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Grundschule aktuell 114

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www.grundschulverband.de · Mai 2011 · D9607F<br />

<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>114</strong><br />

Kinder und Religion(en)<br />

Fragen • Impulse • Konzepte<br />

Jetzt mit Beilage


– Neues Forum des Grundschulverbands<br />

»Der Grundschulverband setzt sich für die Weiterentwicklung der<br />

<strong>Grundschule</strong> ein.« So heißt es in der Selbstdarstellung unseres<br />

Verbands. Der Verband ist somit offen für alle Personen, die an<br />

dieser Weiterentwicklung interessiert sind und daran mitwirken<br />

wollen. Unter seinen Mitgliedern sind derzeit vor allem <strong>Grundschule</strong>n,<br />

Lehrer/innen, Studierende und Wissenschaftler/innen zu<br />

finden. Dabei wissen wir:<br />

Gute Schule kann ohne Eltern nicht gelingen.<br />

Und auch bildungspolitisch lassen sich schulische Rahmenbedingungen<br />

nur mit Unterstützung der Eltern verändern. Sie sind<br />

es, die an den Wahlurnen Druck auf Politik ausüben können.<br />

Wir wenden uns deshalb mit der neuen Beilage<br />

direkt an Eltern und ihre Vertreter<br />

in den Gremien.<br />

GrundschulEltern wird jeder Ausgabe unserer Zeitschrift<br />

»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« beigeheftet,<br />

herausgegeben gemeinsam mit unserem Fachreferenten<br />

Hans Brügelmann, Professor für Grundschulpädagogik<br />

an der Universität Siegen, unter<br />

Mitarbeit von Axel Backhaus und Babette Danckwerts<br />

aus der Siegener Arbeitsgruppe Primarstufe.<br />

Gemeinsam wollen wir Eltern helfen,<br />

• sich über zeitgemäße <strong>Grundschule</strong> zu<br />

informieren,<br />

• Schulen im Bemühen um eine auf das Kind<br />

ausgerichtete Praxis zu unterstützen und<br />

• sich in der Weiterentwicklung der <strong>Grundschule</strong><br />

zu engagieren.<br />

Der vierseitige Beihefter wird sich jeweils einem<br />

inhaltlichen Thema zuwenden, Forschungsbefunde<br />

verständlich darstellen und praktische Empfehlungen<br />

(z. B. Film- und Lesetipps) enthalten.<br />

Wie aber erreicht ihre »Zielgruppe«: die Eltern –<br />

sind diese doch bislang keine Mitglieder?<br />

Hier sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.<br />

Wir haben diesem Heft zwei Exemplare beigelegt. Unsere Bitte:<br />

• Geben Sie GrundschulEltern an interessierte Eltern oder Elternvertreter<br />

weiter.<br />

• Hängen Sie GrundschulEltern am Schwarzen Brett aus, z. B.<br />

zusammen mit einer Vorstellung des Grundschulverbands.<br />

• Weisen Sie die Eltern darauf hin, dass sie für nur 10 € (inkl. Porto)<br />

weitere 25 Exemplare beziehen können, sodass jede/r Elternvertreter/in<br />

einer Schule oder auch alle Eltern einer Klasse mit<br />

einem Exemplar bedacht werden können.<br />

• Einzelexemplare von GrundschulEltern erhalten Sie für 2 €<br />

(inkl. Porto) über unsere Geschäftsstelle.<br />

• Machen Sie die Eltern auf unsere neue Website<br />

www.grundschuleltern.info aufmerksam.<br />

Bitte helfen Sie mit,<br />

zu einem Erfolg zu<br />

machen: <strong>Grundschule</strong> weiterentwickeln – mit Eltern!<br />

Der Vorstand des Grundschulverbands


Inhalt<br />

Editorial<br />

Tagebuch<br />

S. 2 Ideale Bildungspartner (U. Walther)<br />

Thema: Kinder und Religion(en)<br />

S. 3 Kinder, Religion(en) und die <strong>Grundschule</strong><br />

(U. Hecker)<br />

S. 6 Religion in der <strong>Grundschule</strong><br />

(B. Asbrand und H. Brügelmann)<br />

S. 10 Religionsunterricht für alle –<br />

ein Hamburger Modell (A. Schultheiß)<br />

S. 13 Das Fach Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde<br />

(E.-M. Kenngott)<br />

S. 16 Plädoyer für ein Pflichtfach Ethik / Religionskunde<br />

(G. Laudert)<br />

Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

S. 20 Kinder brauchen Religion (A. Pahl)<br />

S. 24 Religionslehrer/in im 21. Jahrhundert?<br />

Aktuell …<br />

… aus dem Bundesvorstand<br />

S. 27 Arbeitstagung zur Grundschrift<br />

… aus den Landesgruppen, u. a.<br />

S. 29 Berlin: Transparenz und Rankings?<br />

S. 30 Brandenburg: »Alle inklusive«?<br />

S. 31 Hamburg: Nach der Wahl<br />

S. 32 Saarland: Kooperationsjahr<br />

Kindergarten – <strong>Grundschule</strong><br />

Impressum<br />

GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />

erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />

Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />

kostet 7,50 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 3,00 €.<br />

Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />

60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />

www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />

Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />

in Zusammen arbeit mit Dr. Horst Bartnitzky<br />

Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />

Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />

Fotos: Autorinnen und Autoren; Bert Butzke, Mülheim (Titel,<br />

S. 4, 9, 11, 16, 24 – 26); Melanie Doering (S. 31)<br />

Zeichnung: Wilhelm Nüchter, Moers (S. 3)<br />

Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />

Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />

Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />

Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />

Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />

Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />

ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6049<br />

Beilagen: »Eine Welt in der Schule« als ständige Beilage<br />

»Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?«<br />

Die »Gretchenfrage« in Goethes »Faust« (in »Der Tragödie erster<br />

Teil«) ist eine alte, immer wieder <strong>aktuell</strong>e Frage – auch bei der<br />

Diskussion um Sinn und Zweck, Gestaltung und Organisation<br />

von Religionsunterricht in den (Grund-)Schulen.<br />

Das Verhältnis von Politik und Religion ist nach wie vor eines<br />

der großen Themen jeder Gesellschaft. Auch mit Blick auf zukünftige<br />

Entwicklungen spielen die Religionen – neben weltlichen<br />

Einstellungen – eine zentrale Rolle. Gesellschaftlich ist die<br />

Aufgabe:<br />

»Die religiösen Bürger müssen lernen, dass die Anders- und<br />

Nichtreligiösen die gleiche Achtung ihrer moralischen Handlungsmotive<br />

verdienen, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen.<br />

(…) Die Nicht-Religiösen müssen einsehen, dass der Glaube<br />

kein vormodernes, allmählich absterbendes Überbleibsel ist, das<br />

nicht mehr ganz Ernst genommen werden muss, sondern eine<br />

respektable Lebensorientierung, die das Gemeinwesen enorm<br />

bereichern kann.<br />

Hinzu kommt der vitale Anspruch auf Einbürgerung der neuen<br />

Religionen, die nun zum Land gehören, voran der Islam. Das<br />

über 60 % der Menschen hierzulande ihm die volle Anerkennung<br />

als beachtenswerte Religion verweigern, ist ein Alarmzeichen«<br />

(Thomas Meyer, in: »Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte«,<br />

4/2011, S. 1).<br />

Sowohl mit Blick auf Gesellschaft und Politik im weiteren als<br />

auch auf Schule und Religionen im engeren Sinne besteht Klärungs-<br />

und Verständigungsbedarf. Dazu wollen wir mit den<br />

Texten dieses Heftes beitragen.<br />

Bei der Debatte über den rechten Ort des Lernens über Religionen<br />

und Ethik fällt auf, dass immer wieder zwei ganz verschiedene<br />

Gesichtspunkte vermischt werden:<br />

●●<br />

zum einen die konfessionelle Beschäftigung mit Religion in<br />

der Schule, wie sie von Religionsgemeinschaften für Kinder, die<br />

dieser Religion angehören, gewünscht wird, und<br />

●●<br />

zum anderen die Forderung nach einem Unterricht über<br />

Religion(en), Weltanschauungen und Lebensfragen als integrierten<br />

Bestandteil allgemeinen schulischen Lernens im Klassenverband,<br />

ganz unabhängig von der Zugehörigkeit der Kinder zu<br />

Religionsgemeinschaften.<br />

Debatten, wie sie z. B. besonders heftig um das Schulfach Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religionskunde in Berlin und Brandenburg<br />

geführt wurden, zeigen, dass es vielen Diskussionsteilnehmern<br />

um mehr geht: Um die Prinzipien des säkularen Staates und ihre<br />

politische Gestaltung und auch um tradierte Privilegien einiger<br />

Religionsgemeinschaften.<br />

Das Wissen über Religion(en) und das Gespräch über zentrale<br />

Lebensfragen sind unverzichtbare Bildungsinhalte. Soweit<br />

scheint Einigkeit zu bestehen. Aber schon die Frage, ob die<br />

Beschäftigung mit diesen Themen gemeinsam oder nach Konfession<br />

oder Weltanschauung getrennt erfolgen soll, führt zu<br />

heftigen Kontroversen. Diese Kontroverse und die damit einhergehenden<br />

Herausforderungen werden im Spektrum der Beiträge<br />

dieses Heftes reflektiert und zur Diskussion gestellt.<br />

Ulrich Hecker<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

1


Tagebuch<br />

Ideale Bildungspartner<br />

Ein Plädoyer für die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule<br />

kämpfen sie um mehr Lehrer, bessere Schulgebäude und<br />

kleinere Klassen, wenn auch auf erheblich anspruchsvollerem<br />

Niveau als vor sechzig Jahren. Dass die Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />

heute besser seien als früher, kann<br />

man nicht behaupten. Immerhin durften in den 1920er<br />

Jahren die Elternräte in Hamburg, Sachsen und Thüringen<br />

ihre Schulleiter wählen.<br />

Ursula Walther<br />

Hilfe, die Eltern kommen! Mit diesem Slogan warb vor<br />

Jahren eine Lehrerzeitschrift um Leser. Ein zum Angstschrei<br />

geöffneter Mund, ein bleiches Gesicht auf schwarzem<br />

Grund – das perfekte Horrorszenario. Ob diese Anzeige<br />

mehr Abonnenten gebracht hat, weiß nur der Verlag.<br />

Für spektakuläre Berichte in den Medien ist es selbstverständlich<br />

besser, wenn Eltern und Lehrer sich nicht vertragen.<br />

Folgerichtig befasst sich die nächste Ausgabe des<br />

Magazins Spiegel Wissen mit übereifrigen Eltern, die den<br />

Lehrern das Leben zur Hölle machen. Aber stimmt das<br />

denn? Ist die Beziehung zwischen Eltern und Schule wirklich<br />

so schlecht?<br />

Eltern haben manchmal den Eindruck, dass die Schule von<br />

ihnen nichts weiter erwartet als Kuchenbacken fürs Schulfest<br />

und Spenden für ein neues Klettergerüst. Das ist ihnen<br />

zu wenig. Sie möchten die Schule ihrer Kinder als ebenbürtige<br />

Partner mitgestalten. Also machen sie Vorschläge<br />

und üben Kritik. Dadurch fühlen Lehrer sich bedrängt,<br />

fürchten einen Eingriff in ihre pädagogische und fachliche<br />

Kompetenz. Ganz schnell stehen die Eltern auf der einen<br />

Seite und die Lehrer auf der anderen. Es ist eine große Herausforderung<br />

für beide, von solchen unguten Polarisierungen<br />

wegzukommen. Gelingt es, profitieren nicht nur<br />

die Kinder.<br />

Bereits in den 1920er Jahren gab es sehr aktive Eltern räte.<br />

1952 wurde der Bundeselternrat als »Arbeitsgemeinschaft<br />

der deutschen Elternvertretungen« gegründet. Er ist Ansprechpartner<br />

der Kultusministerkonferenz und des Bundesbildungsministeriums<br />

und unterstützt die Eltern in<br />

den Bundesländern dabei, ihre Mitwirkungsrechte wahrzunehmen.<br />

Die Unterrichtsqualität war schon 1952 ein<br />

Elternthema. Und schon damals verstanden Eltern sich<br />

als Partner der Schule, auch wenn es zunächst ganz pragmatisch<br />

um geregelten Unterricht ging, fehlte es doch an<br />

Geld, Räumen und Lehrern. Aus heutiger Sicht haben sich<br />

die Probleme – abgesehen von der unmittelbaren materiellen<br />

Not – kaum geändert: Immer noch bemühen sich Eltern<br />

um eine gute Beziehung zur Schule, und immer noch<br />

Bei der Wahl des Schulleiters mitreden zu können, ist<br />

nicht der größte Ehrgeiz heutiger Eltern, auch wenn sie<br />

durchaus wissen, welchen Einfluss die Schulleitung auf<br />

die Qualität einer Schule hat. Eltern ist vor allem eines<br />

wichtig: Sie wollen ernst genommen werden, als Fürsprecher<br />

ihrer Kinder und als Bildungspartner. Sie wollen<br />

mitreden, wenn es um guten Unterricht geht und darum,<br />

welches Bildungsziel ihr Kind erreichen soll und kann.<br />

Sie wollen über den Bildungsweg entscheiden und die<br />

Schule, die ihr Kind nach der <strong>Grundschule</strong> besucht, selbst<br />

wählen. Weil das in der Hälfte der Bundesländer aber<br />

von den richtigen Noten abhängt, kämpfen verzweifelte<br />

Eltern um jeden Punkt auf der Probearbeit. Das belastet<br />

die Beziehung zwischen Eltern und Lehrern. Dem Übertrittsdruck<br />

können sich beide nicht so einfach entziehen.<br />

Wie kann die Partnerschaft zwischen Eltern und Lehrern<br />

zum Nutzen aller gestaltete werden? Das Zauberwort ist<br />

Wertschätzung. Eltern kommen gern in die Schule, wenn<br />

sie wissen, dass sie dort willkommen sind und dass ihr<br />

Beitrag geschätzt wird. Lehrer haben in den Augen der<br />

Eltern und der Öffentlichkeit ein deutlich höheres Ansehen,<br />

als sie ahnen. Das ist in einschlägigen Studien der<br />

Gesellschaft für Konsumforschung nachzulesen. Der Respekt<br />

für die Arbeit der Lehrer wächst gewöhnlich noch,<br />

wenn sich die Schule öffnet und Eltern beim Unterricht<br />

zusehen dürfen. Eine kluge Schulleitung ergänzt zudem<br />

das Portfolio der Schule mit elterlichem Expertenwissen.<br />

Eltern sprechen viele Sprachen, sie können Arbeitsgruppen<br />

leiten, Presseartikel schreiben, fotografieren und<br />

Webseiten einrichten, haben Kontakte zur Wirtschaft,<br />

zu Sport- und Musikvereinen, geben Erste-Hilfe-Kurse –<br />

und sie können Kuchen backen.<br />

Ursula Walther<br />

sitzt im Vorstand des Bundeselternrats und<br />

im Vorstand des Bayerischen Elternverbands<br />

2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Ulrich Hecker<br />

Kinder, Religion(en) und die <strong>Grundschule</strong><br />

Voraussetzungen und Fragezeichen (zu) einer notwendigen Debatte<br />

»Wie soll eine Erstklässlerin verstehen, weshalb sie nicht am Religionsunterricht<br />

der Freundin teilnehmen darf, weil diese ›katholisch‹ ist, während alles<br />

andere im Schulalltag eines Grundschulkindes gemeinsam in der vertrauten<br />

Lerngruppe stattfindet?«<br />

»Ziele und Inhalte des Religionsunterrichts sollten sich aus der Bedeutung religiöser<br />

Phänomene für Kinder in ihrer heutigen Lebenswelt ergeben.«<br />

Schon diese beiden Facetten aus<br />

dem folgenden Schreibgespräch<br />

zwischen den Professoren Barbara<br />

Asbrand und Hans Brügelmann skizzieren<br />

das schwierige, manchmal gar heikle<br />

Problemfeld »Kinder – Religion(en) –<br />

<strong>Grundschule</strong>«.<br />

Situation des Religionsunterrichts<br />

<strong>Grundschule</strong> soll Kinder in wichtige<br />

Bereiche der Lebenswirklichkeit einführen,<br />

soll ihre Lebenswelt erhellen,<br />

erweitern und sie in die Lage versetzen,<br />

Lebenswelt mit zu gestalten.<br />

Zu den schwierigsten, aber auch<br />

wichtigsten Aufgaben der <strong>Grundschule</strong><br />

gehört es, Kinder zur aktiven Auseinandersetzung<br />

mit Grundfragen menschlichen<br />

Lebens zu bringen. Das Fach, das<br />

den Anspruch erhebt, solche Fragen<br />

zum Thema zu machen, ist der Religionsunterricht.<br />

Nach dem Grundgesetz (Art. 7, Abs. 3)<br />

ist Religion »ordentliches Lehrfach« an<br />

öffentlichen Schulen und soll »in Übereinstimmung<br />

mit den Grundsätzen der<br />

Religionsgemeinschaften« (beachte den<br />

Plural, U. H.) erteilt werden.<br />

Damit ist nicht gesagt, dass Religionsunterricht<br />

in allen Jahrgangsstufen<br />

angeboten werden muss. Auch nicht,<br />

dass er nach Konfessionen getrennt zu<br />

erteilen ist. Die Religionsgemeinschaften<br />

– und zwar nicht nur die christlichen!<br />

– haben das Recht, an der Erarbeitung<br />

entsprechender Lehrpläne<br />

mitzuwirken.<br />

Historisch bedingt ist die Wirklichkeit<br />

des Religionsunterrichts in den 16<br />

Bundesländern sehr vielfältig. In den<br />

meisten Bundesländern wird er zurzeit<br />

noch als konfessioneller Unterricht in<br />

gemeinsamer Verantwortung von Staat<br />

und christlichen Kirchen organisiert.<br />

Grob lassen sich folgende Strömungen<br />

der Diskussion um Schule und<br />

Religion(en) umreißen:<br />

1.: Das Plädoyer für die Beibehaltung<br />

des konfessionellen Religionsunterrichts.<br />

Hinzu kommt die Forderung<br />

nach Einführung eines islamischen<br />

Religionsunterrichts zusätzlich zu den<br />

konfessionellen Religionsunterrichten.<br />

2.: Die Forderung nach einem interkulturell<br />

und interreligiös geöffneten, dialogischen<br />

Religionsunterricht.<br />

3.: Das Streben nach einem konfessionell-kooperativen<br />

Religionsunterricht.<br />

Das bedeutet enge Kooperation oder<br />

gar Zusammengehen der beiden großen<br />

christlichen Konfessionen – das Spektrum<br />

reicht von Vereinbarungen der<br />

katholischen und evangelischen Fachlehrer/innen<br />

in Fachkonferenzen bis zu<br />

(phasenweise oder vollständig) gemeinsamem<br />

ökumenischem Religionsunterricht.<br />

4.: Lernbereichsmodelle, die Fächer wie<br />

Ethik, Religion(-skunde), Philosophie in<br />

einem gemeinsamen Unterricht zusammenfassen.<br />

»Religionskunde« wird dabei<br />

verstanden als Unterricht, in dem »objektiv«<br />

über Religionen informiert wird.<br />

Situation der Kinder<br />

Die Lebensbedingungen von Grundschulkindern<br />

heute markieren das Umfeld,<br />

in das Religionsunterricht und die<br />

Diskussion darüber gestellt sind:<br />

●●<br />

In den alten Bundesländern gehören<br />

die meisten Kinder formal noch immer<br />

einer der beiden großen christlichen<br />

Kirchen an.<br />

●●<br />

In den neuen Bundesländern gehören<br />

die meisten Kinder keiner Kirche an<br />

und sind bewusst »kirchenfern« erzogen<br />

worden.<br />

●●<br />

Der Anteil konfessionsloser Kinder<br />

steigt ständig.<br />

●●<br />

In ganz Deutschland erfährt nur<br />

noch eine Minderheit der Kinder offen<br />

gelebte kirchliche oder religiöse Praxis.<br />

●●<br />

Viele Eltern stehen den »Amtskirchen«<br />

reserviert gegenüber. Die Kirchen<br />

werden meist als »Dienstleistungsunternehmen«<br />

in Anspruch genommen<br />

(Geburt, Hochzeit, Todesfall).<br />

●●<br />

Deutlich wird eine Tendenz zur »Religionsmischung«<br />

– Glaube als »spiri tuel-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

3


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

konfessionellen Religionsunterricht ist.<br />

Allerdings ist die Auseinandersetzung<br />

ein Beleg für die drängende Frage, ob<br />

gemeinsames Lernen auch in Bezug auf<br />

Themen wie Ethik und Religion in unserer<br />

Gesellschaft erwünscht ist. Zugespitzt<br />

geht es um die Fragen:<br />

Kann Bildungsinhalt der öffentlichen<br />

Schule das Wissen sein, das Religionsgemeinschaften<br />

über sich selbst und<br />

über einander vermitteln?<br />

Oder sind Kenntnisse über Religion(en)<br />

ein gesellschaftlich bedeutsamer<br />

Bildungsinhalt und wird Unterricht<br />

darüber für alle Schülerinnen und<br />

Schüler gemeinsam angeboten?<br />

ler Baukasten«. Alle Religionen existieren<br />

nebeneinander und werden von den<br />

Menschen kombiniert. Man holt sich<br />

überall das Beste heraus. So schafft sich<br />

der einzelne Mensch die Glaubensvorstellungen,<br />

die zum eigenen Leben und<br />

Erfahrungshorizont passen.<br />

Vor 15 Jahren schon hielt eine Gruppe<br />

von WissenschaftlerInnen in Anbetracht<br />

solcher Tendenzen den konfessionsgebundenen<br />

Religionsunterricht für<br />

grundsätzlich fragwürdig. Zudem widerspreche<br />

er dem »inklusiven Selbstverständnis<br />

der <strong>Grundschule</strong>«. Beim<br />

wichtigen Gespräch über grundlegende<br />

ethische, philosophische und religiöse<br />

Fragen werden die Kinder getrennt.<br />

Dabei wird diese Aufteilung von Kindern<br />

vor allem in den ersten Schuljahren<br />

überhaupt nicht verstanden und ist<br />

schon von daher pädagogisch nicht zu<br />

rechtfertigen: »Diese Praxis betont das<br />

Trennende zwischen den Menschen<br />

und erschwert den Dialog zwischen den<br />

Religionen« (Faust-Siehl u. a. (1996),<br />

S. 103).<br />

Integrative Modelle des Religionsunterrichts,<br />

wie sie besonders in den<br />

skandinavischen Ländern zu finden<br />

sind, betonen den Wert des Unterrichts<br />

im Klassenverband – in Abgrenzung zur<br />

konfessionellen Trennung der Kinder.<br />

Dies gibt Kindern den Raum, gemeinsam<br />

den Umgang mit Verschiedenheit<br />

und unterschiedlichen Glaubenswahrheiten<br />

zu erlernen und miteinander zu<br />

bedenken. Aktuell ist offenbar gerade<br />

diese Kompetenz vonnöten, um Tendenzen<br />

zur Bildung von – auch religiös<br />

grundierten – Parallelgesellschaften<br />

vorzubeugen.<br />

Plädoyers für die Integration von Religions-<br />

und Ethikunterricht fußen auf<br />

der Einsicht, dass Wissen über religiöse<br />

und weltanschauliche Pluralität ein unverzichtbarer<br />

Aspekt von Bildung ist,<br />

und dass die Schule einen gemeinsamen<br />

Raum dafür bieten sollte. (Dies hätte<br />

naturgemäß auch erhebliche Konsequenzen<br />

für die Lehrerausbildung.)<br />

In der teilweise aggressiven Debatte<br />

um Ethik- und Religionsunterricht in<br />

Berlin wurden die Grundlinien der<br />

Kontroverse deutlich:<br />

»Pro Reli« war ein Volksbegehren<br />

im Land Berlin, dessen Ziel es war,<br />

durch einen Volksentscheid das Schulgesetz<br />

Berlins zu ändern. Dieses sieht<br />

seit 2006 für die Klassenstufen 7 bis<br />

10 das neu eingeführte Fach Ethik als<br />

ordentliches Lehrfach vor, während<br />

Religions- und Weltanschauungsunterricht<br />

– wie seit 1948 – in Berlin ab<br />

der ersten Klasse zusätzlich freiwillig<br />

besucht werden kann. »Pro Reli« wollte<br />

diese Regelung durch eine nach Konfessionen<br />

getrennte Wahlpflichtfachgruppe<br />

Ethik / Religion ab der ersten<br />

Klasse ersetzen. Beim Volksentscheid<br />

im April 2009 wurde das notwendige<br />

Zustimmungsquorum von 25 Prozent<br />

der Stimmberechtigten verfehlt und<br />

zudem der Gesetzentwurf von den Abstimmenden<br />

abgelehnt.<br />

Der Berliner Ethikunterricht stellt<br />

gerade nicht die Frage nach »pro« oder<br />

»contra Reli«, da er unabhängig vom<br />

Frage-Zeichen<br />

Seit Anfang der neunziger Jahre wurde<br />

vielfach die Krise des konfessionellen<br />

Religionsunterrichts festgestellt. Stichwörter<br />

wie »Säkularisierung«, »Pluralisierung«<br />

und »Individualisierung« der<br />

Gesellschaft lassen den von den beiden<br />

Großkirchen vertretenen, konfessionell<br />

getrennten Religionsunterricht als Anachronismus<br />

erscheinen.<br />

Die schwindende Zugehörigkeit der<br />

SchülerInnen zu einer der beiden großen<br />

Kirchen und die Zunahme der religiösen<br />

Vielfalt in der Gesellschaft und<br />

im Kontext von Schule führen dazu,<br />

dass konfessioneller Religionsunterricht<br />

nicht mehr einleuchtend erscheint. Seine<br />

Voraussetzung – eine weitgehend religiös<br />

homogene Schülerschaft – besteht<br />

nicht mehr.<br />

Barbara Asbrand (2000) stellte die<br />

Frage nach einer zeitgemäßen Konzeption<br />

von Religionsunterricht, der den<br />

Kindern und ihren religiösen Voraussetzungen,<br />

Erfahrungen und Bedürfnis-<br />

Ulrich Hecker<br />

Grundschulrektor in Moers, Stellv.<br />

Vorsitzender des Grundschulverbands,<br />

Redakteur »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>«<br />

4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

sen gerecht wird und den Erfordernissen<br />

einer modernen Grundschularbeit<br />

entspricht. Ihre zentrale These: In einer<br />

<strong>Grundschule</strong>, die sich als Lern- und<br />

Lebensort versteht und organisiert, ist<br />

konfessionell getrennter Religionsunterricht<br />

ein Fremdkörper. Asbrand geht<br />

es um ein Gesamtkonzept von Religionsunterricht<br />

in der <strong>Grundschule</strong>, das<br />

sich an den Bedürfnissen und Interessen<br />

der Grundschulkinder orientiert.<br />

Ihr geht es um eine »Religionspädagogik<br />

vom Kind aus«.<br />

Aus der inzwischen langen Tradition eines<br />

grundschulpädagogischen Blicks auf<br />

das Thema »Kinder und Religion(en)«<br />

ergeben sich folgende Fragen für die<br />

weiter zu führende Debatte:<br />

»Fachunterricht« versus<br />

»<strong>Grundschule</strong> als Lern- und Lebensort«?<br />

Zeitgemäße Konzepte von Grundschularbeit<br />

verstehen <strong>Grundschule</strong> nicht als<br />

»Unterrichtsschule«, sondern als »Lernund<br />

Lebensort«, als »Lebensort des Lernens«,<br />

wie Richard Meier formulierte.<br />

Damit reagiert <strong>Grundschule</strong> auf ihre<br />

Bedingung »Heterogenität«. Unterricht<br />

im traditionellen Sinne, in dem alle zur<br />

gleichen Zeit lehrgangsmäßig das Gleiche<br />

lernen sollen, wird Kindern nicht<br />

gerecht. Wie aber kann Religionsunterricht<br />

aussehen, der die Gemeinsamkeiten<br />

der Kinder zum Ausgangspunkt<br />

nimmt und religiöse Pluralität ganz<br />

selbstverständlich zum Thema macht?<br />

Orientierung in der religiös<br />

pluralen Wirklichkeit?<br />

Kann »religiöse Erziehung« das übergreifende<br />

Ziel schulischen Religionsunterrichts<br />

sein oder bleiben? Muss nicht<br />

auch für den Religionsunterricht die<br />

Aufgabe der <strong>Grundschule</strong> gelten, Kinder<br />

zu befähigen, sich in einer komplexen<br />

Welt zu orientieren, um dann zu selbstständigen<br />

Entscheidungen über zentrale<br />

Sinn- und Lebensfragen zu kommen?<br />

»Theologische Versatzstücke« oder<br />

»religiöse Welten erkunden«?<br />

Kinder brauchen – gerade auch bei religiösen<br />

Fragestellungen – konkrete Vorstellungen<br />

und Handlungen. Abstrakte<br />

theologische Reflexionen, Vorstellungen<br />

und Sachverhalte können Kinder<br />

nicht nachvollziehen – zumal sie beim<br />

Versuch, sie »kindgemäß« anzubieten,<br />

»Lernbereich Religion, Ethik, Philosophie«<br />

15 Jahre ist es jetzt her, dass eine Gruppe<br />

von WissenschaftlerInnen im und um<br />

den Grundschulverband »Empfehlungen<br />

zur Neugestaltung der Primarstufe« veröffentlicht<br />

hat. Manche dieser Empfehlungen<br />

bieten nach wie vor Diskussionsstoff,<br />

so auch die Forderung nach einem<br />

Lernbereich Religion, Ethik, Philosophie.<br />

Es lohnt, den Diskussionsfaden wieder<br />

aufzunehmen:<br />

oft auch theologisch »schief« oder gar<br />

falsch geraten. Sie haben keinen Platz<br />

im Religionsunterricht der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Religiöse Lebenspraxis und konkrete<br />

religiöse Phänomene, die im familiären<br />

oder im Umfeld der Schule wahrnehmbar<br />

sind, sind für Kinder bedeutsam.<br />

Kinder können gemeinsam religiöse<br />

Feste, Orte religiöser Praxis (Kirche,<br />

Synagoge, Moschee), Gebet, Gottesdienst,<br />

Fasten, heilige Bücher und Gegenstände,<br />

aber auch die vielfältigen<br />

Aktivitäten einer Kirchengemeinde<br />

oder eines Moscheevereins erkunden.<br />

Zusammen leben und lernen – auch<br />

oder nicht im Religionsunterricht?<br />

Ist es eine grundschulpädagogische<br />

Notwendigkeit, Religionsunterricht im<br />

Klassenverband zu konzipieren? Ist der<br />

konfessionell getrennte Religionsunterricht<br />

tatsächlich in einer <strong>Grundschule</strong>,<br />

die sich zum Lern- und Lebensort<br />

bestimmt und Zusammenleben und<br />

-lernen als Erziehungsaufgabe begreift,<br />

ein Fremdkörper? Und wie schließlich<br />

kann ein Religionsunterricht im Klassenverband<br />

in der <strong>Grundschule</strong> gestaltet<br />

werden, an dem Kinder unterschiedlicher<br />

religiöser und weltanschaulicher<br />

Prägung gemeinsam teilnehmen?<br />

»Der Religionsunterricht hat zu jeder Zeit<br />

religiöse, ethische und philosophische<br />

Fragen und Inhalte thematisiert. Wir<br />

schlagen vor, diesen Seiteninhaltsbezug<br />

schon in der Benennung des Lernbereichs<br />

offenzulegen (Lernbereich »Religion,<br />

Ethik, Philosophie«) und religiöse,<br />

ethische und philosophische Fragen und<br />

Inhalte in der Schule nicht mehr aus der<br />

Sicht einer einzelnen Religionsgemeinschaft,<br />

sondern im Hinblick auf die multikulturelle<br />

und multireligiöse Vielfalt<br />

unserer Gesellschaft darzustellen und<br />

– soweit möglich – zu beantworten. Dabei<br />

geht es immer um die dialektische Erfahrung<br />

von Differenz und Gemeinsamkeit<br />

im respektvollen Dialog zwischen<br />

Menschen mit ganz unterschiedlichen<br />

Grundauffassungen.<br />

Der Unterricht über Sinn-, Glaubens- und<br />

Verhaltensfragen sollte (…) – wie in den<br />

anderen Lernbereichen der <strong>Grundschule</strong><br />

auch – tendenziell von den Fragen der<br />

Kinder ausgehen. (…)<br />

Die Lehrerinnen und Lehrer sind daher<br />

auch in diesem Lernbereich immer wieder<br />

aufgefordert, den Kindern die Welt<br />

›fragwürdig‹ zu machen und ihnen fremde<br />

Erfahrungen und Weltsichten als Impuls<br />

für eigenes Fragen und Nachdenken<br />

anzubieten. Hierzu gehören die Begegnung<br />

mit Schriften, Geschichten, Liedern<br />

und Bräuchen, die die verschiedenen<br />

Weltanschauungen hervorgebracht haben,<br />

die ›originale Begegnung‹ mit Menschen<br />

verschiedener Weltanschauungen,<br />

der Besuch von ›heiligen Orten‹, Kirchen,<br />

Tempeln und geeigneten Kulturdenkmälern<br />

sowie das besinnliche Gespräch und<br />

die engagierte Diskussion« (Faust-Siehl<br />

u. a. (1996), S. 104).<br />

Literatur<br />

Asbrand, Barbara (2000): Zusammen Leben<br />

und Lernen im Religionsunterricht. Eine empirische<br />

Studie zur grundschulpädagogischen<br />

Konzeption eines interreligiösen Religionsunterrichts<br />

im Klassenverband der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Frankfurt a. M.: IKO-Verlag.<br />

www.<br />

Das Manuskript dieses anregenden<br />

Buches steht im Internet als PDF-Datei zur<br />

Verfügung: http://goedoc.sub.uni-goettingen.<br />

de/goescholar/bitstream/handle/1/4738/<br />

asbrand.pdf?sequence=1<br />

Bartnitzky, H. / Brügelmann, H. / Hecker, U. /<br />

Heinzel, F. / Schönknecht, G. / Speck-Hamdan,<br />

A. (Hrsg.) (2009): Kursbuch <strong>Grundschule</strong>,<br />

darin Kapitel 17: »Religion und Ethik«,<br />

S. 732ff., Frankfurt a. M.: Grundschulverband<br />

Faust-Siehl, G. / Garlichs, A. / Ramseger,<br />

J. / Schwarz, H. / Warm, U. / Klemm, K (1996):<br />

Die Zukunft beginnt in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Empfehlungen zur Neugestaltung der<br />

Primar stufe. Ein Projekt des Grundschulverbandes.<br />

Frankfurt a. M.: Arbeitskreis<br />

<strong>Grundschule</strong> – Grundschulverband.<br />

Harz, F. (2006): Kinder und Religion:<br />

Was Erwachsene wissen sollten.<br />

Velber: Kallmeyer.<br />

Schweitzer, F. / Faust-Siehl, G. (Hrsg.) (2000,<br />

erw. Aufl.): Religion in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Religiöse und moralische Erziehung.<br />

Frankfurt a. M.: Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> –<br />

Grundschulverband.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

5


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Religion in der <strong>Grundschule</strong> *<br />

Ein Schreibgespräch zwischen Barbara Asbrand, Universität Frankfurt,<br />

und Hans Brügelmann, Universität Siegen<br />

Hans Brügelmann: Die Diskussion<br />

über Religion in der Schule ist durch<br />

die verstärkten Bestrebungen zur Einführung<br />

eines eigenen Islamunterrichts<br />

auf ein neues Gleis gesetzt worden. Man<br />

kann es als Fortschritt sehen, dass endlich<br />

den vielen Kindern muslimischen<br />

Glaubens ein angemessenes Angebot<br />

gemacht wird. Ich habe trotzdem große<br />

Schwierigkeiten mit diesem Schritt. Statt<br />

zu überlegen, wie wir den religiösen Bedürfnissen<br />

aller Kinder gerecht werden<br />

können, schaffen wir Teillösungen für<br />

bestimmte Gruppen – und vernachlässigen<br />

alle, die nicht in diese Schubladen<br />

passen. Das Kernproblem wird daran<br />

deutlich, dass wir schon für Christen<br />

nur zwei Alternativen anbieten: Wo<br />

bleiben die Griechisch-Orthodoxen und<br />

die Freikirchen? Für Muslime wird es in<br />

Zukunft ein Angebot geben, obwohl es<br />

auch dort verschiedene Glaubensrichtungen<br />

gibt. Juden, Buddhisten und andere<br />

bleiben ganz außen vor.<br />

Barbara Asbrand: Ich sehe das Problem<br />

noch grundsätzlicher. Die <strong>Grundschule</strong><br />

hat einen Integrationsauftrag.<br />

Erst nach dem Übergang in weiterführende<br />

Schulen werden Schülerinnen und<br />

Schüler nach Leistung – und wie wir aus<br />

den Schulleistungsvergleichsstudien wie<br />

PISA wissen, damit auch nach sozialer<br />

Herkunft – sortiert. In der <strong>Grundschule</strong><br />

werden dagegen Kinder mit ganz unterschiedlichen<br />

Lernvoraussetzungen,<br />

in jahrgangsgemischten Lerngruppen<br />

* Einige Passagen dieses Beitrags sind<br />

– in variierter Form – übernommen aus der<br />

Einführung zu dem von den Autor/inn/en<br />

gemeinsam verantworteten Kapitel »Religionsunterricht«<br />

in: Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.)<br />

(2009): Kursbuch <strong>Grundschule</strong>. Beiträge<br />

zur Reform der <strong>Grundschule</strong>, Bd. 127/128.<br />

Grundschulverband: Frankfurt. Grundschulverband:<br />

Frankfurt, und aus Brügelmann, H.<br />

(2008): Warum heute noch Religion unterrichten?<br />

Über Chancen und Schwierigkeiten<br />

eines Faches Religion in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

In: Grundschulzeitschrift, 22. Jg., H. 212/213,<br />

13 – 15.<br />

zunehmend auch unterschiedlichen Alters,<br />

Kinder mit und ohne Förderbedarf<br />

und Kinder unterschiedlicher sozialer<br />

Herkunft gemeinsam unterrichtet. In<br />

der <strong>Grundschule</strong> ist das Klassenlehrerprinzip<br />

weit verbreitet, darin dokumentiert<br />

sich die besondere Bedeutung<br />

der sozialen Beziehungen innerhalb der<br />

Lerngruppe für die Grundschulkinder.<br />

Auch hat im Vergleich zu anderen Schulformen<br />

die Aufteilung des Lernens in<br />

Unterrichtsfächer und 45-Minuten-Einheiten<br />

in der Praxis des Grundschulunterrichts<br />

eine geringere Bedeutung.<br />

Hans Brügelmann: Aber was bedeutet<br />

das für den Religionsunterricht?<br />

Barbara Asbrand: Religion ist in vielen<br />

<strong>Grundschule</strong>n das einzige Fach, das<br />

in abgegrenzten 45-minütigen Unterrichtsstunden<br />

und von einem Fachlehrer<br />

oder einer Fachlehrerin unterrichtet<br />

wird. Dies ist allein aus organisatorischen<br />

Gründen notwendig, denn nur im<br />

Religionsunterricht werden die Kinder<br />

einer Klasse in unterschiedliche konfessionelle<br />

Lerngruppen aufgeteilt. Vor<br />

dem Hintergrund, dass der schulische<br />

Religionsunterricht für viele Kinder in<br />

der heutigen säkularen Gesellschaft die<br />

erste Begegnung mit Religion darstellt<br />

und für die meisten Kinder ihr eigenes<br />

Katholisch- oder Evangelisch-Sein ohne<br />

Bedeutung ist – jedenfalls bis zu dem<br />

Zeitpunkt, an dem in der Schule der Religionsunterricht<br />

beginnt –, ist der heimliche<br />

Lehrplan des nach Konfessionen<br />

und Religionen getrennten Religionsunterrichts<br />

verheerend: Wie soll eine Erstklässlerin<br />

verstehen, weshalb sie nicht<br />

am Religionsunterricht der Freundin<br />

teilnehmen darf, weil diese »katholisch«<br />

ist, während alles andere im Schulalltag<br />

eines Grundschulkindes gemeinsam in<br />

der vertrauten Lerngruppe stattfindet?<br />

In der <strong>Grundschule</strong> lernen die Kinder<br />

als erstes, dass Menschen unterschiedlicher<br />

Religionszugehörigkeit getrennt<br />

werden müssen und offensichtlich nicht<br />

miteinander über Religiöses gesprochen<br />

werden kann.<br />

Hans Brügelmann: Im Religionsunterricht<br />

werden Kinder nach ihrem Glauben,<br />

nach ihrer Kirchenzugehörigkeit<br />

in Schubladen sortiert.<br />

Barbara Asbrand: Genau. Das Trennende<br />

des Religionsunterrichts wird<br />

mit der Einführung eines islamischen<br />

Religionsunterrichts verschärft. Solange<br />

Religionsunterricht nur katholisch oder<br />

evangelisch etikettiert ist, wird eine Un-<br />

»Von Seiten der Kirchen und einiger<br />

Eltern wird mit Rechtspositionen argumentiert,<br />

um einen konfessionellen<br />

Religionsunterricht zu rechtfertigen.<br />

Das halte ich für problematisch. Der dafür<br />

oft herangezogene Art. 7 III des Grundgesetzes<br />

ist ein Recht des Kindes, nicht der<br />

Glaubensgemeinschaft. Er legt nicht die<br />

Organisationsform, allenfalls die inhaltliche<br />

Ausrichtung von Unterricht fest.«<br />

Prof. Dr. Hans Brügelmann<br />

Professor für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Siegen.<br />

Im Grundschulverband Fach referent für Qualitätsentwicklung<br />

6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

terscheidung eingeführt, die für die Kinder<br />

zwar nicht bedeutsam, vermutlich<br />

auch nicht verständlich, aber für die Frage<br />

der Integration relativ unschädlich ist.<br />

Dagegen würde die Einteilung der Kinder<br />

in christlichem und islamischen Religionsunterricht,<br />

da die muslimischen<br />

Kinder in der Regel Kinder »mit Migrationshintergrund«<br />

sind, jene problematischen<br />

Unterscheidungslinien zwischen<br />

Menschen unterschiedlicher ethnischer<br />

und religiöser Herkunft verstärken, die<br />

in der Schule eigentlich überwunden<br />

werden sollen. Insofern wird mit dem<br />

Festhalten am konfessionellen Religionsunterricht<br />

in der <strong>Grundschule</strong> meines<br />

Erachtens eine große Chance vertan.<br />

Mit der Integration des religiösen Lernens<br />

in den Klassenverband könnte in<br />

der <strong>Grundschule</strong> ein Grundstein gelegt<br />

werden für ein verständnisvolles Miteinander<br />

von Menschen unterschiedlicher<br />

weltanschaulicher, religiöser und ethnischer<br />

Beheimatung.<br />

Dazu ist es notwendig, dass Kinder<br />

in der <strong>Grundschule</strong> lernen, dass Religion<br />

und Glaube nicht etwas Besonderes,<br />

etwas Anderes oder gar Exotisches,<br />

sondern etwas Selbstverständliches im<br />

Leben vieler Menschen ist. Selbstverständlich<br />

muss deshalb auch der Religionsunterricht<br />

Teil des schulischen<br />

Bildungsauftrags sein.<br />

Hans Brügelmann: Von manchen höre<br />

ich den grundsätzlichen Einwand, der<br />

Umgang mit Sinn- und Wert-Fragen<br />

überfordere Kinder dieser Altersstufe.<br />

Barbara Asbrand: Dann haben die<br />

noch nie ernsthaft mit Kindern gesprochen!<br />

Wenn ihre Katze stirbt, wenn sich<br />

die Eltern trennen, wenn das Fernsehen<br />

von Kriegsschauplätzen berichtet, in<br />

solchen Situationen stellen Kinder sehr<br />

grundsätzliche Fragen.<br />

Hans Brügelmann: Das gilt ja über den<br />

Religionsunterricht hinaus. »Philosophieren<br />

mit Kindern« 1) ist ein Konzept,<br />

das inzwischen vielerorts erfolgreich<br />

erprobt worden ist.<br />

Barbara Asbrand: Erwachsene können<br />

sich oft nicht vorstellen, wie tiefgreifend<br />

Kinder über Fragen der Gerechtigkeit,<br />

über Leben und Tod nachdenken. Entscheidend<br />

ist, ein redliches Gespräch<br />

über diese Fragen zu führen.<br />

Hans Brügelmann: Wobei wichtig ist,<br />

dass die Kinder nicht belehrt werden.<br />

Wie der Religionspädagoge Baldermann<br />

betont: Die ältere Generation<br />

kann angesichts ihres moralischen<br />

und politischen Versagens in Fragen<br />

des Überlebens der Menschheit keine<br />

besondere Autorität für »Antworten«<br />

beanspruchen. Es geht um die Fragen<br />

und Ängste der Kinder, die müssen<br />

ernst genommen werden. 2) Wir müssen<br />

ihnen aber auch eine hoffnungsvolle<br />

Zukunftsperspektive eröffnen<br />

und ihnen helfen, widerstandsfähig zu<br />

werden gegen die Zumutungen einer<br />

reinen Verwertungsgesellschaft.<br />

Barbara Asbrand: In der Religionspädagogik<br />

wurde das Konzept »Philosophieren<br />

mit Kindern« übrigens zur<br />

»Kindertheologie« weiterentwickelt. 3)<br />

Theologische Gespräche mit Kindern<br />

zeigen, wie ernsthaft Kinder über existenzielle<br />

Fragen nachdenken. Für den<br />

Religionsunterricht heißt das, er muss<br />

an ihren Interessen und an ihren konkreten<br />

Erfahrungen anknüpfen.<br />

Hans Brügelmann: Und wir müssen<br />

uns um gehaltvolle Erklärungen<br />

bemühen. Für technische, natur- und<br />

sozialwissenschaftliche Aspekte haben<br />

wir diesen Anspruch mit dem Wechsel<br />

Dr. Barbara Asbrand<br />

ist Universitätsprofessorin für Erziehungswissenschaft<br />

an der Goethe-Universität<br />

Frankfurt am Main.<br />

Sie ist Grundschullehrerin und wurde<br />

an der Frankfurter Universität mit einer<br />

Arbeit über Religionsunterricht im Klassenverband<br />

der <strong>Grundschule</strong> promoviert.<br />

Weitere Arbeitsschwerpunkte sind<br />

Globales Lernen bzw. Bildung für nachhaltige<br />

Entwicklung, Schul entwicklung<br />

und qualitativ-empirische Schul- und<br />

Unterrichtsforschung.<br />

»Wie soll eine Erstklässlerin verstehen, weshalb sie nicht am Religionsunterricht<br />

der Freundin teilnehmen darf, weil diese ›katholisch‹<br />

ist, während alles andere im Schulalltag eines Grundschulkindes<br />

gemeinsam in der vertrauten Lerngruppe stattfindet? …<br />

Mit der Integration des religiösen Lernens in den Klassenverband<br />

könnte in der <strong>Grundschule</strong> ein Grundstein gelegt werden für ein<br />

verständnisvolles Miteinander von Menschen unterschiedlicher<br />

weltanschaulicher, religiöser und ethnischer Beheimatung.«<br />

von der Heimatkunde zum Sachunterricht<br />

akzeptiert. Dass wir zuweilen mit<br />

der Umsetzung Probleme haben, hängt<br />

vor allem damit zusammen, dass viele<br />

Schwierigkeiten haben, die sogenannten<br />

»naiven Theorien« der Kinder ernst<br />

zu nehmen. Obwohl doch der große<br />

Psychologe Jean Piaget schon vor 80<br />

Jahren gezeigt hat, wie wichtig sie für<br />

die Entwicklung des kindlichen Denkens<br />

sind. 4)<br />

Barbara Asbrand: Ja, aber zurück<br />

zum Religionsunterricht. Meine Befürchtung<br />

ist, dass der als Fachunterricht<br />

in eigens eingerichteten konfessionellen<br />

Lerngruppen organisierte<br />

Religionsunterricht so wenig in den<br />

pädagogischen Alltag der <strong>Grundschule</strong><br />

passt, dass Religion als Gegenstand<br />

schulischen Lernens ins Abseits gerät.<br />

Dabei ist Religionsunterricht gerade in<br />

der <strong>Grundschule</strong> so wichtig, da er wie<br />

gesagt für viele Kinder die erste Begegnung<br />

mit Religion darstellt. Auch bzw.<br />

gerade in der gegenwärtigen Gesellschaft,<br />

in der zum Beispiel Debatten<br />

um die Integration von Migranten und<br />

Migrantinnen immer wieder religiös<br />

konnotiert werden, ist es außerordentlich<br />

wichtig, Religion zum Gegenstand<br />

öffentlich verantworteter Bildung zu<br />

machen.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

7


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Hans Brügelmann: Immerhin hat der<br />

Religionsuntericht eine lange Tradition<br />

bei uns in Deutschland – anders als<br />

in Ländern wie Frankreich, wo es eine<br />

klare Trennung zwischen Staat und<br />

Kirche gibt. Aber auch bei uns hat sich<br />

nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland<br />

die Situation doch deutlich verändert.<br />

Säkularisierungsprozesse, Kirchenferne<br />

in vielen Familien und die religiöse<br />

Vielfalt als Folge von Migration führen<br />

dazu, dass sich die Erfahrungsmöglichkeiten<br />

mit Religion für Kinder grundlegend<br />

verändern. Insbesondere nimmt<br />

die Zahl der Kinder zu, für die Erfahrungen<br />

mit Religion überhaupt nicht<br />

(mehr) selbstverständlich sind.<br />

Barbara Asbrand: In einigen Bundesländern<br />

hat das ja auch schon Folgen<br />

für die Gestaltung des Lernbereichs in<br />

der Schule gehabt. Die Vereinigung von<br />

West und Ost hat weniger kirchlich gebundene<br />

Konzepte wie das Fach LER<br />

in Brandenburg oder die Einführung<br />

von Ethikunterricht als verbindliches<br />

Pflichtfach für alle in Berlin hervorgebracht.<br />

Zum anderen haben durch den<br />

wachsenden Anteil von Kindern mit<br />

Migrationshintergrund andere Religionen<br />

an Bedeutung gewonnen. Leider ist<br />

Hamburg das einzige Bundesland, wo<br />

es einen »Religionsunterricht für alle«<br />

gibt, der im Klassenverband stattfindet<br />

und an dessen Konzeption alle Religionsgemeinschaften<br />

gleichermaßen beteiligt<br />

sind.<br />

Hans Brügelmann: Es gibt aber auch<br />

immer wieder Vorstöße, Religion als<br />

Pflichtfach abzuschaffen. Ich verstehe<br />

zwar, wenn Religionspädagogen wie<br />

Ingo Baldermann das Fach als eine Bastion<br />

gegen fremdbestimmtes Lernen und<br />

fachlichen Leistungsdruck stark machen<br />

wollen. Aber die Realität sehe ich anders.<br />

Vor allem scheinen mir Sinnfragen<br />

eng mit anderen Aspekten des alltäglichen<br />

Zusammenlebens verbunden zu<br />

sein. Sie sollten deshalb situativ bei konkreten<br />

Anlässen aufgenommen werden.<br />

Systematisch sind sie in einem integrierten<br />

Sachunterricht zu behandeln, wie er<br />

etwa in Bremen schon seit dem Ende des<br />

2. Weltkriegs üblich ist.<br />

Barbara Asbrand: Auch ich habe Probleme<br />

mit der Konfessionsbindung. Die<br />

damit verbundene soziale Trennung<br />

widerspricht wesentlichen Zielen und<br />

Prinzipien der <strong>Grundschule</strong>. Aber es gibt<br />

auch gute Gründe, an der Fachlichkeit<br />

des Religionsunterrichts festzuhalten:<br />

Fachunterricht gewährleistet, dass die<br />

Auseinandersetzung mit religiösen und<br />

ethischen Fragen tatsächlich stattfindet,<br />

während ein Unterrichtsprinzip immer<br />

in der Gefahr ist, im Alltagsgeschäft vergessen<br />

zu werden. Mit der Fachlichkeit<br />

geht auch einher, dass Lehrerinnen und<br />

Lehrer ausgebildet sind, um die unterrichtliche<br />

Auseinandersetzung mit religiösen<br />

Phänomenen und existentiellen<br />

Fragen theologisch bzw. religionswissenschaftlich<br />

kompetent zu gestalten.<br />

Ferner hat der Religionsunterricht<br />

einen spezifischen Gegenstand, nämlich<br />

den Umgang mit der Differenz von<br />

Immanenz und Transzendenz, also<br />

die Erfahrung bzw. der Glaube von<br />

Menschen, dass es eine Wirklichkeit<br />

jenseits der immanenten Wirklichkeit<br />

gibt. In jüngster Zeit als Kompetenzen<br />

formulierte Zielbestimmungen des Religionsunterrichts<br />

nehmen dies zum<br />

Ausgangspunkt. So formulierte etwa<br />

eine Expertengruppe des Comenius-<br />

Instituts (Münster) fünf Dimensionen<br />

der Erschließung von Religion, die als<br />

Kompetenzen im Umgang mit Religion<br />

als Ziel des religiösen Lernens bestimmt<br />

werden: 5)<br />

●●<br />

Wahrnehmen und Beschreiben religiös<br />

bedeutsamer Phänomene;<br />

●●<br />

Verstehen und Deuten religiös bedeutsamer<br />

Sprache und Glaubenszeugnisse;<br />

●●<br />

Gestalten und Handeln in religiösen<br />

und ethischen Fragen;<br />

●●<br />

Kommunizieren und Beurteilen von<br />

Überzeugungen mit religiösen Argumenten<br />

und im Dialog;<br />

●●<br />

begründete (Nicht-)Teilhabe an religiöser<br />

und gesellschaftlicher Praxis.<br />

Ich finde es sehr überzeugend, Religionsunterricht<br />

als einen Ort zu beschreiben,<br />

der den Erwerb von Kompetenzen<br />

im Umgang mit Religiösem ermöglichen<br />

soll. Was sich daraus für mich allerdings<br />

nicht zwangsläufig ableitet, ist<br />

die Festlegung auf eine bestimmte konfessionelle<br />

inhaltliche Ausrichtung.<br />

Hans Brügelmann: Von Seiten der Kirchen<br />

und einiger Eltern wird aber mit<br />

Rechtspositionen argumentiert, um einen<br />

konfessionellen Religionsunterricht<br />

zu rechtfertigen. Das halte ich für problematisch.<br />

Der dafür oft herangezogene<br />

Art. 7 III des Grundgesetzes ist ein Recht<br />

des Kindes, nicht der Glaubensgemeinschaft.<br />

Er legt nicht die Organisationsform,<br />

allenfalls die inhaltliche Ausrichtung<br />

von Unterricht fest. Auch in einem<br />

interkonfessionellen Religionsunterricht<br />

ist der Glaube des einzelnen Kindes<br />

zu respektieren (vgl. schon Art. 4 des<br />

Grundgesetzes). Zudem bleibt den Eltern<br />

ohne einen konfessionellen Religionsunterricht<br />

immer noch die Möglichkeit,<br />

Bekenntnisschulen zu wählen (Art.<br />

7 V des Grundgesetzes), ganz zu schweigen<br />

von den außerschulischen Einrichtungen,<br />

in denen sie konfessionsbezogene<br />

Angebote finden. Schließlich hat<br />

die Auslegung dieser Vorschriften auch<br />

andere Grundrechte einzubeziehen,<br />

beispielsweise das Persönlichkeitsrecht<br />

kirchlich nicht gebundener Kinder, von<br />

denen es immer mehr gibt.<br />

Barbara Asbrand: Insofern finde ich<br />

wichtig zu berücksichtigen, dass sich<br />

die »Geschäftsgrundlage« des Grundgesetzes<br />

seit 1949 tiefgreifend verändert<br />

hat. Man muss die damals in einer bestimmten<br />

historischen Situation formulierten<br />

Normen auf den heutigen Kontext<br />

hin auslegen.<br />

Hans Brügelmann: Trotzdem müssen<br />

wir uns der Realität stellen: Auf absehbare<br />

Zeit wird der Religionsunterricht<br />

in der Regel als konfessionell getrennter<br />

Fachunterricht organisiert bleiben, der<br />

nicht selten darüber hinaus durch schulfremde<br />

Personen wie beispielsweise Pfarrerinnen<br />

und Vikare erteilt werden.<br />

Barbara Asbrand: Genau das halte ich<br />

für problematisch. Eine Fachlehrerin<br />

mit zwei Stunden pro Woche kann nur<br />

schwer das Vertrauen aufbauen, dass beispielsweise<br />

eine Klassenlehrerin durch<br />

das intensive Zusammensein mit ihren<br />

Kindern über die Zeit entwickelt. 6) Solange<br />

Religionsunterricht vorgeschrieben<br />

ist, gilt es deshalb nach Möglichkeiten zu<br />

suchen, den Lernbereich stärker in das<br />

Schulleben und in fächerübergreifende<br />

Lernarrangements zu integrieren. 7)<br />

Hans Brügelmann: Wir müssen übergreifende<br />

Unterrichtsprinzipien und<br />

die Rhythmisierung des Schulvormittags<br />

auch für den Religionsunterricht<br />

fruchtbar machen.<br />

8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Konkret: Aus Integration und Differenzierung<br />

als pädagogischen Leitideen<br />

folgen vier didaktisch-methodische<br />

Grundsätze:<br />

●●<br />

keine Trennung der Kinder oder Ausschluss<br />

von Minderheiten, zumindest<br />

gleichwertige Angebote für alle Kinder<br />

(Muslime, Buddhisten – Atheisten!);<br />

●●<br />

Aufklärung und Öffnung der Weltsicht,<br />

nicht Schließung und Bindung<br />

(»Erkenntnis statt Bekenntnis« – wie im<br />

Politikunterricht);<br />

●●<br />

Verständnis und Anerkennung unterschiedlicher<br />

Sichtweisen;<br />

●●<br />

Respektierung individueller Rückzüge.<br />

Das bedeutet den Verzicht auf eine<br />

Alleinzuständigkeit der Lehrperson. Sie<br />

muss auch andere Glaubensrichtungen<br />

fair und glaubwürdig vorstellen oder<br />

deren Repräsentanten in ihren Unterricht<br />

einladen. Nur in Auseinandersetzung<br />

mit solchen Menschen können<br />

Kinder ihren Blick weiten und eine eigene<br />

Position entwickeln.<br />

Bleibt die Frage nach der Auswahl<br />

der Inhalte.<br />

Barbara Asbrand: Stimmt. Dabei ist<br />

die Frage zu beantworten, welche Rolle<br />

Religion in der modernen Gesellschaft<br />

spielt, welche Bedeutung Religion im<br />

Leben der Kinder in einem multireligiösen<br />

und säkularisierten Umfeld hat<br />

und wie sich religiöse Vorstellungen,<br />

Wahrnehmung und Denken entwickeln<br />

bzw. angeeignet werden.<br />

Hans Brügelmann: Das ist aus der<br />

Perspektive der Grundschulpädagogik<br />

aber die zentrale Fragestellung bei der<br />

Konzeption des Religionsunterrichts.<br />

Ziele und Inhalt des Religionsunterrichts<br />

sollten sich aus der Bedeutung religiöser<br />

Phänomene für Kinder in ihrer<br />

heutigen Lebenswelt ergeben.<br />

Barbara Asbrand: Das sehe ich genauso.<br />

In theologischen Gesprächen<br />

sollten die eigenen Sinn- und Wertfragen<br />

der Kinder im Mittelpunkt stehen.<br />

Aber auch Geschichten aus der religiösen<br />

Tradition, z. B. biblische Geschichten,<br />

können für Kinder Anlass sein,<br />

eigene Erfahrungen zu thematisieren<br />

und zu verarbeiten. Alle Religionen<br />

verfügen über einen reichen Schatz an<br />

Geschichten, in denen elementare religiöse<br />

Erfahrungen anschaulich vermittelt<br />

werden. Drittens wird Religion für<br />

Kinder in den unterschiedlichen Formen<br />

religiöser Praxis konkret erfahr-<br />

bar. Zum Beispiel, wenn religiöse Feste<br />

gefeiert werden, wenn Menschen zum<br />

Gottesdienst in die Kirche oder zum<br />

Gebet in die Moschee gehen oder sich<br />

in diakonischen oder karitativen Projekten<br />

engagieren. Das ist im Übrigen<br />

auch das Konzept des performativen<br />

Religionsunterrichts, dem es um das<br />

Erleben religiöser Rituale und Praktiken<br />

geht – Erfahrungen, die Kindern<br />

heute häufig fehlen. 9)<br />

Allerdings bin ich nicht der Meinung,<br />

dass es dabei nur um die Performanz<br />

christlicher Religiosität gehen sollte.<br />

Denn das Ziel des Religionsunterrichts<br />

kann es nicht sein, Kindern eine bestimmte<br />

Religiosität nahe zubringen<br />

(z. B. im Sinne christlich religiöser Erziehung),<br />

sondern das Ziel des schulischen<br />

Religionsunterrichts sollte die<br />

Fähigkeit sein, sich in religiösen und<br />

ethischen Fragen orientieren zu können.<br />

Wie ich bereits gesagt habe, es geht<br />

um den Erwerb von Kompetenzen im<br />

Umgang mit religiösen Phänomenen –<br />

in einer säkularisierten und multireligiösen<br />

Gesellschaft.<br />

Hans Brügelmann: Dazu passt, wie<br />

ich das grundsätzlich gewandelte<br />

Selbstverständnis der <strong>Grundschule</strong><br />

sehe: Sie ist entstanden im Schoß der<br />

Kirche als Stätte der Bekehrung, d. h.<br />

der Erziehung zum rechten Glauben.<br />

Im Laufe der Jahrhunderte hat sie sich<br />

über einen Ort der Belehrung, an dem<br />

es um die Vermittlung des richtigen<br />

Wissens ging, entwickelt zu einem Forum<br />

der Begegnung von Generationen<br />

und Kulturen. Auf diesen Geist der<br />

Gestaltung von Schule kommt es aus<br />

meiner Sicht an. Dann kann auch ein<br />

konfessioneller Religionsunterricht für<br />

alle Kinder akzeptabel sein.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Martens, E. / Michalik, K. (2006):<br />

Wie wäre es, einen Frosch zu küssen?<br />

Philosophieren mit Kindern im Grundschulunterricht.<br />

Westermann: Braunschweig.<br />

(2) Baldermann, I. (1998): Kinder und der<br />

Sinn des Lebens – ihre Hoffnungen, Ängste,<br />

Fragen. In: Brügelmann, H. (Hrsg.) (1998):<br />

Kinder lernen anders: vor der Schule – in der<br />

Schule. Libelle: CH Lengwil, S. 107 – 127.<br />

(3) Bucher, A. A. u. a. (Hrsg.) (2002ff.):<br />

Jahrbuch für Kindertheologie. Stuttgart.<br />

(4) Piaget, J. (1980): Das Weltbild des Kindes.<br />

Klett-Cotta im Ullstein-Taschenbuch 39001:<br />

Frankfurt u. a. (frz. 1926).<br />

(5) Fischer, D. / Elsenbast, V. (Red.) (2009):<br />

Grundlegende Kompetenzen religiöser<br />

Bildung. Zur Entwicklung des evangelischen<br />

Religionsunterrichts durch Bildungsstandards<br />

für den Abschluss der Sekundarstufe<br />

I. Comenius-Institut, Münster 2006;<br />

vgl. Feindt, A. u .a. (Hrsg.): Kompetenzorientierung<br />

im Religionsunterricht.<br />

Befunde und Perspektiven. Münster.<br />

(6) Vgl. die Beispiele in: Bambach, H. (1989):<br />

Erfundene Geschichten erzählen es richtig.<br />

Lesen und Leben in der Schule. Ekkehard<br />

Faude Verlag: Konstanz (2. Aufl. 1993,<br />

Libelle: CH Lengwil).<br />

(7) Schweitzer, F. / Faust-Siehl, G. (Hrsg.)<br />

(1994): Religion in der <strong>Grundschule</strong>.<br />

Religiöse und moralische Erziehung. Beiträge<br />

zur Reform der <strong>Grundschule</strong> Bd. 92/93.<br />

Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>: Frankfurt.<br />

(9) Klie, T. / Leonard, S. (Hrsg.) (2008):<br />

Perfor mative Religionsdidaktik. Religionsästhetik<br />

– Lernorte – Unterrichtspraxis.<br />

Stuttgart.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

9


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Andreas Schultheiß<br />

»Gefährlich ist der Monomythos …«<br />

Religionsunterricht für alle – ein Hamburger Modell<br />

»Gefährlich ist immer und mindestens der Monomythos; ungefährlich hingegen<br />

sind die Polymythen. Man muss viele Mythen – viele Geschichten haben<br />

dürfen, darauf kommt es an; wer – zusammen mit allen anderen Menschen – nur<br />

einen Mythos – nur eine einzige Geschichte – hat und haben darf, ist schlimm<br />

dran. Darum eben gilt: Bekömmlich ist die Polymythie, schädlich ist die Monomythie.<br />

Wer polymythisch – durch Leben und Erzählen – an vielen Geschichten<br />

teilnimmt, hat durch die jeweils eine Geschichte Freiheit von der jeweils anderen<br />

et vice versa und durch weitere Interferenzen vielfach überkreuz; wer monomythisch<br />

– durch Leben und Erzählen – nur an einer einzigen Geschichte<br />

teilhaben darf oder muss, hat diese Freiheit nicht: er ist ganz und gar – sozusagen<br />

durch eine monomythische Verstrickseinsgleichschaltung – mit Haut und<br />

Haaren von ihr besessen. Wegen dieses Zwangs zur restlosen Identität mit dieser<br />

Alleingeschichte verfällt er narrativer Atrophie und gerät in das, was man<br />

nennen kann: die Unfreiheit der Identität aus Mangel an Nichtidentität.«<br />

Odo Marquard<br />

Wie fassen Sie denn den Koran<br />

an?«, fragt mich freundlich,<br />

aber bestimmt eine 15-jährige<br />

Schülerin aus Afghanistan. Ein wenig<br />

erschrocken frage ich zurück: »Was<br />

habe ich denn falsch gemacht?« »Sie<br />

müssen das so machen«, sagt sie und<br />

steht auf. Sie nimmt das Tuch, das ich<br />

etwas achtlos beiseite getan hatte, bedeckt<br />

damit eine ausgestreckte Hand,<br />

und darauf legt sie in andächtiger Haltung<br />

das heilige Buch.<br />

»Was mache ich denn nun?«, sage ich<br />

unsicher. Sie tröstet mich mit den Worten:<br />

»Sie konnten das ja nicht wissen.«<br />

Eine befreundete Lehrerin hatte mich<br />

gebeten, ihrer 9. Klasse eine Einführung<br />

in die drei monotheistischen Religionen<br />

zu geben.<br />

Nun, im Christentum kenne ich mich<br />

selbstverständlich aus. Und für Judentum<br />

und Islam kann das Pädagogisch-<br />

Theologische Institut (PTI) auf einige<br />

befreundete Spezialisten zurückgreifen,<br />

die manchmal auch in den Unterricht<br />

kommen. Was letztere betrifft, hatte<br />

es jedoch Terminprobleme gegeben,<br />

so dass ich mir selbst helfen musste.<br />

In diesem Fall griff ich nach einem<br />

religionspädagogischen Strohhalm: der<br />

Islam kiste, einer Sammlung von Gegenständen,<br />

Symbolen und Texten, die über<br />

die Essentials des Islam anschaulich<br />

Auskunft geben, wie sie das PTI für die<br />

Einführung in die Weltreligionen angelegt<br />

hat. Außerdem hatte ich den SchülerInnen<br />

zu verstehen gegeben, dass ich<br />

den Muslimen unter ihnen fraglos die<br />

größere Kompetenz einräumte. Und so<br />

war es dann auch gekommen.<br />

Aber in diesem Augenblick verstand<br />

ich, was Odo Marquard meint, wenn er<br />

von der Gefahr der Monomythie und<br />

der befreienden Wirkung der Polymythie<br />

spricht. Meine deutsche Bibel<br />

besteht vielfach aus losen Seiten, überall<br />

finden sich Unterstreichungen und<br />

Randbemerkungen. Meine hebräische<br />

Bibel und das griechische Neue Testament<br />

enthalten zahlreiche bunt unterstrichene<br />

Texte, Übersetzungshilfen<br />

und Kommentare aus Vorlesungen. Last<br />

not least die umgeknickten Ecken. Aber<br />

so und nicht anders will ich sie. Mein<br />

Freund, ein Rabbiner, streicht nichts in<br />

seiner Bibel an, sie sieht immer wie neu<br />

aus. Ebenso verhält es sich mit meinen<br />

muslimischen Bekannten. Wenn meine<br />

Bibel wirklich einmal verbraucht<br />

ist, würde ich sie – mit einem gewissen<br />

Zögern – wegschmeißen. Einen ausgedienten<br />

Koran oder eine entsprechend<br />

gealterte hebräische Bibel kann man<br />

nicht fortwerfen. Sie müssen begraben<br />

werden. Ja, bin ich denn ein Banause,<br />

was den Umgang mit dem heiligen Buch<br />

betrifft, oder begegnen uns hier einfach<br />

unterschiedliche Haltungen, die historisch<br />

gewachsen sind und jede für sich<br />

ihren Sinn haben?<br />

Im Hochmittelalter rühmten sich die<br />

christlichen Fürsten ihrer Unkenntnis<br />

im Lesen und Schreiben, während die<br />

jüdischen und muslimischen Kinder<br />

Bibel und Koran zu lesen wussten. Im<br />

sechzehnten Jahrhundert erscheint die<br />

Bibel in allen europäischen Sprachen.<br />

Jeder soll die Botschaft in seiner Muttersprache<br />

vernehmen und ggf. auch lesen<br />

können.<br />

Denn – so die reformatorische Sicht –<br />

der jeweilige Urtext ist zwar näher am<br />

Gemeinten, aber jeder Mensch hat prinzipiell<br />

die gleiche Fähigkeit, das Wort<br />

Gottes zu verstehen. Ist die deutsche<br />

Übersetzung weniger heilig als der arabische<br />

oder hebräische Urtext? Ist ein<br />

Text überhaupt heilig oder mache ich<br />

ihn durch meine innere Haltung erst<br />

dazu?<br />

Diese in der Tradition der Aufklärung<br />

stehenden Fragen kann natürlich<br />

nicht jeder einfach mitgehen.<br />

Die Regel heißt: Niemanden verletzen<br />

in seiner religiösen Haltung, aber<br />

auch niemandem etwas zumuten, was<br />

seinem Denken und Fühlen widerspricht.<br />

Und dann sind wir in einem lebhaften<br />

Gespräch über das, was uns heilig<br />

ist, über den Umgang mit Büchern und<br />

Schriften, mit der Bedeutung von Texten.<br />

Und jede Ansicht, so finden wir<br />

heraus, hat ihren Sinn, keine kann für<br />

sich die alleinige Wahrheit in Anspruch<br />

nehmen. Wir müssen uns die Art des<br />

Umgangs mit unseren heiligen Schriften<br />

gegenseitig nicht vorschreiben.<br />

Dabei ist bisher nur von Buchdeckeln<br />

und Seiten die Rede gewesen, nicht aber<br />

von den in ihnen enthaltenen Texten.<br />

Und schon haben sich Welten aufgetan.<br />

Wie erst, wenn wir zu den Texten selbst<br />

kommen. Die Zeiten, in denen bei dem<br />

Vergleich zwischen Parallel geschichten<br />

in Bibel und Koran unter dem Motto<br />

»Welche ist denn nun die richtige Version?«<br />

gestritten wurde, sind vorbei. In<br />

Hamburg jedenfalls. Oder wenigstens<br />

dort, wo interreligiös unterrichtet wird.<br />

Grundschulkinder lernen bzw. werden<br />

10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

nicht daran gehindert, unterschiedliche<br />

Perspektiven einzunehmen. Abraham<br />

z. B. und seine beiden Söhne Ismael<br />

und Isaak. Ismael geht (bekanntlich)<br />

aus der Verbindung zwischen Abraham<br />

und seiner Magd Hagar hervor, da seine<br />

Frau Sarah ihm bis dato keinen Sohn<br />

gebären konnte. Als Sarah hochbetagt<br />

schließlich doch noch schwanger wird<br />

und Isaak zur Welt bringt, wird’s eng<br />

im Hause Abraham. Auf Betreiben von<br />

Sarah im Einverständnis mit Gott verbannt<br />

Abraham Hagar mit ihrem Sohn<br />

Ismael in die Wüste. Keine sehr schöne<br />

Sache, wie immer wieder angemerkt<br />

wurde. Selbst wenn Gott verspricht, sich<br />

der beiden anzunehmen.<br />

Mit der koranischen Erzählung aber<br />

wechseln wir die Perspektive und befinden<br />

uns plötzlich bei Hagar in der<br />

Wüste, die Todesängste um ihren Sohn<br />

aussteht. Und ab sofort ist es nicht mehr<br />

möglich, von einer Haupt- und einer<br />

Nebengeschichte zu sprechen. Wenn<br />

dann die beiden Söhne und Halbbrüder<br />

gemeinsam den Vater zu Grabe tragen<br />

und sich versöhnen, wie man annehmen<br />

darf, dann »kommt Freude auf« bei<br />

den Kindern. Sie ahnen, dass erst jetzt,<br />

mit der Versöhnung der miteinander<br />

in Konkurrenz liegenden Brüder, wie<br />

es Talmudlegenden erzählen, die ganze<br />

Wahrheit an den Tag gekommen ist.<br />

Nach wie vor bestehen in der Religionspädagogik<br />

unterschiedliche Ansichten<br />

über den Charakter des Dialogs.<br />

Eine Meinung lautet, dass nur derjenige<br />

zum Dialog befähigt sei, der einen eigenen<br />

festen Standpunkt besitze. Demgegenüber<br />

lautet eine andere Auffassung,<br />

dass ein wirklicher Dialog erst zustande<br />

käme, wenn die Dialogpartner sozusagen<br />

ihre Festung verließen und sich<br />

gemeinsam auf unbekanntes Terrain<br />

wagen. Ergebnisoffen.<br />

Ich neige zu der zweiten Auffassung,<br />

weiß aber auch, welche Ängste eine<br />

solche Haltung auslösen kann. Ängste,<br />

den eigenen Boden unter den Füßen<br />

zu verlieren. So wurde lange Zeit gegen<br />

den interreligiösen Religionsunterricht<br />

– vor allem im Grundschulalter – mit<br />

dem Argument polemisiert, dass ein<br />

Kind zunächst in seiner eigenen Religion<br />

gefestigt sein müsse, bevor es in der<br />

Lage sei, sich mit einer Fremdreligion<br />

auseinanderzusetzen. Unsere Erfahrungen<br />

in Hamburg sprechen gegen diese<br />

Befürchtung.<br />

Wir beobachten die hohe Integrationsfähigkeit<br />

von Kindern und<br />

Jugendlichen, ihre Kompetenz zum<br />

Dia logischen, wie wir überhaupt davon<br />

ausgehen müssen, dass jeder Entwicklungsschritt<br />

das Ergebnis einer offenen<br />

Begegnung mit dem Neuen ist.<br />

Ein Grundthema des Rahmenplanes<br />

für den Religionsunterricht ist die<br />

Auseinandersetzung mit den Schöpfungsberichten<br />

und -mythen in den<br />

verschiedenen Religionen. Nicht nur die<br />

Tatsache, dass alle Völker Ursprungsmythen<br />

auf dem Stand ihrer jeweiligen<br />

Kenntnisse und Erkenntnisse hervorgebracht<br />

haben, weckt das Interesse von<br />

SchülerInnen. Auch die Erkenntnis,<br />

dass moderne Weltentstehungstheorien<br />

antike Schöpfungsmythen gar nicht<br />

widerlegen müssen, weil sie eine ganz<br />

andere Fragerichtung haben, befreit<br />

Religionsunterricht für alle<br />

»In evangelischer Verantwortung und<br />

ökumenischer Offenheit« steht der<br />

»Hamburger Weg« eines interreligiös<br />

strukturierten Religionsunterrichts.<br />

In Deutschland wird der Religionsunterricht<br />

in fast allen Bundesländern<br />

nach Konfessionen bzw. Religionen getrennt<br />

erteilt. Anders in Hamburg: Angesichts<br />

von 106 Religionsgemeinschaften<br />

in dieser Stadt, steigender<br />

Pluralisierung der Lebensstile und Lebenswelten<br />

sowie zunehmender Vielfalt<br />

der ethnischen, kulturellen und<br />

sprachlichen Herkunft der Schülerinnen<br />

und Schüler versteht sich der Hamburger<br />

»Religionsunterricht für alle« als<br />

ein gemeinsamer Lernort für alle Kinder<br />

und Jugendliche ungeachtet ihrer<br />

jeweiligen religiösen und weltanschaulichen<br />

Überzeugungen.<br />

He<br />

von unsinnigen Alternativen. Naturwissenschaften<br />

fragen nicht nach Lebenssinn<br />

und Weltdeutung. Sie erklären<br />

uns Entstehungszusammenhänge, und<br />

zwar mit dem jeweils tauglichsten Modell.<br />

Der biblische Schöpfungsbericht im<br />

1. Buch Mose Kapitel 1 verfährt gar nicht<br />

anders. Wenn Sonne und Mond, das sei<br />

hier nur nebenbei bemerkt, keine Götter<br />

mehr sind, sondern Lichter für Tag<br />

und Nacht, dann ist hier im 7. oder 8.<br />

vorchristlichen Jahrhundert ein äußerst<br />

bedeutender Erkenntnisschritt getan.<br />

Aber wenden wir uns der Frage nach<br />

Lebenssinn und Weltdeutung zu, wie sie<br />

uns in der Geschichte von Adam und<br />

Eva und dem Genuss der verbotenen<br />

Frucht begegnet. Was bis heute unter<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

11


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Andreas Schultheiß<br />

»Ich bin evangelischer Pastor von Beruf,<br />

habe über 20 Jahre im Pädagogisch-<br />

Theologischen Institut Lehrerfortbildung<br />

im Fach Religion durchgeführt<br />

und bin seit meiner Pensionierung<br />

2009 freier Mitarbeiter des Instituts.«<br />

Sündenfall und Erbsünde verstanden<br />

wird und – für mich nachvollziehbar –<br />

viele Menschen abstößt, ist das Ergebnis<br />

theologischer Überlegungen des heiligen<br />

Augustinus im Anschluss an Paulus:<br />

mit Adam und Eva – letztere natürlich<br />

als Hauptverantwortliche – kommt<br />

das Böse in die Welt, und entsprechend<br />

ist das Leben auf der Erde schwierig.<br />

In der jüdischen Auslegungstradition<br />

hingegen wird der Verlust des Paradieses<br />

nicht nur als Schmerz empfunden,<br />

er ist gleichzeitig Befreiung und markiert<br />

das Ankommen des Menschen bei<br />

sich selbst und der Verantwortung für<br />

sein Handeln.<br />

Das islamische Denken wiederum<br />

konnte sich – so verstehe ich die Parallelgeschichte<br />

im Koran – nicht abfinden<br />

mit einem endgültigen Bruch zwischen<br />

Gott und Mensch und stellt an das Ende<br />

des Berichts die Versöhnung. Sozusagen<br />

damit es auch Spaß macht, in der Welt<br />

zu leben.<br />

Wer wollte behaupten, dass eine einzige<br />

dieser Weltsichten die alleinige<br />

Wahrheit für sich beanspruchen könnte<br />

oder umgekehrt gänzlich abwegig sei?<br />

Wäre es nicht ein schönes Ziel,<br />

SchülerInnen dazu zu befähigen, eben<br />

diese unterschiedlichen Weltsichten<br />

zu integrieren und als Menschen in<br />

Eigenverantwortlichkeit das Leben so<br />

zu gestalten, dass es trotz unabwendbarer<br />

Mühe und Plage und der Existenz<br />

des Bösen lohnenswert ist!<br />

Bleibt die Frage nach den scheinbar<br />

unversöhnlichen Widersprüchen zwischen<br />

den Religionen? Zum Beispiel:<br />

Jesus – Gottes Sohn oder Prophet?<br />

Oder: Das Bilderverbot in den einen<br />

Religionen kontra den Bilderreichtum<br />

in den anderen Religionen. Oder: Buddhistischer<br />

Atheismus kontra Monotheismus<br />

und Polytheismus. Ich schlage<br />

folgende Überlegung vor: In der Regel<br />

negiert eine Religion an einer anderen<br />

gerade diejenigen Anschauungen, die<br />

auf ihrer eigenen Seite als Randpositionen<br />

oder sog. Ketzereien auftreten.<br />

In dem Maße also, wie sie sich gegenüber<br />

ihrer eigenen Vielfalt als integrationsfähig<br />

erweist, könnte eine Religion<br />

auch Frieden mit der anderen Religion<br />

schließen.<br />

Der »Religionsunterricht für alle«,<br />

wie er – mit Ausnahme der katholischen<br />

Kirche von allen Religionsgemeinschaften<br />

in Hamburg akzeptiert –<br />

durchgeführt wird, hat seine rechtliche<br />

Grundlage in Artikel 7, 3 des GG. Nach<br />

z. T. heftigem innerkirchlichem Streit<br />

in Deutschland wurde eine Formel gefunden,<br />

die rechtlich vertretbar und<br />

inhaltlich akzeptabel erschien: Religionsunterricht<br />

für alle in evangelischer<br />

Verantwortung. Hierin liegt die Bedingung<br />

für diese Form des Hamburger<br />

Religionsunterrichts, aber auch eine<br />

Schwäche: die nichtchristlichen Religionsgemeinschaften<br />

sind gegenüber der<br />

rechtlichen Trägerin – der Nordelbischen<br />

Ev.-luth. Kirche – nicht gleichberechtigt.<br />

Bisher jedenfalls nicht.<br />

Die Idee zu einem »Religionsunterricht<br />

für alle« entstand vor nunmehr<br />

fast zwanzig Jahren. Angesichts der sich<br />

wandelnden Schülerschaft im Sinne<br />

einer Multikulturalität und einer deutlichen<br />

Minderheit explizit christlich<br />

orientierter SchülerInnen erschien ein<br />

rein evangelischer Religionsunterricht<br />

ebenso wenig pädagogisch vertretbar<br />

wie separiertes Lernen, wenn es um<br />

Lebenssinn und Weltdeutung geht. Allerdings<br />

musste ein dem entsprechender<br />

Unterricht weltanschaulich und<br />

religiös offen gestaltet werden. Ein interreligiöser<br />

Gesprächskreis wurde ins<br />

Leben gerufen, dem VertreterInnen der<br />

verschiedenen Religionsgemeinschaften<br />

angehören. Hier wurden die ersten<br />

Schritte des interreligiösen Dialogs gewissermaßen<br />

vorexerziert. Über ein gemeinsames<br />

Manifest Ende der 90er Jahre<br />

konnte die Zustimmung von Eltern,<br />

Lehrern und Behörde für das Konzept<br />

gewonnen und wenige Jahre später ein<br />

neuer Rahmenplan erstellt werden.<br />

Heute geht es schon lange nicht mehr<br />

um Fragen nach dem Was oder Warum,<br />

sondern um ein immer differenzierteres<br />

Wie. Wie werden LehrerInnen qualifiziert<br />

für den interreligiösen Dialog in<br />

der Klasse? Hier wurde mit der Gründung<br />

der Akademie der Weltreligionen<br />

ein wichtiger Schritt vollzogen.<br />

Wie gelangen wir zu einer rechtlichen<br />

Basis, auf der sich die Religionen in Augenhöhe<br />

begegnen und der Religionsunterricht<br />

für alle gleichberechtigt in<br />

evangelischer, muslimischer, jüdischer,<br />

buddhistischer, hinduistischer Verantwortung<br />

stattfinden kann?<br />

Vielleicht durch die Verständigung<br />

der Religionsgemeinschaften auf gemeinsame<br />

Grundsätze, die allen den<br />

gleichen Status im Sinne des GG Artikel<br />

7, 3 zusichert?<br />

Der RU für alle ist keine Religionskunde,<br />

wenngleich er natürlich religionskundliche<br />

Anteile aufweist. Er verlangt<br />

von den Unterrichtenden neben<br />

der Sachkompetenz einen hohen Grad<br />

an Authentizität – also religiöser Echtheit<br />

und Erkennbarkeit – und Dialogizität<br />

in pädagogisch verantwortlicher<br />

Haltung, so dass sich die SchülerInnen<br />

in einer komplexen geistigen und z. T.<br />

ideologisch verschmutzten Welt orientieren<br />

und eine eigene Identität begründen<br />

können.<br />

Ist das alles? Noch nicht ganz. Die<br />

Religionen haben eine Botschaft. Identitätsfindung<br />

ereignet sich nur in der<br />

Begegnung mit dem Anderen, für den<br />

ich Verantwortung habe. Erlöst in einer<br />

unerlösten Welt zu leben, ist nicht<br />

denkbar. Auch wenn ihre Anhänger sich<br />

hunderttausendfach gegen sie versündigen<br />

mögen, bleibt doch die noch lange<br />

nicht eingelöste Botschaft, wie sie als<br />

Erkenntnis der nach Karl Jaspers so benannten<br />

Achsenzeit überall in der Welt<br />

aufdämmert: der Andere ist dein Bruder,<br />

die Andere deine Schwester. Das Böse<br />

tragen wir alle in uns, wie auch unsere<br />

schöpferischen Fähigkeiten. Ausrotten<br />

können wir es nicht, es sei denn um den<br />

Preis seiner umso mächtigeren Wiedergeburt.<br />

Wir können das Böse nur an die<br />

Leine legen, indem wir uns im Anderen<br />

selbst wiedererkennen. Deshalb lautet<br />

der Grundgedanke dieses religionspädagogischen<br />

Konzepts: den Dialog lernen,<br />

um die Gewalt zu mindern. Denn:<br />

»Gefährlich ist der Monomythos.«<br />

12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Eva-Maria Kenngott<br />

Zwischen Ethik- und Religionsunterricht *<br />

Das Fach Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde (LER)<br />

Im November 2008 wurde an der Universität Potsdam der fünfte Geburtstag<br />

des grundständigen Studiengangs LER gefeiert. Gleichzeitig wurden die ersten<br />

AbsolventInnen verabschiedet. Die Festrednerin beim Festakt war Marianne<br />

Birthler, ehemalige Bildungsministerin im Land Brandenburg und federführend<br />

bei der Einführung von LER.<br />

* Der folgende Text ist eine gekürzte Fassung<br />

von: Kenngott, Eva-Maria (2011): Das Fach<br />

Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde<br />

– ein ehrgeiziges Projekt. In: Raters, Marie-<br />

Luise (Hrsg.) (2011): Werte in Religion und<br />

Ethik. Modelle des interdisziplinären Werteunterrichts<br />

in Deutschland und der Schweiz.<br />

Dresden: Thelem, S. 91 – 100.<br />

In Brandenburg ist »Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religion« (LER) allgemeinbildendes<br />

Schulfach. Es ist allerdings<br />

die Möglichkeit gegeben, sich abzumelden<br />

und am Religionsunterricht teilzunehmen,<br />

der als kirchlicher Unterricht<br />

in schulischen Räumen stattfindet. Er<br />

ist nicht Bestandteil des Schulcurriculums.<br />

Inzwischen bietet der Humanistische<br />

Verband wie in Berlin einen weltanschaulichen<br />

Lebenskundeunterricht<br />

an, nicht als Alternative zu LER, sondern<br />

als Alternative zum kirchlichen Religionsunterricht.<br />

Dafür hat das Brandenburger<br />

Verfassungsgericht im Dezember<br />

2005 den Weg geebnet. Es erklärte<br />

es mit der Verfassung für unvereinbar,<br />

dass das Landesschulgesetz allein den<br />

Kirchen das Recht zum Bekenntnisunterricht<br />

zuerkannte.<br />

He<br />

Sie erinnerte an den Beginn des<br />

Faches: »Ich möchte Sie auf eine<br />

kleine Reise und Zeitreise mitnehmen<br />

– in die DDR der späten 80er Jahre,<br />

eine Reise hin zu den Tischen, um die<br />

sich wache Menschen versammelt hatten,<br />

die sich um die Zukunft ihrer Kinder<br />

Sorgen machten. Diese Tische befanden<br />

sich in kirchlichen Räumen, aber auch in<br />

Küchen und Wohnzimmern. Wir hatten<br />

die DDR-Schulen so satt:<br />

Die genormte Weltanschauung, die<br />

Geschichtslügen und das Freund-Feind-<br />

Denken, die Militarisierung der Erziehung,<br />

die Dominanz des Kollektivs, die<br />

Ausgrenzung alles Religiösen, den Frontalunterricht,<br />

den mangelnden Respekt<br />

vor der Individualität von Kindern und<br />

Jugendlichen, die Ausgrenzung Behinderter,<br />

den Generalverdacht gegenüber<br />

originellen und unabhängigen Lebensstilen,<br />

die genormten Anforderungen<br />

und Maßstäbe, die Ausgrenzung und<br />

Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen<br />

aus politischen Gründen …«<br />

(Birthler 2008, S. 1f)<br />

Marianne Birthlers eindrücklicher<br />

Blick zurück macht deutlich, aus welcher<br />

Not heraus LER geboren wurde. Die<br />

Idee zu einem Fach mit solch einem umständlichen<br />

Namen stammt aus der Zeit<br />

der Wende und ist zutiefst mit der Kritik<br />

an der sozialistischen Schule verwoben.<br />

Der Legende nach waren eine Reihe<br />

von Namen für das neue Schulfach im<br />

Gespräch, darunter auch »Gott und die<br />

Welt«. 1) Dass es dann doch »Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religion« wurde, hängt<br />

wohl mit den weitreichenden Ansprüchen<br />

der InitiatorInnen zusammen. Die<br />

beiden zentralen Anliegen bestanden<br />

darin, dass sich die Schule den Interessen<br />

von Kindern und Jugendlichen öffnen<br />

und eine pluralistische Bearbeitung<br />

von Fragen der Lebensgestaltung in der<br />

Schule stattfinden sollte. Dabei sollten<br />

auch Probleme des ethischen Urteilens<br />

thematisiert werden und unterschiedliche<br />

religiöse und weltanschauliche Orientierungen<br />

zur Sprache kommen. In<br />

dem neuen Unterrichtsfach sollten Kinder<br />

und Jugendliche unterschiedlicher<br />

Herkunft und mit unterschiedlichen<br />

Orientierungen miteinander ins Gespräch<br />

kommen. Anders als im Westen<br />

Deutschlands, wo der Religionsunterricht<br />

die SchülerInnen in verschiedene<br />

Konfessionen getrennt hatte und Ethik<br />

in der Regel den Status eines Ersatzfaches<br />

hatte, sollten sich in LER die<br />

SchülerInnen miteinander auseinandersetzen.<br />

Programmatisch fand dieser Anspruch<br />

in dem Motto »Gemeinsam leben<br />

lernen« seinen Ausdruck. 2)<br />

Unter der Bildungsministerin Marianne<br />

Birthler begann im Jahr 1992 die<br />

offizielle Geschichte des Faches Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religion. Es wurde<br />

ein Modellversuch ins Leben gerufen,<br />

der drei Jahre dauerte und insgesamt positiv<br />

bewertet wurde. Allerdings bescheinigte<br />

die wissenschaftliche Begleitung<br />

dem Fach, dass der Unterricht zu stark in<br />

der L-Dimension verbleibe und die ethische<br />

und religionskundliche Dimension<br />

jeweils zu untergewichtig seien (Leschinsky<br />

1996, S. 190ff). Im Jahre 1996 wurde<br />

das Fach Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde<br />

dann als neues Schulfach im<br />

Land Brandenburg eingeführt, zunächst<br />

in der Sekundarstufe I, später auch in<br />

der <strong>Grundschule</strong> ab Klasse 5. 3) Die Umbenennung<br />

von »Religion« in »Religionskunde«<br />

sollte deutlich machen, dass<br />

in diesem Unterricht über Religionen<br />

informiert werden solle, und der Staat<br />

nicht in irgendeiner Form religiöse Unterweisung<br />

betreiben wolle. Das Fach<br />

LER solle »bekenntnisfrei, religiös und<br />

weltanschaulich neutral unterrichtet«<br />

werden (BbgSchulG § 11, Abs. 3). Mit der<br />

Einführung des Faches brach ein Sturm<br />

über das Land Brandenburg herein, den<br />

es wohl noch bei keiner Einführung eines<br />

Schulfaches, das zudem im Umfang ja relativ<br />

klein ist, gegeben hatte. Es fand eine<br />

Bundestagsdebatte statt, es gab Artikelserien<br />

in den Zeitungen, und schließlich<br />

wurde bald nach der Verabschiedung des<br />

Schulgesetzes eine Normenkontrollklage<br />

gegen die Bestimmungen zum Fach LER<br />

und zum Religionsunterricht beim Bundesverfassungsgericht<br />

eingereicht. 4)<br />

Die weiteren Stationen der Geschichte<br />

von LER sind kurz gefasst die folgenden:<br />

Zum Jahreswechsel 2001/02 bot<br />

das Bundesverfassungsgericht einen<br />

Vergleich an, durch den letztendlich die<br />

Einführung des Faches LER im Nachhinein<br />

bestätigt und gleichzeitig die<br />

Stellung des (freiwilligen) Religionsunterrichts<br />

gestärkt wurde. Der Ver-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

13


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

gleichsvorschlag wurde von den beteiligten<br />

Parteien angenommen. Seitdem<br />

ist das Fach LER in ruhigeres Fahrwasser<br />

gekommen, das Fach ist zwischenzeitlich<br />

vollständig eingeführt und wird<br />

von Klasse 5 – 10 unterrichtet. Seit dem<br />

Wintersemester 2003/04 gibt es schließlich<br />

den grundständigen Studiengang<br />

LER an der Universität Potsdam.<br />

Grundsatzfragen<br />

Die Auseinandersetzung um LER vor,<br />

während und nach der Einführung 1996<br />

konzentrierte sich auf das »E« und das<br />

»R« in LER. Es wurde infragegestellt,<br />

ob der Staat die Werteerziehung selbst<br />

in die Hand nehmen dürfe. Der damalige<br />

Bischof von Berlin-Brandenburg<br />

Wolfgang Huber eröffnete im Januar<br />

1996 eine Artikelserie in der Frankfurter<br />

Rundschau mit genau dieser Problemstellung.<br />

Schon der Untertitel des Artikels<br />

deutet an, in welche Richtung die<br />

Argumentation gehen sollte: »Die Staatsdistanz<br />

der Vorwendezeit und die erstaunliche<br />

Staatsgläubigkeit heute«. Nach<br />

Huber solle der Staat Wertevermittlung<br />

ermöglichen, aber nicht selbst betreiben<br />

(Huber 1996, S. 18). Denn Werte, so die<br />

dahinter liegende Vorstellung, werden in<br />

anderen Kontexten, insbesondere in der<br />

Religion erworben. 5) Doch auch schon<br />

im Jahr 1996 war ein Prozess im Gange,<br />

in dessen Verlauf in allen Bundesländern<br />

werteorientierte Fächer eingeführt<br />

wurden. 6) Die fortschreitende Säkularisierung<br />

tut ihr Übriges dazu, den engen<br />

Zusammenhang von Religion und Moral<br />

zu untergraben, den Huber unterstellt.<br />

Die Spitze von Hubers Anschuldigung<br />

der Staatsgläubigkeit sollte allerdings<br />

noch empfindlicher treffen: Sie bestand<br />

in dem Vorwurf oder zumindest in der<br />

Anfrage, ob mit dem neuen Fach etwa<br />

eine »gewendete Staatsbürger kunde«<br />

(ebd.) etabliert werden sollte. Bei zu viel<br />

Einmischung in die Wertevermittlung<br />

von Seiten des Staates drohe staatliche<br />

Indoktrination. Denkt man an die äußerst<br />

staats- und ideologiekritischen<br />

Anfänge des Faches zurück, so lässt sich<br />

noch heute, nachdem die alten Gräben<br />

längst merklich eingeebnet wurden, das<br />

Entsetzen der InitiatorInnen ob dieser<br />

Anschuldigung nachvollziehen.<br />

Als nachhaltiger haben sich die vielfältigen<br />

und äußerst komplizierten<br />

Debatten und Anschuldigungen über<br />

Eva-Maria Kenngott<br />

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im<br />

Bereich Fachdidaktik Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde<br />

an der Universität<br />

Potsdam. Forschungsschwerpunkte:<br />

moralisches Lernen, religiöse<br />

Bildung, interkulturelles Lernen.<br />

den Komplex Religion erwiesen. Die<br />

zentrale Frage, die zahlreiche Unterfragen<br />

beinhaltete, lautete: Ist Brandenburg<br />

verpflichtet, Religionsunterricht<br />

als allgemeinbildendes Schulfach einzuführen?<br />

Dabei dominierte sicherlich<br />

zunächst die rechtliche Auseinandersetzung<br />

vor dem Bundesverfassungsgericht.<br />

Betroffen waren Fragen nach dem<br />

Verhältnis von Staat und Kirche, nach<br />

der durch das Grundgesetz garantierten<br />

negativen und positiven Religionsfreiheit<br />

und nach dem Geltungsbereich des<br />

Grundgesetzes 7) , um nur die zentralen<br />

Probleme zu nennen.<br />

Auf der tiefer liegenden Ebene ging<br />

es um die angemessene schulische Darstellung<br />

und Vermittlung von Religion<br />

im Religionsunterricht oder im religionskundlichen<br />

Unterricht. Gegen LER<br />

bestand der Vorbehalt, dass lediglich ein<br />

Unterricht aus der Binnenperspektive<br />

einer Religion diese nicht verkürzt darstelle.<br />

Die Auseinandersetzung gipfelte<br />

damals in dem Vorwurf, in LER würden<br />

Religionen wie Tiere in einem Zoo vorgeführt.<br />

8) Und ebenso häufig wurde von<br />

Seiten der LER-Befürworter darauf hingewiesen,<br />

dass sogenannte authentische<br />

Vertreter ihr Selbstverständnis im LER-<br />

Unterricht darlegen könnten. Die Auseinandersetzung<br />

mit ihnen sei ein zentraler<br />

Bestandteil des Faches. Die von den<br />

Kirchen eingeforderte Innenperspektive<br />

sollte durch die VertreterInnen der Religionen<br />

ins Spiel kommen.<br />

In der Zwischenzeit findet religionskundlicher<br />

Unterricht im europäischen<br />

Kontext zunehmend Verbreitung. LER<br />

teilt demnach Chancen und Probleme<br />

eines solchen Unterrichts auch mit ähnlichen<br />

Fächern etwa in England, den Niederlanden,<br />

Norwegen oder der Schweiz.<br />

Die Engführung zwischen didaktischer<br />

Innen- oder Außendarstellung von Religion<br />

hat sich zwischenzeitlich relativiert<br />

und ist differenzierteren Sichtweisen gewichen<br />

(vgl. Kenngott / Kuld 2011).<br />

Basisstrukturen für LER<br />

Das Fach LER genoss über viele Jahre<br />

hinweg weder in der Öffentlichkeit<br />

noch im Kreise der verwandten Schulfächer<br />

einen guten Ruf, denn der merkwürdige<br />

Sonderling, an dem das Land<br />

Brandenburg so verbissen festhielt,<br />

galt als wissenschaftlich wenig seriös:<br />

Sollten doch anders als in den anderen<br />

verwandten Schulfächern die Lebensfragen<br />

Jugendlicher im Zentrum des<br />

Unterrichts stehen. Außerdem sollte das<br />

Spektrum der Lebensfragen integrativ<br />

erarbeitet werden, ohne die Blickrichtung<br />

auf eine philosophisch-ethische<br />

Dimension einerseits oder eine religiöse<br />

Dimension andererseits zu zentrieren.<br />

Dies erschwerte die wissenschaftliche<br />

Abgrenzung und Durchdringung des<br />

neuen Faches und führte immer wieder<br />

zu dem Vorwurf, in LER würden die<br />

Schülerinnen und Schüler therapiert.<br />

Diese Grundideen waren äußerst anspruchsvoll<br />

und in der Unterrichtspraxis<br />

schwierig umzusetzen. Die Sorge<br />

um die Entwicklung des Faches und die<br />

Befürchtung, die anfängliche Schwäche<br />

im Sinne des Therapie- oder Laberfachs<br />

könne sich verfestigen, führte dazu,<br />

dass der Wissenschaftliche Beirat von<br />

LER im Jahr 2001 ein ausführliches<br />

Gutachten unterbreitete. Das Gutachten<br />

zielte darauf ab, die Beliebigkeit bei<br />

der Bearbeitung von Themen im LER-<br />

Unterricht zu reduzieren und die Gefahr<br />

der Oberflächlichkeit des Unterrichts zu<br />

begrenzen. Der Vorschlag bestand darin,<br />

die Eigenlogik der Dimensionen von<br />

LER aufzuzeigen. Die Gutachter entwickelten<br />

dazu die Dimensionen Lebensgestaltung,<br />

Ethik und Religionskunde<br />

als sogenannte »Basisstrukturen« und<br />

unterbreiteten gleichzeitig Vorschläge<br />

zur integrativen Bearbeitung von Themen<br />

im LER-Unterricht. »Basisstrukturen<br />

sind«, so definieren die Autoren,<br />

»plausible Netze von grundlegenden Inhalten<br />

bzw. Handlungsweisen, die einen<br />

Wissensbereich bestimmen« (Edelstein<br />

u. a. 2001, S. 77). Die Basisstrukturen<br />

14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

bilden jedoch keine wissenschaftlichen<br />

Disziplinen ab, sondern zeigen, wie<br />

Denkmuster bezogen auf die jeweilige<br />

Dimension gelernt und aufgebaut werden.<br />

Die Autoren verfolgen ein pädagogisches<br />

Anliegen, was am Beispiel der<br />

Basisstruktur Ethik gut zu sehen ist:<br />

Schülerinnen und Schüler sollen in LER<br />

nicht eine »Reduktionsform der philosophischen<br />

Ethik« lernen, sie sollen<br />

Unterstützung erhalten beim moralischen<br />

Lernen, das vorwiegend im Horizont<br />

alltagsweltlicher Fragen stattfindet<br />

(ebd., S. 106). Der Vorschlag hat innovatives<br />

Potential, denn die Gutachter verfolgen<br />

damit die Absicht, das Schulfach<br />

von den SchülerInnen und deren Lebenswelt<br />

her zu denken. Ein Schulfach<br />

ist demnach nicht dazu da, die entsprechende<br />

wissenschaftliche Disziplin so zu<br />

reduzieren, dass SchülerInnen die Probleme<br />

und Positionen verstehen können,<br />

sondern das Schulfach muss gewissermaßen<br />

›von unten‹ gedacht werden, von<br />

den Lernmöglichkeiten und Lernwegen<br />

der SchülerInnen her.<br />

Fazit<br />

In LER haben sich eine Reihe gesellschaftlicher<br />

und bildungspolitischer<br />

Auseinandersetzungen wie in einem<br />

Brennglas gebündelt. LER war unter dieser<br />

Perspektive eine Art Werkstatt für<br />

Kritik, Neuerungen und Umorientierungen.<br />

Die bedeutendsten sind folgende:<br />

●●<br />

In der Konzeption des Faches Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religion wurde<br />

der Kritik an der sozialistischen Schule<br />

Ausdruck verliehen. Gleichzeitig verbanden<br />

sich mit LER Hoffnungen auf<br />

die Veränderung von Schule.<br />

●●<br />

Mit der Einführung von LER entflammte<br />

ein religionspolitischer Streit<br />

um die Stellung des Religionsunterrichts<br />

in der Schule und der Darstellung<br />

von Religion(en) im Unterricht.<br />

●●<br />

Das integrative Programm des Faches<br />

enthielt fundamentale bildungspolitische<br />

Neuerungen in zweierlei Hinsicht:<br />

Alle Schülerinnen und Schüler sollten<br />

gemeinsam in einem werteorientierten<br />

Fach lernen. Dieses Programm kommt<br />

am klarsten in einem von Marianne<br />

Birthler initiierten Grundsatzpapier<br />

(1991) »Gemeinsam leben lernen« zum<br />

Ausdruck. Integration in diesem Sinne<br />

bedeutet Integration der verschiedenen<br />

SchülerInnenperspektiven.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Die Geschichte stammt von Imma Hillerich,<br />

die lange Zeit die Einführung von LER<br />

im Brandenburgischen Bildungsministerium<br />

begleitet hat (vgl. Hillerich 2003, S. 199).<br />

(2) »Gemeinsam leben lernen« war ein Leitgedanke<br />

des Grundsatzpapiers, das die erste<br />

Brandenburgische Bildungsministerin<br />

Marianne Birthler im Jahr 1991 im Hinblick<br />

auf den geplanten Lernbereich »Lebensgestaltung<br />

– Ethik – Religion« herausgab<br />

(Edelstein u. a. 2001, S. 25ff).<br />

(3) Im Land Brandenburg umfasst die<br />

<strong>Grundschule</strong> die Klassen 1 – 6. In Klasse 5/6<br />

wird LER einstündig unterrichtet, in<br />

Klasse 7/8 zweistündig, in 9/10 wiederum<br />

einstündig.<br />

(4) Ausführlich wird der gesamte Vorgang<br />

mit vielen Verästelungen und juristischen<br />

Raffinessen von Imma Hillerich beschrieben<br />

(Hillerich 2003).<br />

(5) Das Argument, wonach der Staat die<br />

Grundlagen, auf denen er stehe, nicht selbst<br />

herstellen könne, wurde damals häufig in der<br />

Debatte genannt. Es stammt ursprünglich<br />

von dem Verfassungsrechtler Böckenförde<br />

und wurde in einem Aufsatz über Säkularisierung<br />

entfaltet (Böckenförde 1976, S. 111ff).<br />

(6) Eine außerordentlich fragwürdige Konsequenz<br />

von Hubers Argumentation besteht<br />

darin, dass der staatliche Ethikunterricht,<br />

sobald er Bestandteil eines Wahlpflichtbereichs<br />

ist, offenbar von der Unterstellung<br />

entlastet ist, in der Gefahr der Indoktrination<br />

zu stehen.<br />

(7) Es ging dabei um die Frage, ob die<br />

Bestimmungen des §141 auf Brandenburg<br />

anwendbar seien (Hillerich 2003, S. 202).<br />

(8) Der polemische Angriff stammt von<br />

Richard Schröder in der FAZ vom<br />

11. 10. 1995, S. 16. Huber argumentierte in der<br />

Frankfurter Rundschau vom 26. 1. 1996 etwas<br />

moderater mit dem Argument Innenperspektive<br />

versus Außenperspektive: »Begegnet<br />

man denn wirklich der Religion, wenn sie nur<br />

in einer ›religionskundlichen‹ und ›bekenntnisneutralen‹<br />

Außenperspektive unterrichtet<br />

wird?« (Huber 1996, S. 18).<br />

●●<br />

Gleichzeitig sollte das Fach die Dimensionen<br />

Lebensgestaltung, Ethik und<br />

Religionskunde in einem Fach vereinen.<br />

Die Themen des Faches sollten integrativ<br />

unter den genannten Perspektiven<br />

– und nicht auf eine zentriert – bearbeitet<br />

werden.<br />

●●<br />

Der Wissenschaftliche Beirat von LER<br />

unterbreitete mit dem Konzept der »Basisstrukturen«<br />

nicht allein einen Vorschlag,<br />

das neue Fach solide zu denken.<br />

Mit dem Konzept geht auch eine pädagogische<br />

Programmatik einher, wonach<br />

die Logik eines Schulfaches nicht vornehmlich<br />

aus den wissenschaftlichen<br />

Bezugsdisziplinen zu entfalten ist.<br />

Man kann vieles beim Ringen um<br />

das Fach LER nur verstehen, wenn man<br />

seinen Ausgangspunkt als Kritik an<br />

der sozialistischen Schule in Betracht<br />

zieht. Doch auch für die heutige Diskussion<br />

um die Werte- und Religionsfächer<br />

bietet LER noch immer wichtige<br />

Impulse.<br />

Literatur<br />

Birthler, Marianne (2008): Festrede zum<br />

Fünfjährigen Bestehen des Studiengangs<br />

LER. In: http://www.uni-potsdam.de/db/ler/<br />

getdata.php?ID=58 (v. 22. 8. 2009)<br />

Böckenförde, Ernst Wolfgang (1976): Die Entstehung<br />

des Staates als Vorgang der Säkularisation.<br />

In: ders.: Staat, Gesellschaft, Freiheit,<br />

Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht.<br />

Frankfurt am Main: Suhrkamp<br />

Verlag, S. 42 – <strong>114</strong>.<br />

Edelstein, Wolfgang/ Grözinger, Karl E./ Gruehn,<br />

Sabine/ Hillerich, Imma/ Kirsch, Bärbel/<br />

Leschinsky, Achim/ Lott, Jürgen/ Oser, Fritz<br />

(2001): Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde.<br />

Zur Grundlegung eines neuen<br />

Schulfachs. Analysen und Empfehlungen.<br />

Weinheim / Basel: Beltz Verlag.<br />

Gruehn, Sabine/ Thebis, Frauke (2002):<br />

Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde.<br />

Eine empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand<br />

und zu den Perspektiven eines<br />

neuen Unterrichtsfachs. Potsdam: Ministerium<br />

für Bildung, Jugend und Sport.<br />

Hillerich, Imma (2003): Bildungspolitik und<br />

Religion: Die Diskussion um das Schulfach<br />

LER in Brandenburg. In: Brocker, Manfred /<br />

Behr, Hartmut / Hildebrandt, Mathias (Hg.):<br />

Religion – Staat – Politik. Zur Rolle der<br />

Religion in der nationalen und internationalen<br />

Politik. Wiesbaden: Westdeutscher<br />

Verlag, S. 199 – 220.<br />

Huber, Wolfgang (1996): Wenn der Staat selbst<br />

die Wertevermittlung in die Hand nimmt.<br />

Die Staatsdistanz der Vorwendezeit und<br />

die erstaunliche Staatsgläubigkeit heute.<br />

In: Frankfurter Rundschau vom 26. 1. 1996,<br />

Nr. 22, S. 18.<br />

Kenngott, Eva-Maria/ Kuld, Lothar (Hg.)<br />

(2011): Religion verstehen lernen. Neuorientierungen<br />

religiöser Bildung. Münster:<br />

LIT Verlag (erscheint voraussichtlich im<br />

Herbst 2011).<br />

Kenngott, Eva-Maria (2004): Strukturen im<br />

Dickicht der Lebensfragen: »Basisstrukturen«<br />

für LER. In: edition ethik kontrovers,<br />

Jahresheft der Zeitschrift Ethik & Unterricht<br />

2004, S. 51 – 55.<br />

Leschinsky, Achim (1996): Vorleben oder<br />

Nachdenken? Bericht der wissenschaftlichen<br />

Begleitung über den Modellversuch<br />

zum Lernbereich »Lebensgestaltung – Ethik<br />

– Religion«. Frankfurt am Main: Moritz<br />

Diesterweg.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

15


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

Gerd Laudert<br />

Plädoyer für ein Pflichtfach Ethik / Religionskunde<br />

Seit gut 25 Jahren unterrichte ich als Grundschullehrer u. a. das Fach Evangelische<br />

Religion, in einem ländlichen »Heidekreis« in Niedersachsen.<br />

Die prägendste Erfahrung in dieser Zeit: Mein konfessioneller Religionsunterricht<br />

»passte« von Jahr zu Jahr weniger zu meiner sich immer stärker in Richtung<br />

Pluralität verändernden Schülerschaft.<br />

Immer weniger und kaum noch<br />

christlich sozialisierte evangelische<br />

Schüler/innen, zunehmend Kinder<br />

mit Migrationshintergrund (bei uns vor<br />

allem yezidische Kurden) – und immer<br />

mehr konfessionslose Schulanfänger. So<br />

war ich gezwungen, mich intensiver mit<br />

einer Grundsatzfrage zu beschäftigen:<br />

Müsste ein zeitgemäßer Religionsunterricht<br />

nicht ganz neu konzipiert<br />

werden – als ein gemeinsamer, überkonfessioneller,<br />

integrativer Unterricht?<br />

Ist heute eine religiöse Allgemeinbildung<br />

nicht wichtiger als konfessionelle<br />

»Beheimatung«? Und: Ist es pädagogisch<br />

vertretbar, vor allem im Blick auf<br />

die <strong>Grundschule</strong>, dass gerade in dem<br />

Lernbereich, in dem es um Sinn- und<br />

Wertfragen, um Gemeinsamkeiten und<br />

Unterschiede bezüglich religiöser und<br />

ethischer Fragen geht, die Kinder nicht<br />

gemeinsam lernen, nicht miteinander<br />

sprechen können, sondern – in konfessionell<br />

getrennten Lerngruppen – allenfalls<br />

übereinander?<br />

Im Herbst 2009 veröffentlichte ich das<br />

Buch »Religion gemeinsam lernen« 1) .<br />

Im Sinne einer Neuinterpretation des<br />

Art. 7,3 GG, wonach Religionsunterricht<br />

(= RU) »in Übereinstimmung mit<br />

den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften«<br />

erteilt wird, sollten sich – so<br />

mein Vorschlag – die Religionsgemeinschaften<br />

auf gemeinsame Grundsätze<br />

verständigen. So könnten sie ein zukunftsfähiges<br />

Reformkonzept auf den<br />

Weg bringen, eine überzeugende Alternative<br />

anbieten zu einem zunehmend<br />

als anachronistisch empfundenen und<br />

künftig vermutlich noch stärker zersplitterten<br />

(evangelischen, katholischen,<br />

islamischen …) RU.<br />

Die Resonanz seitens der Kirchen war<br />

ernüchternd: Kaum Diskussionsbereitschaft,<br />

eher demonstrative Gesprächsverweigerung.<br />

– Die Kirchenleitungen<br />

beharren strikt auf der Konfessionalität<br />

des Faches, ihre Reformbereitschaft<br />

beschränkt sich auf die Option eines<br />

»konfessionell-kooperativen« RU. Doch<br />

in diesem Modell – eher Notlösung als<br />

Reform – bleibt die Trennung nach Religionszugehörigkeit<br />

bestehen. Gemeinsames<br />

Lernen findet nicht statt, weder<br />

inter-religiös noch zwischen religiösen<br />

und konfessionslosen Schüler/innen.<br />

Oft wird den Kirchen unterstellt, sie<br />

wollten mit ihrem Festhalten am konfessionellen<br />

RU vor allem Privilegien<br />

schützen, doch greift diese Sichtweise<br />

zu kurz, zumal auch andere Religionsgemeinschaften<br />

nach Art. 7,3 GG einen<br />

bekenntnisgebundenen RU anbieten<br />

können. – Die mehr hintergründigen,<br />

z. T. auch theologischen Motive sind weniger<br />

bekannt und werden kaum öffentlich<br />

diskutiert:<br />

Die Kirchen gehen zum einen von der<br />

Annahme aus, Religion gebe es nur in<br />

konkreter, konfessioneller Gestalt, anders<br />

komme »Religion« gar nicht vor. Folglich<br />

könne es auch keinen allgemeinen,<br />

überkonfessionellen RU geben. – So<br />

einleuchtend diese Annahme auf den<br />

ersten Blick zu sein scheint, sie trifft nur<br />

noch sehr eingeschränkt zu: In einer<br />

nachchristlichen, multireligiösen, welt-<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

anschaulich pluralen Gesellschaft macht<br />

es wenig Sinn, die Fahne der Konfessionalität<br />

hochzuhalten. »Die christlichen<br />

Kirchen und die Gesellschaft bilden keine<br />

Einheit mehr … Die konfessionelle<br />

Profilierung des Christentums verliert<br />

an Kraft und Bedeutung … Deutschland<br />

ist kein christliches Land mehr«,<br />

diagnostizierte ein kritischer Religionspädagoge<br />

schon Anfang der 1990er<br />

Jahre. 2) Zu Zeiten einer »christlichen<br />

Volkskirche«, als praktisch jeder entweder<br />

katholisch oder evangelisch war,<br />

lag ein konfessioneller RU zumindest<br />

nahe. Heute ist Deutschland ein multikulturelles,<br />

multireligiöses Einwanderungsland<br />

in einer globalisierten Welt,<br />

die Kirchenmitgliedschaft sinkt stetig,<br />

ein Drittel der Bevölkerung ist konfessionslos,<br />

Tendenz steigend. Schon deshalb<br />

muss es heute um religiöse Bildung in<br />

einem viel umfassenderen Sinne gehen,<br />

gerade auch im Blick auf die Konfessionslosen,<br />

denn nur religiöse Praxis,<br />

nicht aber religiöse Bildung ist »Privatsache«.<br />

Es muss im RU um religiöse Allgemeinbildung<br />

gehen, um den Erwerb<br />

(inter-) religiöser Kompetenzen, nicht<br />

um Beheimatung und eine nur konfessionelle<br />

»Teil-Bildung«.<br />

Heute wollen (und können!) religiös<br />

interessierte Menschen zudem die unterschiedlichen<br />

Antworten der Religionen<br />

auf die großen, existenziellen Fragen<br />

des Menschseins kennen lernen. Und sie<br />

möchten, verständlicher- und vernünftigerweise,<br />

nur das für sich übernehmen,<br />

was mit ihren eigenen Lebens- (und<br />

evtl. Gottes-) Erfahrungen in Einklang<br />

zu bringen ist, was ihnen überzeugend<br />

und glaubwürdig erscheint. So begegnet<br />

man heute immer häufiger Menschen,<br />

die sich nicht ausschließlich einer Religion<br />

zugehörig fühlen, sondern sich<br />

z. B. »als Christ und Buddhist zugleich«<br />

empfinden. Umfragen belegen, in welch<br />

hohem Maße Menschen, die sich als<br />

religiös bezeichnen, dies ausdrücklich<br />

nicht konfessionell verstehen (»Ich bin<br />

religiös, aber nicht kirchlich«).<br />

Ein Religionspädagoge stellte kürzlich<br />

die auf den ersten Blick überraschende<br />

These auf, die Kirche sei »religiös inkompetent«,<br />

nämlich insofern, als ihre<br />

Kompetenz sich »nahezu ausschließlich<br />

auf die eigene christliche Tradition« erstrecke.<br />

Für religiöse Fragen, die keinen<br />

spezifisch christlichen Bezug hätten, die<br />

aber gleichwohl religiöse (spirituelle)<br />

Fragen und Erfahrungen heutiger Menschen<br />

seien, »scheinen die Kirchen sich<br />

gar nicht zuständig zu fühlen«. 3)<br />

Dieses dürfte in der Tat eine weitere<br />

Erklärung sein für das Festhalten der<br />

Amtskirchen am christlich-konfessionellen<br />

und für die strikte Ablehnung<br />

eines »religionskundlichen« RU.<br />

»Religionskunde« kann als Gegenentwurf<br />

zum konfessionellen RU verstanden<br />

werden. (Ebenso könnte man beide<br />

Konzeptionen als einander ergänzend<br />

betrachten.) Religionskunde geht vom<br />

schulischen Bildungsauftrag aus und<br />

möchte auf religionswissenschaftlicher<br />

(nicht auf theologischer) Basis Schü ler/<br />

innen in einem gemeinsamen Unterricht<br />

über Religion(en) informieren, sie<br />

zu einer kritischen, sachkundigen Auseinandersetzung<br />

mit religiösen Fragen<br />

und zu einer größeren Kompetenz im<br />

Umgang mit religiöser Heterogenität<br />

anleiten. Wie das Fach Ethik als Ganzes<br />

ist Religionskunde ein staatlich verantworteter<br />

Unterricht, in dem Religion,<br />

wegen der weltanschaulichen Neutralität<br />

des Staates, möglichst objektiv, vergleichend,<br />

d. h. aus einer um Neutralität<br />

bemühten Außenperspektive, in den<br />

Blick genommen wird.<br />

Allerdings gibt es sehr unterschiedliche<br />

Konzepte von Ethikunterricht (=<br />

EU), was sich schon in den unterschiedlichen<br />

Fach-Bezeichnungen ausdrückt:<br />

Ethik, Praktische Philosophie, Werte<br />

und Normen … Da EU ursprünglich als<br />

ein Ersatzfach im Blick auf den konfessionellen<br />

RU gedacht war, später aber<br />

mehr und mehr – und noch einmal<br />

verstärkt nach der Wiedervereinigung<br />

– zu einer gefragten Alternative zum<br />

RU wurde, hatte es dieses Fach schwer,<br />

ein gewachsenes, allgemein akzeptiertes<br />

didaktisches Profil zu entwickeln.<br />

Eine Bestandsaufnahme zum EU kam<br />

1994 zu einer auch heute noch gültigen<br />

Unterscheidung von vier Grundkonzepten<br />

4) : Ethikunterricht als Praktische<br />

Philosophie, als Lebenshilfe, als Moralerziehung,<br />

als ethische Reflexion. Neben<br />

der konzeptionellen Heterogenität<br />

schwächt insbesondere die von Anfang<br />

an fragwürdige Ersatzfach-Konstruktion<br />

den EU.<br />

Als ein unter religionskundlichem Aspekt<br />

bemerkenswertes Konzept kann<br />

das in Niedersachsen eingeführte<br />

Gerd Laudert<br />

ist Grundschullehrer, unterrichtet<br />

seit 1985 u. a. das Fach Religion,<br />

seit 2006 an der GS Hodenhagen /<br />

Kreis Soltau-Fallingbostel<br />

Fach »Werte und Normen« gelten, das<br />

laut Schulgesetz »religionskundliche<br />

Kenntnisse, das Verständnis für die<br />

in der Gesellschaft wirksamen Wertvorstellungen<br />

und Normen und den<br />

Zugang zu philosophischen, weltanschaulichen<br />

und religiösen Fragen«<br />

vermitteln soll. Als Bezugswissenschaft<br />

wird hier neben Philosophie und<br />

Gesellschaftswissenschaft(en) ausdrücklich<br />

die Religionswissenschaft genannt.<br />

Das primäre Ziel des Unterrichts Werte<br />

und Normen sieht der niedersächsische<br />

Fachverband darin, »Heranwachsende<br />

zu befähigen, mit Menschen anderer<br />

Religionen und Weltanschauungen<br />

friedlich zusammenzuleben«. 5) Dieses<br />

Bildungsziel, das man als interreligiöse<br />

bzw. interkulturelle Dialog-Kompetenz<br />

bezeichnen kann, wird in anderen EU-<br />

Konzepten oft – meist zugunsten philosophischer<br />

Fragestellungen – vernachlässigt.<br />

Das Fach Werte und Normen<br />

könnte insofern als ein geeignetes EU-<br />

Modell im Sinne einer Alternative bzw.<br />

Ergänzung zum konfessionellen RU<br />

verstanden werden, weil hier religionskundliches<br />

und interreligiöses Lernen<br />

einen hohen Stellenwert haben.<br />

Konfessioneller RU steht schon aufgrund<br />

seines Selbstverständnisses<br />

(»Beheimatung«) immer zumindest<br />

in der Gefahr, und dies gilt vor allem<br />

im Grundschulbereich, das religiöse<br />

Bekenntnis affirmativ zu vermitteln,<br />

theologisch strittige Themen auszuklammern<br />

und so ein harmonisiertes,<br />

geschöntes, auf die »offizielle« kirchliche<br />

Sicht zurechtgestutztes Verständnis<br />

der christlichen Religion zu vermitteln.<br />

(Dass kirchliche Bindung und »Loyalität«<br />

im RU der <strong>Grundschule</strong> offenbar<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

17


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

mehr zählen als fachliche Qualifikation,<br />

erkennt man schon daran, dass fast jede<br />

zweite RU-Lehrkraft keine Lehrbefähigung<br />

für dieses Fach besitzt.)<br />

Das religionskundliche Konzept kann<br />

zudem einen m. E. besonders wichtigen<br />

Aspekt religiösen Lernens sachgemäßer<br />

in den Blick nehmen: nämlich die Ambivalenz<br />

der Religion(en). Religionen sind<br />

nicht »an sich« gut oder schlecht, Frieden<br />

stiftend oder Gewalt schürend, aufgeklärt<br />

oder fundamentalistisch, es gibt<br />

vielmehr beides – in allen Religionen.<br />

Raimon Panikkar, ein Brückenbauer zwischen<br />

den Religionen, formulierte diesen<br />

Gedanken so: »Religionen können das<br />

Beste im Menschen hervorbringen – und<br />

das Schlechteste.« Das vor allem sollten<br />

Schüler lernen: Sie sollten dazu ermutigt<br />

und befähigt werden (langfristig – doch<br />

angebahnt werden kann diese Kompetenz<br />

bereits in der <strong>Grundschule</strong>), die Angebote<br />

der Religionen anhand geeigneter<br />

Kriterien (und hier bieten sich als Prüfsteine<br />

die Grund- und Menschenrechte<br />

an) zu überprüfen. Der religionskundliche<br />

Ansatz ist dafür geeigneter als der<br />

konfessionelle.<br />

Der Grundschulverband plädiert in seinem<br />

<strong>aktuell</strong>en »Kursbuch <strong>Grundschule</strong>«<br />

für einen gemeinsamen, überkonfessionellen<br />

Unterricht in einem Lernbereich<br />

»Religion und Ethik«, geht aber davon<br />

aus, dass der konfessionelle RU bis auf<br />

weiteres wohl noch die Regel sein wird.<br />

Es komme nun darauf an, auszuloten,<br />

wie unter diesen Bedingungen das Bestmögliche<br />

in Sachen religiöser und ethischer<br />

Bildung erreicht werden könne. 6)<br />

338.944 Schüler/innen an niedersächsischen <strong>Grundschule</strong>n (2006), davon<br />

sonstige Konfession / ohne Konfession /<br />

evangelisch katholisch islamisch Religion<br />

Religion<br />

187.073 60.617 19.013 12.525 59.716<br />

Für 91.254 Schüler/innen – d. h. für jedes vierte Grundschulkind – gibt es in Niedersachsen<br />

kein angemessenes Bildungsangebot im Bereich Ethik / Religion. (Was sagt das<br />

Grundgesetz dazu?)<br />

Die Einführung eines (konfessionellen) Islamunterrichts ist bundesweit über das Stadium<br />

von Modellversuchen bisher kaum hinausgekommen. Doch selbst wenn es gelingt,<br />

dieses Fach einzurichten, werden bei weitem nicht alle Schüler/innen mit muslimischem<br />

Hintergrund daran teilnehmen: weil sie von strenggläubigen Eltern in eine »Koranschule«<br />

geschickt werden – oder weil sie gar keine religiösen Muslime (mehr) sind.<br />

Auch ich denke: Das Ziel kann nur<br />

der gemeinsame Unterricht sein. – Die<br />

Forderung nach einem obligatorischen,<br />

d. h. ohne Abmeldemöglichkeit versehenen<br />

Pflichtfach Ethik (wie 2006 in Berlin<br />

eingeführt) wird zwar auch in anderen<br />

Bundesländern deutlich lauter, dürfte<br />

aber derzeit politisch schwer durchsetzbar<br />

sein – jedenfalls dann, wenn sie auf<br />

Kosten des konfessionellen RU gehen<br />

würde.<br />

Man kann aber auch, und dies wäre<br />

mein Vorschlag, für ein Pflichtfach<br />

»Ethik / Religionskunde« votieren,<br />

ohne den konfessionellen RU in seinem<br />

derzeitigen Status zu verändern. In diesem<br />

Fall würde man den EU und den<br />

bekenntnisgebundenen RU als einander<br />

ergänzende (und ggfs. miteinander<br />

kooperierende) Fächer verstehen, der<br />

konfessionelle RU würde hier aber zusätzlich<br />

zum EU erteilt werden. Diese<br />

Option eines Ethik-Pflichtschulfaches<br />

wurde 2007 vom Bundesverfassungsgericht<br />

als mit dem Grundgesetz vereinbar<br />

beurteilt. 7)<br />

Um also nach dem Nein der Kirchen<br />

zum gemeinsamen RU auf dem Weg zur<br />

überfälligen Reform endlich konkret<br />

weiterzukommen, schlage ich, wobei<br />

ich primär den Grundschulbereich im<br />

Blick habe, als zentrale Forderung die<br />

Einführung eines Ethik-Pflichtfaches<br />

vor – und als vorbereitende bzw. flankierende<br />

Maßnahmen die folgenden:<br />

1. Deutliche – d. h. öffentliche – Zurück<br />

weisung der von den Kirchen propagierten<br />

Kritik an Religionskunde und<br />

positive Wertschätzung dieses Ansatzes.<br />

Religionskunde kann und sollte<br />

verstanden werden als Umsetzung einer<br />

wirklichen Religions-Didaktik im Gegensatz<br />

zur theologisch-konfessionellen<br />

Didaktik des herkömmlichen RU. Zwar<br />

liegt eine religionswissenschaftliche<br />

Didaktik erst in Ansätzen (so im Fach<br />

Werte und Normen) vor und noch<br />

kaum für den Grundschulbereich, doch<br />

könnte man hier auf Erfahrungen zurückgreifen,<br />

die andernorts gemacht<br />

wurden: u. a. in England, Wales und<br />

Norwegen wird schon seit vielen Jahren<br />

Fazit: Ethik / Religionskunde – als Pflichtfach – ist ein überzeugendes Reformkonzept<br />

– weil bei Abwägung aller Argumente<br />

dem gemeinsamen Unterricht die<br />

höchste Priorität eingeräumt werden<br />

sollte<br />

– weil der Erwerb einer interkulturellen /<br />

interreligiösen Kompetenz (»die Befähigung,<br />

mit Menschen anderer Religionen<br />

und Weltanschauungen friedlich<br />

zusammenzuleben«) heute vordringlich<br />

ist<br />

– weil Schüler/innen (auch) im Rahmen<br />

dieses Modells zusätzlich einen konfessionellen<br />

RU besuchen können<br />

– weil ein Pflicht-Ethikfach laut Beschluss<br />

des Bundesverfassungsgerichts mit<br />

dem Grundgesetz vereinbar ist<br />

Erste konkrete, vom Grundschulverband<br />

(u. a.) zu initiierende bildungspolitische<br />

Maßnahmen könnten sein:<br />

●●<br />

Durchführung einer groß angelegten<br />

Elternbefragung im Blick auf ein Pflichtfach<br />

Ethik / Religionskunde. (Laut Umfragen<br />

halten ca. 70 Prozent der Eltern religiöse<br />

Bildung für wichtig, nicht aber die<br />

konfessionelle Trennung im RU.)<br />

●●<br />

Öffentlichkeitsarbeit / gezielte Medienkampagnen<br />

(Berlin 2009 hat gezeigt, dass<br />

eine Debatte über »Religion und Ethik«<br />

mobilisieren kann)<br />

●●<br />

Das Einfordern von Unterstützung<br />

durch Parteien und Verbände (u. a. Grüne,<br />

Linke, große Teile der SPD; Grundschulverband,<br />

GEW, Ethik-Fachverbände, nicht<br />

zuletzt: Elternvertretungen)<br />

●●<br />

Zum Problem (noch) fehlender Lehrkräfte:<br />

Evtl. könnte »Ethik / Religionskunde«<br />

zunächst von – weitergebildeten –<br />

Klassenlehrer/innen und/oder von den<br />

RU-Lehrkräften unterrichtet werden, die<br />

bisher schon (!) überwiegend religionskundlich<br />

arbeiten<br />

Diese Vorschläge verstehe ich als noch<br />

zu konkretisierende Anregungen, die vor<br />

allem auf eines abzielen: dass in Sachen<br />

Reform, über deren Notwendigkeit längst<br />

weithin Einigkeit besteht, sich auch politisch<br />

endlich etwas bewegt.<br />

18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Thema: Kinder und Religion(en)<br />

religionskundlich unterrichtet; auch in<br />

der Schweiz ist Religionskunde auf dem<br />

Vormarsch (neue Fächer »Religion und<br />

Ethik« bzw. »Religion und Kultur«.)<br />

2. Da Religionskunde als Teilbereich<br />

des EU gilt, müssen Reformbemühungen<br />

auf eine Verbesserung der insgesamt<br />

noch immer unbefriedigenden<br />

Situation dieses Schulfaches gerichtet<br />

sein. Ethik muss endlich flächendeckend<br />

als ein ordentliches, gleichwertiges<br />

Unterrichtsfach etabliert werden.<br />

Die den EU abwertende Ersatzfachkonstruktion,<br />

in den alten Bundesländern<br />

noch die Regel, muss aufgegeben, die<br />

Benachteiligung im Vergleich zum RU<br />

muss beendet werden. Es geht nicht an,<br />

dass Ethik-Lehrpläne von Fachfremden<br />

erstellt, für ausgebildete Ethiklehrer<br />

jahrzehntelang keine Planstellen bereit<br />

gestellt werden, es ist inakzeptabel,<br />

wenn dieses Fach überwiegend von<br />

konfessionell gebundenen Religionslehrkräften<br />

erteilt wird – so die Kritik<br />

des niedersächsischen Fachverbandes.<br />

3. Die Ausbildung von Ethik-Lehrkräften<br />

im Bereich Religionskunde<br />

muss – durch eine Aufwertung des Moduls<br />

Religionswissenschaft – verbessert<br />

werden, und Religionskunde muss im<br />

EU einen angemesseneren Platz bekommen.<br />

Vor allem in den neuen Bundesländern<br />

und in Berlin steht der religionskundliche<br />

Bereich in der Gefahr, in<br />

unzulässiger Weise marginalisiert und<br />

auf Religionskritik reduziert zu werden<br />

– erklärbar, wenn auch inakzeptabel,<br />

als Nachwirkung von 40 Jahren atheistischer<br />

Erziehung in der DDR.<br />

4. Die aus Grundschulsicht zentrale<br />

Forderung: EU muss flächendeckend an<br />

<strong>Grundschule</strong>n ab der 1. Klasse eingeführt<br />

werden. In sechs Bundesländern<br />

ist das Fach noch nicht an <strong>Grundschule</strong>n<br />

etabliert. Wie groß jedoch der Bedarf<br />

ist, zeigt das Beispiel Niedersachsens<br />

(vgl. Tabelle auf S. 18): 8)<br />

5. Entscheidend wichtig im Blick auf<br />

die Einführung von EU an <strong>Grundschule</strong>n<br />

ist die Information der Eltern (und<br />

der bildungspolitisch interessierten Öffentlichkeit)<br />

über den Unterschied zwischen<br />

konfessionellem RU und Ethik/<br />

Religionskunde. – Wenn Eltern ihr<br />

Kind an einer <strong>Grundschule</strong> anmelden,<br />

ist ihnen in der Regel nicht bewusst<br />

bzw. bekannt, dass im RU eigentlich<br />

nicht das »drin ist« was auf dem Stundenplan<br />

»drauf steht«: dass es dort nicht<br />

um Orientierungswissen über Religion<br />

geht, sondern um die Einführung in ein<br />

kirchliches Bekenntnis, dessen Inhalt<br />

den Kindern nicht nur nahe gebracht<br />

und erklärt, sondern ausdrücklich »als<br />

bestehende Wahrheit vermittelt« werden<br />

soll. 9)<br />

Anmerkungen<br />

(1) G. Laudert-Ruhm: Religion gemeinsam<br />

lernen. Anstoß zu einer überfälligen Reform.<br />

Düsseldorf 2009.<br />

(2) G. Otto, in J. Lott (1992): Religion –<br />

warum und wozu in der Schule. Weinheim,<br />

S. 360f.<br />

(3) J. Kunstmann (2010): Rückkehr der<br />

Religion. Gütersloh, S. 100, S. 115.<br />

(4) A. Treml: Ethik als Unterrichtsfach (1994);<br />

www.schulfach-ethik.de<br />

(5) www.fachverband-werte-und-normen.de<br />

(6) H. Bartnitzky u. a. (Hrsg.) (2010):<br />

Kursbuch <strong>Grundschule</strong>. Grundschulverband,<br />

Frankfurt, S. 733 – 773.<br />

(7) BverfG, 1 BvR 2780/06 vom 15. 3. 2007<br />

(8) Zur Situation des EU in der BRD. Bericht<br />

der KMK vom 22. 2. 2008.<br />

(9) Urteil des BVerfG vom 25. 2. 1987<br />

(BVerfGE Bd. 74, 244f.).<br />

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GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

19


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

Andrea Pahl<br />

Kinder brauchen Religion<br />

… Ester besorgte einen Koffer als Sarg. Den Hasen tauften wir auf den Namen<br />

Ferdinand Axelsson und er bekam ein Kissen und eine karierte Decke. »Und<br />

jetzt begibst du dich auf die ewige Reise«, sagte Ester. Putte weinte. »Und ich?<br />

Krieg ich auch ein Kissen, wenn ich tot bin?« »Ja, wenn du tot bist, kriegst du ein<br />

Kissen«, sagte Ester. »Kuscheldecke?« »Jäpp, die Schmusedecke auch.« »Mein<br />

Kaninchen?« »Wär’ schade drum. Nimm lieber den Teddy.« »Darf ich Essen<br />

mitnehmen?« »Na klar! Kuchen und Kekse und Saft, wie du willst!« »Na dann«,<br />

sagte Putte und hörte auf zu weinen …<br />

(Zitat aus: Die besten Beerdigungen der Welt)<br />

Dieses Buch habe ich entdeckt, als<br />

ich vor der Überlegung stand,<br />

wie ich meinem vierjährigen<br />

Sohn den plötzlichen Tod seines Opas<br />

erklären sollte. Neben den Emotionen,<br />

die einfach da sind und nicht immer erklärt<br />

werden müssen, hatte mein Sohn<br />

zahlreiche ganz praktische Fragen. Ich<br />

verfüge nicht über einen selbstverständlichen<br />

religiösen Hintergrund und komme<br />

bei diesen Fragen immer an eigene<br />

Grenzen. In dem Kinderbuch langweilen<br />

sich zwei Kinder und beschließen, nachdem<br />

sie eine tote Hummel gefunden haben,<br />

Beerdigungen zu spielen. Sie begraben<br />

im Laufe eines Tages alle möglichen<br />

toten Tiere, die sie finden, geben diesen<br />

Namen und schreiben immer ein schönes<br />

Beerdigungsgedicht. Am nächsten<br />

Tag spielen sie dann etwas ganz anderes.<br />

Dieses Buch beschäftigt sich mit dem<br />

Thema Tod auf eine sehr kindgemäße<br />

Andrea Pahl<br />

wissenschaftliche Mitarbeiterin im<br />

Projekt »Eine Welt in der Schule« und<br />

seit 1989 im Bereich von Lehrerfortbildungen,<br />

Unterrichtserprobungen<br />

und Cross-Culture-Trainings tätig;<br />

Fachreferentin des Grundschulverbandes<br />

für »Schule in der einen<br />

Welt«<br />

Weise, bringt einen zum Lachen, aber<br />

auch zum Nachdenken und Mitfühlen.<br />

Kinder haben beim Aufwachsen viele<br />

Fragen. Fragen, die ihnen nicht in den<br />

Mund gelegt werden, sondern Fragen,<br />

die durch ihre aufmerksame Teilnahme<br />

am Leben täglich entstehen. Jeder,<br />

der seinen Alltag mit Kindern teilt, sei<br />

es privat oder in der Schule, kennt diese<br />

Fragehaltung. In der Familie gibt es den<br />

Vorteil, dass die Themen nicht vorgegeben<br />

sind, Kinder also spontaner, ihren<br />

Bedürfnissen entsprechend fragen. Die<br />

Antworten werden auch nicht irgendwann<br />

wieder abgeprüft. Eltern sind somit<br />

ständig mit Fragen konfrontiert, da<br />

Kinder ununterbrochen damit beschäftigt<br />

sind, die Welt zu verstehen.<br />

Kinder fragen:<br />

●●<br />

Wer bin ich? Wo komme ich her? Wer<br />

darf ich sein?<br />

●●<br />

Warum muss ich sterben? Wo komme<br />

ich dann hin? Wie komme ich dahin?<br />

Sehe ich die Toten (Menschen oder<br />

Tiere) irgendwann wieder?<br />

●●<br />

Warum soll ich zu anderen nett,<br />

freundlich, gerecht etc. sein?<br />

●●<br />

Warum glauben andere Menschen<br />

etwas anderes als wir? Warum feiern sie<br />

andere Feste? Warum haben sie andere<br />

Gebote / Verbote?<br />

Der Bogen zur Religion ist da schnell<br />

gespannt. Je nach dem eigenen Weltverständnis<br />

werden die Eltern, andere Erwachsene<br />

oder auch Lehrerinnen und<br />

Lehrer auf diese Fragen der Kinder reagieren<br />

(müssen).<br />

Die Mehrheit der Erwachsenen beantwortet<br />

die Frage nach ihrem Verhältnis<br />

zur Religion in unserem Land<br />

noch positiv. Wenn es aber konkret um<br />

den Glauben an Gott, an Engel oder das<br />

regelmäßige Zelebrieren bestimmter<br />

Rituale geht, wird die Reaktion deutlich<br />

verhaltener. Früher war das ganz einfach!<br />

Die Eltern waren katholisch oder<br />

evangelisch. An hohen Fest- und Feiertagen<br />

wurde der Gottesdienst besucht.<br />

Kinder gingen zum Religionsunterricht<br />

und feierten dann die Konfirmation<br />

oder Firmung. Wann war das? Viele Eltern<br />

heutiger Kinder haben das schon<br />

anders erlebt und es gibt viel mehr Eltern<br />

/ Kinder, die aus ganz anderen Kulturkreisen<br />

dazugekommen sind. Wie<br />

kann man aber Kindern die Religion<br />

näher bringen, wenn man selber nur<br />

sehr diffuse Vorstellungen davon hat?<br />

Klassische Beispiele sind die Feste<br />

Weihnachten und Ostern. Wie war das<br />

schön, als da alle noch einer Meinung<br />

waren, warum wir das feiern und vor<br />

allem, was wir darüber den Kindern<br />

erzählen. Kommt zu Weihnachten der<br />

Weihnachtsmann oder das Christkind<br />

oder bringen Eltern die Geschenke?<br />

Warum wird eine Krippe aufgebaut, und<br />

wer ist Jesus, von dem die meisten das<br />

ganze Jahr nicht viel hören. Plötzlich gibt<br />

es auch Engel in Scharen. Was machen<br />

die den Rest des Jahres? Für Kinder sind<br />

Engel noch etwas Schönes und die Vorstellung<br />

von einem Schutzengel beruhigend.<br />

Erwachsene sehen das auch so,<br />

scheuen sich aber oft, auf Fragen danach<br />

klar zu antworten. Die Antwort »ich<br />

weiß« ist uns viel lieber als »ich glaube«.<br />

Dabei wissen wir oft viel weniger, als wir<br />

meinen, und glauben viel häufiger, als wir<br />

denken. Noch schwieriger ist das Osterfest.<br />

Der Hase hat die Sache fest im Griff,<br />

und es ist Frühlingsanfang und nicht<br />

mehr so attraktiv, in einer dunklen Kirche<br />

zu verschwinden. Alle wollen raus,<br />

Eier suchen, bei gutem Wetter draußen<br />

frühstücken und die freien Tage genießen.<br />

Nur im Fernsehen wird man noch<br />

mit alten Klassikern zum Thema Kreuzigung<br />

konfrontiert, und so merken wenigstens<br />

die Erwachsenen, dass an den<br />

Ostertagen mehr war als goldene Hasen.<br />

Wächst man in einem christlichen Umfeld<br />

auf, sind die religiösen Bezüge an<br />

den Feiertagen natürlich vorhanden, die<br />

Eltern müssen sich aber damit auseinandersetzen,<br />

dass ihre Kinder bemerken,<br />

20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

dass andere nur Geschenke bekommen<br />

und Eier suchen. Die Frage: »Warum<br />

machen wir das so?« will also auch von<br />

diesen Eltern kindgemäß beantwortet<br />

sein. »Weil wir das schon immer so gemacht<br />

haben« ist keine Antwort, die lange<br />

zufrieden stellt.<br />

Kinder haben ein großes Bedürfnis<br />

und ein Recht darauf, die Welt zu erkennen<br />

und ihren Platz darin zu finden.<br />

Gleichzeitig müssen sie heute schon früh<br />

mit Veränderungen in ihrer Lebenswelt<br />

fertig werden (Trennungen der Eltern,<br />

Wegzug an neue Arbeitsorte durch die<br />

Eltern, Wegzug von Freunden / Spielgefährten,<br />

neue Bezugspersonen, Menschen<br />

aus anderen Kulturen und / oder anderen<br />

Glaubensrichtungen). Kinder erleben somit<br />

sehr früh unterschiedliche Lebensformen,<br />

Werte und Religionen bei gleichzeitig<br />

zunehmender Verunsicherung der<br />

Erwachsenen in ihrer Umgebung über<br />

den eigenen religiösen Hintergrund.<br />

Welchen Beitrag kann die Schule<br />

zu diesen Fragen leisten?<br />

Grundsätzlich gibt es natürlich in den<br />

Lehrplänen aller Bundesländer für die<br />

<strong>Grundschule</strong> den Bereich Religion bzw.<br />

Ethik. Was dabei genau im Unterricht<br />

umgesetzt wird, ist sicher gerade in diesem<br />

Bereich stark von den jeweiligen<br />

Bedingungen an den konkreten Schulen<br />

abhängig. Im Gegensatz zu Schulen<br />

mit christlich geprägter Pädagogik, die<br />

einen eindeutigen Akzent auf die Herausbildung<br />

kollektiver religiöser Identität<br />

setzen, legt die Pädagogik an öffentlichen<br />

Schulen mehr Gewicht auf das<br />

Individuum und seine persönliche Pluralismus-Kompetenz.<br />

Aus der Sicht des<br />

»Globalen Lernens« wäre das Streben<br />

nach einer Werte-Grundlage, die religiös<br />

und weltanschauungsübergreifend<br />

für alle gelten muss, wünschenswert,<br />

die im Alltag nicht an Religionsgrenzen<br />

halt macht. Auch aus pädagogischer<br />

Sicht spricht vieles für einen gemeinsamen<br />

Unterricht aller Kinder zu Themen<br />

der Religion / Ethik oder zumindest für<br />

eine enge Zusammenarbeit der evtl.<br />

getrennten Religionsunterrichte. Dadurch<br />

würde der vielfältige Alltag der<br />

Kinder in diesem Bereich aufgenommen<br />

werden und sie lernen das Pendeln<br />

zwischen Eigenem, Gemeinsamem und<br />

Anderem auszuhalten und ihren eigenen<br />

Weg dabei zu finden.<br />

Auch Eltern, die keine Religionszugehörigkeit<br />

für ihr Kind wünschen, wollen<br />

es in der Regel befähigen, ethisch geleitete<br />

Entscheidungen zu treffen. Dazu<br />

gibt es Lebensregeln, die ihre Wurzeln<br />

in unserer Kultur und in den zehn Geboten<br />

haben, trotzdem aber keiner konkreten<br />

Konfession zuzuordnen sind:<br />

●●<br />

Richte dich nach Werten, die deine<br />

und die Würde anderer Menschen achten<br />

●●<br />

Erkenne die Freiheit als menschliches<br />

Grundrecht an<br />

●●<br />

Sei zuverlässig<br />

●●<br />

Respektiere deine Familie<br />

●●<br />

Nimm dein Leben in die Hand und<br />

erfülle es mit Sinn<br />

●●<br />

Achte das Leben von Tieren und<br />

Pflanzen<br />

●●<br />

Stehle nicht<br />

●●<br />

Lüge nicht<br />

●●<br />

Bemühe dich um Liebe und Vertrauen<br />

zu anderen<br />

●●<br />

Sei dankbar für das, was du hast<br />

Diese ethischen Lebensregeln wird man<br />

in fast allen Religionen / Kulturen dieser<br />

Welt wiederfinden. Neben diesen<br />

Grundsätzen sollten die Kinder über<br />

Feste und Feiertage eingebettet sein in<br />

die Jahreszeiten, den Jahreskreislauf.<br />

Das gibt ihnen Sicherheit und Geborgenheit<br />

durch einen zuverlässig wiederkehrenden<br />

Rhythmus. Gleichzeitig<br />

können sie erkennen, dass in anderen<br />

Teilen der Welt, mit evtl. anderen Jahreszeiten,<br />

sich Religionen und ihre Feste<br />

anders entwickelt haben.<br />

Sehr sinnvoll ist das gemeinsame<br />

Feiern von Festen, natürlich ohne Konsum-<br />

und Geschenkorgien. Wichtiger<br />

ist die gemeinsame Vorbereitung: das<br />

Einüben von Liedern und Geschichten<br />

zum Vorspielen, das Schreiben von Einladungen<br />

an Verwandte und Freunde,<br />

das Herstellen spezieller Speisen, die<br />

nur zu diesem Fest gereicht werden. Auf<br />

diese Weise können Kinder gemeinsam<br />

Feste feiern, die sie aus ihrer eigenen<br />

Familie vielleicht gar nicht so kennen,<br />

bzw. deren Tradition ihnen in ihren<br />

Familien nicht mehr vorgelebt wird.<br />

Nichts fördert den Respekt für andere<br />

Kulturen und Religionen mehr, als gemeinsam<br />

zu feiern.<br />

Unterrichtsbeispiel<br />

»Schöpfungsgeschichten«<br />

Wie der Umgang mit dem Thema »Religion«<br />

in der Schule aussehen könnte,<br />

soll hier am Beispiel »Schöpfungsgeschichten«<br />

exemplarisch vorgestellt<br />

werden.<br />

Auf einer Lehrerfortbildungstagung<br />

des Projektes »Eine Welt in der Schule«<br />

zum Thema »Religion« hat die Teilnehmerinnen<br />

und -teilnehmer aus dem<br />

Bereich der <strong>Grundschule</strong> die inhaltliche<br />

Auseinandersetzung mit den Schöpfungsmythen<br />

sehr gefesselt.<br />

Seit eh und je hat die Menschen die<br />

Frage nach dem Ursprung der Welt in<br />

all seinen Erscheinungsformen bewegt.<br />

Die Fragen: Wo kommt alles her? Wo<br />

geht alles hin? Wie hat es angefangen?<br />

Wer schuf die Welt? sind Fragen aller<br />

Völker und Kulturen. Die Antworten,<br />

die sie gefunden haben, beinhalten zwei<br />

Gemeinsamkeiten: Den Versuch, das<br />

Wunder der Schöpfung in Worten und<br />

Bildern zu erklären, und die Notwen-<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

21


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

Die Schöpfungsgeschichte<br />

der Christen<br />

Das ist die glühende Sonne, die<br />

der Erde Wärme und Licht schickt.<br />

Gott erschafft die tollen Vögel<br />

und die blauen Wolken.<br />

Gott erschafft viele glückliche Tiere.<br />

Gott erschafft die wunderschönen<br />

Pflanzen und Bäume.<br />

Gott hat das wunderbare Leben<br />

unter Wasser geschaffen.<br />

Gott erschafft die ersten Menschen.<br />

Sie heißen Adam und Eva.<br />

Nun ist die Erde wunderschön.<br />

digkeit, diese Schöpfung zu bewahren.<br />

Dieses Unterrichtsvorhaben sollte nicht<br />

nur auf die Vermittlung des christlichen<br />

Schöpfungsgedankens beschränkt<br />

werden. Die eigene Kultur und Religion<br />

zu verstehen, wird im Vergleich zu anderen<br />

immer vertieft. Über die Auseinandersetzung<br />

mit dem vermeintlich<br />

»fremden« Inhalt gelingt oft eine Thematisierung<br />

»alltagsphilosophischer«<br />

Fragestellungen und eine Diskussion<br />

über die Werte in der Klasse.<br />

Ein weiteres Anliegen war, die so genannten<br />

Naturreligionen zu thematisieren.<br />

Häufig finden sie nur am Rande<br />

Erwähnung, während die »Weltreligionen«<br />

fast ständig präsent sind.<br />

Viele der Mythen sind recht anspruchsvoll<br />

für Kinder der 1. und 2. Klasse, weil<br />

sie fremdartig wirken und nicht einfach<br />

zu verstehen sind. Allerdings sind die<br />

starken Bilder, die in allen Mythen enthalten<br />

sind, auch schon für diese Altersstufe<br />

verständlich.<br />

Der inhaltliche Umfang kann bei einer<br />

Durchführung im 3. oder 4. Schuljahr<br />

entsprechend erweitert werden, ist<br />

er doch von den Kindern leichter erfassbar.<br />

Man kann in diesen Klassen z. B.<br />

den naturwissenschaftlichen Aspekt<br />

noch stärker betonen.<br />

Folgende Schöpfungsmythen wurden<br />

mit den Kindern erarbeitet:<br />

●●<br />

Christen,<br />

●●<br />

Hindus (Indien),<br />

●●<br />

Aborigines (Australien),<br />

●●<br />

Yoruba (Nigeria),<br />

●●<br />

Indios<br />

Wichtig ist, dass sich eine objektive<br />

Bewertung bezüglich des »Wahrheitsgehalts«<br />

einer Mythe von vornherein<br />

verbietet. Glauben ist eine Glaubenssache<br />

und damit immer etwas Subjektives.<br />

Es gibt sie nicht, »die einzig wahre<br />

Schöpfungsmythe«. So ist der Ursprung<br />

vieler Mythen meist eine mündliche<br />

Überlieferung, die man inzwischen<br />

zwar häufig niedergeschrieben hat, die<br />

es aber in zahlreichen Variationen gibt.<br />

Je nach Quelle kann daher ein und dieselbe<br />

Mythe im Detail voneinander abweichen.<br />

Außerdem sind in einigen Gegenden<br />

(z. B. in den [Sub-] Kontinenten<br />

Australien und Indien) unterschiedliche<br />

Mythen bekannt, so dass man nicht<br />

von »der« Schöpfungsmythe schlechthin<br />

sprechen kann.<br />

Geschichten von der Kostbarkeit<br />

der Erde – ein kurzer Einblick in den<br />

Unterrich t in einem 2. Schuljahr<br />

»Schöpfungsgeschichten erzählen in<br />

Bildern und Wörtern etwas Unbeschreibbares.«<br />

So lautete die Leitidee<br />

dieses Unterrichtsvorhabens in einem<br />

2. Schuljahr. Über einen Zeitraum von<br />

fünf Wochen malten und beschrieben<br />

die Kinder ihre Bilder von der Schöpfung,<br />

erfuhren von den Bildern anderer<br />

Kulturen und gaben ihnen ihre künstlerische<br />

Gestalt. Gemeinsam spürten<br />

wir, wie kostbar uns und den Menschen<br />

anderen Glaubens gleichermaßen diese<br />

Erde ist. So lag der Schwerpunkt der<br />

Einheit auf künstlerischem Gebiet.<br />

Durch eine vielfältige kreative Umsetzung<br />

der Geschichten konnten die<br />

Kinder eine Ahnung davon gewinnen,<br />

wie groß die Bedeutung der Schöpfung<br />

in den verschiedenen Glaubenssystemen<br />

ist. Nach einer intensiven Einstiegsphase<br />

beschäftigten sich die Kinder mit den<br />

Schöpfungsgeschichten der Christen,<br />

der Yoruba (einem afrikanischen Volk)<br />

und der Aborigines.<br />

1. Baustein: Vom Anfang der Welt<br />

»Stellt euch vor, wie viel weniger unser<br />

Leben bedeuten würde, wenn wir uns<br />

nicht an der Schönheit der Natur erfreuen<br />

könnten – am Leben der Tiere,<br />

an der Größe und dem Geheimnis der<br />

Berge, an der gewaltigen Ausdehnung<br />

und der Ruhe des Ozeans. (…)« Diese<br />

Worte stellte der Dalai Lama einer<br />

Sammlung von Schöpfungsgeschäften<br />

in einem Buch voran (»Die Regenbogenschlange«).<br />

Die Kinder richteten einen<br />

»Schöpfungstisch« ein, für den sie<br />

täglich »Wunder der Erde« (Formulierung<br />

der Kinder) mitbrachten und der<br />

Klasse erläuterten.<br />

2. Baustein: Die Schöpfungsgeschichte<br />

der Christen<br />

Naturgemäß ist den meisten Kindern<br />

diese Schöpfungsgeschichte vertraut. So<br />

stieg ich gleich mit der Diareihe »Gott<br />

erschafft die Welt« ein mit dem Auftrag<br />

an die Kinder, Bildstationen zu formulieren,<br />

die anschließend in künstlerisches<br />

Tun umgesetzt werden sollten.<br />

Neben der Diareihe eignen sich auch<br />

die wunderschönen Bilderbücher von<br />

Helga Hornung oder Jane Ray als Ausgangspunkt<br />

der Arbeit. In Gruppen zu<br />

22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

je drei Kindern entstanden nun auf großem<br />

Format acht verschiedene Bilder<br />

zu je einem Teil der christlichen Schöpfungsgeschichte.<br />

Jede Gruppe formulierte<br />

abschließend einen erklärenden<br />

Satz zu ihrem Bild; beides bildete nun<br />

neben der groß formulierten Leitidee<br />

den ersten farbenfrohen Teil der Klassenwand<br />

zum Thema.<br />

Darüber hinaus vertieften die Kinder<br />

die Gedanken durch die Beschäftigung<br />

mit den Texten aus »Neles Buch der<br />

großen Fragen – Eine Entdeckungsreise<br />

zu den Geheimnissen des Lebens«: »Vor<br />

dem Anfang war nichts«, »Wer denkt<br />

die Welt«, »Meine kleine Geschichte<br />

vom Anfang der Welt«.<br />

Sicher eher für ältere Kinder gedacht,<br />

können Neles Gedanken auch schon<br />

8-Jährige berühren.<br />

3. Baustein: Die Schöpfungsgeschichte<br />

der Yoruba<br />

Die Schöpfungsgeschichte der Yoruba,<br />

ein Volk im Südwesten Nigerias,<br />

ist nicht nur für Kinder schwer zu verstehen,<br />

sondern verlangt auch von Erwachsenen<br />

einige Konzentration. So<br />

bekamen die Kinder den Text mit dem<br />

Auftrag in die Hand, lediglich die Tiere<br />

und Pflanzen zu notieren, die in dieser<br />

Geschichte genannt werden.<br />

Die Lehrerin hatte aus dem Text fünf<br />

klar zu beschreibende Stationen herausgegriffen.<br />

Im anschließenden Gespräch<br />

war sie erstaunt, dass die Kinder doch<br />

mehr verstanden hatten als zunächst<br />

angenommen. Gemeinsam füllten die<br />

Kinder die sehr fremdartigen Bilder<br />

mit Leben, skizzierten sie an der Tafel<br />

und schrieben zu jeder Station einen<br />

geeigneten Satz. Nach dieser Vorarbeit<br />

konnte sich jedes Kind eine Station<br />

aussuchen, die es mit Jaxonkreiden auf<br />

einem DIN-A5-Blatt gestaltete, wobei<br />

die Bedingung war, dass keine Station<br />

fehlte.<br />

Am nächsten Tag erzählten die Kinder<br />

anhand der Bilder und Sätze die<br />

Schöpfungsgeschichte. Unter der Überschrift<br />

»Yoruba« bildeten diese Werke<br />

nun den 2. Teil unserer Wand.<br />

4. Baustein: Die Schöpfungsgeschichte<br />

der Aborigines<br />

Da die Klasse die »Känguruklasse« ist<br />

und schon im 1. Schuljahr viel über die<br />

Menschen und die Natur in Australien<br />

erfahren hat, war dieser Baustein<br />

emotional besonders bedeutsam für die<br />

Kinder.<br />

Als Einstieg lief Musik der Aborigines,<br />

es herrschte eine meditative Stille<br />

im Klassenraum, die Kinder schlossen<br />

die Augen und ließen Bilder vor ihrem<br />

geistigen Auge entstehen, während die<br />

Lehrerin zur Musik eine Schöpfungsgeschichte<br />

vorlas. Diese hatte sie aus mehreren<br />

Vorlagen zusammengestellt, damit<br />

sie für die Kinder verständlich war.<br />

Es schlossen sich zwei Sportstunden<br />

an, in denen sie die Geschichte im szenischen<br />

Spiel umsetzten. Daraus entstand<br />

die Idee, die Schöpfungsgeschichte<br />

in der Theater-AG zu proben und bei<br />

unserem Klassenausflug vorzuspielen.<br />

Die Beschäftigung mit den Schöpfungsgeschichten<br />

der verschiedenen Religionen<br />

hat nicht nur die Kinder, sondern<br />

auch die Lehrerin in ihrer Fremdartigkeit<br />

und Vielfalt fasziniert. Das intensive<br />

Nachdenken über die Schöpfung ließ<br />

alle Beteiligten die Kostbarkeit der Natur<br />

neu erleben.<br />

Die tägliche Runde am Schöpfungstisch<br />

ermöglichte Momente des Innehaltens,<br />

der Ruhe und des Nachdenkens<br />

über die Geheimnisse des Lebens;<br />

Gedankenräume, die im normalen<br />

Unterrichtsalltag oft zu kurz kommen.<br />

Beeindruckend war für die Kollegin die<br />

Fülle und Tiefe der Gedanken 8-jähriger<br />

Kinder, ausgelöst durch die Beschäftigung<br />

mit dem Text des Dalai Lama.<br />

Die philosophischen Betrachtungen der<br />

Kinder berührten und bereicherten sie<br />

persönlich. Diese Erfahrung veranlasste<br />

die Lehrerin in der Folge, regelmäßig<br />

philosophische Fragestellungen mit<br />

Hilfe der Mappe »Sterben Äpfel auch?«<br />

im Unterricht zu erörtern.<br />

(ausführliche Darstellung des Unterrichtsbeispiels<br />

in Heft 3/2004 »Eine Welt in der<br />

Schule«)<br />

Literatur<br />

Jooß, E. (1998): Kinder des Himmels und der<br />

Erde. München: Ellermann Verlag.<br />

Nilsson, U. / Eriksson, E. (2009): Die besten<br />

Beerdigungen der Welt. Frankfurt / M.:<br />

Moritz Verlag.<br />

Oberthür, R. (2002): Neles Buch der großen<br />

Fragen. München: Kösel Verlag.<br />

Schweitzer, Fr. (2000): Das Recht des Kindes<br />

auf Religion. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.<br />

Die Schöpfungsgeschichte<br />

der Yoruba (Nigeria)<br />

Die Götter schaukeln auf<br />

Spinnenweben in der Nacht.<br />

Das Chamäleon prüft die Erde.<br />

Oduduwa wirft Erde auf das<br />

Wasser und lässt das Huhn die<br />

Erde zusammenscharren.<br />

Dann säte Oduduwa Bäume<br />

und andere Pflanzen auf die Erde.<br />

Der Obergott Oloru haucht den Atem<br />

in die Nase des Menschen ein.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

23


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

Religionslehrer/in – im 21. Jahrhundert?<br />

Erfahrungen mit dem Religionsunterricht heute<br />

Religionsunterricht an <strong>Grundschule</strong>n wird per Gesetz in den meisten Bundesländern<br />

immer noch als konfessionell gebunden katholisch und evangelisch erteilt.<br />

Für den katholischen Unterricht (und somit auch für den Religionslehrer) bedeutet<br />

das für die konkrete Umsetzung: Die katholische Kirche ist für den Inhalt<br />

und die Durchführung des Unterrichts verantwortlich. Katholische Religionslehrer<br />

unterrichten auf der Basis ihres eigenen Bekenntnisses und der<br />

kirchlichen Sendung (missio canonica). Sie sollen den Kindern den Weg zum<br />

Glauben aufzeigen.<br />

Konfessioneller Religionsunterricht soll nicht nur das Wissen ansprechen, sondern<br />

auch die emotionale Frage nach Gott, der Lehre der Kirche und dem Leben<br />

im Glauben. Der Lehrer muss sich mit dem, was er lehrt, identifizieren und<br />

deutlich machen, dass er seine Religion auch in seinem eigenen Leben wirklich<br />

lebt.<br />

Laut Grundgesetz kann zwar niemand<br />

zum konfessionsgebundenen<br />

Unterricht gezwungen<br />

werden, allerdings sind Kinder mit<br />

Konfessionszugehörigkeit erst einmal<br />

dem jeweiligen religiösen Pflichtfach<br />

zugeteilt. Nur eine Entbindung durch<br />

die Eltern, später mit Zustimmung des<br />

Kindes, kann die Teilnahme am Religionsunterricht<br />

aussetzen.<br />

Solche Kinder, die nicht am konfessionell<br />

gebundenen Unterricht teilnehmen,<br />

könnten im ökumenischen<br />

Unterricht aufgefangen werden. Dieser<br />

neutrale Unterricht hat aber nicht die<br />

Aufgabe, das christliche Menschenbild<br />

und die christliche Lebensgemeinschaft<br />

in den Mittelpunkt zu stellen. Die Kirche<br />

geht davon aus, dass er daher ein<br />

unzureichendes Bildungsangebot für<br />

die Kinder darstellt.<br />

Die Vorgehensweisen der Umsetzung<br />

gehen in den einzelnen Bundesländern<br />

allerdings stark auseinander.<br />

Haben sich einige Bundesländer gegen<br />

den konfessionellen Unterricht ausgesprochen,<br />

werden in anderen Bundesländern<br />

entweder evangelischer Unterricht<br />

mit interreligiöser Ausrichtung,<br />

katholischer oder beide Konfessionen<br />

als Unterricht angeboten. Hier werden<br />

die Kinder in den Religionsstunden<br />

aus ihrem Klassenverband getrennt mit<br />

denen der Parallelklassen gemischt unterrichtet.<br />

Konfessionslose Kinder oder<br />

solche einer anderen Religion werden<br />

separat unterrichtet. Auch hier gibt es<br />

je nach Bundesland unterschiedliche<br />

Formen der Umsetzung. Diese reichen<br />

vom Ethikunterricht über Philosophie<br />

bis hin zu versteckten Ausländerförderstunden<br />

hin.<br />

Häufiger ist es aber auch an der Tagesordnung,<br />

dass alle Kinder ohne Religion<br />

und solche, die weder katholisch<br />

noch evangelisch sind, im Unterricht<br />

sitzen und sich still beschäftigen oder<br />

die Schule früher verlassen dürfen, falls<br />

kein Ersatzunterricht stattfindet. Denn<br />

nicht immer stehen Lehrerkapazitäten<br />

für einen »Ersatzunterricht« zur Verfügung.<br />

Diese Situation ist für die meisten<br />

Eltern, Kinder und Lehrer nicht wirklich<br />

befriedigend. Denn auch konfessionslose<br />

Kinder haben Interesse und ein<br />

Recht darauf, etwas über die Religionen<br />

unserer Welt, deren geschichtliche Entwicklung<br />

und Hintergründe zu erfahren.<br />

Auch ethische und moralische Anschauungen,<br />

die im Religionsunterricht<br />

ihren Platz finden, sind für alle jungen<br />

Menschen interessant und wichtig –<br />

völlig unabhängig davon, ob religiös geprägt<br />

oder ungläubig.<br />

Allen Kindern gerecht werden –<br />

auch wenn es um Religion geht!<br />

Die Frage ist jedoch, ob dies an eine<br />

gläubige Ausrichtung gekoppelt sein<br />

muss oder das herkömmliche Modell<br />

des konfessionellen Unterrichtens aufgebrochen<br />

werden sollte.<br />

Religion sollte im Schulunterricht<br />

Platz finden. Denn Kinder wollen wissen,<br />

was Religion ist, warum Menschen<br />

sie leben und was die Hintergründe all<br />

dessen sind. Junge Menschen wollen<br />

sich große Fragen stellen und diese mit<br />

ihren direkten Mitmenschen – also ihren<br />

Mitschülern – diskutieren. Allerdings<br />

stellen sich Kinder hierbei nicht<br />

die Frage, welche Religion der Mitdiskutierende<br />

hat.<br />

Schüler können gemeinsam etwas<br />

über Religionen lernen und das auf besonders<br />

natürliche Weise, wenn sie es<br />

im alltäglichen Umgang mit ihren Mitschülern,<br />

die eventuell eine andere Konfessionszugehörigkeit<br />

haben, erfahren.<br />

Die Heterogenität unserer Gesellschaft<br />

spiegelt sich besonders in Brennpunktschulen<br />

in hohem Maße. Katholiken,<br />

Protestanten, Muslime und Konfessionslose<br />

lernen Tag für Tag gemeinsam<br />

und das 98 % des Schulmorgens.<br />

Daher lautet die einfache Frage: »Was<br />

kann ich im Religionsunterricht noch<br />

für die Kinder rausholen?« Jede Woche<br />

stelle ich mir die gleiche Frage: Soll ich<br />

die andersgläubigen Kinder jetzt heimschicken?<br />

Die Förderlehrerin, die für<br />

solche Fälle geblockt ist, macht Feuerwehr<br />

in einer anderen Klasse und fällt<br />

24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

somit aus. Arat, Rojan und Samuel machen<br />

immer gerne im Unterricht mit,<br />

sind sehr interessiert und beleben die<br />

Unterrichtsgespräche mit intelligenten,<br />

kritischen und sehr offenen Beiträgen<br />

… Aber dann kann ich keinen katholischen<br />

Religionsunterricht im klassischen<br />

Sinne machen. Die Eltern sind<br />

außerdem gegen eine Teilnahme am<br />

Unterricht.<br />

Über Religion im Allgemeinen kann<br />

ich auch im Regelunterricht sprechen.<br />

Nur nicht über das Gläubigsein und<br />

dessen Ausleben. Geschichtlich kann<br />

ich informieren, jedoch nicht die konfessionelle<br />

Gläubigkeit als Religionslehrer<br />

da prägen, wo es mir das Gesetz<br />

der Andersgläubigen verbietet. In den<br />

nächsten zwei Stunden findet aber Religionsunterricht<br />

statt. Was steht heute<br />

auf dem Plan: Das Thema Licht und<br />

Dunkel. Symboldidaktik. Das ist wichtig<br />

für all meine Schüler. Was nun? Sei<br />

es drum, ich will ja den Kindern gerecht<br />

werden. Und ich werde den Kindern gerecht,<br />

zumindest ansatzweise. Und mit<br />

dieser Ideologie möchte ich meinen Beruf<br />

ausleben, so oft wie irgend möglich.<br />

Allerdings würden die Kirche und ihre<br />

Vertreter wohl ein Problem damit haben,<br />

wie ich mit einer heterogenen Klasse<br />

und deren Unterrichtung umgehe.<br />

Aber meine Devise lautet: Alle Kinder<br />

haben ein Recht auf geschichtliche<br />

Aspekte aller Religionen, genauso wie<br />

ethische, philosophische und moralische<br />

Themenschwerpunkte für jedes<br />

Kind wichtig sind. Ich wüsste nicht,<br />

welches Thema ich wann, für welches<br />

Kind, mit welcher Begründung aussparen<br />

könnte – nicht ohne schlechtes Gewissen<br />

zu haben.<br />

Der Unterricht »verkommt« zum<br />

Ethikunterricht – und das ist gut so!<br />

Meiner Meinung nach ist es kulturgeschichtlich<br />

für den jungen Menschen<br />

wichtig zu erfahren, was und wer das<br />

Christentum ist. Denn es hat unsere<br />

westliche Welt mitgeprägt, einen Teil<br />

davon mit aufgebaut und ist allein wegen<br />

des Kirchenjahres und dessen Festen<br />

nicht mehr aus unserem tagtäglichen<br />

Leben wegzudenken. Aber die<br />

Betonung liegt meinerseits auf dem kulturgeschichtlichen<br />

Aspekt.<br />

Denn ansonsten ist das, was im Religionsunterricht<br />

an ethischen Normen<br />

und Regeln vermittelt werden soll,<br />

nichts anderes als Ethikunterricht, und<br />

dieser sollte allen Kindern in gleichem<br />

Maße zuteil werden. Dafür müssen<br />

Kinder auch nicht aus ihrem gewohnten<br />

Klassenverband ausgekoppelt werden.<br />

In manch einem Bundesland wird<br />

als Ausgleich und Ersatz für den konfessionellen<br />

Religionsunterricht allerdings<br />

Philosophie angeboten. Ein<br />

wunderbares Feld, welches auch in der<br />

<strong>Grundschule</strong> bestens aufgehoben ist.<br />

Allerdings ist Philosophie kein Ersatz<br />

für Religion. Hier werden Felder füreinander<br />

als Platzhalter genutzt und andererseits<br />

voneinander abgegrenzt, die<br />

Der moderne Religionslehrer und sein Privatleben – ein persönlicher Kommentar<br />

Das Religionsstudium im Zusammenhang<br />

mit der Ausbildung zum Religionslehrer<br />

schien eine sinnvolle Entscheidung,<br />

da ich in meiner Familie religiös geprägt<br />

wurde und immer davon ausging, gläubig<br />

zu sein, doch ich wurde eines Besseren<br />

belehrt …<br />

Während des Studiums wurden mir dann<br />

die ersten Stolpersteine in den Weg gelegt:<br />

Ein Einführungsseminar, in welchem<br />

wir Studenten darüber aufgeklärt wurden,<br />

dass es sich für uns nicht schickt, mit<br />

einem Partner zusammenzuleben, mit<br />

dem wir nicht verheiratet sind. Erste verlegene<br />

Blicke im Seminarraum machten<br />

mir damals schon bewusst, dass ich nicht<br />

die Einzige im Religionsstudiengang war<br />

und sein werde, die nicht nur einmal anecken<br />

oder etwas verbergen wird. Mit<br />

dem Ende des Studiums kündigte sich<br />

Nachwuchs in meiner eigenen kleinen<br />

Familie an. Nur mit dem Haken, dass es<br />

keine echte Familie war, wenn man sich<br />

nach der katholischen Kirche richtet.<br />

Also wurde schnell geheiratet, zunächst<br />

nur standesamtlich, denn wie soll man<br />

als Noch-Student eine anständige kirchliche<br />

Trauung mit allem Drum und Dran<br />

finanzieren? Doch die vorläufige Mission<br />

für das Referendariat konnte mir natürlich<br />

noch nicht ausgestellt werden. Schriftlich<br />

wurde mir mitgeteilt, dass dies natürlich<br />

unverzüglich geschieht, wenn kirchliche<br />

Trauung und Taufnachweis des Kindes<br />

nachgeliefert werden.<br />

Was blieb also anderes möglich, als<br />

schnellstmöglich zu heiraten und das<br />

Kind taufen zu lassen … Ich möchte an<br />

dieser Stelle ernsthaft in Frage stellen, ob<br />

es für meine Qualität als Religionslehrer<br />

notwendig ist, diesen Schritt zu gehen …<br />

Entmündigt die Kirche den freien Menschen,<br />

Partnerschaften der modernen<br />

Gesellschaft und die Erziehung des eigenen<br />

Kindes?<br />

Der moderne Mensch des 21. Jahrhunderts<br />

hat möglicherweise doch Probleme,<br />

die Vorstellungen der Bibel, des Vatikans<br />

und anderer Kirchenvertreter ohne<br />

Einschränkungen zu übernehmen.<br />

Oft musste ich mich selber fragen: Bin ich<br />

ein schlechter Mensch, nur weil ich ein<br />

modernes Leben wie fast jeder Andere<br />

führe, oder kann ich doch reflektiert und<br />

mit eigenen Maßstäben und Einstellungen<br />

ein »guter« Religionslehrer sein?<br />

Stellt man sich solche Fragen zu oft, wird<br />

daraus bald eine ganz andere Frage, die<br />

aus Groll und Unverständnis resultiert:<br />

Möchte ich einer Religionsgemeinschaft<br />

angehören, die es mir verbietet, mein<br />

Privatleben teilweise auch nach subjektiven<br />

Maßstäben zu leben? Will ich meiner<br />

eigenen Meinung vollständig beraubt<br />

werden, oder muss ich mich von dieser<br />

Glaubensgemeinschaft trennen?<br />

Und noch einen Nachsatz möchte ich an<br />

dieser Stelle anfügen: Seltsam finde ich<br />

bei alldem, dass sich eine Privatperson<br />

im Lehramt diese Fragen stellen muss.<br />

An anderer Stelle aber taten und tun<br />

Kirchenmänner mit hohen Ämtern wirklich<br />

Schändliches, was Kindern wirkliche<br />

Schäden zugefügt hat. Steht da in Relation,<br />

ob ein Religionslehrer in wilder Ehe<br />

mit Nachwuchs lebt? Diese Frage habe<br />

ich mir mittlerweile beantwortet.<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

25


Praxis: Kinder und Religion(en)<br />

Name und Anschrift der Autorin<br />

sind der Redaktion bekannt.<br />

Die Autorin sieht sich gezwungen,<br />

diesen Beitrag namentlich nicht zu<br />

zeichnen.<br />

sich nicht zum gegenseitigen Austausch<br />

anbieten.<br />

Soll es denn bedeuten, dass ein konfessionsloses<br />

Kind über die großen Fragen<br />

dieses Lebens allwöchentlich philosophiert,<br />

dies aber ohne das Wissen um<br />

Religion, da es ja nicht am Religionsunterricht<br />

teilnehmen soll. Kann man<br />

über die großen Fragen des Seins aber<br />

philosophieren ohne jegliches Wissen<br />

um Religion und seine Geschichten?<br />

Umgekehrt gefragt: Sollen Kinder, die<br />

konfessionell gebunden sind, nicht über<br />

die großen Fragen philosophieren dürfen,<br />

sondern sich ohne Ausnahme lehren<br />

lassen, wie diese Fragen ihre Antworten<br />

in und mit der Religion finden?<br />

Dass Kinder im konfessionell gebundenen<br />

Unterricht ihre Fragen und Zweifel<br />

einbringen dürfen, ist meiner Ansicht<br />

nach nur Ideologie. Denn zwar findet<br />

in der Lehrerfortbildung rund um Religion<br />

eine Öffnung statt, aber diese teilt<br />

nicht jede Lehrkraft, und im Endeffekt<br />

sind unserer Weltoffenheit als Religionslehrer<br />

im Unterricht dann doch<br />

auch die Hände gebunden. Denn echtes<br />

Philosophieren hat hier Grenzen, da bereits<br />

etwas geschrieben steht …<br />

Es soll auch vorkommen, dass Kinder<br />

im Religionsunterricht nur in der Bibel<br />

lesen und danach bei Stillemusik Jesus-<br />

Mandalas ausmalen. Der Geist unserer<br />

Kinder wird hier nicht im Geringsten<br />

geöffnet. Und wer denkt, dass dieses<br />

Modell überholt und nicht mehr <strong>aktuell</strong><br />

ist, hat lange nicht mehr Mäuschen<br />

im Religionsunterricht unseres Landes<br />

gespielt.<br />

Umsetzungsrealität und -wunsch<br />

Im Folgenden möchte ich ein paar<br />

Vorschläge liefern, wie ich mit all diesen<br />

Problematiken und Stolpersteinen<br />

umgehe. Diese erheben nicht den Anspruch<br />

auf Perfektion oder Vollständigkeit.<br />

Ich werde hier auch nicht angeben,<br />

was davon ich bereits umsetze und was<br />

nur Vision ist. Der eine oder andere<br />

Tipp ist also eher als Tipp der Zukunft<br />

zu verstehen:<br />

●●<br />

Authentisch bleiben: Höchste Priorität<br />

für jede Art von Unterricht hat stets<br />

die eigene Authentizität. Nur der Lehrer<br />

kann wirklich gut und nachhaltig lehren,<br />

der sich nicht verstellt. Ein stures<br />

Nachbeten von Aufgezwungenem hat<br />

keinerlei Wirkung auf die Schüler.<br />

●●<br />

Allen Kindern gerecht werden: Alle<br />

Kinder haben ein Recht darauf, etwas<br />

über die Religionen ihrer Welt zu erfahren<br />

und Wissen darüber anzuhäufen.<br />

Diese Tatsache ist nicht gekoppelt an<br />

Religionszugehörigkeit und sollte daher<br />

eher als eine Art Welt- und Lebenskunde<br />

aufgefasst werden. Jedes Kind sollte<br />

Antworten auf seine Fragen in diesem<br />

Bereich erhalten.<br />

●●<br />

Religionsfreiheit zulassen in unserer<br />

heterogenen Welt: Alle Kinder, die einer<br />

Religionsgemeinschaft angehören, sollten<br />

in gleichem Maße das Recht haben,<br />

dieser Religion Ausdruck zu verleihen.<br />

Kinder werden nach so vielen Registern<br />

in Schubladen verteilt. Sie haben es<br />

nicht verdient, dass ihnen auch noch<br />

ein weiterer Stempel aufgedrückt wird.<br />

Kinder brauchen einen Raum, in dem<br />

sie geschützt ihrem Glauben nachkommen<br />

können.<br />

●●<br />

Durch Zuhören lernen: Vorurteile<br />

über Andersgläubige entwickeln sich<br />

meist durch pures Unwissen, dem kann<br />

durch Offenheit, Toleranz und Zeit zum<br />

Erzählen bzw. Zuhören entgegengewirkt<br />

werden. Auch ich habe Vorurteile<br />

ablegen können, weil ich meinen Schülern<br />

ein Ohr geschenkt habe. Interreligiöser<br />

Austausch ist eine enorme Chance<br />

für die folgenden Generationen.<br />

●●<br />

Soziale und gesellschaftliche Normen<br />

für alle Kinder: Schule hat die Aufgabe,<br />

auch sozial und gesellschaftlich zu bilden.<br />

Hierfür bietet der Religionsunterricht<br />

enorme Fläche. Nehmen an diesem<br />

aber nur ein Bruchteil der Schüler<br />

einer Klasse effektiv teil, sollten Wege<br />

gefunden werden, diese Themen in andere<br />

Fächer zu integrieren oder den Religionsunterricht<br />

ohne Einschränkung<br />

zu öffnen.<br />

●●<br />

Ökumenischer Religionsunterricht<br />

wäre Unterricht, welcher die versöhnte<br />

Verschiedenheit der Religionen bekundet.<br />

Fraglich ist nur, ob das dem Schüler<br />

an sich gerecht wird.<br />

Fazit<br />

In meinen Augen sollte folgender Realität<br />

Rechnung getragen werden:<br />

Konfessionelle Trennung in der<br />

<strong>Grundschule</strong> ist überholt und bringt<br />

Lehrer tagtäglich in unrealistische, aufgesetzte<br />

und gezwungene Situationen.<br />

Dem Religionslehrer in unserer modernen<br />

Welt muss die Chance gegeben<br />

werden, Religionsgeschichte an die<br />

Kinder weiterzugeben, die einzelnen<br />

Religionen im gleichen Maße einzubringen<br />

und zu beleuchten. Andererseits<br />

muss die Möglichkeit eingeräumt<br />

werden, mit allen Kindern über soziale<br />

Fragen, Spannungen und Auslegungen<br />

bereits im frühesten Kindesalter zu diskutieren.<br />

Schüler haben das Recht auf<br />

Bildung auch auf sozial-emotionaler<br />

Werteebene. Dieser Forderung kann<br />

Rechnung getragen werden. Aber nur<br />

dann, wenn der Egoismus einzelner<br />

Religionsgemeinschaften in den Hintergrund<br />

rückt, das Kind und seine<br />

Forderungen in den Mittelpunkt treten<br />

und wenn nicht weiterhin die Realitäten<br />

unserer Welt verdrängt, verzerrt oder<br />

verklärt werden.<br />

26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />

Blick ins Plenum<br />

H. Bartnitzky im Workshop<br />

Arbeitstagung zur Grundschrift in Hannover<br />

Mehr als 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />

waren bei der ersten bundesweiten<br />

Arbeitstagung zur Grundschrift,<br />

die am ersten Aprilwochenende im<br />

»Loccumer Hof« in Hannover stattfand.<br />

Mit dieser Tagung, die seit Wochen<br />

ausgebucht war, ging die Erprobungsphase<br />

der Grundschrift-Materialien<br />

zu Ende. Die Materialien standen fast<br />

ein Jahr zum kostenfreien Download<br />

im Internet zur Verfügung (www.diegrundschrift.de).<br />

Das Interesse war sehr<br />

groß, die Rück meldungen durchweg<br />

positiv und ermutigend.<br />

»Grundschrift: damit Kinder besser<br />

schreiben lernen« – ein knappes Jahr ist<br />

es erst her, dass der Grundschulverband<br />

seine Initiative unter diesem Motto<br />

startete. Ausgangspunkt war die Überzeugung,<br />

dass Kinder, Jugendliche und<br />

junge Erwachsene auch im Computerzeitalter<br />

eine leicht und flüssig schreibbare<br />

sowie gut lesbare Schrift brauchen:<br />

in allen Schulstufen und natürlich auch<br />

in Berufsausbildung und Hochschule.<br />

Schülern, Auszubildenden und Studierenden<br />

wird der Wert einer klaren und<br />

lesbaren Schrift beständig vor Augen<br />

geführt. Aber noch immer herrscht der<br />

»Schriften-Wirrwarr«, lernen Kinder in<br />

allen Bundesländern zwei Ausgangsschriften:<br />

eine mit der Hand geschriebene<br />

Druckschrift und im Anschluss entweder<br />

die Lateinische (LA), Vereinfachte (VA)<br />

oder Schul-Ausgangsschrift (SAS).<br />

Der Grundschulverband hatte seine<br />

Initiative in einer Pressemitteilung so<br />

begründet: »Die in Deutschland bisher<br />

verwendeten Ausgangsschriften sind<br />

historisch überholt. Eine Schrift zum<br />

Lesen- und Schreibenlernen ist genug!<br />

Aus ihrer ersten Schrift können Kinder<br />

eine flüssige und lesbare Handschrift<br />

entwickeln – die Schrift, die sie in Schule,<br />

Ausbildung und Beruf brauchen.«<br />

Mit der Grundschrift stellte der Verband<br />

eine didaktisch begründete, methodisch<br />

inzwischen vielfach erprobte und praxistaugliche<br />

Alternative zur Verfügung (siehe<br />

die Seite »Grundschrift – im Überblick«,<br />

in diesem Heft auf S. 28).<br />

Zur Arbeitstagung: Horst Bartnitzky<br />

skizzierte in seinem einleitenden Referat<br />

Ziel und Konzept des Projekts »Grundschrift«.<br />

Vier Workshops wurden angeboten,<br />

in denen die Mitglieder der<br />

Grundschrift-Projektgruppe aus ihrer<br />

Praxis berichteten:<br />

●●<br />

Schreibenlernen mit der Grundschrift<br />

– »Buchstaben« und »Schreiben mit<br />

Schwung« (Dr. H. Bartnitzky, U. Hecker,<br />

Dr. Ch. Mahrhofer-Bernt);<br />

● ● »Meine Schrift«: Übungshefte und<br />

Schriftgespräche – eigenaktive Entwicklung<br />

der Handschrift (B. van der Donk,<br />

Linda Kindler);<br />

●●<br />

Schuleigener Arbeitsplan »Schrift und<br />

Schreiben« – Beispiele und Rechtsrahmen<br />

(Prof. Dr. E. Brinkmann, Ch. Schüßler);<br />

●●<br />

Erfahrungen mit handgeschriebener<br />

Druckschrift – auch über die <strong>Grundschule</strong><br />

hinaus (L. Bode).<br />

In vier Runden hatten die Teilnehmenden<br />

die Möglichkeit, in allen Workshops<br />

mitzuarbeiten.<br />

Der Vortrag »Wie kommt die Handschrift<br />

in die Schule? – Geschichte(n) über Schrift,<br />

Schreiben, Schule« bildete den Abschluss<br />

des ersten Tages.<br />

In den Workshops erlebten alle Beteiligten<br />

lebhafte und produktive Gespräche<br />

und Diskussionen. Anregungen zur<br />

Gestaltung der Grundschrift-Materialien,<br />

die sich aus den Erfahrungen der Teilnehmer/innen<br />

ergaben, wurden aufmerksam<br />

erörtert und werden Eingang in die<br />

Endfassung der »Grundschrift-Kartei zum<br />

Lernen und Üben« finden. Nach der<br />

Arbeitstagung arbeiten die Mitglieder der<br />

Projektgruppe unter Hochdruck an den<br />

Materialien.<br />

Ulrich Hecker<br />

Als Band 132 der Reihe »Beiträge zur<br />

Reform der <strong>Grundschule</strong>« wird im Juni<br />

– rechtzeitig vor Beginn der Planungen<br />

für das nächste Schuljahr – ein pralles<br />

Materialpaket kostenlos an alle Mitglieder<br />

verschickt:<br />

Ein »Basis-Buch« mit grundlegenden<br />

Informationen und Hintergründen zur<br />

Grundschrift, dazu weitere nützliche<br />

Materialien auf einer CD, sowie die<br />

beiden »Karteien zum Lernen und Üben:<br />

›Die Buchstaben‹ (Teil 1) und ›Schreiben<br />

mit Schwung‹ (Teil 2)«.<br />

Für (Nach-) Bestellungen: Buch mit<br />

Karteien 1 + 2: 39 € (für Mitglieder: 26 €),<br />

Karteien 1 + 2 separat: 29 € (f. Mitgl.: 19 €)<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

27


<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />

Grundschrift – im Überblick<br />

Grundschrift als erste<br />

und einzige Schrift<br />

Grundschrift als handgeschriebene<br />

Druckschrift<br />

Ökonomischer<br />

Bewegungsablauf<br />

Schreiblineaturen<br />

als Angebote<br />

Verbindungen und<br />

Varianten als Angebote<br />

Kriterien für eine<br />

qualitätsvolle Handschrift<br />

Grundschrift als Teil<br />

qualitätsvollen<br />

zeitgemäßen Unterrichts<br />

Die Grundschrift ist eine Schreibschrift, die mit der gedruckten Leseschrift<br />

korrespondiert.<br />

Eine weitere Schriftform als normierte Ausgangsschrift ist wegen des Bruchs<br />

in der Schreibentwicklung schädlich. Die in Deutschland bisher verwendeten<br />

Ausgangsschriften: Lateinische, Vereinfachte und Schul-Ausgangsschrift sind<br />

historisch überholt.<br />

Die Buchstabenformen sind an den Druckbuchstaben orientiert. Sie werden aber<br />

nicht geschrieben »wie gedruckt«, sondern sind handgeschriebene Buchstaben.<br />

Die Kleinbuchstaben mit Abstrich am Ende laufen in einem Wendebogen aus.<br />

Damit wird beim späteren weiterführenden Schreiben das Verbinden von Buchstaben<br />

in flüssiger Bewegung möglich.<br />

Vorrang beim Ablauf der Schreibbewegung haben die beiden Grundsätze:<br />

●●<br />

von links nach rechts,<br />

●●<br />

von oben nach unten.<br />

Wenn Kinder nach dem Ausprobieren einen anderen Ablauf bevorzugen,<br />

hat der individuelle Weg Vorrang. Bedingung ist: Die Buchstaben sind formklar<br />

und bleiben formstabil.<br />

Die Lineatur wird nicht als einengende und bewegungshindernde Normierung<br />

vorgegeben, sondern mit Varianten, aus denen Kinder und Lehrkraft das jeweils<br />

Geeignete aussuchen können:<br />

●●<br />

gänzlicher Verzicht auf Lineatur,<br />

●●<br />

Schreiben auf eine Grundlinie, Vorlagen in verschiedenen Abständen,<br />

●●<br />

Schreiben auf Vorlage mit grau markiertem Mittelband und Orientierungsbalken<br />

links und rechts für Ober- und Unterlängen, ebenfalls in verschiedenen Größen.<br />

Im weiterführenden Schreiben probieren die Kinder grafisch sichtbare Verbindungen<br />

und Buchstabenvarianten aus. Sie sind aber immer Angebote, nicht Vorschrift.<br />

Als Kriterien gelten von den ersten Schreibanfängen an bis zum weiterführenden<br />

Schreiben:<br />

●●<br />

Geläufigkeit des Schreibens (Schreiben mit Schwung),<br />

●●<br />

Formklarheit der Buchstaben,<br />

●●<br />

gute Lesbarkeit der Schrift.<br />

Die Grundschrift ist das Pendant zur Lese-Druckschrift und begünstigt den<br />

tendenziell eigenaktiven Schriftspracherwerb. Ergänzende Elemente vernetzen<br />

sie in der zeitgemäßen Grundschuldidaktik. Hierzu tragen insbesondere bei:<br />

●●<br />

Entwicklung zur individuellen Handschrift,<br />

●●<br />

nachhaltig wirksame Kriterien für qualitätsvolle Schrift,<br />

●●<br />

Schriftgespräche sowie Selbsteinschätzungen und Rückmeldungen,<br />

●●<br />

Dokumentation der eigenen Schriftentwicklung (»Meine Schrift«),<br />

●●<br />

Schrift als Thema der Welterkundung,<br />

●●<br />

Gestalten mit Schrift.<br />

© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de<br />

28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Bayern<br />

Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b, 86169 Augsburg;<br />

www.grundschulverband-bayern.de<br />

Inklusion in Bayern<br />

Jahrestagung der Grundschulpädagogik<br />

und der Weg des<br />

Kultusministeriums<br />

Ein Schulbesuch von behinderten<br />

Kindern in der<br />

Regelschule stellt neue berufliche<br />

Anforderungen an<br />

Grundschullehrkräfte, zu<br />

denen sie durch die Universitäten<br />

vorbereitet werden<br />

müssen. In seinem Gastvortrag<br />

auf der Jahrestagung<br />

aller Professoren und<br />

Mitarbeiter der bayerischen<br />

Grundschulpädagogiklehrstühle<br />

betonte Prof. Dr.<br />

Wocken, warum die alleinige<br />

Aufrechterhaltung des<br />

Förderschulwesens und die<br />

damit notwendig verbundene<br />

Selektion der Schülerinnen<br />

und Schüler unverantwortlich<br />

wäre. Bei einer<br />

Inklusion in der Regelschule<br />

müssen seiner Ansicht nach<br />

einerseits Ressourcen für eine<br />

entsprechende Förderung<br />

vorhanden sein und andererseits<br />

dürfen Kinder höchstens<br />

zeitweise aus dem Klassenverband<br />

für diese speziellen<br />

Fördermaßnahmen herausgenommen<br />

werden. Die<br />

Beschulung von Kindern mit<br />

Behinderungen ist auch in<br />

bayerischen <strong>Grundschule</strong>n<br />

längst Realität.<br />

Nach der Aussage auf einer<br />

Informationsveranstaltung<br />

des Kultusministeriums<br />

Bayern wird inklusiver<br />

Unterricht in den Formen<br />

»Einzelintegration«, »Außenklassen«,<br />

»Kooperationsklassen«<br />

und »Geöffnete Klassen<br />

der Förderschule« durchgeführt.<br />

In Außenklassen und<br />

Kooperationsklassen soll<br />

dabei eine Schülerzahlreduzierung<br />

berücksichtigt<br />

werden. Das neue Modell der<br />

»erweiterten Kooperationsklasse«<br />

sieht die Zusammenarbeit<br />

einer Grundschullehrkraft<br />

mit einer Lehrkraft der<br />

Sonderpädagogik in einer<br />

Klasse vor. Der bayerische<br />

Weg besteht lt. Aussage des<br />

Kultusministeriums darin,<br />

»Bewährtes weiterzuentwickeln<br />

und Fachlichkeit<br />

sowie Qualität der Förderung<br />

zu berücksichtigen«. Im<br />

Baye rischen Erziehungs- und<br />

Unterrichtsgesetz sind<br />

Grund aussagen zum gemeinsamen<br />

Lernen verankert, die<br />

von einer interfraktionellen<br />

Arbeitsgruppe im Landtag<br />

gesichtet werden. Insbesondere<br />

die Stärkung des<br />

Elternentscheidungsrechts<br />

wird in den Mittelpunkt<br />

gestellt. Eltern können sich<br />

sowohl für die Sprengelgrundschule<br />

als auch für die<br />

Förderschule oder eine<br />

Gastgrundschule entscheiden.<br />

Die Aufnahmeentscheidung<br />

trifft allein die <strong>Grundschule</strong><br />

in Zusammenhang mit<br />

dem Sachauf wands träger.<br />

Hierbei gilt: »Kann der<br />

individuelle sonderpädagogische<br />

Förderbedarf an der<br />

allgemeinen Schule mit der<br />

vorhandenen Unterstützung<br />

(…) nicht hinreichend<br />

gedeckt werden und ist die<br />

Schülerin oder der Schüler<br />

dadurch in der Entwicklung<br />

gefährdet oder beeinträchtigt<br />

sie oder er die Rechte<br />

von Mitgliedern der Schulgemeinschaft<br />

erheblich,<br />

besucht die Schülerin oder<br />

der Schüler die Förderschule.«<br />

Zu fragen wäre hier, warum<br />

in einem solchen Fall dann<br />

die vorhandene Unterstützung<br />

nicht ausgebaut wird.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.<br />

www.hans-wocken.de/<br />

– Aktuelles<br />

für die Landesgruppe:<br />

Petra Hiebl, Gabriele Klenk<br />

Berlin<br />

Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />

www.gsv-berlin.de<br />

Transparenz und Rankings<br />

als Garant für Schulqualität?<br />

»Braucht die Schule mehr<br />

Transparenz?«, so hieß eine<br />

Veranstaltung, bei der auch<br />

wir mit Herrn Prof. Dr. Jürgen<br />

Zöllner, unserem Bildungssenator,<br />

seine 29 Vorschläge<br />

zur Qualitätsentwicklung in<br />

Kitas und Schulen diskutierten.<br />

Seit Veröffentlichung<br />

seines »Qualitätspakets«<br />

hatten Vertreter/innen der<br />

Gewerkschaften und<br />

diverser Verbände – unter<br />

anderem auch der GSV<br />

Landesgruppe Berlin – Stellungnahmen<br />

dazu abgegeben.<br />

Der Bericht erstattung<br />

in den Tageszeitungen war<br />

zu entnehmen, dass das<br />

Qualitätspaket wenig<br />

positive Resonanz fand.<br />

Insbesondere das öffentliche<br />

Ranking der Ergebnisse der<br />

Vergleichs arbeiten (VERA)<br />

zum Ansporn für scheinbar<br />

schlechte Schulen ist auf<br />

breite Ablehnung gestoßen.<br />

Jeder Vergleich produziert<br />

Gewinner und Verlierer. Auch<br />

wenn Schüler/innen schwache<br />

Ergebnisse bei den<br />

Vergleichsarbeiten haben, so<br />

tragen nicht nur die Lehrer/<br />

innen die Verantwortung.<br />

Dennoch machte der Senator<br />

im Rahmen der Veranstaltung<br />

noch einmal sehr<br />

deutlich, dass er am Ranking<br />

festhält. Allen Besuchern der<br />

Veranstaltung lag ein Modell<br />

zur Darstellung der Leistungs<br />

ergebnisse aller Berliner<br />

Schulen im Internet vor. Die<br />

Schulen – getrennt nach<br />

Grund- und Sekundarstufen-<br />

Schulen – sollen demnach<br />

unter Berücksichtigung eines<br />

Belastungsindex (Mittel -<br />

wert aus dem »Anteil der<br />

Schüler/innen nichtdeutscher<br />

Herkunft« und »Anteil der<br />

Schüler/innen mit Lernmittelbefreiung«)<br />

in eine Rangfolge<br />

gebracht werden. Erklärte<br />

Absicht – zitiert aus der<br />

Vorlage vom 14. Februar 2011:<br />

»Diese Darstellung dient zum<br />

einen der weiteren Implementation<br />

der Bildungsstandards<br />

/ Kompetenzmodelle,<br />

zum anderen ist das spezifische<br />

Leistungs profil der<br />

entsprechenden Schule im<br />

Vergleich zu ›ihrer‹ Vergleichsgruppe<br />

durch das<br />

Stufenmodell besser erkennbar.«<br />

Statt den Schulen in den<br />

Berliner Problemkiezen die<br />

größtmögliche Unterstützung<br />

zukommen zu lassen,<br />

wird so der Wegzug der<br />

bildungsbewussten Eltern in<br />

Schulen mit möglichst vielen<br />

deutschsprachigen Kindern<br />

der Mittelschicht befördert.<br />

Das für die Qualität von<br />

Schulen brisanteste Thema<br />

– nämlich die personelle<br />

Unterversorgung vieler<br />

Berliner Schulen mit gut<br />

ausgebildeten Pädagog/in -<br />

nen – findet keinerlei<br />

Berücksichtigung im vorliegenden<br />

Qualitätspaket.<br />

Professor Dr. Zöllner sah<br />

Handlungsbedarf, verwies<br />

aber darauf, dass im Prinzip<br />

genügend Lehrer und<br />

Lehrerinnen im aktiven<br />

Berliner Schuldienst seien.<br />

Nach seiner Einschätzung<br />

gäbe es nur Schwierigkeiten<br />

mit der Unterverteilung an<br />

die einzelnen Schulen.<br />

Inzwischen hat der Landeselternausschuss<br />

Aktionen<br />

unter dem Motto »Berliner<br />

Elternprotest – Mehr Geld für<br />

Schulen« angekündigt<br />

(www.lea-berlin.de).<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

29


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Bremen<br />

Kontakt: www.grundschulverband-bremen.de<br />

VERA<br />

Vertreterinnen der Landesgruppe<br />

waren im Februar zu<br />

einem Gespräch bei der<br />

Senatorin für Bildung und<br />

weiteren Behördenvertretern<br />

geladen, in dem es um eine<br />

kritische Auseinandersetzung<br />

mit VERA und den Bundesländervergleich<br />

im Jahrgang<br />

vier im Juni 2011 ging.<br />

Bremen wird bei VERA die<br />

Teile Mathematik und Lesen<br />

durchführen.<br />

Beim Bundesländervergleich<br />

hat sich im Vorfeld gezeigt,<br />

dass Bremen nicht richtig<br />

abgebildet werden wird, da<br />

hier Kinder mit sonderpädagogischem<br />

Förderbedarf<br />

integrativ beschult werden<br />

und somit die Standardaufgaben<br />

mitschreiben müssten.<br />

Die senatorische Behörde<br />

wird diesbezüglich Gespräche<br />

mit dem IQB führen.<br />

Grundschrift – damit die<br />

Kinder besser schreiben<br />

lernen<br />

Das Konzept der Grundschrift<br />

hat sich in Bremen schnell<br />

herumgesprochen und viel<br />

Interesse geweckt. Die<br />

Veranstaltung am 2. 3. 2011<br />

des LIS (Landesinstituts für<br />

Schule) in Zusammenarbeit<br />

mit dem Grundschulverband<br />

war mit 100 Anmeldungen in<br />

kurzer Zeit ausgebucht.<br />

Dr. Horst Bartnitzky führte<br />

mit einem Exkurs über die<br />

Veränderungen der Schreibdidaktik<br />

und der Entstehungen<br />

der drei Ausgangsschriften<br />

in die Thematik ein. Im<br />

weiteren Vortrag wurden das<br />

schreibdidaktische Konzept<br />

der Grundschrift sowie die<br />

vom Grundschulverband<br />

entwickelten Materialien<br />

vorgestellt.<br />

Die Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer konnten sich<br />

beim Schreiben der Grundschrift<br />

und ihrer unterschiedlichen<br />

Verbindungsmöglichkeiten<br />

ausprobieren und<br />

bereits einige Ideen aus der<br />

Praxis mitnehmen.<br />

Viele der Kolleginnen und<br />

Kollegen möchten mit der<br />

Grundschrift in ihrem<br />

Unterricht arbeiten und<br />

eigene Erfahrungen mit<br />

diesem neuen Konzept<br />

sammeln.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Inge Tietjen,<br />

Nina Bode-Kirchhoff<br />

Aufgrund der großen<br />

Nachfrage wird die<br />

Grundschrift -Veranstaltung<br />

im Mai wiederholt.<br />

Referent: Dr. Horst Bartnitzky<br />

Montag, 16. Mai 2011,<br />

15 – 18 Uhr<br />

Ort: GS Pfälzer Weg<br />

Veranstalter: LIS, GSV<br />

Brandenburg<br />

Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />

www.gsv-brandenburg.de<br />

»Alle inklusive!?« –<br />

Zum Stand der Diskussion<br />

in Brandenburg<br />

Ende Januar 2011 fand im<br />

Ministerium für Bildung,<br />

Jugend und Sport des Landes<br />

Brandenburg (MBJS) eine<br />

Gesprächsrunde zur Umsetzung<br />

der UN-Menschenrechtskonvention<br />

auf Einladung<br />

des Staatssekretärs<br />

statt. Herr Jungkamp betonte,<br />

dass diese Beratung ein<br />

erster Meinungsaustausch<br />

auf dem Weg zu einer »Schule<br />

für alle« sei.<br />

Vertreter von 10 Landesverbänden,<br />

darunter auch der<br />

Grundschulverband, hatten<br />

die Möglichkeit, ihre Positionen<br />

darzulegen und miteinander<br />

ins Gespräch zu<br />

kommen. Herr Dr. Rudnick<br />

aus dem MBJS stellte erste<br />

Schritte auf dem Weg zu<br />

einer inklusiven Schule vor.<br />

In den Statements der<br />

Landesverbände wurden<br />

zahlreiche Positionen<br />

dargelegt. Alle Beteiligten<br />

sprachen sich dafür aus, den<br />

begonnenen Verständigungsprozess<br />

fortzusetzen<br />

und zu intensivieren.<br />

Die Landesgruppe erarbeitete<br />

eine Stellungnahme, in der<br />

wir folgende Konsequenzen<br />

für die Umsetzung im Land<br />

Brandenburg darlegen:<br />

1. Anknüpfen an gewonnene<br />

Erfahrungen aus Projekten<br />

wie z. B. »Gemeinsame<br />

Erziehung«, »Flexible<br />

Schuleingangsphase« und<br />

»Kleine <strong>Grundschule</strong>«<br />

2. Befähigung der Pädagoginnen<br />

und Pädagogen aller<br />

Schulstufen in Aus-, Fort- und<br />

Weiterbildung durch verbindliche<br />

Fortbildungsmaßnahmen,<br />

prozessbegleitende<br />

Beratung der Schulen,<br />

Nutzung der Netzwerkstrukturen<br />

im Grundschulbereich<br />

3. Kritische Prüfung der<br />

Leistungsbewertung durch<br />

Noten, Unterstützung der<br />

Pädagogen bei der Dokumentation<br />

erreichter Kompetenzen<br />

und von Prozessen<br />

der Lernentwicklung der<br />

Kinder, Zeit und Personal für<br />

Beobachtung, Analysen,<br />

Erstellen individueller<br />

Lernpläne, kritische Prüfung<br />

der gegenwärtigen Praxis<br />

der Vergleichsarbeiten,<br />

Erfassung sozialer Kompe-<br />

tenzen der Schüler als<br />

wichtige Indikatoren für<br />

Qualität von Schule<br />

4. Schaffung von notwendigen<br />

Bedingungen für den<br />

gemeinsamen Unterricht<br />

durch zusätzliche materielle<br />

und personelle Ressourcen<br />

für alle Kinder statt Umschichtung,<br />

Aufstockung der<br />

Vertretungsreserve, geringere<br />

Klassenfrequenzen,<br />

dezidierte Diagnostik und<br />

(sonderpädagogische)<br />

Förderung durch Fachkräfte<br />

5. Förderung aller Kinder<br />

besonders in der Sprachentwicklung<br />

bereits vor<br />

Entritt in die Schule, Weiterentwicklung<br />

der Sprachstandsfeststellung<br />

und der<br />

Sprachförderung in den Kitas<br />

6. Verbesserte und professionelle<br />

Zusammenarbeit von<br />

Eltern, Pädagogen, Erziehern,<br />

Schulträgern, Jugend- und<br />

Sozialämtern, Schulaufsicht;<br />

Befindlichkeiten der Kinder,<br />

Eltern und aller Beteiligten<br />

ernstnehmen; Qualifizierung<br />

des nichtpädagogischen<br />

Personals; Öffentlichkeitsarbeit<br />

7. Differenzierte Budgets in<br />

Abhängigkeit vom Standort<br />

und von der Zusammensetzung<br />

der Schülerschaft,<br />

um personelle und materielle<br />

Verstärkung zu sichern<br />

8. Schulbau und Schulgelände<br />

müssen barrierefrei sein,<br />

Raum als dritter Pädagoge,<br />

angemessene Ausstattung<br />

mit Lehr- und Lernmitteln<br />

Die vollständige Stellungnahme<br />

des Landsverbandes<br />

Brandenburg kann auf<br />

unserer Homepage unter<br />

www.gsv-brandenburg.de<br />

nachgelesen werden.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Denise Sommer<br />

Vorankündigung:<br />

September 2011,<br />

Fachtagung zum Thema<br />

»Rechtschreibung«<br />

Das vollständige Programm<br />

finden Sie demnächst auf<br />

unserer Homepage www.<br />

gsv-brandenburg.de unter<br />

der Rubrik Termine. Außerdem<br />

erhalten unsere Mitglieder<br />

eine schriftliche Einladung<br />

und den genauen<br />

Ablauf per Post.<br />

30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Hamburg<br />

Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg, susanne.peters@gsvhh.de<br />

www.gsvhh.de<br />

Nach der Wahl<br />

In Hamburg fanden Ende<br />

Februar vorgezogene Wahlen<br />

zur Bürgerschaft statt, nach -<br />

dem die GAL die Koalition<br />

mit der CDU aufgekündigt<br />

hatte. Nun hat Hamburg eine<br />

SPD-Regierung. Der neue<br />

SPD-Bildungssenator Ties<br />

Rabe, der von Hause aus<br />

Gymnasiallehrer ist, war im<br />

vergangenen Jahr unter den<br />

Gegnern der Primarschulreform.<br />

In der Vergangenheit<br />

hat er sich auch als Verfechter<br />

von Ziffernzensuren in der<br />

<strong>Grundschule</strong> gezeigt. Der<br />

Vorstand der Hamburger<br />

Landesgruppe ist gespannt<br />

auf die Zusammenarbeit. Wir<br />

hoffen, dass der Senator in<br />

seinem neuen Amt zu neuen<br />

Überzeugungen gelangt,<br />

und werden uns bemühen,<br />

durch weitere Gespräche den<br />

Weg zu kompetenzorientierten<br />

Rückmeldeformaten an<br />

Hamburger Schulen zu<br />

ebnen.<br />

Zum Thema Leistungsrückmeldung<br />

fand auch am<br />

9. April unsere Frühjahrstagung<br />

unter dem Motto<br />

»Leistungen von Kindern<br />

würdigen – Beobachten,<br />

Dokumentieren, Rückmelden«<br />

statt. Den Hauptvortrag<br />

hielt Prof. Dr. Hans Brügelmann.<br />

In zehn Workshops<br />

zeigten Hamburger Schulen<br />

Beispiele gelungener Praxis<br />

für kompetenzorientierte<br />

Rückmeldeformate, Portfolioarbeit<br />

und Gespräche mit<br />

Kindern über Leistung.<br />

In einer Podiumsdiskussion<br />

wurden Wege erörtert, die<br />

schon gängige Praxis an ein -<br />

zelnen Schulen auszuweiten.<br />

Seit einem Jahr haben in<br />

Hamburg Eltern behinderter<br />

Kinder das im Schulgesetz<br />

verankerte uneingeschränkte<br />

Recht, ihr Kind an der<br />

Regelschule anzumelden.<br />

Die Behörde hat eine Projektgruppe<br />

eingerichtet, um für<br />

die angemessene Umsetzung<br />

zu sorgen. Derzeit werden<br />

die Kinder in ganz unterschiedlichen<br />

Systemen<br />

beschult: Integrationsklassen<br />

und integrative Regelklassen<br />

mit langjähriger Erfahrung,<br />

Sonderschulen und Schulen,<br />

die zum ersten Mal behinderte<br />

Kinder unterrichten.<br />

Vieles ist auch in der zweiten<br />

Anmelderunde unklar,<br />

obwohl mehrere Teilprojektgruppen<br />

sich bemühen.<br />

Wir erhoffen uns vom neuen<br />

Senat, dass er die offenen<br />

Fragen zügig klärt, und<br />

werden im Rahmen der<br />

Feedbackgruppe die behördlichen<br />

Planungen auch<br />

weiterhin begleiten.<br />

Kinder schreiben mit<br />

der Hand – Schriften<br />

am Schulanfang<br />

Mittwoch, 8. Juni 2011,<br />

16 – 19 Uhr<br />

Referent: Ulrich Hecker,<br />

Stellvertr. Vorsitzender des<br />

Grundschulverbandes<br />

Ort: Universität Hamburg<br />

Von-Melle-Park 8, Raum 206<br />

20146 Hamburg<br />

Hessen<br />

Anschrift: Ilse Marie Krauth, Steigerwaldweg 3, 63456 Hanau, ikrauth@gsv-hessen.de<br />

www.gsv-hessen.de<br />

Grundschultag 2011<br />

Große Resonanz erfuhr der<br />

am 11. Februar an der Osterbachschule<br />

in Homberg / Efze<br />

mit Unterstützung des<br />

Bezirksverbandes der GEW<br />

veranstaltete Grundschultag<br />

der Landesgruppe Hessen.<br />

Der Osterbachschule gebührt<br />

in diesem Zusammenhang<br />

großer Dank, sie erwies sich<br />

als wunderbarer Gastgeber.<br />

Das Thema des Grundschultages<br />

waren die hessischen<br />

Bildungsstandards und das<br />

kompetenzorientierte<br />

Unterrichten.<br />

Mit seinem Impulsreferat<br />

»Kompetenzen – Standards<br />

– gute Aufgaben« stimmte<br />

Dr. Horst Bartnitzky die<br />

150 Teilnehmerinnen und<br />

Teilnehmer auf eine sowohl<br />

kritische als auch konstruktive<br />

Auseinandersetzung mit<br />

dem Thema ein (siehe Foto).<br />

Im Anschluss daran konnten<br />

sie in fünf Workshops ihre<br />

Fragen konkretisieren:<br />

Dr. Horst Bartnitzky und Teilnehmende am Grundschultag<br />

(Foto: Melanie Doering)<br />

●●<br />

Horst Bartnitzkys Angebot<br />

»Mit der Grundschrift zur<br />

individuellen Handschrift<br />

– die Grundschrift und das<br />

Ende der normierten Ausgangsschriften«<br />

stieß auf so<br />

enormes Interesse, dass wir<br />

Folgeveranstaltungen<br />

speziell zu diesem Thema<br />

planen.<br />

●●<br />

Brigitte Spindeler, Universität<br />

Kassel, lud ein zu<br />

»Lernumgebungen – Ein Weg<br />

zum kompetenzorientierten<br />

Mathematikunterricht in der<br />

<strong>Grundschule</strong>«.<br />

●●<br />

Wilfried Meyer, INZ<br />

Lernwerkstatt Bremer<br />

Westen, stellte die Frage:<br />

»Welche Standards brauchen<br />

wir im Sachunterricht?<br />

Entdeckendes Lernen,<br />

<strong>aktuell</strong>e Konzepte« .<br />

●●<br />

Petra Loleit und Susanne<br />

Burkhard, IQ Hessen, informierten<br />

»Zum Umgang<br />

mit dem neuen Hessischen<br />

Kern-Curriculum am Beispiel<br />

Deutsch Primarstufe«.<br />

●●<br />

Im Workshop von Klaus<br />

Heyer, heyer und friends<br />

Gelnhausen, »Wie entwickeln<br />

wir Schulcurricula – ein<br />

praxisnaher und beteiligungsorientierter<br />

Prozess für<br />

eine erfolgreiche Entwicklung<br />

und Umsetzung«<br />

konnten die Teilnehmerinnen<br />

und Teilnehmer sich damit<br />

auseinandersetzen, wie<br />

Gruppenprozesse, die zu<br />

einem schuleigenen Curriculum<br />

führen sollen, wirksam in<br />

Gang gesetzt werden.<br />

Das große Interesse der<br />

Lehrerinnen und Lehrer am<br />

Grundschultag und sein<br />

Verlauf zeigen, dass enormer<br />

Informationsbedarf besteht<br />

und noch viele kritische<br />

Fragen offen sind.<br />

Nicht beantwortet bleibt aus<br />

unserer Sicht nach wie vor,<br />

wie sich der Spagat zwischen<br />

Anspruch der Bildungsstandards<br />

und den genormten<br />

Leistungsabfragen<br />

bewerkstelligen lässt.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Ilse Marie Krauth<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />

31


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />

www.wl-lang.de<br />

Lernen und Leisten –<br />

Beraten, Beurteilen und<br />

Bewerten<br />

Pädagogische Leistungskultur<br />

auf der Grundlage<br />

der Grundschulordnung<br />

Seit 2008 ist eine nun gar<br />

nicht mehr so neue Grundschulordnung<br />

die Basis für<br />

die Arbeit der Lehrkräfte an<br />

<strong>Grundschule</strong>n in Rheinland-<br />

Pfalz. Eine Schulordnung<br />

beschreibt zum einen das<br />

Leitbild einer zeitgemäßen<br />

Schule und zum anderen gibt<br />

sie einen eindeutigen<br />

Rahmen, innerhalb dessen<br />

sich die praktische Arbeit in<br />

Schule und Unterricht zu<br />

vollziehen hat.<br />

Genügt die Grundschulordnung<br />

diesen Anforderungen?<br />

Welche Idee von Schule steht<br />

dahinter? Sind Vor gaben und<br />

Freiräume so ausbalanciert,<br />

dass Lehr kräfte mit ihnen<br />

arbeiten können? Dies sind<br />

die zentralen Fragen der an<br />

fast 20 Tagungsorten in<br />

Rhein land-Pfalz stattfindenden<br />

Nachmittags-Veranstaltung.<br />

In der Fortbildung wird<br />

zunächst das Konzept einer<br />

pädagogischen Leistungskultur<br />

vorgestellt, wie es der<br />

Grundschulverband entworfen<br />

hat, und aufgezeigt, dass<br />

sich auch die GSO diesem<br />

Leitbild verschrieben hat. Im<br />

zweiten Teil geht es verstärkt<br />

um das Beraten, Beurteilen<br />

und Bewerten als zentrale<br />

Tätigkeitsfelder von Lehrkräften.<br />

Dabei wird an vielen<br />

praktischen Beispielen<br />

auf gezeigt, wie der nicht<br />

immer eindeutig formulierte<br />

Rahmen, den die GSO<br />

vorgibt, gefüllt werden kann.<br />

Die Teilnahme ist für Mitglieder<br />

des Grundschulverbandes<br />

kostenlos, Nichtmitglieder<br />

zahlen (vor Ort) 5 Euro.<br />

Informationen zu den<br />

Tagungsorten und -terminen<br />

und zum Anmeldeverfahren<br />

finden Sie auf der Homepage<br />

www.wl-lang.de → Grundschulverband.<br />

Saarland<br />

Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken<br />

lagroll@t-online.de<br />

Gemeinsam<br />

geht Bildung besser<br />

Schulversuch zur Einführung<br />

eines Kooperationsjahres<br />

zwischen Kindergarten und<br />

<strong>Grundschule</strong><br />

Mit dem Slogan »Gemeinsam<br />

geht Bildung besser« –<br />

»Gemeinsam bilden. Gemeinsam<br />

Erziehen. Gemeinsam<br />

Übergänge gestalten« hat<br />

das Ministerium für Bildung<br />

eine Zusammenfassung der<br />

Maßnahme »Kooperationsjahr<br />

– Kindergarten – <strong>Grundschule</strong>«<br />

vom 8. Juli 2010<br />

veröffentlicht, die die<br />

Anschlussfähigkeit von<br />

Kindergarten und <strong>Grundschule</strong><br />

im Hinblick auf den<br />

Übergang und die Bildungsinhalte<br />

sowie den Übergangsprozess<br />

an sich verbessern<br />

soll. Dieser Schulversuch<br />

ist nun an 20 <strong>Grundschule</strong>n<br />

und 60 Kindertageseinrichtungen<br />

im Schuljahr 2010/11<br />

angelaufen.<br />

Ausgehend von dem Leitbild<br />

»Das Kind steht im Mittelpunkt«<br />

arbeiten die Erziehungs-<br />

und Bildungsinstitutionen<br />

Kindergarten und<br />

<strong>Grundschule</strong> während des<br />

Kooperationsjahres intensiv<br />

zusammen. Ziel ist, dass der<br />

Prozess der Gestaltung des<br />

Übergangs zu einem Kompetenzzuwachs<br />

hinsichtlich des<br />

Erreichens der Schulfähigkeit<br />

bei den Kindern führt. Durch<br />

die Wandlung des Begriffes<br />

der Schulfähigkeit weg von<br />

den Kompetenzen zu einem<br />

bestimmten Zeitpunkt hin zu<br />

einer Aufgabe, die alle am<br />

Bildungsprozess Beteiligten<br />

(Kind, Elternhaus, Kindergarten,<br />

Schule) mit einbezieht,<br />

erfährt auch die<br />

Schuleingangsdiagnostik<br />

eine veränderte Bedeutung:<br />

Beobachtungen mit dem Ziel<br />

einer individuellen Förderung<br />

führen zu der Erarbeitung<br />

eines Förderkonzeptes,<br />

das im Elementarbereich<br />

etabliert und im Primarbereich<br />

fortgeführt wird.<br />

Ebenso ist die Förderung von<br />

Sprachkompetenz, mathematischen<br />

Grundkompetenzen,<br />

sozial-emotionalen Kompetenzen<br />

und motorischen<br />

Fähigkeiten von zentraler<br />

Bedeutung.<br />

Diese Maßnahme richtet sich<br />

an Kinder im letzten Kindergartenjahr,<br />

die gemeinsam<br />

von Erziehern / Erzieherinnen<br />

und Lehrern / Lehrerinnen für<br />

die Dauer eines Schuljahres<br />

auf die Herausforderungen<br />

der Schule vorbereitet<br />

werden.<br />

Entgegen der Empfehlung<br />

der Landesgruppe Saarland<br />

wurde in dem Entwurf der<br />

Kindergarten als alleiniger<br />

Standort festgelegt. Die<br />

Landesgruppe sieht in dieser<br />

Festlegung eine vertane<br />

Chance, die künftigen<br />

Schulkinder sukzessiv an den<br />

neuen Standort Schule zu<br />

gewöhnen und über den<br />

Zeitraum des Kooperationsjahres<br />

eine Identifikation mit<br />

der Schule zu etablieren.<br />

So sollen laut der Zusammenfassung<br />

zum Kooperationsjahr<br />

alle Schulkinder eines<br />

Kindergartens zu einer<br />

altershomogenen Gruppe<br />

von maximal 22 Kindern<br />

zusammengefasst werden.<br />

Kann-Kinder können nach<br />

Absprache mit Eltern und<br />

Leitungen einbezogen<br />

werden. Pro Gruppe und<br />

Woche steht eine Stundenzahl<br />

von vier Zeiteinheiten,<br />

zuzüglich einer Beratungsstunde,<br />

zur Verfügung, deren<br />

organisatorische Umsetzung<br />

den Kooperationspartnern<br />

obliegt.<br />

Bei kleineren Gruppen<br />

werden die Lehrerstunden<br />

jedoch gekürzt. Bereits jetzt<br />

zeigt sich, dass die Stundenzahl<br />

zu gering ist. Des<br />

Weiteren kann eine individuelle<br />

Förderung in einer<br />

Gruppe von 22 Kindern nicht<br />

gewährleistet sein, da die<br />

Kinder in ihrem Entwicklungsstand<br />

und Lernverhalten<br />

sehr heterogen sind.<br />

Die inhaltliche Ausrichtung<br />

der Kooperation basiert auf<br />

dem Bildungsprogramm für<br />

saarländische Kindergärten.<br />

In dieser einseitigen Gewichtung<br />

finden die »Richtlinien<br />

für die Arbeit in der <strong>Grundschule</strong>«<br />

leider keine Berücksichtigung.<br />

Durch die dargestellte<br />

Verzahnung der beiden am<br />

Bildungsprozess beteiligten<br />

Einrichtungen und der<br />

Ausrichtung an den Bedürfnissen<br />

des jeweiligen Kindes<br />

besteht die Chance, den<br />

Übergang für alle Beteiligten<br />

(Kind, Eltern, Kindergarten,<br />

Schule) fließend zu gestalten.<br />

Schulneulinge lernen ihr<br />

neues Lernumfeld rechtzeitig<br />

kennen und können sich<br />

schrittweise auf Neuerungen<br />

einstellen. Idealerweise<br />

haben sie so bereits bei<br />

Schul eintritt einen bekannten<br />

Ansprechpartner, der<br />

auch weiterhin im Austausch<br />

mit dem Kindergarten steht.<br />

Für eine effektive Umsetzung<br />

der Maßnahme sollten<br />

jedoch die angesprochenen<br />

Kritikpunkte überdacht und<br />

nachgebessert werden.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Carolin Eifler<br />

32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011


<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />

Sachsen<br />

Ansprechpartnerin:<br />

Sibylle Jaszovics,<br />

Südwestring 11,<br />

04668 Klinga<br />

jas.sib@t-online.de<br />

Weg frei für einen Neustart<br />

15 Mitglieder waren der<br />

Einladung des amtierenden<br />

Landesgruppenvorstandes<br />

gefolgt und trafen sich im<br />

Januar mit dem Ziel, der<br />

brachliegenden Landesgruppenarbeit<br />

wieder Leben<br />

einzuhauchen.<br />

Nach einer konstruktiven<br />

Debatte bildeten sich drei<br />

Regionalteams. Um Leipzig,<br />

Dresden und Chemnitz<br />

herum versuchen die Teams<br />

nun Mitglieder gezielt<br />

anzusprechen und Interessenten<br />

für eine Mitarbeit zu<br />

gewinnen. Synergieeffekte<br />

erhoffen wir uns auch von<br />

der Zusammenarbeit mit der<br />

Landesgruppe Thüringen, die<br />

forciert werden soll. In den<br />

Universitäten wird die Arbeit<br />

des Grundschulverbandes<br />

derzeit so gut wie gar nicht<br />

thematisiert. Die Kontakte zu<br />

den Universitäten Leipzig<br />

und Dresden sollen deshalb<br />

belebt werden. Auch in den<br />

freien Schulen Sachsens<br />

sehen wir wichtige Ansprechpartner.<br />

Ob sich hinsichtlich unseres<br />

Ziels vom Januar positive Entwicklungen<br />

abzeichnen, wird<br />

sich im Juli zur nächsten<br />

Zusammenkunft zeigen.<br />

Dann sollen die Ergebnisse<br />

der Regionaltreffs ausgewertet<br />

werden.<br />

Am Samstag,<br />

2. Juli 2011,<br />

von 11 bis 14 Uhr<br />

Treffen der AG im<br />

Evangelischen Schulzentrum<br />

Großbardau zur Auswertung<br />

der Ergebnisse und Festlegung<br />

weiterer Maßnahmen.<br />

Interessenten sind herzlich<br />

eingeladen.<br />

(Kontakt: jas.sib@t-online.de)<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06<strong>114</strong> Halle<br />

petra.katrin.uhlig@googlemail.com; www.gsv-lsa.de<br />

Grundschultag:<br />

Viele Kinder – eine Schule?!<br />

Wege zum individuellen<br />

Lernen<br />

Nach dem sehr erfolgreichen<br />

letzten Grundschultag im Mai<br />

2009 organisiert die Landesgruppe<br />

wieder in Kooperation<br />

mit anderen Bildungsverantwortlichen<br />

einen<br />

gemeinsamen Grundschultag.<br />

Dieser soll unter obenstehendem<br />

Motto am 14. Mai<br />

2011 im Institut für Schulpädagogik<br />

und Grundschuldidaktik<br />

der Martin-Luther-<br />

Universität Halle stattfinden.<br />

Der Grundschultag 2011 ist<br />

eine gemeinsame Veranstaltung<br />

des Grundschulverbandes,<br />

der Gewerkschaft<br />

Erziehung und Wissenschaft<br />

(GEW), des Verbandes<br />

Sonderpädagogik (vds), des<br />

Staatlichen Seminars für<br />

Lehrämter Halle und der<br />

Martin-Luther-Universität<br />

Halle-Wittenberg.<br />

Die bildungspolitischen<br />

Entwicklungen in Sachsen-<br />

Anhalt waren in den letzten<br />

Jahren stark auf den Ausbau<br />

einer besseren individuellen<br />

Förderung aller Kinder<br />

Schleswig-Holstein<br />

Vorsitzende: Dr. Beate Blaseio, Universität Flensburg, Auf dem Campus 1,<br />

24943 Flensburg; www.grundschulverband-sh.de<br />

Schulfrieden erwünscht<br />

Da in Schleswig-Holstein<br />

CDU und FDP ohne rechtliche<br />

Grundlage regieren,<br />

sind für 2012 Neuwahlen<br />

angesetzt. Anfang des Jahres<br />

hat die Regierung Änderungen<br />

des Schulgesetzes<br />

beschlossen, die in der<br />

Schullandschaft kaum<br />

Zustimmung finden. Selten<br />

waren sich die Elternvertretungen<br />

der verschiedenen<br />

Schularten so einig. Die<br />

Beliebigkeit der Ausgestaltung<br />

der Flexiblen Eingangsphase<br />

in der <strong>Grundschule</strong>,<br />

äußere Differenzierung nach<br />

Schularten in der Gemeinschaftsschule,<br />

G8 gleichzeitig<br />

ausgerichtet. Die Flexibilisierung<br />

der Schuleingangsphase<br />

und der Gemeinsame<br />

Unterricht scheinen derzeit<br />

die größten Baustellen zu<br />

sein. In den Beiträgen des<br />

Tages sollen WissenschaftlerInnen<br />

und PraktikerInnen<br />

zu Wort kommen, um mit<br />

fundierten und praxisrelevanten<br />

Anregungen die<br />

Entwicklungen im Land<br />

voranzutreiben.<br />

Den Hauptvortrag wird Prof.<br />

Dr. Henning Scheich vom<br />

Leibniz-Institut für Neurobiologie<br />

Magdeburg zum Thema<br />

»Warum ist Lernen individuell<br />

verschieden?« halten. Zur<br />

abschließenden Podiumsdiskussion<br />

hat sich neben<br />

VertreterInnen aus Wissenschaft<br />

und Praxis auch<br />

Kultusministerin Prof. Dr.<br />

Birgitta Wolff angemeldet.<br />

Die 18 Arbeitsgruppen bieten<br />

ein breites Spektrum unterschiedlichster,<br />

stärker<br />

praxisorientierter Impulse.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.gsv-lsa.de<br />

für die Landesgruppe:<br />

Dr. Michael Ritter<br />

mit G9 möglich am selben<br />

Gymnasium zeigen beispielhaft<br />

die Unruhestiftung<br />

durch die Bildungspolitik.<br />

Verschiedene Verbände, u. a.<br />

die Landesgruppe des GSV<br />

und auch der Rechnungshof<br />

des Landes gaben im<br />

Dezember in einer Anhörung<br />

ihre Stellungnahmen zu der<br />

Gesetzesvorlage ab und<br />

äußerten ihre Bedenken. Im<br />

Januar überreichte die vom<br />

Grundschulverband unterstützte<br />

Elterninitiative<br />

»Schulfrieden« über 25.000<br />

Unterschriften mit der<br />

Forderung, das Schulgesetz<br />

bis zu den Neuwahlen<br />

unverändert zu lassen.<br />

Grundschultag 2011<br />

Samstag, 14. Mai 2011<br />

»Viele Kinder – eine Schule?!<br />

Wege zum individuellen<br />

Lernen«<br />

Franckesche Stiftungen<br />

Halle/Saale<br />

Wir gratulieren unserer<br />

Delegierten Gisela Schmidt<br />

zum 60. Geburtstag und<br />

danken für viele Jahre der<br />

guten und verlässlichen<br />

Zusammenarbeit.<br />

Der Vorstand der Landesgruppe<br />

bedauert, dass die<br />

Stimmen im Land bei der<br />

Regierung kein Gehör finden.<br />

für die Landesgruppe:<br />

Sabine Jesumann,<br />

Andrea Keyser<br />

Mittwoch, 18. Mai<br />

2011 Vortrag von<br />

Dr. Falko Peschel in der<br />

Universität Flensburg<br />

Samstag, 21. Mai 2011<br />

Grundschultag<br />

»Kindergerechte Pädagogik<br />

braucht Individualisierung«<br />

in Kooperation mit der GEW,<br />

Vortrag von Dr. Falko Peschel,<br />

anschließend Workshops


<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />

Grundschulverband e. V.<br />

Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />

Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />

info@grundschulverband.de<br />

www.grundschulverband.de<br />

Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />

D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />

Versandadresse<br />

Herbsttagung des Grundschulverbandes<br />

4. / 5. November 2011 | Zum Auftrag der UN-Konvention<br />

Inklusive Schule – gemeinsam inklusive Praxis entwickeln<br />

Der Grundschulverband hat sich bereits seit vielen Jahren<br />

den Auftrag gegeben, das längere gemeinsame Lernen in der<br />

Schule zu unterstützen. Auch in der <strong>Grundschule</strong> ist dieses<br />

gemeinsame Lernen im Sinne einer inklusiven Schule noch<br />

nicht erreicht. Die <strong>Grundschule</strong>n müssen sich für die Entwick-<br />

Thematik der Tagung<br />

Der Unterschied zwischen dem bisher entwickelten integrativen<br />

Unterricht für SchülerInnen mit und ohne Behinderungen<br />

und dem Anspruch einer inklusiven Schule soll<br />

herausgearbeitet werden. Die Tagung wird auch einen<br />

Überblick über die (unterschiedlichen) Entwicklungskonzepte<br />

der Bundesländer geben, ebenso wie über Orientierungen<br />

durch die Kultusminister konferenz (KMK). In praxisbezogenen<br />

Arbeitsgruppen werden sowohl gute Erfahrungen<br />

und Praxisbeispiele aus integrativ / inklusiv arbeitenden<br />

Schulen vorgestellt, als auch Umsetzungshindernisse und<br />

-schwierigkeiten beprochen.<br />

Tagungs verlauf<br />

Freitag, 4. 11. 2011, 15.00 Uhr bis 21.00 Uhr<br />

Zwei Impulsreferate<br />

– zum Unterschied von »Integration« und »Inklusion«<br />

und zum Anspruch der UN-Konvention<br />

– zu Umsetzungskonzepten und -entwicklungen in den<br />

Bundesländern<br />

Vier Arbeitsgruppen: Fortbildungsmodule | Wirkung des<br />

»Index für Inklusion« für Unterrichts- und Schulentwicklung |<br />

SchülerInnen mit Beeinträchtigungen im Bereich »Lernen«<br />

und »Sprache« im gemeinsamen Unterricht | SchülerInnen<br />

mit Beeinträchtigungen in der emotionalen und sozialen<br />

Entwicklung im gemeinsamen Unterricht<br />

Am Abend werden Beispiele aus der Unterrichts praxis im<br />

gemeinsamen Unterricht mit Kindern mit schwerer Mehrfachbehinderung<br />

gezeigt.<br />

Samstag, 5. 11. 2011, 9.00 bis 15.00 Uhr<br />

Impulsreferat zur Umsetzung der UN-Konvention aus der<br />

Sicht der KMK<br />

Anschließend Wiederholung der 4 Arbeitsgruppenangebote<br />

– so dass jede/r Teilnehmer/in während der Tagung an zwei<br />

verschiedenen AGs teilnehmen kann.<br />

Tagungsabschluss – Ausblick:<br />

Eckpunkte inklusiver Grundschularbeit<br />

lung eines inklusiven Bildungssystems, das die seit März 2009<br />

auch für die Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindliche<br />

UN-Konvention verlangt, weiter öffnen – konzeptionell, pädagogisch,<br />

in der täglichen Zusammenarbeit der PädagogInnen<br />

in multiprofessionellen Teams.<br />

Referen tinnen und Referenten<br />

Prof. Dr. Andreas Hinz, Universität Halle-Wittenberg<br />

Dr. Irmtraud Schnell, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität,<br />

Frankfurt / Main<br />

Dr. Peter Wachtel, Leiter der AG der KMK zur<br />

Sonderpädagogischen Förderung<br />

Ort<br />

TaunusTagungshotel, Lochmühlenweg 3, 61381 Friedrichsdorf/Ts.<br />

www.taunustagungshotel.de/<br />

Bahnreisende können einen kostenlosen Shuttle vom<br />

Frankfurter Hbf. zur Tagungsstätte und zurück nutzen.<br />

Zielgruppe<br />

MultiplikatorInnen / FortbildnerInnen, Grundschul lehrerInnen,<br />

SonderpädagogInnen, ErzieherInnen, VertreterInnen aus den<br />

Grund- und Förderschulreferaten der Schulverwaltungen der Länder,<br />

Eltern<br />

Tagungs beitrag<br />

Für Mitglieder des Grundschulverbandes 145 Euro<br />

(Doppelzimmer 127 Euro),<br />

für Nicht-Mitglieder 190 Euro (Doppel zimmer 172 Euro).<br />

Im Preis enthalten sind: die Tagungs gebühren,<br />

die Übernachtungs- und Verpflegungskosten sowie<br />

der Transfer vom und zum Frankfurter Hauptbahnhof.<br />

Anmeldung<br />

Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.<br />

Anmeldeschluss: 30. Juni 2011<br />

Die Tagungsgebühr wird mit der Anmeldung fällig.<br />

Bankverbindung: Postbank Frankfurt,<br />

BLZ 500 100 60, Konto Nr. 19 56 71 605<br />

Stornogebühren: 120 € nach dem 15. 9. 2011<br />

Programm, Anmeldung und weitere Informationen:<br />

www.grundschulverband.de<br />

Anmeldung auch:<br />

– Per Post: Grundschulverband e. V., Niddastr. 52, 60329 Frankfurt,<br />

– per Mail: info@grundschulverband.de

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