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KONGRESSJOURNAL 2015/Samstag-Ausgabe public

Offizielle Kongresszeitung der Steirischen Akademie für AllgemeinmedizinGraz/28. November 2015 An drei Tagen wurden zwei Kongressjournale mit Live-Berichterstattungen, Vorschauen auf Vorträge und Seminare, Interviews und Rückblicke direkt am Kongress verteilt.

Offizielle Kongresszeitung der Steirischen Akademie für AllgemeinmedizinGraz/28. November 2015 An drei Tagen wurden zwei Kongressjournale mit Live-Berichterstattungen, Vorschauen auf Vorträge und Seminare, Interviews und Rückblicke direkt am Kongress verteilt.

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KONGRESS<br />

JOURNAL<br />

Patienten mit uncharakteristischen Schmerzen<br />

Tipps zur Schmerzdiagnose<br />

Oftmals sind Hausärzte im<br />

stressigen Praxisalltag mit uncharakteristischen<br />

Schmerzen<br />

von Patienten konfrontiert. Vor<br />

dem Hintergrund der zeitlichen<br />

und kommunikativen Ressourcenknappheit<br />

bietet Prof.<br />

Dr. Frank H. Mader, Arzt für<br />

Allgemeinmedizin, Nittendorf<br />

in Deutschland, Tipps für eine<br />

praxisgerechte Vorgangsweise.<br />

Charakteristische Schmerzen kennt<br />

jeder Arzt von unzähligen Patientenschilderungen,<br />

aber auch aus eigener<br />

schmerzhafter Betroffenheit. Der<br />

Klassiker unter den charakteristischen<br />

Schmerzen ist der Wundschmerz.<br />

Werden Schmerzen einem bestimmten<br />

Organ oder einer bestimmten<br />

Körperregion zugeordnet, bezeichnet<br />

man sie ebenfalls gerne als charakteristisch.<br />

Beim chronischen Schmerz<br />

ist hingegen der Charakter des Warnsignals<br />

verloren gegangen. Frank<br />

Mader: „Beim uncharakteristischen<br />

Schmerz handelt es sich hingegen<br />

um Fälle, die aus nomenklatorischer<br />

Verlegenheit mit -dynie, -pathie oder<br />

mit -algie enden – also eigentlich um<br />

Keine-Ahnung-Diagnosen.“ Auch die<br />

wissenschaftliche Literatur (PubMed<br />

und Google Scholar) hilft kaum weiter.<br />

Trotz der Spezifizierung „non-specific“<br />

geht es meist um die Bereiche<br />

Rücken oder Bauch.<br />

Die ersten fünf Minuten entscheiden<br />

Wie könnte eine praktikable Lösung<br />

für die Diagnose in der Hausarztpraxis<br />

aussehen? Frank Mader: „Die Berufsausübung<br />

in der Allgemeinmedizin<br />

wird wesentlich vom Zeitfaktor bestimmt.<br />

Zudem hängt der Erfolg des<br />

Beratungsgesprächs laut Kommunikationsexperten<br />

von den ersten fünf<br />

Minuten ab.“ Bewährt hat sich ein<br />

Algorithmus für die ärztliche Ersteinschätzung<br />

eines Beratungsproblems<br />

eines Patienten, der intuitiv im Kopf<br />

des erfahrenen Mediziners abläuft.<br />

Das Beratungsproblem wird bewertet<br />

von „eher leicht“ bis „eher schwer“,<br />

von „eher häufig“ bis „eher selten“,<br />

von eher akut“ bis „eher chronisch“,<br />

von „eher somatisch“ bis „eher psychisch“,<br />

von „sofort überweisen“ bis<br />

„zuwarten“ und von „exakte Diagnose<br />

möglich“ bis „notwendig?“.<br />

Drei Frage-Batterien<br />

In der Praxis haben sich drei Frage-<br />

Batterien bewährt. Zunächst geht es<br />

um die Fragen: Wo, wie lange, wann,<br />

wie, wodurch wird es besser oder<br />

schlechter? Im zweiten Komplex geht<br />

es um die Themen „Angst, Vermutung<br />

und Selbstbehandlung“. Und in<br />

der dritten Frage-Batterie stehen zwei<br />

Fragen im Mittelpunkt: Fühlen Sie<br />

sich krank? Sind Sie krank? Dadurch<br />

soll der Patienten angeregt werden,<br />

über die biopsychosoziale Dimension<br />

seines Sich-krank-Fühlens bzw.<br />

Krankseins nachzudenken. Danach<br />

gilt es festzulegen, welche physikalische,<br />

laborchemische und apparative<br />

Diagnostik zur Eingrenzung oder<br />

Abklärung von uncharakteristischen<br />

Schmerzen notwendig ist. Frank Mader:<br />

„Das Dilemma ist dabei die Entscheidung<br />

zwischen zu wenig oder<br />

zu viel Diagnostik. Der Medizinphilosoph<br />

Wolfang Wieland erklärt dazu,<br />

dass Diagnostik ein unabschließbarer<br />

Prozess ist. Es kommt aber gerade<br />

deswegen darauf an, den Punkt zu<br />

kennen, an dem man diesen Prozess<br />

abbrechen muss.“<br />

Im Praxisalltag bedeutet das, zwischen<br />

diagnostischem Überschuss<br />

und Verweigerung das rechte Maß<br />

zu finden. Tröstlich für den geplagten<br />

Hausarzt, ob er den Ansprüchen<br />

der Patienten beim uncharakteristischen<br />

Schmerz gerecht wird, könnte<br />

die Aussage einer ärztlichen Schlichtungsstelle<br />

sein: „Der Arzt schuldet<br />

dem Patienten nicht in jedem Fall die<br />

objektiv richtige Diagnose, sondern<br />

lediglich eine Untersuchung nach den<br />

Regeln der ärztlichen Heilkunde.“<br />

VORTRAG FÜR ÄRZTE:<br />

Patienten mit uncharakteristischen<br />

Schmerzen<br />

Sa., 28. 11., 16.30 - 16.55 Uhr<br />

8 <strong>KONGRESSJOURNAL</strong>Graz/28. November <strong>2015</strong>

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