Der Internationale Strafgerichtshof - Vorbote eines Weltinnenrechts?
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DER INTERNATIONALE STRAFGERICHTSHOF 3<br />
1. Einleitung<br />
<strong>Der</strong> <strong>Internationale</strong> <strong>Strafgerichtshof</strong><br />
(IStGH) gilt seit seiner Errichtung im<br />
Jahr 1998 in Wissenschaft, Politik und<br />
Öffentlichkeit als Zeichen für eine zunehmende<br />
Zivilisierung der internationalen<br />
Politik. In den Chor der teilweise<br />
euphorischen Kommentare stimmten im<br />
Anschluss an die Konferenz von Rom<br />
nicht nur Menschenrechtsorganisationen<br />
mit ein, sondern auch UN-Generalsekretär<br />
Kofi Annan: „The establishment<br />
of the Court is [...] a gift of hope to<br />
future generations, and a giant step<br />
forward in the march towards universal<br />
human rights and the rule of law. It is an<br />
achievement which, only a few years<br />
ago, nobody would have thought possible”<br />
(Annan 1998).<br />
<strong>Der</strong> Gerichtshof gilt unter Völkerrechtlern<br />
als Indiz für einen Integrationsprozess<br />
der internationalen Staatengemeinschaft,<br />
die sich von einer rein nationalstaatlichen<br />
Weltordnung löst und auf<br />
eine Anerkennung der rule of law 1 in der<br />
internationalen Politik zusteuert. Im<br />
deutschsprachigen Raum wurde in diesem<br />
Zusammenhang häufig auf die<br />
Entwicklung zu einem Weltinnenrecht<br />
verwiesen. Die Bewertungen in den<br />
Politikwissenschaften fielen ähnlich aus:<br />
So wird der IStGH vor allem im Rahmen<br />
von Global-Governance-Konzepten<br />
immer wieder als Beispiel für ein Element<br />
globaler Staatlichkeit herangezogen.<br />
Er gilt der Governance-Schule als<br />
großer Schritt in Richtung globaler<br />
Rechtsstaatlichkeit, einer fundamentalen<br />
1 Für den Begriff der „rule of law“ gibt es<br />
keine exakte Definition. Er ist am besten<br />
wortgetreu mit „Herrschaft des Rechts“ zu<br />
übersetzen (vgl. Desch 2004: 91).<br />
Voraussetzung für die Zivilisierung der<br />
internationalen Beziehungen und somit<br />
die Funktionstüchtigkeit von Global<br />
Governance selbst (vgl. Nuscheler 1999:<br />
170).<br />
Fünf Jahre später wirken diese Einschätzungen<br />
kaum noch zeitgemäß. Nach dem<br />
massiven Bruch des Völkerrechts durch<br />
den US-amerikanischen Angriff auf den<br />
Irak im Frühjahr 2003 ist das Völkerrecht<br />
in eine ernste Krise geraten. Die<br />
Missachtung des Gewaltverbots signalisiert<br />
vor dem Hintergrund des harschen<br />
Unilateralismus der Bush-Administration<br />
für viele Beobachter eine Rückkehr<br />
zum Faustrecht, die Hoffnungen auf eine<br />
im internationalen Recht eingebettete<br />
Weltordnungspolitik auf Ebene <strong>eines</strong><br />
kooperativen Multilateralismus scheinen<br />
hingegen kaum noch begründbar. Im<br />
Folgenden soll bewertet werden, inwieweit<br />
der <strong>Internationale</strong> <strong>Strafgerichtshof</strong><br />
auch unter vermeintlich umgekehrten<br />
Vorzeichen die in ihn gesetzten Hoffnungen<br />
erfüllen und einen Beitrag zur<br />
Stärkung des Rechts leisten kann.<br />
Da viele Kommentare den <strong>Strafgerichtshof</strong><br />
gewissermaßen als Speerspitze <strong>eines</strong><br />
<strong>Weltinnenrechts</strong>-Trends beschreiben, gilt<br />
es zunächst das vor allem durch den<br />
Völkerrechtler Jost Delbrück geprägte<br />
<strong>Weltinnenrechts</strong>konzept zu skizzieren.<br />
Sie liefern für die anschließenden Untersuchungen<br />
das Kriterienraster, mit dessen<br />
Hilfe bewertet werden soll, inwieweit<br />
der IStGH tatsächlich den Weg zu<br />
einem Weltinnenrecht weisen kann. Im<br />
einzelnen sind damit drei Merkmale<br />
angesprochen: Erstens die Objektivierung<br />
der Völkerrechtsordnung, zweitens<br />
die Erweiterung des Kreises der Völkerrechtssubjekte<br />
und drittens eine bessere