07.10.2015 Aufrufe

DIE APOKALYPTISCHEN REITER "Wie der Weltuntergang Teil meines Lebens wurde"

Die Apokalyptischen Reiter werden 20 Jahre alt und lassen es zum Geburtstag nochmal richtig krachen. Bevor sich die Band für eine längere Pause zurückziehen wird, steht die Heidenfest-Tournee auf dem Programm. Wer die Band nochmals live sehen will, sollte sich die Termine vormerken, die ersten Shows sind bereits ausverkauft. Ende Oktober erscheint darüber hinaus die erste Biografie der Band. Die Reiter nehmen kein Blatt vor den Mund und berichten in schonungsloser Offenheit von Eskapaden, Abstürzen und wilden Parties. Wie die "ostdeutschen Plattenbaukids" (O-Ton Klappentext) sich aufmachen, die Welt zu erobern, welche Triumphe und Niederlagen sie feiern, haben Fronter Fuchs und Bassist Volk-Man erfrischend ehrlich und authentisch niedergeschrieben, dass man das Gefühl hat, persönlich mit der Band unterwegs zu sein. Wie entführt man einen Plattenboss? Wie verhält man sich gegenüber korrupten russischen Bullen? Wieviel Geld kann man einem Stripclub versaufen? Witzig, intelligent, naiv! Definitiv die Metal-Biografie des Jahres! Auf 224 Seiten mit fast 400 farbigen Fotos, Collagen, Flyern und Tourplakaten ist es überdies hinaus üppig bebildert. Eine echte Zeitreise in Bild und Text, nicht nur für Fans der Band. Ein Lesevergnügen für alt und jung. Die Band wird im Rahmen ihres Abschlußfestivals "Das letzte Abendmahl" vom 25-27.12.2015 in Jena das Buch auch während einer Lesung vorstellen und persönlich signieren. Wie der Weltuntergang Teil meines Lebens wurde 20 Jahre – Die Apokalyptischen Reiter Verlag Nicole Schmenk Veröffentlichungstermin 30.10.2015 ISBN: 978-3-943022-33-9

Die Apokalyptischen Reiter werden 20 Jahre alt und lassen es zum Geburtstag nochmal richtig krachen. Bevor sich die Band für eine längere Pause zurückziehen wird, steht die Heidenfest-Tournee auf dem Programm. Wer die Band nochmals live sehen will, sollte sich die Termine vormerken, die ersten Shows sind bereits ausverkauft. Ende Oktober erscheint darüber hinaus die erste Biografie der Band.
Die Reiter nehmen kein Blatt vor den Mund und berichten in schonungsloser Offenheit von Eskapaden, Abstürzen und wilden Parties. Wie die "ostdeutschen Plattenbaukids" (O-Ton Klappentext) sich aufmachen, die Welt zu erobern, welche Triumphe und Niederlagen sie feiern, haben Fronter Fuchs und Bassist Volk-Man erfrischend ehrlich und authentisch niedergeschrieben, dass man das Gefühl hat, persönlich mit der Band unterwegs zu sein. Wie entführt man einen Plattenboss? Wie verhält man sich gegenüber korrupten russischen Bullen? Wieviel Geld kann man einem Stripclub versaufen? Witzig, intelligent, naiv! Definitiv die Metal-Biografie des Jahres! Auf 224 Seiten mit fast 400 farbigen Fotos, Collagen, Flyern und Tourplakaten ist es überdies hinaus üppig bebildert. Eine echte Zeitreise in Bild und Text, nicht nur für Fans der Band. Ein Lesevergnügen für alt und jung. Die Band wird im Rahmen ihres Abschlußfestivals "Das letzte Abendmahl" vom 25-27.12.2015 in Jena das Buch auch während einer Lesung vorstellen und persönlich signieren.

Wie der Weltuntergang Teil meines Lebens wurde
20 Jahre – Die Apokalyptischen Reiter
Verlag Nicole Schmenk
Veröffentlichungstermin 30.10.2015
ISBN: 978-3-943022-33-9

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<strong>Wie</strong> die Apokalypse<br />

<strong>Teil</strong> <strong>meines</strong> <strong>Lebens</strong> wurde<br />

LESEPROBE<br />

20 Jahre<br />

Verlag Nicole Schmenk


D e r I n h a l t d i e s e s B u c h e s<br />

KAPITEL 19<br />

<strong>Wie</strong> alles begann!<br />

KAPITEL 2 13<br />

Zone, Kutten, Tonabnehmer<br />

KAPITEL 317<br />

Die Apokalypse steht vor <strong>der</strong> Tür<br />

KAPITEL 4 23<br />

Ein Kolibri auf Speed<br />

KAPITEL 529<br />

Dschinghis Khan in Brandenburg<br />

KAPITEL 6 37<br />

Der Schlüpfer bleibt an!<br />

KAPITEL 743<br />

Der Anruf<br />

KAPITEL 847<br />

Neues Label<br />

KAPITEL 9 59<br />

Chaosjahre<br />

KAPITEL 10 65<br />

Zwei Onkels aus dem Westen<br />

K A PITEL 11 81<br />

Ein Postbus aus <strong>der</strong> Schweiz


KAPITEL 12 89<br />

Samurai-Schwerter über Jütland<br />

KAPITEL 13 107<br />

Ein Sturm bricht los<br />

KAPITEL 14 121<br />

If Russians drink, they fight!<br />

KAPITEL 15 139<br />

Fuck Off!<br />

KAPITEL 16145<br />

Tobsüchtig!<br />

KAPITEL 17 155<br />

Gitarrist über Umwege<br />

KAPITEL 18 159<br />

Der weisse Löwe<br />

KAPITEL 19 177<br />

Moral ist eine Hure<br />

KAPITEL 20 185<br />

Zehn Län<strong>der</strong> in 20 Tagen<br />

KAPITEL 21 197<br />

In Florida<br />

KAPITEL 22 203<br />

Tief. Tiefer.


K A P I T E L 1<br />

<strong>Wie</strong> alles begann!<br />

Text: Fuchs<br />

Das Garagentor flog auf und ein Typ mit Vorschlaghammer unterbrach unsere wochenendliche<br />

Noise-Session mit den Worten: „Ich schlage alles kaputt“. Ein paar<br />

Minuten später standen die Bullen da und es kam zur Anzeige wegen Ruhestörung. Dabei<br />

besaßen wir noch nicht mal ein Schlagzeug.<br />

Ronny, Sänger und Schlagzeuger in einer Person, ließ seinen Schlüssel fallen, damit<br />

alle wussten, wann es losgeht - und es ging los. Dann hämmerte er wie wild auf dem Tor<br />

herum und grunzte dazu. Wir wussten nicht, dass man Instrumente stimmen muss. Bis<br />

wir das rausbekamen, verging ungefähr ein Jahr und es bedeutete eine Revolution. Aber<br />

das war uns vorerst egal. Wir wollten Krach! Denn wir waren Fans von „Extrem Turnbeutel<br />

Massaker“, einer Band aus Weimar, die Melodien ebenfalls hasste und mit einem einseitigen<br />

Bass und einer Snare ein Demo aufgenommen hatte, welches wir vergötterten. Wir<br />

brauchten auch ein Demo und produzierten sofort „Hits“. Die Aufnahme war unserem<br />

zweiten Sänger Mä so peinlich, dass er die Kassette vor seiner Familie versteckte. Die<br />

Jungs von „Turnbeutel“ fanden uns cool und luden uns zu einem ihrer Gigs in den Bananenkeller<br />

nach Erfurt ein. In diesem Keller brannte eine Glühbirne, das Wasser stand im<br />

Raum und etwa 100 kaum wahrnehmbare Gestalten gaben sich eine grotesk-psychotische<br />

Vorstellung aus Lärm und Kabarett. Sänger Schnüffel stand mit runtergelassener Hose<br />

auf <strong>der</strong> Bühne und for<strong>der</strong>te zum antifeministischen Schutzwall auf. Das Publikum tat<br />

es ihm gleich, dann wurde <strong>der</strong> Song „Geschlechtsteile zeigen“ gespielt. Ich sah einen<br />

Typen, <strong>der</strong> in kranker Ektase immerfort „Omaschweine, Omaschweine“ schrie. Er hieß<br />

Egon und war <strong>der</strong> Sänger von „Or<strong>der</strong> zum Sexistischen Kadavergehorsam“. Er wurde<br />

später <strong>der</strong> erste Reiter-Mercher und sein Spruch war: „Wenn ihr es ordentlich haben wollt,<br />

müsst ihr es selbst machen.“ Seine Freundin hieß auch Kadaver. Ab jetzt betranken wir<br />

uns gemeinsam auf vielen folgenschweren Events. Die „Krach-Connection“ entstand und<br />

reichte bald über Thüringen und Sachsen hinaus. Man veranstaltete Konzerte, organisierte<br />

Fußballturniere und teilte so manch gegrillten Regenwurm. Ich lernte Typen kennen,<br />

von denen ich nicht gedacht hatte, dass sie existieren könnten. Skelleton war so einer. Volk<br />

und ich waren mittlerweile bei „Turnbeutel“ eingestiegen und gründeten mit ein paar an<strong>der</strong>en<br />

den Heavy Metal Club Hammerstedt. Der Bürgermeister stellte uns ein Haus mit<br />

Saal zur Verfügung. Wir verkauften dort fortan illegal Bier und Kippen, was uns nicht mal<br />

bewusst war, denn wir interpretierten die gerade neu gewonnene Freiheit etwas an<strong>der</strong>s.<br />

Ab zwei o<strong>der</strong> drei Uhr nachts war bei uns immer Hochstimmung - dann kamen die Dorf-<br />

Heavys von ihren Discos, um sich bei uns den Rest zu geben. Es war wie<strong>der</strong> einer dieser<br />

Tage, als die Tür aufsprang und <strong>der</strong> Sohn des Bürgermeisters freudestrahlend vor mir<br />

stand und sagte: „Ich habe eine Band, die können sogar richtig spielen“ und da waren sie:<br />

Hexer, Skelleton und Psycho, alias Disaster K.F.W. (K.F.W. stand für Klassischer Friedhof<br />

Weimar). Hexer wog damals schon rund 130 kg und trug eine selbstgenähte Le<strong>der</strong>weste,<br />

die viel zu klein war und auf <strong>der</strong> hinten mit Lackfarbe „Hexer“ geschrieben stand, dazu<br />

9


Arbeitshose und Zollstock. Skelleton schleppte eine Zonen-Kunstle<strong>der</strong>jacke, die er mit<br />

Nieten aufgepimpt hatte, mega-enge Jeans, die seinem Namen alle Ehre machten und<br />

ein selbstgebasteltes Fußband aus etwa 200 zehn Zentimeter langen Nägeln und Jesuslatschen.<br />

Psycho war Psycho. Wir machten einen Gig in vier Wochen klar. Das Konzert war<br />

<strong>der</strong> Wahnsinn! Es wurde gewürfelt: „Würfeln“ war ein Tanzstil, <strong>der</strong> sich eine Zeit lang<br />

großer Beliebtheit erfreute. Man riss sich gegenseitig zu Boden, was grundsätzlich wie<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e dazu animierte, auf die am Boden liegenden zu springen. So konnte man riesige<br />

zappelnde Fleischberge bilden. Würfeln war irgendwann so populär, dass man praktisch<br />

immer damit rechnen musste, angewürfelt zu werden - später auch ohne Musik, nur so<br />

zur Begrüßung. Nach <strong>der</strong> Show lernten Skelleton und ich uns richtig kennen. Er erzählte<br />

mir wie Spinnen schmecken, dass er gern in Leichenschauhäuser einbrach und dass er<br />

den Thron als dürrster Schlagzeuger Deutschlands beanspruche und <strong>der</strong> einzig wahrhaft<br />

lustige Satanist <strong>der</strong> Welt sei. Ich mochte ihn gleich und beschloss ernsthaft, Gitarre spielen<br />

zu lernen.<br />

Etwa zwei Jahre später, ich spielte gerade in einer Punkband namens „Headshot“,<br />

fragte mich <strong>der</strong> damalige Sänger von Disaster, ob ich bei ihnen einsteigen wolle. Sie wären<br />

eine professionelle Band mit – zehn bis 15 Konzerten im Jahr und würden eine gewisse<br />

Disziplin von mir erwarten. Ich sollte zum Vorspielen kommen. Was sie mit Disziplin<br />

meinten, wusste ich schon vor <strong>der</strong> ersten Probe. Wir machten erst mal bei „Boy“, dem<br />

örtlichen Getränkefachhändler und späteren Party-San-Veranstalter halt. Hexer kaufte<br />

Unmengen an kleinen Jägermeisterflaschen und die an<strong>der</strong>en Unmengen an Bier. Etwa zu<br />

dieser Zeit entstand ihr Wahlspruch „Harte werden, Harte bleiben, Harte sterben“ Der<br />

Proberaum war eine ehemalige Kneipe, die aus zwei Räumen bestand. In einem wurde<br />

geprobt und in den an<strong>der</strong>en flogen die Bierflaschen, Hexer baute aus seinen leeren Jägermeisterflaschen<br />

eine riesige Pyramide (es müssen Tausende gewesen sein), Aschenbecher<br />

gab es nicht, so gab es keinen Zentimeter ohne Kippenstummel, man lief wie auf Watte.<br />

Nachdem wir alle ordentlich einen getankt hatten, wurde kurz ein wenig improvisiert, ich<br />

sollte ein paar Riffs zocken, dann wurde unterbrochen und wir spielten im Garten Blinde<br />

Kuh. Ich hatte den Job und die versoffensten Jahre <strong>meines</strong> <strong>Lebens</strong> lagen vor mir, denn bei<br />

„Disaster“ gab es nur zwei Regeln: Niemals nüchtern auf die Bühne und Oberkörper frei!<br />

Lei<strong>der</strong> erhängte sich die nette Omi, die über uns wohnte und wir mussten da raus.<br />

In Großbrembach fanden wir eine neue Bleibe und Hexer seine neue Stammkneipe<br />

- wenn wir ihn zum Proben bewegen wollten, musste man erst mit ihm trinken. Wir<br />

langweilten uns, da nichts mehr passierte. Die Musiker stiegen ein und aus und kamen<br />

sowieso nicht mehr zur Probe. Wir knüppelten uns zu Tode, feierten manch gute Party<br />

und plötzlich machte es Klick. Wir hatten einen Song, etwas Reproduzierbares, und<br />

dann noch einen und noch einen. Sie purzelten aus uns raus. Das war die Geburtsstunde<br />

<strong>der</strong> Apokalyptischen Reiter. Wenig später spielte ich meinem alten Kumpel Volk unsere<br />

Proberaum-Aufnahmen vor, er war begeistert und sagte zu, den Bass zu übernehmen. Pest<br />

war mir suspekt, aber ich wollte ihn unbedingt für das Projekt gewinnen, denn ich hörte<br />

ihm gern zu. Bei Disaster hatte er die Aufgabe, das Intro zu spielen, sonst nichts. Seine<br />

Auftritte dauerten in <strong>der</strong> Regel an<strong>der</strong>thalb Minuten. Ich fragte mich immer, was <strong>der</strong> „anständige“<br />

Junge mit dieser so unheilig skurrilen Herde zu schaffen hatte. Ich kannte ihn<br />

einfach nicht gut genug. Er trug einen schwarzen Vollbart und sehr wirres Haar. Er war<br />

so eine Art rumänischer Beethoven, gefangen in einem Waldarbeiterkörper. Er sagte zu<br />

10


und vier Reiter waren bereit, die Welt zu erobern. Das war im Oktober 1995 und ich wurde<br />

gerade 22. Bis zum Frühjahr arbeiteten wir konzentriert an den neuen Songs und gingen<br />

im Februar 1996 in die Gerberstrasse 3, einem bis heute besetzten Haus in Weimar, um<br />

unser erstes professionelles Demo einzuspielen. Als Burki, <strong>der</strong> Studiotyp, mit zweistündiger<br />

Verspätung endlich kam, sagte er nur „So kommst du hier nicht rein, Sportsfreund“,<br />

und deutete dabei auf Skelletons dreckiges Schlagzeug. Als er es dann abgewaschen hatte,<br />

wusste ich, dass es rot war. Nachdem wir aufgebaut hatten, nahm Burki einen Drumstick,<br />

schlug auf Tom eins und bekam einen Lachanfall, dasselbe wie<strong>der</strong>holte sich bei Tom zwei<br />

und drei. Es half nichts, Skell musste neue Felle aufziehen, obwohl er beteuerte, dass <strong>der</strong><br />

Dreck und die alten Felle genau den Sound schufen, den er brauchte. Ich verschwand nach<br />

den Aufnahmen erst mal nach Neuseeland und wäre wohl immer noch da, wenn mich<br />

nicht ein Brief erreicht hätte, in dem stand:<br />

WIR HABEN EINEN DEAL!<br />

Skelleton<br />

11


12


K A P I T E L 2<br />

Zone, Kutten, Tonabnehmer<br />

K i n d h e i t i n d e r D D R i m B a n n e d e s H e a v y M e t a l<br />

Text: Volk-Man<br />

Eines Abends im Oktober 1989 klingelte es Sturm. Ich lugte aus dem Fenster meiner<br />

Neubaubauwohnung in Apolda-Nord, <strong>der</strong> schönsten Plattenbausiedlung westlich<br />

des Urals, und sah einige meiner Schulkameraden vor dem Eingang warten. „Hey Volk,<br />

kommste mit? Wir wollen zur Demo.“ Klare Sache, meine Schreibmaschine <strong>der</strong> Marke<br />

„Erika“, auf <strong>der</strong> ich seit 1988 meine ersten Texte verfasste, kam ein paar Stunden gut ohne<br />

mich zurecht und wir marschierten zur Lessingstraße und brüllten eine ganze Weile „Stasi<br />

raus!“ und „Wir sind das Volk“. Bullen waren keine da und schon ein paar Tage später war<br />

die Grenze auf. Die Sache mit den 100 DM Begrüßungsgeld hatte schnell die Runde gemacht<br />

und die drei Tage, bevor es endlich in den Westen ging, verbrachte ich weitgehend<br />

schlaflos, da ich mich mit <strong>der</strong> Frage quälte, welche Vinyl-Platten ich davon kaufen würde.<br />

Das ging vielen jungen Metal-Fans in <strong>der</strong> Zone so. Sie alle hatten ihre Jugend mit dem<br />

Fingerspreizgriff vor dem Kassettenrekor<strong>der</strong> verbracht (ein Finger auf „Play“, einer auf<br />

„Record“), wenn Jens Molle o<strong>der</strong> Matthias Hopke im Jugendradio DT64 zur „Tendenz<br />

‚Hard‘ bis Heavy“ einluden und wir eifrig Tapes mitschnitten. Der Tag nach <strong>der</strong> Sendung<br />

war in unserer Clique stets das Highlight. Alles wurde noch mal ausgewertet, die Songs<br />

<strong>der</strong> neuesten Bands kommentiert. Beson<strong>der</strong>s die Sendung, in <strong>der</strong> einige Songs von Napalm<br />

Deaths „Scum“ vorgestellt wurden, riss uns förmlich die Beine weg. Eumel und ich<br />

schauten uns immer wie<strong>der</strong> ungläubig an, spulten zurück und waren sprachlos. Wir kannten<br />

uns schon lange, denn 1980 wurden wir beide an <strong>der</strong> Wilhelm-Pieck-Schule in Apolda<br />

eingeschult. Allerdings in verschiedene Klassen, es gab früher einfach unglaublich viele<br />

Kin<strong>der</strong> und Apolda hatte 1989 fast doppelt so viele Einwohner wie heute. Irgendwann in<br />

<strong>der</strong> Pubertät stellten knapp 15 Vokuhila-Plattenbaukids fest, dass unser stranges Outfit<br />

und unsere schlechten Frisuren eine Art Geheimcode waren. Wir bildeten eine Zweckgemeinschaft,<br />

erklärten Popper für doof und gingen niemals ohne einen brüllenden Ghettoblaster<br />

auf unsere allabendlichen Spaziergänge durch die Plattenbauschluchten.<br />

Das hätten wir vermutlich noch ewig gemacht, wäre nicht die Wende dazwischengekommen.<br />

Das än<strong>der</strong>te so ziemlich alles. Für uns gleich im doppelten Sinne, denn die<br />

Pubertät und ein Wandel <strong>der</strong> Gesellschaftsordnung in einem ist schon harter Tobak für<br />

ein Gehirn. Aber wir machten das Beste daraus. Seit geraumer Zeit war es Tradition, dass<br />

man, notgedrungen, in assigen Dorfdiscos rumhing. Das war im Prinzip eine Art immer<br />

wie<strong>der</strong>kehren<strong>der</strong> Daueralbtraum. Metalclubs in <strong>der</strong> Ostzone nach <strong>der</strong> Wende gab es keine.<br />

Also wurde man zusammen mit den Poppern im umgebauten LPG-Kulturhaus mit grausigen<br />

Hitparaden-Songs vollgedröhnt. Die ersten drei Stunden war nix zu machen, man<br />

stand brav an <strong>der</strong> Bar und versuchte, so schnell wie möglich besoffen zu werden. Wenn<br />

man Glück hatte! Doch Glück und Dorfdisco passen zusammen in keinen Schuhkarton.<br />

Anstatt Banden zu bilden, wie es im Westen die Südlän<strong>der</strong> taten, gab es in <strong>der</strong> ostdeut-<br />

13


14<br />

Im alten Probebunker


schen Provinz nach dem Mauerfall nur den<br />

guten alten Dorfverband, <strong>der</strong> als Ersatz zur<br />

familiären Blutrache <strong>der</strong> Südeuropäer mithalten<br />

konnte. Will heißen: wenn du hier die<br />

Alte von dem falschen Typen angebaggert<br />

hast, dann hattest du ein ganzes Dorf auf<br />

dem Hals. Immerhin ließen sie einen am Leben.<br />

Das war auch gut so, denn kurz vor Mitternacht<br />

war dann Zeit, dass wir so richtig<br />

auf den Putz hauen konnten. Der Discjockey<br />

war mittlerweile von Maiden, Kreator und<br />

Slayer-Shirts eingekreist und bekam quasi in<br />

Endlosschleife die Auffor<strong>der</strong>ung ins Ohr gebrüllt,<br />

dass er jetzt endlich <strong>DIE</strong> KASSETTE<br />

spielen sollte. Die Kassette war bereits sorgfältig<br />

auf die richtige Stelle gespult. Der doofe<br />

Discodödel musste eigentlich nur einlegen,<br />

„Play“ drücken und den Volumenregler auf<br />

11 stellen. Von da an hechteten die Belagerer<br />

nämlich im Sauseschritt auf die Tanzfläche<br />

(meist altes Parkett mit vielen Splittern o<strong>der</strong> knochenharter Beton) und krachten sich auf<br />

den Boden, traten sich gegenseitig vors Schienbein und ließen die Matte kreisen. „Metal-<br />

Runde“ nannte sich das. Und es war quasi für alle Beteiligten <strong>der</strong> Höhepunkt des Abends.<br />

Wir hatten endlich zwei o<strong>der</strong> drei geile Songs. Meistens Slayer, Motörhead, später dann<br />

nur noch Geballer wie Terrorizer, Carcass, Sepultura. Wir waren süchtig nach extremen<br />

Sounds.<br />

Leipzig-Connewitz: Zoro - Der Tempel des Krachs<br />

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16


K A P I T E L 3<br />

Die Apokalypse steht vor <strong>der</strong> Tür<br />

D e m o , P l a t t e n v e r t r a g , E r s t e s A l b u m<br />

Text: Volk-Man<br />

<strong>DIE</strong> <strong>APOKALYPTISCHEN</strong> <strong>REITER</strong> also. Der Name klang in jedem Fall schon mal<br />

schön extrem. Eumels Beschreibung, es handele sich um eine Mischung aus Impaled<br />

Nazarene und Chopin machte mich definitiv neugierig. Also zuckelten wir eines Abends<br />

mit seinem alten Fiat Panda nach Krautheim bei Weimar, wo sich <strong>der</strong> Proberaum befand.<br />

Skelleton und Pest kannte ich schon flüchtig und sie begannen, mir ihre paar Demosongs<br />

vorzuspielen. Alter Falter. Die Stilbeschreibung traf den Nagel auf den Kopf. Punk/grindiges<br />

Tornado-Riffing, garniert mit abartig höllischem Drumming, fiesem Gekeife und<br />

obendrauf, als Zuckerguss, klassische Klaviermelodien. Das kam mir alles vor wie von<br />

einem an<strong>der</strong>en Stern und hatte definitiv Potenzial. Ich musste nicht lange überlegen und<br />

nahm Eumels Angebot dankend an, den Bass bei den Reitern zu übernehmen. Es war auf<br />

jeden Fall ein Quantensprung, was die Qualität betraf und nicht zu vergleichen mit den<br />

Räuberkommandos und Bandprojekten, in denen ich vorher stümperhafte Gehversuche<br />

unternommen hatte. Bei den Reitern gab es von Anfang an diesen Biss, diese Leidenschaft,<br />

den unbedingten Willen, nichts Halbgares abzuliefern. Dazu gehörte ein strenger<br />

Zeitplan, denn es gab unendlich viele Demobands, die probten, probten, probten, aber<br />

niemals ins Studio gingen. Wir fackelten gar nicht lange, son<strong>der</strong>n wollten die rohe, unverstellte<br />

Energie unserer ersten Songs möglichst authentisch einfangen. Vorher galt es, den<br />

25.12.1995 zu überstehen, den Tag, an dem unser erstes Livekonzert stattfand.<br />

Verworfener Logoentwurf: irgendwie cool, aber zu schwer lesbar!<br />

17


Das erste Konzert.<br />

Text: Fuchs<br />

Disaster suchten eine Lokation für ihr zehnjähriges Bandjubiläum. Ich wohnte damals mit ein<br />

paar sehr netten Menschen auf einem Hof in Wersdorf. Wir waren gut in das Nest integriert.<br />

Die Ureinwohner verstanden unser Zusammenleben zwar überhaupt nicht, tolerierten es<br />

aber, da wir die Party ins Dorf brachten. Wir verfügten über einen stattlichen alten Kuhstall<br />

und ließen Bands spielen. So kam es, dass die „Reiter“ am 25.12.1995, zwei Monate nach<br />

Bandgründung, ihr erstes Konzert als Vorband spielen sollten. Es wurde wie wild geprobt.<br />

Wenn wir Strom hatten. Eine Eigenart unseres neuen Proberaumes im Kartoffelkeller war<br />

nämlich, dass er den Strom auf unerklärliche Weise absorbierte. Es knackte einmal und<br />

er war weg. Dann sprangen alle ein wenig herum, man trat mal in irgendeine Ecke, bis<br />

er wie<strong>der</strong> da war und es ging ansatzlos weiter. Das war ganz normal. Man gestatte mir an<br />

dieser Stelle etwas weiter auszuholen, da ich nicht umhinkomme, ein weiteres hier entstandenes,<br />

kurzlebiges „Reiterprojekt“ vorzustellen: THE FUCKING TREES. Das Beson<strong>der</strong>e<br />

an dieser Band waren<br />

ihre drei Schlagzeuger<br />

und dass die<br />

Texte improvisiert<br />

wurden. Wir nahmen<br />

ein Demo auf und<br />

schickten es an das<br />

„RockHard“. Es wurde<br />

nie besprochen,<br />

obwohl ich fand, dass<br />

wir einen „Hit“ besaßen:<br />

„Kardan auf<br />

Tartan“ („Er rannte<br />

wie ein junges Reh,<br />

die Beine taten ihm<br />

nicht weh“). Aber zurück<br />

zum Geschehen.<br />

Wir wollten böse sein<br />

und brauchten eine<br />

düstere Atmosphäre,<br />

also borgten wir uns<br />

Extrem Turnbeutel Massaker<br />

eine Nebelmaschine und die Kerzenstän<strong>der</strong>sammlung meiner Nachbarin, <strong>der</strong> einzig legalen<br />

Bewohnerin hier. Der Tag war gekommen. Disaster spendeten 30 Kästen Bier, die<br />

nach zwei Stunden leer waren. So nahmen wir die Abendkasse, holten neues Freibier und<br />

vergaßen dabei völlig, dass wir ja noch eine Band auszahlen mussten. Die „Reiter“ waren<br />

dran, es nebelte, die Kerzen waren entzündet und es nebelte. Das verdammte Ding war<br />

kaputt. Wir posten, verbogen uns und machten bedeutungsschwangere Gesten. Plötzlich<br />

stand Hexer auf <strong>der</strong> Bühne und versuchte irgendwo einen Bass einzustöpseln, aber er war<br />

schon zu betrunken. Als er das realisierte, warf er das Ding einfach ins Publikum. Wir waren<br />

mit uns zufrieden. Nach <strong>der</strong> Show wollte ich natürlich ein paar Meinungen. Man bestätigte<br />

ausnahmslos, dass das Konzept mit dem Nebel <strong>der</strong> Wahnsinn wäre, „total evil und so“.<br />

Ein paar fanden es schade, dass man die Band dabei nicht sah. Der Abend entwickelte sich<br />

zu einer Orgie und etwa 200 Menschen begaben sich schnell und direkt in den kollektiven<br />

Vollrausch. Bei Turnbeutel gab es auch noch den kollektiven Kontrollverlust und ich bekam<br />

Angst um das Dorf. Das seit zwei Jahren vermisste „Turnbeutel Maskottchen“ tauchte<br />

plötzlich im Publikum auf. Eine doppelschläuchige Latex-Vagina. Am nächsten Tag wurden<br />

die vermeintlichen Schäden besichtigt und bis auf die Telefonzelle blieb das Dorf heil. Wir<br />

hatten unsere Feuertaufe irgendwie bestanden und bekamen Hunger auf mehr.<br />

18


Als das Demo aufgenommen war, fehlte ein Cover. Das fanden wir an einer Tankstelle.<br />

Dort hatten wir eine Illustrierte gezückt, durchgeblättert und eine laszive Brünette<br />

als Covergirl auserkoren. Schließlich war es nur ein Demo und wen kümmerten damals<br />

Copyrights? Wir wussten nicht mal, was das war. Wir dachten auch nicht ernsthaft darüber<br />

nach - wer hätte damit rechnen können, dass wir einen Plattenvertrag an Land ziehen<br />

würden? Eumel ging nach den Aufnahmen ein halbes Jahr nach Neuseeland und ich<br />

verschickte Demos in die ganze Welt. Bis ich Eumel irgendwann einen Brief schreiben<br />

musste:<br />

Wir hatten also einen Deal. Und nun? Klare Sache, wir würden weitere Songs<br />

schreiben und unser erstes richtiges Studioalbum aufnehmen können. Wir konnten unser<br />

Glück kaum fassen. Allein <strong>der</strong> Umstand, dass wir von unserer Plattenfirma Metallarsi ein<br />

Studiobudget bekommen sollten, war nicht auszuhalten. Direkt nach <strong>der</strong> Rückkehr von<br />

Eumel machten wir uns frisch ans Werk und probten wie die Berserker.<br />

Der alte Proberaum in Krautheim war Geschichte, unsere neue Heimat war ein<br />

alter Kartoffelkeller auf einem alten Bauernhof in Wersdorf, einem 80-Seelen-Kaff in <strong>der</strong><br />

Nähe von Apolda. Mit Argusaugen beäugte die Dorfkommune in den folgenden Monaten<br />

die illustre Herde, die plötzlich Wersdorf als Wallfahrtsort auserkoren hatte. Eumel gefiel<br />

es auf dem Bauernhof so gut, dass er dort einzog und <strong>der</strong> Weg zum Proberaum bedeutete<br />

für ihn praktisch, nur einmal quer über den bucklig gepflasterten Hof zu latschen. Die<br />

Proben sollten gegen sechs beginnen, was sie aber nie taten, da Pest (damals noch kein<br />

Doktor) und Skelleton grundsätzlich meist ein bis zwei Stunden zu spät kamen. Pest/Skell,<br />

aka die Weimar-Connection, bildete den Gegenpol zur Apolda-Connection von Eumel<br />

und mir. Thüringern muss man an dieser Stelle wenig über die Unterschiede zwischen<br />

19


Weimar und Apolda erklären, aber es ist ein bisschen so wie „Der schöne Schwan“ vs.<br />

„Das hässliche Entlein“. In Weimar gab es Kultur, Kino und Geschichte. In Apolda gab<br />

es Nazis, Drogendealer und Tristesse. Wer es schaffte, verpisste sich irgendwann aus<br />

Apolda und ich kenne selbst Leute aus Weimar, die bis heute stolz behaupten, noch nie<br />

in Apolda gewesen zu sein, obwohl beide Städte nur 15 km voneinan<strong>der</strong> entfernt liegen.<br />

Doch die Weimarer Wurzeln unserer Bandkollegen nutzten wir direkt aus, um gleich in <strong>der</strong><br />

ersten Bandbiografie klarzustellen, dass die Band aus Weimar kam. „Die Apokalyptischen<br />

Reiter“ aus Apolda, wie hätte das bitte schön geklungen? Vor dem Namen Weimar ging<br />

<strong>der</strong> kulturell bewan<strong>der</strong>te Zeitgenosse schon eher in Deckung.<br />

Doch nicht nur die geografische Herkunft unterschied uns. Eumel und ich waren<br />

Autodidakten ohne musikalische Vorbildung. Es gab nur eins: Wut im Wanst und Gefühl.<br />

Keine Regeln, keine Tonleitern, keine Notenschlüssel. Es gab Napalm Death, Sore<br />

Throat, Exteme Napalm Terror. Wir waren Ghetto-Kids des Krachs und hatten uns unter<br />

völlig schrägen Bedingungen irgendwie selbst dazu gebracht, rudimentärste musikalische<br />

Kenntnisse anzueignen. Mein erster E-Bass kostete 80 DM, <strong>der</strong> Tonabnehmer fiel<br />

immer ab, was mich aber nicht störte, weil ich nicht wusste, wozu <strong>der</strong> da war. Bei Pest<br />

und Skelleton sah die Sache ganz an<strong>der</strong>s aus. Sie hatten schon in frühester Kindheit<br />

musikalische För<strong>der</strong>ung erfahren, Geige/Flöte/Klavier gelernt. Sie stammten beide aus<br />

Pfarrersfamilien. Aber das hin<strong>der</strong>te we<strong>der</strong> Pest daran, im Teenageralter Nacktbil<strong>der</strong> von<br />

sich an <strong>der</strong> Schule zu verkaufen o<strong>der</strong> Skell, nachts auf Friedhöfen herumzuschleichen<br />

und Spinnen mit dickem Fruchtkörper zu fangen und zu essen. Von Anfang an waren<br />

die Reiter eine Allianz <strong>der</strong> Gegensätze. In an<strong>der</strong>en Bands jammten vier o<strong>der</strong> fünf Death<br />

Metaller zusammen und spielten – logisch – Death Metal. Bei uns kamen deutlich mehr<br />

Zutaten und mehr Wahnsinn in den Topf. Genreschubläden, die bequeme Journalisten<br />

aufmachten, um <strong>der</strong> Leserschaft konfektionierte Häppchen hinzuschmeißen, griffen<br />

bei uns von Beginn an ins Leere. Es sollte sich gleichermaßen als Fluch wie als Segen<br />

erweisen, abseits <strong>der</strong> ausgelatschten Pfade Fahrt aufzunehmen.<br />

Bei den Proben in Wersdorf entstanden binnen weniger Wochen fast alle Songs <strong>der</strong><br />

Platte. Es sprudelte! Natürlich drehten wir die Songs vom „Firestorm“-Demo noch mal<br />

durch den Wolf und packten sie aufs Album. Wir konnten den Umstand, dass wir ab sofort<br />

„unter Vertrag“ standen, immer noch nicht richtig fassen. Und als wir im Frühjahr sogar<br />

einen Vorschuss für die Herstellung von Fotos, Layout und Studiokosten bekamen, schien<br />

<strong>der</strong> Traum, eine eigene CD im Handel stehen zu haben, zum Greifen nah. Die Musik<br />

war im Kasten, was fehlte, war ein Albumtitel und ein Cover. Unser Kumpel Leo, <strong>der</strong><br />

bereits das Demo gelayoutet hatte, sollte auch das Booklet für unsere erste CD gestalten.<br />

Bloß welches Cover? Wir waren uns schnell einig, dass die Sache mit den nackten Frauen<br />

eigentlich ein umwerfend gutes Konzept war. Auf dem „Firestorm“-Demo hatten wir uns<br />

ja spontan an einer Tankstelle entschlossen, ein Bild aus einem Magazin zu klauen. Aber<br />

so dreist konnten wir nicht noch mal sein. Da fiel uns ein Buch eines japanischen Fetisch-<br />

Künstlers namens Hajime Sorayama in die Hände. Leo hatte es in seinem Bücherregal<br />

stehen und die Bil<strong>der</strong>, die <strong>der</strong> Typ gezeichnet hatte, waren ausnahmslos großartig. Wir<br />

gingen mit <strong>der</strong> Idee schwanger, uns ungefragt bei Sorayama zu bedienen. <strong>Wie</strong> hätte man<br />

einen Japaner auch um Erlaubnis fragen sollen anno 1997? Ohne Email. Ohne Internet.<br />

Und überhaupt, drauf geschissen. Wir hatten schließlich ein Label. Wenn es Ärger gegeben<br />

hätte, wäre es nicht unser Problem gewesen. Wir schliefen mehrere Nächte darüber,<br />

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is plötzlich das Schicksal einen Plattentitel für uns bereithielt. Es passierte auf dem<br />

Polterabend von Skelleton in Weimar. Wir betranken uns maßlos und da Skell für eine<br />

gefühlte Kompanie Bratwürste gekauft hatte, veranstalteten wir ein Bratwurst-Wettessen.<br />

Irgendwie mussten die Dinger alle werden. Das war irgendwann abartig unlustig, weil<br />

einem <strong>der</strong> Wanst vom vielen Fressen nur noch weh tat. Ich hatte nach acht Würsten argen<br />

Brechreiz und brach die Tortur ab, Turnbeutel-Sänger Schnüffel schaffte immerhin zehn<br />

Würste, aber Pest knallte sich sage und schreibe zwölf Bratwürste hintereinan<strong>der</strong> hinter<br />

die Kiemen. Schnüffel traktierte ihn daraufhin mit einer wüsten Kanonade aus Flüchen<br />

und Verwünschungen, von denen „abartiges Schwein“ noch eins <strong>der</strong> harmloseren war.<br />

Doch wir mussten neidlos anerkennen, dass Pest <strong>der</strong> größte Fressbär des Abends war. Ich<br />

hatte mich an eine Hauswand gelehnt und vermied es, in die Nähe spitzer Gegenstände<br />

zu gehen, da ich fürchtete, zu platzen und zückte eine Packung Tempo-Taschentücher.<br />

Wischte mir den Mund ab. Starrte auf die Packung. <strong>Wie</strong><strong>der</strong> und wie<strong>der</strong>. Was stand da auf<br />

<strong>der</strong> Verpackung? „Jetzt neu. Weich und noch fester. Soft and Stronger.“ Und dann schoss<br />

<strong>der</strong> innerliche Finger nach oben wie bei „Wickie und die starken Männer“. Das ist die<br />

Lösung. Soft and Stronger. Vielleicht lag es daran, dass wir alle berauscht, vollgefressen<br />

und glückselig waren, aber <strong>der</strong> Titel knallte bei uns rein wie Adrenalin, wenn man eine<br />

Klippe runterspringt. Plötzlich macht alles einen Sinn. Der herrliche Sorayama-Busen,<br />

über den wir so lange unschlüssig gewesen waren. Und das Timing-Sahnehäubchen war<br />

unser Bandlogo, was mein alter Tapetrading-Kumpel Alf Svensson aus Schweden gemalt<br />

hatte. Er war Gitarrist bei Grotesque und At The Gates und nicht nur ein musikalisches<br />

Genie. Wenige Tage, bevor das Layout fertiggestellt werden sollte, lag ein Brief von ihm<br />

mit dem Bandlogo im Briefkasten. Wir mochten es vom ersten Moment und packten<br />

es aufs Album. Wir waren am Ziel, wir hatten ein Cover, einen Titel und <strong>der</strong> Wahnsinn<br />

konnte beginnen.<br />

Original Logo Entwurf vom ersten offiziellen Bandlogo<br />

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St.Petersburg 2009<br />

Im Ural 2014<br />

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