Die Neue Hochschule Heft 6/2015
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V., Themenschwerpunkt: Demokratische Hochschule - Hochschule in der Demokratie
Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V., Themenschwerpunkt: Demokratische Hochschule - Hochschule in der Demokratie
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182 NEUMANN-SZYSZKA/TOLG<br />
Diskriminierung an Hoch -<br />
schulen – unvereinbar mit<br />
demokratischen Prinzipien<br />
Prof. Dr. Julia Neumann-<br />
Szyszka<br />
Professorin für New Public<br />
Management<br />
Stv. Gleichstellungsbeauftragte<br />
der HAW Hamburg<br />
Fakultät Wirtschaft &<br />
Soziales<br />
Berliner Tor 5<br />
20099 Hamburg<br />
julia.neumannszyszka@haw-hamburg.de<br />
Prof. Dr. Boris Tolg<br />
Professor für<br />
Informatik/Mathematik<br />
HAW Hamburg<br />
Fakultät Life Sciences<br />
Ulmenliet 20<br />
21033 Hamburg<br />
boris.tolg@haw-hamburg.de<br />
Julia Neumann-Szyszka<br />
Boris Tolg<br />
<strong>Hochschule</strong>n sollen nicht nur fachliche<br />
Bildung vermitteln, sondern auch<br />
Demokratie durch Mitbestimmung im<br />
Rahmen der demokratischen Selbstverwaltung<br />
erlebbar machen. <strong>Die</strong>s wird<br />
meist vor dem Hintergrund von Präsidialverfassung,<br />
Hochschulräten und<br />
eingeschränkten Einflussmöglichkeiten<br />
der Gremien der akademischen Selbstverwaltung<br />
diskutiert. Es ist aber auch<br />
ein durchaus anderer Fokus möglich:<br />
<strong>Hochschule</strong>n sollen Chancengleichheit<br />
vermitteln und Diskriminierungsfreiheit<br />
vorleben. Das Diskriminierungsverbot<br />
ist für die Demokratie schlechthin konstitutiv.<br />
Dass es an <strong>Hochschule</strong>n mitunter<br />
nur eingeschränkt gelebt wird, hat<br />
viel mit gesetzlichen Rahmenbedingungen<br />
und fehlenden Ressourcen zu tun.<br />
<strong>Die</strong> Länder folgen bei Leistungsausweitungen<br />
häufig Vorschlägen des Wissenschaftsrats<br />
(WR). Sie tun das aber meist<br />
nicht, soweit Ressourcen betroffen sind.<br />
Das ist mitursächlich für die Entstehung<br />
von strukturell diskriminierenden<br />
Konstellationen. <strong>Die</strong>se können erhebliche<br />
Auswirkungen auf die Chancengleichheit<br />
von Männern und Frauen im<br />
Wissenschaftssystem haben und führen<br />
auch darüber hinaus zu vielfältigen<br />
strukturellen Benachteiligungen. Wir<br />
analysieren diese mit Fokus auf die Professorenschaft<br />
und zeigen, dass Fachhochschulen<br />
kein diskriminierungsfreier<br />
Raum sind.<br />
Leistungsverdichtung und strukturelle<br />
Benachteiligungen<br />
Seit 1991 bewertet der WR die Lehrverpflichtung<br />
an Fachhochschulen als zu<br />
hoch und fordert die Absenkung des<br />
Deputats auf 16 SWS, um die anwendungsorientierte<br />
Forschung zu stärken,<br />
Weiterbildungsangebote auszubauen<br />
und Internationalisierung voranzutreiben.<br />
Mit der Einführung von Bachelor<br />
und Master, Projekt- und Kompetenzorientierung<br />
sowie einer steigenden<br />
Zahl von Abschlussarbeiten nahmen<br />
administrativer Aufwand und Betreuungsanforderungen<br />
weiter zu. Trotz dieser<br />
Leistungsverdichtung wurden in den<br />
Lehrverpflichtungsverordnungen die<br />
Deputate nicht gesenkt. Für zusätzliche<br />
Anforderungen wurden auch keine<br />
Anrechungskorridore eröffnet. Das<br />
heißt, dass<br />
■<br />
■<br />
betreuungsintensive Leistungen<br />
nicht besonders honoriert werden<br />
und<br />
bei steigender Zahl von erforderlichen<br />
Leistungen die Anrechenbarkeit<br />
der einzelnen Leistung sogar reduziert<br />
wurde.<br />
Das entspricht faktisch einer Deputatserhöhung<br />
und setzt Anreize, für besonders<br />
betreuungsintensive Studierendengruppen<br />
nötige Leistungen nicht zu<br />
erbringen. Es birgt das Risiko, dass z. B.<br />
beruflich qualifizierte ältere Studierende<br />
oder Bildungsausländer in nicht vertretbarem<br />
Maße scheitern. Hohen Handlungsbedarf<br />
zeigen Zahlen zu Studienabbruchquoten<br />
im Bachelorbereich an<br />
deutschen <strong>Hochschule</strong>n. HIS ermittelte<br />
zuletzt eine durchschnittliche Quote<br />
von 41 Prozent bei Bildungsauslän dern. 1<br />
Chancengleichheit für Bildungsausländer<br />
ist offenkundig nicht erreicht.<br />
In 2008 erklärte der WR zusätzlich, dass<br />
neue Lehrkonzepte und studentenzentrierte<br />
Lehrformen umfassende Neubewertungen<br />
des Lehraufwandes erforder-<br />
DNH 6 ❘ <strong>2015</strong>