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16 DIRECTIONS FOR USE
Zusammenfassend lässt sich sagen: Bevor man sich der Gebrauchstauglichkeit einer Anleitung widmet, ist
das Produkt selbst am Anfang seiner Entwicklung in den Fokus zu stellen und auf die zukünftige Zielgruppe
auszurichten. Eine gute Anleitung kann zwar über die eine oder andere kleinere Produktschwäche hinweghelfen,
sicherheitstechnische Mängel sind damit aber nicht zu kompensieren. „Konstruktive Sicherheit“ ist hierbei
der Ausgangspunkt aller Überlegungen, „Hinweisende Sicherheit“ nur dort, wo unvermeidliche Restrisiken
bestehen. Dies trifft genauso auf ergonomische Schwächen zu, wenn z. B. jede Funktion am Produkt anders
ausgeführt und keine benutzungsfreundliche sowie konsistente Bedienlogik vorliegt, kann auch der Anwender
kein „mentales Bedienmodell“ entwickeln.
Sind die Beschreibungen in der Anleitung noch mit wechselnden Satzstrukturen ausgeführt, so dass jede
Beschreibung immer wieder Wort für Wort nachgelesen werden muss, kann sich auch auf Dauer keine Produktvertrautheit
einstellen. Auf der anderen Seite kann eine schlechte Anleitung ein sehr bedienungsfreundliches
Produkt natürlich auch deutlich verschlechtern.
Gesamtheitliche Betrachtungen als Erfolgsgarant
Gesamtheitliche Betrachtungen sind unumgänglich geworden. Halten wir uns am Beispielprodukt Navigationsgerät
noch einmal die wesentlichen Aspekte vor Augen: Wird die Produktergonomie vernachlässigt, sind
z. B. die Tasten in der Abenddämmerung bzw. beleuchtet bei Nacht nicht sicher erkennbar oder ertastbar, und
Fehlfunktionen treten auf. Wird dagegen die Softwareergonomie vernachlässigt, verliert sich der Anwender
leicht in den Menüstrukturen und versteht die Displaymeldungen nicht. Versagt die Gebrauchsanleitung, kann
das Gerät im schlimmsten Fall überhaupt nicht eingeschaltet werden.
Wir können noch einen Schritt weiter gehen und auch ein ergonomisch ausgereiftes Produkt mit einer vortrefflichen
Anleitung in Frage stellen. Wenn z. B. im betrieblichen Umfeld eine unergonomische Arbeitsorganisation
für eine hohe Fehlerrate verantwortlich ist, so führt das reine Eingeben von Zahlenwerten in ein Softwareprogramm
auf Dauer zu Konzentrationsstörungen und Ermüdungserscheinungen. Das Softwareprodukt
ergonomisch zu optimieren hätte wahrscheinlich zur Folge, dass sich diese Symptome sogar noch viel früher
einstellen und wahrscheinlich noch für viel höhere Fehlerraten verantwortlich sind.
Damit ist offensichtlich, wie unzureichend das Potenzial ausgeschöpft wird, wenn einseitige Optimierungen
einfließen. Im weiteren Verlauf des Beitrages liegt der Schwerpunkt bei den gesetzlichen Anforderungen, die
für Anleitungen bestehen.
In den letzten Jahren hat sich gerade hinsichtlich der Gebrauchtauglichkeit einiges getan, schauen wir uns
die wichtigsten Änderungen im Detail an.
Gesetzliche Verantwortung des Herstellers
Rechtsprechung in der Vergangenheit
Hersteller müssen alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Produktgefahren ergreifen. Dazu
zählt insbesondere die Warnung vor gefährlichen Produkteigenschaften, die konstruktiv nicht behoben werden
konnten. Die Verletzung dieser Pflicht kann zu einem Schadensanspruch gegenüber dem Hersteller führen:
• nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, wegen Verletzung einer Verkehrspflicht, wenn der Hersteller
fahrlässig gehandelt hat (Verschuldenshaftung);
• nach dem Produkthaftungsgesetz, weil das Produkt unter Berücksichtigung seiner Darbietung nicht die
erforderliche Sicherheit bringt, und zwar unabhängig vom Verschulden des Herstellers.
Mit der Einführung der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 und dem seit 1. Mai d. J. in Kraft getretenen
Geräte- und Produktsicherheitsgesetz - GPSG - haben sich zwar nicht völlig neue Anforderungen ergeben,
aber es besteht eine konkrete Grundlage für Regressansprüche und behördliche Handlungsspielräume – selbst
wenn noch kein Schaden eingetreten ist.
Die Schuldrechtsreform
Zum 01.01.2002 ist in Deutschland nach fast 100 Jahren eine neue Fassung des BGB in Kraft getreten, die
u. a. auf die Verbrauchsgüterrichtlinie zurück zu führen ist und Verbraucher in ihren Rechten fühlbar bestärkt
hat. Insgesamt hatte die Bundesrepublik bis 2003 die Aufgabe zu bewältigen, drei Richtlinien in nationales
Recht zu harmonisieren:
• Richtlinie 1999/44/EG (Umsetzungsfrist 31.12.2001) zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs
und der Garantien für Verbrauchsgüter
• Richtlinie 2000/35/EG (Umsetzungsfrist 07.08.2002) zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr
FORUM WARE 32 (2004) NR. 1 - 4