zds#24
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fuchs
berg
Bremen & Bremerhaven
FreIe hanSeSTaDT
ZWISChen 53° nOrD & 8° OST
Die Zeitschrift Der s trasse
seheN h Ö reN
schreiB e N
PreIS : 2 eurO
eIn eurO Für Den verkäuFer
nr. 24 — nOvemBer 2014
24
Mutter drin,
Kinder
draußen
wann
kommt mama
wieder?
8
Mein Nachbar,
der Knast
im
schatten
der mauer
12
hurra,
ich lebe noch
Das Gefängnis
half beim
Ausbruch
fFuchsberg
uchsB Editorial 5
Historie
1930 / 2014 6
Fuchsberg in Zahlen 7
Bildstrecke
Hinter Gittern 16
Kurzporträt
Andreas Kulmann,
Bernhard Richter („Bugs“) 40
Impressum 46
Vorschau
Ziegenmarkt 47
53° nOrD & 8° OST
Foto:
Jaeuk Lee
Inhalt
i M
schatteN D e r
Mauer
Das Gefängnis dominiert das viertel.
Doch die nachbarn stören vor allem
die autos der Beamten. ein rundgang
„draußen“
h urra,
ich leB e
N och
Das Gefängnistor war wie ’ne Drehtür
für ihn: Dauernd ging es rein und
raus. Doch der knast rettete ihm auch
das Leben. ein absprung
WaNN
koMMt M a M a
W ieD er?
Sie sitzt drin, ihre Familie ist draußen.
ein Besuch bei einer mutter, die
ihre Töchter nur drei Stunden pro
monat sieht
W i e
8
12
24
28
karussell-
figureN
einmal hat er im antiquariat einen krimi
gekauft; ein strenger Stempel wies ihn
aus als eigentum der Jva. Die Frage, wie
das Buch über die mauern, an der Schranke
vorbei, gelangt war, beschäftigte ihn
B leiB
32
36
stark
es gibt deutlich schönere Orte zum
Leben als das Gefängnis. Für den Fall,
dass es sich nicht vermeiden lässt:
20 Tipps, wie man gut durchkommt —
natürlich ohne Gewähr
MeiN
freuND ist
tot
Sven Lambrecht verkaufte die
Zeitschrift der Straße, wie ich. es ging
ihm schlecht, ich nahm ihn auf bei
mir. es nützte nichts. Die Geschichte
von einem, den der mut verließ
fuchsbE rg
Die Zeitschrift der Straße
Ein Projekt der Hochschule für
Künste Bremen und der Hochschule
Bremerhaven in Zusammenarbeit
mit der Inneren Mission und der
GISBU Bremerhaven.
Die Straße der Zeitschrift
Jede Ausgabe findet ihre Geschichten
an einem Ort in Bremen / Bremerhaven.
Sehen — Hören — Schreiben
Jedem Artikel geht eine Beobachtung
voraus — im oberen Seitenabschnitt.
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Gute Frage. Probieren Sie’s aus !
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Die Zeitschrift der Straße gibt es nur
auf der Straße. Die Hälfte des Verkaufspreises
ist für die VerkäuferInnen.
Nicht-BremerInnen, Institutionen und
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per Abo ins Haus (32 € / 8 Ausgaben):
abo@zeitschrift-der-strasse.de
Wie weiter?
Die Zeitschrift der Straße erscheint
etwa sechsmal im Jahr. Die nächste
Ausgabe im Februar.
53° nOrD & 8° OST
Foto:
Jaeuk Lee
Editorial
5
s eheN h Ö reN
s chreiB e N
Liebe Leserinnen und Leser!
„rotenburg“ wurde sie ihrer Ziegelmauern wegen im volksmund genannt,
die Strafanstalt Oslebshausen, einst noch jenseits der Bremer
Stadtgrenze errichtet. möglichst weit entfernt von bewohntem Gebiet
sollte sie stehen, die ringmauer die Welt innen von der außen
isolieren. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Im Gegenteil: Die
mauer ist noch höher geworden. Wer drin ist, hat nur eingeschränkt
und kontrollierten kontakt nach draußen. Was das für ihre Familie
bedeutet, schildert eine inhaftierte mutter (Seite 24). ein ex-Gefangener
erzählt, wie wenig ihm seine Strafen halfen, die schiefe Bahn
zu verlassen – und wie ihm der „Break“ dennoch das Leben rettete
(Seite 12). Buchstäblich aus der Praxis stammen die Tipps fürs Leben
hinter Gittern, die Sie ab Seite 36 finden. Dort erst gar nicht hinzukommen,
ist auf jeden Fall besser. „Gefangene helfen Jugendlichen“
heißt ein Projekt, das haftstrafen verhindern soll. Die reportage lesen
Sie auf www.zeitschrift-der-strasse.de. Gleiches gilt für den artikel
über den Gefangenenstreik. und weil die Justizvollzugsanstalt inzwischen
mitten im Wohngebiet liegt, hat uns ebenfalls interessiert,
wie es sich vor der mauer lebt (Seite 8).
auch Sven Lambrecht war schon Gast in „Oslebs“. Draußen verkaufte
er die Zeitschrift der Straße. als der Winter kam, ging es für ihn
ums überleben – er schaffte es nicht. Die Geschichte eines Bremer
kältetoten: Seite 32.
viel Spaß beim Lesen im heft und auch im netz wünscht
armin Simon
und das ganze Team der Zeitschrift der Straße
P.S. Bitte kaufen Sie nur Zeitschriften von verkäuferInnen, die einen
verkäuferausweis bei sich tragen und sich angemessen verhalten.
Wir freuen uns über Feedback: post@zeitschrift-der-strasse.de
fuchsberg
Historie
1930
2014
6
ZaH Zahlen
und Fakten
fuchs
berg
Bogenförmige Straße in
7
Oslebshausen nördlich der Heerstraße
auf Höhe des Parks, 750 Meter lang.
Weg schon im 19. Jahrhundert
Standort der Justizvollzugsanstalt
Recherche: Armin Simon
Text: Armin Simon
Foto: Jaeuk Lee
vom „Fuchs“ ist nichts mehr überliefert, der „Berg“ hingegen
deutet wohl auf einen Dünenhügel hin, der sich
einst nördlich des kleinen Oslebshauser Wäldchens erhob.
Schon die katasterkarten von 1 825 verzeichnen
dort zwei Flurnamen: auf dem Fuchsberg und am Fuchsberg.
um diese herum beziehungsweise zwischen diesen
hindurch schlägt, von der 1 822 fertiggestellten Chaussee
Bremen-Burg ausgehend und ein paar hundert meter
weiter an ebendieser wieder endend, schon damals ein
Weg seinen Bogen, ziemlich ähnlich der heutigen Straße
am Fuchsberg. als ab 1 862 auf dem heutigen Grünzug
West die eisenbahn nach Geestemünde/Bremerhaven
rollt, bekommt Oslebshausen hier, am Fuchsberg, seinen
Bahnhof. Der wiederum gibt 1 871 für Bremen mit den
ausschlag dafür, hier die neue Strafanstalt zu errichten.
Weitere Standortvorteile waren der billige Baugrund, die
einfache Wasserversorgung über Brunnen und natürlich
die große entfernung zur Stadt. Der neogotische Bau,
heute unter Denkmalschutz, steht lange solitär in der
Landschaft. als anfang des 20. Jahrhunderts die ersten
Wohnhäuser am Fuchsberg entstehen, wird die Strafanstalt
mit ihrem imposanten, erst 1970 abgerissenen Torgebäude
(Foto) bereits zum dritten mal erweitert.
historisches Foto: archiv harry Winkler /
Geschichtsgruppe Oslebshausen
Gefangene bei Einweihung der Strafanstalt
Oslebshausen am 5. Februar 1874: 45
Gefangenenanzahl 2013, im Schnitt: ca. 530
Davon Frauen: ca. 25
Anteil der Häftlinge im offenen Vollzug 2013,
in Prozent: 15
Anteil der Häftlinge in Untersuchungshaft 2013,
in Prozent: 16
Anteil der Häftlinge, die lediglich eine Geldstrafe
nicht bezahlen konnten, in Prozent: 10
Kosten pro Haftplatz und Tag im Jahr 2013,
in Euro: 112
Letzter erfolgreicher Ausbruch über die Außenmauer
der JVA: 4. Mai 2007
Zahl der Ausbrecher damals: 2
Tage bis zur erneuten Festnahme des Ausbrechers,
der sich nicht selber stellte: 40
Geplante Höhe der Gefängnismauer im Entwurf 1870,
in Metern: 5,8
Höhe der tatsächlich gebauten Ziegelmauer,
in Metern: 4,5
Höhe der 2009 gebauten neuen Betonmauer,
in Metern: 6
Gründung der Bildhauerwerkstatt in der Justizvollzugsanstalt
Oslebshausen: 1978
Von Gefangenen realisierte Kunstprojekte im
öffentlichen Raum: 62
Zahl der im Rahmen des Projekts „Ich lese für dich“
von Gefangenen für ihre Kinder mit Gute-Nacht-
Geschichten besprochenen CDs: 280
Zahl der auf dem Gelände der JVA gehaltenen Hühner,
Hängebauchschweine etc.: ca. 25
Einweihung der Eisenbahnstrecke im heutigen
Grünzug West: 1862
Einweihung der heutigen hochgelegenen Bahnstrecke
weiter nördlich: 1914
Zeitraum, in dem Oslebshausen über zwei Personenbahnhöfe
verfügte, in Tagen: 10
Abstand der beiden Bahnhöfe, in Metern: 400
Für den einst geplanten Neubau der JVA veranschlagte
Summe, in Euro: 113.000.000
Von der Bürgerschaft für die stattdessen begonnene
Sanierung der JVA bewilligte Kosten,
in Euro: 50.800.000
Hundehaufen (Am Fuchsberg): 7
fuchsberg
×
Sa, 14.49 Uhr
Grünzug West, vor dem früheren
Haupteingang der
Justizvollzugsanstalt
Ein Mann fotografiert seinen Sohn,
der auf einer großen Froschskulptur
am Wegesrand sitzt.
15.00 Uhr
Am Fuchsberg, vor dem Haupteingang
der
Justizvollzugsanstalt
Ein Polizeiwagen biegt um die Ecke.
15.16 Uhr
Grünzug West, Höhe Am
Kammerberg
Eine Frau schiebt einen Mann im Rollstuhl
vor sich her.
8
reportage
×
Ein Mann
fotografiert
seinen Sohn.
Er sitzt auf
einer großen
Frosch-
skulptur.
9
waffnet ihren vorgarten betritt, stört das
nicht. In Seelenruhe gießt sie ihre Pflanzen,
während ein mann im hintergrund
an einem auto werkelt. Wie es ist, neben
einem großen Gefängnis zu leben?
„völlig normal“, sagt die Frau, fast überrascht
über die Frage. Der Fremde scheint
ihr mehr suspekt zu sein als ihre nachbarn.
Stören die? „nö, überhaupt nicht.“
Sie wirkt total entspannt. „Die können ja
nicht raus.“ nicht mal ein ungutes Gefühl
hat sie, auch wenn da, nur wenige Schrit-
im
schatten
der
mauer
Das Gefängnis dominiert das Viertel.
Doch die Nachbarn stören
vor allem die Autos der Beamten.
Ein Rundgang „draußen“
Text: Matthias Röhrs
Fotos: David Schikora
Wenn diese große dunkelrote, schon
recht verfallene Ziegelmauer nicht wäre,
könnte man den Fuchsberg als eine ganz
normale Wohngegend bezeichnen. kleine
häuschen, abgezäunte vorgärten. Irgendwo
mäht jemand seinen rasen und
ein hund, Typ Lassie, geht seinen Bedürfnissen
auf dem nachbargrundstück nach.
er tut es unbeeindruckt von den kameras,
die von hohen masten überall entlang
der mauer spähen: Den menschen am
Bildschirm, der die Szene überwacht,
wird es kaum stören. und die paar Leute,
die ab und zu vom haupteingang der Justizvollzugsanstalt
(Jva) weiter hinten vor
zur Bushaltestelle an der Oslebshauser
heerstraße gehen, zu allerletzt. In der
großen roten mauer nisten vögel.
radfahrer radeln vorbei, zur arbeit, zum
einkaufen oder sonst wohin. Gelegentlich
auch mal eine größere Gruppe; alle sind
behelmt und reden laut. Die dürre Frau,
die gerade mit einem Gartenschlauch be-
fuchsberg
15.23 Uhr
Axstedter Straße, östliche Seite
Ein Schild an der Wand eines der
Reihenhäuser weist darauf hin, dass Fußballspielen
polizeilich verboten ist.
15.45 Uhr
Am Fuchsberg, westlich der
Gefängnismauer
Ein Hund streunt durch die Straße,
kackt in eine Einfahrt und geht
danach weiter zum nächsten Haus.
i M
schatteN Der
M auer
te entfernt von ihrem haus, unter anderem
jede menge Straftäter untergebracht
sind. „Ich glaube, sicherer kann man nicht
leben“, sagt sie. „haben Sie gesehen, wie
viele Polizisten hier rumlau fen?“ eigentlich
nicht: In der letzten halben Stunde
jedenfalls war keiner zu sehen.
Lange
Blicke
Beobachtet fühlt man sich trotzdem.
Spaziergänger und radfahrer schauen einen
an, als wäre man verdächtig. Die kurzen,
flüchtigen Blicke, die man Fremden
überall auf der Straße so zuwirft, hier
sind sie ein klein wenig länger: Dieser
Fremde, der da um das Gefängnis herumschleicht,
immer wieder hin und her geht,
der heckt doch bestimmt was aus! Langsam
nähert sich eine ältere Frau auf ihrem
nachmittagsspaziergang, die hände
fest am rollator. Sie wohnt in einer Seitenstraße,
seit 88 Jahren. kann bestimmt
viel erzählen!? „nichts“, sagt sie. „höchstens
mal was aus der Zeitung.“ und: „Soweit
ich weiß, ist auch nie was Schlimmes
vorgefallen.“ Sie lächelt freundlich, entblößt
dabei schlechte Zähne. hat es ausbrüche
gegeben? „Wenn, dann wurden
wir nicht belästigt.“
um die ecke unterhalten sich zwei nachbarn.
er lebt seit 1961 in dieser Straße,
sie seit 1992. aus dem Gefängnis machen
sie sich nichts. es ist halt da. nur seit einem
Jahr, da würden die Parkplätze am
Fuchsberg knapp, es sei eng geworden auf
der Straße. Die Jva habe damals Personal
aufgestockt, sagt er. „nach der Spätschicht
bekomme ich hier kaum einen
Parkplatz“, zürnt sie. Sie muss immer die
Garage eines nachbarn zuparken. „Das
ist okay, aber er muss dann immer anrufen,
falls er rauswill.“ auch ihr nachbar
ist sichtlich verärgert: „Die Feuerwehr
kommt hier kaum durch“, beschwert er
sich: „und letztens musste sogar die
müllabfuhr zurücksetzen.“
ein blau-silbernes auto kommt vorbei,
das einzige an diesem halben nachmittag.
es verlangsamt seine Fahrt, die Insassen
im Partnerlook schauen, was der Passant
10
auf dem Gehweg da in seiner hand hält:
einen notizblock. Sie fahren vorbei – keine
Gefahr im verzug. eine Querstraße
weiter parkt ein mann sein auto um und
eine junge Frau stellt in die nun frei gewordene
Parklücke zwei Plastikgartenstühle.
auf dem Grundstück nebenan
schleppt eine hellblonde Dame mittleren
alters zwei mit erde gefüllte Säcke über
ihre einfahrt. Leicht scheint es ihr nicht
zu fallen, doch der vorgarten ist recht gut
gepflegt. Sie erzählt, dass sie und ihre Familie
seit nun 25 Jahren hier leben. Probleme
mit den „nachbarn“ jedoch habe es
noch keine gegeben. „Die sind ruhig, alles
ist ziemlich anonym.“ nur ab und zu
komme es zu „verdachtsmomenten“, wie
sie es ausdrückt, „wenn hier viele Polizisten
die Wege absuchen“. mehr aber nicht.
einmal fanden die kinder drüben auf dem
Grünstreifen Spritzen. „Ich vermute mal,
dass das mit dem Gefängnis zu tun hatte.“
Sonst gebe es nichts zu berichten.
Sicherer
kann
man nicht
leben
Weiter geht es in die Grünanlage, die sich
hinter dem Gefängnis anschließt. Die außenmauer
der Justizvollzugsanstalt ist
hier zwar aus Beton und nicht mehr so
schön, dafür jedoch wesentlich imposanter.
und Grau an sich ist auch immer Geschmackssache.
es riecht nach frisch gemähtem
Gras und auf den Sportplätzen
tragen kinder Fußballspiele aus. Lara ist
eine von unzähligen hunden, die hier
Gassi gehen. Wie ist das Gefängnis als
nachbar? Ihr Frauchen muss nicht lange
überlegen: „Die sind ziemlich laut.“ vor
allem die Jugendlichen machten viel Lärm,
wenn sie draußen seien. „aber das hört
man irgendwann auch nicht mehr.“ So wie
die autobahn, die nebenan beständig
rauscht. Die hubschrauber, fährt die Frau
fort, seien auch immer sehr laut, wenn
mal jemand ausbreche.
auf der gegenüberliegenden Seite des
knastes steigen ein mann und sein Sohn
von ihren Fahrrädern. Der Junge klettert
auf die Skulptur eines großen Frosches,
wie die ganzen Skulpturen hier im Grünzug
ein Produkt der Bildhauerwerkstatt
der Jva. Der vater fotografiert seinen
Sohn mit seinem handy. er macht sich
Sorgen: „es ist schlimmer geworden“,
meint er, „gerade wenn sie Freigang haben
… Dann kommen die ganzen Drogensüchtigen
und brechen ein.“ Der Sohn ist
schüchtern, versteckt sich hinter seines
vaters Beinen, lugt aber neugierig hervor.
„Ich suche seit einem Jahr eine neue Wohnung“,
sagt der vater. „Ich merke schon seit
einiger Zeit, dass alles von hier kommt.“
Einbruch
des Ausbrechers
Den Weg runter steht eine Frau an
ihrem Zaun. Sie hat eine Gießkanne in
der hand und eine bekannte Beschwerde
parat: „Die parken alles zu. Wenn die
morgens zum Dienst antreten, gibt es
hier keine freien Parkplätze.“ Selbst die
Grundstückseinfahrten, sagt sie, würden
häufig blockiert. „Letztens hatte ich eine
Öllieferung, die wussten gar nicht, wo sie
sich hinstellen sollen. Oder auch handwerker:
Die können ja nicht von wer weiß
wo zu Fuß herkommen.“ Was sie in solchen
Fällen macht? „Ich kenne den Direktor
und habe seine Telefonnummer.“ Das
helfe dann. und nicht nur dann: einmal
habe sie sich ausgesperrt, „da hat mir die
Gefängnisverwaltung geholfen, wieder
ins haus zu kommen“. Sie lebt seit den
1970er-Jahren hier. Ihr inzwischen verstorbener
mann wollte etwas mit viel
Platz. Das Gefängnis in der nachbarschaft
war da weniger relevant. Jetzt sind
ihr haus und Garten zu groß. Deswegen
will sie umziehen, in eine Seniorenresidenz;
nicht wegen des knastes.
reportage
Dabei ist sogar einmal ein entflohener
häftling bei ihr eingebrochen. „Da waren
wir aber gerade auf helgoland“, relativiert
sie. Der ausbrecher, ein Junkie,
stahl auf der Flucht erst ein Fahrrad, stellte
das dann aber am Zaun ab, um ins
haus einzubrechen. In ihr haus, von dessen
Grundstück aus man mit anlauf noch
fast bis an die Gefängnismauer spucken
kann. Die Polizei sah das Fahrrad, die kaputte
Fensterscheibe auf der rückseite
des hauses und – ganz klassisch – auch
die Füße des aus- beziehungsweise nun
einbrechers unter dem vorhang hervorlugen.
„Ich fühl mich trotzdem sehr sicher
hier“, sagt sie. „und zur not habe
ich auch noch eine Sicherheitskamera.“
viele Familien mit kindern leben hier.
Blickt man in die Seitenstraßen, sieht man
sie toben. auf einer Bank sitzt eine Frau
und hält die hände eines mannes. er sitzt
im rollstuhl, ist vom alter gezeichnet.
„Ich bin nicht von hier“, sagt sie. „aber
ich kann mir nicht vorstellen, dass das
11
Die gewöhnliche Straßenlaterne ist bereits erloschen.
Nur die Gefängnislaternen, die den Streifen vor und hinter
der Mauer ausleuchten, die brennen die ganze Nacht
schlimm ist.“ Sie wendet sich an den
mann, spricht nun sehr deutlich: „Ist mit
dem Gefängnis mal was gewesen? nein,
oder? es laufen hier doch bestimmt auch
viele Sicherheitsbeamte rum, nicht wahr?“
Die sind
ruhig, alles
ist ziemlich
anonym
„einmal ist eingebrochen worden“, fällt
ihm ein. Sie: „Das kann ja auch überall
passieren.“ und an den Fragesteller gewandt:
„Sehen Sie, das ist nicht schlimm.“
Zehn meter weiter sitzen zwei männer an
einem massiven holztisch. Sie trinken
Bier und rauchen. Freundliche Wesen.
„hier ist noch nichts passiert“, sagt der
eine. „Bei einem kindergarten in der nähe
macht man sich dann schon Sorgen,
wegen der Sexualstraftäter“, sagt der andere.
„aber von etwas gehört habe ich
auch nicht.“ Ob sie schon mal drin waren,
in der Jva, vielleicht an einem Tag
der offenen Tür? „nein“, sagt der eine.
„Ich saß mal drin, aber nur für drei Tage“,
sagt der andere. „Ich konnte eine Geldstrafe
nicht bezahlen.“ Wie das war, drinnen?
„naja, schlimm.“ Wieso? „man sitzt
halt im Gefängnis.“
fuchsberg
Di, 19.20 Uhr
Am Fuchsberg, Höhe
Justizvollzugsanstalt
Beiderseits der Gefängnismauer hohe
Blechmasten mit Laternen.
19.25 Uhr
Fußweg zwischen Knast und
Sportplatz, Nordwestecke, Höhe
Justizvollzugsanstalt-Pavillon
Ein extrahoher Zaun mit Stacheldrahtrollen
obendrauf trennt die
Gefängnispavillons vom öffentlichen
Grün. Ein Baum liegt in Stücken im
Gras, einem anderen fehlen mehrere
oberschenkeldicke Äste: Beide
standen wohl zu nah am Zaun.
19.30 Uhr
Maria-Krüger-Straße
Auf einer Wiese türmen sich Berge
alter Backsteine. Daneben schießen
ein paar Kinder mit dem Fußball
auf ein simples Tor. Die Steine,
erzählt ein Anwohner, stammten von
der alten Gefängnismauer. Demnächst
sollten sie halbiert und die
neue Mauer damit verkleidet werden:
Denkmalschutz.
12
p ortrÄt
×
Ein einzel-
nes Flugblatt
in der Plexiglasbox
wirbt
für im Gefängnis
gefertigte
Produkte:
„Ich gebe
jedem eine
zweite
Chance!!!!“
13
hurra ,
ich lebe
noch
Das Gefängnistor war wie
Das Gefängnistor war wie
’ne Drehtür für ihn:
Dauernd ging es rein und raus.
Doch der Knast rettete ihm
auch das Leben. Ein Absprung
Text: Timo Robben
Fotos: Cindi Jacobs
Im aprikosenfarbenen Wohnzimmer von
Jörg Winter hängen zwei uhren. eine
zeigt die Zeit an. Die andere ist stehen
geblieben. Zeit spielt eine große rolle im
Leben von Jörg. manchmal konnte sie gar
nicht schnell genug vorbeigehen, immer
dann, wenn er im Gefängnis saß. „alle arbeiten
gegen dich. Die Schließer. Die Gitter.
Die anderen häftlinge. nur die Zeit,
hab ich mir immer gesagt, die Zeit arbeitet
für mich“, sagt Jörg. Der 51-Jährige
saß sechs– oder siebenmal im knast, er
weiß es nicht mehr so genau. „Ich war
in Oslebshausen ansässig.“ er meint die
Justizvollzugsanstalt. „heute weiß ich,
dass ich da meine Zeit verplempert habe.
viel Zeit“, sagte er. „aber was will man
machen?“ Jörg hat seine Strafen abgesessen.
Zehn Jahre ist es her, dass er das
letzte mal hinter Gittern war. Jetzt hat er
ein neues Leben.
Jörg Winters kriminalkarriere beginnt
schon in den 1970ern, noch als Teenager.
Da setzt sein vater ihn und seine fünf
Brüder ins auto und fährt sie nach
hamburg. Die halbwüchsigen sollen Juweliere
erleichtern. „Ich bin ’rüber zur
verkäuferin und hab mit der gelabert.
mein kleiner Bruder hat schnell was mitgehen
lassen“, erinnert sich Jörg. einmal
sei ein Collier für 26.000 mark dabei gewesen.
Der vater habe es für 500 mark
und ein neues Fahrrad losgeschlagen. „So
ein Idiot“, sagt Jörg. Böse sei er seinen
eltern aber nicht. „Immer zu deiner Familie
halten – egal, was ist“, an diesen Leitsatz
des vaters hält sich Jörg bis heute.
„Im knast haben sie mich und meine Brüder
immer die Daltons genannt“, sagt er
und lacht. es kommt vor, dass sie alle
sechs zugleich in Oslebshausen einsitzen.
Die Winter-Jungs haben auch dort einen
ruf. „Wenn du einen von uns angemacht
hast, bekamst du’s mit allen zu tun“, sagt
Jörg. Ganz einfach. Bei sich zu hause hat
er seine Brüder heute trotzdem nicht so
gern – „denen kannste ja nicht vertrauen.“
fuchsberg
19.42 Uhr
Am Kammerberg, östliches Ende
Die neue Mauer schirme auch die
Pöbeleien aus dem Gefängnis ab,
sagt einer. Er ist nicht unzufrieden.
19.45 Uhr
Zwei Meter vor der Mauer steht noch
ein Drahtzaun. Hinter ihm, also
schon im Sicherheitsstreifen, ragt
ein alter Grenzstein hervor, die
Inschrift: „Stadtgrenze“. Der Knast
lag außerhalb.
×
19.57 Uhr
Sonnemannstraße 2
Ein einzelnes Flugblatt zittert in der
Plexiglasbox an der Außenseite
der fünfeckigen Holzhütte. Es wirbt
für im Gefängnis gefertigte Grills und
andere Produkte: „Ich gebe jedem
eine zweite Chance“. Vier
Ausrufezeichen.
h urra,
ich leB e
N och
14
p ortrÄ t
15
Zehn Jahre ist es her, dass er das letzte Mal hinter Gittern war.
Jetzt hat er ein neues Leben. Und der Zaun ist offen
Das ganze Zimmer in der kleinen Wohnung
in Gröpelingen, die sich Jörg mit seiner
Freundin teilt, hängt voller Deutschlandflaggen
– Weltmeisterschaft. er müsse
gleich noch los „ein paar Bier holen“, sagt
Jörg und zeigt auf die Fahnen. heute
abend spielt die nationalelf. mit seinen
langen Fingern greift er nach seinem Tabak,
dreht sich eine. auf seiner hand hat
er einen hirschkäfer tätowiert, der zuschnappt,
wenn er etwas mit Zeigefinger
und Daumen greift. „hab ich mir spontan
machen lassen“, sagt er. eigentlich habe
sich ein kollege tätowieren lassen wollen.
„harter kerl. Dem stellt sich keiner in
den Weg“, erzählt Jörg und lacht. „aber
vor dem Tätowierer hatte der angst.
Dann hab ich halt schnell was stechen
lassen.“ alte Gewohnheit.
Kalter
Entzug
Das erste mal sitzt er mit 17 ein. „Das
war nicht weiter schlimm“, wiegelt er ab.
Die Tat hingegen schon: er hatte jemanden
ziemlich zugerichtet. „hatte auch ein
schlechtes Gewissen deswegen“, sagt er.
„Dann haben die mir zwölf monate aufgebrummt.“
ein Jahr. er sagt es, als wäre eine
solche Zeit in unfreiheit nicht groß
erwähnenswert, eher wie ein verstauchter
Daumen vielleicht. ärgerlich, ja, aber
kein Weltuntergang. mit den „Black affen“
zieht er damals durch die Straßen von
Gröpelingen. kneipenschlägereien, Pöbeleien,
Drogen. um Geld geht es ihm und
der Gang, die in erster Linie aus seinen
Brüdern besteht, gar nicht, sondern um
Gewalt und Stress. Im nachhinein sei er
ganz froh, dass die Gruppe nicht lange Bestand
gehabt habe. „Wir sind die ganze
Zeit mit rasiermessern durch die Straßen
gezogen.“ einmal haben sie jemandem das
Ohr abgeschnitten. „Wo wäre das noch
hingegangen?“ Besagte erste Strafe sitzt
er als Freigänger ab. „War keine schlechte
Zeit“, sagt Jörg. über seinen Onkel besorgt
er sich einen Job als hafenarbeiter.
„viel Geld“ habe er da verdient. und weil
er jeden abend zurück in den knast muss,
kann er es auch nicht ausgeben. Seine ersparnisse
wachsen. als er schließlich freikommt,
holt ihn seine Gang vor dem Gefängnistor
ab. „alle mann präsentierten
den Schließern den blanken hintern“, erinnert
er sich. „und dann haben wir gefeiert.“
Alle arbeiten
gegen dich.
Nur die Zeit,
die arbeitet für
mich
Weitergeholfen, gar neue Perspektiven
eröffnet, hat ihm sein knastaufenthalt damals
nicht. „Die sollen dich ja eigentlich
resozialisieren“, sagt Jörg. „und es gibt
menschen, die glauben das auch noch!“ er
zieht die augenbrauen hoch und prustet
los. Quatsch sei das alles. „Ich hab im
knast ja auch nur mit verbrechern zu tun
gehabt. Wie soll dich das denn resozialisieren?“
kaum draußen, dreht er schon
wieder das nächste Ding. „Wir haben mit
harten Drogen angefangen“, erzählt er.
„und dann war das Tor zum knast wie eine
Drehtür: immer wieder rein und raus.“
Beschaffungskriminalität. Supermärkte
räumen sie aus. einmal sitzt er mehr als
drei Jahre am Stück für verschiedene vergehen.
Lange Zeit hängt er auch selbst an
der nadel – heroin. Oder besser gesagt:
Schore. „In dem Scheiß, den du kriegst,
ist ja so gut wie kein heroin mehr drin“,
schimpft Jörg. Die Droge dominiert sein
Tun. „Gott, was ich alles gemacht habe,
um an schnelles Geld zu kommen!“ einmal
überfällt er zusammen mit einem
kollegen eine Bank mit einer Spritzpistole;
einmal heiratet er eine Frau, die aus
afrika geflohen ist, damit sie hier ein Bleiberecht
bekommt. Die Frau ist ihm gleichgültig,
zusammen sind sie nie. aber er
kriegt 4.000 mark für den Trauschein.
und mehr. Denn immer, wenn er klamm
ist, geht er wieder hin: „Wenn du mir
nicht Geld abdrückst, dann verrat ich
dich!“ nebenbei schluckt er noch Tabletten,
nimmt alles, was ihm in die Quere
kommt. Schon das ein alptraum, im
nachhinein. Das Schlimmste aber widerfährt
ihm, als sie ihn, noch voll drauf, wieder
mal erwischen. methadon-Substi-
tution gibt’s damals noch nicht. Gefängnis
bedeutet für Junkies also „Cold Turkey“ –
kalten entzug: „Da gab’s ’ne Zelle mit
’nem eimer, und da wurdest du solange
eingesperrt, bis du clean warst“, erinnert
er sich. Drei Wochen leidet er unter Fieberträumen,
die Zeit geht nicht herum.
und immer derselbe Traum: „Ich saß in
einer Schublade fest, guckte da nur mit
dem Oberkörper raus. und dann kamen
immer wieder so Fabelwesen an mir vorbei.
von denen musste ich den Zoll kassieren.“
Jörg schüttelt den kopf beim erzählen,
wiederholt sich, will dem Ge-
sagten nachdruck verleihen. Die Fabelwesen,
erzählt er, seien manchmal echt
brutal gewesen. „Ich konnte mich dann
nur in der Schublade verstecken.“ In der
Schublade, in der er ja gar nicht stecken
wollte. und aus der er alleine einfach
nicht rauskam. „mitnehmen wollte mich
aber auch keiner.“ Wie eine ganze Lebenszeit
habe sich das angefühlt. Zeit ist
eben relativ.
Ausbruch aus dem
Teufelskreis
nach drei Wochen wacht er auf.
„Ich wusste gar nicht, wo ich bin.“ vor allem
die Tabletten, die er zusätzlich zum
heroin genommen habe, hätten den entzug
so fürchterlich gemacht, ist er überzeugt.
„aber meine Tablettensucht war
nach diesem alptraum beendet.“ auch
sonst ändert sich einiges. „Im knast war
das Leben einfach. Da wusste ich, wo ich
hingehöre“, sagt Jörg. an die regeln gewöhnt
er sich schnell. und die klaren Tages-
abläufe, die klaren Strukturen verhelfen
ihm zu etwas, das er draußen nie hingekriegt
hat: zu einem „geregelten Leben“.
vielleicht begann hier bereits seine neue
Zeit, in einer der Zellen der Justizvollzugs-
anstalt Oslebshausen. Denn wäre es einfach
weitergelaufen bei ihm mit dem heroin
und allem, sagt Jörg, wäre er, wie so
viele andere, wohl irgendwann auch an einer
überdosis gestorben. „Der knast hat
mir das Leben gerettet.“ Ohne methadon-
Programm jedoch, da ist er sicher, würde
er es noch heute regelmäßig im Gefängnis
verbringen: ersatzdroge unter ärzt-
licher aufsicht statt heroin und ständige
Geldnot – das erst bricht seinen Teufelskreis.
Zehn Jahre ist das her. Zehn Jahre,
in denen er nicht mehr an der nadel
hängt. und in denen er nicht mehr im
knast war.
Statt in einer Zelle sitzt er heute auf seinem
blauen Sofa im Wohnzimmer und
streicht sich über den grauen Bürstenschnitt.
eine vernünftige Frau habe er
jetzt, das sei viel wert. nur wenn er sich
mit seinen alten kumpels treffe, gehe es
immer noch um dieselben Themen: „Wer
hat wen mal wieder beschissen? und warum?
Wo gibt’s den nächsten Stoff? Solche
Sachen.“ er will endlich weg davon. und
auch vom methadon, seiner ersatzdroge.
vier milliliter davon muss er jeden morgen
nehmen, um überhaupt funktionieren
zu können. „Da würde jeder normale
mensch von sterben. Ich brauch das, um
überhaupt klar zu kommen.“ Demnächst
will er in Bremerhaven eine vollentgif-
tung machen. von seinem Fenster aus
kann er das Fitnessstudio sehen, an dessen
Geräten er fast jeden Tag trainiert. er
hat neue Bekannte, die er dort trifft,
„normalos“, nennt er sie. „Die reden
über ganz andere Sachen. über Gott und
die Welt. “Wenn ihn einer aus seiner
Sportgruppe mit seinen alten kumpels
sieht, ist ihm das peinlich.
Alle präsentierten
den
Schließern
ihren blanken
Hintern
„Die fragen dann: ‚Jörg, was machst du denn
mit denen?‘ und so.“ Jörg weiß das manchmal
selbst nicht so genau. „Das alles ist
vergangenheit“, sagt er. eine andere Zeit.
Jörg Winters neue Zeit beginnt endgültig
vor drei Jahren am Silvestertag. Da ist er
mit seinem jüngeren Bruder unterwegs,
im Park. Sie laufen nebeneinander her, unterhalten
sich, „und dann bin ich einfach
umgekippt“. Sein Bruder merkt erst gar
nicht, dass Jörg nicht mehr neben ihm
läuft, er erzählt einfach weiter. als er sich
schließlich umdreht, liegt Jörg auf dem
Gehweg, bewusstlos. Schlaganfall. „Dann
ging’s sofort los ins krankenhaus“, sagt
Jörg. er hat den Warnschuss verstanden.
macht wieder Fitnesstraining seither. hält
sich gesund. heroin, betont er, sei nichts
mehr für ihn. und knast auch nicht.
ein anderer seiner Brüder ist gerade vor
zehn Tagen wieder rausgekommen. „Die
haben ihre Lektion noch nicht gelernt. Ich
schon“, sagt Jörg. „hat jetzt ja auch lange
genug gedauert.“ mit dem Schlaganfall
ging sein altes Leben zu ende. einfach so.
„hurra, ich lebe noch“, sagt Jörg. es klingt
ein bisschen verhalten. vielleicht, weil er
manchmal das Gefühl hat, dass ihm die
Zeit jetzt davon rennt.
fuchsberg
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gittern
otos: Jaeuk Lee
fuchsberg
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fuchsberg
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fuchsberg
Do, 13.30 Uhr
Am Fuchsberg
Eine Frau gießt die Blumen im
Vorgarten ihres Hauses, als sich das
Küchenfenster öffnet. Die Tochter
schreit hinaus: „Wann essen wir?“
14.00 Uhr
Am Fuchsberg, Eingang der
Justizvollzugsanstalt
Ein junger Beamter verlässt das
Gebäude, winkt seinen Kollegen
noch einmal zu und geht schnellen
Schrittes Richtung Kreuzung. Er
zückt sein Handy, beginnt zu telefonieren:
„Ich habe jetzt Feierabend.“
14.20 Uhr
Am Fuchsberg, Höhe Werkbetrieb
der Justizvollzugsanstalt
Eine Gruppe junger Mädchen fährt
auf Fährrädern die Straße entlang.
Sie schauen auffällig neugierig in
das Werk und beginnen zu tuscheln.
24
portrÄ t
×
Eine kleine
Familie steigt
aus dem
Wagen, beide
Kinder haben
Papier in der
Hand. „Darf
ich Mama das
Bild geben?“,
fragte eines
seinen Vater.
25
wann
kommt
mama
wieder?
Sie sitzt drin, ihre Familie ist draußen.
Ein Besuch bei einer Mutter,
die ihre Töchter nur
drei Stunden pro Monat sieht
Text: Wiebke Plasse
Illustration: Elburuz Fidan
Der raum, maximal 20 Quadratmeter
groß, ist zugestellt mit fünf leeren Tischen.
hinter grünen vorhängen versteckt steht
eine kiste mit Spielsachen. ein kinder telefon
und drei bis vier kuscheltiere liegen
ziemlich lieblos herum. harmonie? Fehlanzeige!
Intimität? keine Chance! maria
[name von der redaktion geändert] aber
verbringt hier ihre schönsten drei Stunden
im monat – im kreise ihrer Familie,
an der Seite von acht anderen Strafgefangenen
und deren Besuchern sowie unter
der Beobachtung von Wachmännern.
es sind Stunden, die sie schon Wochen
im voraus beschäftigen, ihre Gedanken
bestimmen. am Besuchstag selbst kann
sie sich vor lauter vorfreude kaum noch
konzentrieren. Dennoch hat sie zu funktionieren,
wenn um 5.30 uhr der Wecker
klingelt. von morgens um sieben bis nachmittags
um vier arbeitet sie im Werk wie
jeden anderen Tag auch, schaut dabei
aber im minutentakt auf die uhr: endlich
fuchsberg
14.35 Uhr
Am Fuchsberg, Parkplatz der
Justizvollzugsanstalt
Die etwa zehn Parkplätze für Besucher
füllen sich langsam. Der Unterschied
zwischen den Automodellen
könnte nicht größer sein: alte,
schrottreife Kleinwagen stehen
neben aufgemotzten Mercedes.
×
14.45 Uhr
Am Fuchsberg, Pforte der
Justizvollzugsanstalt
Eine kleine Familie steigt aus dem
Wagen, beide Kinder haben Papier in
der Hand. „Darf ich Mama das Bild
geben?“, fragte eines seinen Vater.
WaNN
koMMt M a M a
W ieD er?
26
p ortrÄ t
27
etwas, auf das sie sich richtig freuen kann.
nach Feierabend schließlich ist es so weit:
Die BeamtInnen holen sie ab, gehen mit
ihr in den männertrakt, wo der Besuchsraum
ist. endlich: Die Tür geht auf. Der
moment, dem maria seit Wochen entgegenfiebert.
alle drei sind schon da, warten
an einem der kahlen Tische auf sie:
ihre beiden Töchter, vier und neun Jahre
alt, und ihr mann. marias Familie.
Die 33-Jährige sitzt in der Justizvollzugsanstalt
Bremen (Jva) eine zweieinhalbjährige
haftstrafe wegen Dutzender Diebstähle
ab. Zweimal im monat dürfen ihre
Töchter sie hier besuchen, jeweils für 90
minuten. Dazwischen liegen meist zwei,
manchmal auch drei Wochen. Zeit, in der
sie sich immerzu fragt, wie es ihren kindern
geht. Tage, an denen sie bereut, was
sie getan hat. und Stunden, in denen sie
sich dafür hasst, sich so viele Chancen im
Leben verbaut zu haben.
Diebstahl unter
Druck
Denn es ist nicht so, findet maria,
dass ihre richter ihr besonders große
Steine in den Weg legen wollten. Im Gegenteil:
Sie waren bisher sehr verständnisvoll
mit ihr. Sie gaben ihr eine Chance
nach der anderen. nur so kann maria sich
heute erklären, dass sie trotz um die 20
laufender Strafverfahren und einer bereits
verbüßten zweieinhalbjährigen haftstrafe
erneut den offenen Strafvollzug angeboten
bekam – wohl der kinder zuliebe und
weil man dachte, sie würde ihr Familienleben
nicht einfach aufs Spiel setzen.
Doch maria, zweifache mutter, stahl wieder
und wieder. meist ganz banale und unnütze
Dinge. mittlerweile weiß sie, dass
sie krank ist. „kleptomanie – ganz klar“,
ist sie sicher. eine Sucht, die sie ohne
psychologische Behandlung nicht unter
kontrolle kriegen wird. am montag, dem
11. november 2013, verlässt sie zum bis
heute letzten mal ihre Wohnung. mit dabei
hat sie alles, was sie denkt, in den
kommenden Jahren gebrauchen zu können.
vor allem erinnerungsstücke an ihre kinder:
Fotos, selbst gemalte Bilder oder
Briefe. Beim abschied fragten ihre Töchter,
wann mama wiederkäme. Sie nimmt
sie noch einmal fest in den arm. eine
antwort kann sie ihnen nicht geben; sie
hätten es sowieso nicht verstanden.
Maria zählt
die Stunden
bis zum
nächsten
Wiedersehen
Ihre kriminelle Laufbahn startet maria, die
Bremerin, bereits im Teenageralter. Trotz
intakter Familie, sorgender eltern und guter
Schulnoten rutscht sie ins Drogenmilieu
ab: falsche Freunde, Drogen, dann
Diebstähle, Beschaffungskriminalität –
bald ist das ihr alltag. auch ihrem mann
gelingt es nicht, sie daraus zu lösen. hoffnung
bringt zunächst die Geburt ihrer
ersten Tochter. „Dieses hilflose Lebewesen“,
erinnert maria sich, „weckte etwas
in mir, das ich lange nicht gespürt hatte:
verantwortung.“ Sie zieht sich zurück aus
der Szene, will mit mann und kind ein
neues Leben beginnen. Doch wegen ihrer
vorstrafen hat das Jugendamt ein auge auf
die Familie. „Sie überwachten uns“, sagt
maria. „Zur gleichen Zeit ging die kevin-
Geschichte durch die medien. Das verstärkte
den Druck auf uns.“ Polizisten hatten
den Zweijährigen tot im kühlschrank
seines drogenabhängigen Ziehvaters in
Gröpelingen entdeckt. Die Behörden stehen
unter Druck und stellen Familien wie
die von maria und ihrem mann deutlich
stärker unter Beobachtung als zuvor. Für
maria bedeutet das Stress. Früher hätte
sie in einer solchen Situation, „unter vergleichbar
starkem Druck“, wie sie sagt, zu
Drogen gegriffen. Ihrer Tochter zuliebe
jedoch habe maria, um clean zu werden,
mit dem methadon-Programm begonnen.
und dann vermehrt nach einer ersatzbefriedigung
gesucht. Sie findet sie in Diebstählen.
Fast wöchentlich überkommt sie
der Drang, zu stehlen. Sie wird erwischt,
es folgt ihre erste haftstrafe, zweieinhalb
Jahre, von 2006 bis 2009. „Damals war
meine Tochter noch klein, sie verstand
gar nicht, was vor sich ging.“
als maria wieder freikommt, schöpft sie
neuen mut. Sie arbeitet als Spielhallenaufsicht,
betreut ihr kind liebevoll und kapselt
sich von ihrem alten Freundeskreis
ab. Ihr mann verdient als Lkw-Fahrer das
Geld für die Familie. ein Jahr später folgt
ihre zweite Tochter – und mit ihr wieder
Stress und Druck. Wieder klaut maria.
Wieder wird sie erwischt. und wieder
verurteilt. Deshalb sitzt sie heute hier.
„meine Große versteht jetzt, was passiert
ist. nicht umsonst will sie Polizistin werden“,
erzählt maria und schmunzelt dabei
das erste mal an diesem Tag.
„Fit für
Therapie“
Dass sie doch wieder angefangen hat
zu stehlen, als reaktion auf den Stress,
erscheint ihr heute absurd. „Ich habe
auch noch meine letzte Chance vermasselt“,
schimpft sie auf sich selbst. Sie
schämt sich. Wenn sie davon erzählt,
schaut sie auf den Boden oder beginnt,
nervös an ihren klamotten zu fummeln.
„Ich habe mein Problem erkannt“, wirft
sie dann energisch ein. „Daran muss ich
arbeiten.“ Wenn sie rauskommt, will sie
einen Therapeuten finden. Bis es so weit
ist, muss sie sich mit einer vorbereitung
darauf begnügen. „Fit für Therapie“ nennt
sich das Programm der Jva, an dem maria
teilnimmt. 60 minuten pro Woche – „sofern
es nicht, wie so oft, ausfällt“ – spricht
sie mit einer Psychologin. „viel zu wenig“,
findet sie. an allen anderen Tagen muss
sie alleine mit sich klarkommen. Der sogenannte
Wohngruppenvollzug gilt zwar
bundesweit als vorbild und wird auch von
der Leitung der Justizvollzugsanstalt sehr
gepriesen: drei mal bis zu sieben Frauen,
jeweils ein gemeinsamer Flur. Bis zum einschluss
um 18.30 uhr können sie gemeinsam
tun, was sie möchten: kochen, sich
austauschen, voneinander lernen, kraft
schöpfen – so die Theorie. Die inhaftierte
mutter hingegen empfindet das modell
als grausam. Sie fühlt sich nicht sicher und
vor allem nicht stark genug: „18 der 20
inhaftierten Frauen hier sind drogenabhängig.
Ich hingegen versuche, clean zu
bleiben. kann mir mal einer erklären, wie
das funktionieren soll?“ Im april hat sie
ihren ersten rückfall. Sie beschließt, aus
dem methadon-Programm auszusteigen.
Sie will den absprung nun ganz schaffen,
ohne ersatzdrogen und ganz aus eigener
kraft. Doch sie lebt weiterhin Tür an Tür
mit ihren mitgefangenen – und auch mit
deren Sucht: „Der Suchtdruck ist immens“,
sagt sie. Sowohl in der Werkarbeit von
7 bis 16 uhr als auch danach versuche sie
deshalb, so wenig kontakt wie möglich zu
den mithäftlingen aufzubauen. Ihre Zeit
nach Feierabend bis zum Zelleneinschluss
verbringt sie am Telefon: ihre Familie. Sie
fragt dann, wie der Tag war, nach dem mit-
tagessen der kinder oder nach den Schulnoten.
von ihrem eigenen alltag erzählt
sie nichts. um 18.30 uhr bringt ihr mann
und vater ihrer kinder diese ins Bett.
Sie lebt hier
Tür an Tür mit
der Sucht
maria ist optimistisch, dass sie den absprung
dieses mal endgültig schaffen wird:
„Ich weiß, was auf dem Spiel steht. In Zukunft
will ich bei meiner Familie sein, bei
meinen kindern, ihnen beim aufwachsen
und Lernen, Lachen und Spielen zuschauen“,
sagt sie. Die Familie, ihre Schwiegereltern
und eltern stünden ihr dabei zur
Seite. „Ich muss draußen in erster Linie
einen arzt finden, der mir helfen kann“,
betont maria. Doch nicht alle, die über
mögliche haft er leich te run gen für sie befinden,
sehen das genauso optimistisch.
Demnächst steht die entscheidung an, ob
der straffällig gewordenen mutter Freigänge
oder sogar urlaube, also übernachtungen
außerhalb der Jva, genehmigt
werden. marias hoffnung ist groß: „Dann
dürfte ich für einen nachmittag oder sogar
eine nacht zu meiner Familie, mit ihnen
Zeit verbringen, ein eis essen gehen
oder ich könnte sie einfach stundenlang
im arm halten.
fuchsberg
×
Di, 12.46 Uhr
Sonnemannstraße
Eine Frau schiebt einen alten Mann
im Rollstuhl vorbei an einem Schild
mit der Aufschrift „Knastwerk 1“.
12.53 Uhr
Am Fuchsberg, vor dem Haupteingang
der Justizvollzugsanstalt
Ein paar Uniformierte – Justiz,
schwarze Rucksäcke, Wasserflaschen
– gehen an einer Schranke
vorbei. Hinter Blattwerk halb verdeckt
ein Schild: „Anstaltsgelände.
Eltern haften für ihre Kinder“.
Daneben ein weiteres mit der Aufschrift
„Anlieger frei.“
12.54 Uhr
Auf dem Parkplatz steht ein schwarzer
Mazda mit Schweizer Flagge im
Fenster. Eine Katze mit weißen
Pfoten umschleicht ihn und verschwindet
im Gebüsch. Hinter einem Stromverteilerkasten
spiegelt eine Radkappe
einen einzelnen Sonnenstrahl.
28
p rosa
×
Eine Frau
schiebt einen
alten Mann
im Rollstuhl
vorbei an
einem Schild
mit der
Aufschrift
„Knastwerk 1“ .
29
wie
karussell-
figuren
Text: Laura Beck
Illustration: Anna Bauer
Der radius ist klein. Jeden Tag kurz nach dem mittagessen schiebt ihn
miriam eine runde durchs Grüne und dann vorbei an den mauern von
hogwarts, so hat er das große Backsteingebäude im Stillen getauft,
letztes Jahr nach dem Weihnachtsfernsehprogramm. neogotisch,
Spitzbögen, Stacheldraht, manchmal umkreist von möwen, weit weg
vom meer, von außen mehr Zauberschule als Spukschloss. hätte
miriam kinder, würde er das Gebäude für sie mit Geschichten einspinnen,
die gegen das Wetter gehen. mit schrecklichen bei Sonnen-
fuchsberg
13.02 Uhr
Ein UPS-Lastwagen passiert die
Schranke und fährt aufs Gelände.
Es riecht nach Regen. Die Schranke
schließt sich lautlos. Ein Uniformierter
braust auf einem Trekkingrad
hinterher und schließt das Rad an.
13.25 Uhr
Aus dem Mauerwerk wächst bunt
blühend Unkraut, pink und gelb.
Ein Mann mit grellen Turnschuhen
läuft vorbei. Der UPS-Wagen verlässt
das Anstaltsgelände wieder. Auf
der Beifahrerseite fehlt die Tür. Es
fängt an zu nieseln.
Wie
k arussell-
30
p rosa
31
f igureN
schein und schönen bei regen, dann müssten sie sich nicht zu häufig
gruseln; so aber ist er allein mit seinen Gedanken und Fantastereien.
Dafür hat sie keinen Sinn.
Schon länger reden sie nicht mehr viel, schon gar nicht, wenn
sie unterwegs sind, wenn sie mit ihm unterwegs ist, ihn bewegt von a
nach B nach a nach C. ein Dreieck, dem der dritte Schenkel fehlt. erst
biegen sie ein in den schmalen Weg durch den Park, durch das Spalier
aus stummen Skulpturenköpfen, unter den Bäumen her, die durchflittert
sind von Licht oder nieselregen. Danach zurück zum ausgangspunkt
und die Straße hinunter, den Fuchsberg, bis zur Schranke, denn
direkt daneben wohnt elisabeth, mit der miriam immer zur selben
Zeit jeden Tag einen Plausch hält über den Zaun hinweg.
Langweilig wird ihnen das nicht, die beiden haben sich unendlich
viel zu erzählen. er will nicht reden, lieber beobachtet er das
Geschehen an der Schranke, Tag für Tag, das kommen und Gehen, nur
Spuren der Geschichten, die sich drinnen vor ihm verstecken. Gesichter,
Taschen, aufnäher, Wortfetzen, hinein und heraus. „Semipermeable
membran“, denkt er, ein aufgelesener Begriff. einmal hat er im
antiquariat einen krimi gekauft; ein strenger Stempel wies ihn aus als
eigentum der Jva. Die Frage, wie das Buch über die mauern und an
der Schranke vorbei gelangt war, beschäftigte ihn. War es versehentlich
mitgenommen worden von seinem letzten Leser, der das Gebäude
hinter sich ließ, beschwingten Schritts, und es beim auspacken in
seiner Tasche fand? Das Buch enthält nun zwei Geschichten, seine
mittelmäßige krimihandlung und die andere, geheime Geschichte seiner
Flucht und des vergehens, das am anfang stand.
Seine Gedanken eilen ihm voraus, dabei sind sie noch gar
nicht angelangt auf dem zweiten Schenkel des Dreiecks, bei der
Schranke, denn noch geht es zurück durch die Grünanlage. vorbei an
einer Gruppe Tierskulpturen, angeordnet im kreis, ein riesenhafter
Frosch, ein affe, ein hase, ein kleiner Löwe, wie karussellfiguren im
Zoo, immer herum, herum, herum und niemals hinaus. und doch haben
sie es schon weit gebracht, denn sie kommen von hinter der mauer,
von denen da drinnen.
In dem Jahr, in dem er geboren wurde, vor mehr als 70 Jahren,
kamen viele von draußen nach drinnen, aber die waren nur auf
der Durchreise. an sie erinnert eine zerbrochene Steinplatte mit
zwei übereinandergeschobenen Dreiecken darauf, gleichschenkelig.
Wieder Gesichter, Taschen, aufnäher, Wortfetzen, hinein und heraus.
nur ganz anders.
nun biegt miriam in den Fuchsberg ein. auf der täglichen beschilderten
Bewegung von a nach C, die dann folgt, verliest er sich
wie immer genau zweimal; so geht es nicht am „knastwerk“ vorbei
bis zum „anstaltsgelände“, sondern den „knastweg“ entlang zum
„anstandsgelände“, aber das macht nun wirklich kaum einen unterschied.
elisabeth kniet hinter dem Jägerzaun und sammelt Schnecken
aus ihrem Beet. „Den ganzen Salat haben sie mir schon zerfressen“,
sagt sie angewidert und wirft eine handvoll weicher körper in einen
bereitstehenden eimer. „unglaublich, wie schnell die viecher sind.“
miriam bleibt stehen und dreht den rollstuhl so, dass die wenigen
Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die dünne Wolkenschicht
bahnen, ihm das Gesicht wärmen. Irgendwo zwitschert es. er blickt
hinauf in die Stacheldrahtspulen auf der mauer. Dort sitzt tatsächlich
ein Spatz, unter einem Plastikfetzen, der sich im Draht verfangen hat.
Spatzen, die in seiner kindheit immer Sperlinge hießen, sterben aus,
hat er neulich in der Zeitung gelesen. Sie sind „kulturfolger“– noch
so ein Wort – und das bekommt ihnen nicht gut.
eine kleine schwarze katze läuft über den Parkplatz neben
dem anstaltsgelände und verschwindet aus seinem Blickfeld. ein
Schild verkündet „anlieger frei“. nun gut.
eine junge Frau zieht sich ihren Schal vor das Gesicht, schwingt
sich auf ihr motorrad und braust knatternd davon. nach hamburg
oder auch nach Delmenhorst. Gar nicht so weit vielleicht. miriam, erinnert
er sich plötzlich, wollte auch einmal nach hamburg ziehen,
oder vancouver. Warum ausgerechnet nach vancouver, weiß er nicht
mehr. Oder irgendwohin, wo die Sommer länger sind. nun gut. Sie
hat ihn wieder in Bewegung gesetzt. am ende des Weges ist eine kleine
Bodenwelle. „So, jetzt nehmen wir richtig anlauf“, sagt miriam. er
schließt die augen. kurz bevor es anfängt zu regnen, sind sie wieder
zu hause. Jetzt, denkt er, während er aus dem Fenster schaut, gegen
das die regentropfen prasseln, jetzt wäre es Zeit für eine Geschichte,
vor der man sich nicht gruseln muss.
fuchsberg
Mo, 15.47 Uhr
Grünzug West, Rondell Höhe
Stoteler Straße
Vier Männer und eine Frau sitzen auf
zwei Bänken, Bierflaschen in der
Hand, und schnacken. Der Kontaktpolizist
und der Streetworker ziehen
weiter.
15.50 Uhr
Grünzug West, Kreuzung
Schwarzer Weg
Ein Trolley mit loser Tasche obenauf.
Die Besitzerin hockt auf der Parkbank,
Kopf nach vorne geneigt, und
tippt auf ihrem Smartphone.
15.52 Uhr
Grünzug West, Höhe
Wischhusenstraße
Die beiden Männer auf dem Fußweg
haben Alkoholfahnen, in der umgehängten
Tasche klirren Flaschen.
32
protokoll
×
Plausch in der
Trinkerecke:
„Wie siehst du
denn aus?“
– „Mir geht’s
gut.“ Dann
schüttelt ihn
ein Husten.
33
mein
freund ist
tot
Sven Lambrecht verkaufte
Sven Lambrecht verkaufte
die Zeitschrift der Straße, wie ich.
Es ging ihm schlecht, ich nahm ihn
auf bei mir. Es nützte nichts.
Die Geschichte von
einem, den der Mut verließ
Text: Alexander Kowalski
Fotos: Johannes Fiola
Ich habe Sven Lambrecht 2011 kennengelernt,
im „Jakobushaus“ (Obdachlosenunterkunft
der Inneren mission), in dem ich
ein halbes Jahr gewohnt habe. Wieder getroffen
haben wir uns etwas später in
Walle: Beide hatten wir dort eine unterkunft
Wir merkten schnell, dass wir gut miteinander
konnten. unser Fixpunkt war die
Bushaltestelle an der Gustavstraße. Immer
wieder trafen wir uns dort, mittags, nach
unseren arztbesuchen, schnackten und
tranken unsere Bierchen, bis das Level
gut. Im herbst 2012 habe ich dann im
rahmen einer entgiftung eine Wohnung
in huchting gekriegt. Sven hingegen ist,
etwa zur gleichen Zeit, aus seiner WG
geflogen: er hatte so ’ne Phase, wo er nix
auf die reihe gekriegt hat und auf nix
gefunden, jeder in einer WG, nur stimmte, und zogen dann zusammen los. Bock hatte, auch auf das Jobcenter nicht.
drei Straßen auseinander. und beide ver-
Beide süchtig, beide substituiert, beide Das hab ich ihm auch übelgenommen dakauften
wir die Zeitschrift der Straße.
alkis. Streiten konnten wir uns auch ganz mals, dass er sich so hat hängen lassen
da.
fuchsberg
×
16.01 Uhr
Zwei Betonmauern, zwei Bänke und
ein dazugestellter Holztisch –
fertig ist die Trinkerecke. Drei sitzen
schon da, ein weiterer stößt hinzu,
er hat Sangria dabei. „Wie siehst
du denn aus?“ Er meint den mit
dem Feuermal auf der Stirn. „Bist du
schon wieder auf die Glatze gefallen?“
– „Nee, mir geht es gut“, erwidert
der. Dann schüttelt ihn ein Husten.
20.14 Uhr
Grünzug West, Gröpelingen
Ein Mountainbikefahrer braust den
Radweg entlang, schwarze Sonnenbrille,
dicke schwarze Kopfhörer.
„Es gibt Tage, die sollten nie enden“,
brüllt er in voller Lautstärke.
MeiN
freuND ist
tot
34
p rotokoll
35
Was von Sven Lamprecht blieb, ist die Erinnerung — und dieses Bild.
Ein Bild eines Mannes, den nicht einfach eine Kleinigkeit umhaut
Ich hab’s einfach nicht kapiert. Denn das
war doch klar, was das für Folgen haben
würde: Die kürzten ihm die Leistungen,
erst ein bisschen, dann komplet, und
überwiesen also auch keine miete mehr
für ihn. Daraufhin hat ihn sein vermieter
sofort rausgeschmissen – so wurde er obdachlos.
hat sich dann irgendeinen holzverschlag
zurechtgemacht, wo ihn, das
hat er selbst erzählt, jede nacht eine
maus nervte. Töten wollte er sie aber
nicht: er war Tierfreund.
Ich hab mehrfach auf ihn eingeredet.
„komm doch mit mir auf entgiftung, du
hast doch eh keine hütte“, habe ich gesagt:
„Lass uns doch von der ‚heines‘-klinik aus
’ne Wohnung suchen, die haben ’nen guten
Sozialarbeiter.“ Denn man weiß ja bei
so einer entgiftung in der klinik nie, in
was für ’ne Gruppe man da kommt; da ist
es immer besser, wenn man einen guten
kumpel dabei hat. er aber wollte nicht;
war vielleicht auch ein bisschen zu sehr
in Beikonsum etc. verstrickt. Wir haben
uns dann ein bisschen aus den augen verloren.
erstens hab ich jetzt ja in huchting
gewohnt, da bin ich nicht mehr jeden Tag
extra nach Walle zum verkaufen gefahren.
und zweitens war der Winter schweinekalt:
Da hockt man schon deswegen nicht
mehr so lange an der haltestelle zusammen
und trinkt ein Bierchen, bevor man
losmacht mit verkaufen. aber ich habe
mir ein bisschen Sorgen gemacht, denn
ich wusste ja: Der pennt draußen.
Obdachlos und
krank
Zum letzten mal gesehen, dort an
der Bushaltestelle in Walle, habe ich ihn
am 21. Januar 2013. er war ein großer, bäriger
Typ eigentlich. aber da sah er echt
schlimm aus, richtig krank. und nach den
ersten Sätzen, die wir da gewechselt haben,
war mir klar: Das ist was ernstes.
„hast du ’ne schlimme Grippe, Fieber
oder so?“, hab ich gefragt. Schwere Grippe
– das war das, was ich vermutet habe.
„alter, in deinem Zustand, und dann noch
draußen pennen!“, hab ich gesagt und mir
natürlich sofort Sorgen gemacht: Obdachlos,
und so scheißekrank!
Ich selbst hab bloß ’ne einzimmerwohnung
und mir eigentlich fest geschworen,
keinen mehr aufzunehmen, auch nicht
bloß für eine einzige nacht. Denn du
wirst die Leute ja nicht mehr los, das hab
ich mehrfach erlebt. nimmst nicht wieder
’nen kollegen auf, schon gar keinen
Süchtigen, das war meine regel. aber
Sven war eben mehr als nur ein kollege,
das war ein Freund für mich.
Sven — das
war ein
echter Freund
für mich
und so krank wie er da saß, konnte ich
gar nicht anders als zu sagen: „alter, du
kommst heute nacht zu mir, du verreckst
hier draußen doch!“ Zuerst hat er mein
angebot abgelehnt, hat gemeint: „nee,
muss nicht unbedingt, das geht auch so.“
Der hatte schon so seinen Stolz. von sich
aus hätte der nie jemanden gefragt. und
andere hatten ihm das auch schon angeboten,
bei ihnen unterzukommen, habe
ich im nachhinein erfahren. aber erst bei
mir hat er schließlich dann eingewilligt.
er war in einer Praxis in Bremen-nord in
der methadon-Substitution, ich in einer
in der Innenstadt. Deshalb ist er meist
’ne Dreiviertelstunde früher aufgestanden
und losgegangen als ich. Getroffen haben
wir uns dann erst spätnachmittags oder
gar erst abends, wenn er wieder nach
hause kam. Da habe ich dann schon gemerkt,
wie schlecht es ihm eigentlich ging.
mir ist aufgefallen, wie er von Tag zu Tag
weniger geraucht hat, gekifft schon gar
nicht mehr, und sogar weniger getrunken
hat er – und das will was heißen, denn davon
hat er ja eher mehr gebraucht als ich.
auf einmal aber ging das richtig rapide
runter mit ihm. Seine Stimme wurde heiser,
sein husten schlimmer und schlimmer,
das hörte sich übelst an, wie ein
Todkranker. Wenn er hochkam in die
Wohnung – und er kam mit dem aufzug
hoch! – musste er sich erst mal setzen
und konnte ’ne viertelstunde lang nichts
reden, so kaputt war er. Das Wort „Lungenentzündung“
stand schon deutlich im
raum. Ich sag: „Lass dir antibiotika geben!“
„Jaja“, hat er gesagt. De facto war
er ja jeden Tag in einer arztpraxis. aber
er hat nie Bescheid gesagt dort. „alter,
du verreckst mir hier noch“, hab ich
abends zu ihm gesagt. „Lass dich einweisen
in eine klinik.“ „mach ich morgen“,
hat er erwidert – bloß damit er seine ruhe
hatte. er war schon auch ein ziemlich
sturer hund: Wenn er was nicht wollte,
dann wollte er es nicht. Den konnteste
nicht überreden. viele monate später habe
ich von einem kollegen erfahren, dass
sie ihm in seiner Substitutions-Praxis bereits
’ne krankenhauseinweisung gegeben
hatten. Denn die haben natürlich gemerkt
dort, dass es ihm nicht gut ging. mir hat
er von dieser einweisung allerdings nie
auch nur ein Wort gesagt; sonst hätte ich
ihn doch an der hand genommen und da
hingebracht. mir war ja klar, dass er als
hochgradiger alki panische angst vorm
krankenhaus hatte – da kriegt man ja nix!
aber ich hätte ihm natürlich seinen alk
da reingeschmuggelt und das hab ich ihm
auch gesagt.
Ein Bremer
Kältetoter
Sven war schon ein Schlaukopp,
überhaupt nicht auf den kopf gefallen, übrigens
auch ein sehr guter verkäufer der
Zeitschrift der Straße, der konnte die
Leute richtig genial vollquatschen. er war
intelligent, ich hatte tolle Gespräche mit
ihm, und er kannte mich auch. also ihm
war sicher klar, dass ich, wenn er mir gegenüber
von Suizid gesprochen hätte, sicher
auf die Barrikaden gegangen wäre.
und bewusst hätte er sich auch wohl
nicht getötet, da war er nicht der Typ für.
Stattdessen hat er es ganz allgemein gesagt:
„eigentlich hab ich auch keinen Bock
mehr …“ und es einfach laufen lassen, es
drauf ankommen lassen. Zwei Tage später
war er tot.
am fünften Tag, an dem er bei mir wohnte,
musste ich morgens pinkeln, so um
halb sechs, also früher, als selbst er normalerweise
aufgestanden ist. auf dem
Weg zur Toilette musste ich so halb über
sein Lager drübersteigen und da bin ich
trotz halbschlaf schon stutzig geworden.
er lag so ein wenig freigestrampelt da.
aber ich war so im halbschlaf, dass ich
einfach wieder ins Bett bin. und er sah
auch so friedlich aus, friedlich schlafend.
als ich dann ein paar Stunden später aufgewacht
bin, hab ich von all dem erst mal
gar nichts mehr auf’m Schirm gehabt. Ich
seh ihn bloß da liegen, sag: „ej Svenni, deine
Substi, du hast verpennt!“ Dann erst
ist mir aufgefallen, dass er ja genauso da
lag wie schon vor dreieinhalb Stunden.
Ich hab ihn angestupst, seinen Puls gefühlt.
er war eiskalt, das hat mich schon
erschreckt. Ich habe durch meine Sucht
schon ein paar Tote erlebt, auch in meinem
direkten umfeld, und früher sogar
selbst als Sanitäter im krankenhaus gearbeitet.
aber jetzt, bei ihm, bildete ich mir
tatsächlich ein, noch einen ganz leichten
halspuls zu fühlen. hab dann 112 angerufen,
auf Lautsprecher gestellt.
Er hat es
laufen lassen,
es drauf
ankommen
lassen
Ich hatte einfach nicht auf dem Schirm,
dass der vermutlich schon einige Stunden
tot ist; er lag ja ganz genau so da wie vorhin,
in der nacht.
„Ich glaube, ich fühle noch einen ganz
leichten Puls“, ruf ich ins Telefon. „machen
sie herzmassage!“, wiesen mich die
Leute in der notrufzentrale an. „Bin
schon dabei“, erwiderte ich und pumpte
weiter. Die Sanis waren ziemlich schnell
bei uns. und sie merkten schnell: „Ihr
kollege ist wohl schon länger tot.“ Der
Gerichtsmediziner, der kurz darauf vorbeikam,
fand die Lunge voller Flüssigkeit.
„er ist im Schlaf ertrunken“, sagte er, „Im
Laufe der nacht verstorben.“ vermutlich
war Sven bereits tot, als ich am frühen
morgen kurz auf war.
„Wenn Sie ihn nicht bei sich aufgenommen
hätten“, sagte der Polizeibeamte, der
mich vernommen hat, anschließend zu
mir, „wäre er vermutlich schon ein paar
Tage früher gestorben.“ Dann fügte er
hinzu: „und wir hätten ihn vielleicht erst
nach ein paar Wochen gefunden.“ auch
wenn Sven die letzten nächte bei mir im
Warmen war: eigentlich war er ein kältetoter.
ein Bremer kältetoter.
fuchsberg
19.26 Uhr
Fußweg an der Nordseite des
ursprünglichen
Justizvollzugsanstaltsgeländes
Eine neue, kahle Betonmauer ragt
meterhoch in den Himmel. Sie
soll das Herüberwerfen von Gegenständen
ins Gefängnis verhindern.
Videoüberwachung.
19.49 Uhr
Grünzug West, Höhe
Sonnemannstraße
Links und rechts des Wegs Skulpturen
aus der Bildhauerwerkstatt der
Justizvollzugsanstalt: Gefangenenarbeit,
sozusagen.
20.01 Uhr
Sonnemannstraße, Ecke Am
Fuchsberg
Sechs JustizvollzugsmitarbeiterInnen
in schwarzen Uniformen, darunter
eine Frau, laufen vor zur Heerstraße,
hinten kommen weitere aus dem Tor:
Schichtende.
36
trickliste
×
Ein Bronzerelief
zeigt
ein Potpourri
von Gefängnis-
szenen. Auf
einem Bild
greift eine
kleine Hand
nach einer
großen.
37
bleib
stark
Es gibt deutlich schönere Orte zum
Leben als das Gefängnis.
Für den Fall, dass es sich nicht
vermeiden lässt:
20 Tipps, wie man gut durchkommt —
natürlich ohne Gewähr
Text: Andreas Kuhlmann, Mirko Günther, Armin Simon
Illustration: Leonard Rokita
1. Ohne moos nix los — das gilt auch hinter Gittern: Die wichtigsten
ersatzwährungen sind Drogen, Pillen, Tabak, kaffee, Briefmarken.
Wie man da rankommt? reinschmuggeln (etwa in körperöffnungen)
oder reinschmuggeln lassen, Pillen verschreiben lassen
(am besten schon draußen), Tabak mitbringen, Briefmarken schicken
lassen, Geld überweisen lassen oder erarbeiten. mit Letzterem
kannst du einkaufen im Gefängniskiosk — zumindest die
legalen Dinge.
fuchsberg
20.02 Uhr
Am Fuchsberg, Parkplatz der
Justizvollzugsanstalt
Eine Mitarbeiterin schiebt einen
silbernen Roller neben sich her, wie
ihn Kinder oft benutzen. Sie winkt
ihren Kollegen und düst los. Über der
Schulter trägt sie eine der Taschen,
die im Gefängnis hergestellt werden.
×
20.04 Uhr
Sonnemannstraße,
Ecke Am Fuchsberg
Ein Bronzerelief vor roter Backsteinwand
zeigt ein Potpourri von Gefängnisszenen.
Auf einem Bild greift
eine kleine Hand nach einer großen.
B leiB
stark
38
trickliste
39
2. mit Job ist immer besser als ohne. Schon alleine deshalb, weil so
die Tage hinter Gittern schneller und abwechslungsreicher rumgehen.
außerdem gibt’s fürs arbeiten zumindest ein bisschen Geld.
Der beste Job ist der des hausarbeiters — vorausgesetzt, du hast
mit Putzen kein Problem. Im sogenannten Werkhof der Justiz vollzugs
an stalt verdienst du zwar mehr. als hausarbeiter aber ist deine
Zelle den ganzen Tag auf. Du kommst überall rum, kriegst alles
als erster mit; bist schließlich unter anderem auch ansprechpartner
für die Beamten. Beim essenverteilen hast du kontakt zur küche
— das ist von vorteil, denn da kannst du schon mal was regeln:
mehr von dem hier, mehr von dem da. Das macht dich bei
vielen beliebt und ermöglicht unter umständen den einen oder anderen
kleinen Deal. aber: Der hausarbeiterjob ist garantiert nichts
für Dullys (Weichlinge); da kriegste nämlich bloß mit allen ärger.
3. Iss dich vor haftantritt nochmal richtig satt an Obst und anderem
Frischzeugs — oder nimm dir gleich vor zu fasten. Im knast gibt’s
häufig „Dampfkost“, das heißt vor allem: viele kohlenhydrate. Die
sollen satt und zufrieden machen …
4. Lass dir Päckchen schicken! Dreimal im Jahr ist das erlaubt.
5. reise, wenn du es dir aussuchen kannst, montags bis donnerstags
an! Freitags, vor allem nachmittags, ist weniger Personal da, entsprechend
länger dauert die aufnahmeprozedur. auch das essen
aus der Gefängnisküche, sagen kenner, sei freitags schlechter als
an anderen Tagen.
6. verzichte auf deinen nachtisch — den kannst du gut eintauschen
gegen Putzdienste und ähnliches! ausnahme: Du bist ein großer
Quarkfan. Dann ist Putzen die bessere Wahl …
7. Stell dich gut mit Fernsehbesitzern — vor allem, wenn Wm ist!
Sonst verpasst du jedes Tor.
8. Im knast ist deine Freiheit eingeschränkt, das bedeutet auch: Du
musst so ziemlich alles schriftlich beantragen. Fülle alles doppelt
aus, heb die Duplikate auf! Denn es wäre nicht das erste mal, dass
ein antrag irgendwo verschütt geht.
9. Lauf dem Sozialarbeiter hinterher! von alleine kommt der nicht zu
dir. Du brauchst ihn aber, wenn du hafterleichterungen, Therapien,
vorzeitige entlassung und ähnliches organisieren und anleiern willst.
10. kleiner knast kann besser sein als großer. In Bremen hieße das: lieber
Bremerhaven als Oslebshausen. Ist halt familiärer in der Seestadt.
Soll aber auch Leute geben, die Oslebs bevorzugen. und
aussuchen kann man sich’s eh nicht wirklich: entscheidend sind
höhe der Strafe, alter, Geschlecht und großräumig gesehen auch
der Wohnort.
11. halte deine Freigangzeiten ein! Wenn du schon das Glück hast, nur
die nacht im knast verbringen zu müssen, dann komm abends
rechtzeitig und nüchtern zurück. Sonst ist dein nächster Wochenendausgang
schneller futsch, als dir lieb ist, und am ende landest
du noch im Festbau.
12. Besorg dir einen guten „Spannmann“, auch „Spanni“ genannt: einen
kumpel, auf den du dich wirklich verlassen kannst und der
dich im Zweifel nicht verarscht. Denn alleine hast du vor allem im
knast schlechte karten. Gut ist, wenn du jemanden schon kennst,
besser noch: die richtige Clique. ansonsten musst du dich halt irgendwie
beliebt machen.
13. Bleib stark! Für ein gutes Standing bei den mitinsassen sorgen die
richtigen Waren (siehe Punkt 1). ansonsten gilt: Wer die dicksten
arme hat, hat am meisten zu sagen.
14. Jeden zweiten Sonntag (häufiger geht leider nicht) ab zum Pfaffen!
Ob und woran du glaubst, ist eher zweitrangig — hauptsache, du
kommst einmal mehr aus deiner Zelle raus.
15. Besorg dir eine adresse draußen, die du belegen kannst! Ohne
einen solchen nachweis nämlich wirst du kein Freigänger.
16. reden ist Silber, Schweigen ist Gold — vor allem, was alle nicht
offiziellen angelegenheiten angeht.
17. am besten beteiligst du dich gar nicht erst an irgendwelchen Deals.
keinesfalls jedoch solltest du dich erwischen lassen!
18. Begleiche deine Schulden stets sofort! alles andere gibt ziemlich
schnell ärger. und im knast kannst du nicht weglaufen.
19. Wenn du ärger mit mitgefangenen hast, gieß nicht noch Öl ins
Feuer — egal, ob du nun im recht bist oder die anderen. Denn das
könnte in jedem Fall schnell noch mehr ärger geben.
20. Führe dich gut! Das erhöht deine Chance, dass du schon nach zwei
Dritteln deiner Strafe entlassen wirst.
fuchsberg
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k urZ portrÄ t
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Andreas Kuhlmann,
Verkäufer seit Januar 2014
Bernhard Richter („Bugs“),
Verkäufer seit Februar 2 011
Protokoll: Armin Simon
Foto: Jaeuk Lee
Ich bin zur Zeitschrift der Straße gekommen übers Sitzungmachen
(Schnorren), dabei habe ich mich zu sehr geschämt. Dann habe ich
Leute gesehen, die die Zeitschrift verkaufen und mir gedacht: Das
probierste auch mal. hat mir gleich viel Spaß gemacht. aktuell stehe
ich häufig vorm „edeka“ am Dobben oder auch vor der Stadtbibliothek
am Wall, vor allem samstags auch im Schnoor.
Durch das verkaufen komme ich viel in kontakt mit menschen, hab
immer wieder interessante Gespräche – davon erzähle ich regelmäßig
im Blog auf zeitschrift-der-strasse.de. und so bin ich im übrigen
auch auf die Idee gekommen, das verkaufen mit meinem bisherigen
Tun und Dasein, der Schauspielerei, zu verbinden. mich fasziniert die
Figur des „heini holtenbeen“, dieses Bremer Originals, anerkannten
Schlitzohrs und Stadtstreichers. Den werde ich demnächst wieder
zum Leben erwecken – als verkäufer der Zeitschrift der Straße. Ich
war in den vergangenen Jahrzehnten schon oft an dem Punkt, dass
ich mir was aufgebaut habe und es so aussah, als könnte ich mein
Leben endlich einmal längerfristig vernünftig gestalten. Die Frage ist,
ob das diesmal auch klappt – jedes verkaufte heft ist da eine hilfe.
Protokoll: Armin Simon
Foto: Jakob Weber
Ich stehe seit mehr als drei Jahren vorm Jan-reiners-einkaufszentrum
in Findorff, bei konzerten vor der „Glocke“. meine kunden – alle altersstufen
– kennen mich alle. Wenn ich nicht da bin, fragen sie nach
mir. Das ehrt mich. Bei vielen gibt es ein herzliches, sehr persönliches
wechselseitiges Interesse. Für mich ist das der hauptgrund, warum
ich nur an meinen beiden Stammplätzen verkaufe: Da muss ich mich
nicht rechtfertigen. Sondern ich kann auf einem vertrauensvollen
Level einsteigen. und die Plätze kann mir auch kein anderer verkäufer
streitig machen.
Für mich ist das ein richtiger Job. Wenn ich manchmal blockiert bin
morgens, dann wird der Druck, endlich loszugehen, spätestens um acht
schon groß. auch wegen dem Geld: Ich hab ja noch meinen hund kumpel
zu versorgen. vor allem bin ich ’ne klönschnack-anlaufstelle. ein
Drittel derer, mit denen ich hier kontakt habe, sind kunden. mit den
anderen zwei Dritteln schnacke ich nur, manchmal geben sie mir etwas
Tip (Spende). Oder Lebensmittel, die bald ablaufen. Oder kleider. alles,
was ich am Leibe trage, und meine gesamte Wohnungseinrichtung habe
ich hier geschenkt gekriegt. Das passiert alles aus Sympathie.
fuchsberg
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Anzeigen
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Die Zeitschrift der Straße
braucht Ihre Unterstützung
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impressum
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vorschau
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r e D a K t I on
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Laura Beck, Sonja Gersonde
Alexander Kowalski, Andreas Kuhlmann
Wiebke Plasse, Timo Robben
Matthias Röhrs
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redaktion@zeitschrift-der-strasse.de
Papier:
Circleoffset White, 100 g / m²
hergestellt von Arjo Wiggens,
vertrieben durch HANSA-PAPIER,
Bremen, ausgezeichnet mit
dem Blauen Umweltengel und
dem EU-Ecolabel
MarK etI ng
& o rganI satI on
Alexandra Carls, Tim Dittmer
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Prof. Dr. Dr. Michael Vogel
mvogel@hs-bremerhaven.de
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Georg Kruppa, Rüdiger Mantei
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Eva Schönberger, Thorsten Sander
Reinhard „Cäsar“ Spöring
Gimmy Wesemann und viele
engagierte VerkäuferInnen
Leitung:
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reetz@inneremission-bremen.de
GESTALTUNG
K onzeP t
& Alper g Cavus estaL tung
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Eunjung Liselotte Kwak Kirsch, Lena Radtke
Lisa Martin Rein, Petersen Philomena Rieger
Christina Rejane Salzmann, WanglerLina Stahnke
Volker Franca Weise Thomas, Kea Waldeck
Marcel Waigand, Meijun Yan
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Brünner
m.bruenner@hfk-bremen.de
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FOTOGRAFIE l.rein@hfk-bremen.de &
ILLUSTRATION
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& Eike I Harder LLustratI on
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Charlotte Jaeuk Lee, Schmid Leonard Rokita
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Alexandra Leitung: Cor
Frederick a.cor@hfk-bremen.de
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f.huettemann@hfk-bremen.de
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CY
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für fünf Jahre, in denen zusammen
entwickelt, gestaltet, diskutiert,
gelacht und mit vereinten Kräften
viel gewonnen wurde —
um gemeinsam zu wachsen.
* HAYLEY A USTIN, MALENA BAHRO, LUDOVIC BALLAND ( AD) , EVA BARAMSKY, JAN B ARNER, NADJA BARTH,
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