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Grundschule aktuell 124

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Praxis: Rechtschreiben lernen<br />

Verena Groer / Claudia Hub<br />

»achtung: entwurf!<br />

noch nicht fertig!!!«<br />

»achtung: entwurf! noch nicht fertig!!!«, notierte Tim nach einer freien Schreibphase<br />

unter seine angefangene Geschichte. Hinter dieser reflektierten Feststellung<br />

des Drittklässlers steckt ein Verständnis, das rechtschriftliches Überarbeiten<br />

in den persönlichen Schreibprozess integriert.<br />

Im folgenden Beitrag wird der Versuch<br />

unternommen, mögliche Fragen<br />

aus der Grundschulpraxis zum<br />

Thema »orthographische Revision«<br />

aufzugreifen und zu beantworten.<br />

Fachwissenschaftlichen Hintergrund<br />

dafür liefert das von Spitta entwickelte<br />

»Generalisierte Schreibprozessmodell«<br />

1) . Neben Motivations- und<br />

Zielbildungsprozessen spielen hierfür<br />

die Wissensaktivierung, Produktionsund<br />

Evaluationsprozesse eine entscheidende<br />

Rolle. Ein gewinnbringendes<br />

Modell für den eigenen Deutschunterricht,<br />

denn es bietet den Kindern die<br />

Möglichkeit, die Kunst des Schreibens<br />

für sich zu entdecken und dabei auch<br />

ihre rechtschriftlichen Kompetenzen<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Warum sollen meine Schüler<br />

ihre Texte selbst überarbeiten?<br />

Nachdem sich die Schreibdidaktik in<br />

Baden-Württemberg spätestens mit<br />

dem Bildungsplan 2004 vom traditionellen<br />

Aufsatzunterricht verabschiedet<br />

hat, beinhalten die Kompetenzen für<br />

das Fach Deutsch den Arbeitsbereich<br />

»Texte verfassen«. Dieser umfasst nicht<br />

mehr allein das Schülerprodukt, sondern<br />

einen ganzheitlichen Schreibprozess.<br />

So entsteht im modernen Schreibunterricht,<br />

nach einer Ideensammlung<br />

und einem ersten Entwurf, zunächst ein<br />

Rohprodukt, das es nun inhaltlich und<br />

später auch orthographisch zu überarbeiten<br />

gilt. Ganz nach dem Vorbildcharakter<br />

der Eltern und Lehrer erfahren<br />

sich die Schüler in der Rolle eines<br />

Schriftstellers, der sich mit Geschriebenem<br />

aktiv auseinandersetzt. Nach einer<br />

inhaltlichen Überarbeitung, beispielsweise<br />

in Form einer »Schreibkonferenz«<br />

nach Spitta, einer »Textlupe« nach Böttcher<br />

/ Wagner oder »Chatten auf dem<br />

Papier« nach Fix, folgt der orthographische<br />

Feinschliff, der in diesem Artikel<br />

im Vordergrund steht. Das eigentliche<br />

Ziel einer rechtschriftlichen Revision<br />

ist der für andere leichter lesbare Text.<br />

Schülertexte, die veröffentlicht werden,<br />

beispielsweise in Form eines Geschichtenbuchs,<br />

einer Schülerzeitung oder<br />

als Aushang im Schulhaus, müssen die<br />

gesellschaftlich vereinbarten Normen<br />

in Gestalt der neuen deutschen Rechtschreibung<br />

einhalten.<br />

Ein weiteres Argument liefert die<br />

Forderung der modernen Deutschdidaktik<br />

nach einem integrativen Rechtschreibunterricht.<br />

Verlässlich freie<br />

Schreibzeiten bieten hierfür eine ideale<br />

Plattform, um das Schreiben und später<br />

das Überarbeiten nach rechtschriftlichen<br />

Grundsätzen funktional und<br />

adressatenorientiert zu erfahren. Wo,<br />

wenn nicht an eigenen Texten, kann<br />

Orthographie regelmäßig lebendig erlebt<br />

und direkt angewendet werden! Die<br />

Anbahnung eines wachsenden Rechtschreibgespürs<br />

erfolgt Stück für Stück<br />

und ebnet den Schülern den Weg zum<br />

kompetenten Schreiber.<br />

Welche Texte eignen sich<br />

für das Überarbeiten?<br />

Abb. 1<br />

Nicht nur der Deutschunterricht liefert<br />

eine facettenreiche Palette an Texten,<br />

die überarbeitet werden können. Forscherplakate,<br />

die im Schulhaus präsentiert<br />

werden, Einladungen für das diesjährige<br />

Schulfest, Briefkorrespondenzen<br />

mit der Nachbarschule oder ein Rezeptbuch<br />

der Ernährungswerkstatt – all dies<br />

bietet funktionale Anlässe, um aktiv<br />

am eigenen Text zu arbeiten. Das Wissen<br />

um die zukünftige Veröffentlichung<br />

ihrer Schreibprodukte kann Schüler<br />

dazu anregen und motivieren, sich auf<br />

den anstrengenden Überarbeitungsprozess<br />

einzulassen. Im Überarbeiten<br />

noch unerfahrene Kinder können sich<br />

an die Revision längerer Texte langsam<br />

herantasten, beispielsweise durch gemeinsame<br />

kurze Rechtschreibgespräche.<br />

»Der harte Brocken des Tages« stellt<br />

solch eine Möglichkeit dar, wird doch<br />

zunächst lediglich ein Wort oder ein<br />

kurzer Satz in den orthographischen<br />

Fokus gerückt. Versteht der Lehrer seinen<br />

Schreibunterricht als Prozess und<br />

sind die Kinder zunehmend fachkundige<br />

Überarbeiter, kann die Revision<br />

ebenso Teil einer mehrstufigen Textbewertung<br />

sein. Dabei können die Schüler<br />

ihre Überarbeitungskompetenz unter<br />

Beweis stellen (Abb. 2).<br />

Was lernen meine Schüler beim<br />

selbstständigen Überarbeiten?<br />

Nehmen Schüler ihre Texte sprichwörtlich<br />

selbst in die Hand, d. h. überarbeiten<br />

sie ihre Manuskripte bis zum fertigen<br />

Produkt, erfahren sie sich nicht<br />

nur als selbstständig und verantwortungsvoll,<br />

sondern eignen sich neben<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>124</strong> • November 2013

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