der ganzen Gruppe auf eine<br />
harte Probe stellte. Im Wald angekommen<br />
drückte sein Gesicht, seine Haltung<br />
beinahe noch mehr als in der ihm<br />
gewohnteren Schulumgebung die Frage<br />
aus: »Was soll ich hier? Ich will nach<br />
Hause.« Während die anderen Kinder<br />
begeistert ihre Spiel- und Erkundungssituationen<br />
entfalteten, stand Martin<br />
untätig in meiner Nähe, nie ganz dicht<br />
bei mir, aber auch nie weit entfernt.<br />
Die Aufforderungen der Kinder zum<br />
Mitmachen ignorierte er. Auf meine<br />
vorsichtigen Anstöße reagierte er mit:<br />
»Nee, ich mag nicht.« Anfangs hielt ich<br />
das für seine typische Zurückhaltung<br />
und war sicher, dass sich das bald von<br />
alleine geben würde. Aber auch nach<br />
Wochen und Monaten hatte sich nichts<br />
Wesentliches an diesem Verhalten geändert.<br />
Ich konnte nicht einmal mit<br />
Sicherheit sagen, ob er die anderen Kinder<br />
bei ihrem Tun beobachtete oder ob<br />
er Dinge in seiner Umgebung irgendwie<br />
wahrnahm. Ab und zu sprach ich<br />
ihn natürlich an, wie es ihm gehe, was<br />
er gerne machen würde, ob er sich etwas<br />
wünscht. Seine Reaktion war auch<br />
auf diese Fragen für ihn typisch: oft<br />
stumm, meist verhalten. Bis auf eine<br />
ausgesprochen deutliche Antwort, die<br />
ich nach mehreren Wochen des Nichtstuns<br />
im Wald von ihm erhielt: »Ich mag<br />
es nicht, im Wald zu sein. Das ist langweilig.«<br />
Und: »Schade, dass wir unsere<br />
Gameboys nicht mitnehmen dürfen.«<br />
Bislang hatte noch kein einziges Kind<br />
dieses Bedürfnis bei unseren Wald- und<br />
Draußenzeiten geäußert. Die natürlichen<br />
Spiel-, Bewegungs- und Erkundungsmöglichkeiten<br />
waren allen genug.<br />
Gameboys hätten hier nicht ihre<br />
artgerechte Umgebung gefunden. Das<br />
sah Martin offenbar anders. Schließlich<br />
wird dieses Spielzeug seinen einsiedlerischen<br />
Tendenzen gerecht und könnte<br />
ihn aus der Langeweile befreien. Hin<br />
und wieder habe ich darüber nachgedacht,<br />
Martin von unseren Waldgängen<br />
zu erlösen, ihn vorübergehend von<br />
einer Kollegin, einem Kollegen einer<br />
anderen Klasse mitbetreuen zu lassen.<br />
Aber ernsthaft habe ich das nicht ins<br />
Auge gefasst. Heute bin ich froh, dass<br />
ich Martin mit soviel Langmut sich mit<br />
seiner Langeweile habe auseinandersetzen<br />
lassen.<br />
Nach etlichen Wochen des lustlosen<br />
Herumstehens war Martin eines Tages<br />
nicht mehr in meiner Nähe. Ich musste<br />
ihn mit meinen Augen suchen. Er hatte<br />
sich aus dem selbst gezogenen Bannkreis<br />
begeben und erste Erkundungsschritte<br />
gewagt. Ja, er war sogar ab vom<br />
Weg gekommen, bückte sich, hob einen<br />
Zweig auf und betrachtete ihn. Es war<br />
ein langer Prozess. Nach einiger Zeit<br />
sah ich ihn vorsichtig auf einen liegenden<br />
Baumstamm zugehen, ihn mühsam<br />
erklimmen und erste Stehversuche<br />
darauf machen. Schnell stieg er wieder<br />
ab, denn die Höhe und der gerundete<br />
Stamm machten ihm noch Angst.<br />
Beim nächsten Mal traute er sich ein<br />
klein wenig darauf zu balancieren. Es<br />
gelang, erst ganz zaghaft, Fuß vor Fuß,<br />
dann immer besser. Immer mehr geriet<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
15
Thema: Naturwissen schaffen<br />
Martin ins Gleichgewicht. Immer mehr<br />
traute er sich zu, forderte er sich heraus.<br />
Es gab auch wieder Ausflüge, bei denen<br />
er bei mir blieb. Aber sein Gesicht<br />
verriet zunehmende Aufmerksamkeit,<br />
Interesse. Er beobachtete die anderen<br />
mehr und mehr. Dann nahm er sich<br />
ein Schnitzmesser und bearbeitete damit<br />
ein Stöckchen. Das schenkte er mir<br />
anschließend. Und eines Tages krabbelte<br />
er auf allen Vieren, ganz vorsichtig,<br />
ganz langsam, immer um sicheren Halt<br />
bemüht, an den Rand der Schlucht.<br />
Erst ließ er sich von mir gesichert ein<br />
wenig hinunter. Später griff er selber<br />
nach einer Wurzel, um nicht abzurutschen.<br />
So fand er mehr und mehr Halt<br />
in sich selber. Martin gewann in kurzer<br />
Zeit enorm an motorischer Kompetenz.<br />
Sein Bewegungsradius erweiterte sich<br />
von Mal zu Mal. Es dauerte gar nicht<br />
lange, und er befand sich am Grund<br />
der Schlucht. Gut, dass andere Kinder<br />
das Seil oben befestigt hatten, so war<br />
der Aufstieg nicht zu mühevoll. Allerdings<br />
befand sich das Seil an der anderen<br />
Seite der Schlucht. Um wieder zum<br />
Ausgangspunkt zu gelangen, musste<br />
Martin entweder auf äußerst unwegsamem<br />
Gelände die Schlucht umrunden<br />
oder sie erneut durchqueren. Er entschied<br />
sich für letzteres. Abstieg und<br />
dieses Mal Aufstieg auf der vertrauten<br />
Seite. Allerdings ohne helfendes Seil.<br />
Aus eigener Kraft. Von Wurzel zu Wurzel<br />
hangelnd, bis ich ihm oben endlich<br />
meine helfende Hand entgegenstreckte.<br />
Aber die brauchte er nur noch zum Einschlagen:<br />
Ich habe es geschafft!<br />
Martin wiederholte den Ab- und<br />
Aufstieg in die Schlucht bei diesem und<br />
bei den nächsten Malen immer wieder.<br />
Rasch wurde er sicherer. Bald spielte er<br />
mit den Kindern. Dann entdeckte er<br />
die Fossilien. Und hier gewann er eine<br />
Neigung. Von nun an haben Versteinerungen<br />
es ihm angetan. Zu der Zeit hatten<br />
wir noch keine Naturforscherkoffer.<br />
Aber dieses ursprüngliche Entdecken,<br />
dieses Herausbilden eines spezifischen<br />
Interesses vollzieht sich auch ohne jedes<br />
Werkzeug oder Hilfsmittel – vielleicht<br />
sogar nachhaltiger. Martin wurde<br />
unser Spezialist für Versteinerungen.<br />
Im Laufe der Zeit legte er eine große<br />
Sammlung an, kannte sich bestens aus,<br />
versorgte sich in unserer Bibliothek mit<br />
den nötigen Informationen. – Von nun<br />
an waren ihm die Gänge in die Schlucht<br />
eine reine Freude. Und auch wenn es<br />
mal woanders hinging, kam er fortan<br />
immer gerne und aufgeschlossen mit.<br />
Martin war ein Naturforscher geworden.<br />
An dieser Stelle soll nun nicht behauptet<br />
werden, dass diese Entwicklung<br />
einzig und allein unseren Waldzeiten<br />
geschuldet gewesen wären. Sicherlich<br />
spielen auch andere entwicklungspsychologische<br />
Prozesse bei Martin eine<br />
Rolle. Jedoch: hätte es die Waldzeiten<br />
für ihn nicht gegeben, so hätte er sich<br />
auf diesem Gebiet weder motorisch<br />
nach sachlich-interessebezogen derart<br />
entwickeln können. Auch dass in den<br />
nächsten Monaten ein bemerkenswerter<br />
Wandel in Martins Sozialverhalten und<br />
in seiner Stellung innerhalb der Gruppengemeinschaft<br />
stattfand, erklärt sich<br />
nicht ausschließlich aus den Gängen in<br />
den Wald. Aber hier fand die initiale<br />
Zündung draußen im Wald statt. Hier<br />
nahm er das erste Mal aktiv Kontakt<br />
mit seinen Mitschülerinnen und Mitschülern<br />
auf, indem er sich auf ihre motorischen<br />
und sozialen Spiele einließ.<br />
Schließlich veränderte sich auch Martins<br />
Lernverhalten deutlich. Seine Anstrengungsbereitschaft<br />
nahm zu, sein<br />
Lernfortschritt wurde in immer kürzeren<br />
Zeitintervallen sichtbar, seine Erfolge<br />
motivierten ihn zusehends. Kann es<br />
nicht sein, dass sein gewachsenes Selbstvertrauen<br />
in körperlicher, motorischer<br />
Hinsicht, seine zunehmende Sicherheit<br />
in der Bewegung seine Persönlichkeit<br />
derart gestärkt haben, dass er sich auch<br />
auf geistig-kognitivem Gebiet mehr zutraute?<br />
Ist es nicht vorstellbar, dass die<br />
sozialen Bestärkungen, die spürbare<br />
Zuwendung der anderen von ihm als<br />
aktiver, selbst mit gestalteter Wandel in<br />
seinem Verhalten wahrgenommen wurde<br />
und ihn dies motiviert und seelisch<br />
gekräftigt hat? Vielleicht ist Martin ein<br />
Beispiel dafür, wie die Herausbildung<br />
und Entdeckung der eigenen Fähigkeiten<br />
zum Abbau seiner sicherlich tendenziell<br />
pathologischen Antriebsschwäche<br />
in geistiger wie körperlicher Hinsicht<br />
beigetragen haben.<br />
16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Christine Biermann<br />
Lernkompetenzen entwickeln und nutzen<br />
Medienkompetenz<br />
»Beim Film gucken in der Schule musst<br />
Du Dir was merken, Christine fragt uns<br />
hinterher.«<br />
Ja, Filme schauen in der Schule, das ist<br />
den Kindern schnell klar, ist etwas anderes<br />
als Filme schauen zu Hause oder<br />
im Kino. Die Großen vermitteln es den<br />
Jüngeren und können – weil schon erfahren<br />
– gut erläutern, was alles dazu<br />
gehört: »Ihr müsst aufpassen, manchmal<br />
soll man sich auch etwas aufschreiben,<br />
es gibt keine Chips und kein Sofa,<br />
hinterher machen wir oft ein kleines<br />
Quiz.«<br />
Filme schauen ist eine Lernkompetenz,<br />
die in erster Linie der Informationsbeschaffung,<br />
insbesondere der<br />
Anschauung dient. Gleichsam stellt sie<br />
– bei gelungener Filmwahl – eine gute<br />
Ausgangsmotivation für ein aufmerksames<br />
Hinschauen, für intensives Verstehenwollen<br />
und nachhaltiges Behalten<br />
und Erinnern von Inhalten dar. Sie ist<br />
eine von vielen Lernkompetenzen, die,<br />
stets an Inhalte, also den Erwerb von<br />
Sachkompetenzen gekoppelt, Schritt<br />
für Schritt gelernt und in den folgenden<br />
Jahren von den SchülerInnen angewandt<br />
und ausgebaut werden können.<br />
Im Folgenden soll von folgenden Lernkompetenzen<br />
die Rede sein:<br />
●●<br />
Lernkompetenzen, die der Dokumentation<br />
und deren Ordnung dienen,<br />
●●<br />
Lernkompetenzen, die Präsentationen<br />
möglich und besser machen,<br />
●●<br />
Lernkompetenzen, die die eigene<br />
Leistung reflektieren und fremde Leistungen<br />
bewerten helfen.<br />
Dokumentationskompetenz<br />
»Manchmal ist es ganz schön anstrengend,<br />
immer alles aufzuschreiben.«<br />
Gerade in einem Unterricht, in dem<br />
es viel zu sehen gibt: bei Experimenten,<br />
bei Unterrichtsgängen, bei Filmen, im<br />
Internet, in Büchern müssen den Kindern<br />
Verfahren zur Verfügung stehen,<br />
um dieses Gesehene und Erlebte zu dokumentieren.<br />
So legen wir am Anfang<br />
des Schuljahres zunächst einmal eine<br />
»Nawi-Mappe« an: Sie bekommt ein<br />
Deckblatt 1) und ein Inhaltsverzeichnis.<br />
Wichtig ist, jedes eingeheftete Blatt in<br />
das Inhaltsverzeichnis einzutragen. Dafür<br />
muss Zeit sein, sonst verlieren alle<br />
– SchülerInnen wie Lehrende – schnell<br />
den Überblick.<br />
Für die meisten Beobachtungen, die<br />
festgehalten werden sollen, haben wir<br />
einen Protokollbogen entwickelt, der<br />
genügend Platz für eine Zeichnung und<br />
für einen Text bietet. Zu einigen Einheiten<br />
wie z. B. Bionik werden spezielle<br />
Protokollbögen entwickelt (vgl. dazu<br />
»Fliegen in Natur und Technik« von<br />
Lina Falcke in diesem Heft, S. 23 ff.). In<br />
die Mappe kommen ebenso alle freien<br />
Arbeiten wie kleine Referate, Skizzen,<br />
Fotos von Gruppenarbeiten und Plakaten<br />
und auch die Selbst reflexionen zu<br />
einigen Produkten – aber dazu später<br />
mehr.<br />
Dokumentieren will zunächst gelernt<br />
werden: Was muss ich aufschreiben?<br />
Wie genau muss meine Skizze sein? In<br />
welcher Zeit muss ich fertig sein? Muss<br />
alles richtig sein?<br />
Wichtig ist, dass über Gelingens- und<br />
Leistungskriterien gemeinsam in der<br />
Gruppe gesprochen wird. Individuelles<br />
Lernen und – im Idealfall – Notenfreiheit<br />
machen es allen SchülerInnen<br />
leicht, nicht im direkten Vergleich zu<br />
stehen. Es gibt einerseits »Von-bis-<br />
Vorgaben«, d. h., was sollte mindestens<br />
als Skizze und Text vorhanden sein,<br />
allerdings nicht mit einer Beschränkung<br />
nach oben. Es gibt Tipps zur<br />
Formulierung, es gibt Geschriebenes<br />
und Korrigiertes und es gibt bei allen<br />
Kindern das Bemühen, sich zu entwickeln.<br />
Davon gehen wir stets aus. Solch<br />
eine Entwicklung über ein halbes Jahr<br />
soll hier anhand zweier Protokoll bögen<br />
gezeigt werden. Sie sind von einem<br />
Drittklässler angelegt worden, der zu<br />
Beginn mit wenig Selbstbewusstsein<br />
und vielen Ängsten schrieb und malte,<br />
sich zunehmend mehr zutraute und nur<br />
wenige Monate später eine lange Versuchsbeschreibung<br />
– immer noch bzgl.<br />
der Rechtschreibung recht fehlerhaft –<br />
anfertigte.<br />
Eine weitere freiere Form der Dokumentation<br />
stellen die kleinen Protokollheftchen<br />
dar, die im Gepäck sind, wenn<br />
die Waldgänge mit den Forscherkoffern<br />
auf der Tagesordnung stehen. Sie wurden<br />
bereits im Aufsatz von Ulrich Bosse<br />
über die »Naturforscher« (in diesem<br />
Heft, S. 11 ff.) dargestellt.<br />
Abb. 1: erste Versuchsbeschreibung …<br />
Abb. 2: … und ein halbes Jahr später<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
17
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Präsentationskompetenz<br />
»Wir machen Plakate wie die Profis.«<br />
Gerade individuelles Lernen, Arbeiten<br />
an eigenen Unterthemen fordert<br />
dazu heraus, sich gegenseitig die Produkte<br />
vorzustellen. Das können kleine<br />
Referate sein, die schriftlich ausgearbeitet<br />
oder nur in Stichpunkten auf Karteikärtchen<br />
festgehalten, vorgetragen werden.<br />
Visualisierte Präsentationen haben<br />
den Vorteil, meist länger präsent zu sein<br />
– für die GestalterInnen, die ZuschauerInnen<br />
und weiteres Publikum wie Eltern<br />
und die Schulöffentlichkeit.<br />
Ein – auch bei den meisten SchülerInnen<br />
– beliebtes Produkt ist das Plakat.<br />
Meist haben die Kinder schon früher<br />
Plakate gemalt oder beschriftet, jetzt soll<br />
es – im Sinne eines Spiralcurriculums<br />
der Lernkompetenzen – darum gehen,<br />
ein Plakat wie ein Profi herzustellen.<br />
Dazu werden zunächst in der Gruppe<br />
Diskussionen über gute und schlechte<br />
Plakate geführt, besser noch Anschauungsmaterial<br />
begutachtet: Was muss auf<br />
einem Plakat sein? Wie ist das Thema sofort<br />
zu erkennen? Wie muss die Schrift<br />
sein? Welche Bildauswahl trifft man? Wo<br />
platziert man die Bilder? Usw. Schnell<br />
sind sich alle einig: Die Schrift muss<br />
eine bestimmte Größe haben, damit sie<br />
auch mit einigem Abstand vom Plakat<br />
noch gelesen werden kann, und sie sollte<br />
gleichmäßig sein – in Blockbuchstaben,<br />
vielleicht – bei nicht so »guter Schrift«<br />
(so die Kinder) – besser getippt und ausgedruckt.<br />
Die Überschrift sollte schnell<br />
über das Thema informieren und ins<br />
Auge fallen. Die Bilder müssen passen<br />
und einen guten Platz bekommen. Wenn<br />
man einen Vortrag hält, sollten nicht die<br />
ganzen Sätze schon auf dem Plakat stehen,<br />
Stichworte reichen.<br />
Mit diesen selbst erarbeiteten Kriterien<br />
entstehen immer noch ganz unterschiedliche<br />
Plakate, aber sie werden –<br />
auch durch die anschließende Kritik der<br />
ganzen Gruppe – von Mal zu Mal besser.<br />
Diese Plakate befanden die SchülerInnen<br />
selbst als so gelungen, dass sie<br />
sich eine Ausstellung in der Schulöffentlichkeit<br />
wünschten. Sie wurden später<br />
für diese Plakate sehr gelobt.<br />
Selbst- und Fremdbeurteilung<br />
der Portfolioarbeit 2)<br />
»Ich finde, dass Du mein Plakat gut bewertet<br />
hast«<br />
Produktorientiertes Arbeiten motiviert<br />
und zeigt Leistung. Aus dem Produkt<br />
wird ein Portfolio, d. h. in diesem<br />
Zusammenhang ein Themenportfolio,<br />
wenn über die schriftliche Selbstreflexion<br />
und die Bewertung des Produkts<br />
durch die Lehrkraft, manchmal auch<br />
durch MitschülerInnen, ein Leistungsdialog<br />
3) zustande kommt. Er soll dazu<br />
dienen, an den in der Gruppe erarbeiteten<br />
Kriterien entlang noch einmal genauer<br />
hinzuschauen, was gut und was<br />
weniger gut gelungen ist, was bei der Erstellung<br />
des nächsten Produkts beachtet<br />
werden sollte. Aneinandergereiht bilden<br />
die gesammelten Portfolioarbeiten –<br />
möglichst in einem Schuber, einer Mappe<br />
gut aufgehoben – den Lernprozess<br />
der einzelnen Lernenden anschaulich<br />
ab. Da ein weiteres Kriterium der Arbeit<br />
mit Portfolios die Präsentation der Produkte<br />
ist – in der Lerngruppe, vor den<br />
Eltern, auf schulöffentlichen Produktmärkten<br />
–, sind die meisten SchülerInnen<br />
ausgesprochen motiviert, ein gutes<br />
Portfolio herzustellen. Somit stellt dieses<br />
reflektierte, produktorientierte Arbeiten<br />
der Lernenden eine weitere Lernkompetenz<br />
dar, die zum individuellen,<br />
selbsttätigen Lernen befähigt.<br />
Weitere Lernkompetenzen ließen<br />
sich ausführen. Wichtig sind uns – zusammenfassend<br />
– für das Erlernen und<br />
Anwenden dieser Kompetenzen:<br />
●●<br />
Den SchülerInnen muss einsichtig<br />
sein, in welchem Zusammenhang die<br />
Sach- und die Lernkompetenzen stehen,<br />
d. h. kein abgekoppeltes Training von sogenannten<br />
Methodenkompetenzen.<br />
●●<br />
Lernkompetenzen sind mehr als Methodenkompetenzen.<br />
Wir rechnen ebenso<br />
Selbstkompetenzen wie Anstrengungsbereitschaft,<br />
Durchhaltevermögen<br />
u. a. wie auch weitere Kompetenzen wie<br />
Vertrauen herstellen, Kreativität ausleben,<br />
soziales Miteinander eingehen,<br />
Neugierde zeigen und vieles mehr dazu.<br />
●●<br />
SchülerInnen kommen bereits mit<br />
Lernkompetenzen aus dem Kindergarten,<br />
dem Elternhaus in die Schule. Diese<br />
Kompetenzen zu nutzen, auszutauschen,<br />
darauf aufzubauen ist Aufgabe<br />
eines Unterrichts, der – wie schon beschrieben<br />
– vom Kind aus denkt.<br />
●●<br />
Ohne Lernkompetenzen kein individualisiertes,<br />
selbstständiges Arbeiten.<br />
Sie sind sowohl Voraussetzung für diese<br />
Lernform als auch immer wieder Ziel,<br />
im Sinne eines altersgemäßen Auf- und<br />
Ausbaus.<br />
Anmerkungen<br />
(1) Alle erwähnten »Formblätter« unter:<br />
www.<br />
www.naturforscher.laborschule.de<br />
(2) Bei weiterem Interesse zur Portfolioarbeit<br />
an der Laborschule: Biermann (2010).<br />
(3) vgl. Anm. 1.<br />
Literatur<br />
Biermann, Chr. (2010): Wie kommt Neues in<br />
die (Labor-)Schule? Das Beispiel »Portfolio«.<br />
In: Biermann, Chr. / Volkwein, K.: Port folioperspektiven.<br />
Schule und Unterricht mit<br />
Portfolios gestalten. Beltz, S. 194 – 206.<br />
18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Ulrich Bosse<br />
Lernen an Phänomenen<br />
Phänomene sind »Naturerscheinungen, die uns unmittelbar (oder auf einfache,<br />
durchschaubare Weise vermittelt) sich selbst sinnenhaft zeigen; und zwar<br />
so, dass wir sie als ein Gegenüber empfinden und auf uns wirken lassen noch<br />
ohne Vorurteil und Eingriff, auch wir also unbefangen, noch nicht festgelegt auf<br />
einen bestimmten Aspekt, sei es der physikalische, der ästhetische oder sonst einer.<br />
… Wir nehmen das Phänomen wahr als Menschen, das heißt: als Fragende«<br />
(Wagenschein 1980, S. 90).<br />
Damit sind als wesentliche Merkmale<br />
genannt: ein Phänomen<br />
zeigt sich sinnenhaft, wird also<br />
durch unsere Sinne in seiner Wirkung<br />
wahrgenommen.<br />
»Phänomene können nicht mit schon<br />
isoliertem Intellekt, [sie] 1) müssen mit<br />
dem ganzen Organismus (›am ganzen<br />
Leibe‹) erfahren werden. Auch wir müssen<br />
anfangs unbeschränkt sein« (Wagenschein<br />
1980, S. 97).<br />
Des Weiteren erleben die Kinder die<br />
Phänomene im Idealfalle noch ohne<br />
Vorurteil und Eingriff, haben noch keine<br />
von außen kommenden Erklärungen<br />
parat, sondern lassen die Erscheinung<br />
des Phänomens unbeschränkt auf sich<br />
wirken.<br />
Und dann kann – das ist schließlich<br />
der entscheidende Punkt – eine Frage<br />
entstehen. Hierin liegt die pädagogische<br />
Dimension (Wagenschein) dieses Unterrichts.<br />
Ein Beispiel:<br />
Was ist Naturwissenschaft?<br />
Wie funktioniert sie?<br />
An der Tafel steht »Naturwissenschaft«<br />
und das erste Kind entdeckt,<br />
dass darin eigentlich zwei Wörter, nämlich<br />
Natur und Wissenschaft enthalten<br />
sind. Ich wollte gar nicht lange bei dieser<br />
Wortexegese bleiben und hatte ein<br />
kleines Phänomen vorbereitet, über das<br />
ich mich mit den Kindern der Frage nähere,<br />
wie Wissenschaftlicher eigentlich<br />
arbeiten. In diesem Moment schlug in<br />
einem anderen Teil des Gebäudes lautstark<br />
eine Tür zu, was die leicht geöffnete<br />
Fensterscheibe unseres Klassenzimmers<br />
zum Scheppern brachte. Wir alle<br />
merkten auf, unsere Aufmerksamkeit<br />
richtete sich plötzlich auf den Lärm.<br />
Kurz danach geschah das Gleiche noch<br />
einmal. Ein Schüler merkte an: »Das ist<br />
ja komisch, da hinten schlägt eine Tür<br />
zu, und hier bei uns klappert die Fensterscheibe.«<br />
– Ein Mädchen fragte: »Wie<br />
kann das denn kommen? Wieso ist das<br />
so?«<br />
Ich schrieb spontan an die Tafel:<br />
1. Beobachtung<br />
2. Frage<br />
Scheibe. Jetzt konnte es losgehen. Im<br />
Gespräch wurde festgehalten:<br />
1. Beobachtung: Wenn die Tür zuschlägt,<br />
wackelt bei uns die Fensterscheibe.<br />
2. Versuch: Dieses geschieht immer<br />
wieder.<br />
3. Frage: Wodurch bringt die Tür die<br />
Scheibe zum Wackeln?<br />
Die Finger schnellten in die Höhe: »Ich<br />
weiß es, ich weiß es, ich kenne die Antwort!«,<br />
rief ein Drittklässer, sichtlich<br />
erregt. – An dieser Stelle bremste ich<br />
die Kinder und sagte: Wissenschaftler<br />
sagen nicht gleich die Antwort, sondern<br />
sie stellen zunächst Vermutungen an.<br />
Woher sollen sie auch gleich die Lösung<br />
wissen?<br />
Das leuchtete ein und schließlich<br />
stand an der Tafel:<br />
4. Vermutungen<br />
a) durch Weiterleitung der Vibration<br />
durch die Wand<br />
b) durch den Luftstoß, den die zuschlagende<br />
Tür nach außen auslöst<br />
c) durch den Luftstoß, den die zuschlagende<br />
Tür nach innen auslöst<br />
d) durch den Schall, das Echo des<br />
Knalls, der durch die Luft geleitet<br />
wird und von der gegenüberliegenden<br />
Wand an unser Fenster zurückgeschickt<br />
wird.<br />
Es ist die erste Stunde im neuen Schuljahr<br />
für die Schülerinnen und Schüler<br />
des dritten und vierten Schuljahres,<br />
bei der »Nawi« (Naturwissenschaft) auf<br />
dem Plan steht. Die Dreier sind hoch<br />
gespannt, haben sie sich doch schon<br />
lange hierauf gefreut. Die Vierer sind<br />
ein wenig überlegen-interessiert, denn<br />
sie haben bereits ein Jahr lang Erfahrungen<br />
mit diesen Inhalten hinter sich.<br />
Am Anfang eines jeden Schuljahres<br />
geht es immer darum, was eigentlich<br />
Naturwissenschaft bedeutet, wie Forscher<br />
und Wissenschaftlicher arbeiten.<br />
Für die einen ist es eine Einführung,<br />
für die anderen Gelegenheit zur Wiederholung<br />
und zur Darstellung ihres<br />
Wissens.<br />
… und erklärte den Kindern, dass wir<br />
jetzt schon mitten drin seien in der Vorgehensweise<br />
von Naturwissenschaftlern:<br />
Sie machen eine erstaunliche Beobachtung<br />
und stellen sich dazu eine<br />
Forschungsfrage. Dabei erwähnte ich,<br />
dass Wissenschaftler allerdings erst<br />
ausprobieren, ob sich die Beobachtung<br />
immer wiederholen ließe, also ob eine<br />
Regelmäßigkeit vorliegt. Sie führen<br />
daher Versuche durch, um das herauszufinden.<br />
Darauf sprangen die Kinder<br />
sofort an und fünf von ihnen durften<br />
zu der Tür gehen und sie zuschlagen<br />
lassen. Wir anderen wollten vor Ort<br />
beobachten, ob das Phänomen denn<br />
immer wieder auftritt. Und so war es.<br />
Bei jedem Türknall schepperte unsere<br />
Sofort war allen klar, dass es mehrere<br />
Antwortmöglichkeiten gibt, dass es sich<br />
lohnt, unterschiedliche Erklärungen zu<br />
hören und sie zu überprüfen. Also:<br />
5. Überprüfung<br />
Ein regelrechter Versuchsaufbau wurde<br />
entwickelt:<br />
Für die Vermutung a) hielten Kinder<br />
ihre flache Hand an die Wand, dort<br />
wo der Fensterrahmen eingemauert ist,<br />
denn da muss die Vibration ja entlangkommen.<br />
Für die Vermutung b) stellten sich<br />
Kinder außen vor die zuschlagende<br />
Tür, um zu erleben, ob sie einen Luftzug<br />
spüren, und für die Vermutung c)<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
19
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
stellten sich Kinder innen in die Nähe<br />
der Tür.<br />
Eine weitere Gruppe von Kindern<br />
wollte ihre Hände an die Blechverkleidung<br />
der gegenüberliegenden Wand<br />
halten, um zu spüren, ob dort das Echo<br />
eine Vibration auslöst.<br />
Die übrigen Kinder durften mehrmals<br />
die Tür knallen lassen, denn wir<br />
wussten jetzt ja schon, dass man eine<br />
ganze Versuchsreihe machen muss, um<br />
zu wirklichen Ergebnissen zu kommen,<br />
die etwas zu bedeuten haben. Und das<br />
waren unsere Versuchsergebnisse:<br />
a) An der Wand und am Fensterrahmen<br />
war eine Vibration zu spüren.<br />
b) Die Kinder, die außen an der Tür<br />
standen, spürten (durch die sich nach<br />
innen öffnende, also nach außen hin<br />
zuschlagende Tür) einen deutlichen<br />
Luftzug.<br />
c) Die Kinder, die innen an der Tür<br />
standen, spürten einen ganz leichten<br />
Luftzug.<br />
d) Die Kinder an der gegenüberliegenden<br />
Wand spürten eine leichte Vibration<br />
auf der Blechverkleidung.<br />
Der Austausch dieser Versuchsergebnisse<br />
ließ uns die folgende Antwort<br />
finden:<br />
6. Antwort:<br />
Die Scheibe wackelt vermutlich<br />
durch das Zuschlagen der Tür<br />
deshalb, weil die Vibration sowohl<br />
durch die Wand als auch durch die<br />
Luft und den Schall an unsere<br />
Fensterscheibe weitergeleitet wird.<br />
Es wurde noch differenziert herausgearbeitet,<br />
dass der Luftstoß der Tür außen<br />
deshalb stärker zu spüren ist, weil<br />
die Tür nach außen hin zuschlägt und<br />
daher innen nur ein leichter Luftzug<br />
(von der weggezogenen Luft) zu fühlen<br />
ist.<br />
Leider war jetzt die Zeit zu Ende, aber<br />
Sean aus dem vierten Schuljahr merkte<br />
noch an, dass man nun eigentlich eine<br />
Zeichnung machen und ein Protokoll<br />
schreiben müsse. Auf die Frage, wofür<br />
dieses erforderlich sei, fanden auch die<br />
jüngeren Schülerinnen und Schüler<br />
eine plausible Erklärung: Damit man<br />
das anderen mitteilen kann und sie<br />
nicht selber solche Versuche erst machen<br />
müssten. Man verabredete sich,<br />
dass dieses in der nächsten Stunde geschehen<br />
solle.<br />
Anmerkung<br />
(1) Im Original steht »ist« statt »sie«. Offenbar<br />
ein Druckfehler.<br />
Literatur<br />
Bosse, U. (2003): Lernen an Phänomenen. In:<br />
Reeken, D. v. (Hrsg.): Handbuch Methoden<br />
im Sachunterricht. Hohengehren: Schneider,<br />
S. 184 – 195.<br />
Hagstedt, H. / Spreckelsen, K. (1986):<br />
Wie Kinder physikalischen Phänomenen begegnen.<br />
In: Sachunterricht und Mathematik<br />
in der Primarstufe. Heft 9, S. 318 – 323.<br />
Köhnlein, W. (1998): Der Vorrang des Verstehens.<br />
Bad Heilbrunn.<br />
Romberg, J. (2001): Wie Kinder sich die Welt<br />
erobern. In: Geo, Heft 10, S. 169 – 180.<br />
Wagenschein, M. (1968): Verstehen lehren.<br />
Genetisch – Sokratisch – Exemplarisch.<br />
Weinheim und Basel.<br />
Wagenschein, M. (1973): Kinder auf dem Weg<br />
zur Physik. In: Wagenschein, M. / Banholzer,<br />
A. / Thiel, S., S. 10 – 75.<br />
Wagenschein, M. (1980): Naturphänomene<br />
sehen und verstehen. Genetische Lehrgänge.<br />
Stuttgart.<br />
Wagenschein, M. / Banholzer, A. / Thiel, S.<br />
(1973): Kinder auf dem Weg zur Physik.<br />
Wiebel, K. H. (2000): »Laborieren« als Weg<br />
zum Experimentieren im Sachunterricht.<br />
In: Die Grundschulzeitschrift, Heft 139,<br />
S. 44 – 47.<br />
20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Ulrich Bosse<br />
Brücken aus Papier –<br />
Statik und Stabilität<br />
Dieses Thema hat den Kindern besondere Freude bereitet, war es doch eine Verbindung<br />
aus eigenem, spontanen Experimentieren und anschließend systematischer<br />
Versuchsanordnung. Auch die anfängliche Wahrnehmung der scheinbaren<br />
Unmöglichkeit der Lösung forderte die Entdeckerfreude heraus.<br />
Die Aufgabenstellung ist einfach:<br />
Lege ein Blatt Papier längs über<br />
zwei Pfeiler (z. B. Wassergläser)<br />
und stelle darauf ein möglichst volles<br />
Glas mit Wasser. Geht das?<br />
Die Kinder durften alleine oder in<br />
sehr kleinen Gruppen arbeiten. Am<br />
besten eignet sich hierfür die Partnerarbeit,<br />
bei der aber jede Schülerin bzw.<br />
jeder Schüler sein eigenes Experiment<br />
durchführt.<br />
Alle möglichen Papierfaltungen wurden<br />
erprobt, es wurde geschummelt,<br />
verworfen. Die am häufigsten gewählte<br />
Faltweise war die eines »U«. Mit einer<br />
quadratischen Röhre hatte man schon<br />
erste, aber noch nicht zufriedenstellende<br />
Erfolge. Es gab Schüler, die von alleine<br />
auf die Zickzackfaltung kamen. Ich<br />
habe aber auch eine Klasse erlebt, bei<br />
der das niemand herausfand.<br />
Im nächsten Schritt wurden die Erfolge<br />
und Misserfolge vorgeführt und<br />
erklärt. Dann führten die Schülerinnen<br />
und Schüler mit der Zickzacklösung<br />
(bei der Klasse, die diesen Weg<br />
nicht selber entdeckt hatte, habe ich das<br />
übernommen) ihren Erfolg vor. Auch<br />
wenn die Brücke noch nicht gleich ein<br />
volles Glas mit Wasser hielt, ernteten<br />
diese Kinder großen Beifall und Staunen.<br />
»Ahas« und »Achsos« wurden laut.<br />
»Stimmt, darauf hätte ich auch kommen<br />
können«, sagten etliche.<br />
Das durften sie dann auch: Alle Kinder<br />
stellten nun eine eigene Zickzackfaltung<br />
her. Die Optimierungsbedingung<br />
des genauen und nicht zu groben Faltens<br />
wurde von den Schülerinnen und<br />
Schülern selber entdeckt und benannt.<br />
Die Erklärung für die fantastische statische<br />
Verbesserung eines Blattes Papier<br />
wurde von den Kindern im Gespräch<br />
formuliert und an der Tafel sowie später<br />
in den Kinderprotokollen festgehalten:<br />
»Durch das Falten ist jetzt direkt unter<br />
dem Wasserglas viel mehr Papier als bei<br />
einem glatten Bogen. Dadurch wird es<br />
so viel stärker und kann das Glas tragen.«<br />
Diese Formulierung ist ebenso<br />
anschaulich wie korrekt. Dem musste<br />
nichts mehr hinzugefügt werden.<br />
Nächste Versuchsrunde: Viele Zickzack-Brücken<br />
wurden errichtet. Vorsichtig<br />
wurde Wasser in die daraufstehenden<br />
Becher bzw. Gläser gefüllt.<br />
Nur selten einmal fiel einer um. (Wasser<br />
richtet keinen so großen Schaden<br />
an.) Welche Brücke hält am meisten<br />
aus? Schnell entstanden diese Frage und<br />
der Wunsch nach einer Versuchsreihe.<br />
Halt! Wie kommt man zu vernünftigen<br />
Kompetenzbeschreibung<br />
Lernkompetenzen<br />
●●<br />
Eine Versuchsreihe entwickeln<br />
und dokumentieren<br />
●●<br />
Unterschiedliche Lösungswege<br />
möglichst selbst herausfinden und<br />
realisieren<br />
●●<br />
Damit experimentieren und<br />
weiterentwickeln<br />
●●<br />
Exaktes Falten von Papier einüben<br />
●●<br />
Konstante Versuchsbedingungen<br />
und damit Vergleichbarkeit herstellen<br />
●●<br />
Lösungsvorschläge vergleichen<br />
und verbessern<br />
●●<br />
Abläufe protokollieren<br />
●●<br />
Lösungen dokumentieren<br />
Sachkompetenzen<br />
●●<br />
Augenscheinliche Materialeigenschaften<br />
(Instabilität eines Blattes<br />
Papier) als veränderbar erkennen<br />
●●<br />
Den Zusammenhang von Form<br />
und Stabilität eines Papierblattes<br />
herausfinden<br />
●●<br />
Formveränderung als Mittel zur<br />
Erlangung von Stabilität nutzen<br />
●●<br />
Die Kraftverteilung als Erklärungsansatz<br />
kennenlernen<br />
●●<br />
Anwendungsmöglichkeiten<br />
entdecken und entwickeln<br />
(z. B. Wellpappe, Turmbau)<br />
●●<br />
Unterschiedliche Profilformen<br />
entwickeln und erproben<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
21
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Vergleichen? Dieselben Versuchsbedingungen.<br />
Und wie hält man die Ergebnisse<br />
so fest, dass man sie vergleichen<br />
kann? Die unterschiedlich gefüllten Becher<br />
(Versuchsergebnisse) wurden nebeneinandergestellt<br />
und für die Nachwelt<br />
muss eine Tabelle her.<br />
Name<br />
Wasserstand des<br />
Bechers auf der Brücke<br />
Jacob<br />
Luisa<br />
Inga<br />
Denkbar wäre eine Ergänzung um<br />
den Wasserstand in Millimetern als<br />
dritte Tabellenspalte. Den nächsten<br />
Schritt kennen die Kinder schon: Sorgfältige<br />
Zeichnung und Protokollierung<br />
der Versuchsreihe.<br />
Viele Kinder optimierten ihre Konstruktionen<br />
weiter und noch Tage später<br />
wurde ich mit den neuesten »Wasserstandsmeldungen«<br />
versorgt. Ein Schüler<br />
brachte es sogar auf drei (!!!) übereinandergestellte<br />
Wasserbecher!<br />
Auf Grund des hohen Interesses wurde<br />
eine nächste Fragestellung ins Spiel<br />
gebracht: Wo in unserer Welt finden<br />
sich denn solche Zickzackformen bei<br />
Papier? Vorsichtshalber hatte ich bereits<br />
unterschiedliche Wellpappen dabei.<br />
Doch einige Kinder kamen von selber<br />
auf diese Lösung. Andere hatten noch<br />
nie bewusst Wellpappe wahrgenommen.<br />
So ergab sich der nächste Schritt:<br />
Wir stellen unsere eigene Wellpappe<br />
her. Für die feste Verbindung des Zickzackpapiers<br />
mit dem Ober- und dem<br />
Unterblatt durfte nun auch der vorher<br />
nicht erlaubte Kleber verwendet<br />
werden. Neue Versuchsreihen folgten,<br />
Haus- und Turmkonstruktionen ergaben<br />
sich von alleine.<br />
www.<br />
Links für Lehrerinnen und Lehrer<br />
●●<br />
Diese Seite gibt eine Erklärung zum Thema Wellpappe und den verschiedenen<br />
Typen von Wellpappe: www.resy-gmbh.online.de/pw/pw_we.htm<br />
●●<br />
Allgemeine Informationen über Wellpappe und ihre Wellenform:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Wellpappe#Wellenform<br />
●●<br />
Hier kann man je eine PDF-Datei über den Versuch für Betreuer bzw. Schüler<br />
herunterladen (Bau einer Papierbrücke – allerdings mit Klebstoff – und eine<br />
Versuchs beschreibung sowie Informationen über Papier):<br />
http://tek-point.hs-heilbronn.de ➝ Für Betreuer ➝ Anleitungen ➝ Brückenbau<br />
www.<br />
Links für Schülerinnen und Schüler<br />
●●<br />
Eine Bauanleitung und Erklärung der Papierbrücke für Kinder:<br />
www.kids-and-science.de ➝ Inhaltsverzeichnis Experimente für Kinder ➝ Die Brücke<br />
aus Papier, die enormes Gewicht aushält<br />
● ● ›Wissen macht Ah‹ erklärt in einem kleinen Film die Papierbrücke:<br />
www.wdr.de/tv/wissenmachtah ➝ Multimedia ➝ Videos ➝ Mini Ah! ➝ Papierbrücke<br />
(zuletzt gesehen: 08/2012)<br />
●●<br />
Hier wird der Begriff der Statik erklärt:<br />
www.tk-logo.de ➝ Ausprobieren ➝ Experimente machen (Suchbegriff eingeben:<br />
Statik)<br />
22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Lina Falcke<br />
Bionik – Fliegen in Natur und Technik<br />
›Fliegen in Natur und Technik‹ – ein Thema voller Faszination. Zum Einstieg<br />
bekommen die Kinder das Titelbild von »Amy und die Wildgänse« präsentiert.<br />
Alle Kinder kennen den Film und so kommt es zu Erzählungen, was in dem<br />
Film passiert und was genau auf dem Bild zu sehen ist. Amy fliegt mit einem<br />
Fluggerät und die Wildgänse folgen ihr.<br />
Aber was hat das nun mit dem<br />
neuen Thema zu tun? Ganz<br />
klar, es geht ums Fliegen. Aber<br />
nicht nur das Fliegen von Vögeln, sondern<br />
auch von Flugobjekten und anderen<br />
Dingen, die fliegen. Die Kinder<br />
vermerken auf zwei Plakaten, was eigentlich<br />
fliegt. Zum einen, was in der<br />
Technik fliegt, und zum anderen, was<br />
in der Natur fliegt (Flugzeuge, Hubschrauber,<br />
Fallschirmspringer, mechanische<br />
Vögel oder Libellen etc.). Aber<br />
auch Wolken fliegen und Planeten.<br />
Nun, was fliegt denn jetzt eigentlich<br />
wirklich? Das wird erst einmal in der<br />
Gruppe diskutiert. Insekten, Vögel sowie<br />
Pollen und Pusteblumen fliegen!<br />
Die Frage taucht auf: Wie fliegt etwas<br />
und wie kann man die gesammelten<br />
Begriffe sortieren? Vorgeschlagen wird<br />
eine alphabetische Sortierung, aber<br />
macht das wirklich Sinn? Zum Schluss<br />
kommen die Kinder darauf, die Begriffe<br />
nach dem, wie etwas fliegt, zu ordnen.<br />
Entweder fliegt etwas mit Motorkraft,<br />
das ist allen klar. Also ordnen wir diesem<br />
Begriff Helikopter, Düsenjet und<br />
auch Flugzeuge zu. Die nächste Kategorie<br />
ist die Windkraft. Hier ordnen<br />
die Kinder Fallschirmspringer und<br />
Gleiter sowie Pusteblumen, Pollen und<br />
Gräser zu. Aber was ist jetzt mit den<br />
Vögeln und Libellen, die fliegen nicht<br />
mit Motorkraft, aber auch nicht nur<br />
mit Windkraft. Also muss noch eine<br />
weitere Kategorie gefunden werden.<br />
Nach reiflichem Überlegen kommt die<br />
Muskelkraft ins Spiel, und nun ist es<br />
einfacher, die restlichen Begriffe zuzuordnen.<br />
Auf die Frage, ob etwas genauer<br />
betrachtet werden kann, um herauszufinden,<br />
wie es wirklich fliegt, kommen<br />
die ersten Ideen. Wir könnten auf den<br />
Schulhof gehen und alles, was fliegt,<br />
sammeln. Jede Zweiergruppe bekommt<br />
nun eine Tüte, in der Gegenstände auf<br />
dem Schulhof gesammelt werden können,<br />
und dann geht’s auch schon los. Einige<br />
Gruppen finden nicht sofort etwas,<br />
aber dafür gibt es immer jemanden, der<br />
ihnen noch einen kleinen Tipp mit auf<br />
den Weg geben kann.<br />
In der nächsten Stunde muss erst<br />
einmal überlegt werden, was genau eigentlich<br />
Pollen und Samen sind, dies ist<br />
nicht allen klar, und so wird diese Fragestellung<br />
anhand von Bildern geklärt.<br />
Im Anschluss bekommen die Kinder<br />
Lupengläser und können ihre Flugsamen<br />
genau betrachten. Auf einem Proto-<br />
Kompetenzbeschreibung<br />
Lernkompetenzen<br />
●●<br />
Konstante und damit vergleichbare<br />
Versuchsbedingungen herstellen<br />
und beschreiben<br />
●●<br />
Versuche entwickeln und<br />
dokumentieren<br />
●●<br />
Zeichnungen und Modelle<br />
anfertigen<br />
●●<br />
Unterschiedliche Lösungswege<br />
selbst herausfinden und realisieren<br />
●●<br />
Damit experimentieren und<br />
weiterentwickeln<br />
●●<br />
Lösungsvorschläge vergleichen<br />
und verbessern<br />
●●<br />
Verschiedene Medien (Internet,<br />
Printmedien) für die Informationsrecherche<br />
nutzen<br />
●●<br />
Ein Plakat nach vereinbarten<br />
Kriterien gestalten und in einer<br />
Ausstellung präsentieren<br />
Sachkompetenzen<br />
●●<br />
Funktionen von Flugsamen<br />
kennenlernen<br />
●●<br />
Bäume anhand von Flugsamen<br />
bestimmen<br />
●●<br />
Tiere, Pflanzen und Gegenstände<br />
aus der Technik (Flugzeuge, etc.) nach<br />
Flugmechanismen ordnen<br />
●●<br />
Erkenntnisse über den Begriff<br />
›Bionik‹ und die Entwicklung dieser<br />
Wissenschaftsdisziplin erlangen<br />
●●<br />
Flugmechanismen für Flugmodelle<br />
von Flugsamen ableiten<br />
●●<br />
Flugmechanismen (Schwerpunktlage<br />
bei Flugsamen) erkennen<br />
Beschreibung der Flugsamen<br />
Testen der Flugmodelle<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
23
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
kollblatt 1) zeichnen sie und schreiben sie<br />
auf, wie ihr Flugsamen fliegt und wie er<br />
aussieht. Aber wie heißt er? Manche wissen<br />
es schon und können ohne Probleme<br />
und ohne in den Bestimmungsbüchern<br />
nachzuschlagen den Namen aufschreiben.<br />
Andere sehen lieber noch einmal<br />
nach, um sich zu vergewissern. Die Entdeckung,<br />
dass ein Ahornsamen im Kreis<br />
fliegt, und zwar immer mit dem Samen<br />
nach unten, scheint den Kindern, die ihn<br />
näher betrachtet haben, klar zu sein.<br />
Andere entdecken hierin das Thema<br />
Schwerkraft. Ein Löwenzahnsamen<br />
schwebt langsam zu Boden und immer<br />
in die Richtung, in die der Wind bläst,<br />
auch diese Erkenntnis gewinnen die<br />
Kinder. Bei einem der Löwenzahnschirme<br />
ist der Samen abgegangen. Nun<br />
dreht er sich im Flug und der Stängel<br />
zeigt nach oben. Wieder die Schwerkraft:<br />
Der Schirm ist wohl schwerer als<br />
der Stängel und wird stärker angezogen.<br />
Einige Kinder sind schneller fertig<br />
und betrachten noch einen zweiten<br />
Samen oder beginnen Ausmalblätter<br />
zu bearbeiten. Hierbei überlegen sie<br />
noch einmal, welche Farben eigentlich<br />
die Blätter und der Samen des Ahornbaums<br />
und des Löwenzahns haben. Einige<br />
nehmen zur Kontrolle die Bestimmungsbücher<br />
hinzu.<br />
In der dritten Stunde geht es darum,<br />
Flugmodelle zu bauen. Die Kinder<br />
überlegen in Zweiergruppen, wie sie<br />
ein Flugmodell konstruieren können,<br />
das den gleichen Flugmechanismus wie<br />
ihr Flugsamen aufweist. Hier basteln<br />
die Kinder aus Korken, Bindfäden und<br />
Plastiktüten Fallschirme aller Art und<br />
testen sie zum Teil draußen oder auf<br />
dem Tisch stehend. Einige gehen in die<br />
1. Etage und lassen ihre Flieger von der<br />
Terrasse hinabsegeln. Aber es werden<br />
auch Schraubflieger aus Papier gebastelt,<br />
zum Teil mit Anleitung, aber auch<br />
eigene Kreationen. Die meisten fliegen<br />
sehr gut. Manche testen die Flugzeit eines<br />
Modells im Vergleich zu den Flugsamen<br />
und verbessern es so, dass es genau<br />
gleich lange fliegt. Ein Schüler kommt<br />
auf die Idee, drei Ahornflügel so mit<br />
einer Stecknadel zu verbinden, dass sie<br />
wie ein Hubschrauberrotor aussehen.<br />
Dieses Modell erlangt enorme Drehund<br />
Flugeigenschaften. Bionik einmal<br />
umgekehrt. Im Anschluss schreiben<br />
alle ihre Ergebnisse auf ein Arbeitsblatt.<br />
Hier wird auch das Flugmodell<br />
gezeichnet und der Flugmechanismus<br />
beschrieben und gemalt. Die Möglichkeit,<br />
ihren Flugmodellen eigene Namen<br />
zu geben, scheint den Kindern sehr zu<br />
gefallen, und es tauchen Namen auf wie<br />
Doppelflieger, Apollo 3 oder Nimbus 2.<br />
In der nächsten Stunde hören die<br />
Kinder die Geschichte von Daidalus<br />
und Ikarus, die mit ihren selbstgebauten<br />
Flügeln flogen. Doch Ikarus stürzt<br />
ab. Die Kinder wissen genau, wieso das<br />
passiert ist: Mit Flügeln aus Wachs und<br />
Federn kann man doch nicht zur Sonne<br />
fliegen, dann schmelzen die Flügel!<br />
Die gemeinsame Betrachtung von zwei<br />
Bildern während der Geschichte hilft<br />
ihnen dabei, diese Erkenntnis zu gewinnen.<br />
Auf dem einen Bild sehen wir<br />
Ikarus und Daidalus bei dem Bau ihrer<br />
Flügel aus Wachs und Federn und auf<br />
dem zweiten Bild sehen wir Ikarus und<br />
Daidalus bei ihrem Flug, während Ikarus<br />
abstürzt.<br />
Nun geht es darum, weitere Ideen<br />
von Menschen, die dem Traum und<br />
auch der Verwirklichung vom Fliegen<br />
nachgegangen sind – arbeitsteilig –<br />
kennenzulernen, die wichtigsten Dinge<br />
auf einem Plakat festzuhalten und den<br />
MitschülerInnen später vorzustellen.<br />
Jeweils eine Vierergruppe soll sich zusammentun<br />
und solch ein Plakat erstellen.<br />
Es stellt sich auch die Frage: Was<br />
muss eigentlich auf ein Plakat und wie<br />
muss ein Plakat aussehen, damit es gut<br />
zur Geltung kommt? Das wissen alle<br />
Kinder schon, denn damit haben sie<br />
bereits Erfahrung. Aber was soll auf<br />
dem Plakat stehen? Wir überlegen noch<br />
einmal, was die Geschichte über Ikarus<br />
für Informationen beinhaltete und entscheiden<br />
uns für Folgendes:<br />
●●<br />
Wie heißt der Erfinder?<br />
●●<br />
Wie heißt das Flugobjekt?<br />
●●<br />
Wann wurde das Flugobjekt<br />
erfunden?<br />
●●<br />
Wie fliegt das Flugobjekt?<br />
●●<br />
Welches Vorbild wurde für das<br />
Flugobjekt benutzt?<br />
Testen der Flugmodelle<br />
24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Praxis: Naturwissen schaffen<br />
Die Informationen für die Erstellung<br />
der Plakate stehen in einem Booklet. Das<br />
Booklet besteht aus einer Sammlung von<br />
Texten zum Thema Fliegen in der Bionik,<br />
die aus unterschiedlichen Büchern<br />
zur Bionik für Kinder entnommen sind.<br />
Aber wie soll man aus den ganzen Texten<br />
Informationen sammeln können?<br />
Das ist gar nicht so einfach. Die Gruppen<br />
bekommen Klebezettel und sollen die<br />
für sie interessanten Seiten markieren,<br />
um sich besser zurechtzufinden. Also<br />
muss erst einmal die richtige Seite gefunden<br />
werden, und die muss dann gelesen<br />
werden, um an Informationen zu gelangen.<br />
In den Gruppen lesen sich die Kinder<br />
gegenseitig vor und schreiben ihre<br />
Informationen auf. Bei einigen klappt<br />
das schon sehr gut, andere brauchen<br />
dabei noch Hilfe. Die Kinder erstellen<br />
Plakatentwürfe, schreiben Texte vor, die<br />
sie dann im Computerraum tippen dürfen.<br />
Hier können sie auch nach Bildern<br />
im Internet suchen, und einige, die ganz<br />
schnell sind, informieren sich schon weiter<br />
zu ihrem Thema.<br />
Die Plakatgestaltung dauert etwas,<br />
aber die Ergebnisse sind gelungen. Einige<br />
Gruppen sind früher fertig als andere<br />
und üben, wie sie ihr Plakat der Gruppe<br />
vorstellen können. Da noch Zeit ist,<br />
überlegen sie sich Quizfragen, die sie<br />
den anderen Kindern nach ihrer Präsentation<br />
stellen können.<br />
Die Präsentationen sind gut und die<br />
Kinder hören aufmerksam zu, da kann<br />
www.<br />
Links für Lehrerinnen und Lehrer<br />
●●<br />
Diese Seite enthält eine Unterrichtsreihe zum Thema Bionik für die Klassen 3 und<br />
4 mit dem Fokus auf die Sendung Löwenzahn zum Thema Bionik:<br />
www.lehrer-online.de/loewenzahn-bionik.php<br />
●●<br />
Eine Handreichung zur naturwissenschaftlichen Bildung mit dem Fokus auf Physik<br />
und Bionik findet sich hier: www.uni-kiel.de/piko/downloads/Bionik.pdf<br />
●●<br />
Allgemeine Informationen zur Bionik im Kontext Schule sind hier zu finden von<br />
der Autorin des Buches ›Die genialsten Erfindungen der Natur‹:<br />
www.grundschulpraxis.de ➝ Inhalte ➝ Forschungsreisen ➝ Bionik<br />
●●<br />
Informationen zur Bionik werden auf dieser Seite gut dargestellt und sind in<br />
verschiedene Themenbereiche aufgeteilt: www.ideenlabor-natur.de/bionik.html<br />
●●<br />
Historisches zur Bionik findet sich auf diesen Seiten:<br />
www.biokon.net/bionik/historie.html bzw. www.bionik-netz.de<br />
www.<br />
Links für Schülerinnen und Schüler und Buchvorschlag<br />
●●<br />
Auf dieser Seite sind viele Informationen zum Thema Bionik für Kinder aufbereitet:<br />
www.kindernetz.de ➝ infonetz ➝ Technik und Umwelt ➝ bionik<br />
●●<br />
Diese Seite bietet neben Informationen und Experimenten zum Thema Bionik<br />
auch ein Quiz: www.bionik-online.de/index.html<br />
●●<br />
Auf dieser Seite gibt es die Möglichkeit die Löwenzahn-Sendung zum Thema<br />
Bionik anzusehen: www.tivi.de/fernsehen/loewenzahn/index/17738/index.<br />
html?b-1-/fernsehen/loewenzahn/lexikon/02514/index2.html (bzw. www.tivi.de ➝<br />
Suche: Bionik ➝ Löwenzahn-Sendung vom 9. März 2012)<br />
Buchvorschlag<br />
Belzer, S. / Nishitani, P. (2011): Die genialsten Erfindungen der Natur. Bionik für Kinder<br />
(3. Auflage). Fischer-Schatzinsel: Bd. 85389. Frankfurt am Main: Fischer.<br />
man richtig was lernen. Die Quizfragen<br />
geben die Möglichkeit, die anderen<br />
Kinder miteinzubeziehen, und die<br />
meisten Kinder können sie gut beantworten.<br />
Im Anschluss werden die Plakate<br />
noch bewertet, mit einem Punktesystem.<br />
Drei Kategorien gibt es hier:<br />
Inhalt, Gestaltung des Texts und Gestaltung<br />
der Bilder. Das sind Kriterien,<br />
die vorher schon für die Erstellung der<br />
Plakate besprochen worden sind. Einige<br />
der Plakate schneiden richtig gut ab.<br />
Anmerkung<br />
(1) Link für dieses und weitere Blätter, die in<br />
diesem Unterricht eingesetzt werden:<br />
www.<br />
www.naturforscher.laborschule.de<br />
Plakate<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
25
Rundschau<br />
Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />
ist neu aufgestellt!<br />
Der im Mai gewählte<br />
neue Vorstand<br />
(v. l. n. r.):<br />
Erika Brinkmann,<br />
Maresi Lassek,<br />
Gabriele Klenk,<br />
Marion Gutzmann,<br />
Ulrich Hecker,<br />
Susanne Peters<br />
Sorgfältig und akribisch war die<br />
Wahl vorbereitet. Das Ergebnis<br />
der Debatten über die künftige<br />
Struktur und die nötigen Arbeitsformen<br />
innerhalb der Gremien konnte sich<br />
sehen lassen, die Delegiertenversammlung<br />
war sich einig, der bisherige Vorstand<br />
hatte ein dickes Dankeschön für<br />
die in den zurückliegenden vier Jahren<br />
geleistete Arbeit verdient. Blumensträuße<br />
wurden ausgepackt und Dankesreden<br />
gehalten. Freude, Anerkennung<br />
und auch ein wenig Wehmut waren mit<br />
dabei, als Lilo Groll, die langjährige<br />
Vorsitzende und Delegierte der Landesgruppe<br />
Saarland, die Blumen überreichte.<br />
Auch sie wusste, was es heißt, neben<br />
der Arbeit als Grundschullehrerin und<br />
Schulleiterin noch ein zeitraubendes<br />
Ehrenamt auszufüllen. Viele Jahre hat<br />
sie mit ihrem breiten schulpraktischen<br />
Erfahrungshintergrund die Diskussion<br />
in den Gremien bereichert. Sie, die sich<br />
auf dieser Veranstaltung in den Ruhestand<br />
verabschiedete, übernahm auch<br />
jetzt wieder den Vorsitz im Wahlausschuss.<br />
Vielen Dank auch an Lilo Groll!<br />
Nicht nur von denen, die über eine<br />
Kandidatur ernsthaft nachgedacht haben,<br />
staunten und zweifelten einige aus<br />
der Runde, wie das, was im Rechenschaftsbericht<br />
aus der Legislaturperiode<br />
2008 – 2012 zu lesen war, neben<br />
dem Beruf und den sonstigen<br />
sozialen Verpflichtungen noch so alles<br />
gestemmt werden konnte. Zu den<br />
Themen Leistungskultur, Noten, Übergänge,<br />
Schulanfang, Bildungsgerechtigkeit,<br />
Vergleichsarbeiten und Leistungstests,<br />
Schriftentwicklung und Inklusion<br />
wurden Stellungnahmen veröffentlicht,<br />
Interviews gegeben, Einladungen zu<br />
Podiumsdiskussionen befolgt und nicht<br />
zuletzt Fachtagungen konzipiert und<br />
praxisbezogene Publikationen herausgegeben.<br />
Ohne Frage, der Grundschulverband<br />
erfreut sich einer wachsenden<br />
Beachtung in der bildungspolitischen<br />
Öffentlichkeit.<br />
Verständlich, dass die Delegiertenversammlung<br />
Maresi Lassek, Grundschullehrerin<br />
und Schulleiterin in Bremen,<br />
als Vorsitzende, Susanne Peters,<br />
Dipl.-Päd., Lehrerin und Schulinspektorin<br />
beim Institut für Bildungsmonitoring<br />
in Hamburg, und Ulrich Hecker,<br />
Grundschullehrer und Schulleiter in<br />
Moers, als stellvertretende Vorsitzende<br />
einstimmig wiedergewählt haben. Um<br />
die kommenden Aufgaben auf mehrere<br />
Schultern verteilen zu können, hatten<br />
im Vorfeld der Wahl Vorstand und Delegiertenversammlung<br />
eine Satzungsänderung<br />
beschlossen. Nach dieser<br />
konnte die Delegiertenversammlung<br />
bis zu drei weitere Vorstandmitglieder<br />
wählen. Das Amt der Schatzmeisterei<br />
wurde gestrichen, die Position einer GeschäftsführerIn<br />
stattdessen eingeführt.<br />
Der neuen Satzung folgend, hat die<br />
Delegiertenversammlung mit großer<br />
Mehrheit Dr. Erika Brinkmann, Grundschullehrerin<br />
und Hochschulprofessorin<br />
an der PH in Schwäbisch Gmünd,<br />
Marion Gutzmann, Grundschullehrerin<br />
und Referentin fürSprachförderung<br />
und DaZ amLISUM Berlin-Brandenburg,<br />
und Gabriele Klenk, Grundschullehrerin<br />
und Schulleiterin in Stein/<br />
Bayern, als weitere Vorstandmitglieder<br />
gewählt. Sylvia Reinisch wurde vom<br />
Vorstand als Geschäftsführerin bestellt.<br />
Die Delegiertenversammlung gratulierte<br />
dem gewählten Vorstand ganz<br />
herzlich. Minette Volkwardt, die durch<br />
den Wegfall des Schatzmeisteramtes im<br />
neuen Vorstand nicht mehr vertreten<br />
ist, wurde mit einem Dankeschön und<br />
süßen Leckereien verabschiedet.<br />
Hab ich da ein Aufatmen und hoffnungsfrohes<br />
Jubilieren nach dem langen<br />
Abstimmungsmarathon gehört?<br />
Es wäre nachvollziehbar – lange wurde<br />
gerade in der Strukturfrage um den<br />
richtigen Weg und die Form der Zusammenarbeit<br />
zwischen Vorstand und<br />
Fachreferaten gerungen. Die Frage, ob<br />
wissenschaftlicher Beistand künftig<br />
fakultativ in Form eines Beirates oder<br />
weiterhin verbindlich in Fachreferaten<br />
einzubinden ist, wurde zum Schluss<br />
doch einstimmig beantwortet: Auch<br />
in den kommenden vier Jahren werden<br />
ExpertInnen aus der Wissenschaft<br />
verbindlich und eng verzahnt mit dem<br />
Vorstand zusammenarbeiten und gemeinsam<br />
die anstehenden Vorhaben<br />
auf den Weg bringen.<br />
Beruhigend zu wissen, dass in den<br />
Gremien Expertinnen und Experten<br />
vertreten sind, die durch ihren beruflichen<br />
Hintergrund und ihre Kompetenzen<br />
alle grundschulrelevanten Handlungsfelder<br />
bedienen können. Ich freue<br />
mich auf weitere Jahre der Zusammenarbeit<br />
mit Vorstand und FachreferentInnen.<br />
PädagogInnen, die im Sinne einer<br />
am Kind orientierten Pädagogik im<br />
täglichen Handeln überschaubare Entwicklungsfelder<br />
schaffen, in denen<br />
Schü le rinnen und Schüler eigenständig<br />
Anforderungen erfolgreich bewältigen<br />
können, machen Mut.<br />
»Allen Kindern gerecht werden« ist<br />
Forderung und Aufgabe zugleich. Der<br />
Grundschulverband wird auch in Zukunft<br />
mit geballter Kraft sich dieser<br />
Aufgabe widmen.<br />
Sylvia Reinisch,<br />
Geschäftsführerin<br />
des Grundschulverbandes<br />
26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Rundschau<br />
Deutscher Schulpreis 2012<br />
»Dem Lernen Flügel verleihen«<br />
Unter diesem Motto steht der<br />
Deutsche Schulpreis, der alljährlich<br />
von der Robert-Bosch-<br />
Stiftung und der Heidehof-Stiftung<br />
verliehen wird. Auch in diesem Jahr<br />
gehören <strong>Grundschule</strong>n zu den Preisträgern.<br />
Mit dem Preis sollen pädagogische<br />
Leistungen gewürdigt und für<br />
die Schulentwicklung in Deutschland<br />
nutzbar gemacht werden. Grundlage<br />
des Wettbewerbs ist ein umfassendes<br />
Bildungsverständnis, das in sechs Qualitätsbereichen<br />
zum Ausdruck kommt:<br />
Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität,<br />
Verantwortung, Schulleben<br />
und Schule als lernende Institution.<br />
Den mit 100.000 Euro dotierten<br />
Hauptpreis erhielt mit der Evangelischen<br />
Schule Neuruppin in Brandenburg in<br />
diesem Jahr ein Gymnasium. Vier weitere<br />
Preise in Höhe von je 25.000 Euro gingen<br />
an die Erich Kästner-Gesamtschule<br />
in Bochum, die Paul-Martini-Schule<br />
(Schule für Kranke) in Bonn sowie die<br />
beiden <strong>Grundschule</strong>n Am Pfälzer Weg<br />
in Bremen und Rellinger Straße in Hamburg.<br />
Der »Preis der Jury« ging an die<br />
August-Claas-Schule, eine Ganztagshauptschule<br />
in Harsewinkel (NRW).<br />
In seinem Glückwunschschreiben freut<br />
sich der Vorstand des Grundschulverbandes,<br />
dass die beiden Preisträger-<br />
<strong>Grundschule</strong>n schon seit vielen Jahren<br />
Mitglied im Grundschulverband sind.<br />
Beide zeichnen sich dadurch aus, dass<br />
sie Schule und Lernen von den Kindern<br />
aus denken und durch individualisierte<br />
Lernformen und jahrgangsübergreifende<br />
Lerngruppen gute Bedingungen für<br />
erfolgreiches Lernen herstellen. Wörtlich<br />
heißt es im Glückwunschschreiben:<br />
»Allen Kindern gerecht werden – diesem<br />
gemeinsamen Ziel folgend geben<br />
Sie mit Ihrer Pädagogik, mit Ihren Beispielen<br />
guter Grundschularbeit vielen<br />
Kolleginnen und Kollegen Anregungen<br />
und Anlass, an der Entwicklung der eigenen<br />
Schulen weiterzuarbeiten.«<br />
Schule am Pfälzer Weg, Bremen<br />
Die Schule am Pfälzer Weg ist umstanden<br />
von weiß-grauen Hochhäusern.<br />
Der Bremer Stadtteil Tenever ist kein<br />
einfacher Ort. In der Schule spiegeln<br />
sich die kulturellen Unterschiede und<br />
sozialen Schwierigkeiten des Stadtteils<br />
wider: Rund 90 Prozent der knapp 180<br />
Kinder haben einen »Migrationshintergrund«,<br />
ihre Eltern kommen aus den<br />
verschiedensten Ländern und Kulturen.<br />
Mindestens 60 Prozent ihrer Familien<br />
sind auf Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld<br />
angewiesen.<br />
Ein schwieriges Elternhaus und ein<br />
Standort an einem »sozialen Brennpunkt«<br />
bedeuten für Kinder schlechtere<br />
Chancen auf einen guten Schulabschluss,<br />
eine Ausbildung, einen<br />
vernünftig bezahlten Job. Die Schule<br />
am Pfälzer Weg hat es sich zur Aufgabe<br />
gemacht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen,<br />
die Startnachteile der Kinder<br />
soweit es geht auszugleichen und ihnen<br />
eine Perspektive zu geben.<br />
Nach einer selbst entwickelten Eingangsdiagnostik<br />
erhalten die Kinder<br />
in jahrgangsübergreifenden Lerngruppen<br />
individualisierende Angebote in<br />
den Kernbereichen der Grundschulbildung.<br />
Diese werden durch Erst- und<br />
Zweitsprachunterricht, psychomotorische<br />
Kom petenzförderung sowie durch<br />
vielfältige Gelegenheiten zur verantwortungsvollen<br />
Mitgestaltung ergänzt.<br />
Herausragend ist das in enger Zusammenarbeit<br />
mit der benachbarten Kindertageseinrichtung<br />
und der Sekundarschule<br />
entwickelte »Übergangsmanagement«<br />
und die intensive Einbeziehung<br />
der Eltern. Besonders am Herzen liegt<br />
Schulleiterin Maresi Lassek ein guter<br />
Kontakt zu den Eltern, weshalb sie vor<br />
sechs Jahren das Programm »KESch«<br />
ins Leben rief: »Kinder, Eltern und<br />
Schule im Dialog«.<br />
Schule Rellinger Straße, Hamburg<br />
Ein »Logbuch« ist eine in der Seefahrt<br />
übliche Aufzeichnung der täglichen Ereignisse.<br />
Logbücher gibt es auch an der<br />
Schule Rellinger Straße. Hier »hat jedes<br />
Kind ein solches Logbuch, in dem alle<br />
›Lern-Ereignisse‹ verzeichnet werden,<br />
damit unsere Kinder den Überblick<br />
über ihre Lernfortschritte behalten.«<br />
Dieser Satz markiert die Philosophie<br />
der Schule: Kinder lernen immer! An<br />
der Schule Rellinger Straße – liebevoll<br />
»Relli« genannt – planen Kinder ihr<br />
Lernen selbst und sind selbst verantwortlich<br />
dafür. Mädchen und Jungen<br />
lernen individuell – und doch kommt<br />
es auch auf die Gemeinschaft an: Die<br />
Kinder arbeiten in »JüL-Gruppen«, in<br />
jahrgangsübergreifenden Gruppen der<br />
Jahrgänge 1 bis 3 und 4 bis 6. Hier lernen<br />
Kinder miteinander und voneinander.<br />
Es gibt nur noch Doppelstunden,<br />
die LehrerInnen erteilen »Kompetenzzeugnisse«<br />
statt Notenzeugnisse.<br />
Zudem ist die »Relli« eine Schulversuchsschule<br />
für längeres gemeinsames<br />
Lernen. Grundschüler bleiben sechs<br />
statt der üblichen vier Jahre zusammen,<br />
bevor sie sich auf andere Schularten<br />
verteilen. Diese »Primarschule« war ursprünglich<br />
für alle Hamburger <strong>Grundschule</strong>n<br />
geplant, doch die Reform scheiterte<br />
2010 bei einer Volksabstimmung.<br />
Zu viele Hamburger Eltern fürchteten<br />
damals Nachteile durch einen zwei Jahre<br />
späteren Beginn »gymnasialen Lernens«.<br />
Nur vier Hamburger <strong>Grundschule</strong>n<br />
unterrichten ihre Schüler sechs Jahre<br />
lang – als Schulversuch. Die Schule Rellinger<br />
Straße gehört dazu.<br />
Ulrich Hecker,<br />
Redakteur <strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
www.<br />
Weitere Informationen<br />
http://schulpreis.bosch-stiftung.de<br />
www.pfaelzer-weg.de<br />
www.schule-rellinger-strasse.de<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
27
Rundschau<br />
Standpunkt Schulentwicklung<br />
<strong>Grundschule</strong> entwickeln – Gestaltungsspielräume<br />
schaffen: Qualitätsentwicklung im Dialog<br />
Zur Lage<br />
Die <strong>Grundschule</strong> steht als lernende Institution<br />
in einem ständigen Entwicklungsprozess.<br />
Dieser kann nicht »von<br />
oben« verordnet werden, bedarf aber der<br />
Herausforderung und Unterstützung<br />
»von außen«. Gelingen kann er nur im<br />
Dialog mit allen Beteiligten – innerhalb<br />
und außerhalb der Schule. In der Schule<br />
sind dies nicht nur die Pädagog(inn)en<br />
und das weitere Schulpersonal, sondern<br />
auch die Eltern und – oft vergessen – die<br />
Kinder. Schulentwicklung »von innen«<br />
und »von unten« braucht daneben Initi-<br />
ativen und Unterstützung der Schulträger,<br />
anderer (Bildungs-)Einrichtungen<br />
vor Ort, der Schulverwaltung und der<br />
Bildungspolitik. Erforderlich ist eine<br />
systemische Perspektive auf Schule, die<br />
Maßnahmen der Unterrichts-, der Personal-<br />
und Organisationsentwicklung<br />
einschließt.<br />
Auch wenn in vielen Bundesländern<br />
die (Teil-)Autonomie der Schule betont<br />
wird: Durch Leistungsstandards,<br />
durch Fremdevaluation der Einzelschule<br />
sowie standardisierte Diagnose- und<br />
Vergleichsarbeiten hat der indirekte<br />
Einfluss der Kultusbürokratie bis in den<br />
Unterricht der einzelnen Lehrperson<br />
hinein zugenommen. Die Entwicklung<br />
der Schulen wird zu stark durch die<br />
Messung fachlicher Lernstände und Effizienzforderungen<br />
bestimmt. Zudem<br />
belasten wachsende bürokratische Ansprüche<br />
Schulleitungen wie Schulpersonal<br />
gerade der personell gering ausgestatteten<br />
<strong>Grundschule</strong>n.<br />
Der Grundschulverband fordert deshalb:<br />
Freiraum für die Schulen, innerhalb<br />
des staatlichen Rahmens<br />
1<br />
eigene Schwerpunkte zu setzen,<br />
Evaluation und Qualitätssicherung<br />
selbstständig zu gestalten<br />
Schulentwicklung ist Aufgabe der Einzelschule<br />
und aller an ihr beteiligten<br />
Personen. Als Orientierung helfen pädagogische<br />
Leitbilder, wie sie beispielsweise<br />
der Grundschulverband in seinen<br />
Standpunkten formuliert hat. Zudem<br />
ist die Schule gebunden an bildungspolitische<br />
und pädagogische Vorgaben<br />
wie z. B. die Leistungsstandards. Pädagogische<br />
Ziele und rechtliche Rahmenvorgaben<br />
sind aber von der einzelnen<br />
Schule auf ihre besondere Situation hin<br />
auszulegen und die Schritte ihrer Umsetzung<br />
selbstständig zu planen.<br />
Grundlage dafür ist eine systematische<br />
Evaluation. Diese muss in der<br />
Schule selbst durch gemeinsame Reflexion<br />
aller Beteiligten und in eigener<br />
Weise erfolgen, aber auch durch Fremdblick<br />
von außen herausgefordert und<br />
unterstützt werden. Staatliche Evaluation<br />
ist so zu gestalten, dass Schulen<br />
Der hier dokumentierte »Standpunkt<br />
Schulentwicklung« wurde von der Delegiertenversammlung<br />
des Grundschulverbandes<br />
im Mai 2012 beschlossen.<br />
Gewinn aus ihr ziehen können, dass<br />
sie zur Reflexion angeregt werden und<br />
Orientierung für die Weiterentwicklung<br />
erhalten. Schulverwaltung hat die<br />
Aufgabe, übergreifende Ansprüche und<br />
Rahmenbedingungen zu formulieren,<br />
sie steht aber genauso in der Pflicht, den<br />
Schulen Hilfestellungen bei der Realisierung<br />
vor Ort zu geben.<br />
2<br />
Eine Professionalisierung<br />
der Schulentwicklung durch<br />
Aus-, Fort- und Weiterbildung<br />
Schulentwicklung hat im Tätigkeitsprofil<br />
von Pädagog(inn)en in den letzten Jahren<br />
stark an Bedeutung gewonnen. Sie muss<br />
deshalb unerlässlicher Bestandteil der<br />
Ausbildung und der berufsbegleitenden<br />
Professionalisierung von Pädagog(inn)en<br />
sein. Ausgehend von eigenen Fragestellungen<br />
in der <strong>aktuell</strong>en Schulentwicklung<br />
benötigen Schulen hochwertige<br />
Fort- und Weiterbildungsangebote, die<br />
sie entsprechend ihren Zielvorstellungen<br />
und Entwicklungsstadien flexibel<br />
abrufen können. Um im Kollegium eine<br />
Kultur der Zusammenarbeit entwickeln<br />
zu können, müssen neben verbindlichen<br />
Kooperationszeiten auch Zeitfenster für<br />
Supervision und kollegiale Fallberatung<br />
verankert werden.<br />
Dies gilt auch für Schulleitungen und<br />
für die Schulverwaltung. Mit der Dezen-<br />
tralisierung schulischer Arbeitsprozesse<br />
sind heute Führungsaufgaben für Schulleitungen<br />
entstanden, die nicht mehr als<br />
»Nebenbeschäftigung« ausgeführt werden<br />
können. Schulleitungen benötigen<br />
Zeit und Energie für konzeptionelle Arbeit,<br />
die Zusammenarbeit mit den Eltern,<br />
die Förderung der Teamentwicklung<br />
und Teamarbeit im Kollegium, die Organisation<br />
von Fort- und Weiterbildung<br />
des Schulpersonals sowie die Kooperationen<br />
mit externen Institutionen und<br />
Verbänden. Eine Schule demokratisch<br />
zu leiten erfordert einen partizipativen<br />
Führungsstil und eine professionelle<br />
Leitung. Deshalb sind Arbeitsplatzbeschreibungen<br />
und damit auch der Umfang<br />
der Unterrichtsverpflichtungen<br />
für alle Mitglieder der Schulleitungen<br />
(auch für Funktionsstellen) neu zu bestimmen.<br />
Vor allem <strong>Grundschule</strong>n mit<br />
ihren geringeren Ressourcen brauchen<br />
für eine pädagogisch fundierte Schulentwicklung<br />
eine Entlastung in den Verwaltungsaufgaben,<br />
z. B. durch eine fachlich<br />
kompetente Assistenz.<br />
3<br />
Externe Unterstützung<br />
und Vernetzung der Schulen<br />
Schulpersonal und Schulleitungen sind<br />
für Schulentwicklungsarbeit in der Regel<br />
nicht zureichend ausgebildet. Sie<br />
bedürfen deshalb fachlicher Unterstüt-<br />
28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Rundschau<br />
zung. Um die Qualität der Entwicklungsarbeit<br />
zu sichern, aber auch um<br />
externe Unterstützungssysteme / Unterstützungsangebote<br />
nutzen zu können,<br />
brauchen Schulen zudem Budgets für<br />
Beratung, Prozessbegleitung, Evaluation.<br />
Für eine erfolgreiche Schulentwicklung<br />
bedarf es Verbündeter aus unterschiedlichen<br />
Handlungsfeldern. Hilfreich<br />
sind Netzwerke. Vor Ort zwischen<br />
den Schulen und ihren Kooperationspartnern<br />
dienen sie der gegenseitigen<br />
Anregung und stärken die Wirksamkeit<br />
der gemeinsamen Arbeit. Als überregionale<br />
Netze von Schulen mit ähnlichen<br />
Arbeitsschwerpunkten dienen sie dem<br />
gemeinsamen Austausch und ermöglichen<br />
es, voneinander zu lernen.<br />
4<br />
Ressourcen für eine<br />
Schulentwicklung vor Ort<br />
(Grund-)Schulentwicklung dient dem<br />
Ziel, dass jede Schule allen Kindern<br />
ihres Einzugsgebietes gerecht wird. Sie<br />
ist eng verbunden mit dem jeweiligen<br />
schulischen Umfeld. Um diesem Anspruch<br />
inklusiver Bildung gerecht werden<br />
zu können, brauchen die Schulen<br />
eine standortspezifische Ausstattung für<br />
ihre Entwicklung und für konkrete Arbeitsvorhaben.<br />
Lehrkräfte in deutschen <strong>Grundschule</strong>n<br />
haben nicht nur im schulformbezogenen,<br />
sondern auch im internationalen<br />
Vergleich eine sehr hohe Unterrichtsverpflichtung.<br />
Das schränkt die Zeitfenster<br />
für notwendige Unterrichts- und<br />
Schulentwicklungsarbeit ein. Eine Herabsetzung<br />
der Unterrichtsverpflichtung<br />
ist deshalb für alle Lehrkräfte notwendig.<br />
Notwendig sind neue Arbeitszeitdefinitionen<br />
und -regelungen, die Zeiten<br />
für Schulentwicklungsarbeit deutlich<br />
ausweisen.<br />
Damit Kooperation und Reflexion<br />
nicht nur das Thema einzelner engagierter<br />
und interessierter Kolleg(inn)en<br />
bleibt, müssen in jeder Schule feste Zeiten<br />
für die Gestaltung von Kooperation<br />
ausgewiesen werden, denn schulinterne<br />
Kommunikation, Informationsfluss<br />
und Transparenz haben für das Gelingen<br />
kooperativer Arbeitsprozesse eine<br />
hohe Bedeutung.<br />
VERA weiter in der Diskussion<br />
VERgleichsArbeiten –<br />
und sie bewegen sich doch?<br />
Seit acht Jahren wird VERA durchgeführt,<br />
zuerst nur in einigen<br />
Bundesländern, zwischenzeitlich<br />
in allen. Ebenso lange begleitet der<br />
Grundschulverband VERA 3 kritisch<br />
und mahnend. Die Kritik bezog sich<br />
auf die Aufgaben in Deutsch und Mathematik<br />
mit der Frage, ob die Aufgabenstellungen<br />
den Kompetenzen der<br />
Bildungsstandards entsprechen und<br />
die Leistungen der Kinder tatsächlich<br />
erfassen. Im Fokus stand auch, inwiefern<br />
die Vergleichsarbeiten verlässliche<br />
Daten zum Qualitätsstand der Schulen<br />
(Monitoring-Effekt) und zum Stand der<br />
Einzelschule zu liefern vermögen und<br />
letztendlich dem schulpolitischen Anliegen<br />
von mehr Qualitätsentwicklung<br />
gerecht werden können.<br />
Die ernüchternde Erkenntnis im Jahr<br />
2011 war:<br />
1. Die Aufgaben erfassen wesentliche<br />
Kompetenzen der Kinder nicht.<br />
2. Die Auswertung bewertet richtige<br />
Lösungen der Kinder als falsch.<br />
3. Die Aufgabenstellungen machen<br />
leistungsschwächere Kinder mutlos.<br />
4. Der Umgang mit VERA ist nicht<br />
übergreifend geregelt, dem Missbrauch<br />
sind Tür und Tor geöffnet.<br />
Herbsttagung des Grundschulverbandes<br />
»Schulentwicklung im Dialog«<br />
Taunustagungshotel Friedrichsdorf / Taunus am 2./3. November 2012<br />
»Wie können wir gemeinsam guten Unterricht<br />
für die Kinder unserer Schule<br />
gestalten?« und »Wie können wir unsere<br />
Schule im Miteinander weiter entwickeln?«,<br />
das sind zentrale Fragen der<br />
diesjährigen Herbsttagung.<br />
Konzeptionelle Grundschularbeit umfasst<br />
deutlich mehr als die Entwicklung<br />
von Unterricht. Vielmehr vollzieht sie<br />
sich im Spannungsfeld von Unterrichts-,<br />
Personal- und Organisationsentwicklung<br />
und erfordert die Einbindung aller Beteiligten.<br />
5. VERA 3 ist unbrauchbar, weil das<br />
Konzept des jährlichen Massentests der<br />
grundlegende Konstruktionsfehler ist.<br />
Trotz des hohen Aufwands vonseiten<br />
der Lehrerinnen und Lehrer, der Bildungsadministrationen,<br />
der Universität<br />
Landau und des IQB (Institut für Qualitätsentwicklung,<br />
Berlin) wurde nicht<br />
erreicht, die Zielsetzungen, die mit<br />
VERA verbunden sind, zu transportieren.<br />
Die Länder gehen nach wie vor<br />
nicht einheitlich mit der Durchführung<br />
der Vergleichsarbeiten VERA und der<br />
Verwertung der Ergebnisse um. Es wurden<br />
Ressourcen verspielt und zum Teil<br />
kontraproduktive Reaktionen ausgelöst.<br />
VERA hat vieles andere, nur nicht die<br />
Unterrichts- und Schulentwicklung, in<br />
Gang gebracht. Lehrerinnen und Lehrer<br />
haben länderübergreifend ein kritisches<br />
Verhältnis zu den Vergleichsarbeiten<br />
entwickelt, nicht wegen der Arbeit, die<br />
damit verbunden ist, sondern wegen<br />
der nicht stimmigen Konstruktion der<br />
Aufgaben und der damit verbundenen<br />
Beschämung von Kindern.<br />
Soweit der Stand bis 2012, doch nun<br />
zeichnen sich Veränderungen ab, an deren<br />
Zustandekommen der Grundschul-<br />
Neben Beispielen guter Praxis, konkreten<br />
Umsetzungs- und Anwendungsvorschlägen<br />
gibt es nicht nur Zeit für gemeinsame<br />
Dialoge, sondern auch anschauliche<br />
Anregungen für die eigene Schul- und<br />
Unterrichtsarbeit.<br />
Anmeldungen sind noch möglich:<br />
www.<br />
www.grundschulverband.de.<br />
Dort finden Sie auch weitere Informationen<br />
wie Tagungsprogramm und Tagungsverlauf.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
29
Rundschau<br />
verband nicht unwesentlich beteiligt ist.<br />
Bereits im Jahr 2011 war der Grundschulverband<br />
gemeinsam mit der Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft<br />
(GEW) und dem Verband für Bildung<br />
und Erziehung (VBE) zu einem Gespräch<br />
in einen Unterausschuss des Schulausschusses<br />
der Kultusministerkonferenz<br />
(KMK) geladen. Frau von Ilsemann, der<br />
Leiterin des Schulausschusses, gelang es,<br />
eine konstruktive Diskussion zwischen<br />
den Vertreterinnen und Vertretern der<br />
KMK, des IQB und der Verbände über<br />
die bislang gesammelten Erfahrungen zu<br />
moderieren und die wesentlichen Kritikpunkte<br />
herauszuarbeiten.<br />
Klarstellungen sind u. a. gelungen bezogen<br />
darauf, dass<br />
●●<br />
VERA kein diagnostisches Instrument<br />
ist,<br />
●●<br />
die Zielsetzungen »Implementation<br />
der Bildungsstandards« und »schulinterne<br />
Nutzung der Daten« besser kommuniziert<br />
werden müssen,<br />
●●<br />
das Aufgabenspektrum im unteren<br />
Leistungsbereich differenzierter darzustellen<br />
ist,<br />
●●<br />
die Orientierung an den Kompetenzen<br />
Ende Klasse 4 zu Verwerfungen<br />
führt,<br />
●●<br />
das Auswertungsverfahren verbessert<br />
werden muss,<br />
KMK: Empfehlungen zur verbesserten Nutzung<br />
der VERA-Ergebnisse an den Schulen<br />
aus der »Vereinbarung zur Weiterentwicklung von VERA« |<br />
Beschluss der Kultus ministerkonferenz vom 08. 03. 2012<br />
(Auszüge aus der Vereinbarung in Bezug auf VERA 3)<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
Die Länder verstärken durch geeignete<br />
Regelungen die Verantwortung der<br />
Schulleitungen mit Hilfe von VERA<br />
schulische Qualität zu sichern und zu<br />
entwickeln. Dies umfasst:<br />
– die verbindliche Zusammenarbeit<br />
der Lehrkräfte,<br />
– die regelmäßige Information der<br />
zuständigen schulischen Gremien<br />
über die Ergebnisse und die daraus<br />
gezogenen Schlussfolgerungen.<br />
Die Länder nutzen die Möglichkeiten<br />
der Landesinstitute bzw. entsprechender<br />
Institutionen, um ein<br />
Unterstützungsangebot bereit zu<br />
halten, das möglichst flexibel auf den<br />
jeweiligen Entwicklungsstand der<br />
Schulen reagiert.<br />
Die Länder stellen erarbeitete Materialien<br />
allen anderen Ländern zur<br />
Nutzung zur Verfügung (z. B. praxistaugliche<br />
Handreichungen).<br />
● ● die Schulen Unterstützung benötigen<br />
bei der Interpretation der Daten und<br />
möglicher Folgerungen für den schulischen<br />
Entwicklungsprozess,<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
In der Aus- und Fortbildung wird die<br />
adäquate Nutzung von Vergleichsarbeiten<br />
und diagnostischen Verfahren<br />
verankert.<br />
Das IQB richtet im Jahr 2012 eine<br />
Arbeitstagung aus, in deren Mittelpunkt<br />
der Austausch über Fortbildungskonzepte<br />
und Konzepte zur<br />
Unterstützung von Schulen stehen.<br />
Lehrerverbände werden beratend<br />
einbezogen.<br />
Das IQB erhält den Auftrag, die in<br />
den Ländern bestehenden Aufgabendatenbanken<br />
für Test- und Lernaufgaben<br />
zu sichten und eine<br />
Projektskizze für den Aufbau einer<br />
länderübergreifend nutzbaren<br />
Datenbank vorzulegen.<br />
Weitere Informationen sind im Internet<br />
abrufbar.<br />
●●<br />
Ergebnisse keinesfalls für Ranking genutzt<br />
und veröffentlicht werden dürfen.<br />
Nicht zu rütteln war u. a. an der Regelung,<br />
VERA nicht jährlich, sondern<br />
KMK: Vereinbarung zur Weiterentwicklung von VERA<br />
Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08. 03. 2012<br />
(Auszüge aus der Vereinbarung in Bezug auf VERA 3)<br />
Beschlossene Vereinbarungen<br />
Um die erforderliche Weiterentwicklung<br />
von VERA in allen Bundesländern sicherzustellen,<br />
wurden folgende Vereinbarungen<br />
im Hinblick auf die Zielbestimmung<br />
von VERA, die Weiterentwicklung der<br />
Aufgabenqualität und die Optimierung<br />
der Durchführungsmodalitäten und der<br />
Ergebnisrückmeldung in den Ländern<br />
beschlossen.<br />
1. Zur Zielbestimmung von VERA in den<br />
Ländern:<br />
Zentrale Funktionen sind die Unterrichtsund<br />
Schulentwicklung jeder einzelnen<br />
Schule und die Vermittlungsfunktion bei<br />
der Einführung der fachlichen und fachdidaktischen<br />
Konzepte der Bildungsstandards.<br />
In diesem Zusammenhang sehen die<br />
Länder ab von<br />
●●<br />
der Veröffentlichung der<br />
VERA-Ergebnisse,<br />
●●<br />
der Identifikationsmöglichkeit<br />
einzelner Schulen,<br />
●●<br />
der Benotung.<br />
Die Länder entscheiden, ob die Schulaufsicht<br />
und/oder die Schulinspektion<br />
Einsicht in die VERA-Ergebnisse auf Schulund<br />
Klassenebene erhalten.<br />
2. Zur Weiterentwicklung der Aufgabenqualität:<br />
●●<br />
Das IQB entwickelt und pilotiert vermehrt<br />
Aufgaben zur Erweiterung des<br />
Leistungsspektrums.<br />
●●<br />
Das IQB erhält regelmäßig Rückmeldung<br />
zu aggregierten Daten aus den<br />
Ländern als Beitrag zur Qualitätsverbesserung<br />
in der Aufgabenentwicklung.<br />
Diese Daten werden nicht für<br />
einen Ländervergleich genutzt.<br />
3. Zur Optimierung der Durchführungsmodalitäten<br />
und der Ergebnisrückmeldung<br />
in den Ländern:<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
●●<br />
In der dritten Jahrgangsstufe wird<br />
VERA in allen Ländern grundsätzlich<br />
in allen <strong>Grundschule</strong>n in einem Fach<br />
durchgeführt.<br />
Es wird nur ein Testheft eingesetzt.<br />
Die Erweiterung des Aufgabenspektrums<br />
im unteren Leistungsbereich<br />
kann von den Ländern optional<br />
genutzt werden.<br />
Für die Ergebnisrückmeldung<br />
streben die Länder geeignete<br />
Referenzgruppen (sogenannter<br />
»Fairer Vergleich«) an.<br />
Testdurchführung und die Korrek turen<br />
erfolgen durch Lehrkräfte (in Hamburg<br />
zentral durch das Landesinstitut).<br />
Weitere Informationen sind im Internet<br />
abrufbar.<br />
Informationen zur Übersicht, zum Ablauf<br />
und über die Länder sind zu finden unter:<br />
www.<br />
www.iqb.hu-berlin.de/vera<br />
30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Rundschau<br />
in Zeitabständen von etwa drei Jahren<br />
durchzuführen, um in der Zwischenzeit<br />
mit den Ergebnissen zu arbeiten<br />
und die (Unterrichts- bzw. Schul-)Entwicklung<br />
zu beobachten. Nicht gelöst<br />
ist die Frage, wie VERA sich mit dem<br />
Ansatz der Inklusion verträgt.<br />
Die Diskussion hat Bewegung in die<br />
VERA-Gestaltung gebracht. Im März<br />
2012 beschloss die KMK Vereinbarungen<br />
zur Weiterentwicklung von<br />
VERA 3 und VERA 8 und formulierte<br />
Empfehlungen zur Nutzung der VERA-<br />
Ergebnisse. Davon war der VERA-<br />
Durchgang 2012 noch nicht beeinflusst,<br />
Absichtsbekundungen für das Jahr 2013<br />
bestehen. Ob die von der KMK beschlossenen<br />
Maßnahmen und Empfehlungen<br />
ausreichen, um das Image von<br />
VERA zu verändern, werden der Umgang<br />
mit der Umsetzung und die damit<br />
verbundene Praxiserfahrung zeigen.<br />
Alle Akteure rund um die Vergleichsarbeiten<br />
sind jetzt aufgefordert,<br />
in ihrem Bundesland die Umsetzung<br />
der Vereinbarungen und der Empfehlungen<br />
(siehe Kästen auf S. 30) zu beobachten<br />
und an den Veränderungen<br />
mitzudiskutieren. Besonders gilt dies<br />
für die Vereinbarungen zum Umgang<br />
mit den VERA-Ergebnissen und die zugesagte<br />
Unterstützung von Schulen.<br />
Maresi Lassek,<br />
Vorsitzende des<br />
Grundschulverbandes<br />
Aus der Forschung<br />
Soziale Ungleichheit zersetzt<br />
demokratische und inklusive Werte<br />
Drei Forschungsstudien aus jüngerer<br />
bzw. jüngster Zeit liefern<br />
– unabhängig voneinander –<br />
zentrale diagnostische Befunde, die<br />
übereinstimmend und sich gegenseitig<br />
verstärkend auf eine bedrohliche gesellschaftliche<br />
Spaltung und »Demokratieentleerung«<br />
in Deutschland hinweisen.<br />
Die Studien weisen nach, dass unter<br />
den gesellschaftspolitischen Bedingungen<br />
wachsender sozialer Ungleichheit<br />
Angehörige der oberen sozialen Schichten<br />
zunehmend sozial schwache Bevölkerungsgruppen<br />
ausgrenzen. Die sozial<br />
»abgehängten« Schichten reagieren auf<br />
den Verlust sozialer Teilhabe und dem<br />
daraus resultierenden Mangel an politischen<br />
Wirksamkeitsüberzeugungen<br />
mit Hoffnungslosigkeit und Desinteresse<br />
an politischer Partizipation.<br />
Dass mit wachsender Ungleichheit<br />
in Deutschland auch die Zahl der<br />
Menschen in sozial benachteiligten und<br />
prekären Lebenslagen zunimmt, ist<br />
eine bekannte Tatsache. Neu ist in diesem<br />
Zusammenhang, dass Angehörige<br />
der oberen Einkommens- und Statusgruppen<br />
im Umgang mit sozial Schwachen<br />
rechtspopulistische Einstellungen<br />
zeigen.<br />
»Deutsche Zustände«<br />
Prof. Wilhelm Heitmeyer, Leiter für<br />
interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung<br />
an der Universität Bielefeld,<br />
hat seit 2000 im Rahmen einer zehnjährigen<br />
Langzeitstudie Erscheinungsweisen,<br />
Ursachen und Entwicklungen von<br />
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit<br />
in Deutschland erforscht und die<br />
Ergebnisse unter dem Titel »Deutsche<br />
Zustände« jährlich veröffentlicht. In<br />
seinem zehnten Band stellt er 2010<br />
heraus, dass in zunehmendem Maße<br />
Angehörige der oberen Schichten eine<br />
geringe Bereitschaft zur Unterstützung<br />
schwacher Gruppen zeigen und ihre<br />
Privilegien mit der Stigmatisierung dieser<br />
Gruppen verteidigen. Auch namhafte<br />
Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Medien,<br />
Kultur und Wissenschaft macht<br />
Heitmeyer verantwortlich für die Verbreitung<br />
der »Ideologie der Ungleichwertigkeit«<br />
und für »einen semantischen<br />
Klassenkampf« von oben gegen<br />
»die da unten«. Es gibt keine Scheu, im<br />
Jargon der Verachtung sich über Hartz-<br />
IV-Empfänger, Langzeitarbeitslose und<br />
Migranten auszulassen und damit soziale<br />
Ungleichheit offensiv zu legitimieren.<br />
Sarrazins Thesen gegen Migranten<br />
und die mediale Aufmerksamkeit, die<br />
man ihm dafür gewidmet hat, bezeugen<br />
dies.<br />
»Wie ticken Jugendliche?«<br />
Das Heidelberger SINUS-Institut für<br />
Markt- und Sozialforschung hat unter<br />
anderem im Auftrag der Bundeszentrale<br />
für politische Bildung und der<br />
Deutschen Kinder- und Jugendstiftung<br />
Lebenswelten von Jugendlichen zwischen<br />
14 und 17 Jahren erforscht und<br />
die Ergebnisse unter dem vielsagenden<br />
Titel »Wie ticken Jugendliche?« 2012<br />
veröffentlicht. Es ist eine qualitative<br />
Grundlagenstudie, die Jugendliche aus<br />
allen Milieus authentisch zu Wort kommen<br />
lässt: in Einzelinterviews, mit eigenen<br />
schriftlichen Aufzeichnungen und<br />
Fotos von ihren Zimmern.<br />
Die Forschergruppe kommt zu<br />
ähnlich alarmierenden Ergebnissen<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
31
Rundschau<br />
wie Heitmeyer. Sie kann nachweisen,<br />
dass die soziale Ungleichheit zu sozialer<br />
Spaltung unter den Jugendlichen<br />
führt. Jugendliche aus den oberen sozialen<br />
Schichten grenzen sich von sozial<br />
benachteiligten Jugendlichen ab.<br />
Sie werfen ihnen Faulheit, Mangel an<br />
Leistungsbereitschaft und an Eigenverantwortung<br />
vor. »Abgehängte Jugendliche«<br />
aus dem prekären Milieu reagieren<br />
darauf mit Resignation und Pessimismus.<br />
Sie erleben vor allem Schule als<br />
Ort des Konflikts, des Misserfolgs und<br />
der Demütigung.<br />
Deckungsgleich zeigt sich bei Erwachsenen<br />
und Jugendlichen aus begünstigten<br />
Milieus die tendenzielle Bereitschaft,<br />
anstelle des Solidarprinzips<br />
gnadenlos das Selbstverschuldungsprinzip<br />
gegen leistungsschwächere Gruppen<br />
anzuwenden. Die gesellschaftliche Lektion<br />
ist bei den Jugendlichen angekommen.<br />
Sie haben die Abwertungsmuster<br />
ihrer sozialen Milieus und der »rabiaten<br />
Elite« übernommen und vollziehen sie<br />
in ihren Einstellungen nach.<br />
»Soziale Ungleichheit und<br />
politische Partizipation«<br />
Die Otto Brenner Stiftung hat in einem<br />
Projekt »soziale Ungleichheit und politische<br />
Partizipation in Deutschland«<br />
erforschen lassen und die Ergebnisse<br />
im Februar 2012 veröffentlicht. Der Autor<br />
Sebastian Bödeker weist nach, dass<br />
Bildung in Verbindung mit dem sozioökonomischen<br />
Status der entscheidende<br />
Faktor für politische Wirksamkeitsüberzeugung<br />
und Partizipation ist. Je<br />
prekärer die Lebenslage, desto weniger<br />
Beteiligung. Das gilt für Wahlen, aber<br />
auch in einem noch stärkeren Maße für<br />
nicht institutionalisierte Partizipationsformen<br />
wie Proteste. Seine zentrale<br />
These lautet, dass aufgrund der sozialen<br />
Bedingtheit politischer Partizipation<br />
unter den Bedingungen sozialer Ungleichheit<br />
in Deutschland das demokratische<br />
Prinzip der politischen Gleichheit<br />
ausgehöhlt wird. »Das strategische<br />
Handeln von politischen Eliten, die um<br />
die soziale Verzerrung der Wahlbeteiligung<br />
wissen, kann somit insgesamt zu<br />
einem System der Interessenvermittlung<br />
zu Lasten der sozial Schwachen<br />
führen«, so der Autor.<br />
Die sozial selektiven Effekte bei Wahlen<br />
konnte sich z. B. die elitäre Elterninitiative<br />
»Wir wollen lernen« beim<br />
Hamburger Volksentscheid zunutze<br />
machen. Sie konnte u. a. wegen der geringen<br />
Wahlbeteiligung benachteiligter<br />
Bevölkerungsgruppen die Verlängerung<br />
der Grundschulzeit von vier auf<br />
sechs gemeinsame Jahre verhindern.<br />
Dieser kleine Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit<br />
für Kinder der unteren<br />
sozialen Schichten scheiterte am Eigennutz<br />
von Angehörigen der oberen sozialen<br />
Schichten.<br />
Angesichts der alarmierenden Befunde<br />
muss beunruhigen, dass die Politik<br />
im Zeichen der Menschenrechtskonvention<br />
Inklusion als gesellschaftliches Ziel<br />
zwar verbal willkommen heißt, aber vor<br />
inklusionsfeindlichen gesellschaftlichen<br />
Strukturen, Praktiken und Gruppeninteressen<br />
kapituliert, die Ungleichheit<br />
und Spaltung fördern. Dies zeigt sich<br />
besonders deutlich in der Bildungspolitik:<br />
Das gegliederte Schulsystem reproduziert<br />
soziale Ungleichheit, fördert<br />
soziale Spaltung durch Segregation, entlässt<br />
eine große Zahl an Jugendlichen<br />
bildungsarm und perspektivlos in die<br />
Gesellschaft und unterhöhlt damit die<br />
Demokratie. Dennoch scheut die Politik<br />
vor bildungspolitischen Konsequenzen<br />
zurück, die mit der Bildungsprivilegierung<br />
von Kindern aus den oberen sozialen<br />
Schichten brechen.<br />
Dr. Brigitte Schumann,<br />
ifenici@aol.com<br />
Literatur<br />
Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche<br />
Zustände. Folge 10. Edition Suhrkamp 2010.<br />
Marc Culmbach et al.: Wie ticken Jugendliche?<br />
2012. Lebenswelten von Jugendlichen<br />
im Alter von 14 – 17 Jahren in Deutschland.<br />
Durchführendes Institut: SINUS Marktund<br />
Sozialforschung GmbH Heidelberg und<br />
Berlin. Verlag Haus Altenberg.<br />
www.<br />
Zu Bödeker führt der folgende Link:<br />
www.otto-brenner-shop.de/uploads/<br />
tx_mplightshop/2012_02_07_Boedeker_<br />
AP_01.pdf<br />
Neues zur Grundschrift<br />
●●<br />
Veranstaltungen vor Ort<br />
Seit der Grundschrift-Tagung im März in<br />
Hannover gibt es eine Liste von ModeratorInnen<br />
und ReferentInnen, die in Ihrem<br />
Bundesland, in Ihrer Stadt oder Gemeinde,<br />
an Ihrer Schule Veranstaltungen und<br />
Konferenzen zur Grundschrift durchführen<br />
können. Die Kontaktaufnahme ist<br />
unkompliziert.<br />
Wenn Sie eine solche Veranstaltung<br />
planen oder sich informieren<br />
möchten, richten Sie Ihre Anfrage<br />
bitte an die Geschäftsstelle des<br />
Grundschul verbandes, telefonisch<br />
unter 0 69 / 77 60 06 oder per E-Mail:<br />
info@grundschulverband.de<br />
●●<br />
Moderationskoffer<br />
Bei der Tagung in Hannover wurden<br />
Materialien für Veranstaltungen zur<br />
Grundschrift vorgestellt, erprobt und<br />
erarbeitet. Der so entstandene Moderationskoffer<br />
ist über die Geschäftsstelle<br />
erhältlich. Das umfangreiche Material<br />
eignet sich besonders für die Durchführung<br />
selbst organisierter Veranstaltungen<br />
und zum Selbststudium oder für<br />
die Arbeit in kleinen Gruppen.<br />
Materialien für die Moderation von<br />
Veranstaltungen zur Grundschrift:<br />
FAQ (häufig gestellte Fragen), Präsentationen,<br />
Materialien für den Unterricht und für schul interne<br />
Arbeitspläne, Medienecho – zusammengestellt auf einem<br />
Stick (1 GB) im hand lichen Köfferchen (10 × 7 × 1,5 cm)<br />
44 Euro<br />
(inkl. Versand)<br />
32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Rundschau<br />
Neue Verpackung mit bewährten Inhalten<br />
Projekt »Eine Welt in der Schule«<br />
Das Projekt »Eine Welt in der<br />
Schule« des Grundschulverbandes<br />
e. V. wird seit 1979 vom<br />
Bundesministerium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert.<br />
In diesem langen Förderzeitraum<br />
konnte die Arbeit des Projektes<br />
kontinuierlich ausgebaut werden. Regelmäßig<br />
erschien die Zeitschrift »Eine<br />
Welt in der Schule«, und umfangreiche<br />
Serviceleistungen (Fortbildungen, Materialien,<br />
Ausleihservice, Homepage<br />
etc.) zum Lernbereich »Eine Welt / Globale<br />
Entwicklung« konnten bundesweit<br />
von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
angeboten werden.<br />
Und dann … kam Ende 2011 ein<br />
neuer starker (Gegen-)Wind aus Bonn<br />
mit einer ungewohnt hohen Kürzung<br />
der Fördermittel daher. Nach durchaus<br />
konstruktiven Gesprächen mit dem<br />
Bundesministerium nahm das Projekt<br />
»Eine Welt in der Schule« Anfang 2012<br />
wieder Fahrt auf. Die Zeitschrift des<br />
Projektes erscheint nun nur noch dreimal<br />
pro Jahr, die Gestaltung ist völlig<br />
neu und die Auflage sinkt von 45.000<br />
auf 5.500 Exemplare. Eine Beilage der<br />
Zeitschrift in anderen pädagogischen<br />
Fachzeitschriften und auch in der Zeitschrift<br />
des Grundschulverbandes e. V.<br />
ist jetzt leider nicht mehr möglich.<br />
Die Zeitschrift »eine welt« kann nur<br />
noch direkt beim Projekt abonniert<br />
werden. Für den Preis von 6 Euro<br />
stehen dann drei Ausgaben pro Jahr<br />
zur Verfügung. Auf der Homepage<br />
des Projektes ( www. www.weltinder<br />
schule.unibremen.de) bieten wir jede<br />
Ausgabe und die dazugehörigen Materialien<br />
auch als Download an.<br />
Die erste Ausgabe unserer Zeitschrift in<br />
diesem Jahr ist mit dem Themenschwerpunkt<br />
Perspektivenwechsel gestartet.<br />
Wir fanden das sehr passend, da auch<br />
das Erscheinungsbild der Zeitschrift, der<br />
Erscheinungszeitraum und überhaupt<br />
die Arbeit des Projektes »Eine Welt in<br />
der Schule« unter neuen Perspektiven<br />
steht. Damit dabei die Wurzeln unserer<br />
Arbeit nicht vergessen werden, beginnen<br />
wir ab dieser Zeitschrift mit einer fortlaufenden<br />
Nummerierung von 1979 an.<br />
Trotz der Kürzungen mussten wir<br />
aber keine Abstriche bei den Zielsetzungen<br />
des Projektes und unseren<br />
Serviceleistungen machen. Ziel der<br />
gesamten Projektarbeit ist die <strong>aktuell</strong>e<br />
und strukturelle, d. h. dauerhafte<br />
Verankerung des Lernbereichs »Eine<br />
Welt / Globale Entwicklung« im Unterricht,<br />
in den Schulcurricula und in den<br />
Lehrplänen der <strong>Grundschule</strong> und der<br />
Sekundarstufe I.<br />
Die Basis unserer Arbeit bilden engagierte<br />
Kolleginnen und Kollegen, die in<br />
ihrem Unterricht die globale Perspektive<br />
von Themen immer wieder mit einbringen<br />
und uns darüber berichten. Zusätzlich<br />
sind aber die Schulen insgesamt<br />
gefordert, Profil zu zeigen und globale<br />
Fragestellungen und Probleme unseren<br />
Kindern und Jugendlichen nahezubringen.<br />
Wir wollen sie dabei unterstützen<br />
und mit unseren langjährigen Erfahrungen<br />
aus der Praxis zeigen, wie viel<br />
Engagement in den Schülerinnen und<br />
Schülern steckt.<br />
Wettbewerb »Alle für Eine Welt –<br />
Eine Welt für alle«<br />
Im April fand die Jurysitzung zur Ermittlung<br />
der Preisträger des Wettbewerbs<br />
des Bundespräsidenten »Alle für<br />
Eine Welt – Eine Welt für alle« statt.<br />
Als Mitglied der Jury konnte ich dort<br />
zahlreiche spannende Beiträge zum<br />
Thema »Perspektivwechsel« begutachten.<br />
Kinder und Jugendliche hatten<br />
recherchiert, Themen festgelegt, Aktionen<br />
geplant, Kontakte in ferne Welten<br />
geknüpft und viele phantasievolle Darstellungen<br />
gefunden, um andere in ihrem<br />
Umfeld ebenfalls für ihr Thema zu<br />
begeistern. Bundesweit sollen zukünftig<br />
weitere Schulen gewonnen werden, die<br />
den Lernbereich »Eine Welt / Globale<br />
Entwicklung« als Schwerpunkt in ihr<br />
Schulcurriculum bzw. Schulprofil aufnehmen<br />
und regelmäßig umsetzen.<br />
Praxisorientierte Fortbildungen<br />
Zur Erprobung und Erstellung von Unterrichtsbeispielen<br />
für die Zeitschrift<br />
»Eine Welt in der Schule«, zur methodisch-didaktischen<br />
Schulung zum<br />
Lernbereich »Eine Welt / Globale Entwicklung«<br />
und zur Bekanntmachung<br />
des Projektangebotes führen die wissenschaftlichen<br />
Mitarbeiter des Projektes<br />
verschiedene überregionale sowie<br />
schulinterne Lehrerfortbildungstagungen<br />
durch. Pro Jahr sind jeweils zwei<br />
überregionale Lehrerfortbildungen vorgesehen,<br />
zu denen wir sie herzlich einladen.<br />
Auf diesen sehr praxisorientierten<br />
Fortbildungen erarbeiten die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer vor allem die<br />
Konzeption von Unterrichtsbeispielen,<br />
die sie dann in ihren Klassen erproben.<br />
Anregungen und Hinweise zum Einsatz<br />
des Materials können dann die Schulen<br />
bzw. die Lehrerinnen und Lehrer der<br />
Zeitschrift »Eine Welt in der Schule«<br />
und der Homepage des Projektes entnehmen.<br />
Gleichzeitig dienen die Tagungen<br />
dazu, die Kolleginnen und Kollegen<br />
als Multiplikatoren für die Umsetzung<br />
des Lernbereichs »Eine Welt / Globale<br />
Entwicklung« zu schulen, um diesen<br />
Bereich an ihren eigenen Schulen fest zu<br />
etablieren.<br />
Als sturmerprobte Norddeutsche haben<br />
wir somit den Gegenwind aus dem<br />
Bundesministerium als Aufwind verstanden,<br />
unsere Zielsetzungen weiterzuverfolgen<br />
und dafür auch zukünftig um<br />
Mitstreiterinnen und Mitstreiter bzw.<br />
Förderer zu werben. Mit einem Abonnement<br />
unserer Zeitschrift sowie der<br />
Nutzung unserer Angebote können sie<br />
diesen Kurs zukünftig unterstützen.<br />
Andrea Pahl,<br />
Mitarbeiterin des Projekts<br />
»Eine Welt in der Schule«<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
33
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Bayern<br />
Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b, 86169 Augsburg<br />
www.grundschulverband-bayern.de<br />
»Allen Kindern in der<br />
<strong>Grundschule</strong> gerecht<br />
werden – Inklusion im<br />
Blickpunkt«<br />
Dieser Maxime folgend<br />
machte sich die Bayerische<br />
Landesgruppe mit Freunden<br />
in den bayerischen Osterferien<br />
zur traditionellen Hospitationsreise<br />
nach Südtirol auf.<br />
Dazu wurden Schulen in<br />
Welsberg, Bruneck und<br />
Meran besucht. Nach den<br />
dort wahrgenommenen<br />
Unterrichtsbesuchen fanden<br />
Gespräche mit KlassenlehrerInnen,<br />
Integrationslehrpersonen<br />
und DirektorInnen<br />
statt. Ein Gespräch mit Frau<br />
Dr. Pfeiffer (Deutsches<br />
Schulamt und Dienststelle für<br />
Unterstützung und Beratung)<br />
zeigte die Situation »Inklusives<br />
Schulsystem in Südtirol«<br />
zusätzlich von dienstlicher<br />
Seite.<br />
Besonders interessant war<br />
bei allen Ausführungen der<br />
Aspekt, dass Südtirol seit<br />
Jahren bereits Schulautonomie<br />
besitzt. Ein Direktor ist<br />
für mehrere Schulen zuständig.<br />
Er ist vom Unterricht<br />
befreit und organisiert das<br />
Schulmanagement mit<br />
zugewiesenem Budget. Die<br />
Schulen sind frei in der<br />
Umsetzung des Curriculums<br />
und der Methodik, tragen<br />
aber daher auch die volle<br />
Verantwortung vor Ort mit.<br />
Die Realität an Südtiroler<br />
Schulen konnten wir folgendermaßen<br />
erleben:<br />
– Schülerschlüssel: Der<br />
Schüler-Lehrer-Schlüssel liegt<br />
bei 8 : 1 (Bayern: 16 : 1).<br />
– Teamstunden: Es existieren<br />
Stunden, in denen Klassen im<br />
Team unterrichtet werden.<br />
– Integrationslehrkräfte: Ist in<br />
der Klasse ein Kind mit<br />
Beeinträchtigungen – mit<br />
sogenannter »Funktionsdiagnose«<br />
(darunter u. a. auch<br />
Lese-Rechtschreib-Schwäche<br />
oder Verhaltensschwierigkeiten),<br />
dann wird dieser Klasse<br />
eine Integrationslehrperson<br />
zugewiesen. Sie ist für viele<br />
Stunden in der Woche in<br />
dieser Klasse eingesetzt, aber<br />
der gesamten Klasse zugewiesen.<br />
– Mitarbeiter für Integration:<br />
Sollte in der Klasse ein Kind<br />
mit schweren Beeinträchtigungen<br />
sein, so erhält dieses<br />
Kind einen Mitarbeiter für<br />
Integration, der pflegerische<br />
Maßnahmen übernimmt<br />
oder dem Kind Auszeiten<br />
ermöglicht.<br />
– Lehrerstunden: Zudem<br />
erhält jede Schule 30 % mehr<br />
Lehrerstunden zugewiesen,<br />
damit können sich Schulen<br />
eigene Schwerpunkte setzen<br />
und dafür Lehrpersonen zum<br />
Teil freistellen. Durch die<br />
Schulautonomie haben die<br />
Schulen auch das Recht zur<br />
Forschung. Praktische<br />
Erfahrungen können somit in<br />
Zusammenarbeit mit einer<br />
Universität evaluiert bzw.<br />
empirisch begleitet werden.<br />
– Kein selektives Schulsystem:<br />
Die <strong>Grundschule</strong> dauert<br />
fünf Jahre. Danach folgt die<br />
dreijährige Mittelschule.<br />
Erst nach der Mittelschule<br />
können eine Oberschule,<br />
eine Fachschule oder die<br />
Berufsschule besucht<br />
werden. Es gibt zwar Noten<br />
(von 5 bis 10 – 10 ist die beste<br />
Note), diese haben aber nicht<br />
die Bedeutung von Auslese<br />
oder Selektion. Alle Kinder<br />
gehen zusammen vom<br />
Kindergarten bis zum Ende<br />
der Mittelschule. In der Regel<br />
werden die SchülerInnen mit<br />
einem höheren Stundensoll<br />
als beispielsweise in Bayern<br />
an 6 Tagen (!) beschult.<br />
Eine Schulstunde dauert<br />
60 Minuten.<br />
– Zeit für Schul- und Unterrichtsentwicklung:<br />
Durch die<br />
Schulautonomie kann<br />
Südtirol LehrerInnen besser<br />
bezahlen. Dafür unterschreibt<br />
ein Südtiroler Lehrer,<br />
dass er 220 Stunden im Jahr<br />
mehr in der Schule verbringt,<br />
wodurch ein verbindlicher<br />
Nachmittag zur Unterrichtsentwicklung<br />
bzw. Teamarbeit<br />
geschaffen werden könnte.<br />
Durch die Kombination von<br />
»neuer Lernkultur« und<br />
»pädagogische Architektur«<br />
hat uns besonders das<br />
Schulhaus der <strong>Grundschule</strong><br />
Welsberg beeindruckt.<br />
Direktor Dr. Watschinger<br />
konnte uns zusätzlich einen<br />
überzeugenden Einblick in<br />
seine Philosophie des<br />
Zusammenhangs von Lernen<br />
(von Kindern mit und ohne<br />
Beeinträchtigungen) und<br />
Architektur geben und zeigte<br />
uns die Spielräume – aber<br />
auch die Mitverantwortung<br />
aller Pädagogen – durch die<br />
Schulautonomie auf (siehe<br />
www.snets.it/ssp-welsberg/<br />
gs-welsberg/default.aspx).<br />
An anderen Schulen konnten<br />
wir Teamarbeit in einer Klasse<br />
sehen. Die Zusammenarbeit<br />
von KollegInnen innerhalb<br />
einer Klasse ermöglicht zum<br />
einen zahlreiche (Differenzierungs-)Chancen<br />
für einzelne<br />
Kinder, aber zeigt auch<br />
Grenzen des inklusiven<br />
Schulsystems Südtirol auf:<br />
zum einen wurden einzelne<br />
Kinder durch Einzelförderung<br />
eher »exkludiert«, zum<br />
anderen wurde eine solche<br />
Zusammenarbeit von den<br />
Lehrkräften nur als positiv<br />
eingeschätzt, wenn sich<br />
diese Tandem-Lehrkräfte<br />
nicht nur fachlich, sondern<br />
auch persönlich gut verstanden,<br />
was das Ganze auf eine<br />
zufällig erfolgreiche Ebene<br />
führt.<br />
Sicherlich wäre es gut<br />
gewesen, noch mehr Eindrücke<br />
vor Ort zu sammeln, so<br />
konnten wir nur einen sehr<br />
kurzen Einblick gewinnen.<br />
Klar wurde uns, dass auch<br />
Südtirol mit seiner 30-jährigen<br />
Erfahrung in Inklusion<br />
noch immer auf dem Weg<br />
und noch lange nicht am Ziel<br />
ist. Ressourcen sind das eine,<br />
engagierte PädagogInnen<br />
das andere und »die«<br />
Umsetzungsmethode für<br />
Inklusion gibt es nicht.<br />
Das macht uns Mut!<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Bianca Ederer,<br />
Gabriele Klenk,<br />
Petra Hiebl<br />
34 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Baden-Württemberg<br />
Vorsitzende: Erika Brinkmann, erika.brinkmann@ph-gmuend.de;<br />
www.gsv-bw.de<br />
Inklusion ist<br />
Menschenrecht!<br />
Die Vorsitzende der Landesgruppe,<br />
Erika Brinkmann,<br />
konnte bei der Fachtagung<br />
»Das Menschenrecht auf<br />
Inklusion« in der PH Ludwigsburg<br />
eine stattliche Zahl von<br />
Gästen begrüßen.<br />
Zunächst ging sie auf<br />
<strong>aktuell</strong>e bildungspolitische<br />
und grundschulpädagogische<br />
Entwicklungen im<br />
Ländle ein. Mit Freude<br />
registriert die Landesgruppe,<br />
dass Grundpositionen des<br />
GSV sich in den Grundpositionen<br />
der grün-roten Landesregierung<br />
wiederfinden.<br />
Gerade in Sachen Gemeinschaftsschulen<br />
sah sich die<br />
Landesgruppe allerdings<br />
veranlasst, eine dezidierte<br />
Stellungnahme abzugeben.<br />
Ansätze, die sich dazu im<br />
Gesetz finden, geben der<br />
Landesgruppe Anlass zur<br />
Besorgnis, dass diese dem<br />
Gelingen dieser neuen<br />
Schulform – vorsichtig<br />
ausgedrückt – nicht gerade<br />
förderlich erscheinen.<br />
Auch das Vorhaben der<br />
Landesregierung, die<br />
UN-Konvention konsequent<br />
in die Rechte der Bildung von<br />
Menschen mit Behinderung<br />
umzusetzen, entspricht den<br />
Grundpositionen des GSV.<br />
Mit Prof. Dr. Kerstin Merz-<br />
Atalik (PH Ludwigsburg) war<br />
es der Landesgruppe<br />
gelungen, zu diesem Punkt<br />
eine kompetente Referentin<br />
zu gewinnen. In ihrem<br />
Vortrag machte sie an<br />
konkreten Beispielen deutlich,<br />
dass Inklusion ein<br />
Menschenrecht ist, und wie<br />
sich das im gelebten Alltag<br />
zeigen könnte. Dieses<br />
Menschenrecht steht als<br />
solches nicht zur Disposition.<br />
Vielmehr kommt es darauf<br />
an, sich auf den notwendigen<br />
fortschreitenden Prozess der<br />
Inklusion einzulassen. In<br />
letzter Konsequenz dieses<br />
Ansatzes auf das schulische<br />
Lernen angewendet erfordert<br />
dies, die Vielfalt der<br />
Mitglieder jeder Lerngruppe<br />
zu erkennen und anzuerkennen<br />
und diese Vielfalt zum<br />
Ausgangspunkt des Lernens<br />
zu machen.<br />
Inklusive Schulen – auch das<br />
machte sie deutlich – benötigen<br />
eine Ausstattung mit<br />
interdisziplinären Teams, um<br />
auf dem Weg zur inklusiven<br />
Schule entscheidende<br />
Schritte voranzukommen.<br />
Wie, so war ihre Schluss frage,<br />
kommen wir aus der paradoxen<br />
Situation heraus, dass<br />
das Recht auf Inklusion<br />
eingefordert werden muss?<br />
Ganz sicher wäre es hilfreich,<br />
wenn auch Deutschland das<br />
zweite Protokoll der UN in<br />
Sachen Inklusion unterzeichnen<br />
würde, um so deutlich zu<br />
machen, dass die Umsetzung<br />
des Menschenrechts auf<br />
Inklusion nicht nur ein<br />
Lippenbekenntnis ist.<br />
Der Fachtag schloss mit einer<br />
angeregten Diskussion des<br />
Beitrags, der sich die Verabschiedung<br />
zweier verdienter<br />
Vorstandsmitglieder der<br />
Landesgruppe anschloss.<br />
Hans-Joachim Fischer<br />
und Adolf Messer aus dem<br />
Vorstand verabschiedet<br />
In einem – wie gewohnt –<br />
launigen Beitrag würdigte<br />
der Ehrenvorsitzende der<br />
Landesgruppe, Prof. Dr. Kurt<br />
Meiers, die Verdienste zweier<br />
scheidender Vorstandsmitglieder<br />
der Landesgruppe:<br />
Adolf Messer, seit den<br />
Anfängen des damaligen<br />
»AK <strong>Grundschule</strong>« dabei,<br />
blieb dem Verband über<br />
40 Jahre treu. Er war einer der<br />
Mitbegründer der Landesgruppe<br />
und seither in deren<br />
Vorstand vertreten. Als<br />
Delegierter im Bundesverband<br />
vertrat er die Landesgruppe<br />
über viele Jahre und<br />
setzte sich auch dort stets<br />
aktiv für die Belange der<br />
<strong>Grundschule</strong> ein. Die großen<br />
Grundschultage in Freiburg<br />
und Ehrenkirchen bleiben<br />
Der Ehrenvorsitzende der Landesgruppe, Prof. Kurt Meiers,<br />
würdigte die beiden aus dem Vorstand ausscheidenden langjährigen<br />
Weggefährten des Verbandes Hans-Joachim Fischer<br />
und Adolf Messer (v. l. n. r.)<br />
fest mit seinem Namen<br />
verbunden. Jetzt, so meinte<br />
Adolf Messer, sei es Zeit für<br />
den Rückzug ins Private. Die<br />
Landesgruppe dankte für die<br />
lange Mitarbeit und überreichte<br />
ihm ein Präsent.<br />
Hans-Joachim Fischer, nicht<br />
ganz so lange dabei, aber<br />
von den 12 Jahren im<br />
Vorstand 10 Jahre lang als<br />
deren Vorsitzender Antreiber,<br />
Integrationsfigur, unermüdlicher<br />
Schaffer und Verfasser<br />
von Stellungnahmen, will<br />
sich in nächster Zeit wieder<br />
verstärkt dem Sachunterricht<br />
zuwenden. 12 Jahre, so<br />
meinte er, seien genug und<br />
auch höchste Zeit für einen<br />
Wechsel in der Leitung, damit<br />
neue Impulse und Ideen Platz<br />
finden könnten. Selbstverständlich<br />
bliebe er der<br />
Landesgruppe verbunden,<br />
zumal sich in den vielen<br />
Jahren auch persönliche<br />
Freundschaften entwickelt<br />
hätten. Auch ihm dankte die<br />
Landesgruppe mit einem<br />
Präsent.<br />
Mit einem Rap wurden die<br />
beiden auch vom Restvorstand<br />
der Landesgruppe<br />
gewürdigt. »Wann habt ihr<br />
denn das noch geschafft?«,<br />
wollte Adolf Messer auf der<br />
Heimreise von der Tagung<br />
wissen.<br />
Mitgliederversammlung<br />
mit Neuwahlen<br />
In der anschließenden<br />
Mitgliederversammlung<br />
konnten Hans-Joachim<br />
Fischer und Erika Brinkmann<br />
(sie hatte den Vorsitz vor zwei<br />
Jahren übernommen) auf<br />
beachtliche Rechenschaftsberichte<br />
verweisen, die<br />
finanziell unterfüttert<br />
wurden durch den Kurzbericht<br />
der Schatzmeisterin,<br />
Gerlinde Straub.<br />
Insofern konnte nicht<br />
überraschen, dass der<br />
Vorstand einstimmig entlastet<br />
wurde. Die anschließende<br />
Neuwahl erbrachte folgende<br />
Zusammensetzung des<br />
Vorstands der Landesgruppe<br />
für die nächsten vier Jahre:<br />
Vorsitzende: Erika Brinkmann;<br />
Stellvertreterinnen: Angela<br />
Berkenhoff und Magdalene<br />
Haug; Schatzmeisterin:<br />
Gerlinde Straub; Pressereferent:<br />
Edgar Bohn;<br />
BeisitzerInnen: Martina<br />
Knörzer, Gabriele Doderer,<br />
Hans Brügelmann, Christiane<br />
Benz und Annette Pohl;<br />
Delegierte: Erika Brinkmann;<br />
Ersatzdelegierte: Gabriele<br />
Doderer, Magdalene Haug.<br />
Mit einem gemütlichen<br />
Kaffeetrinken im Café<br />
Mohrenköpfle wurde der<br />
Fachtag beschlossen.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
35
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Berlin<br />
Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />
www.gsv-berlin.de<br />
Wenn Inklusion<br />
gelingen soll<br />
Seit Jahren ist es ein Anliegen<br />
der Berliner Landesgruppe<br />
des Grundschulverbandes,<br />
die Kolleginnen und Kollegen<br />
auf ihren Schritten zum<br />
»Länger gemeinsam lernen«<br />
zu unterstützen. An einer<br />
öffentlichen Veranstaltung<br />
mit dem Thema Inklusive<br />
<strong>Grundschule</strong> – Bausteine<br />
– Gelingensbedingungen<br />
nahmen am Samstag, dem<br />
5. Mai 2012 über 100 Lehrerund<br />
Erzieherinnen teil.<br />
Auf dem Weg zur Entwicklung<br />
einer inklusiven Schule<br />
geht es um notwendige<br />
Bedingungen zur Umsetzung<br />
der UN-Konvention, um eine<br />
gewünschte veränderte<br />
Wahrnehmung vom Lernen<br />
und Lehren. Hilfe dabei<br />
bietet, dass es schon gelungene<br />
Erfahrungen aus der<br />
Praxis gibt, konkrete Beispiele<br />
für neue Wege.<br />
Der einleitende Vortrag von<br />
Prof. Dr. Ada Sasse (Humboldt-Universität<br />
zu Berlin)<br />
»Gelingende Inklusion – In<br />
der eigenen Generation<br />
verankert sein« bot einen<br />
motivierenden Einstieg. Sie<br />
lenkte die Aufmerksamkeit<br />
auf eine pädagogische<br />
Begründung für gemeinsames<br />
Lernen im Sinne der<br />
Inklusion. Ausgehend davon,<br />
dass die meisten Zuhörer und<br />
Zuhörerinnen aufgrund des<br />
<strong>aktuell</strong>en Schulsystems<br />
spätestens nach der vierten<br />
Klasse keinen Kontakt mehr<br />
zu benachteiligten Kindern<br />
hatten, konnte sie anschaulich<br />
erläutern, dass es mehr<br />
flankierende und multiprofessionelle<br />
Systeme braucht,<br />
um das bestehende Bild von<br />
Schule verändern zu können.<br />
Weiterhin zeigte sie beispielhaft,<br />
dass Kinder partnerschaftlich<br />
gemeinsam<br />
arbeiten, den Schulalltag und<br />
ihr Lernen nicht nur im<br />
Klassenrat partizipativ<br />
gestalten können. Die<br />
anschließenden Arbeitsgruppen<br />
von 11 bis 13 Uhr<br />
gestalteten Kolleginnen zu<br />
den Themen: Inklusive<br />
Strukturen entwickeln und<br />
gemeinsame Lernprozesse<br />
gestalten – auch für Kinder<br />
mit geistigen und schweren<br />
Mehrfachbehinderungen. /<br />
JÜL: Lernen mit eigenen<br />
Zielen. / Eine Aufgabe für<br />
alle? Individualisierung im<br />
jahrgangsübergreifenden<br />
Mathematikunterricht. /<br />
Inklusive Bildung bei Schüler/<br />
innen mit Beeinträchtigungen<br />
im Sozialverhalten – Projekt<br />
»Übergang«. / Umgang<br />
mit schwierigen Kindern –<br />
Interventionsstrategien. /<br />
Den Übergang von der Kita<br />
in die Schule gestalten.<br />
Die Referentinnen zeigten<br />
Möglichkeiten, dem Recht<br />
jeden Kindes auf beziehungsreiches<br />
und verstehensorientiertes<br />
Lernen mit anregenden<br />
Lernumgebungen,<br />
Ritualen und Schulkonzepten<br />
zu begegnen.<br />
Die Entwicklung und Bereitstellung<br />
von für Inklusion<br />
notwendigen Gelingensbedingungen<br />
wird in den<br />
nächsten Jahren noch auf<br />
vielfältige Weise herausfordern.<br />
Die positive und<br />
konzentrierte Stimmung, die<br />
in den Räumen der Galilei-<br />
<strong>Grundschule</strong> in der Friedrichstraße<br />
herrschte, konnte für<br />
weitere Schritte Mut machen.<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Cornelia Schaffert<br />
Starke <strong>Grundschule</strong>n<br />
Mit der letzten Ausgabe von<br />
»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« ist ein<br />
Projekt gestartet, das gut zu<br />
unserem Verbandsnamen<br />
passt: Starke <strong>Grundschule</strong>n sind<br />
Mitglied im Grundschulverband<br />
– Mitgliedsschulen im<br />
Grundschulverband machen<br />
sich gegenseitig stark! Einige<br />
dieser Schulen sind bereits auf<br />
einer interaktiven Landkarte zu<br />
finden ( www. www.starkegrundschulen.de).<br />
Mehr dazu auch auf www.<br />
starke-grundschulen.de/info.<br />
»Starke <strong>Grundschule</strong>n« können<br />
so auch die Gelegenheit<br />
nutzen, sich zu vernetzen, um<br />
sich wechselseitig zu unterstützen<br />
und damit die <strong>Grundschule</strong><br />
auch nach außen stärker zu<br />
machen – das ist die Idee hinter<br />
dieser Landkarte im Internet.<br />
Gesucht werden nicht »perfekte«<br />
Schulen, sondern solche,<br />
die sich für bestimmte Leitideen<br />
engagieren: Inklusion,<br />
produktiver Umgang mit<br />
Heterogenität, Demokratisierung<br />
… (Sie finden weitere<br />
Stichworte in der Leiste rechts<br />
von der Landkarte auf der<br />
Website www.starke-grund<br />
schulen.de).<br />
Wir möchten Sie nachdrücklich<br />
ermutigen: Nutzen Sie die<br />
Kontakte und tragen Sie auch<br />
Ihre eigene Schule – bitte mit<br />
Internetadresse (wenn<br />
vorhanden) – ein, damit ein<br />
reger Austausch möglich wird.<br />
Anfang August finden sich auf<br />
der interaktiven Landkarte<br />
34 Schulen – der Schuljahresanfang<br />
ist ein guter Zeitpunkt,<br />
auch Ihre Schule auf der<br />
Landkarte starker <strong>Grundschule</strong>n<br />
zu verorten.<br />
(Das geht sehr einfach, die<br />
Schritt-für-Schritt-Anleitung<br />
finden Sie unter www.<br />
grundschulverband.de ><br />
Hinweise zur Landkarte)<br />
Axel Backhaus / Baldur Bertling,<br />
in: Nachrichten aus der GSV-Landesgruppe NRW<br />
36 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Brandenburg<br />
Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />
www.gsv-brandenburg.de<br />
Runder Tisch<br />
Inklusive Bildung<br />
Im Mai fand der dritte Runde<br />
Tisch Inklusive Bildung statt,<br />
zu dem durch das Ministerium<br />
für Bildung, Jugend und<br />
Sport (MBJS) neben mehr als<br />
30 weiteren Institutionen<br />
auch der Grundschulverband<br />
eingeladen worden war. Im<br />
Mittelpunkt des <strong>aktuell</strong>en<br />
Runden Tisches standen die<br />
Informationen zum Pilotprojekt<br />
Inklusive <strong>Grundschule</strong><br />
zur Fortbildung von Lehrkräften<br />
und zur wissenschaftlichen<br />
Begleitung. Die VertreterInnen<br />
der Verbände und<br />
Institutionen wurden seitens<br />
des Direktors des LISUM,<br />
Herrn Dr. Bieber, über das<br />
Fortbildungsprogramm<br />
informiert. Kernstück bilden<br />
Module zur Unterstützung<br />
der schulgenauen Fortbildungsplanung,<br />
zur Arbeit mit<br />
dem Index für Inklusion, zum<br />
Begleiten und Unterstützen<br />
von Lernprozessen. Es geht<br />
darum, inklusive Kulturen<br />
und inklusive Strukturen zu<br />
schaffen und inklusive<br />
Praktiken zu entwickeln.<br />
Nicht nur die Schule selbst,<br />
auch die Schulleitung soll<br />
durch ein Coaching und ein<br />
Fortbildungsprogramm<br />
begleitet werden. Wichtige<br />
Fragen in diesem Zusammenhang<br />
sind: Was leitet mich,<br />
wenn ich leiten verändern<br />
will? Wie weit sind wir bei der<br />
Einsicht in inklusive Strukturen?<br />
Wo stehen wir beim<br />
Aufbau inklusiver Lernformen?<br />
Auch die Arbeit des<br />
wissenschaftlichen Beirates<br />
wurde vorgestellt. Das von<br />
ihnen entwickelte Rahmenkonzept<br />
Inklusive Bildung<br />
soll dem Runden Tisch zur<br />
nächsten Beratung am<br />
8. November 2012 vorgelegt<br />
werden.<br />
In der sich anschließenden<br />
Diskussion wurde die<br />
»unheimliche Dynamik« der<br />
Arbeit des MBJS und des<br />
LISUM gewürdigt, aber auch<br />
die Wahrnehmung der<br />
Heterogenität in den Landkreisen<br />
gespiegelt. Gewürdigt<br />
wurde auch, gemeinsam<br />
einen großen Schritt in der<br />
Diskussion vorangekommen<br />
zu sein. Es wurde deutlich,<br />
dass der pädagogische<br />
Gesichtspunkt inklusiver<br />
Bildung bzw. deren Gelingen<br />
weniger in Frage gestellt<br />
wird. Betont wurde dagegen,<br />
dass zu Fragen der sächlichen<br />
und personellen Unterstützung<br />
die Vertreter der<br />
kommunalen Ebene einzubeziehen<br />
sind. Der Wunsch,<br />
am Ende der Pilotphase eine<br />
Verfahrensregelung für alle<br />
Träger zu finden und die<br />
Bereitstellung der entsprechenden<br />
Ressourcen zu<br />
koordinieren bzw. zu sichern,<br />
wurde bekräftigt. In diesem<br />
Zusammenhang sollte es<br />
auch weiter um Rollen- und<br />
Aufgabenklärung der<br />
Professionen gehen, die<br />
zukünftig gemeinsam in der<br />
inklusiven Schule arbeiten.<br />
Die Ministerin regte darüber<br />
hinaus an, regionale »Runde<br />
Tische« zu initiieren.<br />
83 Pilotschulen werden in<br />
den nächsten Jahren das<br />
Modell der inklusiven Schule<br />
in Brandenburg entwickeln.<br />
Dabei werden sie durch<br />
Beraterinnen und Berater für<br />
Inklusion begleitet und<br />
entsprechend fortgebildet.<br />
Einhergehend lastet jedoch<br />
seitens der Öffentlichkeit ein<br />
großer Erwartungsdruck auf<br />
den Schulen und dem<br />
Unterstützungsangebot der<br />
Beraterinnen und Berater.<br />
Dieser Erwartungsdruck<br />
bezieht sich auch auf den<br />
zukünftigen Umgang mit<br />
Leistungen in einer Schule<br />
für alle. So wurde die Thematik<br />
»Bewertung« als ein<br />
zentrales Thema der Pilotphase<br />
hervorgehoben. Offensichtlich<br />
gehen hier die<br />
Vorstellungen und Sichtweisen<br />
zum Umgang mit<br />
Leistung in der Meinung der<br />
Verbände und Institutionen<br />
noch weit auseinander. Wir<br />
als Landesgruppe sehen in<br />
dieser Thematik für die<br />
nächsten Jahre ein zentrales<br />
Arbeitsfeld und werden dazu<br />
die Expertise des Grundschulverbandes<br />
einbringen.<br />
Hier sollte jedoch endlich ein<br />
eindeutiges politisches<br />
Votum die Arbeit der Schulen<br />
vor Ort, insbesondere auch<br />
die Arbeit mit den Eltern,<br />
unterstützen.<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Marion Gutzmann<br />
Fachtagung<br />
»Vielfalt fördern in<br />
einer Schule für alle«<br />
Montag,<br />
24. September 2012<br />
9.30 – 16 Uhr<br />
LISUM Berlin-Brandenburg<br />
Ein modularisiertes Fortbildungsprogramm<br />
soll den<br />
unterschiedlichen Voraussetzungen<br />
und Bedürfnissen<br />
von Lehrkräften und Schulteams<br />
Rechnung tragen. Im<br />
regionalen Bereich werden<br />
aus diesem Grunde verschiedene<br />
Fortbildungsangebote<br />
gemacht, die von den<br />
Schulen in Absprache mit<br />
den Beraterinnen und<br />
Beratern und nach maßgeschneiderter<br />
schulinterner<br />
Fortbildungsplanung<br />
gewählt werden können.<br />
www.<br />
Zum Fortbildungscurriculum<br />
siehe auf dem<br />
Portal des MBJS:<br />
http://bildungsserver.<br />
berlin-brandenburg.de/<br />
fileadmin/bbb/themen/<br />
inklusion/Curriculum_<br />
Inklusion.pdf<br />
Hamburg<br />
Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg,<br />
susanne.peters@gsvhh.de; www.gsvhh.de<br />
Ein Jahr Grundschrift<br />
in Hamburg<br />
Der neue Bildungsplan<br />
<strong>Grundschule</strong> für Hamburger<br />
Schulen trat zum Schuljahresbeginn<br />
2011/2012 in Kraft.<br />
Erstmals wird darin die<br />
Grundschrift neben der<br />
Schulausgangsschrift als<br />
verbundene Schrift zur<br />
Auswahl angeboten. In stark<br />
emotionsgeladenen Diskussionen,<br />
in die sich auch die<br />
regionale und überregionale<br />
Presse vehement einbrachte,<br />
wurde dem Schulsenator Ties<br />
Rabe vorgeworfen, damit die<br />
Vernichtung deutschen<br />
Kulturguts zu betreiben. Ein<br />
Jahr lang sammelten nun<br />
einige Klassen Erfahrungen<br />
mit der neuen Schreibschrift<br />
und die Lehrkräfte berichten<br />
durchweg von positiven<br />
Ergebnissen. Das Interesse an<br />
der Grundschrift wächst.<br />
Martina Reider, Vorstandsmitglied<br />
der Landesgruppe<br />
Hamburg, bietet deshalb auf<br />
Anfrage Informationsveranstaltungen<br />
für interessierte<br />
Kollegien an. Positiv wurde<br />
vermerkt, dass mittlerweile<br />
auch einzelne Schulbuchverlage<br />
Schreiblehrgänge in<br />
der Grundschrift anbieten<br />
und damit KollegInnen<br />
entgegenkommen, die<br />
gebundene Übungshefte<br />
der Arbeit mit einer Kartei<br />
vorziehen.<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Marion Lindner<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
37
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Niedersachsen<br />
Kontakt: www.gsv-nds.de<br />
Klassenstärke in den<br />
<strong>Grundschule</strong>n verringert<br />
Die Klassengrößen im 1. und<br />
3. Schuljahrgang werden mit<br />
dem Schuljahr 2012/2013<br />
verringert. Die Schülerhöchstzahlen<br />
werden<br />
zunächst von 28 auf 26 in<br />
diesen beiden Jahrgängen<br />
abgesenkt. Ab 2013/14 gilt<br />
dies auch für die Grundschuljahrgänge<br />
2 und 4. Damit<br />
können alle Klassen mit mehr<br />
als 26 Kindern geteilt werden.<br />
Kultusminister<br />
Dr. Bernd Althusmann<br />
erklärte hierzu: »Gerade die<br />
Arbeit in unseren <strong>Grundschule</strong>n<br />
erfordert es, dass die<br />
Lehrkräfte mehr Spielraum<br />
erhalten, um auf die individuellen<br />
Bedürfnisse der Schülerinnen<br />
und Schüler einzugehen«.<br />
Wir, die Landesgruppe<br />
Niedersachsen, fordern in<br />
unserem gemeinsamen<br />
Positions papier mit der GEW<br />
und dem VBE zu inklusiven<br />
Ganztagsgrundschulen in<br />
Niedersachsen eine andere<br />
Höchstgrenze: Die Klassenobergrenze<br />
sollte in den<br />
<strong>Grundschule</strong>n auf bis zu 24<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
abgesenkt werden.<br />
Der Blick auf andere Schulformen<br />
zeigt, welche Schritte<br />
möglich sind: Die Landesregierung<br />
hat zeitgleich<br />
die Klassengrößen im<br />
10. Schuljahrgang von<br />
Gymnasien und im Gymnasialzweig<br />
der Kooperativen<br />
Gesamtschulen um 6 Schüler<br />
von 32 auf 26 verringert.<br />
Neue Arbeitszeitverordnung<br />
für Schulleiter<br />
ohne neue Impulse<br />
Von den rund 1800 <strong>Grundschule</strong>n<br />
in Niedersachsen<br />
sind derzeit fast 140 nach<br />
Angabe des Kultusministeriums<br />
ohne eine Leitung.<br />
Es scheint, als wäre es in<br />
Niedersachsen nicht attraktiv,<br />
Schulleiterin bzw. Schulleiter<br />
zu werden. Es ist zu befürchten,<br />
dass auch die neue<br />
Arbeitszeitverordnung, die<br />
zum 1. August 2012 in Kraft<br />
tritt, nichts daran ändern<br />
wird. Insbesondere Schulleitungen<br />
kleiner Schulen,<br />
also die meisten <strong>Grundschule</strong>n,<br />
erhalten von dieser<br />
neuen Regelung keine<br />
zusätzliche Entlastung durch<br />
mehr Leitungszeit (Entlastungsstunden).<br />
Und dies,<br />
obwohl an den <strong>Grundschule</strong>n<br />
die Unterrichtsverpflichtung<br />
mit 28 Wochenstunden<br />
von allen Schulformen am<br />
höchsten ist. Die Folge ist,<br />
dass somit viele Rektorinnen<br />
und Rektoren immer noch<br />
überwiegend jeden Vormittag<br />
unterrichten werden.<br />
Die neue Verordnung<br />
berücksichtigt zudem weder<br />
den Ganztagsbetrieb noch<br />
den Einsatz pädagogischer<br />
Mitarbeite rinnen und<br />
Mitarbeiter an <strong>Grundschule</strong>n<br />
angemessen. Die Arbeit von<br />
Schulleiterinnen bzw.<br />
Schulleitern wird mit diesem<br />
Papier insbesondere in<br />
kleinen Schulen auch<br />
weiterhin erschwert.<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Dr. Eva Gläser<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
Vorsitzende: Christiane Mika, Ruhrbogen 30, 45529 Hattingen<br />
www.grundschulverband-nrw.de<br />
Fortsetzung des bildungspolitischen<br />
Reformkurses<br />
erwünscht<br />
Die neue alte rot-grüne<br />
Landesregierung in NRW<br />
knüpft in ihrem Koalitionsvertrag<br />
an ihre bisherigen<br />
bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen<br />
an. Viele der<br />
dort gemachten grundsätzlichen<br />
Aussagen werden von<br />
der Landesgruppe begrüßt<br />
und unterstützt, sehr vage<br />
aber bleiben Ankündigungen,<br />
wie die beabsichtigten<br />
Maßnahmen in der Fläche<br />
umgesetzt werden sollen.<br />
So setzt eine präventiv<br />
ausgerichtete Bildungspolitik,<br />
die in ausgewählten<br />
Kommunen z. B. durch eine<br />
stärkere Vernetzung der<br />
Akteure vor Ort dafür sorgen<br />
will »kein Kind zurückzulassen«<br />
sicherlich wichtige<br />
Akzente. Genauso wichtig für<br />
dieses Ziel ist jedoch die Qualitätssteigerung<br />
der offenen<br />
Ganztagsschulen, die unter<br />
höchst unterschiedlichen<br />
Ressourcenbedingungen<br />
arbeiten, sowie die Bereitstellung<br />
umfassender Unterstützungsmaßnahmen,<br />
um die<br />
Schulen auf ihrem Weg zur<br />
Inklusion zu begleiten.<br />
Aktuell bleibt auch weiterhin<br />
das Thema ›Ziffernnoten‹<br />
– die geltende Regelung<br />
erweist sich für eine konsequente<br />
Umsetzung eines<br />
pädagogischen Leistungsbegriffs<br />
nur bedingt als<br />
hilfreich. Die Landesgruppe<br />
hat Schulministerin Sylvia<br />
Löhrmann zur Wiederwahl<br />
gratuliert und freut sich auf<br />
die Fortsetzung der bisherigen<br />
konstruktiven Gespräche<br />
zu diesen und anderen<br />
Fragen.<br />
Umbesetzung der<br />
Vorstandsämter<br />
Um die ehrenamtliche Arbeit<br />
des Landesvorstandes besser<br />
zu verteilen, wurden einige<br />
Ämter umbesetzt: Den<br />
Vorsitz übernimmt nun<br />
Christiane Mika, Axel Backhaus<br />
ist stellvertretender<br />
Vorsitzender, Baldur Bertling<br />
Sprecher der Landesgruppe<br />
und Ute Rohrlack Schatzmeisterin.<br />
Der Vorstand<br />
bedankt sich sehr herzlich<br />
bei Gisela Cappel für ihr<br />
langjähriges Engagement als<br />
Vorstandsvorsitzende und<br />
würdigt ihren hohen und<br />
unermüdlichen Einsatz für<br />
die Landesgruppe!<br />
Alle weiteren Informationen<br />
über die Arbeit der Landesgruppe:<br />
www.grundschul<br />
verband-nrw.de<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Beate Schweitzer<br />
Beiträge zur Schulentwicklung<br />
durch den GSV:<br />
Schulleitungsfortbildung<br />
mit der GEE<br />
Am 26./27. Oktober 2012<br />
findet in Düsseldorf gemeinsam<br />
mit der Gemeinschaft<br />
Evangelischer Erzieher eine<br />
weitere Schulleitungsfortbildung<br />
statt. Mit dem<br />
bewährten Moderatorenteam<br />
Dr. Kirsten Mattern und<br />
Dr. Frank Sielecki werden<br />
Fragen zur Gestaltung eines<br />
gelingenden Veränderungsmanagement<br />
mit dem<br />
Schwerpunkt ›Professionelle<br />
Gesprächsführung‹ bearbeitet.<br />
Anmeldungen dazu<br />
können über die Homepage<br />
der Landesgruppe des GSV<br />
und der GEE erfolgen.<br />
Mitgliederversammlung<br />
Am 10. November 2012 wird<br />
in der neuen Sekundarschule<br />
Billerbeck die diesjährige<br />
Mitgliederversammlung der<br />
Landesgruppe NRW stattfinden.<br />
Sie beschäftigt sich mit<br />
Fragen des Übergangs nach<br />
der Grundschulzeit und<br />
umfasst zwei Schwerpunkte:<br />
»Übergange auf die Sekundarschule«<br />
und »Den Übergang<br />
kooperativ gestalten«.<br />
Anmeldungen erfolgen auch<br />
hierzu über die Homepage.<br />
38 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Rheinland-Pfalz<br />
Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />
www.wl-lang.de<br />
Gespräche über<br />
Weiterentwicklung<br />
der <strong>Grundschule</strong><br />
Mitglieder der Landesgruppe<br />
hatten im Mai<br />
Gelegenheit, im Bildungsministerium<br />
ein Gespräch<br />
über die Weiterentwicklung<br />
der <strong>Grundschule</strong> zu führen.<br />
Angesprochen wurden<br />
unter anderem die anstehende<br />
Überarbeitung der<br />
Grundschulordnung und<br />
die Frage der Grundschulzeugnisse.<br />
Die Landesgruppe<br />
regte an, das Halbjahreszeugnis<br />
der 3. Klasse durch<br />
ein weiteres L-E-S-Gespräch<br />
zu ersetzen, was offenbar<br />
im Ministerium bereits<br />
diskutiert wird. Zum Halbjahr<br />
der 4. Klasse sollte ein weiteres<br />
L-E-S-Gespräch geführt<br />
werden, das zugleich das<br />
»Empfehlungsgespräch« sein<br />
sollte. Dann könnte das<br />
Halbjahreszeugnis auf das<br />
begrenzt werden, was die<br />
weiterführenden Schulen<br />
benötigen. Im Zusammenhang<br />
mit dem großen Thema<br />
Inklusion betonte Staatssekretär<br />
Beckmann, dass die Zahl<br />
der Schwerpunktschulen<br />
weiter erhöht wird und<br />
mittelfristig die Förderschulen<br />
zu Kompetenzzentren ausgebaut<br />
werden. Ziel sei es, den<br />
Eltern eine Wahlmöglichkeit<br />
zwischen Regel- und Förderschule<br />
zu bieten.<br />
Der Landesgruppenvorsitzende<br />
W. Lang führte<br />
ebenfalls im Mai einen<br />
Meinungsaustausch mit der<br />
bildungspolitischen Sprecherin<br />
der SPD-Landtagsfraktion<br />
B. Brück. Dabei ging es<br />
sowohl um <strong>aktuell</strong> erforderliche<br />
Rahmenbedingungen für<br />
starke <strong>Grundschule</strong>n als auch<br />
um mittel- und langfristige<br />
bildungspolitische Ziele.<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Werner Lang<br />
Saarland<br />
Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken<br />
lagroll@t-online.de<br />
Prävention in<br />
der <strong>Grundschule</strong><br />
Im Sommer 2010 startete<br />
das Ministerium für Bildung<br />
in Kooperation mit dem<br />
Landesinstitut Pädagogik<br />
und Medien (LPM) die zwei<br />
Jahre dauernde Qualifizierungsmaßnahme<br />
»Förderung<br />
und Prävention in der<br />
<strong>Grundschule</strong>«. 23 interessierte<br />
Kolleginnen und<br />
Kollegen meldeten sich für<br />
diese Zusatzqualifikation,<br />
die auch ein Mosaikstein in<br />
der Umsetzung der UN-<br />
Konvention zum Schutz der<br />
Rechte behinderter Menschen<br />
darstellt mit dem Ziel:<br />
»Inklusion – Eine Schule für<br />
alle«.<br />
Die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer trafen sich alle<br />
14 Tage im LPM mit den<br />
ReferentInnen, um Einblicke<br />
in Neues zu erlangen oder<br />
bereits Bekanntes zu<br />
vertiefen. So gab Stephanie<br />
Bechle im ersten Halbjahr<br />
den zukünftigen Präventionslehrerinnen<br />
und -lehrern<br />
einen Überblick über integrativen<br />
Unterricht und Diagnostik<br />
sowie Beispiele für Förderung<br />
und Förderplanung.<br />
Prof. Dr. Günter Dörrs und<br />
Jasmin Pfeiffers großer<br />
Themenblock im zweiten<br />
Halbjahr umfasste den Bereich<br />
»Lernen«, wobei den Teilnehmern<br />
der Qualifizierungsmaßnahme<br />
auch die primäre<br />
Erfahrung vor Ort an einer<br />
Förderschule L gewährt wurde<br />
– für viele übrigens die erste<br />
Begegnung mit dieser Schulform.<br />
Im letzten Jahr schließlich<br />
waren der Umgang mit<br />
Verhaltensauffälligkeiten,<br />
Formen des gemeinsamen<br />
Unterrichts und Sprachprobleme/-förderung<br />
in der<br />
<strong>Grundschule</strong> Inhalte der<br />
Ausbildung.<br />
Die PräventionslehrerInnen<br />
sind an 23 Schulen im Saarland<br />
in den ersten Klassen mit<br />
jeweils 6 Stunden eingesetzt.<br />
In Absprache mit den KlassenlehrerInnen<br />
erfolgt eine<br />
Förderung im Klassenverband<br />
– was vor allem bei »Offenem<br />
Unterricht« sinnvoll und<br />
möglich ist – oder in Kleingruppen.<br />
Es besteht eine<br />
enge Kommunikation<br />
zwischen den jeweiligen<br />
Lehrpersonen. Das Hauptaugenmerk<br />
wird auf Schülerinnen<br />
und Schüler gelegt,<br />
bei denen sich Lernschwierigkeiten<br />
oder ein sonderpädagogischer<br />
Förderbedarf<br />
abzeichnen.<br />
Zu den Aufgaben der<br />
PräventionslehrerInnen<br />
gehört es zudem, Vertretungsunterricht<br />
in den ersten<br />
Klassen zu halten, sollten die<br />
KlassenlehrerInnen erkrankt<br />
sein – eine sinnvolle Maßnahme,<br />
da sie durch ihre tägliche<br />
Arbeit die jeweiligen SchülerInnen<br />
gut kennen und eine<br />
Beziehung zu ihnen aufbauen<br />
konnten. Die Erfahrung<br />
der letzten zwei Jahre zeigt<br />
jedoch, dass Präventionslehrkräfte<br />
in allen Klassen der<br />
Schule für einen längeren<br />
Zeitraum als »Feuerwehrlehrer«<br />
eingesetzt werden<br />
und über Monate ihrer<br />
Präventionstätigkeit nicht<br />
mehr nachkommen können.<br />
Dies ist nach Auffassung der<br />
Landesgruppe kein Beitrag<br />
zur Prävention. Wenn schon<br />
Lehrpersonen aufwendig<br />
geschult und zusatzausgebildet<br />
werden, sollten sie nicht<br />
längerfristig für Vertretungsunterricht<br />
eingesetzt werden.<br />
Der ursprünglich positiv<br />
beschrittene Weg darf nicht<br />
verlassen werden, ansonsten<br />
würde ein weiteres Mal<br />
zulasten der Kinder gespart.<br />
Nicht zuletzt ist Kontinuität<br />
ein weiteres Ziel. Allzu oft<br />
wurden in den letzten Jahren<br />
für gut befundene Projekte<br />
– auch durch personelle<br />
Änderungen im Bildungsbereich<br />
– nicht weiterverfolgt.<br />
Mitgliederversammlung<br />
mit Neuwahlen<br />
und einem Referat<br />
zur Grundschrift<br />
Samstag,<br />
25. September 2012<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012<br />
39
Landesgruppen <strong>aktuell</strong><br />
Sachsen-Anhalt<br />
Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06114 Halle,<br />
petra.katrin.uhlig@googlemail.com; www.gsv-lsa.de<br />
Inklusive Bildung in<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Nationale Vergleichsuntersuchungen<br />
wie der jüngst<br />
erschienene Chancenspiegel<br />
der Bertelsmann-Stiftung<br />
zeigen, dass Sachsen-Anhalts<br />
Bildungssystem zu zögerlich<br />
auf die <strong>aktuell</strong>en Herausforderungen<br />
der Schullandschaft<br />
reagiert. Zwar werden<br />
Reformbemühungen auf<br />
administrativer Ebene<br />
deutlich, nur gelingt es ihnen<br />
bislang noch nicht in ausreichendem<br />
Maße, nachhaltig<br />
Wirkung zu zeigen.<br />
Die Landesgruppe hat eine<br />
Stellungnahme verfasst, die<br />
aus unserer Sicht wichtige<br />
Problemfelder der inklusiven<br />
Bildung im Land thematisiert.<br />
Das Schreiben äußert sich<br />
zu den Schwerpunkten<br />
(1) Grundsatz Kostenneutralität,<br />
(2) Pädagogischer<br />
Perspektivenwechsel in allen<br />
drei Phasen der LehrerInnenausbildung,<br />
(3) Regelungen<br />
bis zur gesetzlichen Fixierung<br />
der inklusiven Bildung in<br />
Sachsen-Anhalt und<br />
(4) Überprüfung der Wirksamkeit<br />
von Maßnahmen.<br />
Im Moment werden UnterstützerInnen<br />
der Maßnahme<br />
gesucht, bevor das Schreiben<br />
an die bildungspolitisch<br />
Verantwortlichen und die<br />
Presse geschickt werden soll.<br />
Die Stellungnahme findet<br />
sich im Internet zum Nachlesen<br />
unter: www.gsv-lsa.de<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Dr. Michael Ritter<br />
Schleswig-Holstein<br />
Vorsitzende: Prof. Dr. Beate Blaseio, Universität Flensburg, Auf dem Campus 1,<br />
24943 Flensburg; www.grundschulverband-sh.de<br />
Bewertung im Heimatund<br />
Sachunterricht<br />
Mit Unterstützung des GSV<br />
fand an der Universität<br />
Flensburg am 2. Juni der<br />
Fachtag Heimat- und Sachunterricht<br />
statt. Der lebendige<br />
Einführungsvortrag über<br />
Leistungsfeststellung und<br />
Leistungsbewertung im<br />
Heimat- und Sachunterricht<br />
von Frau Prof. Dr. Frauke<br />
Grittner, Professorin für<br />
<strong>Grundschule</strong>ntwicklung und<br />
Integrativen Sachunterricht<br />
an der Uni Kassel, bot eine<br />
gute Grundlage für die<br />
anschließenden Workshops.<br />
Ausgangspunkt war für sie<br />
die Aussage, dass es immer<br />
darum gehen muss, das<br />
Lernen und die Leistungen<br />
der Kinder wertzuschätzen.<br />
Sie versteht das Lernen als<br />
(Re)Konstruktion von Welt,<br />
das in der Schule mit dafür<br />
geeigneten Aufgaben,<br />
Materialien und Methoden<br />
verknüpft werden muss. Als<br />
gelungenes Beispiel sieht sie<br />
den SINUS-Ansatz; auch die<br />
Bedeutung des jahrgangsübergreifenden<br />
Lernens hob<br />
sie hervor.<br />
Die neue Landesregierung<br />
und die <strong>Grundschule</strong>n<br />
Erwartungsvoll blicken wir<br />
auf die Bildungspolitik der<br />
regierenden Koalition der<br />
grünen, roten und blauen<br />
Ideen. Die Politiker der SPD,<br />
des Bündnis 90 / Die Grünen<br />
und des Südschleswigschen<br />
Wählerverbandes haben in<br />
ihrem Koalitionspapier nur<br />
wenig zum Thema <strong>Grundschule</strong><br />
formuliert. Die<br />
Eingangsphase ist bezüglich<br />
des Inklusionsgedankens<br />
erwähnt. Auch wird über die<br />
Umformung der Schulübergangsempfehlung<br />
nach<br />
Klasse 4 nachgedacht. Der<br />
Schulfrieden soll für 10 Jahre<br />
gewahrt werden. Dieser ist in<br />
den Schulformen Gemeinschaftsschule<br />
und Gymnasi-<br />
um sicher angebracht. Für die<br />
<strong>Grundschule</strong>n kann Frieden<br />
aber nicht mit Ruhigstellen<br />
verwechselt werden. Zu still<br />
und brav haben sie die<br />
Veränderungen der letzten<br />
Jahre und die wechselnden<br />
Schulgesetze hingenommen<br />
und sich der Aufgabenvielfalt<br />
z. B. Individualisierung ohne<br />
Differenzierungsstunden<br />
gestellt. Wir erwarten, dass<br />
die neue Bildungsministerin<br />
Wara Wende auch einen<br />
zeitgemäßen Fokus auf die<br />
Unterstützung der Kernpunkte<br />
der Grundschulbildung<br />
richtet. Wir befürchten, dass<br />
die sinkenden Schülerzahlen<br />
wirtschaftlich als demografischer<br />
Gewinn verrechnet<br />
werden und die Versorgung<br />
zu einem Bildungsdumping<br />
führt.<br />
Für die Landesgruppe:<br />
Sabine Jesumann,<br />
Andrea Keyser<br />
Inklusions-Fachtag<br />
Samstag,<br />
22. September 2012<br />
Mitgliederversammlung,<br />
Vortrag Grundschrift,<br />
Donnerstag,<br />
15. November 2012 im<br />
Martinshaus in Rendsburg<br />
40 GS <strong>aktuell</strong> <strong>119</strong> • September 2012
Horst Bartnitzky, Hans Brügelmann, Ulrich Hecker, Friederike Heinzel,<br />
Gudrun Schönknecht, Angelika Speck-Hamdan (Hrsg.):<br />
Kursbuch <strong>Grundschule</strong><br />
Die <strong>Grundschule</strong> ist eine reformbewusste Schulform<br />
Welchen Leitideen folgt sie?<br />
Welche Probleme hat sie zu bewältigen?<br />
Wie ist der <strong>aktuell</strong>e Forschungsstand<br />
z. B. zu Fragen der Kindheit, zur Heterogenität,<br />
zum Lernkonzept, zu Leistung und Evaluation?<br />
Wie ist der didaktische Entwicklungsstand<br />
in den Fächern und Lernbereichen?<br />
Wie kann fortschrittlicher Unterricht realisiert werden?<br />
Kursbuch <strong>Grundschule</strong> – übersichtlich, kompakt, anschaulich<br />
Frankfurt a. M. 2009<br />
835 Seiten<br />
34 € (für Mitglieder: 26 €)<br />
ISBN 978-3-930024-99-5<br />
Bestell-Nr. 1085<br />
Heike de Boer, Susanne Peters (Hrsg.):<br />
<strong>Grundschule</strong> entwickeln –<br />
Gestaltungsspielräume nutzen<br />
Wie gelingt <strong>Grundschule</strong>n der Spagat, den gewachsenen<br />
Leistungsanforderungen von außen gerecht zu<br />
werden, ohne dabei den Blick auf die SchülerInnen zu<br />
verlieren?<br />
Alle Schulen befinden sich im Spannungsfeld zwischen<br />
ministeriellen Vorgaben, externer Evaluation und dem<br />
Auftrag, Schulentwicklungsprozesse für sich daraus<br />
abzuleiten. <strong>Grundschule</strong>n haben hierfür in der Regel<br />
keine oder kaum finanzielle und organisatorische<br />
Ressourcen zur Verfügung.<br />
In diesem Band zur <strong>aktuell</strong>en Diskussion über Schulqualität<br />
werden die Herausforderungen für Schulen<br />
analysiert, Chancen, Grenzen und Handlungsspielräume<br />
beschrieben.<br />
Frankfurt a. M. 2011<br />
313 Seiten<br />
19,50 € (für Mitglieder: 13 €)<br />
ISBN 978-3-941649-02-6<br />
Bestell-Nr. 1088<br />
Beispiele aus der Praxis zeigen, wie LehrerInnen<br />
und Schulleitungen die neuen Aufgaben bewältigen,<br />
kreative Lösungen für Probleme finden, wie Schulen<br />
miteinander und voneinander lernen und wie<br />
Schulentwicklungs prozesse dazu führen, dass die<br />
SchülerInnen davon profitieren und besser lernen.
<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Grundschulverband e. V.<br />
Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />
Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />
info@grundschulverband.de<br />
www.grundschulverband.de<br />
Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />
D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />
Versandadresse<br />
Beitrittserklärung<br />
An den<br />
Grundschulverband<br />
Niddastraße 52<br />
60329 Frankfurt/Main<br />
Sie können sich auch im Internet anmelden:<br />
www.grundschulverband.de<br />
oder per Fax 0 69 / 7 07 47 80<br />
Ich beantrage die Mitgliedschaft im Grundschulverband e. V.<br />
Als Mitglied erhalte ich jährlich zwei neue Mitgliedsbände aus der<br />
Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>« sowie die Vierteljahreszeitschrift<br />
»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« jeweils nach Fertig stellung kostenfrei<br />
zugesandt.<br />
Den angekreuzten Betrag<br />
Jahresmitgliedsbeitrag: 66,– €<br />
Ermäßigter Beitrag (bitte belegen!): 39,– €<br />
(für Studierende, Arbeitslose, Lehramts anwärterInnen)<br />
Förderbeitrag: mindestens 39,– €<br />
(keine Mitgliedsbände, nur Zeitschrift – für Pensionäre, die weiterhin<br />
<strong>aktuell</strong> informiert werden wollen und andere Förderer, die die Arbeit<br />
des Grundschul verbandes unterstützen möchten)<br />
zahle ich nach Erhalt der Jahresrechnung per Bankeinzug<br />
Konto Nr. ___________________<br />
Bankleitzahl __________________<br />
Bankname _________________________________________________<br />
Name _____________________________________________________<br />
Straße und Hausnummer _____________________________________<br />
PLZ und Ort ________________________________________________<br />
E-Mail _____________________________________________________<br />
Tel. _______________________________________________________<br />
___________________________________________________________<br />
Datum und Unterschrift<br />
Als Mitglied im Grundschulverband<br />
… unterstützen Sie unsere Ziele:<br />
»Die pädagogisch begründeten Ansprüche<br />
der Kinder dieser Schulstufe zu vertreten, die<br />
Grundschul pädagogik weiter zu ent wickeln<br />
und die Stellung der <strong>Grundschule</strong> im öffent lichen<br />
Bildungswesen zu verbessern.« (aus der Satzung)<br />
… erhalten Sie jährlich zwei neue Bände der<br />
Reihe »Beiträge zur Reform der <strong>Grundschule</strong>«<br />
… erhalten Sie viermal jährlich die 40-seitige<br />
Mitglieder zeitschrift »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« mit<br />
Beiträgen zur Bildungs politik, aus der Grund schulforschung<br />
und zur pädagogischen Praxis<br />
… können Fortbildungsveranstaltungen<br />
des GSV stets zu ermäßigten Tagungsgebühren<br />
besucht werden.<br />
Für Ihren Beitritt zum Grundschulverband<br />
halten wir folgendes Werbe angebot für Sie<br />
bereit:<br />
(Bitte nur eine der beiden Möglichkeiten<br />
ankreuzen!)<br />
Als neues Mitglied im Grundschulverband<br />
wünsche ich mir den Band<br />
als Aufnahmegeschenk.<br />
Oben genanntes Mitglied habe ich für den<br />
Grundschulverband geworben.<br />
Als Werbeprämie senden Sie mir bitte den<br />
Band<br />
an folgende Anschrift:<br />
______________________________________<br />
Name<br />
______________________________________<br />
Straße und Hausnummer<br />
______________________________________<br />
PLZ und Ort