Grundschule aktuell 114
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www.grundschulverband.de · Mai 2011 · D9607F<br />
<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Zeitschrift des Grundschulverbandes · Heft <strong>114</strong><br />
Kinder und Religion(en)<br />
Fragen • Impulse • Konzepte<br />
Jetzt mit Beilage
– Neues Forum des Grundschulverbands<br />
»Der Grundschulverband setzt sich für die Weiterentwicklung der<br />
<strong>Grundschule</strong> ein.« So heißt es in der Selbstdarstellung unseres<br />
Verbands. Der Verband ist somit offen für alle Personen, die an<br />
dieser Weiterentwicklung interessiert sind und daran mitwirken<br />
wollen. Unter seinen Mitgliedern sind derzeit vor allem <strong>Grundschule</strong>n,<br />
Lehrer/innen, Studierende und Wissenschaftler/innen zu<br />
finden. Dabei wissen wir:<br />
Gute Schule kann ohne Eltern nicht gelingen.<br />
Und auch bildungspolitisch lassen sich schulische Rahmenbedingungen<br />
nur mit Unterstützung der Eltern verändern. Sie sind<br />
es, die an den Wahlurnen Druck auf Politik ausüben können.<br />
Wir wenden uns deshalb mit der neuen Beilage<br />
direkt an Eltern und ihre Vertreter<br />
in den Gremien.<br />
GrundschulEltern wird jeder Ausgabe unserer Zeitschrift<br />
»<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>« beigeheftet,<br />
herausgegeben gemeinsam mit unserem Fachreferenten<br />
Hans Brügelmann, Professor für Grundschulpädagogik<br />
an der Universität Siegen, unter<br />
Mitarbeit von Axel Backhaus und Babette Danckwerts<br />
aus der Siegener Arbeitsgruppe Primarstufe.<br />
Gemeinsam wollen wir Eltern helfen,<br />
• sich über zeitgemäße <strong>Grundschule</strong> zu<br />
informieren,<br />
• Schulen im Bemühen um eine auf das Kind<br />
ausgerichtete Praxis zu unterstützen und<br />
• sich in der Weiterentwicklung der <strong>Grundschule</strong><br />
zu engagieren.<br />
Der vierseitige Beihefter wird sich jeweils einem<br />
inhaltlichen Thema zuwenden, Forschungsbefunde<br />
verständlich darstellen und praktische Empfehlungen<br />
(z. B. Film- und Lesetipps) enthalten.<br />
Wie aber erreicht ihre »Zielgruppe«: die Eltern –<br />
sind diese doch bislang keine Mitglieder?<br />
Hier sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.<br />
Wir haben diesem Heft zwei Exemplare beigelegt. Unsere Bitte:<br />
• Geben Sie GrundschulEltern an interessierte Eltern oder Elternvertreter<br />
weiter.<br />
• Hängen Sie GrundschulEltern am Schwarzen Brett aus, z. B.<br />
zusammen mit einer Vorstellung des Grundschulverbands.<br />
• Weisen Sie die Eltern darauf hin, dass sie für nur 10 € (inkl. Porto)<br />
weitere 25 Exemplare beziehen können, sodass jede/r Elternvertreter/in<br />
einer Schule oder auch alle Eltern einer Klasse mit<br />
einem Exemplar bedacht werden können.<br />
• Einzelexemplare von GrundschulEltern erhalten Sie für 2 €<br />
(inkl. Porto) über unsere Geschäftsstelle.<br />
• Machen Sie die Eltern auf unsere neue Website<br />
www.grundschuleltern.info aufmerksam.<br />
Bitte helfen Sie mit,<br />
zu einem Erfolg zu<br />
machen: <strong>Grundschule</strong> weiterentwickeln – mit Eltern!<br />
Der Vorstand des Grundschulverbands
Inhalt<br />
Editorial<br />
Tagebuch<br />
S. 2 Ideale Bildungspartner (U. Walther)<br />
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
S. 3 Kinder, Religion(en) und die <strong>Grundschule</strong><br />
(U. Hecker)<br />
S. 6 Religion in der <strong>Grundschule</strong><br />
(B. Asbrand und H. Brügelmann)<br />
S. 10 Religionsunterricht für alle –<br />
ein Hamburger Modell (A. Schultheiß)<br />
S. 13 Das Fach Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde<br />
(E.-M. Kenngott)<br />
S. 16 Plädoyer für ein Pflichtfach Ethik / Religionskunde<br />
(G. Laudert)<br />
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
S. 20 Kinder brauchen Religion (A. Pahl)<br />
S. 24 Religionslehrer/in im 21. Jahrhundert?<br />
Aktuell …<br />
… aus dem Bundesvorstand<br />
S. 27 Arbeitstagung zur Grundschrift<br />
… aus den Landesgruppen, u. a.<br />
S. 29 Berlin: Transparenz und Rankings?<br />
S. 30 Brandenburg: »Alle inklusive«?<br />
S. 31 Hamburg: Nach der Wahl<br />
S. 32 Saarland: Kooperationsjahr<br />
Kindergarten – <strong>Grundschule</strong><br />
Impressum<br />
GRUNDSCHULE AKTUELL, die Zeitschrift des Grundschulverbandes<br />
erscheint viertel jährlich und wird allen Mitgliedern zugestellt.<br />
Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. Das einzelne Heft<br />
kostet 7,50 € (inkl. Versand); für Mitglieder und ab 10 Exemplaren 3,00 €.<br />
Verlag: Grundschulverband e. V., Niddastraße 52,<br />
60329 Frankfurt / Main, Tel. 0 69 / 77 60 06, Fax: 0 69 / 7 07 47 80,<br />
www.grundschulverband.de, info@grundschulverband.de<br />
Herausgeber: Der Vorstand des Grundschulverbandes<br />
in Zusammen arbeit mit Dr. Horst Bartnitzky<br />
Redaktion: Ulrich Hecker, Hülsdonker Str. 64, 47441 Moers,<br />
Tel. 0 28 41 / 2 17 14, ulrich.hecker@googlemail.com<br />
Fotos: Autorinnen und Autoren; Bert Butzke, Mülheim (Titel,<br />
S. 4, 9, 11, 16, 24 – 26); Melanie Doering (S. 31)<br />
Zeichnung: Wilhelm Nüchter, Moers (S. 3)<br />
Herstellung: novuprint Agentur für Mediendesign, Werbung,<br />
Publikationen GmbH, Bödekerstr. 73, 30161 Hannover,<br />
Tel. 0511 / 9 61 69-11, Fax: 05 11 / 9 61 69-99, info@novuprint.de<br />
Anzeigen: Claudia Klinger, Verlagsgruppe Beltz,<br />
Tel. 0 62 01 / 6 00 73 86, Fax 0 62 01 / 6 00 73 93, c.klinger@beltz.de<br />
Druck: Beltz Druckpartner, 69502 Hemsbach<br />
ISSN 1860-8604 / Bestellnummer: 6049<br />
Beilagen: »Eine Welt in der Schule« als ständige Beilage<br />
»Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?«<br />
Die »Gretchenfrage« in Goethes »Faust« (in »Der Tragödie erster<br />
Teil«) ist eine alte, immer wieder <strong>aktuell</strong>e Frage – auch bei der<br />
Diskussion um Sinn und Zweck, Gestaltung und Organisation<br />
von Religionsunterricht in den (Grund-)Schulen.<br />
Das Verhältnis von Politik und Religion ist nach wie vor eines<br />
der großen Themen jeder Gesellschaft. Auch mit Blick auf zukünftige<br />
Entwicklungen spielen die Religionen – neben weltlichen<br />
Einstellungen – eine zentrale Rolle. Gesellschaftlich ist die<br />
Aufgabe:<br />
»Die religiösen Bürger müssen lernen, dass die Anders- und<br />
Nichtreligiösen die gleiche Achtung ihrer moralischen Handlungsmotive<br />
verdienen, die sie für sich selbst in Anspruch nehmen.<br />
(…) Die Nicht-Religiösen müssen einsehen, dass der Glaube<br />
kein vormodernes, allmählich absterbendes Überbleibsel ist, das<br />
nicht mehr ganz Ernst genommen werden muss, sondern eine<br />
respektable Lebensorientierung, die das Gemeinwesen enorm<br />
bereichern kann.<br />
Hinzu kommt der vitale Anspruch auf Einbürgerung der neuen<br />
Religionen, die nun zum Land gehören, voran der Islam. Das<br />
über 60 % der Menschen hierzulande ihm die volle Anerkennung<br />
als beachtenswerte Religion verweigern, ist ein Alarmzeichen«<br />
(Thomas Meyer, in: »Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte«,<br />
4/2011, S. 1).<br />
Sowohl mit Blick auf Gesellschaft und Politik im weiteren als<br />
auch auf Schule und Religionen im engeren Sinne besteht Klärungs-<br />
und Verständigungsbedarf. Dazu wollen wir mit den<br />
Texten dieses Heftes beitragen.<br />
Bei der Debatte über den rechten Ort des Lernens über Religionen<br />
und Ethik fällt auf, dass immer wieder zwei ganz verschiedene<br />
Gesichtspunkte vermischt werden:<br />
●●<br />
zum einen die konfessionelle Beschäftigung mit Religion in<br />
der Schule, wie sie von Religionsgemeinschaften für Kinder, die<br />
dieser Religion angehören, gewünscht wird, und<br />
●●<br />
zum anderen die Forderung nach einem Unterricht über<br />
Religion(en), Weltanschauungen und Lebensfragen als integrierten<br />
Bestandteil allgemeinen schulischen Lernens im Klassenverband,<br />
ganz unabhängig von der Zugehörigkeit der Kinder zu<br />
Religionsgemeinschaften.<br />
Debatten, wie sie z. B. besonders heftig um das Schulfach Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religionskunde in Berlin und Brandenburg<br />
geführt wurden, zeigen, dass es vielen Diskussionsteilnehmern<br />
um mehr geht: Um die Prinzipien des säkularen Staates und ihre<br />
politische Gestaltung und auch um tradierte Privilegien einiger<br />
Religionsgemeinschaften.<br />
Das Wissen über Religion(en) und das Gespräch über zentrale<br />
Lebensfragen sind unverzichtbare Bildungsinhalte. Soweit<br />
scheint Einigkeit zu bestehen. Aber schon die Frage, ob die<br />
Beschäftigung mit diesen Themen gemeinsam oder nach Konfession<br />
oder Weltanschauung getrennt erfolgen soll, führt zu<br />
heftigen Kontroversen. Diese Kontroverse und die damit einhergehenden<br />
Herausforderungen werden im Spektrum der Beiträge<br />
dieses Heftes reflektiert und zur Diskussion gestellt.<br />
Ulrich Hecker<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
1
Tagebuch<br />
Ideale Bildungspartner<br />
Ein Plädoyer für die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule<br />
kämpfen sie um mehr Lehrer, bessere Schulgebäude und<br />
kleinere Klassen, wenn auch auf erheblich anspruchsvollerem<br />
Niveau als vor sechzig Jahren. Dass die Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />
heute besser seien als früher, kann<br />
man nicht behaupten. Immerhin durften in den 1920er<br />
Jahren die Elternräte in Hamburg, Sachsen und Thüringen<br />
ihre Schulleiter wählen.<br />
Ursula Walther<br />
Hilfe, die Eltern kommen! Mit diesem Slogan warb vor<br />
Jahren eine Lehrerzeitschrift um Leser. Ein zum Angstschrei<br />
geöffneter Mund, ein bleiches Gesicht auf schwarzem<br />
Grund – das perfekte Horrorszenario. Ob diese Anzeige<br />
mehr Abonnenten gebracht hat, weiß nur der Verlag.<br />
Für spektakuläre Berichte in den Medien ist es selbstverständlich<br />
besser, wenn Eltern und Lehrer sich nicht vertragen.<br />
Folgerichtig befasst sich die nächste Ausgabe des<br />
Magazins Spiegel Wissen mit übereifrigen Eltern, die den<br />
Lehrern das Leben zur Hölle machen. Aber stimmt das<br />
denn? Ist die Beziehung zwischen Eltern und Schule wirklich<br />
so schlecht?<br />
Eltern haben manchmal den Eindruck, dass die Schule von<br />
ihnen nichts weiter erwartet als Kuchenbacken fürs Schulfest<br />
und Spenden für ein neues Klettergerüst. Das ist ihnen<br />
zu wenig. Sie möchten die Schule ihrer Kinder als ebenbürtige<br />
Partner mitgestalten. Also machen sie Vorschläge<br />
und üben Kritik. Dadurch fühlen Lehrer sich bedrängt,<br />
fürchten einen Eingriff in ihre pädagogische und fachliche<br />
Kompetenz. Ganz schnell stehen die Eltern auf der einen<br />
Seite und die Lehrer auf der anderen. Es ist eine große Herausforderung<br />
für beide, von solchen unguten Polarisierungen<br />
wegzukommen. Gelingt es, profitieren nicht nur<br />
die Kinder.<br />
Bereits in den 1920er Jahren gab es sehr aktive Eltern räte.<br />
1952 wurde der Bundeselternrat als »Arbeitsgemeinschaft<br />
der deutschen Elternvertretungen« gegründet. Er ist Ansprechpartner<br />
der Kultusministerkonferenz und des Bundesbildungsministeriums<br />
und unterstützt die Eltern in<br />
den Bundesländern dabei, ihre Mitwirkungsrechte wahrzunehmen.<br />
Die Unterrichtsqualität war schon 1952 ein<br />
Elternthema. Und schon damals verstanden Eltern sich<br />
als Partner der Schule, auch wenn es zunächst ganz pragmatisch<br />
um geregelten Unterricht ging, fehlte es doch an<br />
Geld, Räumen und Lehrern. Aus heutiger Sicht haben sich<br />
die Probleme – abgesehen von der unmittelbaren materiellen<br />
Not – kaum geändert: Immer noch bemühen sich Eltern<br />
um eine gute Beziehung zur Schule, und immer noch<br />
Bei der Wahl des Schulleiters mitreden zu können, ist<br />
nicht der größte Ehrgeiz heutiger Eltern, auch wenn sie<br />
durchaus wissen, welchen Einfluss die Schulleitung auf<br />
die Qualität einer Schule hat. Eltern ist vor allem eines<br />
wichtig: Sie wollen ernst genommen werden, als Fürsprecher<br />
ihrer Kinder und als Bildungspartner. Sie wollen<br />
mitreden, wenn es um guten Unterricht geht und darum,<br />
welches Bildungsziel ihr Kind erreichen soll und kann.<br />
Sie wollen über den Bildungsweg entscheiden und die<br />
Schule, die ihr Kind nach der <strong>Grundschule</strong> besucht, selbst<br />
wählen. Weil das in der Hälfte der Bundesländer aber<br />
von den richtigen Noten abhängt, kämpfen verzweifelte<br />
Eltern um jeden Punkt auf der Probearbeit. Das belastet<br />
die Beziehung zwischen Eltern und Lehrern. Dem Übertrittsdruck<br />
können sich beide nicht so einfach entziehen.<br />
Wie kann die Partnerschaft zwischen Eltern und Lehrern<br />
zum Nutzen aller gestaltete werden? Das Zauberwort ist<br />
Wertschätzung. Eltern kommen gern in die Schule, wenn<br />
sie wissen, dass sie dort willkommen sind und dass ihr<br />
Beitrag geschätzt wird. Lehrer haben in den Augen der<br />
Eltern und der Öffentlichkeit ein deutlich höheres Ansehen,<br />
als sie ahnen. Das ist in einschlägigen Studien der<br />
Gesellschaft für Konsumforschung nachzulesen. Der Respekt<br />
für die Arbeit der Lehrer wächst gewöhnlich noch,<br />
wenn sich die Schule öffnet und Eltern beim Unterricht<br />
zusehen dürfen. Eine kluge Schulleitung ergänzt zudem<br />
das Portfolio der Schule mit elterlichem Expertenwissen.<br />
Eltern sprechen viele Sprachen, sie können Arbeitsgruppen<br />
leiten, Presseartikel schreiben, fotografieren und<br />
Webseiten einrichten, haben Kontakte zur Wirtschaft,<br />
zu Sport- und Musikvereinen, geben Erste-Hilfe-Kurse –<br />
und sie können Kuchen backen.<br />
Ursula Walther<br />
sitzt im Vorstand des Bundeselternrats und<br />
im Vorstand des Bayerischen Elternverbands<br />
2 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Ulrich Hecker<br />
Kinder, Religion(en) und die <strong>Grundschule</strong><br />
Voraussetzungen und Fragezeichen (zu) einer notwendigen Debatte<br />
»Wie soll eine Erstklässlerin verstehen, weshalb sie nicht am Religionsunterricht<br />
der Freundin teilnehmen darf, weil diese ›katholisch‹ ist, während alles<br />
andere im Schulalltag eines Grundschulkindes gemeinsam in der vertrauten<br />
Lerngruppe stattfindet?«<br />
»Ziele und Inhalte des Religionsunterrichts sollten sich aus der Bedeutung religiöser<br />
Phänomene für Kinder in ihrer heutigen Lebenswelt ergeben.«<br />
Schon diese beiden Facetten aus<br />
dem folgenden Schreibgespräch<br />
zwischen den Professoren Barbara<br />
Asbrand und Hans Brügelmann skizzieren<br />
das schwierige, manchmal gar heikle<br />
Problemfeld »Kinder – Religion(en) –<br />
<strong>Grundschule</strong>«.<br />
Situation des Religionsunterrichts<br />
<strong>Grundschule</strong> soll Kinder in wichtige<br />
Bereiche der Lebenswirklichkeit einführen,<br />
soll ihre Lebenswelt erhellen,<br />
erweitern und sie in die Lage versetzen,<br />
Lebenswelt mit zu gestalten.<br />
Zu den schwierigsten, aber auch<br />
wichtigsten Aufgaben der <strong>Grundschule</strong><br />
gehört es, Kinder zur aktiven Auseinandersetzung<br />
mit Grundfragen menschlichen<br />
Lebens zu bringen. Das Fach, das<br />
den Anspruch erhebt, solche Fragen<br />
zum Thema zu machen, ist der Religionsunterricht.<br />
Nach dem Grundgesetz (Art. 7, Abs. 3)<br />
ist Religion »ordentliches Lehrfach« an<br />
öffentlichen Schulen und soll »in Übereinstimmung<br />
mit den Grundsätzen der<br />
Religionsgemeinschaften« (beachte den<br />
Plural, U. H.) erteilt werden.<br />
Damit ist nicht gesagt, dass Religionsunterricht<br />
in allen Jahrgangsstufen<br />
angeboten werden muss. Auch nicht,<br />
dass er nach Konfessionen getrennt zu<br />
erteilen ist. Die Religionsgemeinschaften<br />
– und zwar nicht nur die christlichen!<br />
– haben das Recht, an der Erarbeitung<br />
entsprechender Lehrpläne<br />
mitzuwirken.<br />
Historisch bedingt ist die Wirklichkeit<br />
des Religionsunterrichts in den 16<br />
Bundesländern sehr vielfältig. In den<br />
meisten Bundesländern wird er zurzeit<br />
noch als konfessioneller Unterricht in<br />
gemeinsamer Verantwortung von Staat<br />
und christlichen Kirchen organisiert.<br />
Grob lassen sich folgende Strömungen<br />
der Diskussion um Schule und<br />
Religion(en) umreißen:<br />
1.: Das Plädoyer für die Beibehaltung<br />
des konfessionellen Religionsunterrichts.<br />
Hinzu kommt die Forderung<br />
nach Einführung eines islamischen<br />
Religionsunterrichts zusätzlich zu den<br />
konfessionellen Religionsunterrichten.<br />
2.: Die Forderung nach einem interkulturell<br />
und interreligiös geöffneten, dialogischen<br />
Religionsunterricht.<br />
3.: Das Streben nach einem konfessionell-kooperativen<br />
Religionsunterricht.<br />
Das bedeutet enge Kooperation oder<br />
gar Zusammengehen der beiden großen<br />
christlichen Konfessionen – das Spektrum<br />
reicht von Vereinbarungen der<br />
katholischen und evangelischen Fachlehrer/innen<br />
in Fachkonferenzen bis zu<br />
(phasenweise oder vollständig) gemeinsamem<br />
ökumenischem Religionsunterricht.<br />
4.: Lernbereichsmodelle, die Fächer wie<br />
Ethik, Religion(-skunde), Philosophie in<br />
einem gemeinsamen Unterricht zusammenfassen.<br />
»Religionskunde« wird dabei<br />
verstanden als Unterricht, in dem »objektiv«<br />
über Religionen informiert wird.<br />
Situation der Kinder<br />
Die Lebensbedingungen von Grundschulkindern<br />
heute markieren das Umfeld,<br />
in das Religionsunterricht und die<br />
Diskussion darüber gestellt sind:<br />
●●<br />
In den alten Bundesländern gehören<br />
die meisten Kinder formal noch immer<br />
einer der beiden großen christlichen<br />
Kirchen an.<br />
●●<br />
In den neuen Bundesländern gehören<br />
die meisten Kinder keiner Kirche an<br />
und sind bewusst »kirchenfern« erzogen<br />
worden.<br />
●●<br />
Der Anteil konfessionsloser Kinder<br />
steigt ständig.<br />
●●<br />
In ganz Deutschland erfährt nur<br />
noch eine Minderheit der Kinder offen<br />
gelebte kirchliche oder religiöse Praxis.<br />
●●<br />
Viele Eltern stehen den »Amtskirchen«<br />
reserviert gegenüber. Die Kirchen<br />
werden meist als »Dienstleistungsunternehmen«<br />
in Anspruch genommen<br />
(Geburt, Hochzeit, Todesfall).<br />
●●<br />
Deutlich wird eine Tendenz zur »Religionsmischung«<br />
– Glaube als »spiri tuel-<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
3
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
konfessionellen Religionsunterricht ist.<br />
Allerdings ist die Auseinandersetzung<br />
ein Beleg für die drängende Frage, ob<br />
gemeinsames Lernen auch in Bezug auf<br />
Themen wie Ethik und Religion in unserer<br />
Gesellschaft erwünscht ist. Zugespitzt<br />
geht es um die Fragen:<br />
Kann Bildungsinhalt der öffentlichen<br />
Schule das Wissen sein, das Religionsgemeinschaften<br />
über sich selbst und<br />
über einander vermitteln?<br />
Oder sind Kenntnisse über Religion(en)<br />
ein gesellschaftlich bedeutsamer<br />
Bildungsinhalt und wird Unterricht<br />
darüber für alle Schülerinnen und<br />
Schüler gemeinsam angeboten?<br />
ler Baukasten«. Alle Religionen existieren<br />
nebeneinander und werden von den<br />
Menschen kombiniert. Man holt sich<br />
überall das Beste heraus. So schafft sich<br />
der einzelne Mensch die Glaubensvorstellungen,<br />
die zum eigenen Leben und<br />
Erfahrungshorizont passen.<br />
Vor 15 Jahren schon hielt eine Gruppe<br />
von WissenschaftlerInnen in Anbetracht<br />
solcher Tendenzen den konfessionsgebundenen<br />
Religionsunterricht für<br />
grundsätzlich fragwürdig. Zudem widerspreche<br />
er dem »inklusiven Selbstverständnis<br />
der <strong>Grundschule</strong>«. Beim<br />
wichtigen Gespräch über grundlegende<br />
ethische, philosophische und religiöse<br />
Fragen werden die Kinder getrennt.<br />
Dabei wird diese Aufteilung von Kindern<br />
vor allem in den ersten Schuljahren<br />
überhaupt nicht verstanden und ist<br />
schon von daher pädagogisch nicht zu<br />
rechtfertigen: »Diese Praxis betont das<br />
Trennende zwischen den Menschen<br />
und erschwert den Dialog zwischen den<br />
Religionen« (Faust-Siehl u. a. (1996),<br />
S. 103).<br />
Integrative Modelle des Religionsunterrichts,<br />
wie sie besonders in den<br />
skandinavischen Ländern zu finden<br />
sind, betonen den Wert des Unterrichts<br />
im Klassenverband – in Abgrenzung zur<br />
konfessionellen Trennung der Kinder.<br />
Dies gibt Kindern den Raum, gemeinsam<br />
den Umgang mit Verschiedenheit<br />
und unterschiedlichen Glaubenswahrheiten<br />
zu erlernen und miteinander zu<br />
bedenken. Aktuell ist offenbar gerade<br />
diese Kompetenz vonnöten, um Tendenzen<br />
zur Bildung von – auch religiös<br />
grundierten – Parallelgesellschaften<br />
vorzubeugen.<br />
Plädoyers für die Integration von Religions-<br />
und Ethikunterricht fußen auf<br />
der Einsicht, dass Wissen über religiöse<br />
und weltanschauliche Pluralität ein unverzichtbarer<br />
Aspekt von Bildung ist,<br />
und dass die Schule einen gemeinsamen<br />
Raum dafür bieten sollte. (Dies hätte<br />
naturgemäß auch erhebliche Konsequenzen<br />
für die Lehrerausbildung.)<br />
In der teilweise aggressiven Debatte<br />
um Ethik- und Religionsunterricht in<br />
Berlin wurden die Grundlinien der<br />
Kontroverse deutlich:<br />
»Pro Reli« war ein Volksbegehren<br />
im Land Berlin, dessen Ziel es war,<br />
durch einen Volksentscheid das Schulgesetz<br />
Berlins zu ändern. Dieses sieht<br />
seit 2006 für die Klassenstufen 7 bis<br />
10 das neu eingeführte Fach Ethik als<br />
ordentliches Lehrfach vor, während<br />
Religions- und Weltanschauungsunterricht<br />
– wie seit 1948 – in Berlin ab<br />
der ersten Klasse zusätzlich freiwillig<br />
besucht werden kann. »Pro Reli« wollte<br />
diese Regelung durch eine nach Konfessionen<br />
getrennte Wahlpflichtfachgruppe<br />
Ethik / Religion ab der ersten<br />
Klasse ersetzen. Beim Volksentscheid<br />
im April 2009 wurde das notwendige<br />
Zustimmungsquorum von 25 Prozent<br />
der Stimmberechtigten verfehlt und<br />
zudem der Gesetzentwurf von den Abstimmenden<br />
abgelehnt.<br />
Der Berliner Ethikunterricht stellt<br />
gerade nicht die Frage nach »pro« oder<br />
»contra Reli«, da er unabhängig vom<br />
Frage-Zeichen<br />
Seit Anfang der neunziger Jahre wurde<br />
vielfach die Krise des konfessionellen<br />
Religionsunterrichts festgestellt. Stichwörter<br />
wie »Säkularisierung«, »Pluralisierung«<br />
und »Individualisierung« der<br />
Gesellschaft lassen den von den beiden<br />
Großkirchen vertretenen, konfessionell<br />
getrennten Religionsunterricht als Anachronismus<br />
erscheinen.<br />
Die schwindende Zugehörigkeit der<br />
SchülerInnen zu einer der beiden großen<br />
Kirchen und die Zunahme der religiösen<br />
Vielfalt in der Gesellschaft und<br />
im Kontext von Schule führen dazu,<br />
dass konfessioneller Religionsunterricht<br />
nicht mehr einleuchtend erscheint. Seine<br />
Voraussetzung – eine weitgehend religiös<br />
homogene Schülerschaft – besteht<br />
nicht mehr.<br />
Barbara Asbrand (2000) stellte die<br />
Frage nach einer zeitgemäßen Konzeption<br />
von Religionsunterricht, der den<br />
Kindern und ihren religiösen Voraussetzungen,<br />
Erfahrungen und Bedürfnis-<br />
Ulrich Hecker<br />
Grundschulrektor in Moers, Stellv.<br />
Vorsitzender des Grundschulverbands,<br />
Redakteur »<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong>«<br />
4 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
sen gerecht wird und den Erfordernissen<br />
einer modernen Grundschularbeit<br />
entspricht. Ihre zentrale These: In einer<br />
<strong>Grundschule</strong>, die sich als Lern- und<br />
Lebensort versteht und organisiert, ist<br />
konfessionell getrennter Religionsunterricht<br />
ein Fremdkörper. Asbrand geht<br />
es um ein Gesamtkonzept von Religionsunterricht<br />
in der <strong>Grundschule</strong>, das<br />
sich an den Bedürfnissen und Interessen<br />
der Grundschulkinder orientiert.<br />
Ihr geht es um eine »Religionspädagogik<br />
vom Kind aus«.<br />
Aus der inzwischen langen Tradition eines<br />
grundschulpädagogischen Blicks auf<br />
das Thema »Kinder und Religion(en)«<br />
ergeben sich folgende Fragen für die<br />
weiter zu führende Debatte:<br />
»Fachunterricht« versus<br />
»<strong>Grundschule</strong> als Lern- und Lebensort«?<br />
Zeitgemäße Konzepte von Grundschularbeit<br />
verstehen <strong>Grundschule</strong> nicht als<br />
»Unterrichtsschule«, sondern als »Lernund<br />
Lebensort«, als »Lebensort des Lernens«,<br />
wie Richard Meier formulierte.<br />
Damit reagiert <strong>Grundschule</strong> auf ihre<br />
Bedingung »Heterogenität«. Unterricht<br />
im traditionellen Sinne, in dem alle zur<br />
gleichen Zeit lehrgangsmäßig das Gleiche<br />
lernen sollen, wird Kindern nicht<br />
gerecht. Wie aber kann Religionsunterricht<br />
aussehen, der die Gemeinsamkeiten<br />
der Kinder zum Ausgangspunkt<br />
nimmt und religiöse Pluralität ganz<br />
selbstverständlich zum Thema macht?<br />
Orientierung in der religiös<br />
pluralen Wirklichkeit?<br />
Kann »religiöse Erziehung« das übergreifende<br />
Ziel schulischen Religionsunterrichts<br />
sein oder bleiben? Muss nicht<br />
auch für den Religionsunterricht die<br />
Aufgabe der <strong>Grundschule</strong> gelten, Kinder<br />
zu befähigen, sich in einer komplexen<br />
Welt zu orientieren, um dann zu selbstständigen<br />
Entscheidungen über zentrale<br />
Sinn- und Lebensfragen zu kommen?<br />
»Theologische Versatzstücke« oder<br />
»religiöse Welten erkunden«?<br />
Kinder brauchen – gerade auch bei religiösen<br />
Fragestellungen – konkrete Vorstellungen<br />
und Handlungen. Abstrakte<br />
theologische Reflexionen, Vorstellungen<br />
und Sachverhalte können Kinder<br />
nicht nachvollziehen – zumal sie beim<br />
Versuch, sie »kindgemäß« anzubieten,<br />
»Lernbereich Religion, Ethik, Philosophie«<br />
15 Jahre ist es jetzt her, dass eine Gruppe<br />
von WissenschaftlerInnen im und um<br />
den Grundschulverband »Empfehlungen<br />
zur Neugestaltung der Primarstufe« veröffentlicht<br />
hat. Manche dieser Empfehlungen<br />
bieten nach wie vor Diskussionsstoff,<br />
so auch die Forderung nach einem<br />
Lernbereich Religion, Ethik, Philosophie.<br />
Es lohnt, den Diskussionsfaden wieder<br />
aufzunehmen:<br />
oft auch theologisch »schief« oder gar<br />
falsch geraten. Sie haben keinen Platz<br />
im Religionsunterricht der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Religiöse Lebenspraxis und konkrete<br />
religiöse Phänomene, die im familiären<br />
oder im Umfeld der Schule wahrnehmbar<br />
sind, sind für Kinder bedeutsam.<br />
Kinder können gemeinsam religiöse<br />
Feste, Orte religiöser Praxis (Kirche,<br />
Synagoge, Moschee), Gebet, Gottesdienst,<br />
Fasten, heilige Bücher und Gegenstände,<br />
aber auch die vielfältigen<br />
Aktivitäten einer Kirchengemeinde<br />
oder eines Moscheevereins erkunden.<br />
Zusammen leben und lernen – auch<br />
oder nicht im Religionsunterricht?<br />
Ist es eine grundschulpädagogische<br />
Notwendigkeit, Religionsunterricht im<br />
Klassenverband zu konzipieren? Ist der<br />
konfessionell getrennte Religionsunterricht<br />
tatsächlich in einer <strong>Grundschule</strong>,<br />
die sich zum Lern- und Lebensort<br />
bestimmt und Zusammenleben und<br />
-lernen als Erziehungsaufgabe begreift,<br />
ein Fremdkörper? Und wie schließlich<br />
kann ein Religionsunterricht im Klassenverband<br />
in der <strong>Grundschule</strong> gestaltet<br />
werden, an dem Kinder unterschiedlicher<br />
religiöser und weltanschaulicher<br />
Prägung gemeinsam teilnehmen?<br />
»Der Religionsunterricht hat zu jeder Zeit<br />
religiöse, ethische und philosophische<br />
Fragen und Inhalte thematisiert. Wir<br />
schlagen vor, diesen Seiteninhaltsbezug<br />
schon in der Benennung des Lernbereichs<br />
offenzulegen (Lernbereich »Religion,<br />
Ethik, Philosophie«) und religiöse,<br />
ethische und philosophische Fragen und<br />
Inhalte in der Schule nicht mehr aus der<br />
Sicht einer einzelnen Religionsgemeinschaft,<br />
sondern im Hinblick auf die multikulturelle<br />
und multireligiöse Vielfalt<br />
unserer Gesellschaft darzustellen und<br />
– soweit möglich – zu beantworten. Dabei<br />
geht es immer um die dialektische Erfahrung<br />
von Differenz und Gemeinsamkeit<br />
im respektvollen Dialog zwischen<br />
Menschen mit ganz unterschiedlichen<br />
Grundauffassungen.<br />
Der Unterricht über Sinn-, Glaubens- und<br />
Verhaltensfragen sollte (…) – wie in den<br />
anderen Lernbereichen der <strong>Grundschule</strong><br />
auch – tendenziell von den Fragen der<br />
Kinder ausgehen. (…)<br />
Die Lehrerinnen und Lehrer sind daher<br />
auch in diesem Lernbereich immer wieder<br />
aufgefordert, den Kindern die Welt<br />
›fragwürdig‹ zu machen und ihnen fremde<br />
Erfahrungen und Weltsichten als Impuls<br />
für eigenes Fragen und Nachdenken<br />
anzubieten. Hierzu gehören die Begegnung<br />
mit Schriften, Geschichten, Liedern<br />
und Bräuchen, die die verschiedenen<br />
Weltanschauungen hervorgebracht haben,<br />
die ›originale Begegnung‹ mit Menschen<br />
verschiedener Weltanschauungen,<br />
der Besuch von ›heiligen Orten‹, Kirchen,<br />
Tempeln und geeigneten Kulturdenkmälern<br />
sowie das besinnliche Gespräch und<br />
die engagierte Diskussion« (Faust-Siehl<br />
u. a. (1996), S. 104).<br />
Literatur<br />
Asbrand, Barbara (2000): Zusammen Leben<br />
und Lernen im Religionsunterricht. Eine empirische<br />
Studie zur grundschulpädagogischen<br />
Konzeption eines interreligiösen Religionsunterrichts<br />
im Klassenverband der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Frankfurt a. M.: IKO-Verlag.<br />
www.<br />
Das Manuskript dieses anregenden<br />
Buches steht im Internet als PDF-Datei zur<br />
Verfügung: http://goedoc.sub.uni-goettingen.<br />
de/goescholar/bitstream/handle/1/4738/<br />
asbrand.pdf?sequence=1<br />
Bartnitzky, H. / Brügelmann, H. / Hecker, U. /<br />
Heinzel, F. / Schönknecht, G. / Speck-Hamdan,<br />
A. (Hrsg.) (2009): Kursbuch <strong>Grundschule</strong>,<br />
darin Kapitel 17: »Religion und Ethik«,<br />
S. 732ff., Frankfurt a. M.: Grundschulverband<br />
Faust-Siehl, G. / Garlichs, A. / Ramseger,<br />
J. / Schwarz, H. / Warm, U. / Klemm, K (1996):<br />
Die Zukunft beginnt in der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Empfehlungen zur Neugestaltung der<br />
Primar stufe. Ein Projekt des Grundschulverbandes.<br />
Frankfurt a. M.: Arbeitskreis<br />
<strong>Grundschule</strong> – Grundschulverband.<br />
Harz, F. (2006): Kinder und Religion:<br />
Was Erwachsene wissen sollten.<br />
Velber: Kallmeyer.<br />
Schweitzer, F. / Faust-Siehl, G. (Hrsg.) (2000,<br />
erw. Aufl.): Religion in der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Religiöse und moralische Erziehung.<br />
Frankfurt a. M.: Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong> –<br />
Grundschulverband.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
5
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Religion in der <strong>Grundschule</strong> *<br />
Ein Schreibgespräch zwischen Barbara Asbrand, Universität Frankfurt,<br />
und Hans Brügelmann, Universität Siegen<br />
Hans Brügelmann: Die Diskussion<br />
über Religion in der Schule ist durch<br />
die verstärkten Bestrebungen zur Einführung<br />
eines eigenen Islamunterrichts<br />
auf ein neues Gleis gesetzt worden. Man<br />
kann es als Fortschritt sehen, dass endlich<br />
den vielen Kindern muslimischen<br />
Glaubens ein angemessenes Angebot<br />
gemacht wird. Ich habe trotzdem große<br />
Schwierigkeiten mit diesem Schritt. Statt<br />
zu überlegen, wie wir den religiösen Bedürfnissen<br />
aller Kinder gerecht werden<br />
können, schaffen wir Teillösungen für<br />
bestimmte Gruppen – und vernachlässigen<br />
alle, die nicht in diese Schubladen<br />
passen. Das Kernproblem wird daran<br />
deutlich, dass wir schon für Christen<br />
nur zwei Alternativen anbieten: Wo<br />
bleiben die Griechisch-Orthodoxen und<br />
die Freikirchen? Für Muslime wird es in<br />
Zukunft ein Angebot geben, obwohl es<br />
auch dort verschiedene Glaubensrichtungen<br />
gibt. Juden, Buddhisten und andere<br />
bleiben ganz außen vor.<br />
Barbara Asbrand: Ich sehe das Problem<br />
noch grundsätzlicher. Die <strong>Grundschule</strong><br />
hat einen Integrationsauftrag.<br />
Erst nach dem Übergang in weiterführende<br />
Schulen werden Schülerinnen und<br />
Schüler nach Leistung – und wie wir aus<br />
den Schulleistungsvergleichsstudien wie<br />
PISA wissen, damit auch nach sozialer<br />
Herkunft – sortiert. In der <strong>Grundschule</strong><br />
werden dagegen Kinder mit ganz unterschiedlichen<br />
Lernvoraussetzungen,<br />
in jahrgangsgemischten Lerngruppen<br />
* Einige Passagen dieses Beitrags sind<br />
– in variierter Form – übernommen aus der<br />
Einführung zu dem von den Autor/inn/en<br />
gemeinsam verantworteten Kapitel »Religionsunterricht«<br />
in: Bartnitzky, H. u. a. (Hrsg.)<br />
(2009): Kursbuch <strong>Grundschule</strong>. Beiträge<br />
zur Reform der <strong>Grundschule</strong>, Bd. 127/128.<br />
Grundschulverband: Frankfurt. Grundschulverband:<br />
Frankfurt, und aus Brügelmann, H.<br />
(2008): Warum heute noch Religion unterrichten?<br />
Über Chancen und Schwierigkeiten<br />
eines Faches Religion in der <strong>Grundschule</strong>.<br />
In: Grundschulzeitschrift, 22. Jg., H. 212/213,<br />
13 – 15.<br />
zunehmend auch unterschiedlichen Alters,<br />
Kinder mit und ohne Förderbedarf<br />
und Kinder unterschiedlicher sozialer<br />
Herkunft gemeinsam unterrichtet. In<br />
der <strong>Grundschule</strong> ist das Klassenlehrerprinzip<br />
weit verbreitet, darin dokumentiert<br />
sich die besondere Bedeutung<br />
der sozialen Beziehungen innerhalb der<br />
Lerngruppe für die Grundschulkinder.<br />
Auch hat im Vergleich zu anderen Schulformen<br />
die Aufteilung des Lernens in<br />
Unterrichtsfächer und 45-Minuten-Einheiten<br />
in der Praxis des Grundschulunterrichts<br />
eine geringere Bedeutung.<br />
Hans Brügelmann: Aber was bedeutet<br />
das für den Religionsunterricht?<br />
Barbara Asbrand: Religion ist in vielen<br />
<strong>Grundschule</strong>n das einzige Fach, das<br />
in abgegrenzten 45-minütigen Unterrichtsstunden<br />
und von einem Fachlehrer<br />
oder einer Fachlehrerin unterrichtet<br />
wird. Dies ist allein aus organisatorischen<br />
Gründen notwendig, denn nur im<br />
Religionsunterricht werden die Kinder<br />
einer Klasse in unterschiedliche konfessionelle<br />
Lerngruppen aufgeteilt. Vor<br />
dem Hintergrund, dass der schulische<br />
Religionsunterricht für viele Kinder in<br />
der heutigen säkularen Gesellschaft die<br />
erste Begegnung mit Religion darstellt<br />
und für die meisten Kinder ihr eigenes<br />
Katholisch- oder Evangelisch-Sein ohne<br />
Bedeutung ist – jedenfalls bis zu dem<br />
Zeitpunkt, an dem in der Schule der Religionsunterricht<br />
beginnt –, ist der heimliche<br />
Lehrplan des nach Konfessionen<br />
und Religionen getrennten Religionsunterrichts<br />
verheerend: Wie soll eine Erstklässlerin<br />
verstehen, weshalb sie nicht<br />
am Religionsunterricht der Freundin<br />
teilnehmen darf, weil diese »katholisch«<br />
ist, während alles andere im Schulalltag<br />
eines Grundschulkindes gemeinsam in<br />
der vertrauten Lerngruppe stattfindet?<br />
In der <strong>Grundschule</strong> lernen die Kinder<br />
als erstes, dass Menschen unterschiedlicher<br />
Religionszugehörigkeit getrennt<br />
werden müssen und offensichtlich nicht<br />
miteinander über Religiöses gesprochen<br />
werden kann.<br />
Hans Brügelmann: Im Religionsunterricht<br />
werden Kinder nach ihrem Glauben,<br />
nach ihrer Kirchenzugehörigkeit<br />
in Schubladen sortiert.<br />
Barbara Asbrand: Genau. Das Trennende<br />
des Religionsunterrichts wird<br />
mit der Einführung eines islamischen<br />
Religionsunterrichts verschärft. Solange<br />
Religionsunterricht nur katholisch oder<br />
evangelisch etikettiert ist, wird eine Un-<br />
»Von Seiten der Kirchen und einiger<br />
Eltern wird mit Rechtspositionen argumentiert,<br />
um einen konfessionellen<br />
Religionsunterricht zu rechtfertigen.<br />
Das halte ich für problematisch. Der dafür<br />
oft herangezogene Art. 7 III des Grundgesetzes<br />
ist ein Recht des Kindes, nicht der<br />
Glaubensgemeinschaft. Er legt nicht die<br />
Organisationsform, allenfalls die inhaltliche<br />
Ausrichtung von Unterricht fest.«<br />
Prof. Dr. Hans Brügelmann<br />
Professor für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Siegen.<br />
Im Grundschulverband Fach referent für Qualitätsentwicklung<br />
6 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
terscheidung eingeführt, die für die Kinder<br />
zwar nicht bedeutsam, vermutlich<br />
auch nicht verständlich, aber für die Frage<br />
der Integration relativ unschädlich ist.<br />
Dagegen würde die Einteilung der Kinder<br />
in christlichem und islamischen Religionsunterricht,<br />
da die muslimischen<br />
Kinder in der Regel Kinder »mit Migrationshintergrund«<br />
sind, jene problematischen<br />
Unterscheidungslinien zwischen<br />
Menschen unterschiedlicher ethnischer<br />
und religiöser Herkunft verstärken, die<br />
in der Schule eigentlich überwunden<br />
werden sollen. Insofern wird mit dem<br />
Festhalten am konfessionellen Religionsunterricht<br />
in der <strong>Grundschule</strong> meines<br />
Erachtens eine große Chance vertan.<br />
Mit der Integration des religiösen Lernens<br />
in den Klassenverband könnte in<br />
der <strong>Grundschule</strong> ein Grundstein gelegt<br />
werden für ein verständnisvolles Miteinander<br />
von Menschen unterschiedlicher<br />
weltanschaulicher, religiöser und ethnischer<br />
Beheimatung.<br />
Dazu ist es notwendig, dass Kinder<br />
in der <strong>Grundschule</strong> lernen, dass Religion<br />
und Glaube nicht etwas Besonderes,<br />
etwas Anderes oder gar Exotisches,<br />
sondern etwas Selbstverständliches im<br />
Leben vieler Menschen ist. Selbstverständlich<br />
muss deshalb auch der Religionsunterricht<br />
Teil des schulischen<br />
Bildungsauftrags sein.<br />
Hans Brügelmann: Von manchen höre<br />
ich den grundsätzlichen Einwand, der<br />
Umgang mit Sinn- und Wert-Fragen<br />
überfordere Kinder dieser Altersstufe.<br />
Barbara Asbrand: Dann haben die<br />
noch nie ernsthaft mit Kindern gesprochen!<br />
Wenn ihre Katze stirbt, wenn sich<br />
die Eltern trennen, wenn das Fernsehen<br />
von Kriegsschauplätzen berichtet, in<br />
solchen Situationen stellen Kinder sehr<br />
grundsätzliche Fragen.<br />
Hans Brügelmann: Das gilt ja über den<br />
Religionsunterricht hinaus. »Philosophieren<br />
mit Kindern« 1) ist ein Konzept,<br />
das inzwischen vielerorts erfolgreich<br />
erprobt worden ist.<br />
Barbara Asbrand: Erwachsene können<br />
sich oft nicht vorstellen, wie tiefgreifend<br />
Kinder über Fragen der Gerechtigkeit,<br />
über Leben und Tod nachdenken. Entscheidend<br />
ist, ein redliches Gespräch<br />
über diese Fragen zu führen.<br />
Hans Brügelmann: Wobei wichtig ist,<br />
dass die Kinder nicht belehrt werden.<br />
Wie der Religionspädagoge Baldermann<br />
betont: Die ältere Generation<br />
kann angesichts ihres moralischen<br />
und politischen Versagens in Fragen<br />
des Überlebens der Menschheit keine<br />
besondere Autorität für »Antworten«<br />
beanspruchen. Es geht um die Fragen<br />
und Ängste der Kinder, die müssen<br />
ernst genommen werden. 2) Wir müssen<br />
ihnen aber auch eine hoffnungsvolle<br />
Zukunftsperspektive eröffnen<br />
und ihnen helfen, widerstandsfähig zu<br />
werden gegen die Zumutungen einer<br />
reinen Verwertungsgesellschaft.<br />
Barbara Asbrand: In der Religionspädagogik<br />
wurde das Konzept »Philosophieren<br />
mit Kindern« übrigens zur<br />
»Kindertheologie« weiterentwickelt. 3)<br />
Theologische Gespräche mit Kindern<br />
zeigen, wie ernsthaft Kinder über existenzielle<br />
Fragen nachdenken. Für den<br />
Religionsunterricht heißt das, er muss<br />
an ihren Interessen und an ihren konkreten<br />
Erfahrungen anknüpfen.<br />
Hans Brügelmann: Und wir müssen<br />
uns um gehaltvolle Erklärungen<br />
bemühen. Für technische, natur- und<br />
sozialwissenschaftliche Aspekte haben<br />
wir diesen Anspruch mit dem Wechsel<br />
Dr. Barbara Asbrand<br />
ist Universitätsprofessorin für Erziehungswissenschaft<br />
an der Goethe-Universität<br />
Frankfurt am Main.<br />
Sie ist Grundschullehrerin und wurde<br />
an der Frankfurter Universität mit einer<br />
Arbeit über Religionsunterricht im Klassenverband<br />
der <strong>Grundschule</strong> promoviert.<br />
Weitere Arbeitsschwerpunkte sind<br />
Globales Lernen bzw. Bildung für nachhaltige<br />
Entwicklung, Schul entwicklung<br />
und qualitativ-empirische Schul- und<br />
Unterrichtsforschung.<br />
»Wie soll eine Erstklässlerin verstehen, weshalb sie nicht am Religionsunterricht<br />
der Freundin teilnehmen darf, weil diese ›katholisch‹<br />
ist, während alles andere im Schulalltag eines Grundschulkindes<br />
gemeinsam in der vertrauten Lerngruppe stattfindet? …<br />
Mit der Integration des religiösen Lernens in den Klassenverband<br />
könnte in der <strong>Grundschule</strong> ein Grundstein gelegt werden für ein<br />
verständnisvolles Miteinander von Menschen unterschiedlicher<br />
weltanschaulicher, religiöser und ethnischer Beheimatung.«<br />
von der Heimatkunde zum Sachunterricht<br />
akzeptiert. Dass wir zuweilen mit<br />
der Umsetzung Probleme haben, hängt<br />
vor allem damit zusammen, dass viele<br />
Schwierigkeiten haben, die sogenannten<br />
»naiven Theorien« der Kinder ernst<br />
zu nehmen. Obwohl doch der große<br />
Psychologe Jean Piaget schon vor 80<br />
Jahren gezeigt hat, wie wichtig sie für<br />
die Entwicklung des kindlichen Denkens<br />
sind. 4)<br />
Barbara Asbrand: Ja, aber zurück<br />
zum Religionsunterricht. Meine Befürchtung<br />
ist, dass der als Fachunterricht<br />
in eigens eingerichteten konfessionellen<br />
Lerngruppen organisierte<br />
Religionsunterricht so wenig in den<br />
pädagogischen Alltag der <strong>Grundschule</strong><br />
passt, dass Religion als Gegenstand<br />
schulischen Lernens ins Abseits gerät.<br />
Dabei ist Religionsunterricht gerade in<br />
der <strong>Grundschule</strong> so wichtig, da er wie<br />
gesagt für viele Kinder die erste Begegnung<br />
mit Religion darstellt. Auch bzw.<br />
gerade in der gegenwärtigen Gesellschaft,<br />
in der zum Beispiel Debatten<br />
um die Integration von Migranten und<br />
Migrantinnen immer wieder religiös<br />
konnotiert werden, ist es außerordentlich<br />
wichtig, Religion zum Gegenstand<br />
öffentlich verantworteter Bildung zu<br />
machen.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
7
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Hans Brügelmann: Immerhin hat der<br />
Religionsuntericht eine lange Tradition<br />
bei uns in Deutschland – anders als<br />
in Ländern wie Frankreich, wo es eine<br />
klare Trennung zwischen Staat und<br />
Kirche gibt. Aber auch bei uns hat sich<br />
nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland<br />
die Situation doch deutlich verändert.<br />
Säkularisierungsprozesse, Kirchenferne<br />
in vielen Familien und die religiöse<br />
Vielfalt als Folge von Migration führen<br />
dazu, dass sich die Erfahrungsmöglichkeiten<br />
mit Religion für Kinder grundlegend<br />
verändern. Insbesondere nimmt<br />
die Zahl der Kinder zu, für die Erfahrungen<br />
mit Religion überhaupt nicht<br />
(mehr) selbstverständlich sind.<br />
Barbara Asbrand: In einigen Bundesländern<br />
hat das ja auch schon Folgen<br />
für die Gestaltung des Lernbereichs in<br />
der Schule gehabt. Die Vereinigung von<br />
West und Ost hat weniger kirchlich gebundene<br />
Konzepte wie das Fach LER<br />
in Brandenburg oder die Einführung<br />
von Ethikunterricht als verbindliches<br />
Pflichtfach für alle in Berlin hervorgebracht.<br />
Zum anderen haben durch den<br />
wachsenden Anteil von Kindern mit<br />
Migrationshintergrund andere Religionen<br />
an Bedeutung gewonnen. Leider ist<br />
Hamburg das einzige Bundesland, wo<br />
es einen »Religionsunterricht für alle«<br />
gibt, der im Klassenverband stattfindet<br />
und an dessen Konzeption alle Religionsgemeinschaften<br />
gleichermaßen beteiligt<br />
sind.<br />
Hans Brügelmann: Es gibt aber auch<br />
immer wieder Vorstöße, Religion als<br />
Pflichtfach abzuschaffen. Ich verstehe<br />
zwar, wenn Religionspädagogen wie<br />
Ingo Baldermann das Fach als eine Bastion<br />
gegen fremdbestimmtes Lernen und<br />
fachlichen Leistungsdruck stark machen<br />
wollen. Aber die Realität sehe ich anders.<br />
Vor allem scheinen mir Sinnfragen<br />
eng mit anderen Aspekten des alltäglichen<br />
Zusammenlebens verbunden zu<br />
sein. Sie sollten deshalb situativ bei konkreten<br />
Anlässen aufgenommen werden.<br />
Systematisch sind sie in einem integrierten<br />
Sachunterricht zu behandeln, wie er<br />
etwa in Bremen schon seit dem Ende des<br />
2. Weltkriegs üblich ist.<br />
Barbara Asbrand: Auch ich habe Probleme<br />
mit der Konfessionsbindung. Die<br />
damit verbundene soziale Trennung<br />
widerspricht wesentlichen Zielen und<br />
Prinzipien der <strong>Grundschule</strong>. Aber es gibt<br />
auch gute Gründe, an der Fachlichkeit<br />
des Religionsunterrichts festzuhalten:<br />
Fachunterricht gewährleistet, dass die<br />
Auseinandersetzung mit religiösen und<br />
ethischen Fragen tatsächlich stattfindet,<br />
während ein Unterrichtsprinzip immer<br />
in der Gefahr ist, im Alltagsgeschäft vergessen<br />
zu werden. Mit der Fachlichkeit<br />
geht auch einher, dass Lehrerinnen und<br />
Lehrer ausgebildet sind, um die unterrichtliche<br />
Auseinandersetzung mit religiösen<br />
Phänomenen und existentiellen<br />
Fragen theologisch bzw. religionswissenschaftlich<br />
kompetent zu gestalten.<br />
Ferner hat der Religionsunterricht<br />
einen spezifischen Gegenstand, nämlich<br />
den Umgang mit der Differenz von<br />
Immanenz und Transzendenz, also<br />
die Erfahrung bzw. der Glaube von<br />
Menschen, dass es eine Wirklichkeit<br />
jenseits der immanenten Wirklichkeit<br />
gibt. In jüngster Zeit als Kompetenzen<br />
formulierte Zielbestimmungen des Religionsunterrichts<br />
nehmen dies zum<br />
Ausgangspunkt. So formulierte etwa<br />
eine Expertengruppe des Comenius-<br />
Instituts (Münster) fünf Dimensionen<br />
der Erschließung von Religion, die als<br />
Kompetenzen im Umgang mit Religion<br />
als Ziel des religiösen Lernens bestimmt<br />
werden: 5)<br />
●●<br />
Wahrnehmen und Beschreiben religiös<br />
bedeutsamer Phänomene;<br />
●●<br />
Verstehen und Deuten religiös bedeutsamer<br />
Sprache und Glaubenszeugnisse;<br />
●●<br />
Gestalten und Handeln in religiösen<br />
und ethischen Fragen;<br />
●●<br />
Kommunizieren und Beurteilen von<br />
Überzeugungen mit religiösen Argumenten<br />
und im Dialog;<br />
●●<br />
begründete (Nicht-)Teilhabe an religiöser<br />
und gesellschaftlicher Praxis.<br />
Ich finde es sehr überzeugend, Religionsunterricht<br />
als einen Ort zu beschreiben,<br />
der den Erwerb von Kompetenzen<br />
im Umgang mit Religiösem ermöglichen<br />
soll. Was sich daraus für mich allerdings<br />
nicht zwangsläufig ableitet, ist<br />
die Festlegung auf eine bestimmte konfessionelle<br />
inhaltliche Ausrichtung.<br />
Hans Brügelmann: Von Seiten der Kirchen<br />
und einiger Eltern wird aber mit<br />
Rechtspositionen argumentiert, um einen<br />
konfessionellen Religionsunterricht<br />
zu rechtfertigen. Das halte ich für problematisch.<br />
Der dafür oft herangezogene<br />
Art. 7 III des Grundgesetzes ist ein Recht<br />
des Kindes, nicht der Glaubensgemeinschaft.<br />
Er legt nicht die Organisationsform,<br />
allenfalls die inhaltliche Ausrichtung<br />
von Unterricht fest. Auch in einem<br />
interkonfessionellen Religionsunterricht<br />
ist der Glaube des einzelnen Kindes<br />
zu respektieren (vgl. schon Art. 4 des<br />
Grundgesetzes). Zudem bleibt den Eltern<br />
ohne einen konfessionellen Religionsunterricht<br />
immer noch die Möglichkeit,<br />
Bekenntnisschulen zu wählen (Art.<br />
7 V des Grundgesetzes), ganz zu schweigen<br />
von den außerschulischen Einrichtungen,<br />
in denen sie konfessionsbezogene<br />
Angebote finden. Schließlich hat<br />
die Auslegung dieser Vorschriften auch<br />
andere Grundrechte einzubeziehen,<br />
beispielsweise das Persönlichkeitsrecht<br />
kirchlich nicht gebundener Kinder, von<br />
denen es immer mehr gibt.<br />
Barbara Asbrand: Insofern finde ich<br />
wichtig zu berücksichtigen, dass sich<br />
die »Geschäftsgrundlage« des Grundgesetzes<br />
seit 1949 tiefgreifend verändert<br />
hat. Man muss die damals in einer bestimmten<br />
historischen Situation formulierten<br />
Normen auf den heutigen Kontext<br />
hin auslegen.<br />
Hans Brügelmann: Trotzdem müssen<br />
wir uns der Realität stellen: Auf absehbare<br />
Zeit wird der Religionsunterricht<br />
in der Regel als konfessionell getrennter<br />
Fachunterricht organisiert bleiben, der<br />
nicht selten darüber hinaus durch schulfremde<br />
Personen wie beispielsweise Pfarrerinnen<br />
und Vikare erteilt werden.<br />
Barbara Asbrand: Genau das halte ich<br />
für problematisch. Eine Fachlehrerin<br />
mit zwei Stunden pro Woche kann nur<br />
schwer das Vertrauen aufbauen, dass beispielsweise<br />
eine Klassenlehrerin durch<br />
das intensive Zusammensein mit ihren<br />
Kindern über die Zeit entwickelt. 6) Solange<br />
Religionsunterricht vorgeschrieben<br />
ist, gilt es deshalb nach Möglichkeiten zu<br />
suchen, den Lernbereich stärker in das<br />
Schulleben und in fächerübergreifende<br />
Lernarrangements zu integrieren. 7)<br />
Hans Brügelmann: Wir müssen übergreifende<br />
Unterrichtsprinzipien und<br />
die Rhythmisierung des Schulvormittags<br />
auch für den Religionsunterricht<br />
fruchtbar machen.<br />
8 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Konkret: Aus Integration und Differenzierung<br />
als pädagogischen Leitideen<br />
folgen vier didaktisch-methodische<br />
Grundsätze:<br />
●●<br />
keine Trennung der Kinder oder Ausschluss<br />
von Minderheiten, zumindest<br />
gleichwertige Angebote für alle Kinder<br />
(Muslime, Buddhisten – Atheisten!);<br />
●●<br />
Aufklärung und Öffnung der Weltsicht,<br />
nicht Schließung und Bindung<br />
(»Erkenntnis statt Bekenntnis« – wie im<br />
Politikunterricht);<br />
●●<br />
Verständnis und Anerkennung unterschiedlicher<br />
Sichtweisen;<br />
●●<br />
Respektierung individueller Rückzüge.<br />
Das bedeutet den Verzicht auf eine<br />
Alleinzuständigkeit der Lehrperson. Sie<br />
muss auch andere Glaubensrichtungen<br />
fair und glaubwürdig vorstellen oder<br />
deren Repräsentanten in ihren Unterricht<br />
einladen. Nur in Auseinandersetzung<br />
mit solchen Menschen können<br />
Kinder ihren Blick weiten und eine eigene<br />
Position entwickeln.<br />
Bleibt die Frage nach der Auswahl<br />
der Inhalte.<br />
Barbara Asbrand: Stimmt. Dabei ist<br />
die Frage zu beantworten, welche Rolle<br />
Religion in der modernen Gesellschaft<br />
spielt, welche Bedeutung Religion im<br />
Leben der Kinder in einem multireligiösen<br />
und säkularisierten Umfeld hat<br />
und wie sich religiöse Vorstellungen,<br />
Wahrnehmung und Denken entwickeln<br />
bzw. angeeignet werden.<br />
Hans Brügelmann: Das ist aus der<br />
Perspektive der Grundschulpädagogik<br />
aber die zentrale Fragestellung bei der<br />
Konzeption des Religionsunterrichts.<br />
Ziele und Inhalt des Religionsunterrichts<br />
sollten sich aus der Bedeutung religiöser<br />
Phänomene für Kinder in ihrer<br />
heutigen Lebenswelt ergeben.<br />
Barbara Asbrand: Das sehe ich genauso.<br />
In theologischen Gesprächen<br />
sollten die eigenen Sinn- und Wertfragen<br />
der Kinder im Mittelpunkt stehen.<br />
Aber auch Geschichten aus der religiösen<br />
Tradition, z. B. biblische Geschichten,<br />
können für Kinder Anlass sein,<br />
eigene Erfahrungen zu thematisieren<br />
und zu verarbeiten. Alle Religionen<br />
verfügen über einen reichen Schatz an<br />
Geschichten, in denen elementare religiöse<br />
Erfahrungen anschaulich vermittelt<br />
werden. Drittens wird Religion für<br />
Kinder in den unterschiedlichen Formen<br />
religiöser Praxis konkret erfahr-<br />
bar. Zum Beispiel, wenn religiöse Feste<br />
gefeiert werden, wenn Menschen zum<br />
Gottesdienst in die Kirche oder zum<br />
Gebet in die Moschee gehen oder sich<br />
in diakonischen oder karitativen Projekten<br />
engagieren. Das ist im Übrigen<br />
auch das Konzept des performativen<br />
Religionsunterrichts, dem es um das<br />
Erleben religiöser Rituale und Praktiken<br />
geht – Erfahrungen, die Kindern<br />
heute häufig fehlen. 9)<br />
Allerdings bin ich nicht der Meinung,<br />
dass es dabei nur um die Performanz<br />
christlicher Religiosität gehen sollte.<br />
Denn das Ziel des Religionsunterrichts<br />
kann es nicht sein, Kindern eine bestimmte<br />
Religiosität nahe zubringen<br />
(z. B. im Sinne christlich religiöser Erziehung),<br />
sondern das Ziel des schulischen<br />
Religionsunterrichts sollte die<br />
Fähigkeit sein, sich in religiösen und<br />
ethischen Fragen orientieren zu können.<br />
Wie ich bereits gesagt habe, es geht<br />
um den Erwerb von Kompetenzen im<br />
Umgang mit religiösen Phänomenen –<br />
in einer säkularisierten und multireligiösen<br />
Gesellschaft.<br />
Hans Brügelmann: Dazu passt, wie<br />
ich das grundsätzlich gewandelte<br />
Selbstverständnis der <strong>Grundschule</strong><br />
sehe: Sie ist entstanden im Schoß der<br />
Kirche als Stätte der Bekehrung, d. h.<br />
der Erziehung zum rechten Glauben.<br />
Im Laufe der Jahrhunderte hat sie sich<br />
über einen Ort der Belehrung, an dem<br />
es um die Vermittlung des richtigen<br />
Wissens ging, entwickelt zu einem Forum<br />
der Begegnung von Generationen<br />
und Kulturen. Auf diesen Geist der<br />
Gestaltung von Schule kommt es aus<br />
meiner Sicht an. Dann kann auch ein<br />
konfessioneller Religionsunterricht für<br />
alle Kinder akzeptabel sein.<br />
Anmerkungen<br />
(1) Martens, E. / Michalik, K. (2006):<br />
Wie wäre es, einen Frosch zu küssen?<br />
Philosophieren mit Kindern im Grundschulunterricht.<br />
Westermann: Braunschweig.<br />
(2) Baldermann, I. (1998): Kinder und der<br />
Sinn des Lebens – ihre Hoffnungen, Ängste,<br />
Fragen. In: Brügelmann, H. (Hrsg.) (1998):<br />
Kinder lernen anders: vor der Schule – in der<br />
Schule. Libelle: CH Lengwil, S. 107 – 127.<br />
(3) Bucher, A. A. u. a. (Hrsg.) (2002ff.):<br />
Jahrbuch für Kindertheologie. Stuttgart.<br />
(4) Piaget, J. (1980): Das Weltbild des Kindes.<br />
Klett-Cotta im Ullstein-Taschenbuch 39001:<br />
Frankfurt u. a. (frz. 1926).<br />
(5) Fischer, D. / Elsenbast, V. (Red.) (2009):<br />
Grundlegende Kompetenzen religiöser<br />
Bildung. Zur Entwicklung des evangelischen<br />
Religionsunterrichts durch Bildungsstandards<br />
für den Abschluss der Sekundarstufe<br />
I. Comenius-Institut, Münster 2006;<br />
vgl. Feindt, A. u .a. (Hrsg.): Kompetenzorientierung<br />
im Religionsunterricht.<br />
Befunde und Perspektiven. Münster.<br />
(6) Vgl. die Beispiele in: Bambach, H. (1989):<br />
Erfundene Geschichten erzählen es richtig.<br />
Lesen und Leben in der Schule. Ekkehard<br />
Faude Verlag: Konstanz (2. Aufl. 1993,<br />
Libelle: CH Lengwil).<br />
(7) Schweitzer, F. / Faust-Siehl, G. (Hrsg.)<br />
(1994): Religion in der <strong>Grundschule</strong>.<br />
Religiöse und moralische Erziehung. Beiträge<br />
zur Reform der <strong>Grundschule</strong> Bd. 92/93.<br />
Arbeitskreis <strong>Grundschule</strong>: Frankfurt.<br />
(9) Klie, T. / Leonard, S. (Hrsg.) (2008):<br />
Perfor mative Religionsdidaktik. Religionsästhetik<br />
– Lernorte – Unterrichtspraxis.<br />
Stuttgart.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
9
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Andreas Schultheiß<br />
»Gefährlich ist der Monomythos …«<br />
Religionsunterricht für alle – ein Hamburger Modell<br />
»Gefährlich ist immer und mindestens der Monomythos; ungefährlich hingegen<br />
sind die Polymythen. Man muss viele Mythen – viele Geschichten haben<br />
dürfen, darauf kommt es an; wer – zusammen mit allen anderen Menschen – nur<br />
einen Mythos – nur eine einzige Geschichte – hat und haben darf, ist schlimm<br />
dran. Darum eben gilt: Bekömmlich ist die Polymythie, schädlich ist die Monomythie.<br />
Wer polymythisch – durch Leben und Erzählen – an vielen Geschichten<br />
teilnimmt, hat durch die jeweils eine Geschichte Freiheit von der jeweils anderen<br />
et vice versa und durch weitere Interferenzen vielfach überkreuz; wer monomythisch<br />
– durch Leben und Erzählen – nur an einer einzigen Geschichte<br />
teilhaben darf oder muss, hat diese Freiheit nicht: er ist ganz und gar – sozusagen<br />
durch eine monomythische Verstrickseinsgleichschaltung – mit Haut und<br />
Haaren von ihr besessen. Wegen dieses Zwangs zur restlosen Identität mit dieser<br />
Alleingeschichte verfällt er narrativer Atrophie und gerät in das, was man<br />
nennen kann: die Unfreiheit der Identität aus Mangel an Nichtidentität.«<br />
Odo Marquard<br />
Wie fassen Sie denn den Koran<br />
an?«, fragt mich freundlich,<br />
aber bestimmt eine 15-jährige<br />
Schülerin aus Afghanistan. Ein wenig<br />
erschrocken frage ich zurück: »Was<br />
habe ich denn falsch gemacht?« »Sie<br />
müssen das so machen«, sagt sie und<br />
steht auf. Sie nimmt das Tuch, das ich<br />
etwas achtlos beiseite getan hatte, bedeckt<br />
damit eine ausgestreckte Hand,<br />
und darauf legt sie in andächtiger Haltung<br />
das heilige Buch.<br />
»Was mache ich denn nun?«, sage ich<br />
unsicher. Sie tröstet mich mit den Worten:<br />
»Sie konnten das ja nicht wissen.«<br />
Eine befreundete Lehrerin hatte mich<br />
gebeten, ihrer 9. Klasse eine Einführung<br />
in die drei monotheistischen Religionen<br />
zu geben.<br />
Nun, im Christentum kenne ich mich<br />
selbstverständlich aus. Und für Judentum<br />
und Islam kann das Pädagogisch-<br />
Theologische Institut (PTI) auf einige<br />
befreundete Spezialisten zurückgreifen,<br />
die manchmal auch in den Unterricht<br />
kommen. Was letztere betrifft, hatte<br />
es jedoch Terminprobleme gegeben,<br />
so dass ich mir selbst helfen musste.<br />
In diesem Fall griff ich nach einem<br />
religionspädagogischen Strohhalm: der<br />
Islam kiste, einer Sammlung von Gegenständen,<br />
Symbolen und Texten, die über<br />
die Essentials des Islam anschaulich<br />
Auskunft geben, wie sie das PTI für die<br />
Einführung in die Weltreligionen angelegt<br />
hat. Außerdem hatte ich den SchülerInnen<br />
zu verstehen gegeben, dass ich<br />
den Muslimen unter ihnen fraglos die<br />
größere Kompetenz einräumte. Und so<br />
war es dann auch gekommen.<br />
Aber in diesem Augenblick verstand<br />
ich, was Odo Marquard meint, wenn er<br />
von der Gefahr der Monomythie und<br />
der befreienden Wirkung der Polymythie<br />
spricht. Meine deutsche Bibel<br />
besteht vielfach aus losen Seiten, überall<br />
finden sich Unterstreichungen und<br />
Randbemerkungen. Meine hebräische<br />
Bibel und das griechische Neue Testament<br />
enthalten zahlreiche bunt unterstrichene<br />
Texte, Übersetzungshilfen<br />
und Kommentare aus Vorlesungen. Last<br />
not least die umgeknickten Ecken. Aber<br />
so und nicht anders will ich sie. Mein<br />
Freund, ein Rabbiner, streicht nichts in<br />
seiner Bibel an, sie sieht immer wie neu<br />
aus. Ebenso verhält es sich mit meinen<br />
muslimischen Bekannten. Wenn meine<br />
Bibel wirklich einmal verbraucht<br />
ist, würde ich sie – mit einem gewissen<br />
Zögern – wegschmeißen. Einen ausgedienten<br />
Koran oder eine entsprechend<br />
gealterte hebräische Bibel kann man<br />
nicht fortwerfen. Sie müssen begraben<br />
werden. Ja, bin ich denn ein Banause,<br />
was den Umgang mit dem heiligen Buch<br />
betrifft, oder begegnen uns hier einfach<br />
unterschiedliche Haltungen, die historisch<br />
gewachsen sind und jede für sich<br />
ihren Sinn haben?<br />
Im Hochmittelalter rühmten sich die<br />
christlichen Fürsten ihrer Unkenntnis<br />
im Lesen und Schreiben, während die<br />
jüdischen und muslimischen Kinder<br />
Bibel und Koran zu lesen wussten. Im<br />
sechzehnten Jahrhundert erscheint die<br />
Bibel in allen europäischen Sprachen.<br />
Jeder soll die Botschaft in seiner Muttersprache<br />
vernehmen und ggf. auch lesen<br />
können.<br />
Denn – so die reformatorische Sicht –<br />
der jeweilige Urtext ist zwar näher am<br />
Gemeinten, aber jeder Mensch hat prinzipiell<br />
die gleiche Fähigkeit, das Wort<br />
Gottes zu verstehen. Ist die deutsche<br />
Übersetzung weniger heilig als der arabische<br />
oder hebräische Urtext? Ist ein<br />
Text überhaupt heilig oder mache ich<br />
ihn durch meine innere Haltung erst<br />
dazu?<br />
Diese in der Tradition der Aufklärung<br />
stehenden Fragen kann natürlich<br />
nicht jeder einfach mitgehen.<br />
Die Regel heißt: Niemanden verletzen<br />
in seiner religiösen Haltung, aber<br />
auch niemandem etwas zumuten, was<br />
seinem Denken und Fühlen widerspricht.<br />
Und dann sind wir in einem lebhaften<br />
Gespräch über das, was uns heilig<br />
ist, über den Umgang mit Büchern und<br />
Schriften, mit der Bedeutung von Texten.<br />
Und jede Ansicht, so finden wir<br />
heraus, hat ihren Sinn, keine kann für<br />
sich die alleinige Wahrheit in Anspruch<br />
nehmen. Wir müssen uns die Art des<br />
Umgangs mit unseren heiligen Schriften<br />
gegenseitig nicht vorschreiben.<br />
Dabei ist bisher nur von Buchdeckeln<br />
und Seiten die Rede gewesen, nicht aber<br />
von den in ihnen enthaltenen Texten.<br />
Und schon haben sich Welten aufgetan.<br />
Wie erst, wenn wir zu den Texten selbst<br />
kommen. Die Zeiten, in denen bei dem<br />
Vergleich zwischen Parallel geschichten<br />
in Bibel und Koran unter dem Motto<br />
»Welche ist denn nun die richtige Version?«<br />
gestritten wurde, sind vorbei. In<br />
Hamburg jedenfalls. Oder wenigstens<br />
dort, wo interreligiös unterrichtet wird.<br />
Grundschulkinder lernen bzw. werden<br />
10 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
nicht daran gehindert, unterschiedliche<br />
Perspektiven einzunehmen. Abraham<br />
z. B. und seine beiden Söhne Ismael<br />
und Isaak. Ismael geht (bekanntlich)<br />
aus der Verbindung zwischen Abraham<br />
und seiner Magd Hagar hervor, da seine<br />
Frau Sarah ihm bis dato keinen Sohn<br />
gebären konnte. Als Sarah hochbetagt<br />
schließlich doch noch schwanger wird<br />
und Isaak zur Welt bringt, wird’s eng<br />
im Hause Abraham. Auf Betreiben von<br />
Sarah im Einverständnis mit Gott verbannt<br />
Abraham Hagar mit ihrem Sohn<br />
Ismael in die Wüste. Keine sehr schöne<br />
Sache, wie immer wieder angemerkt<br />
wurde. Selbst wenn Gott verspricht, sich<br />
der beiden anzunehmen.<br />
Mit der koranischen Erzählung aber<br />
wechseln wir die Perspektive und befinden<br />
uns plötzlich bei Hagar in der<br />
Wüste, die Todesängste um ihren Sohn<br />
aussteht. Und ab sofort ist es nicht mehr<br />
möglich, von einer Haupt- und einer<br />
Nebengeschichte zu sprechen. Wenn<br />
dann die beiden Söhne und Halbbrüder<br />
gemeinsam den Vater zu Grabe tragen<br />
und sich versöhnen, wie man annehmen<br />
darf, dann »kommt Freude auf« bei<br />
den Kindern. Sie ahnen, dass erst jetzt,<br />
mit der Versöhnung der miteinander<br />
in Konkurrenz liegenden Brüder, wie<br />
es Talmudlegenden erzählen, die ganze<br />
Wahrheit an den Tag gekommen ist.<br />
Nach wie vor bestehen in der Religionspädagogik<br />
unterschiedliche Ansichten<br />
über den Charakter des Dialogs.<br />
Eine Meinung lautet, dass nur derjenige<br />
zum Dialog befähigt sei, der einen eigenen<br />
festen Standpunkt besitze. Demgegenüber<br />
lautet eine andere Auffassung,<br />
dass ein wirklicher Dialog erst zustande<br />
käme, wenn die Dialogpartner sozusagen<br />
ihre Festung verließen und sich<br />
gemeinsam auf unbekanntes Terrain<br />
wagen. Ergebnisoffen.<br />
Ich neige zu der zweiten Auffassung,<br />
weiß aber auch, welche Ängste eine<br />
solche Haltung auslösen kann. Ängste,<br />
den eigenen Boden unter den Füßen<br />
zu verlieren. So wurde lange Zeit gegen<br />
den interreligiösen Religionsunterricht<br />
– vor allem im Grundschulalter – mit<br />
dem Argument polemisiert, dass ein<br />
Kind zunächst in seiner eigenen Religion<br />
gefestigt sein müsse, bevor es in der<br />
Lage sei, sich mit einer Fremdreligion<br />
auseinanderzusetzen. Unsere Erfahrungen<br />
in Hamburg sprechen gegen diese<br />
Befürchtung.<br />
Wir beobachten die hohe Integrationsfähigkeit<br />
von Kindern und<br />
Jugendlichen, ihre Kompetenz zum<br />
Dia logischen, wie wir überhaupt davon<br />
ausgehen müssen, dass jeder Entwicklungsschritt<br />
das Ergebnis einer offenen<br />
Begegnung mit dem Neuen ist.<br />
Ein Grundthema des Rahmenplanes<br />
für den Religionsunterricht ist die<br />
Auseinandersetzung mit den Schöpfungsberichten<br />
und -mythen in den<br />
verschiedenen Religionen. Nicht nur die<br />
Tatsache, dass alle Völker Ursprungsmythen<br />
auf dem Stand ihrer jeweiligen<br />
Kenntnisse und Erkenntnisse hervorgebracht<br />
haben, weckt das Interesse von<br />
SchülerInnen. Auch die Erkenntnis,<br />
dass moderne Weltentstehungstheorien<br />
antike Schöpfungsmythen gar nicht<br />
widerlegen müssen, weil sie eine ganz<br />
andere Fragerichtung haben, befreit<br />
Religionsunterricht für alle<br />
»In evangelischer Verantwortung und<br />
ökumenischer Offenheit« steht der<br />
»Hamburger Weg« eines interreligiös<br />
strukturierten Religionsunterrichts.<br />
In Deutschland wird der Religionsunterricht<br />
in fast allen Bundesländern<br />
nach Konfessionen bzw. Religionen getrennt<br />
erteilt. Anders in Hamburg: Angesichts<br />
von 106 Religionsgemeinschaften<br />
in dieser Stadt, steigender<br />
Pluralisierung der Lebensstile und Lebenswelten<br />
sowie zunehmender Vielfalt<br />
der ethnischen, kulturellen und<br />
sprachlichen Herkunft der Schülerinnen<br />
und Schüler versteht sich der Hamburger<br />
»Religionsunterricht für alle« als<br />
ein gemeinsamer Lernort für alle Kinder<br />
und Jugendliche ungeachtet ihrer<br />
jeweiligen religiösen und weltanschaulichen<br />
Überzeugungen.<br />
He<br />
von unsinnigen Alternativen. Naturwissenschaften<br />
fragen nicht nach Lebenssinn<br />
und Weltdeutung. Sie erklären<br />
uns Entstehungszusammenhänge, und<br />
zwar mit dem jeweils tauglichsten Modell.<br />
Der biblische Schöpfungsbericht im<br />
1. Buch Mose Kapitel 1 verfährt gar nicht<br />
anders. Wenn Sonne und Mond, das sei<br />
hier nur nebenbei bemerkt, keine Götter<br />
mehr sind, sondern Lichter für Tag<br />
und Nacht, dann ist hier im 7. oder 8.<br />
vorchristlichen Jahrhundert ein äußerst<br />
bedeutender Erkenntnisschritt getan.<br />
Aber wenden wir uns der Frage nach<br />
Lebenssinn und Weltdeutung zu, wie sie<br />
uns in der Geschichte von Adam und<br />
Eva und dem Genuss der verbotenen<br />
Frucht begegnet. Was bis heute unter<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
11
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Andreas Schultheiß<br />
»Ich bin evangelischer Pastor von Beruf,<br />
habe über 20 Jahre im Pädagogisch-<br />
Theologischen Institut Lehrerfortbildung<br />
im Fach Religion durchgeführt<br />
und bin seit meiner Pensionierung<br />
2009 freier Mitarbeiter des Instituts.«<br />
Sündenfall und Erbsünde verstanden<br />
wird und – für mich nachvollziehbar –<br />
viele Menschen abstößt, ist das Ergebnis<br />
theologischer Überlegungen des heiligen<br />
Augustinus im Anschluss an Paulus:<br />
mit Adam und Eva – letztere natürlich<br />
als Hauptverantwortliche – kommt<br />
das Böse in die Welt, und entsprechend<br />
ist das Leben auf der Erde schwierig.<br />
In der jüdischen Auslegungstradition<br />
hingegen wird der Verlust des Paradieses<br />
nicht nur als Schmerz empfunden,<br />
er ist gleichzeitig Befreiung und markiert<br />
das Ankommen des Menschen bei<br />
sich selbst und der Verantwortung für<br />
sein Handeln.<br />
Das islamische Denken wiederum<br />
konnte sich – so verstehe ich die Parallelgeschichte<br />
im Koran – nicht abfinden<br />
mit einem endgültigen Bruch zwischen<br />
Gott und Mensch und stellt an das Ende<br />
des Berichts die Versöhnung. Sozusagen<br />
damit es auch Spaß macht, in der Welt<br />
zu leben.<br />
Wer wollte behaupten, dass eine einzige<br />
dieser Weltsichten die alleinige<br />
Wahrheit für sich beanspruchen könnte<br />
oder umgekehrt gänzlich abwegig sei?<br />
Wäre es nicht ein schönes Ziel,<br />
SchülerInnen dazu zu befähigen, eben<br />
diese unterschiedlichen Weltsichten<br />
zu integrieren und als Menschen in<br />
Eigenverantwortlichkeit das Leben so<br />
zu gestalten, dass es trotz unabwendbarer<br />
Mühe und Plage und der Existenz<br />
des Bösen lohnenswert ist!<br />
Bleibt die Frage nach den scheinbar<br />
unversöhnlichen Widersprüchen zwischen<br />
den Religionen? Zum Beispiel:<br />
Jesus – Gottes Sohn oder Prophet?<br />
Oder: Das Bilderverbot in den einen<br />
Religionen kontra den Bilderreichtum<br />
in den anderen Religionen. Oder: Buddhistischer<br />
Atheismus kontra Monotheismus<br />
und Polytheismus. Ich schlage<br />
folgende Überlegung vor: In der Regel<br />
negiert eine Religion an einer anderen<br />
gerade diejenigen Anschauungen, die<br />
auf ihrer eigenen Seite als Randpositionen<br />
oder sog. Ketzereien auftreten.<br />
In dem Maße also, wie sie sich gegenüber<br />
ihrer eigenen Vielfalt als integrationsfähig<br />
erweist, könnte eine Religion<br />
auch Frieden mit der anderen Religion<br />
schließen.<br />
Der »Religionsunterricht für alle«,<br />
wie er – mit Ausnahme der katholischen<br />
Kirche von allen Religionsgemeinschaften<br />
in Hamburg akzeptiert –<br />
durchgeführt wird, hat seine rechtliche<br />
Grundlage in Artikel 7, 3 des GG. Nach<br />
z. T. heftigem innerkirchlichem Streit<br />
in Deutschland wurde eine Formel gefunden,<br />
die rechtlich vertretbar und<br />
inhaltlich akzeptabel erschien: Religionsunterricht<br />
für alle in evangelischer<br />
Verantwortung. Hierin liegt die Bedingung<br />
für diese Form des Hamburger<br />
Religionsunterrichts, aber auch eine<br />
Schwäche: die nichtchristlichen Religionsgemeinschaften<br />
sind gegenüber der<br />
rechtlichen Trägerin – der Nordelbischen<br />
Ev.-luth. Kirche – nicht gleichberechtigt.<br />
Bisher jedenfalls nicht.<br />
Die Idee zu einem »Religionsunterricht<br />
für alle« entstand vor nunmehr<br />
fast zwanzig Jahren. Angesichts der sich<br />
wandelnden Schülerschaft im Sinne<br />
einer Multikulturalität und einer deutlichen<br />
Minderheit explizit christlich<br />
orientierter SchülerInnen erschien ein<br />
rein evangelischer Religionsunterricht<br />
ebenso wenig pädagogisch vertretbar<br />
wie separiertes Lernen, wenn es um<br />
Lebenssinn und Weltdeutung geht. Allerdings<br />
musste ein dem entsprechender<br />
Unterricht weltanschaulich und<br />
religiös offen gestaltet werden. Ein interreligiöser<br />
Gesprächskreis wurde ins<br />
Leben gerufen, dem VertreterInnen der<br />
verschiedenen Religionsgemeinschaften<br />
angehören. Hier wurden die ersten<br />
Schritte des interreligiösen Dialogs gewissermaßen<br />
vorexerziert. Über ein gemeinsames<br />
Manifest Ende der 90er Jahre<br />
konnte die Zustimmung von Eltern,<br />
Lehrern und Behörde für das Konzept<br />
gewonnen und wenige Jahre später ein<br />
neuer Rahmenplan erstellt werden.<br />
Heute geht es schon lange nicht mehr<br />
um Fragen nach dem Was oder Warum,<br />
sondern um ein immer differenzierteres<br />
Wie. Wie werden LehrerInnen qualifiziert<br />
für den interreligiösen Dialog in<br />
der Klasse? Hier wurde mit der Gründung<br />
der Akademie der Weltreligionen<br />
ein wichtiger Schritt vollzogen.<br />
Wie gelangen wir zu einer rechtlichen<br />
Basis, auf der sich die Religionen in Augenhöhe<br />
begegnen und der Religionsunterricht<br />
für alle gleichberechtigt in<br />
evangelischer, muslimischer, jüdischer,<br />
buddhistischer, hinduistischer Verantwortung<br />
stattfinden kann?<br />
Vielleicht durch die Verständigung<br />
der Religionsgemeinschaften auf gemeinsame<br />
Grundsätze, die allen den<br />
gleichen Status im Sinne des GG Artikel<br />
7, 3 zusichert?<br />
Der RU für alle ist keine Religionskunde,<br />
wenngleich er natürlich religionskundliche<br />
Anteile aufweist. Er verlangt<br />
von den Unterrichtenden neben<br />
der Sachkompetenz einen hohen Grad<br />
an Authentizität – also religiöser Echtheit<br />
und Erkennbarkeit – und Dialogizität<br />
in pädagogisch verantwortlicher<br />
Haltung, so dass sich die SchülerInnen<br />
in einer komplexen geistigen und z. T.<br />
ideologisch verschmutzten Welt orientieren<br />
und eine eigene Identität begründen<br />
können.<br />
Ist das alles? Noch nicht ganz. Die<br />
Religionen haben eine Botschaft. Identitätsfindung<br />
ereignet sich nur in der<br />
Begegnung mit dem Anderen, für den<br />
ich Verantwortung habe. Erlöst in einer<br />
unerlösten Welt zu leben, ist nicht<br />
denkbar. Auch wenn ihre Anhänger sich<br />
hunderttausendfach gegen sie versündigen<br />
mögen, bleibt doch die noch lange<br />
nicht eingelöste Botschaft, wie sie als<br />
Erkenntnis der nach Karl Jaspers so benannten<br />
Achsenzeit überall in der Welt<br />
aufdämmert: der Andere ist dein Bruder,<br />
die Andere deine Schwester. Das Böse<br />
tragen wir alle in uns, wie auch unsere<br />
schöpferischen Fähigkeiten. Ausrotten<br />
können wir es nicht, es sei denn um den<br />
Preis seiner umso mächtigeren Wiedergeburt.<br />
Wir können das Böse nur an die<br />
Leine legen, indem wir uns im Anderen<br />
selbst wiedererkennen. Deshalb lautet<br />
der Grundgedanke dieses religionspädagogischen<br />
Konzepts: den Dialog lernen,<br />
um die Gewalt zu mindern. Denn:<br />
»Gefährlich ist der Monomythos.«<br />
12 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Eva-Maria Kenngott<br />
Zwischen Ethik- und Religionsunterricht *<br />
Das Fach Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde (LER)<br />
Im November 2008 wurde an der Universität Potsdam der fünfte Geburtstag<br />
des grundständigen Studiengangs LER gefeiert. Gleichzeitig wurden die ersten<br />
AbsolventInnen verabschiedet. Die Festrednerin beim Festakt war Marianne<br />
Birthler, ehemalige Bildungsministerin im Land Brandenburg und federführend<br />
bei der Einführung von LER.<br />
* Der folgende Text ist eine gekürzte Fassung<br />
von: Kenngott, Eva-Maria (2011): Das Fach<br />
Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde<br />
– ein ehrgeiziges Projekt. In: Raters, Marie-<br />
Luise (Hrsg.) (2011): Werte in Religion und<br />
Ethik. Modelle des interdisziplinären Werteunterrichts<br />
in Deutschland und der Schweiz.<br />
Dresden: Thelem, S. 91 – 100.<br />
In Brandenburg ist »Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religion« (LER) allgemeinbildendes<br />
Schulfach. Es ist allerdings<br />
die Möglichkeit gegeben, sich abzumelden<br />
und am Religionsunterricht teilzunehmen,<br />
der als kirchlicher Unterricht<br />
in schulischen Räumen stattfindet. Er<br />
ist nicht Bestandteil des Schulcurriculums.<br />
Inzwischen bietet der Humanistische<br />
Verband wie in Berlin einen weltanschaulichen<br />
Lebenskundeunterricht<br />
an, nicht als Alternative zu LER, sondern<br />
als Alternative zum kirchlichen Religionsunterricht.<br />
Dafür hat das Brandenburger<br />
Verfassungsgericht im Dezember<br />
2005 den Weg geebnet. Es erklärte<br />
es mit der Verfassung für unvereinbar,<br />
dass das Landesschulgesetz allein den<br />
Kirchen das Recht zum Bekenntnisunterricht<br />
zuerkannte.<br />
He<br />
Sie erinnerte an den Beginn des<br />
Faches: »Ich möchte Sie auf eine<br />
kleine Reise und Zeitreise mitnehmen<br />
– in die DDR der späten 80er Jahre,<br />
eine Reise hin zu den Tischen, um die<br />
sich wache Menschen versammelt hatten,<br />
die sich um die Zukunft ihrer Kinder<br />
Sorgen machten. Diese Tische befanden<br />
sich in kirchlichen Räumen, aber auch in<br />
Küchen und Wohnzimmern. Wir hatten<br />
die DDR-Schulen so satt:<br />
Die genormte Weltanschauung, die<br />
Geschichtslügen und das Freund-Feind-<br />
Denken, die Militarisierung der Erziehung,<br />
die Dominanz des Kollektivs, die<br />
Ausgrenzung alles Religiösen, den Frontalunterricht,<br />
den mangelnden Respekt<br />
vor der Individualität von Kindern und<br />
Jugendlichen, die Ausgrenzung Behinderter,<br />
den Generalverdacht gegenüber<br />
originellen und unabhängigen Lebensstilen,<br />
die genormten Anforderungen<br />
und Maßstäbe, die Ausgrenzung und<br />
Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen<br />
aus politischen Gründen …«<br />
(Birthler 2008, S. 1f)<br />
Marianne Birthlers eindrücklicher<br />
Blick zurück macht deutlich, aus welcher<br />
Not heraus LER geboren wurde. Die<br />
Idee zu einem Fach mit solch einem umständlichen<br />
Namen stammt aus der Zeit<br />
der Wende und ist zutiefst mit der Kritik<br />
an der sozialistischen Schule verwoben.<br />
Der Legende nach waren eine Reihe<br />
von Namen für das neue Schulfach im<br />
Gespräch, darunter auch »Gott und die<br />
Welt«. 1) Dass es dann doch »Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religion« wurde, hängt<br />
wohl mit den weitreichenden Ansprüchen<br />
der InitiatorInnen zusammen. Die<br />
beiden zentralen Anliegen bestanden<br />
darin, dass sich die Schule den Interessen<br />
von Kindern und Jugendlichen öffnen<br />
und eine pluralistische Bearbeitung<br />
von Fragen der Lebensgestaltung in der<br />
Schule stattfinden sollte. Dabei sollten<br />
auch Probleme des ethischen Urteilens<br />
thematisiert werden und unterschiedliche<br />
religiöse und weltanschauliche Orientierungen<br />
zur Sprache kommen. In<br />
dem neuen Unterrichtsfach sollten Kinder<br />
und Jugendliche unterschiedlicher<br />
Herkunft und mit unterschiedlichen<br />
Orientierungen miteinander ins Gespräch<br />
kommen. Anders als im Westen<br />
Deutschlands, wo der Religionsunterricht<br />
die SchülerInnen in verschiedene<br />
Konfessionen getrennt hatte und Ethik<br />
in der Regel den Status eines Ersatzfaches<br />
hatte, sollten sich in LER die<br />
SchülerInnen miteinander auseinandersetzen.<br />
Programmatisch fand dieser Anspruch<br />
in dem Motto »Gemeinsam leben<br />
lernen« seinen Ausdruck. 2)<br />
Unter der Bildungsministerin Marianne<br />
Birthler begann im Jahr 1992 die<br />
offizielle Geschichte des Faches Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religion. Es wurde<br />
ein Modellversuch ins Leben gerufen,<br />
der drei Jahre dauerte und insgesamt positiv<br />
bewertet wurde. Allerdings bescheinigte<br />
die wissenschaftliche Begleitung<br />
dem Fach, dass der Unterricht zu stark in<br />
der L-Dimension verbleibe und die ethische<br />
und religionskundliche Dimension<br />
jeweils zu untergewichtig seien (Leschinsky<br />
1996, S. 190ff). Im Jahre 1996 wurde<br />
das Fach Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde<br />
dann als neues Schulfach im<br />
Land Brandenburg eingeführt, zunächst<br />
in der Sekundarstufe I, später auch in<br />
der <strong>Grundschule</strong> ab Klasse 5. 3) Die Umbenennung<br />
von »Religion« in »Religionskunde«<br />
sollte deutlich machen, dass<br />
in diesem Unterricht über Religionen<br />
informiert werden solle, und der Staat<br />
nicht in irgendeiner Form religiöse Unterweisung<br />
betreiben wolle. Das Fach<br />
LER solle »bekenntnisfrei, religiös und<br />
weltanschaulich neutral unterrichtet«<br />
werden (BbgSchulG § 11, Abs. 3). Mit der<br />
Einführung des Faches brach ein Sturm<br />
über das Land Brandenburg herein, den<br />
es wohl noch bei keiner Einführung eines<br />
Schulfaches, das zudem im Umfang ja relativ<br />
klein ist, gegeben hatte. Es fand eine<br />
Bundestagsdebatte statt, es gab Artikelserien<br />
in den Zeitungen, und schließlich<br />
wurde bald nach der Verabschiedung des<br />
Schulgesetzes eine Normenkontrollklage<br />
gegen die Bestimmungen zum Fach LER<br />
und zum Religionsunterricht beim Bundesverfassungsgericht<br />
eingereicht. 4)<br />
Die weiteren Stationen der Geschichte<br />
von LER sind kurz gefasst die folgenden:<br />
Zum Jahreswechsel 2001/02 bot<br />
das Bundesverfassungsgericht einen<br />
Vergleich an, durch den letztendlich die<br />
Einführung des Faches LER im Nachhinein<br />
bestätigt und gleichzeitig die<br />
Stellung des (freiwilligen) Religionsunterrichts<br />
gestärkt wurde. Der Ver-<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
13
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
gleichsvorschlag wurde von den beteiligten<br />
Parteien angenommen. Seitdem<br />
ist das Fach LER in ruhigeres Fahrwasser<br />
gekommen, das Fach ist zwischenzeitlich<br />
vollständig eingeführt und wird<br />
von Klasse 5 – 10 unterrichtet. Seit dem<br />
Wintersemester 2003/04 gibt es schließlich<br />
den grundständigen Studiengang<br />
LER an der Universität Potsdam.<br />
Grundsatzfragen<br />
Die Auseinandersetzung um LER vor,<br />
während und nach der Einführung 1996<br />
konzentrierte sich auf das »E« und das<br />
»R« in LER. Es wurde infragegestellt,<br />
ob der Staat die Werteerziehung selbst<br />
in die Hand nehmen dürfe. Der damalige<br />
Bischof von Berlin-Brandenburg<br />
Wolfgang Huber eröffnete im Januar<br />
1996 eine Artikelserie in der Frankfurter<br />
Rundschau mit genau dieser Problemstellung.<br />
Schon der Untertitel des Artikels<br />
deutet an, in welche Richtung die<br />
Argumentation gehen sollte: »Die Staatsdistanz<br />
der Vorwendezeit und die erstaunliche<br />
Staatsgläubigkeit heute«. Nach<br />
Huber solle der Staat Wertevermittlung<br />
ermöglichen, aber nicht selbst betreiben<br />
(Huber 1996, S. 18). Denn Werte, so die<br />
dahinter liegende Vorstellung, werden in<br />
anderen Kontexten, insbesondere in der<br />
Religion erworben. 5) Doch auch schon<br />
im Jahr 1996 war ein Prozess im Gange,<br />
in dessen Verlauf in allen Bundesländern<br />
werteorientierte Fächer eingeführt<br />
wurden. 6) Die fortschreitende Säkularisierung<br />
tut ihr Übriges dazu, den engen<br />
Zusammenhang von Religion und Moral<br />
zu untergraben, den Huber unterstellt.<br />
Die Spitze von Hubers Anschuldigung<br />
der Staatsgläubigkeit sollte allerdings<br />
noch empfindlicher treffen: Sie bestand<br />
in dem Vorwurf oder zumindest in der<br />
Anfrage, ob mit dem neuen Fach etwa<br />
eine »gewendete Staatsbürger kunde«<br />
(ebd.) etabliert werden sollte. Bei zu viel<br />
Einmischung in die Wertevermittlung<br />
von Seiten des Staates drohe staatliche<br />
Indoktrination. Denkt man an die äußerst<br />
staats- und ideologiekritischen<br />
Anfänge des Faches zurück, so lässt sich<br />
noch heute, nachdem die alten Gräben<br />
längst merklich eingeebnet wurden, das<br />
Entsetzen der InitiatorInnen ob dieser<br />
Anschuldigung nachvollziehen.<br />
Als nachhaltiger haben sich die vielfältigen<br />
und äußerst komplizierten<br />
Debatten und Anschuldigungen über<br />
Eva-Maria Kenngott<br />
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im<br />
Bereich Fachdidaktik Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde<br />
an der Universität<br />
Potsdam. Forschungsschwerpunkte:<br />
moralisches Lernen, religiöse<br />
Bildung, interkulturelles Lernen.<br />
den Komplex Religion erwiesen. Die<br />
zentrale Frage, die zahlreiche Unterfragen<br />
beinhaltete, lautete: Ist Brandenburg<br />
verpflichtet, Religionsunterricht<br />
als allgemeinbildendes Schulfach einzuführen?<br />
Dabei dominierte sicherlich<br />
zunächst die rechtliche Auseinandersetzung<br />
vor dem Bundesverfassungsgericht.<br />
Betroffen waren Fragen nach dem<br />
Verhältnis von Staat und Kirche, nach<br />
der durch das Grundgesetz garantierten<br />
negativen und positiven Religionsfreiheit<br />
und nach dem Geltungsbereich des<br />
Grundgesetzes 7) , um nur die zentralen<br />
Probleme zu nennen.<br />
Auf der tiefer liegenden Ebene ging<br />
es um die angemessene schulische Darstellung<br />
und Vermittlung von Religion<br />
im Religionsunterricht oder im religionskundlichen<br />
Unterricht. Gegen LER<br />
bestand der Vorbehalt, dass lediglich ein<br />
Unterricht aus der Binnenperspektive<br />
einer Religion diese nicht verkürzt darstelle.<br />
Die Auseinandersetzung gipfelte<br />
damals in dem Vorwurf, in LER würden<br />
Religionen wie Tiere in einem Zoo vorgeführt.<br />
8) Und ebenso häufig wurde von<br />
Seiten der LER-Befürworter darauf hingewiesen,<br />
dass sogenannte authentische<br />
Vertreter ihr Selbstverständnis im LER-<br />
Unterricht darlegen könnten. Die Auseinandersetzung<br />
mit ihnen sei ein zentraler<br />
Bestandteil des Faches. Die von den<br />
Kirchen eingeforderte Innenperspektive<br />
sollte durch die VertreterInnen der Religionen<br />
ins Spiel kommen.<br />
In der Zwischenzeit findet religionskundlicher<br />
Unterricht im europäischen<br />
Kontext zunehmend Verbreitung. LER<br />
teilt demnach Chancen und Probleme<br />
eines solchen Unterrichts auch mit ähnlichen<br />
Fächern etwa in England, den Niederlanden,<br />
Norwegen oder der Schweiz.<br />
Die Engführung zwischen didaktischer<br />
Innen- oder Außendarstellung von Religion<br />
hat sich zwischenzeitlich relativiert<br />
und ist differenzierteren Sichtweisen gewichen<br />
(vgl. Kenngott / Kuld 2011).<br />
Basisstrukturen für LER<br />
Das Fach LER genoss über viele Jahre<br />
hinweg weder in der Öffentlichkeit<br />
noch im Kreise der verwandten Schulfächer<br />
einen guten Ruf, denn der merkwürdige<br />
Sonderling, an dem das Land<br />
Brandenburg so verbissen festhielt,<br />
galt als wissenschaftlich wenig seriös:<br />
Sollten doch anders als in den anderen<br />
verwandten Schulfächern die Lebensfragen<br />
Jugendlicher im Zentrum des<br />
Unterrichts stehen. Außerdem sollte das<br />
Spektrum der Lebensfragen integrativ<br />
erarbeitet werden, ohne die Blickrichtung<br />
auf eine philosophisch-ethische<br />
Dimension einerseits oder eine religiöse<br />
Dimension andererseits zu zentrieren.<br />
Dies erschwerte die wissenschaftliche<br />
Abgrenzung und Durchdringung des<br />
neuen Faches und führte immer wieder<br />
zu dem Vorwurf, in LER würden die<br />
Schülerinnen und Schüler therapiert.<br />
Diese Grundideen waren äußerst anspruchsvoll<br />
und in der Unterrichtspraxis<br />
schwierig umzusetzen. Die Sorge<br />
um die Entwicklung des Faches und die<br />
Befürchtung, die anfängliche Schwäche<br />
im Sinne des Therapie- oder Laberfachs<br />
könne sich verfestigen, führte dazu,<br />
dass der Wissenschaftliche Beirat von<br />
LER im Jahr 2001 ein ausführliches<br />
Gutachten unterbreitete. Das Gutachten<br />
zielte darauf ab, die Beliebigkeit bei<br />
der Bearbeitung von Themen im LER-<br />
Unterricht zu reduzieren und die Gefahr<br />
der Oberflächlichkeit des Unterrichts zu<br />
begrenzen. Der Vorschlag bestand darin,<br />
die Eigenlogik der Dimensionen von<br />
LER aufzuzeigen. Die Gutachter entwickelten<br />
dazu die Dimensionen Lebensgestaltung,<br />
Ethik und Religionskunde<br />
als sogenannte »Basisstrukturen« und<br />
unterbreiteten gleichzeitig Vorschläge<br />
zur integrativen Bearbeitung von Themen<br />
im LER-Unterricht. »Basisstrukturen<br />
sind«, so definieren die Autoren,<br />
»plausible Netze von grundlegenden Inhalten<br />
bzw. Handlungsweisen, die einen<br />
Wissensbereich bestimmen« (Edelstein<br />
u. a. 2001, S. 77). Die Basisstrukturen<br />
14 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
bilden jedoch keine wissenschaftlichen<br />
Disziplinen ab, sondern zeigen, wie<br />
Denkmuster bezogen auf die jeweilige<br />
Dimension gelernt und aufgebaut werden.<br />
Die Autoren verfolgen ein pädagogisches<br />
Anliegen, was am Beispiel der<br />
Basisstruktur Ethik gut zu sehen ist:<br />
Schülerinnen und Schüler sollen in LER<br />
nicht eine »Reduktionsform der philosophischen<br />
Ethik« lernen, sie sollen<br />
Unterstützung erhalten beim moralischen<br />
Lernen, das vorwiegend im Horizont<br />
alltagsweltlicher Fragen stattfindet<br />
(ebd., S. 106). Der Vorschlag hat innovatives<br />
Potential, denn die Gutachter verfolgen<br />
damit die Absicht, das Schulfach<br />
von den SchülerInnen und deren Lebenswelt<br />
her zu denken. Ein Schulfach<br />
ist demnach nicht dazu da, die entsprechende<br />
wissenschaftliche Disziplin so zu<br />
reduzieren, dass SchülerInnen die Probleme<br />
und Positionen verstehen können,<br />
sondern das Schulfach muss gewissermaßen<br />
›von unten‹ gedacht werden, von<br />
den Lernmöglichkeiten und Lernwegen<br />
der SchülerInnen her.<br />
Fazit<br />
In LER haben sich eine Reihe gesellschaftlicher<br />
und bildungspolitischer<br />
Auseinandersetzungen wie in einem<br />
Brennglas gebündelt. LER war unter dieser<br />
Perspektive eine Art Werkstatt für<br />
Kritik, Neuerungen und Umorientierungen.<br />
Die bedeutendsten sind folgende:<br />
●●<br />
In der Konzeption des Faches Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religion wurde<br />
der Kritik an der sozialistischen Schule<br />
Ausdruck verliehen. Gleichzeitig verbanden<br />
sich mit LER Hoffnungen auf<br />
die Veränderung von Schule.<br />
●●<br />
Mit der Einführung von LER entflammte<br />
ein religionspolitischer Streit<br />
um die Stellung des Religionsunterrichts<br />
in der Schule und der Darstellung<br />
von Religion(en) im Unterricht.<br />
●●<br />
Das integrative Programm des Faches<br />
enthielt fundamentale bildungspolitische<br />
Neuerungen in zweierlei Hinsicht:<br />
Alle Schülerinnen und Schüler sollten<br />
gemeinsam in einem werteorientierten<br />
Fach lernen. Dieses Programm kommt<br />
am klarsten in einem von Marianne<br />
Birthler initiierten Grundsatzpapier<br />
(1991) »Gemeinsam leben lernen« zum<br />
Ausdruck. Integration in diesem Sinne<br />
bedeutet Integration der verschiedenen<br />
SchülerInnenperspektiven.<br />
Anmerkungen<br />
(1) Die Geschichte stammt von Imma Hillerich,<br />
die lange Zeit die Einführung von LER<br />
im Brandenburgischen Bildungsministerium<br />
begleitet hat (vgl. Hillerich 2003, S. 199).<br />
(2) »Gemeinsam leben lernen« war ein Leitgedanke<br />
des Grundsatzpapiers, das die erste<br />
Brandenburgische Bildungsministerin<br />
Marianne Birthler im Jahr 1991 im Hinblick<br />
auf den geplanten Lernbereich »Lebensgestaltung<br />
– Ethik – Religion« herausgab<br />
(Edelstein u. a. 2001, S. 25ff).<br />
(3) Im Land Brandenburg umfasst die<br />
<strong>Grundschule</strong> die Klassen 1 – 6. In Klasse 5/6<br />
wird LER einstündig unterrichtet, in<br />
Klasse 7/8 zweistündig, in 9/10 wiederum<br />
einstündig.<br />
(4) Ausführlich wird der gesamte Vorgang<br />
mit vielen Verästelungen und juristischen<br />
Raffinessen von Imma Hillerich beschrieben<br />
(Hillerich 2003).<br />
(5) Das Argument, wonach der Staat die<br />
Grundlagen, auf denen er stehe, nicht selbst<br />
herstellen könne, wurde damals häufig in der<br />
Debatte genannt. Es stammt ursprünglich<br />
von dem Verfassungsrechtler Böckenförde<br />
und wurde in einem Aufsatz über Säkularisierung<br />
entfaltet (Böckenförde 1976, S. 111ff).<br />
(6) Eine außerordentlich fragwürdige Konsequenz<br />
von Hubers Argumentation besteht<br />
darin, dass der staatliche Ethikunterricht,<br />
sobald er Bestandteil eines Wahlpflichtbereichs<br />
ist, offenbar von der Unterstellung<br />
entlastet ist, in der Gefahr der Indoktrination<br />
zu stehen.<br />
(7) Es ging dabei um die Frage, ob die<br />
Bestimmungen des §141 auf Brandenburg<br />
anwendbar seien (Hillerich 2003, S. 202).<br />
(8) Der polemische Angriff stammt von<br />
Richard Schröder in der FAZ vom<br />
11. 10. 1995, S. 16. Huber argumentierte in der<br />
Frankfurter Rundschau vom 26. 1. 1996 etwas<br />
moderater mit dem Argument Innenperspektive<br />
versus Außenperspektive: »Begegnet<br />
man denn wirklich der Religion, wenn sie nur<br />
in einer ›religionskundlichen‹ und ›bekenntnisneutralen‹<br />
Außenperspektive unterrichtet<br />
wird?« (Huber 1996, S. 18).<br />
●●<br />
Gleichzeitig sollte das Fach die Dimensionen<br />
Lebensgestaltung, Ethik und<br />
Religionskunde in einem Fach vereinen.<br />
Die Themen des Faches sollten integrativ<br />
unter den genannten Perspektiven<br />
– und nicht auf eine zentriert – bearbeitet<br />
werden.<br />
●●<br />
Der Wissenschaftliche Beirat von LER<br />
unterbreitete mit dem Konzept der »Basisstrukturen«<br />
nicht allein einen Vorschlag,<br />
das neue Fach solide zu denken.<br />
Mit dem Konzept geht auch eine pädagogische<br />
Programmatik einher, wonach<br />
die Logik eines Schulfaches nicht vornehmlich<br />
aus den wissenschaftlichen<br />
Bezugsdisziplinen zu entfalten ist.<br />
Man kann vieles beim Ringen um<br />
das Fach LER nur verstehen, wenn man<br />
seinen Ausgangspunkt als Kritik an<br />
der sozialistischen Schule in Betracht<br />
zieht. Doch auch für die heutige Diskussion<br />
um die Werte- und Religionsfächer<br />
bietet LER noch immer wichtige<br />
Impulse.<br />
Literatur<br />
Birthler, Marianne (2008): Festrede zum<br />
Fünfjährigen Bestehen des Studiengangs<br />
LER. In: http://www.uni-potsdam.de/db/ler/<br />
getdata.php?ID=58 (v. 22. 8. 2009)<br />
Böckenförde, Ernst Wolfgang (1976): Die Entstehung<br />
des Staates als Vorgang der Säkularisation.<br />
In: ders.: Staat, Gesellschaft, Freiheit,<br />
Studien zur Staatstheorie und zum Verfassungsrecht.<br />
Frankfurt am Main: Suhrkamp<br />
Verlag, S. 42 – <strong>114</strong>.<br />
Edelstein, Wolfgang/ Grözinger, Karl E./ Gruehn,<br />
Sabine/ Hillerich, Imma/ Kirsch, Bärbel/<br />
Leschinsky, Achim/ Lott, Jürgen/ Oser, Fritz<br />
(2001): Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde.<br />
Zur Grundlegung eines neuen<br />
Schulfachs. Analysen und Empfehlungen.<br />
Weinheim / Basel: Beltz Verlag.<br />
Gruehn, Sabine/ Thebis, Frauke (2002):<br />
Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde.<br />
Eine empirische Untersuchung zum Entwicklungsstand<br />
und zu den Perspektiven eines<br />
neuen Unterrichtsfachs. Potsdam: Ministerium<br />
für Bildung, Jugend und Sport.<br />
Hillerich, Imma (2003): Bildungspolitik und<br />
Religion: Die Diskussion um das Schulfach<br />
LER in Brandenburg. In: Brocker, Manfred /<br />
Behr, Hartmut / Hildebrandt, Mathias (Hg.):<br />
Religion – Staat – Politik. Zur Rolle der<br />
Religion in der nationalen und internationalen<br />
Politik. Wiesbaden: Westdeutscher<br />
Verlag, S. 199 – 220.<br />
Huber, Wolfgang (1996): Wenn der Staat selbst<br />
die Wertevermittlung in die Hand nimmt.<br />
Die Staatsdistanz der Vorwendezeit und<br />
die erstaunliche Staatsgläubigkeit heute.<br />
In: Frankfurter Rundschau vom 26. 1. 1996,<br />
Nr. 22, S. 18.<br />
Kenngott, Eva-Maria/ Kuld, Lothar (Hg.)<br />
(2011): Religion verstehen lernen. Neuorientierungen<br />
religiöser Bildung. Münster:<br />
LIT Verlag (erscheint voraussichtlich im<br />
Herbst 2011).<br />
Kenngott, Eva-Maria (2004): Strukturen im<br />
Dickicht der Lebensfragen: »Basisstrukturen«<br />
für LER. In: edition ethik kontrovers,<br />
Jahresheft der Zeitschrift Ethik & Unterricht<br />
2004, S. 51 – 55.<br />
Leschinsky, Achim (1996): Vorleben oder<br />
Nachdenken? Bericht der wissenschaftlichen<br />
Begleitung über den Modellversuch<br />
zum Lernbereich »Lebensgestaltung – Ethik<br />
– Religion«. Frankfurt am Main: Moritz<br />
Diesterweg.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
15
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
Gerd Laudert<br />
Plädoyer für ein Pflichtfach Ethik / Religionskunde<br />
Seit gut 25 Jahren unterrichte ich als Grundschullehrer u. a. das Fach Evangelische<br />
Religion, in einem ländlichen »Heidekreis« in Niedersachsen.<br />
Die prägendste Erfahrung in dieser Zeit: Mein konfessioneller Religionsunterricht<br />
»passte« von Jahr zu Jahr weniger zu meiner sich immer stärker in Richtung<br />
Pluralität verändernden Schülerschaft.<br />
Immer weniger und kaum noch<br />
christlich sozialisierte evangelische<br />
Schüler/innen, zunehmend Kinder<br />
mit Migrationshintergrund (bei uns vor<br />
allem yezidische Kurden) – und immer<br />
mehr konfessionslose Schulanfänger. So<br />
war ich gezwungen, mich intensiver mit<br />
einer Grundsatzfrage zu beschäftigen:<br />
Müsste ein zeitgemäßer Religionsunterricht<br />
nicht ganz neu konzipiert<br />
werden – als ein gemeinsamer, überkonfessioneller,<br />
integrativer Unterricht?<br />
Ist heute eine religiöse Allgemeinbildung<br />
nicht wichtiger als konfessionelle<br />
»Beheimatung«? Und: Ist es pädagogisch<br />
vertretbar, vor allem im Blick auf<br />
die <strong>Grundschule</strong>, dass gerade in dem<br />
Lernbereich, in dem es um Sinn- und<br />
Wertfragen, um Gemeinsamkeiten und<br />
Unterschiede bezüglich religiöser und<br />
ethischer Fragen geht, die Kinder nicht<br />
gemeinsam lernen, nicht miteinander<br />
sprechen können, sondern – in konfessionell<br />
getrennten Lerngruppen – allenfalls<br />
übereinander?<br />
Im Herbst 2009 veröffentlichte ich das<br />
Buch »Religion gemeinsam lernen« 1) .<br />
Im Sinne einer Neuinterpretation des<br />
Art. 7,3 GG, wonach Religionsunterricht<br />
(= RU) »in Übereinstimmung mit<br />
den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften«<br />
erteilt wird, sollten sich – so<br />
mein Vorschlag – die Religionsgemeinschaften<br />
auf gemeinsame Grundsätze<br />
verständigen. So könnten sie ein zukunftsfähiges<br />
Reformkonzept auf den<br />
Weg bringen, eine überzeugende Alternative<br />
anbieten zu einem zunehmend<br />
als anachronistisch empfundenen und<br />
künftig vermutlich noch stärker zersplitterten<br />
(evangelischen, katholischen,<br />
islamischen …) RU.<br />
Die Resonanz seitens der Kirchen war<br />
ernüchternd: Kaum Diskussionsbereitschaft,<br />
eher demonstrative Gesprächsverweigerung.<br />
– Die Kirchenleitungen<br />
beharren strikt auf der Konfessionalität<br />
des Faches, ihre Reformbereitschaft<br />
beschränkt sich auf die Option eines<br />
»konfessionell-kooperativen« RU. Doch<br />
in diesem Modell – eher Notlösung als<br />
Reform – bleibt die Trennung nach Religionszugehörigkeit<br />
bestehen. Gemeinsames<br />
Lernen findet nicht statt, weder<br />
inter-religiös noch zwischen religiösen<br />
und konfessionslosen Schüler/innen.<br />
Oft wird den Kirchen unterstellt, sie<br />
wollten mit ihrem Festhalten am konfessionellen<br />
RU vor allem Privilegien<br />
schützen, doch greift diese Sichtweise<br />
zu kurz, zumal auch andere Religionsgemeinschaften<br />
nach Art. 7,3 GG einen<br />
bekenntnisgebundenen RU anbieten<br />
können. – Die mehr hintergründigen,<br />
z. T. auch theologischen Motive sind weniger<br />
bekannt und werden kaum öffentlich<br />
diskutiert:<br />
Die Kirchen gehen zum einen von der<br />
Annahme aus, Religion gebe es nur in<br />
konkreter, konfessioneller Gestalt, anders<br />
komme »Religion« gar nicht vor. Folglich<br />
könne es auch keinen allgemeinen,<br />
überkonfessionellen RU geben. – So<br />
einleuchtend diese Annahme auf den<br />
ersten Blick zu sein scheint, sie trifft nur<br />
noch sehr eingeschränkt zu: In einer<br />
nachchristlichen, multireligiösen, welt-<br />
16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
anschaulich pluralen Gesellschaft macht<br />
es wenig Sinn, die Fahne der Konfessionalität<br />
hochzuhalten. »Die christlichen<br />
Kirchen und die Gesellschaft bilden keine<br />
Einheit mehr … Die konfessionelle<br />
Profilierung des Christentums verliert<br />
an Kraft und Bedeutung … Deutschland<br />
ist kein christliches Land mehr«,<br />
diagnostizierte ein kritischer Religionspädagoge<br />
schon Anfang der 1990er<br />
Jahre. 2) Zu Zeiten einer »christlichen<br />
Volkskirche«, als praktisch jeder entweder<br />
katholisch oder evangelisch war,<br />
lag ein konfessioneller RU zumindest<br />
nahe. Heute ist Deutschland ein multikulturelles,<br />
multireligiöses Einwanderungsland<br />
in einer globalisierten Welt,<br />
die Kirchenmitgliedschaft sinkt stetig,<br />
ein Drittel der Bevölkerung ist konfessionslos,<br />
Tendenz steigend. Schon deshalb<br />
muss es heute um religiöse Bildung in<br />
einem viel umfassenderen Sinne gehen,<br />
gerade auch im Blick auf die Konfessionslosen,<br />
denn nur religiöse Praxis,<br />
nicht aber religiöse Bildung ist »Privatsache«.<br />
Es muss im RU um religiöse Allgemeinbildung<br />
gehen, um den Erwerb<br />
(inter-) religiöser Kompetenzen, nicht<br />
um Beheimatung und eine nur konfessionelle<br />
»Teil-Bildung«.<br />
Heute wollen (und können!) religiös<br />
interessierte Menschen zudem die unterschiedlichen<br />
Antworten der Religionen<br />
auf die großen, existenziellen Fragen<br />
des Menschseins kennen lernen. Und sie<br />
möchten, verständlicher- und vernünftigerweise,<br />
nur das für sich übernehmen,<br />
was mit ihren eigenen Lebens- (und<br />
evtl. Gottes-) Erfahrungen in Einklang<br />
zu bringen ist, was ihnen überzeugend<br />
und glaubwürdig erscheint. So begegnet<br />
man heute immer häufiger Menschen,<br />
die sich nicht ausschließlich einer Religion<br />
zugehörig fühlen, sondern sich<br />
z. B. »als Christ und Buddhist zugleich«<br />
empfinden. Umfragen belegen, in welch<br />
hohem Maße Menschen, die sich als<br />
religiös bezeichnen, dies ausdrücklich<br />
nicht konfessionell verstehen (»Ich bin<br />
religiös, aber nicht kirchlich«).<br />
Ein Religionspädagoge stellte kürzlich<br />
die auf den ersten Blick überraschende<br />
These auf, die Kirche sei »religiös inkompetent«,<br />
nämlich insofern, als ihre<br />
Kompetenz sich »nahezu ausschließlich<br />
auf die eigene christliche Tradition« erstrecke.<br />
Für religiöse Fragen, die keinen<br />
spezifisch christlichen Bezug hätten, die<br />
aber gleichwohl religiöse (spirituelle)<br />
Fragen und Erfahrungen heutiger Menschen<br />
seien, »scheinen die Kirchen sich<br />
gar nicht zuständig zu fühlen«. 3)<br />
Dieses dürfte in der Tat eine weitere<br />
Erklärung sein für das Festhalten der<br />
Amtskirchen am christlich-konfessionellen<br />
und für die strikte Ablehnung<br />
eines »religionskundlichen« RU.<br />
»Religionskunde« kann als Gegenentwurf<br />
zum konfessionellen RU verstanden<br />
werden. (Ebenso könnte man beide<br />
Konzeptionen als einander ergänzend<br />
betrachten.) Religionskunde geht vom<br />
schulischen Bildungsauftrag aus und<br />
möchte auf religionswissenschaftlicher<br />
(nicht auf theologischer) Basis Schü ler/<br />
innen in einem gemeinsamen Unterricht<br />
über Religion(en) informieren, sie<br />
zu einer kritischen, sachkundigen Auseinandersetzung<br />
mit religiösen Fragen<br />
und zu einer größeren Kompetenz im<br />
Umgang mit religiöser Heterogenität<br />
anleiten. Wie das Fach Ethik als Ganzes<br />
ist Religionskunde ein staatlich verantworteter<br />
Unterricht, in dem Religion,<br />
wegen der weltanschaulichen Neutralität<br />
des Staates, möglichst objektiv, vergleichend,<br />
d. h. aus einer um Neutralität<br />
bemühten Außenperspektive, in den<br />
Blick genommen wird.<br />
Allerdings gibt es sehr unterschiedliche<br />
Konzepte von Ethikunterricht (=<br />
EU), was sich schon in den unterschiedlichen<br />
Fach-Bezeichnungen ausdrückt:<br />
Ethik, Praktische Philosophie, Werte<br />
und Normen … Da EU ursprünglich als<br />
ein Ersatzfach im Blick auf den konfessionellen<br />
RU gedacht war, später aber<br />
mehr und mehr – und noch einmal<br />
verstärkt nach der Wiedervereinigung<br />
– zu einer gefragten Alternative zum<br />
RU wurde, hatte es dieses Fach schwer,<br />
ein gewachsenes, allgemein akzeptiertes<br />
didaktisches Profil zu entwickeln.<br />
Eine Bestandsaufnahme zum EU kam<br />
1994 zu einer auch heute noch gültigen<br />
Unterscheidung von vier Grundkonzepten<br />
4) : Ethikunterricht als Praktische<br />
Philosophie, als Lebenshilfe, als Moralerziehung,<br />
als ethische Reflexion. Neben<br />
der konzeptionellen Heterogenität<br />
schwächt insbesondere die von Anfang<br />
an fragwürdige Ersatzfach-Konstruktion<br />
den EU.<br />
Als ein unter religionskundlichem Aspekt<br />
bemerkenswertes Konzept kann<br />
das in Niedersachsen eingeführte<br />
Gerd Laudert<br />
ist Grundschullehrer, unterrichtet<br />
seit 1985 u. a. das Fach Religion,<br />
seit 2006 an der GS Hodenhagen /<br />
Kreis Soltau-Fallingbostel<br />
Fach »Werte und Normen« gelten, das<br />
laut Schulgesetz »religionskundliche<br />
Kenntnisse, das Verständnis für die<br />
in der Gesellschaft wirksamen Wertvorstellungen<br />
und Normen und den<br />
Zugang zu philosophischen, weltanschaulichen<br />
und religiösen Fragen«<br />
vermitteln soll. Als Bezugswissenschaft<br />
wird hier neben Philosophie und<br />
Gesellschaftswissenschaft(en) ausdrücklich<br />
die Religionswissenschaft genannt.<br />
Das primäre Ziel des Unterrichts Werte<br />
und Normen sieht der niedersächsische<br />
Fachverband darin, »Heranwachsende<br />
zu befähigen, mit Menschen anderer<br />
Religionen und Weltanschauungen<br />
friedlich zusammenzuleben«. 5) Dieses<br />
Bildungsziel, das man als interreligiöse<br />
bzw. interkulturelle Dialog-Kompetenz<br />
bezeichnen kann, wird in anderen EU-<br />
Konzepten oft – meist zugunsten philosophischer<br />
Fragestellungen – vernachlässigt.<br />
Das Fach Werte und Normen<br />
könnte insofern als ein geeignetes EU-<br />
Modell im Sinne einer Alternative bzw.<br />
Ergänzung zum konfessionellen RU<br />
verstanden werden, weil hier religionskundliches<br />
und interreligiöses Lernen<br />
einen hohen Stellenwert haben.<br />
Konfessioneller RU steht schon aufgrund<br />
seines Selbstverständnisses<br />
(»Beheimatung«) immer zumindest<br />
in der Gefahr, und dies gilt vor allem<br />
im Grundschulbereich, das religiöse<br />
Bekenntnis affirmativ zu vermitteln,<br />
theologisch strittige Themen auszuklammern<br />
und so ein harmonisiertes,<br />
geschöntes, auf die »offizielle« kirchliche<br />
Sicht zurechtgestutztes Verständnis<br />
der christlichen Religion zu vermitteln.<br />
(Dass kirchliche Bindung und »Loyalität«<br />
im RU der <strong>Grundschule</strong> offenbar<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
17
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
mehr zählen als fachliche Qualifikation,<br />
erkennt man schon daran, dass fast jede<br />
zweite RU-Lehrkraft keine Lehrbefähigung<br />
für dieses Fach besitzt.)<br />
Das religionskundliche Konzept kann<br />
zudem einen m. E. besonders wichtigen<br />
Aspekt religiösen Lernens sachgemäßer<br />
in den Blick nehmen: nämlich die Ambivalenz<br />
der Religion(en). Religionen sind<br />
nicht »an sich« gut oder schlecht, Frieden<br />
stiftend oder Gewalt schürend, aufgeklärt<br />
oder fundamentalistisch, es gibt<br />
vielmehr beides – in allen Religionen.<br />
Raimon Panikkar, ein Brückenbauer zwischen<br />
den Religionen, formulierte diesen<br />
Gedanken so: »Religionen können das<br />
Beste im Menschen hervorbringen – und<br />
das Schlechteste.« Das vor allem sollten<br />
Schüler lernen: Sie sollten dazu ermutigt<br />
und befähigt werden (langfristig – doch<br />
angebahnt werden kann diese Kompetenz<br />
bereits in der <strong>Grundschule</strong>), die Angebote<br />
der Religionen anhand geeigneter<br />
Kriterien (und hier bieten sich als Prüfsteine<br />
die Grund- und Menschenrechte<br />
an) zu überprüfen. Der religionskundliche<br />
Ansatz ist dafür geeigneter als der<br />
konfessionelle.<br />
Der Grundschulverband plädiert in seinem<br />
<strong>aktuell</strong>en »Kursbuch <strong>Grundschule</strong>«<br />
für einen gemeinsamen, überkonfessionellen<br />
Unterricht in einem Lernbereich<br />
»Religion und Ethik«, geht aber davon<br />
aus, dass der konfessionelle RU bis auf<br />
weiteres wohl noch die Regel sein wird.<br />
Es komme nun darauf an, auszuloten,<br />
wie unter diesen Bedingungen das Bestmögliche<br />
in Sachen religiöser und ethischer<br />
Bildung erreicht werden könne. 6)<br />
338.944 Schüler/innen an niedersächsischen <strong>Grundschule</strong>n (2006), davon<br />
sonstige Konfession / ohne Konfession /<br />
evangelisch katholisch islamisch Religion<br />
Religion<br />
187.073 60.617 19.013 12.525 59.716<br />
Für 91.254 Schüler/innen – d. h. für jedes vierte Grundschulkind – gibt es in Niedersachsen<br />
kein angemessenes Bildungsangebot im Bereich Ethik / Religion. (Was sagt das<br />
Grundgesetz dazu?)<br />
Die Einführung eines (konfessionellen) Islamunterrichts ist bundesweit über das Stadium<br />
von Modellversuchen bisher kaum hinausgekommen. Doch selbst wenn es gelingt,<br />
dieses Fach einzurichten, werden bei weitem nicht alle Schüler/innen mit muslimischem<br />
Hintergrund daran teilnehmen: weil sie von strenggläubigen Eltern in eine »Koranschule«<br />
geschickt werden – oder weil sie gar keine religiösen Muslime (mehr) sind.<br />
Auch ich denke: Das Ziel kann nur<br />
der gemeinsame Unterricht sein. – Die<br />
Forderung nach einem obligatorischen,<br />
d. h. ohne Abmeldemöglichkeit versehenen<br />
Pflichtfach Ethik (wie 2006 in Berlin<br />
eingeführt) wird zwar auch in anderen<br />
Bundesländern deutlich lauter, dürfte<br />
aber derzeit politisch schwer durchsetzbar<br />
sein – jedenfalls dann, wenn sie auf<br />
Kosten des konfessionellen RU gehen<br />
würde.<br />
Man kann aber auch, und dies wäre<br />
mein Vorschlag, für ein Pflichtfach<br />
»Ethik / Religionskunde« votieren,<br />
ohne den konfessionellen RU in seinem<br />
derzeitigen Status zu verändern. In diesem<br />
Fall würde man den EU und den<br />
bekenntnisgebundenen RU als einander<br />
ergänzende (und ggfs. miteinander<br />
kooperierende) Fächer verstehen, der<br />
konfessionelle RU würde hier aber zusätzlich<br />
zum EU erteilt werden. Diese<br />
Option eines Ethik-Pflichtschulfaches<br />
wurde 2007 vom Bundesverfassungsgericht<br />
als mit dem Grundgesetz vereinbar<br />
beurteilt. 7)<br />
Um also nach dem Nein der Kirchen<br />
zum gemeinsamen RU auf dem Weg zur<br />
überfälligen Reform endlich konkret<br />
weiterzukommen, schlage ich, wobei<br />
ich primär den Grundschulbereich im<br />
Blick habe, als zentrale Forderung die<br />
Einführung eines Ethik-Pflichtfaches<br />
vor – und als vorbereitende bzw. flankierende<br />
Maßnahmen die folgenden:<br />
1. Deutliche – d. h. öffentliche – Zurück<br />
weisung der von den Kirchen propagierten<br />
Kritik an Religionskunde und<br />
positive Wertschätzung dieses Ansatzes.<br />
Religionskunde kann und sollte<br />
verstanden werden als Umsetzung einer<br />
wirklichen Religions-Didaktik im Gegensatz<br />
zur theologisch-konfessionellen<br />
Didaktik des herkömmlichen RU. Zwar<br />
liegt eine religionswissenschaftliche<br />
Didaktik erst in Ansätzen (so im Fach<br />
Werte und Normen) vor und noch<br />
kaum für den Grundschulbereich, doch<br />
könnte man hier auf Erfahrungen zurückgreifen,<br />
die andernorts gemacht<br />
wurden: u. a. in England, Wales und<br />
Norwegen wird schon seit vielen Jahren<br />
Fazit: Ethik / Religionskunde – als Pflichtfach – ist ein überzeugendes Reformkonzept<br />
– weil bei Abwägung aller Argumente<br />
dem gemeinsamen Unterricht die<br />
höchste Priorität eingeräumt werden<br />
sollte<br />
– weil der Erwerb einer interkulturellen /<br />
interreligiösen Kompetenz (»die Befähigung,<br />
mit Menschen anderer Religionen<br />
und Weltanschauungen friedlich<br />
zusammenzuleben«) heute vordringlich<br />
ist<br />
– weil Schüler/innen (auch) im Rahmen<br />
dieses Modells zusätzlich einen konfessionellen<br />
RU besuchen können<br />
– weil ein Pflicht-Ethikfach laut Beschluss<br />
des Bundesverfassungsgerichts mit<br />
dem Grundgesetz vereinbar ist<br />
Erste konkrete, vom Grundschulverband<br />
(u. a.) zu initiierende bildungspolitische<br />
Maßnahmen könnten sein:<br />
●●<br />
Durchführung einer groß angelegten<br />
Elternbefragung im Blick auf ein Pflichtfach<br />
Ethik / Religionskunde. (Laut Umfragen<br />
halten ca. 70 Prozent der Eltern religiöse<br />
Bildung für wichtig, nicht aber die<br />
konfessionelle Trennung im RU.)<br />
●●<br />
Öffentlichkeitsarbeit / gezielte Medienkampagnen<br />
(Berlin 2009 hat gezeigt, dass<br />
eine Debatte über »Religion und Ethik«<br />
mobilisieren kann)<br />
●●<br />
Das Einfordern von Unterstützung<br />
durch Parteien und Verbände (u. a. Grüne,<br />
Linke, große Teile der SPD; Grundschulverband,<br />
GEW, Ethik-Fachverbände, nicht<br />
zuletzt: Elternvertretungen)<br />
●●<br />
Zum Problem (noch) fehlender Lehrkräfte:<br />
Evtl. könnte »Ethik / Religionskunde«<br />
zunächst von – weitergebildeten –<br />
Klassenlehrer/innen und/oder von den<br />
RU-Lehrkräften unterrichtet werden, die<br />
bisher schon (!) überwiegend religionskundlich<br />
arbeiten<br />
Diese Vorschläge verstehe ich als noch<br />
zu konkretisierende Anregungen, die vor<br />
allem auf eines abzielen: dass in Sachen<br />
Reform, über deren Notwendigkeit längst<br />
weithin Einigkeit besteht, sich auch politisch<br />
endlich etwas bewegt.<br />
18 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Thema: Kinder und Religion(en)<br />
religionskundlich unterrichtet; auch in<br />
der Schweiz ist Religionskunde auf dem<br />
Vormarsch (neue Fächer »Religion und<br />
Ethik« bzw. »Religion und Kultur«.)<br />
2. Da Religionskunde als Teilbereich<br />
des EU gilt, müssen Reformbemühungen<br />
auf eine Verbesserung der insgesamt<br />
noch immer unbefriedigenden<br />
Situation dieses Schulfaches gerichtet<br />
sein. Ethik muss endlich flächendeckend<br />
als ein ordentliches, gleichwertiges<br />
Unterrichtsfach etabliert werden.<br />
Die den EU abwertende Ersatzfachkonstruktion,<br />
in den alten Bundesländern<br />
noch die Regel, muss aufgegeben, die<br />
Benachteiligung im Vergleich zum RU<br />
muss beendet werden. Es geht nicht an,<br />
dass Ethik-Lehrpläne von Fachfremden<br />
erstellt, für ausgebildete Ethiklehrer<br />
jahrzehntelang keine Planstellen bereit<br />
gestellt werden, es ist inakzeptabel,<br />
wenn dieses Fach überwiegend von<br />
konfessionell gebundenen Religionslehrkräften<br />
erteilt wird – so die Kritik<br />
des niedersächsischen Fachverbandes.<br />
3. Die Ausbildung von Ethik-Lehrkräften<br />
im Bereich Religionskunde<br />
muss – durch eine Aufwertung des Moduls<br />
Religionswissenschaft – verbessert<br />
werden, und Religionskunde muss im<br />
EU einen angemesseneren Platz bekommen.<br />
Vor allem in den neuen Bundesländern<br />
und in Berlin steht der religionskundliche<br />
Bereich in der Gefahr, in<br />
unzulässiger Weise marginalisiert und<br />
auf Religionskritik reduziert zu werden<br />
– erklärbar, wenn auch inakzeptabel,<br />
als Nachwirkung von 40 Jahren atheistischer<br />
Erziehung in der DDR.<br />
4. Die aus Grundschulsicht zentrale<br />
Forderung: EU muss flächendeckend an<br />
<strong>Grundschule</strong>n ab der 1. Klasse eingeführt<br />
werden. In sechs Bundesländern<br />
ist das Fach noch nicht an <strong>Grundschule</strong>n<br />
etabliert. Wie groß jedoch der Bedarf<br />
ist, zeigt das Beispiel Niedersachsens<br />
(vgl. Tabelle auf S. 18): 8)<br />
5. Entscheidend wichtig im Blick auf<br />
die Einführung von EU an <strong>Grundschule</strong>n<br />
ist die Information der Eltern (und<br />
der bildungspolitisch interessierten Öffentlichkeit)<br />
über den Unterschied zwischen<br />
konfessionellem RU und Ethik/<br />
Religionskunde. – Wenn Eltern ihr<br />
Kind an einer <strong>Grundschule</strong> anmelden,<br />
ist ihnen in der Regel nicht bewusst<br />
bzw. bekannt, dass im RU eigentlich<br />
nicht das »drin ist« was auf dem Stundenplan<br />
»drauf steht«: dass es dort nicht<br />
um Orientierungswissen über Religion<br />
geht, sondern um die Einführung in ein<br />
kirchliches Bekenntnis, dessen Inhalt<br />
den Kindern nicht nur nahe gebracht<br />
und erklärt, sondern ausdrücklich »als<br />
bestehende Wahrheit vermittelt« werden<br />
soll. 9)<br />
Anmerkungen<br />
(1) G. Laudert-Ruhm: Religion gemeinsam<br />
lernen. Anstoß zu einer überfälligen Reform.<br />
Düsseldorf 2009.<br />
(2) G. Otto, in J. Lott (1992): Religion –<br />
warum und wozu in der Schule. Weinheim,<br />
S. 360f.<br />
(3) J. Kunstmann (2010): Rückkehr der<br />
Religion. Gütersloh, S. 100, S. 115.<br />
(4) A. Treml: Ethik als Unterrichtsfach (1994);<br />
www.schulfach-ethik.de<br />
(5) www.fachverband-werte-und-normen.de<br />
(6) H. Bartnitzky u. a. (Hrsg.) (2010):<br />
Kursbuch <strong>Grundschule</strong>. Grundschulverband,<br />
Frankfurt, S. 733 – 773.<br />
(7) BverfG, 1 BvR 2780/06 vom 15. 3. 2007<br />
(8) Zur Situation des EU in der BRD. Bericht<br />
der KMK vom 22. 2. 2008.<br />
(9) Urteil des BVerfG vom 25. 2. 1987<br />
(BVerfGE Bd. 74, 244f.).<br />
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GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
19
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
Andrea Pahl<br />
Kinder brauchen Religion<br />
… Ester besorgte einen Koffer als Sarg. Den Hasen tauften wir auf den Namen<br />
Ferdinand Axelsson und er bekam ein Kissen und eine karierte Decke. »Und<br />
jetzt begibst du dich auf die ewige Reise«, sagte Ester. Putte weinte. »Und ich?<br />
Krieg ich auch ein Kissen, wenn ich tot bin?« »Ja, wenn du tot bist, kriegst du ein<br />
Kissen«, sagte Ester. »Kuscheldecke?« »Jäpp, die Schmusedecke auch.« »Mein<br />
Kaninchen?« »Wär’ schade drum. Nimm lieber den Teddy.« »Darf ich Essen<br />
mitnehmen?« »Na klar! Kuchen und Kekse und Saft, wie du willst!« »Na dann«,<br />
sagte Putte und hörte auf zu weinen …<br />
(Zitat aus: Die besten Beerdigungen der Welt)<br />
Dieses Buch habe ich entdeckt, als<br />
ich vor der Überlegung stand,<br />
wie ich meinem vierjährigen<br />
Sohn den plötzlichen Tod seines Opas<br />
erklären sollte. Neben den Emotionen,<br />
die einfach da sind und nicht immer erklärt<br />
werden müssen, hatte mein Sohn<br />
zahlreiche ganz praktische Fragen. Ich<br />
verfüge nicht über einen selbstverständlichen<br />
religiösen Hintergrund und komme<br />
bei diesen Fragen immer an eigene<br />
Grenzen. In dem Kinderbuch langweilen<br />
sich zwei Kinder und beschließen, nachdem<br />
sie eine tote Hummel gefunden haben,<br />
Beerdigungen zu spielen. Sie begraben<br />
im Laufe eines Tages alle möglichen<br />
toten Tiere, die sie finden, geben diesen<br />
Namen und schreiben immer ein schönes<br />
Beerdigungsgedicht. Am nächsten<br />
Tag spielen sie dann etwas ganz anderes.<br />
Dieses Buch beschäftigt sich mit dem<br />
Thema Tod auf eine sehr kindgemäße<br />
Andrea Pahl<br />
wissenschaftliche Mitarbeiterin im<br />
Projekt »Eine Welt in der Schule« und<br />
seit 1989 im Bereich von Lehrerfortbildungen,<br />
Unterrichtserprobungen<br />
und Cross-Culture-Trainings tätig;<br />
Fachreferentin des Grundschulverbandes<br />
für »Schule in der einen<br />
Welt«<br />
Weise, bringt einen zum Lachen, aber<br />
auch zum Nachdenken und Mitfühlen.<br />
Kinder haben beim Aufwachsen viele<br />
Fragen. Fragen, die ihnen nicht in den<br />
Mund gelegt werden, sondern Fragen,<br />
die durch ihre aufmerksame Teilnahme<br />
am Leben täglich entstehen. Jeder,<br />
der seinen Alltag mit Kindern teilt, sei<br />
es privat oder in der Schule, kennt diese<br />
Fragehaltung. In der Familie gibt es den<br />
Vorteil, dass die Themen nicht vorgegeben<br />
sind, Kinder also spontaner, ihren<br />
Bedürfnissen entsprechend fragen. Die<br />
Antworten werden auch nicht irgendwann<br />
wieder abgeprüft. Eltern sind somit<br />
ständig mit Fragen konfrontiert, da<br />
Kinder ununterbrochen damit beschäftigt<br />
sind, die Welt zu verstehen.<br />
Kinder fragen:<br />
●●<br />
Wer bin ich? Wo komme ich her? Wer<br />
darf ich sein?<br />
●●<br />
Warum muss ich sterben? Wo komme<br />
ich dann hin? Wie komme ich dahin?<br />
Sehe ich die Toten (Menschen oder<br />
Tiere) irgendwann wieder?<br />
●●<br />
Warum soll ich zu anderen nett,<br />
freundlich, gerecht etc. sein?<br />
●●<br />
Warum glauben andere Menschen<br />
etwas anderes als wir? Warum feiern sie<br />
andere Feste? Warum haben sie andere<br />
Gebote / Verbote?<br />
Der Bogen zur Religion ist da schnell<br />
gespannt. Je nach dem eigenen Weltverständnis<br />
werden die Eltern, andere Erwachsene<br />
oder auch Lehrerinnen und<br />
Lehrer auf diese Fragen der Kinder reagieren<br />
(müssen).<br />
Die Mehrheit der Erwachsenen beantwortet<br />
die Frage nach ihrem Verhältnis<br />
zur Religion in unserem Land<br />
noch positiv. Wenn es aber konkret um<br />
den Glauben an Gott, an Engel oder das<br />
regelmäßige Zelebrieren bestimmter<br />
Rituale geht, wird die Reaktion deutlich<br />
verhaltener. Früher war das ganz einfach!<br />
Die Eltern waren katholisch oder<br />
evangelisch. An hohen Fest- und Feiertagen<br />
wurde der Gottesdienst besucht.<br />
Kinder gingen zum Religionsunterricht<br />
und feierten dann die Konfirmation<br />
oder Firmung. Wann war das? Viele Eltern<br />
heutiger Kinder haben das schon<br />
anders erlebt und es gibt viel mehr Eltern<br />
/ Kinder, die aus ganz anderen Kulturkreisen<br />
dazugekommen sind. Wie<br />
kann man aber Kindern die Religion<br />
näher bringen, wenn man selber nur<br />
sehr diffuse Vorstellungen davon hat?<br />
Klassische Beispiele sind die Feste<br />
Weihnachten und Ostern. Wie war das<br />
schön, als da alle noch einer Meinung<br />
waren, warum wir das feiern und vor<br />
allem, was wir darüber den Kindern<br />
erzählen. Kommt zu Weihnachten der<br />
Weihnachtsmann oder das Christkind<br />
oder bringen Eltern die Geschenke?<br />
Warum wird eine Krippe aufgebaut, und<br />
wer ist Jesus, von dem die meisten das<br />
ganze Jahr nicht viel hören. Plötzlich gibt<br />
es auch Engel in Scharen. Was machen<br />
die den Rest des Jahres? Für Kinder sind<br />
Engel noch etwas Schönes und die Vorstellung<br />
von einem Schutzengel beruhigend.<br />
Erwachsene sehen das auch so,<br />
scheuen sich aber oft, auf Fragen danach<br />
klar zu antworten. Die Antwort »ich<br />
weiß« ist uns viel lieber als »ich glaube«.<br />
Dabei wissen wir oft viel weniger, als wir<br />
meinen, und glauben viel häufiger, als wir<br />
denken. Noch schwieriger ist das Osterfest.<br />
Der Hase hat die Sache fest im Griff,<br />
und es ist Frühlingsanfang und nicht<br />
mehr so attraktiv, in einer dunklen Kirche<br />
zu verschwinden. Alle wollen raus,<br />
Eier suchen, bei gutem Wetter draußen<br />
frühstücken und die freien Tage genießen.<br />
Nur im Fernsehen wird man noch<br />
mit alten Klassikern zum Thema Kreuzigung<br />
konfrontiert, und so merken wenigstens<br />
die Erwachsenen, dass an den<br />
Ostertagen mehr war als goldene Hasen.<br />
Wächst man in einem christlichen Umfeld<br />
auf, sind die religiösen Bezüge an<br />
den Feiertagen natürlich vorhanden, die<br />
Eltern müssen sich aber damit auseinandersetzen,<br />
dass ihre Kinder bemerken,<br />
20 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
dass andere nur Geschenke bekommen<br />
und Eier suchen. Die Frage: »Warum<br />
machen wir das so?« will also auch von<br />
diesen Eltern kindgemäß beantwortet<br />
sein. »Weil wir das schon immer so gemacht<br />
haben« ist keine Antwort, die lange<br />
zufrieden stellt.<br />
Kinder haben ein großes Bedürfnis<br />
und ein Recht darauf, die Welt zu erkennen<br />
und ihren Platz darin zu finden.<br />
Gleichzeitig müssen sie heute schon früh<br />
mit Veränderungen in ihrer Lebenswelt<br />
fertig werden (Trennungen der Eltern,<br />
Wegzug an neue Arbeitsorte durch die<br />
Eltern, Wegzug von Freunden / Spielgefährten,<br />
neue Bezugspersonen, Menschen<br />
aus anderen Kulturen und / oder anderen<br />
Glaubensrichtungen). Kinder erleben somit<br />
sehr früh unterschiedliche Lebensformen,<br />
Werte und Religionen bei gleichzeitig<br />
zunehmender Verunsicherung der<br />
Erwachsenen in ihrer Umgebung über<br />
den eigenen religiösen Hintergrund.<br />
Welchen Beitrag kann die Schule<br />
zu diesen Fragen leisten?<br />
Grundsätzlich gibt es natürlich in den<br />
Lehrplänen aller Bundesländer für die<br />
<strong>Grundschule</strong> den Bereich Religion bzw.<br />
Ethik. Was dabei genau im Unterricht<br />
umgesetzt wird, ist sicher gerade in diesem<br />
Bereich stark von den jeweiligen<br />
Bedingungen an den konkreten Schulen<br />
abhängig. Im Gegensatz zu Schulen<br />
mit christlich geprägter Pädagogik, die<br />
einen eindeutigen Akzent auf die Herausbildung<br />
kollektiver religiöser Identität<br />
setzen, legt die Pädagogik an öffentlichen<br />
Schulen mehr Gewicht auf das<br />
Individuum und seine persönliche Pluralismus-Kompetenz.<br />
Aus der Sicht des<br />
»Globalen Lernens« wäre das Streben<br />
nach einer Werte-Grundlage, die religiös<br />
und weltanschauungsübergreifend<br />
für alle gelten muss, wünschenswert,<br />
die im Alltag nicht an Religionsgrenzen<br />
halt macht. Auch aus pädagogischer<br />
Sicht spricht vieles für einen gemeinsamen<br />
Unterricht aller Kinder zu Themen<br />
der Religion / Ethik oder zumindest für<br />
eine enge Zusammenarbeit der evtl.<br />
getrennten Religionsunterrichte. Dadurch<br />
würde der vielfältige Alltag der<br />
Kinder in diesem Bereich aufgenommen<br />
werden und sie lernen das Pendeln<br />
zwischen Eigenem, Gemeinsamem und<br />
Anderem auszuhalten und ihren eigenen<br />
Weg dabei zu finden.<br />
Auch Eltern, die keine Religionszugehörigkeit<br />
für ihr Kind wünschen, wollen<br />
es in der Regel befähigen, ethisch geleitete<br />
Entscheidungen zu treffen. Dazu<br />
gibt es Lebensregeln, die ihre Wurzeln<br />
in unserer Kultur und in den zehn Geboten<br />
haben, trotzdem aber keiner konkreten<br />
Konfession zuzuordnen sind:<br />
●●<br />
Richte dich nach Werten, die deine<br />
und die Würde anderer Menschen achten<br />
●●<br />
Erkenne die Freiheit als menschliches<br />
Grundrecht an<br />
●●<br />
Sei zuverlässig<br />
●●<br />
Respektiere deine Familie<br />
●●<br />
Nimm dein Leben in die Hand und<br />
erfülle es mit Sinn<br />
●●<br />
Achte das Leben von Tieren und<br />
Pflanzen<br />
●●<br />
Stehle nicht<br />
●●<br />
Lüge nicht<br />
●●<br />
Bemühe dich um Liebe und Vertrauen<br />
zu anderen<br />
●●<br />
Sei dankbar für das, was du hast<br />
Diese ethischen Lebensregeln wird man<br />
in fast allen Religionen / Kulturen dieser<br />
Welt wiederfinden. Neben diesen<br />
Grundsätzen sollten die Kinder über<br />
Feste und Feiertage eingebettet sein in<br />
die Jahreszeiten, den Jahreskreislauf.<br />
Das gibt ihnen Sicherheit und Geborgenheit<br />
durch einen zuverlässig wiederkehrenden<br />
Rhythmus. Gleichzeitig<br />
können sie erkennen, dass in anderen<br />
Teilen der Welt, mit evtl. anderen Jahreszeiten,<br />
sich Religionen und ihre Feste<br />
anders entwickelt haben.<br />
Sehr sinnvoll ist das gemeinsame<br />
Feiern von Festen, natürlich ohne Konsum-<br />
und Geschenkorgien. Wichtiger<br />
ist die gemeinsame Vorbereitung: das<br />
Einüben von Liedern und Geschichten<br />
zum Vorspielen, das Schreiben von Einladungen<br />
an Verwandte und Freunde,<br />
das Herstellen spezieller Speisen, die<br />
nur zu diesem Fest gereicht werden. Auf<br />
diese Weise können Kinder gemeinsam<br />
Feste feiern, die sie aus ihrer eigenen<br />
Familie vielleicht gar nicht so kennen,<br />
bzw. deren Tradition ihnen in ihren<br />
Familien nicht mehr vorgelebt wird.<br />
Nichts fördert den Respekt für andere<br />
Kulturen und Religionen mehr, als gemeinsam<br />
zu feiern.<br />
Unterrichtsbeispiel<br />
»Schöpfungsgeschichten«<br />
Wie der Umgang mit dem Thema »Religion«<br />
in der Schule aussehen könnte,<br />
soll hier am Beispiel »Schöpfungsgeschichten«<br />
exemplarisch vorgestellt<br />
werden.<br />
Auf einer Lehrerfortbildungstagung<br />
des Projektes »Eine Welt in der Schule«<br />
zum Thema »Religion« hat die Teilnehmerinnen<br />
und -teilnehmer aus dem<br />
Bereich der <strong>Grundschule</strong> die inhaltliche<br />
Auseinandersetzung mit den Schöpfungsmythen<br />
sehr gefesselt.<br />
Seit eh und je hat die Menschen die<br />
Frage nach dem Ursprung der Welt in<br />
all seinen Erscheinungsformen bewegt.<br />
Die Fragen: Wo kommt alles her? Wo<br />
geht alles hin? Wie hat es angefangen?<br />
Wer schuf die Welt? sind Fragen aller<br />
Völker und Kulturen. Die Antworten,<br />
die sie gefunden haben, beinhalten zwei<br />
Gemeinsamkeiten: Den Versuch, das<br />
Wunder der Schöpfung in Worten und<br />
Bildern zu erklären, und die Notwen-<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
21
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
Die Schöpfungsgeschichte<br />
der Christen<br />
Das ist die glühende Sonne, die<br />
der Erde Wärme und Licht schickt.<br />
Gott erschafft die tollen Vögel<br />
und die blauen Wolken.<br />
Gott erschafft viele glückliche Tiere.<br />
Gott erschafft die wunderschönen<br />
Pflanzen und Bäume.<br />
Gott hat das wunderbare Leben<br />
unter Wasser geschaffen.<br />
Gott erschafft die ersten Menschen.<br />
Sie heißen Adam und Eva.<br />
Nun ist die Erde wunderschön.<br />
digkeit, diese Schöpfung zu bewahren.<br />
Dieses Unterrichtsvorhaben sollte nicht<br />
nur auf die Vermittlung des christlichen<br />
Schöpfungsgedankens beschränkt<br />
werden. Die eigene Kultur und Religion<br />
zu verstehen, wird im Vergleich zu anderen<br />
immer vertieft. Über die Auseinandersetzung<br />
mit dem vermeintlich<br />
»fremden« Inhalt gelingt oft eine Thematisierung<br />
»alltagsphilosophischer«<br />
Fragestellungen und eine Diskussion<br />
über die Werte in der Klasse.<br />
Ein weiteres Anliegen war, die so genannten<br />
Naturreligionen zu thematisieren.<br />
Häufig finden sie nur am Rande<br />
Erwähnung, während die »Weltreligionen«<br />
fast ständig präsent sind.<br />
Viele der Mythen sind recht anspruchsvoll<br />
für Kinder der 1. und 2. Klasse, weil<br />
sie fremdartig wirken und nicht einfach<br />
zu verstehen sind. Allerdings sind die<br />
starken Bilder, die in allen Mythen enthalten<br />
sind, auch schon für diese Altersstufe<br />
verständlich.<br />
Der inhaltliche Umfang kann bei einer<br />
Durchführung im 3. oder 4. Schuljahr<br />
entsprechend erweitert werden, ist<br />
er doch von den Kindern leichter erfassbar.<br />
Man kann in diesen Klassen z. B.<br />
den naturwissenschaftlichen Aspekt<br />
noch stärker betonen.<br />
Folgende Schöpfungsmythen wurden<br />
mit den Kindern erarbeitet:<br />
●●<br />
Christen,<br />
●●<br />
Hindus (Indien),<br />
●●<br />
Aborigines (Australien),<br />
●●<br />
Yoruba (Nigeria),<br />
●●<br />
Indios<br />
Wichtig ist, dass sich eine objektive<br />
Bewertung bezüglich des »Wahrheitsgehalts«<br />
einer Mythe von vornherein<br />
verbietet. Glauben ist eine Glaubenssache<br />
und damit immer etwas Subjektives.<br />
Es gibt sie nicht, »die einzig wahre<br />
Schöpfungsmythe«. So ist der Ursprung<br />
vieler Mythen meist eine mündliche<br />
Überlieferung, die man inzwischen<br />
zwar häufig niedergeschrieben hat, die<br />
es aber in zahlreichen Variationen gibt.<br />
Je nach Quelle kann daher ein und dieselbe<br />
Mythe im Detail voneinander abweichen.<br />
Außerdem sind in einigen Gegenden<br />
(z. B. in den [Sub-] Kontinenten<br />
Australien und Indien) unterschiedliche<br />
Mythen bekannt, so dass man nicht<br />
von »der« Schöpfungsmythe schlechthin<br />
sprechen kann.<br />
Geschichten von der Kostbarkeit<br />
der Erde – ein kurzer Einblick in den<br />
Unterrich t in einem 2. Schuljahr<br />
»Schöpfungsgeschichten erzählen in<br />
Bildern und Wörtern etwas Unbeschreibbares.«<br />
So lautete die Leitidee<br />
dieses Unterrichtsvorhabens in einem<br />
2. Schuljahr. Über einen Zeitraum von<br />
fünf Wochen malten und beschrieben<br />
die Kinder ihre Bilder von der Schöpfung,<br />
erfuhren von den Bildern anderer<br />
Kulturen und gaben ihnen ihre künstlerische<br />
Gestalt. Gemeinsam spürten<br />
wir, wie kostbar uns und den Menschen<br />
anderen Glaubens gleichermaßen diese<br />
Erde ist. So lag der Schwerpunkt der<br />
Einheit auf künstlerischem Gebiet.<br />
Durch eine vielfältige kreative Umsetzung<br />
der Geschichten konnten die<br />
Kinder eine Ahnung davon gewinnen,<br />
wie groß die Bedeutung der Schöpfung<br />
in den verschiedenen Glaubenssystemen<br />
ist. Nach einer intensiven Einstiegsphase<br />
beschäftigten sich die Kinder mit den<br />
Schöpfungsgeschichten der Christen,<br />
der Yoruba (einem afrikanischen Volk)<br />
und der Aborigines.<br />
1. Baustein: Vom Anfang der Welt<br />
»Stellt euch vor, wie viel weniger unser<br />
Leben bedeuten würde, wenn wir uns<br />
nicht an der Schönheit der Natur erfreuen<br />
könnten – am Leben der Tiere,<br />
an der Größe und dem Geheimnis der<br />
Berge, an der gewaltigen Ausdehnung<br />
und der Ruhe des Ozeans. (…)« Diese<br />
Worte stellte der Dalai Lama einer<br />
Sammlung von Schöpfungsgeschäften<br />
in einem Buch voran (»Die Regenbogenschlange«).<br />
Die Kinder richteten einen<br />
»Schöpfungstisch« ein, für den sie<br />
täglich »Wunder der Erde« (Formulierung<br />
der Kinder) mitbrachten und der<br />
Klasse erläuterten.<br />
2. Baustein: Die Schöpfungsgeschichte<br />
der Christen<br />
Naturgemäß ist den meisten Kindern<br />
diese Schöpfungsgeschichte vertraut. So<br />
stieg ich gleich mit der Diareihe »Gott<br />
erschafft die Welt« ein mit dem Auftrag<br />
an die Kinder, Bildstationen zu formulieren,<br />
die anschließend in künstlerisches<br />
Tun umgesetzt werden sollten.<br />
Neben der Diareihe eignen sich auch<br />
die wunderschönen Bilderbücher von<br />
Helga Hornung oder Jane Ray als Ausgangspunkt<br />
der Arbeit. In Gruppen zu<br />
22 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
je drei Kindern entstanden nun auf großem<br />
Format acht verschiedene Bilder<br />
zu je einem Teil der christlichen Schöpfungsgeschichte.<br />
Jede Gruppe formulierte<br />
abschließend einen erklärenden<br />
Satz zu ihrem Bild; beides bildete nun<br />
neben der groß formulierten Leitidee<br />
den ersten farbenfrohen Teil der Klassenwand<br />
zum Thema.<br />
Darüber hinaus vertieften die Kinder<br />
die Gedanken durch die Beschäftigung<br />
mit den Texten aus »Neles Buch der<br />
großen Fragen – Eine Entdeckungsreise<br />
zu den Geheimnissen des Lebens«: »Vor<br />
dem Anfang war nichts«, »Wer denkt<br />
die Welt«, »Meine kleine Geschichte<br />
vom Anfang der Welt«.<br />
Sicher eher für ältere Kinder gedacht,<br />
können Neles Gedanken auch schon<br />
8-Jährige berühren.<br />
3. Baustein: Die Schöpfungsgeschichte<br />
der Yoruba<br />
Die Schöpfungsgeschichte der Yoruba,<br />
ein Volk im Südwesten Nigerias,<br />
ist nicht nur für Kinder schwer zu verstehen,<br />
sondern verlangt auch von Erwachsenen<br />
einige Konzentration. So<br />
bekamen die Kinder den Text mit dem<br />
Auftrag in die Hand, lediglich die Tiere<br />
und Pflanzen zu notieren, die in dieser<br />
Geschichte genannt werden.<br />
Die Lehrerin hatte aus dem Text fünf<br />
klar zu beschreibende Stationen herausgegriffen.<br />
Im anschließenden Gespräch<br />
war sie erstaunt, dass die Kinder doch<br />
mehr verstanden hatten als zunächst<br />
angenommen. Gemeinsam füllten die<br />
Kinder die sehr fremdartigen Bilder<br />
mit Leben, skizzierten sie an der Tafel<br />
und schrieben zu jeder Station einen<br />
geeigneten Satz. Nach dieser Vorarbeit<br />
konnte sich jedes Kind eine Station<br />
aussuchen, die es mit Jaxonkreiden auf<br />
einem DIN-A5-Blatt gestaltete, wobei<br />
die Bedingung war, dass keine Station<br />
fehlte.<br />
Am nächsten Tag erzählten die Kinder<br />
anhand der Bilder und Sätze die<br />
Schöpfungsgeschichte. Unter der Überschrift<br />
»Yoruba« bildeten diese Werke<br />
nun den 2. Teil unserer Wand.<br />
4. Baustein: Die Schöpfungsgeschichte<br />
der Aborigines<br />
Da die Klasse die »Känguruklasse« ist<br />
und schon im 1. Schuljahr viel über die<br />
Menschen und die Natur in Australien<br />
erfahren hat, war dieser Baustein<br />
emotional besonders bedeutsam für die<br />
Kinder.<br />
Als Einstieg lief Musik der Aborigines,<br />
es herrschte eine meditative Stille<br />
im Klassenraum, die Kinder schlossen<br />
die Augen und ließen Bilder vor ihrem<br />
geistigen Auge entstehen, während die<br />
Lehrerin zur Musik eine Schöpfungsgeschichte<br />
vorlas. Diese hatte sie aus mehreren<br />
Vorlagen zusammengestellt, damit<br />
sie für die Kinder verständlich war.<br />
Es schlossen sich zwei Sportstunden<br />
an, in denen sie die Geschichte im szenischen<br />
Spiel umsetzten. Daraus entstand<br />
die Idee, die Schöpfungsgeschichte<br />
in der Theater-AG zu proben und bei<br />
unserem Klassenausflug vorzuspielen.<br />
Die Beschäftigung mit den Schöpfungsgeschichten<br />
der verschiedenen Religionen<br />
hat nicht nur die Kinder, sondern<br />
auch die Lehrerin in ihrer Fremdartigkeit<br />
und Vielfalt fasziniert. Das intensive<br />
Nachdenken über die Schöpfung ließ<br />
alle Beteiligten die Kostbarkeit der Natur<br />
neu erleben.<br />
Die tägliche Runde am Schöpfungstisch<br />
ermöglichte Momente des Innehaltens,<br />
der Ruhe und des Nachdenkens<br />
über die Geheimnisse des Lebens;<br />
Gedankenräume, die im normalen<br />
Unterrichtsalltag oft zu kurz kommen.<br />
Beeindruckend war für die Kollegin die<br />
Fülle und Tiefe der Gedanken 8-jähriger<br />
Kinder, ausgelöst durch die Beschäftigung<br />
mit dem Text des Dalai Lama.<br />
Die philosophischen Betrachtungen der<br />
Kinder berührten und bereicherten sie<br />
persönlich. Diese Erfahrung veranlasste<br />
die Lehrerin in der Folge, regelmäßig<br />
philosophische Fragestellungen mit<br />
Hilfe der Mappe »Sterben Äpfel auch?«<br />
im Unterricht zu erörtern.<br />
(ausführliche Darstellung des Unterrichtsbeispiels<br />
in Heft 3/2004 »Eine Welt in der<br />
Schule«)<br />
Literatur<br />
Jooß, E. (1998): Kinder des Himmels und der<br />
Erde. München: Ellermann Verlag.<br />
Nilsson, U. / Eriksson, E. (2009): Die besten<br />
Beerdigungen der Welt. Frankfurt / M.:<br />
Moritz Verlag.<br />
Oberthür, R. (2002): Neles Buch der großen<br />
Fragen. München: Kösel Verlag.<br />
Schweitzer, Fr. (2000): Das Recht des Kindes<br />
auf Religion. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.<br />
Die Schöpfungsgeschichte<br />
der Yoruba (Nigeria)<br />
Die Götter schaukeln auf<br />
Spinnenweben in der Nacht.<br />
Das Chamäleon prüft die Erde.<br />
Oduduwa wirft Erde auf das<br />
Wasser und lässt das Huhn die<br />
Erde zusammenscharren.<br />
Dann säte Oduduwa Bäume<br />
und andere Pflanzen auf die Erde.<br />
Der Obergott Oloru haucht den Atem<br />
in die Nase des Menschen ein.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
23
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
Religionslehrer/in – im 21. Jahrhundert?<br />
Erfahrungen mit dem Religionsunterricht heute<br />
Religionsunterricht an <strong>Grundschule</strong>n wird per Gesetz in den meisten Bundesländern<br />
immer noch als konfessionell gebunden katholisch und evangelisch erteilt.<br />
Für den katholischen Unterricht (und somit auch für den Religionslehrer) bedeutet<br />
das für die konkrete Umsetzung: Die katholische Kirche ist für den Inhalt<br />
und die Durchführung des Unterrichts verantwortlich. Katholische Religionslehrer<br />
unterrichten auf der Basis ihres eigenen Bekenntnisses und der<br />
kirchlichen Sendung (missio canonica). Sie sollen den Kindern den Weg zum<br />
Glauben aufzeigen.<br />
Konfessioneller Religionsunterricht soll nicht nur das Wissen ansprechen, sondern<br />
auch die emotionale Frage nach Gott, der Lehre der Kirche und dem Leben<br />
im Glauben. Der Lehrer muss sich mit dem, was er lehrt, identifizieren und<br />
deutlich machen, dass er seine Religion auch in seinem eigenen Leben wirklich<br />
lebt.<br />
Laut Grundgesetz kann zwar niemand<br />
zum konfessionsgebundenen<br />
Unterricht gezwungen<br />
werden, allerdings sind Kinder mit<br />
Konfessionszugehörigkeit erst einmal<br />
dem jeweiligen religiösen Pflichtfach<br />
zugeteilt. Nur eine Entbindung durch<br />
die Eltern, später mit Zustimmung des<br />
Kindes, kann die Teilnahme am Religionsunterricht<br />
aussetzen.<br />
Solche Kinder, die nicht am konfessionell<br />
gebundenen Unterricht teilnehmen,<br />
könnten im ökumenischen<br />
Unterricht aufgefangen werden. Dieser<br />
neutrale Unterricht hat aber nicht die<br />
Aufgabe, das christliche Menschenbild<br />
und die christliche Lebensgemeinschaft<br />
in den Mittelpunkt zu stellen. Die Kirche<br />
geht davon aus, dass er daher ein<br />
unzureichendes Bildungsangebot für<br />
die Kinder darstellt.<br />
Die Vorgehensweisen der Umsetzung<br />
gehen in den einzelnen Bundesländern<br />
allerdings stark auseinander.<br />
Haben sich einige Bundesländer gegen<br />
den konfessionellen Unterricht ausgesprochen,<br />
werden in anderen Bundesländern<br />
entweder evangelischer Unterricht<br />
mit interreligiöser Ausrichtung,<br />
katholischer oder beide Konfessionen<br />
als Unterricht angeboten. Hier werden<br />
die Kinder in den Religionsstunden<br />
aus ihrem Klassenverband getrennt mit<br />
denen der Parallelklassen gemischt unterrichtet.<br />
Konfessionslose Kinder oder<br />
solche einer anderen Religion werden<br />
separat unterrichtet. Auch hier gibt es<br />
je nach Bundesland unterschiedliche<br />
Formen der Umsetzung. Diese reichen<br />
vom Ethikunterricht über Philosophie<br />
bis hin zu versteckten Ausländerförderstunden<br />
hin.<br />
Häufiger ist es aber auch an der Tagesordnung,<br />
dass alle Kinder ohne Religion<br />
und solche, die weder katholisch<br />
noch evangelisch sind, im Unterricht<br />
sitzen und sich still beschäftigen oder<br />
die Schule früher verlassen dürfen, falls<br />
kein Ersatzunterricht stattfindet. Denn<br />
nicht immer stehen Lehrerkapazitäten<br />
für einen »Ersatzunterricht« zur Verfügung.<br />
Diese Situation ist für die meisten<br />
Eltern, Kinder und Lehrer nicht wirklich<br />
befriedigend. Denn auch konfessionslose<br />
Kinder haben Interesse und ein<br />
Recht darauf, etwas über die Religionen<br />
unserer Welt, deren geschichtliche Entwicklung<br />
und Hintergründe zu erfahren.<br />
Auch ethische und moralische Anschauungen,<br />
die im Religionsunterricht<br />
ihren Platz finden, sind für alle jungen<br />
Menschen interessant und wichtig –<br />
völlig unabhängig davon, ob religiös geprägt<br />
oder ungläubig.<br />
Allen Kindern gerecht werden –<br />
auch wenn es um Religion geht!<br />
Die Frage ist jedoch, ob dies an eine<br />
gläubige Ausrichtung gekoppelt sein<br />
muss oder das herkömmliche Modell<br />
des konfessionellen Unterrichtens aufgebrochen<br />
werden sollte.<br />
Religion sollte im Schulunterricht<br />
Platz finden. Denn Kinder wollen wissen,<br />
was Religion ist, warum Menschen<br />
sie leben und was die Hintergründe all<br />
dessen sind. Junge Menschen wollen<br />
sich große Fragen stellen und diese mit<br />
ihren direkten Mitmenschen – also ihren<br />
Mitschülern – diskutieren. Allerdings<br />
stellen sich Kinder hierbei nicht<br />
die Frage, welche Religion der Mitdiskutierende<br />
hat.<br />
Schüler können gemeinsam etwas<br />
über Religionen lernen und das auf besonders<br />
natürliche Weise, wenn sie es<br />
im alltäglichen Umgang mit ihren Mitschülern,<br />
die eventuell eine andere Konfessionszugehörigkeit<br />
haben, erfahren.<br />
Die Heterogenität unserer Gesellschaft<br />
spiegelt sich besonders in Brennpunktschulen<br />
in hohem Maße. Katholiken,<br />
Protestanten, Muslime und Konfessionslose<br />
lernen Tag für Tag gemeinsam<br />
und das 98 % des Schulmorgens.<br />
Daher lautet die einfache Frage: »Was<br />
kann ich im Religionsunterricht noch<br />
für die Kinder rausholen?« Jede Woche<br />
stelle ich mir die gleiche Frage: Soll ich<br />
die andersgläubigen Kinder jetzt heimschicken?<br />
Die Förderlehrerin, die für<br />
solche Fälle geblockt ist, macht Feuerwehr<br />
in einer anderen Klasse und fällt<br />
24 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
somit aus. Arat, Rojan und Samuel machen<br />
immer gerne im Unterricht mit,<br />
sind sehr interessiert und beleben die<br />
Unterrichtsgespräche mit intelligenten,<br />
kritischen und sehr offenen Beiträgen<br />
… Aber dann kann ich keinen katholischen<br />
Religionsunterricht im klassischen<br />
Sinne machen. Die Eltern sind<br />
außerdem gegen eine Teilnahme am<br />
Unterricht.<br />
Über Religion im Allgemeinen kann<br />
ich auch im Regelunterricht sprechen.<br />
Nur nicht über das Gläubigsein und<br />
dessen Ausleben. Geschichtlich kann<br />
ich informieren, jedoch nicht die konfessionelle<br />
Gläubigkeit als Religionslehrer<br />
da prägen, wo es mir das Gesetz<br />
der Andersgläubigen verbietet. In den<br />
nächsten zwei Stunden findet aber Religionsunterricht<br />
statt. Was steht heute<br />
auf dem Plan: Das Thema Licht und<br />
Dunkel. Symboldidaktik. Das ist wichtig<br />
für all meine Schüler. Was nun? Sei<br />
es drum, ich will ja den Kindern gerecht<br />
werden. Und ich werde den Kindern gerecht,<br />
zumindest ansatzweise. Und mit<br />
dieser Ideologie möchte ich meinen Beruf<br />
ausleben, so oft wie irgend möglich.<br />
Allerdings würden die Kirche und ihre<br />
Vertreter wohl ein Problem damit haben,<br />
wie ich mit einer heterogenen Klasse<br />
und deren Unterrichtung umgehe.<br />
Aber meine Devise lautet: Alle Kinder<br />
haben ein Recht auf geschichtliche<br />
Aspekte aller Religionen, genauso wie<br />
ethische, philosophische und moralische<br />
Themenschwerpunkte für jedes<br />
Kind wichtig sind. Ich wüsste nicht,<br />
welches Thema ich wann, für welches<br />
Kind, mit welcher Begründung aussparen<br />
könnte – nicht ohne schlechtes Gewissen<br />
zu haben.<br />
Der Unterricht »verkommt« zum<br />
Ethikunterricht – und das ist gut so!<br />
Meiner Meinung nach ist es kulturgeschichtlich<br />
für den jungen Menschen<br />
wichtig zu erfahren, was und wer das<br />
Christentum ist. Denn es hat unsere<br />
westliche Welt mitgeprägt, einen Teil<br />
davon mit aufgebaut und ist allein wegen<br />
des Kirchenjahres und dessen Festen<br />
nicht mehr aus unserem tagtäglichen<br />
Leben wegzudenken. Aber die<br />
Betonung liegt meinerseits auf dem kulturgeschichtlichen<br />
Aspekt.<br />
Denn ansonsten ist das, was im Religionsunterricht<br />
an ethischen Normen<br />
und Regeln vermittelt werden soll,<br />
nichts anderes als Ethikunterricht, und<br />
dieser sollte allen Kindern in gleichem<br />
Maße zuteil werden. Dafür müssen<br />
Kinder auch nicht aus ihrem gewohnten<br />
Klassenverband ausgekoppelt werden.<br />
In manch einem Bundesland wird<br />
als Ausgleich und Ersatz für den konfessionellen<br />
Religionsunterricht allerdings<br />
Philosophie angeboten. Ein<br />
wunderbares Feld, welches auch in der<br />
<strong>Grundschule</strong> bestens aufgehoben ist.<br />
Allerdings ist Philosophie kein Ersatz<br />
für Religion. Hier werden Felder füreinander<br />
als Platzhalter genutzt und andererseits<br />
voneinander abgegrenzt, die<br />
Der moderne Religionslehrer und sein Privatleben – ein persönlicher Kommentar<br />
Das Religionsstudium im Zusammenhang<br />
mit der Ausbildung zum Religionslehrer<br />
schien eine sinnvolle Entscheidung,<br />
da ich in meiner Familie religiös geprägt<br />
wurde und immer davon ausging, gläubig<br />
zu sein, doch ich wurde eines Besseren<br />
belehrt …<br />
Während des Studiums wurden mir dann<br />
die ersten Stolpersteine in den Weg gelegt:<br />
Ein Einführungsseminar, in welchem<br />
wir Studenten darüber aufgeklärt wurden,<br />
dass es sich für uns nicht schickt, mit<br />
einem Partner zusammenzuleben, mit<br />
dem wir nicht verheiratet sind. Erste verlegene<br />
Blicke im Seminarraum machten<br />
mir damals schon bewusst, dass ich nicht<br />
die Einzige im Religionsstudiengang war<br />
und sein werde, die nicht nur einmal anecken<br />
oder etwas verbergen wird. Mit<br />
dem Ende des Studiums kündigte sich<br />
Nachwuchs in meiner eigenen kleinen<br />
Familie an. Nur mit dem Haken, dass es<br />
keine echte Familie war, wenn man sich<br />
nach der katholischen Kirche richtet.<br />
Also wurde schnell geheiratet, zunächst<br />
nur standesamtlich, denn wie soll man<br />
als Noch-Student eine anständige kirchliche<br />
Trauung mit allem Drum und Dran<br />
finanzieren? Doch die vorläufige Mission<br />
für das Referendariat konnte mir natürlich<br />
noch nicht ausgestellt werden. Schriftlich<br />
wurde mir mitgeteilt, dass dies natürlich<br />
unverzüglich geschieht, wenn kirchliche<br />
Trauung und Taufnachweis des Kindes<br />
nachgeliefert werden.<br />
Was blieb also anderes möglich, als<br />
schnellstmöglich zu heiraten und das<br />
Kind taufen zu lassen … Ich möchte an<br />
dieser Stelle ernsthaft in Frage stellen, ob<br />
es für meine Qualität als Religionslehrer<br />
notwendig ist, diesen Schritt zu gehen …<br />
Entmündigt die Kirche den freien Menschen,<br />
Partnerschaften der modernen<br />
Gesellschaft und die Erziehung des eigenen<br />
Kindes?<br />
Der moderne Mensch des 21. Jahrhunderts<br />
hat möglicherweise doch Probleme,<br />
die Vorstellungen der Bibel, des Vatikans<br />
und anderer Kirchenvertreter ohne<br />
Einschränkungen zu übernehmen.<br />
Oft musste ich mich selber fragen: Bin ich<br />
ein schlechter Mensch, nur weil ich ein<br />
modernes Leben wie fast jeder Andere<br />
führe, oder kann ich doch reflektiert und<br />
mit eigenen Maßstäben und Einstellungen<br />
ein »guter« Religionslehrer sein?<br />
Stellt man sich solche Fragen zu oft, wird<br />
daraus bald eine ganz andere Frage, die<br />
aus Groll und Unverständnis resultiert:<br />
Möchte ich einer Religionsgemeinschaft<br />
angehören, die es mir verbietet, mein<br />
Privatleben teilweise auch nach subjektiven<br />
Maßstäben zu leben? Will ich meiner<br />
eigenen Meinung vollständig beraubt<br />
werden, oder muss ich mich von dieser<br />
Glaubensgemeinschaft trennen?<br />
Und noch einen Nachsatz möchte ich an<br />
dieser Stelle anfügen: Seltsam finde ich<br />
bei alldem, dass sich eine Privatperson<br />
im Lehramt diese Fragen stellen muss.<br />
An anderer Stelle aber taten und tun<br />
Kirchenmänner mit hohen Ämtern wirklich<br />
Schändliches, was Kindern wirkliche<br />
Schäden zugefügt hat. Steht da in Relation,<br />
ob ein Religionslehrer in wilder Ehe<br />
mit Nachwuchs lebt? Diese Frage habe<br />
ich mir mittlerweile beantwortet.<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
25
Praxis: Kinder und Religion(en)<br />
Name und Anschrift der Autorin<br />
sind der Redaktion bekannt.<br />
Die Autorin sieht sich gezwungen,<br />
diesen Beitrag namentlich nicht zu<br />
zeichnen.<br />
sich nicht zum gegenseitigen Austausch<br />
anbieten.<br />
Soll es denn bedeuten, dass ein konfessionsloses<br />
Kind über die großen Fragen<br />
dieses Lebens allwöchentlich philosophiert,<br />
dies aber ohne das Wissen um<br />
Religion, da es ja nicht am Religionsunterricht<br />
teilnehmen soll. Kann man<br />
über die großen Fragen des Seins aber<br />
philosophieren ohne jegliches Wissen<br />
um Religion und seine Geschichten?<br />
Umgekehrt gefragt: Sollen Kinder, die<br />
konfessionell gebunden sind, nicht über<br />
die großen Fragen philosophieren dürfen,<br />
sondern sich ohne Ausnahme lehren<br />
lassen, wie diese Fragen ihre Antworten<br />
in und mit der Religion finden?<br />
Dass Kinder im konfessionell gebundenen<br />
Unterricht ihre Fragen und Zweifel<br />
einbringen dürfen, ist meiner Ansicht<br />
nach nur Ideologie. Denn zwar findet<br />
in der Lehrerfortbildung rund um Religion<br />
eine Öffnung statt, aber diese teilt<br />
nicht jede Lehrkraft, und im Endeffekt<br />
sind unserer Weltoffenheit als Religionslehrer<br />
im Unterricht dann doch<br />
auch die Hände gebunden. Denn echtes<br />
Philosophieren hat hier Grenzen, da bereits<br />
etwas geschrieben steht …<br />
Es soll auch vorkommen, dass Kinder<br />
im Religionsunterricht nur in der Bibel<br />
lesen und danach bei Stillemusik Jesus-<br />
Mandalas ausmalen. Der Geist unserer<br />
Kinder wird hier nicht im Geringsten<br />
geöffnet. Und wer denkt, dass dieses<br />
Modell überholt und nicht mehr <strong>aktuell</strong><br />
ist, hat lange nicht mehr Mäuschen<br />
im Religionsunterricht unseres Landes<br />
gespielt.<br />
Umsetzungsrealität und -wunsch<br />
Im Folgenden möchte ich ein paar<br />
Vorschläge liefern, wie ich mit all diesen<br />
Problematiken und Stolpersteinen<br />
umgehe. Diese erheben nicht den Anspruch<br />
auf Perfektion oder Vollständigkeit.<br />
Ich werde hier auch nicht angeben,<br />
was davon ich bereits umsetze und was<br />
nur Vision ist. Der eine oder andere<br />
Tipp ist also eher als Tipp der Zukunft<br />
zu verstehen:<br />
●●<br />
Authentisch bleiben: Höchste Priorität<br />
für jede Art von Unterricht hat stets<br />
die eigene Authentizität. Nur der Lehrer<br />
kann wirklich gut und nachhaltig lehren,<br />
der sich nicht verstellt. Ein stures<br />
Nachbeten von Aufgezwungenem hat<br />
keinerlei Wirkung auf die Schüler.<br />
●●<br />
Allen Kindern gerecht werden: Alle<br />
Kinder haben ein Recht darauf, etwas<br />
über die Religionen ihrer Welt zu erfahren<br />
und Wissen darüber anzuhäufen.<br />
Diese Tatsache ist nicht gekoppelt an<br />
Religionszugehörigkeit und sollte daher<br />
eher als eine Art Welt- und Lebenskunde<br />
aufgefasst werden. Jedes Kind sollte<br />
Antworten auf seine Fragen in diesem<br />
Bereich erhalten.<br />
●●<br />
Religionsfreiheit zulassen in unserer<br />
heterogenen Welt: Alle Kinder, die einer<br />
Religionsgemeinschaft angehören, sollten<br />
in gleichem Maße das Recht haben,<br />
dieser Religion Ausdruck zu verleihen.<br />
Kinder werden nach so vielen Registern<br />
in Schubladen verteilt. Sie haben es<br />
nicht verdient, dass ihnen auch noch<br />
ein weiterer Stempel aufgedrückt wird.<br />
Kinder brauchen einen Raum, in dem<br />
sie geschützt ihrem Glauben nachkommen<br />
können.<br />
●●<br />
Durch Zuhören lernen: Vorurteile<br />
über Andersgläubige entwickeln sich<br />
meist durch pures Unwissen, dem kann<br />
durch Offenheit, Toleranz und Zeit zum<br />
Erzählen bzw. Zuhören entgegengewirkt<br />
werden. Auch ich habe Vorurteile<br />
ablegen können, weil ich meinen Schülern<br />
ein Ohr geschenkt habe. Interreligiöser<br />
Austausch ist eine enorme Chance<br />
für die folgenden Generationen.<br />
●●<br />
Soziale und gesellschaftliche Normen<br />
für alle Kinder: Schule hat die Aufgabe,<br />
auch sozial und gesellschaftlich zu bilden.<br />
Hierfür bietet der Religionsunterricht<br />
enorme Fläche. Nehmen an diesem<br />
aber nur ein Bruchteil der Schüler<br />
einer Klasse effektiv teil, sollten Wege<br />
gefunden werden, diese Themen in andere<br />
Fächer zu integrieren oder den Religionsunterricht<br />
ohne Einschränkung<br />
zu öffnen.<br />
●●<br />
Ökumenischer Religionsunterricht<br />
wäre Unterricht, welcher die versöhnte<br />
Verschiedenheit der Religionen bekundet.<br />
Fraglich ist nur, ob das dem Schüler<br />
an sich gerecht wird.<br />
Fazit<br />
In meinen Augen sollte folgender Realität<br />
Rechnung getragen werden:<br />
Konfessionelle Trennung in der<br />
<strong>Grundschule</strong> ist überholt und bringt<br />
Lehrer tagtäglich in unrealistische, aufgesetzte<br />
und gezwungene Situationen.<br />
Dem Religionslehrer in unserer modernen<br />
Welt muss die Chance gegeben<br />
werden, Religionsgeschichte an die<br />
Kinder weiterzugeben, die einzelnen<br />
Religionen im gleichen Maße einzubringen<br />
und zu beleuchten. Andererseits<br />
muss die Möglichkeit eingeräumt<br />
werden, mit allen Kindern über soziale<br />
Fragen, Spannungen und Auslegungen<br />
bereits im frühesten Kindesalter zu diskutieren.<br />
Schüler haben das Recht auf<br />
Bildung auch auf sozial-emotionaler<br />
Werteebene. Dieser Forderung kann<br />
Rechnung getragen werden. Aber nur<br />
dann, wenn der Egoismus einzelner<br />
Religionsgemeinschaften in den Hintergrund<br />
rückt, das Kind und seine<br />
Forderungen in den Mittelpunkt treten<br />
und wenn nicht weiterhin die Realitäten<br />
unserer Welt verdrängt, verzerrt oder<br />
verklärt werden.<br />
26 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />
Blick ins Plenum<br />
H. Bartnitzky im Workshop<br />
Arbeitstagung zur Grundschrift in Hannover<br />
Mehr als 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer<br />
waren bei der ersten bundesweiten<br />
Arbeitstagung zur Grundschrift,<br />
die am ersten Aprilwochenende im<br />
»Loccumer Hof« in Hannover stattfand.<br />
Mit dieser Tagung, die seit Wochen<br />
ausgebucht war, ging die Erprobungsphase<br />
der Grundschrift-Materialien<br />
zu Ende. Die Materialien standen fast<br />
ein Jahr zum kostenfreien Download<br />
im Internet zur Verfügung (www.diegrundschrift.de).<br />
Das Interesse war sehr<br />
groß, die Rück meldungen durchweg<br />
positiv und ermutigend.<br />
»Grundschrift: damit Kinder besser<br />
schreiben lernen« – ein knappes Jahr ist<br />
es erst her, dass der Grundschulverband<br />
seine Initiative unter diesem Motto<br />
startete. Ausgangspunkt war die Überzeugung,<br />
dass Kinder, Jugendliche und<br />
junge Erwachsene auch im Computerzeitalter<br />
eine leicht und flüssig schreibbare<br />
sowie gut lesbare Schrift brauchen:<br />
in allen Schulstufen und natürlich auch<br />
in Berufsausbildung und Hochschule.<br />
Schülern, Auszubildenden und Studierenden<br />
wird der Wert einer klaren und<br />
lesbaren Schrift beständig vor Augen<br />
geführt. Aber noch immer herrscht der<br />
»Schriften-Wirrwarr«, lernen Kinder in<br />
allen Bundesländern zwei Ausgangsschriften:<br />
eine mit der Hand geschriebene<br />
Druckschrift und im Anschluss entweder<br />
die Lateinische (LA), Vereinfachte (VA)<br />
oder Schul-Ausgangsschrift (SAS).<br />
Der Grundschulverband hatte seine<br />
Initiative in einer Pressemitteilung so<br />
begründet: »Die in Deutschland bisher<br />
verwendeten Ausgangsschriften sind<br />
historisch überholt. Eine Schrift zum<br />
Lesen- und Schreibenlernen ist genug!<br />
Aus ihrer ersten Schrift können Kinder<br />
eine flüssige und lesbare Handschrift<br />
entwickeln – die Schrift, die sie in Schule,<br />
Ausbildung und Beruf brauchen.«<br />
Mit der Grundschrift stellte der Verband<br />
eine didaktisch begründete, methodisch<br />
inzwischen vielfach erprobte und praxistaugliche<br />
Alternative zur Verfügung (siehe<br />
die Seite »Grundschrift – im Überblick«,<br />
in diesem Heft auf S. 28).<br />
Zur Arbeitstagung: Horst Bartnitzky<br />
skizzierte in seinem einleitenden Referat<br />
Ziel und Konzept des Projekts »Grundschrift«.<br />
Vier Workshops wurden angeboten,<br />
in denen die Mitglieder der<br />
Grundschrift-Projektgruppe aus ihrer<br />
Praxis berichteten:<br />
●●<br />
Schreibenlernen mit der Grundschrift<br />
– »Buchstaben« und »Schreiben mit<br />
Schwung« (Dr. H. Bartnitzky, U. Hecker,<br />
Dr. Ch. Mahrhofer-Bernt);<br />
● ● »Meine Schrift«: Übungshefte und<br />
Schriftgespräche – eigenaktive Entwicklung<br />
der Handschrift (B. van der Donk,<br />
Linda Kindler);<br />
●●<br />
Schuleigener Arbeitsplan »Schrift und<br />
Schreiben« – Beispiele und Rechtsrahmen<br />
(Prof. Dr. E. Brinkmann, Ch. Schüßler);<br />
●●<br />
Erfahrungen mit handgeschriebener<br />
Druckschrift – auch über die <strong>Grundschule</strong><br />
hinaus (L. Bode).<br />
In vier Runden hatten die Teilnehmenden<br />
die Möglichkeit, in allen Workshops<br />
mitzuarbeiten.<br />
Der Vortrag »Wie kommt die Handschrift<br />
in die Schule? – Geschichte(n) über Schrift,<br />
Schreiben, Schule« bildete den Abschluss<br />
des ersten Tages.<br />
In den Workshops erlebten alle Beteiligten<br />
lebhafte und produktive Gespräche<br />
und Diskussionen. Anregungen zur<br />
Gestaltung der Grundschrift-Materialien,<br />
die sich aus den Erfahrungen der Teilnehmer/innen<br />
ergaben, wurden aufmerksam<br />
erörtert und werden Eingang in die<br />
Endfassung der »Grundschrift-Kartei zum<br />
Lernen und Üben« finden. Nach der<br />
Arbeitstagung arbeiten die Mitglieder der<br />
Projektgruppe unter Hochdruck an den<br />
Materialien.<br />
Ulrich Hecker<br />
Als Band 132 der Reihe »Beiträge zur<br />
Reform der <strong>Grundschule</strong>« wird im Juni<br />
– rechtzeitig vor Beginn der Planungen<br />
für das nächste Schuljahr – ein pralles<br />
Materialpaket kostenlos an alle Mitglieder<br />
verschickt:<br />
Ein »Basis-Buch« mit grundlegenden<br />
Informationen und Hintergründen zur<br />
Grundschrift, dazu weitere nützliche<br />
Materialien auf einer CD, sowie die<br />
beiden »Karteien zum Lernen und Üben:<br />
›Die Buchstaben‹ (Teil 1) und ›Schreiben<br />
mit Schwung‹ (Teil 2)«.<br />
Für (Nach-) Bestellungen: Buch mit<br />
Karteien 1 + 2: 39 € (für Mitglieder: 26 €),<br />
Karteien 1 + 2 separat: 29 € (f. Mitgl.: 19 €)<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
27
<strong>aktuell</strong> … aus dem Bundesvorstand<br />
Grundschrift – im Überblick<br />
Grundschrift als erste<br />
und einzige Schrift<br />
Grundschrift als handgeschriebene<br />
Druckschrift<br />
Ökonomischer<br />
Bewegungsablauf<br />
Schreiblineaturen<br />
als Angebote<br />
Verbindungen und<br />
Varianten als Angebote<br />
Kriterien für eine<br />
qualitätsvolle Handschrift<br />
Grundschrift als Teil<br />
qualitätsvollen<br />
zeitgemäßen Unterrichts<br />
Die Grundschrift ist eine Schreibschrift, die mit der gedruckten Leseschrift<br />
korrespondiert.<br />
Eine weitere Schriftform als normierte Ausgangsschrift ist wegen des Bruchs<br />
in der Schreibentwicklung schädlich. Die in Deutschland bisher verwendeten<br />
Ausgangsschriften: Lateinische, Vereinfachte und Schul-Ausgangsschrift sind<br />
historisch überholt.<br />
Die Buchstabenformen sind an den Druckbuchstaben orientiert. Sie werden aber<br />
nicht geschrieben »wie gedruckt«, sondern sind handgeschriebene Buchstaben.<br />
Die Kleinbuchstaben mit Abstrich am Ende laufen in einem Wendebogen aus.<br />
Damit wird beim späteren weiterführenden Schreiben das Verbinden von Buchstaben<br />
in flüssiger Bewegung möglich.<br />
Vorrang beim Ablauf der Schreibbewegung haben die beiden Grundsätze:<br />
●●<br />
von links nach rechts,<br />
●●<br />
von oben nach unten.<br />
Wenn Kinder nach dem Ausprobieren einen anderen Ablauf bevorzugen,<br />
hat der individuelle Weg Vorrang. Bedingung ist: Die Buchstaben sind formklar<br />
und bleiben formstabil.<br />
Die Lineatur wird nicht als einengende und bewegungshindernde Normierung<br />
vorgegeben, sondern mit Varianten, aus denen Kinder und Lehrkraft das jeweils<br />
Geeignete aussuchen können:<br />
●●<br />
gänzlicher Verzicht auf Lineatur,<br />
●●<br />
Schreiben auf eine Grundlinie, Vorlagen in verschiedenen Abständen,<br />
●●<br />
Schreiben auf Vorlage mit grau markiertem Mittelband und Orientierungsbalken<br />
links und rechts für Ober- und Unterlängen, ebenfalls in verschiedenen Größen.<br />
Im weiterführenden Schreiben probieren die Kinder grafisch sichtbare Verbindungen<br />
und Buchstabenvarianten aus. Sie sind aber immer Angebote, nicht Vorschrift.<br />
Als Kriterien gelten von den ersten Schreibanfängen an bis zum weiterführenden<br />
Schreiben:<br />
●●<br />
Geläufigkeit des Schreibens (Schreiben mit Schwung),<br />
●●<br />
Formklarheit der Buchstaben,<br />
●●<br />
gute Lesbarkeit der Schrift.<br />
Die Grundschrift ist das Pendant zur Lese-Druckschrift und begünstigt den<br />
tendenziell eigenaktiven Schriftspracherwerb. Ergänzende Elemente vernetzen<br />
sie in der zeitgemäßen Grundschuldidaktik. Hierzu tragen insbesondere bei:<br />
●●<br />
Entwicklung zur individuellen Handschrift,<br />
●●<br />
nachhaltig wirksame Kriterien für qualitätsvolle Schrift,<br />
●●<br />
Schriftgespräche sowie Selbsteinschätzungen und Rückmeldungen,<br />
●●<br />
Dokumentation der eigenen Schriftentwicklung (»Meine Schrift«),<br />
●●<br />
Schrift als Thema der Welterkundung,<br />
●●<br />
Gestalten mit Schrift.<br />
© Grundschrift: www.grundschulverband.de · © Illustrationen: www.designritter.de<br />
28 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Bayern<br />
Vorsitzende: Dr. Gudrun Schönknecht, Pfirsichweg 37b, 86169 Augsburg;<br />
www.grundschulverband-bayern.de<br />
Inklusion in Bayern<br />
Jahrestagung der Grundschulpädagogik<br />
und der Weg des<br />
Kultusministeriums<br />
Ein Schulbesuch von behinderten<br />
Kindern in der<br />
Regelschule stellt neue berufliche<br />
Anforderungen an<br />
Grundschullehrkräfte, zu<br />
denen sie durch die Universitäten<br />
vorbereitet werden<br />
müssen. In seinem Gastvortrag<br />
auf der Jahrestagung<br />
aller Professoren und<br />
Mitarbeiter der bayerischen<br />
Grundschulpädagogiklehrstühle<br />
betonte Prof. Dr.<br />
Wocken, warum die alleinige<br />
Aufrechterhaltung des<br />
Förderschulwesens und die<br />
damit notwendig verbundene<br />
Selektion der Schülerinnen<br />
und Schüler unverantwortlich<br />
wäre. Bei einer<br />
Inklusion in der Regelschule<br />
müssen seiner Ansicht nach<br />
einerseits Ressourcen für eine<br />
entsprechende Förderung<br />
vorhanden sein und andererseits<br />
dürfen Kinder höchstens<br />
zeitweise aus dem Klassenverband<br />
für diese speziellen<br />
Fördermaßnahmen herausgenommen<br />
werden. Die<br />
Beschulung von Kindern mit<br />
Behinderungen ist auch in<br />
bayerischen <strong>Grundschule</strong>n<br />
längst Realität.<br />
Nach der Aussage auf einer<br />
Informationsveranstaltung<br />
des Kultusministeriums<br />
Bayern wird inklusiver<br />
Unterricht in den Formen<br />
»Einzelintegration«, »Außenklassen«,<br />
»Kooperationsklassen«<br />
und »Geöffnete Klassen<br />
der Förderschule« durchgeführt.<br />
In Außenklassen und<br />
Kooperationsklassen soll<br />
dabei eine Schülerzahlreduzierung<br />
berücksichtigt<br />
werden. Das neue Modell der<br />
»erweiterten Kooperationsklasse«<br />
sieht die Zusammenarbeit<br />
einer Grundschullehrkraft<br />
mit einer Lehrkraft der<br />
Sonderpädagogik in einer<br />
Klasse vor. Der bayerische<br />
Weg besteht lt. Aussage des<br />
Kultusministeriums darin,<br />
»Bewährtes weiterzuentwickeln<br />
und Fachlichkeit<br />
sowie Qualität der Förderung<br />
zu berücksichtigen«. Im<br />
Baye rischen Erziehungs- und<br />
Unterrichtsgesetz sind<br />
Grund aussagen zum gemeinsamen<br />
Lernen verankert, die<br />
von einer interfraktionellen<br />
Arbeitsgruppe im Landtag<br />
gesichtet werden. Insbesondere<br />
die Stärkung des<br />
Elternentscheidungsrechts<br />
wird in den Mittelpunkt<br />
gestellt. Eltern können sich<br />
sowohl für die Sprengelgrundschule<br />
als auch für die<br />
Förderschule oder eine<br />
Gastgrundschule entscheiden.<br />
Die Aufnahmeentscheidung<br />
trifft allein die <strong>Grundschule</strong><br />
in Zusammenhang mit<br />
dem Sachauf wands träger.<br />
Hierbei gilt: »Kann der<br />
individuelle sonderpädagogische<br />
Förderbedarf an der<br />
allgemeinen Schule mit der<br />
vorhandenen Unterstützung<br />
(…) nicht hinreichend<br />
gedeckt werden und ist die<br />
Schülerin oder der Schüler<br />
dadurch in der Entwicklung<br />
gefährdet oder beeinträchtigt<br />
sie oder er die Rechte<br />
von Mitgliedern der Schulgemeinschaft<br />
erheblich,<br />
besucht die Schülerin oder<br />
der Schüler die Förderschule.«<br />
Zu fragen wäre hier, warum<br />
in einem solchen Fall dann<br />
die vorhandene Unterstützung<br />
nicht ausgebaut wird.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
www.<br />
www.hans-wocken.de/<br />
– Aktuelles<br />
für die Landesgruppe:<br />
Petra Hiebl, Gabriele Klenk<br />
Berlin<br />
Kontakt: Inge Hirschmann, Babelsberger Straße 45, 10715 Berlin, info@gsv-berlin.de<br />
www.gsv-berlin.de<br />
Transparenz und Rankings<br />
als Garant für Schulqualität?<br />
»Braucht die Schule mehr<br />
Transparenz?«, so hieß eine<br />
Veranstaltung, bei der auch<br />
wir mit Herrn Prof. Dr. Jürgen<br />
Zöllner, unserem Bildungssenator,<br />
seine 29 Vorschläge<br />
zur Qualitätsentwicklung in<br />
Kitas und Schulen diskutierten.<br />
Seit Veröffentlichung<br />
seines »Qualitätspakets«<br />
hatten Vertreter/innen der<br />
Gewerkschaften und<br />
diverser Verbände – unter<br />
anderem auch der GSV<br />
Landesgruppe Berlin – Stellungnahmen<br />
dazu abgegeben.<br />
Der Bericht erstattung<br />
in den Tageszeitungen war<br />
zu entnehmen, dass das<br />
Qualitätspaket wenig<br />
positive Resonanz fand.<br />
Insbesondere das öffentliche<br />
Ranking der Ergebnisse der<br />
Vergleichs arbeiten (VERA)<br />
zum Ansporn für scheinbar<br />
schlechte Schulen ist auf<br />
breite Ablehnung gestoßen.<br />
Jeder Vergleich produziert<br />
Gewinner und Verlierer. Auch<br />
wenn Schüler/innen schwache<br />
Ergebnisse bei den<br />
Vergleichsarbeiten haben, so<br />
tragen nicht nur die Lehrer/<br />
innen die Verantwortung.<br />
Dennoch machte der Senator<br />
im Rahmen der Veranstaltung<br />
noch einmal sehr<br />
deutlich, dass er am Ranking<br />
festhält. Allen Besuchern der<br />
Veranstaltung lag ein Modell<br />
zur Darstellung der Leistungs<br />
ergebnisse aller Berliner<br />
Schulen im Internet vor. Die<br />
Schulen – getrennt nach<br />
Grund- und Sekundarstufen-<br />
Schulen – sollen demnach<br />
unter Berücksichtigung eines<br />
Belastungsindex (Mittel -<br />
wert aus dem »Anteil der<br />
Schüler/innen nichtdeutscher<br />
Herkunft« und »Anteil der<br />
Schüler/innen mit Lernmittelbefreiung«)<br />
in eine Rangfolge<br />
gebracht werden. Erklärte<br />
Absicht – zitiert aus der<br />
Vorlage vom 14. Februar 2011:<br />
»Diese Darstellung dient zum<br />
einen der weiteren Implementation<br />
der Bildungsstandards<br />
/ Kompetenzmodelle,<br />
zum anderen ist das spezifische<br />
Leistungs profil der<br />
entsprechenden Schule im<br />
Vergleich zu ›ihrer‹ Vergleichsgruppe<br />
durch das<br />
Stufenmodell besser erkennbar.«<br />
Statt den Schulen in den<br />
Berliner Problemkiezen die<br />
größtmögliche Unterstützung<br />
zukommen zu lassen,<br />
wird so der Wegzug der<br />
bildungsbewussten Eltern in<br />
Schulen mit möglichst vielen<br />
deutschsprachigen Kindern<br />
der Mittelschicht befördert.<br />
Das für die Qualität von<br />
Schulen brisanteste Thema<br />
– nämlich die personelle<br />
Unterversorgung vieler<br />
Berliner Schulen mit gut<br />
ausgebildeten Pädagog/in -<br />
nen – findet keinerlei<br />
Berücksichtigung im vorliegenden<br />
Qualitätspaket.<br />
Professor Dr. Zöllner sah<br />
Handlungsbedarf, verwies<br />
aber darauf, dass im Prinzip<br />
genügend Lehrer und<br />
Lehrerinnen im aktiven<br />
Berliner Schuldienst seien.<br />
Nach seiner Einschätzung<br />
gäbe es nur Schwierigkeiten<br />
mit der Unterverteilung an<br />
die einzelnen Schulen.<br />
Inzwischen hat der Landeselternausschuss<br />
Aktionen<br />
unter dem Motto »Berliner<br />
Elternprotest – Mehr Geld für<br />
Schulen« angekündigt<br />
(www.lea-berlin.de).<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
29
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Bremen<br />
Kontakt: www.grundschulverband-bremen.de<br />
VERA<br />
Vertreterinnen der Landesgruppe<br />
waren im Februar zu<br />
einem Gespräch bei der<br />
Senatorin für Bildung und<br />
weiteren Behördenvertretern<br />
geladen, in dem es um eine<br />
kritische Auseinandersetzung<br />
mit VERA und den Bundesländervergleich<br />
im Jahrgang<br />
vier im Juni 2011 ging.<br />
Bremen wird bei VERA die<br />
Teile Mathematik und Lesen<br />
durchführen.<br />
Beim Bundesländervergleich<br />
hat sich im Vorfeld gezeigt,<br />
dass Bremen nicht richtig<br />
abgebildet werden wird, da<br />
hier Kinder mit sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf<br />
integrativ beschult werden<br />
und somit die Standardaufgaben<br />
mitschreiben müssten.<br />
Die senatorische Behörde<br />
wird diesbezüglich Gespräche<br />
mit dem IQB führen.<br />
Grundschrift – damit die<br />
Kinder besser schreiben<br />
lernen<br />
Das Konzept der Grundschrift<br />
hat sich in Bremen schnell<br />
herumgesprochen und viel<br />
Interesse geweckt. Die<br />
Veranstaltung am 2. 3. 2011<br />
des LIS (Landesinstituts für<br />
Schule) in Zusammenarbeit<br />
mit dem Grundschulverband<br />
war mit 100 Anmeldungen in<br />
kurzer Zeit ausgebucht.<br />
Dr. Horst Bartnitzky führte<br />
mit einem Exkurs über die<br />
Veränderungen der Schreibdidaktik<br />
und der Entstehungen<br />
der drei Ausgangsschriften<br />
in die Thematik ein. Im<br />
weiteren Vortrag wurden das<br />
schreibdidaktische Konzept<br />
der Grundschrift sowie die<br />
vom Grundschulverband<br />
entwickelten Materialien<br />
vorgestellt.<br />
Die Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer konnten sich<br />
beim Schreiben der Grundschrift<br />
und ihrer unterschiedlichen<br />
Verbindungsmöglichkeiten<br />
ausprobieren und<br />
bereits einige Ideen aus der<br />
Praxis mitnehmen.<br />
Viele der Kolleginnen und<br />
Kollegen möchten mit der<br />
Grundschrift in ihrem<br />
Unterricht arbeiten und<br />
eigene Erfahrungen mit<br />
diesem neuen Konzept<br />
sammeln.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Inge Tietjen,<br />
Nina Bode-Kirchhoff<br />
Aufgrund der großen<br />
Nachfrage wird die<br />
Grundschrift -Veranstaltung<br />
im Mai wiederholt.<br />
Referent: Dr. Horst Bartnitzky<br />
Montag, 16. Mai 2011,<br />
15 – 18 Uhr<br />
Ort: GS Pfälzer Weg<br />
Veranstalter: LIS, GSV<br />
Brandenburg<br />
Vorsitzende: Denise Sommer, Weinbergweg 21, 15834 Rangsdorf<br />
www.gsv-brandenburg.de<br />
»Alle inklusive!?« –<br />
Zum Stand der Diskussion<br />
in Brandenburg<br />
Ende Januar 2011 fand im<br />
Ministerium für Bildung,<br />
Jugend und Sport des Landes<br />
Brandenburg (MBJS) eine<br />
Gesprächsrunde zur Umsetzung<br />
der UN-Menschenrechtskonvention<br />
auf Einladung<br />
des Staatssekretärs<br />
statt. Herr Jungkamp betonte,<br />
dass diese Beratung ein<br />
erster Meinungsaustausch<br />
auf dem Weg zu einer »Schule<br />
für alle« sei.<br />
Vertreter von 10 Landesverbänden,<br />
darunter auch der<br />
Grundschulverband, hatten<br />
die Möglichkeit, ihre Positionen<br />
darzulegen und miteinander<br />
ins Gespräch zu<br />
kommen. Herr Dr. Rudnick<br />
aus dem MBJS stellte erste<br />
Schritte auf dem Weg zu<br />
einer inklusiven Schule vor.<br />
In den Statements der<br />
Landesverbände wurden<br />
zahlreiche Positionen<br />
dargelegt. Alle Beteiligten<br />
sprachen sich dafür aus, den<br />
begonnenen Verständigungsprozess<br />
fortzusetzen<br />
und zu intensivieren.<br />
Die Landesgruppe erarbeitete<br />
eine Stellungnahme, in der<br />
wir folgende Konsequenzen<br />
für die Umsetzung im Land<br />
Brandenburg darlegen:<br />
1. Anknüpfen an gewonnene<br />
Erfahrungen aus Projekten<br />
wie z. B. »Gemeinsame<br />
Erziehung«, »Flexible<br />
Schuleingangsphase« und<br />
»Kleine <strong>Grundschule</strong>«<br />
2. Befähigung der Pädagoginnen<br />
und Pädagogen aller<br />
Schulstufen in Aus-, Fort- und<br />
Weiterbildung durch verbindliche<br />
Fortbildungsmaßnahmen,<br />
prozessbegleitende<br />
Beratung der Schulen,<br />
Nutzung der Netzwerkstrukturen<br />
im Grundschulbereich<br />
3. Kritische Prüfung der<br />
Leistungsbewertung durch<br />
Noten, Unterstützung der<br />
Pädagogen bei der Dokumentation<br />
erreichter Kompetenzen<br />
und von Prozessen<br />
der Lernentwicklung der<br />
Kinder, Zeit und Personal für<br />
Beobachtung, Analysen,<br />
Erstellen individueller<br />
Lernpläne, kritische Prüfung<br />
der gegenwärtigen Praxis<br />
der Vergleichsarbeiten,<br />
Erfassung sozialer Kompe-<br />
tenzen der Schüler als<br />
wichtige Indikatoren für<br />
Qualität von Schule<br />
4. Schaffung von notwendigen<br />
Bedingungen für den<br />
gemeinsamen Unterricht<br />
durch zusätzliche materielle<br />
und personelle Ressourcen<br />
für alle Kinder statt Umschichtung,<br />
Aufstockung der<br />
Vertretungsreserve, geringere<br />
Klassenfrequenzen,<br />
dezidierte Diagnostik und<br />
(sonderpädagogische)<br />
Förderung durch Fachkräfte<br />
5. Förderung aller Kinder<br />
besonders in der Sprachentwicklung<br />
bereits vor<br />
Entritt in die Schule, Weiterentwicklung<br />
der Sprachstandsfeststellung<br />
und der<br />
Sprachförderung in den Kitas<br />
6. Verbesserte und professionelle<br />
Zusammenarbeit von<br />
Eltern, Pädagogen, Erziehern,<br />
Schulträgern, Jugend- und<br />
Sozialämtern, Schulaufsicht;<br />
Befindlichkeiten der Kinder,<br />
Eltern und aller Beteiligten<br />
ernstnehmen; Qualifizierung<br />
des nichtpädagogischen<br />
Personals; Öffentlichkeitsarbeit<br />
7. Differenzierte Budgets in<br />
Abhängigkeit vom Standort<br />
und von der Zusammensetzung<br />
der Schülerschaft,<br />
um personelle und materielle<br />
Verstärkung zu sichern<br />
8. Schulbau und Schulgelände<br />
müssen barrierefrei sein,<br />
Raum als dritter Pädagoge,<br />
angemessene Ausstattung<br />
mit Lehr- und Lernmitteln<br />
Die vollständige Stellungnahme<br />
des Landsverbandes<br />
Brandenburg kann auf<br />
unserer Homepage unter<br />
www.gsv-brandenburg.de<br />
nachgelesen werden.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Denise Sommer<br />
Vorankündigung:<br />
September 2011,<br />
Fachtagung zum Thema<br />
»Rechtschreibung«<br />
Das vollständige Programm<br />
finden Sie demnächst auf<br />
unserer Homepage www.<br />
gsv-brandenburg.de unter<br />
der Rubrik Termine. Außerdem<br />
erhalten unsere Mitglieder<br />
eine schriftliche Einladung<br />
und den genauen<br />
Ablauf per Post.<br />
30 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Hamburg<br />
Vorsitzende: Susanne Peters, Güntherstraße 10, 22087 Hamburg, susanne.peters@gsvhh.de<br />
www.gsvhh.de<br />
Nach der Wahl<br />
In Hamburg fanden Ende<br />
Februar vorgezogene Wahlen<br />
zur Bürgerschaft statt, nach -<br />
dem die GAL die Koalition<br />
mit der CDU aufgekündigt<br />
hatte. Nun hat Hamburg eine<br />
SPD-Regierung. Der neue<br />
SPD-Bildungssenator Ties<br />
Rabe, der von Hause aus<br />
Gymnasiallehrer ist, war im<br />
vergangenen Jahr unter den<br />
Gegnern der Primarschulreform.<br />
In der Vergangenheit<br />
hat er sich auch als Verfechter<br />
von Ziffernzensuren in der<br />
<strong>Grundschule</strong> gezeigt. Der<br />
Vorstand der Hamburger<br />
Landesgruppe ist gespannt<br />
auf die Zusammenarbeit. Wir<br />
hoffen, dass der Senator in<br />
seinem neuen Amt zu neuen<br />
Überzeugungen gelangt,<br />
und werden uns bemühen,<br />
durch weitere Gespräche den<br />
Weg zu kompetenzorientierten<br />
Rückmeldeformaten an<br />
Hamburger Schulen zu<br />
ebnen.<br />
Zum Thema Leistungsrückmeldung<br />
fand auch am<br />
9. April unsere Frühjahrstagung<br />
unter dem Motto<br />
»Leistungen von Kindern<br />
würdigen – Beobachten,<br />
Dokumentieren, Rückmelden«<br />
statt. Den Hauptvortrag<br />
hielt Prof. Dr. Hans Brügelmann.<br />
In zehn Workshops<br />
zeigten Hamburger Schulen<br />
Beispiele gelungener Praxis<br />
für kompetenzorientierte<br />
Rückmeldeformate, Portfolioarbeit<br />
und Gespräche mit<br />
Kindern über Leistung.<br />
In einer Podiumsdiskussion<br />
wurden Wege erörtert, die<br />
schon gängige Praxis an ein -<br />
zelnen Schulen auszuweiten.<br />
Seit einem Jahr haben in<br />
Hamburg Eltern behinderter<br />
Kinder das im Schulgesetz<br />
verankerte uneingeschränkte<br />
Recht, ihr Kind an der<br />
Regelschule anzumelden.<br />
Die Behörde hat eine Projektgruppe<br />
eingerichtet, um für<br />
die angemessene Umsetzung<br />
zu sorgen. Derzeit werden<br />
die Kinder in ganz unterschiedlichen<br />
Systemen<br />
beschult: Integrationsklassen<br />
und integrative Regelklassen<br />
mit langjähriger Erfahrung,<br />
Sonderschulen und Schulen,<br />
die zum ersten Mal behinderte<br />
Kinder unterrichten.<br />
Vieles ist auch in der zweiten<br />
Anmelderunde unklar,<br />
obwohl mehrere Teilprojektgruppen<br />
sich bemühen.<br />
Wir erhoffen uns vom neuen<br />
Senat, dass er die offenen<br />
Fragen zügig klärt, und<br />
werden im Rahmen der<br />
Feedbackgruppe die behördlichen<br />
Planungen auch<br />
weiterhin begleiten.<br />
Kinder schreiben mit<br />
der Hand – Schriften<br />
am Schulanfang<br />
Mittwoch, 8. Juni 2011,<br />
16 – 19 Uhr<br />
Referent: Ulrich Hecker,<br />
Stellvertr. Vorsitzender des<br />
Grundschulverbandes<br />
Ort: Universität Hamburg<br />
Von-Melle-Park 8, Raum 206<br />
20146 Hamburg<br />
Hessen<br />
Anschrift: Ilse Marie Krauth, Steigerwaldweg 3, 63456 Hanau, ikrauth@gsv-hessen.de<br />
www.gsv-hessen.de<br />
Grundschultag 2011<br />
Große Resonanz erfuhr der<br />
am 11. Februar an der Osterbachschule<br />
in Homberg / Efze<br />
mit Unterstützung des<br />
Bezirksverbandes der GEW<br />
veranstaltete Grundschultag<br />
der Landesgruppe Hessen.<br />
Der Osterbachschule gebührt<br />
in diesem Zusammenhang<br />
großer Dank, sie erwies sich<br />
als wunderbarer Gastgeber.<br />
Das Thema des Grundschultages<br />
waren die hessischen<br />
Bildungsstandards und das<br />
kompetenzorientierte<br />
Unterrichten.<br />
Mit seinem Impulsreferat<br />
»Kompetenzen – Standards<br />
– gute Aufgaben« stimmte<br />
Dr. Horst Bartnitzky die<br />
150 Teilnehmerinnen und<br />
Teilnehmer auf eine sowohl<br />
kritische als auch konstruktive<br />
Auseinandersetzung mit<br />
dem Thema ein (siehe Foto).<br />
Im Anschluss daran konnten<br />
sie in fünf Workshops ihre<br />
Fragen konkretisieren:<br />
Dr. Horst Bartnitzky und Teilnehmende am Grundschultag<br />
(Foto: Melanie Doering)<br />
●●<br />
Horst Bartnitzkys Angebot<br />
»Mit der Grundschrift zur<br />
individuellen Handschrift<br />
– die Grundschrift und das<br />
Ende der normierten Ausgangsschriften«<br />
stieß auf so<br />
enormes Interesse, dass wir<br />
Folgeveranstaltungen<br />
speziell zu diesem Thema<br />
planen.<br />
●●<br />
Brigitte Spindeler, Universität<br />
Kassel, lud ein zu<br />
»Lernumgebungen – Ein Weg<br />
zum kompetenzorientierten<br />
Mathematikunterricht in der<br />
<strong>Grundschule</strong>«.<br />
●●<br />
Wilfried Meyer, INZ<br />
Lernwerkstatt Bremer<br />
Westen, stellte die Frage:<br />
»Welche Standards brauchen<br />
wir im Sachunterricht?<br />
Entdeckendes Lernen,<br />
<strong>aktuell</strong>e Konzepte« .<br />
●●<br />
Petra Loleit und Susanne<br />
Burkhard, IQ Hessen, informierten<br />
»Zum Umgang<br />
mit dem neuen Hessischen<br />
Kern-Curriculum am Beispiel<br />
Deutsch Primarstufe«.<br />
●●<br />
Im Workshop von Klaus<br />
Heyer, heyer und friends<br />
Gelnhausen, »Wie entwickeln<br />
wir Schulcurricula – ein<br />
praxisnaher und beteiligungsorientierter<br />
Prozess für<br />
eine erfolgreiche Entwicklung<br />
und Umsetzung«<br />
konnten die Teilnehmerinnen<br />
und Teilnehmer sich damit<br />
auseinandersetzen, wie<br />
Gruppenprozesse, die zu<br />
einem schuleigenen Curriculum<br />
führen sollen, wirksam in<br />
Gang gesetzt werden.<br />
Das große Interesse der<br />
Lehrerinnen und Lehrer am<br />
Grundschultag und sein<br />
Verlauf zeigen, dass enormer<br />
Informationsbedarf besteht<br />
und noch viele kritische<br />
Fragen offen sind.<br />
Nicht beantwortet bleibt aus<br />
unserer Sicht nach wie vor,<br />
wie sich der Spagat zwischen<br />
Anspruch der Bildungsstandards<br />
und den genormten<br />
Leistungsabfragen<br />
bewerkstelligen lässt.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Ilse Marie Krauth<br />
GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011<br />
31
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Anschrift: Werner Lang, Am Wingertsberg 8, 67756 Hinzweiler<br />
www.wl-lang.de<br />
Lernen und Leisten –<br />
Beraten, Beurteilen und<br />
Bewerten<br />
Pädagogische Leistungskultur<br />
auf der Grundlage<br />
der Grundschulordnung<br />
Seit 2008 ist eine nun gar<br />
nicht mehr so neue Grundschulordnung<br />
die Basis für<br />
die Arbeit der Lehrkräfte an<br />
<strong>Grundschule</strong>n in Rheinland-<br />
Pfalz. Eine Schulordnung<br />
beschreibt zum einen das<br />
Leitbild einer zeitgemäßen<br />
Schule und zum anderen gibt<br />
sie einen eindeutigen<br />
Rahmen, innerhalb dessen<br />
sich die praktische Arbeit in<br />
Schule und Unterricht zu<br />
vollziehen hat.<br />
Genügt die Grundschulordnung<br />
diesen Anforderungen?<br />
Welche Idee von Schule steht<br />
dahinter? Sind Vor gaben und<br />
Freiräume so ausbalanciert,<br />
dass Lehr kräfte mit ihnen<br />
arbeiten können? Dies sind<br />
die zentralen Fragen der an<br />
fast 20 Tagungsorten in<br />
Rhein land-Pfalz stattfindenden<br />
Nachmittags-Veranstaltung.<br />
In der Fortbildung wird<br />
zunächst das Konzept einer<br />
pädagogischen Leistungskultur<br />
vorgestellt, wie es der<br />
Grundschulverband entworfen<br />
hat, und aufgezeigt, dass<br />
sich auch die GSO diesem<br />
Leitbild verschrieben hat. Im<br />
zweiten Teil geht es verstärkt<br />
um das Beraten, Beurteilen<br />
und Bewerten als zentrale<br />
Tätigkeitsfelder von Lehrkräften.<br />
Dabei wird an vielen<br />
praktischen Beispielen<br />
auf gezeigt, wie der nicht<br />
immer eindeutig formulierte<br />
Rahmen, den die GSO<br />
vorgibt, gefüllt werden kann.<br />
Die Teilnahme ist für Mitglieder<br />
des Grundschulverbandes<br />
kostenlos, Nichtmitglieder<br />
zahlen (vor Ort) 5 Euro.<br />
Informationen zu den<br />
Tagungsorten und -terminen<br />
und zum Anmeldeverfahren<br />
finden Sie auf der Homepage<br />
www.wl-lang.de → Grundschulverband.<br />
Saarland<br />
Vorsitzende: Lilo Groll, Holbeinstr. 11, 66128 Saarbrücken<br />
lagroll@t-online.de<br />
Gemeinsam<br />
geht Bildung besser<br />
Schulversuch zur Einführung<br />
eines Kooperationsjahres<br />
zwischen Kindergarten und<br />
<strong>Grundschule</strong><br />
Mit dem Slogan »Gemeinsam<br />
geht Bildung besser« –<br />
»Gemeinsam bilden. Gemeinsam<br />
Erziehen. Gemeinsam<br />
Übergänge gestalten« hat<br />
das Ministerium für Bildung<br />
eine Zusammenfassung der<br />
Maßnahme »Kooperationsjahr<br />
– Kindergarten – <strong>Grundschule</strong>«<br />
vom 8. Juli 2010<br />
veröffentlicht, die die<br />
Anschlussfähigkeit von<br />
Kindergarten und <strong>Grundschule</strong><br />
im Hinblick auf den<br />
Übergang und die Bildungsinhalte<br />
sowie den Übergangsprozess<br />
an sich verbessern<br />
soll. Dieser Schulversuch<br />
ist nun an 20 <strong>Grundschule</strong>n<br />
und 60 Kindertageseinrichtungen<br />
im Schuljahr 2010/11<br />
angelaufen.<br />
Ausgehend von dem Leitbild<br />
»Das Kind steht im Mittelpunkt«<br />
arbeiten die Erziehungs-<br />
und Bildungsinstitutionen<br />
Kindergarten und<br />
<strong>Grundschule</strong> während des<br />
Kooperationsjahres intensiv<br />
zusammen. Ziel ist, dass der<br />
Prozess der Gestaltung des<br />
Übergangs zu einem Kompetenzzuwachs<br />
hinsichtlich des<br />
Erreichens der Schulfähigkeit<br />
bei den Kindern führt. Durch<br />
die Wandlung des Begriffes<br />
der Schulfähigkeit weg von<br />
den Kompetenzen zu einem<br />
bestimmten Zeitpunkt hin zu<br />
einer Aufgabe, die alle am<br />
Bildungsprozess Beteiligten<br />
(Kind, Elternhaus, Kindergarten,<br />
Schule) mit einbezieht,<br />
erfährt auch die<br />
Schuleingangsdiagnostik<br />
eine veränderte Bedeutung:<br />
Beobachtungen mit dem Ziel<br />
einer individuellen Förderung<br />
führen zu der Erarbeitung<br />
eines Förderkonzeptes,<br />
das im Elementarbereich<br />
etabliert und im Primarbereich<br />
fortgeführt wird.<br />
Ebenso ist die Förderung von<br />
Sprachkompetenz, mathematischen<br />
Grundkompetenzen,<br />
sozial-emotionalen Kompetenzen<br />
und motorischen<br />
Fähigkeiten von zentraler<br />
Bedeutung.<br />
Diese Maßnahme richtet sich<br />
an Kinder im letzten Kindergartenjahr,<br />
die gemeinsam<br />
von Erziehern / Erzieherinnen<br />
und Lehrern / Lehrerinnen für<br />
die Dauer eines Schuljahres<br />
auf die Herausforderungen<br />
der Schule vorbereitet<br />
werden.<br />
Entgegen der Empfehlung<br />
der Landesgruppe Saarland<br />
wurde in dem Entwurf der<br />
Kindergarten als alleiniger<br />
Standort festgelegt. Die<br />
Landesgruppe sieht in dieser<br />
Festlegung eine vertane<br />
Chance, die künftigen<br />
Schulkinder sukzessiv an den<br />
neuen Standort Schule zu<br />
gewöhnen und über den<br />
Zeitraum des Kooperationsjahres<br />
eine Identifikation mit<br />
der Schule zu etablieren.<br />
So sollen laut der Zusammenfassung<br />
zum Kooperationsjahr<br />
alle Schulkinder eines<br />
Kindergartens zu einer<br />
altershomogenen Gruppe<br />
von maximal 22 Kindern<br />
zusammengefasst werden.<br />
Kann-Kinder können nach<br />
Absprache mit Eltern und<br />
Leitungen einbezogen<br />
werden. Pro Gruppe und<br />
Woche steht eine Stundenzahl<br />
von vier Zeiteinheiten,<br />
zuzüglich einer Beratungsstunde,<br />
zur Verfügung, deren<br />
organisatorische Umsetzung<br />
den Kooperationspartnern<br />
obliegt.<br />
Bei kleineren Gruppen<br />
werden die Lehrerstunden<br />
jedoch gekürzt. Bereits jetzt<br />
zeigt sich, dass die Stundenzahl<br />
zu gering ist. Des<br />
Weiteren kann eine individuelle<br />
Förderung in einer<br />
Gruppe von 22 Kindern nicht<br />
gewährleistet sein, da die<br />
Kinder in ihrem Entwicklungsstand<br />
und Lernverhalten<br />
sehr heterogen sind.<br />
Die inhaltliche Ausrichtung<br />
der Kooperation basiert auf<br />
dem Bildungsprogramm für<br />
saarländische Kindergärten.<br />
In dieser einseitigen Gewichtung<br />
finden die »Richtlinien<br />
für die Arbeit in der <strong>Grundschule</strong>«<br />
leider keine Berücksichtigung.<br />
Durch die dargestellte<br />
Verzahnung der beiden am<br />
Bildungsprozess beteiligten<br />
Einrichtungen und der<br />
Ausrichtung an den Bedürfnissen<br />
des jeweiligen Kindes<br />
besteht die Chance, den<br />
Übergang für alle Beteiligten<br />
(Kind, Eltern, Kindergarten,<br />
Schule) fließend zu gestalten.<br />
Schulneulinge lernen ihr<br />
neues Lernumfeld rechtzeitig<br />
kennen und können sich<br />
schrittweise auf Neuerungen<br />
einstellen. Idealerweise<br />
haben sie so bereits bei<br />
Schul eintritt einen bekannten<br />
Ansprechpartner, der<br />
auch weiterhin im Austausch<br />
mit dem Kindergarten steht.<br />
Für eine effektive Umsetzung<br />
der Maßnahme sollten<br />
jedoch die angesprochenen<br />
Kritikpunkte überdacht und<br />
nachgebessert werden.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Carolin Eifler<br />
32 GS <strong>aktuell</strong> <strong>114</strong> • Mai 2011
<strong>aktuell</strong> … aus den Landesgruppen<br />
Sachsen<br />
Ansprechpartnerin:<br />
Sibylle Jaszovics,<br />
Südwestring 11,<br />
04668 Klinga<br />
jas.sib@t-online.de<br />
Weg frei für einen Neustart<br />
15 Mitglieder waren der<br />
Einladung des amtierenden<br />
Landesgruppenvorstandes<br />
gefolgt und trafen sich im<br />
Januar mit dem Ziel, der<br />
brachliegenden Landesgruppenarbeit<br />
wieder Leben<br />
einzuhauchen.<br />
Nach einer konstruktiven<br />
Debatte bildeten sich drei<br />
Regionalteams. Um Leipzig,<br />
Dresden und Chemnitz<br />
herum versuchen die Teams<br />
nun Mitglieder gezielt<br />
anzusprechen und Interessenten<br />
für eine Mitarbeit zu<br />
gewinnen. Synergieeffekte<br />
erhoffen wir uns auch von<br />
der Zusammenarbeit mit der<br />
Landesgruppe Thüringen, die<br />
forciert werden soll. In den<br />
Universitäten wird die Arbeit<br />
des Grundschulverbandes<br />
derzeit so gut wie gar nicht<br />
thematisiert. Die Kontakte zu<br />
den Universitäten Leipzig<br />
und Dresden sollen deshalb<br />
belebt werden. Auch in den<br />
freien Schulen Sachsens<br />
sehen wir wichtige Ansprechpartner.<br />
Ob sich hinsichtlich unseres<br />
Ziels vom Januar positive Entwicklungen<br />
abzeichnen, wird<br />
sich im Juli zur nächsten<br />
Zusammenkunft zeigen.<br />
Dann sollen die Ergebnisse<br />
der Regionaltreffs ausgewertet<br />
werden.<br />
Am Samstag,<br />
2. Juli 2011,<br />
von 11 bis 14 Uhr<br />
Treffen der AG im<br />
Evangelischen Schulzentrum<br />
Großbardau zur Auswertung<br />
der Ergebnisse und Festlegung<br />
weiterer Maßnahmen.<br />
Interessenten sind herzlich<br />
eingeladen.<br />
(Kontakt: jas.sib@t-online.de)<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Kontakt: Petra Uhlig, Richard-Wagner-Str. 29, 06<strong>114</strong> Halle<br />
petra.katrin.uhlig@googlemail.com; www.gsv-lsa.de<br />
Grundschultag:<br />
Viele Kinder – eine Schule?!<br />
Wege zum individuellen<br />
Lernen<br />
Nach dem sehr erfolgreichen<br />
letzten Grundschultag im Mai<br />
2009 organisiert die Landesgruppe<br />
wieder in Kooperation<br />
mit anderen Bildungsverantwortlichen<br />
einen<br />
gemeinsamen Grundschultag.<br />
Dieser soll unter obenstehendem<br />
Motto am 14. Mai<br />
2011 im Institut für Schulpädagogik<br />
und Grundschuldidaktik<br />
der Martin-Luther-<br />
Universität Halle stattfinden.<br />
Der Grundschultag 2011 ist<br />
eine gemeinsame Veranstaltung<br />
des Grundschulverbandes,<br />
der Gewerkschaft<br />
Erziehung und Wissenschaft<br />
(GEW), des Verbandes<br />
Sonderpädagogik (vds), des<br />
Staatlichen Seminars für<br />
Lehrämter Halle und der<br />
Martin-Luther-Universität<br />
Halle-Wittenberg.<br />
Die bildungspolitischen<br />
Entwicklungen in Sachsen-<br />
Anhalt waren in den letzten<br />
Jahren stark auf den Ausbau<br />
einer besseren individuellen<br />
Förderung aller Kinder<br />
Schleswig-Holstein<br />
Vorsitzende: Dr. Beate Blaseio, Universität Flensburg, Auf dem Campus 1,<br />
24943 Flensburg; www.grundschulverband-sh.de<br />
Schulfrieden erwünscht<br />
Da in Schleswig-Holstein<br />
CDU und FDP ohne rechtliche<br />
Grundlage regieren,<br />
sind für 2012 Neuwahlen<br />
angesetzt. Anfang des Jahres<br />
hat die Regierung Änderungen<br />
des Schulgesetzes<br />
beschlossen, die in der<br />
Schullandschaft kaum<br />
Zustimmung finden. Selten<br />
waren sich die Elternvertretungen<br />
der verschiedenen<br />
Schularten so einig. Die<br />
Beliebigkeit der Ausgestaltung<br />
der Flexiblen Eingangsphase<br />
in der <strong>Grundschule</strong>,<br />
äußere Differenzierung nach<br />
Schularten in der Gemeinschaftsschule,<br />
G8 gleichzeitig<br />
ausgerichtet. Die Flexibilisierung<br />
der Schuleingangsphase<br />
und der Gemeinsame<br />
Unterricht scheinen derzeit<br />
die größten Baustellen zu<br />
sein. In den Beiträgen des<br />
Tages sollen WissenschaftlerInnen<br />
und PraktikerInnen<br />
zu Wort kommen, um mit<br />
fundierten und praxisrelevanten<br />
Anregungen die<br />
Entwicklungen im Land<br />
voranzutreiben.<br />
Den Hauptvortrag wird Prof.<br />
Dr. Henning Scheich vom<br />
Leibniz-Institut für Neurobiologie<br />
Magdeburg zum Thema<br />
»Warum ist Lernen individuell<br />
verschieden?« halten. Zur<br />
abschließenden Podiumsdiskussion<br />
hat sich neben<br />
VertreterInnen aus Wissenschaft<br />
und Praxis auch<br />
Kultusministerin Prof. Dr.<br />
Birgitta Wolff angemeldet.<br />
Die 18 Arbeitsgruppen bieten<br />
ein breites Spektrum unterschiedlichster,<br />
stärker<br />
praxisorientierter Impulse.<br />
Weitere Informationen:<br />
www.gsv-lsa.de<br />
für die Landesgruppe:<br />
Dr. Michael Ritter<br />
mit G9 möglich am selben<br />
Gymnasium zeigen beispielhaft<br />
die Unruhestiftung<br />
durch die Bildungspolitik.<br />
Verschiedene Verbände, u. a.<br />
die Landesgruppe des GSV<br />
und auch der Rechnungshof<br />
des Landes gaben im<br />
Dezember in einer Anhörung<br />
ihre Stellungnahmen zu der<br />
Gesetzesvorlage ab und<br />
äußerten ihre Bedenken. Im<br />
Januar überreichte die vom<br />
Grundschulverband unterstützte<br />
Elterninitiative<br />
»Schulfrieden« über 25.000<br />
Unterschriften mit der<br />
Forderung, das Schulgesetz<br />
bis zu den Neuwahlen<br />
unverändert zu lassen.<br />
Grundschultag 2011<br />
Samstag, 14. Mai 2011<br />
»Viele Kinder – eine Schule?!<br />
Wege zum individuellen<br />
Lernen«<br />
Franckesche Stiftungen<br />
Halle/Saale<br />
Wir gratulieren unserer<br />
Delegierten Gisela Schmidt<br />
zum 60. Geburtstag und<br />
danken für viele Jahre der<br />
guten und verlässlichen<br />
Zusammenarbeit.<br />
Der Vorstand der Landesgruppe<br />
bedauert, dass die<br />
Stimmen im Land bei der<br />
Regierung kein Gehör finden.<br />
für die Landesgruppe:<br />
Sabine Jesumann,<br />
Andrea Keyser<br />
Mittwoch, 18. Mai<br />
2011 Vortrag von<br />
Dr. Falko Peschel in der<br />
Universität Flensburg<br />
Samstag, 21. Mai 2011<br />
Grundschultag<br />
»Kindergerechte Pädagogik<br />
braucht Individualisierung«<br />
in Kooperation mit der GEW,<br />
Vortrag von Dr. Falko Peschel,<br />
anschließend Workshops
<strong>Grundschule</strong> <strong>aktuell</strong><br />
Grundschulverband e. V.<br />
Niddastraße 52 · 60329 Frankfurt / Main<br />
Tel. 069 776006 · Fax 069 7074780<br />
info@grundschulverband.de<br />
www.grundschulverband.de<br />
Postvertriebsstück · Entgelt bezahlt DP AG<br />
D 9607 F · ISSN 1860-8604<br />
Versandadresse<br />
Herbsttagung des Grundschulverbandes<br />
4. / 5. November 2011 | Zum Auftrag der UN-Konvention<br />
Inklusive Schule – gemeinsam inklusive Praxis entwickeln<br />
Der Grundschulverband hat sich bereits seit vielen Jahren<br />
den Auftrag gegeben, das längere gemeinsame Lernen in der<br />
Schule zu unterstützen. Auch in der <strong>Grundschule</strong> ist dieses<br />
gemeinsame Lernen im Sinne einer inklusiven Schule noch<br />
nicht erreicht. Die <strong>Grundschule</strong>n müssen sich für die Entwick-<br />
Thematik der Tagung<br />
Der Unterschied zwischen dem bisher entwickelten integrativen<br />
Unterricht für SchülerInnen mit und ohne Behinderungen<br />
und dem Anspruch einer inklusiven Schule soll<br />
herausgearbeitet werden. Die Tagung wird auch einen<br />
Überblick über die (unterschiedlichen) Entwicklungskonzepte<br />
der Bundesländer geben, ebenso wie über Orientierungen<br />
durch die Kultusminister konferenz (KMK). In praxisbezogenen<br />
Arbeitsgruppen werden sowohl gute Erfahrungen<br />
und Praxisbeispiele aus integrativ / inklusiv arbeitenden<br />
Schulen vorgestellt, als auch Umsetzungshindernisse und<br />
-schwierigkeiten beprochen.<br />
Tagungs verlauf<br />
Freitag, 4. 11. 2011, 15.00 Uhr bis 21.00 Uhr<br />
Zwei Impulsreferate<br />
– zum Unterschied von »Integration« und »Inklusion«<br />
und zum Anspruch der UN-Konvention<br />
– zu Umsetzungskonzepten und -entwicklungen in den<br />
Bundesländern<br />
Vier Arbeitsgruppen: Fortbildungsmodule | Wirkung des<br />
»Index für Inklusion« für Unterrichts- und Schulentwicklung |<br />
SchülerInnen mit Beeinträchtigungen im Bereich »Lernen«<br />
und »Sprache« im gemeinsamen Unterricht | SchülerInnen<br />
mit Beeinträchtigungen in der emotionalen und sozialen<br />
Entwicklung im gemeinsamen Unterricht<br />
Am Abend werden Beispiele aus der Unterrichts praxis im<br />
gemeinsamen Unterricht mit Kindern mit schwerer Mehrfachbehinderung<br />
gezeigt.<br />
Samstag, 5. 11. 2011, 9.00 bis 15.00 Uhr<br />
Impulsreferat zur Umsetzung der UN-Konvention aus der<br />
Sicht der KMK<br />
Anschließend Wiederholung der 4 Arbeitsgruppenangebote<br />
– so dass jede/r Teilnehmer/in während der Tagung an zwei<br />
verschiedenen AGs teilnehmen kann.<br />
Tagungsabschluss – Ausblick:<br />
Eckpunkte inklusiver Grundschularbeit<br />
lung eines inklusiven Bildungssystems, das die seit März 2009<br />
auch für die Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindliche<br />
UN-Konvention verlangt, weiter öffnen – konzeptionell, pädagogisch,<br />
in der täglichen Zusammenarbeit der PädagogInnen<br />
in multiprofessionellen Teams.<br />
Referen tinnen und Referenten<br />
Prof. Dr. Andreas Hinz, Universität Halle-Wittenberg<br />
Dr. Irmtraud Schnell, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität,<br />
Frankfurt / Main<br />
Dr. Peter Wachtel, Leiter der AG der KMK zur<br />
Sonderpädagogischen Förderung<br />
Ort<br />
TaunusTagungshotel, Lochmühlenweg 3, 61381 Friedrichsdorf/Ts.<br />
www.taunustagungshotel.de/<br />
Bahnreisende können einen kostenlosen Shuttle vom<br />
Frankfurter Hbf. zur Tagungsstätte und zurück nutzen.<br />
Zielgruppe<br />
MultiplikatorInnen / FortbildnerInnen, Grundschul lehrerInnen,<br />
SonderpädagogInnen, ErzieherInnen, VertreterInnen aus den<br />
Grund- und Förderschulreferaten der Schulverwaltungen der Länder,<br />
Eltern<br />
Tagungs beitrag<br />
Für Mitglieder des Grundschulverbandes 145 Euro<br />
(Doppelzimmer 127 Euro),<br />
für Nicht-Mitglieder 190 Euro (Doppel zimmer 172 Euro).<br />
Im Preis enthalten sind: die Tagungs gebühren,<br />
die Übernachtungs- und Verpflegungskosten sowie<br />
der Transfer vom und zum Frankfurter Hauptbahnhof.<br />
Anmeldung<br />
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.<br />
Anmeldeschluss: 30. Juni 2011<br />
Die Tagungsgebühr wird mit der Anmeldung fällig.<br />
Bankverbindung: Postbank Frankfurt,<br />
BLZ 500 100 60, Konto Nr. 19 56 71 605<br />
Stornogebühren: 120 € nach dem 15. 9. 2011<br />
Programm, Anmeldung und weitere Informationen:<br />
www.grundschulverband.de<br />
Anmeldung auch:<br />
– Per Post: Grundschulverband e. V., Niddastr. 52, 60329 Frankfurt,<br />
– per Mail: info@grundschulverband.de