ZOOM NO Ausgabe 7/8 2015

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DER GROSSE RHEINREPORT TEIL 2 Rheinromantik Der Rhein in Dichtung und Kunst Der Rhein schlängelt sich wie ein roter Faden durch die Historie Deutschlands und der Nachbarländer, er trug Handels- und sogar Kriegsschiffe. Aber er ist bis heute nicht nur eine der verkehrsreichsten und wichtigsten Wasserstraßen der Welt, sondern auch ein bedeutendes Motiv der Literatur- und Kunstgeschichte. VOM SEHNSUCHTS- ZUM VERSPOTTETEN TOURISMUSZIEL Einer der bekanntesten Vertreter der Rheinromantik ist wohl Heinrich Heine: 1824 dichtete Heinrich Heine seine berühmten Verse über die „Loreley“, die den romantischen Mythos vom Rheinzauber verewigten. Von Friedrich Silcher vertont, verbreiteten sich Heines Verse um die ganze Welt. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,daß ich so traurig bin;Ein Mährchen aus alten Zeiten,Das kommt mir nicht aus dem Sinn.“ Rund 100 Jahre später sah Lion Feuchtwanger diesen Rheinzauber jedoch ganz anders, als in seinem Gedicht „Rheinfahrt“ das lyrische Ich spottete: “Als ich den Rhein hinauffuhr, inmitten von Hochzeitspärchen,sangen die zumeist aus Deutschland stammenden Leute,sie seien traurig infolge alter Märchen,und sie wüßten nicht, was das bedeute. Wenn mein Sohn dergleichen Unsinn äußerte,noch dazu singend,würde ich sofort einen Arzt konsultieren.“ Diese zwei Perspektiven markieren die Entwicklung des Rheins vom romantischen Sehnsuchts- zum verspotteten Tourismusziel. Als Erfindung deutscher und britischer Touristen ist der romantische Rhein heute UNESCO-Weltkulturerbe und der „Rheinkitsch“ kurbelt immer noch eine beachtliche Tourismusindustrie an. Neben ihrer touristischen Funktion haben die Rheinromantik und ihr Sujet, aber auch eine besondere Rolle in der deutschen Geschichte gespielt. ENTWICKLUNG DER RHEINROMANTIK Um 1800 entwickelte sich die sogenannte „Rheinromantik“, in der sich Dichter und Künstler dem Rhein und den 4
›› Rhein-Report Baudenkmälern rechts und links seines Flusslaufs zu wanden. Die Rheinromantik wird oftmals als Reaktion der Künstler auf die beginnende Industrialisierung und ihre Folgen angesehen. Als Quelle in den schweizerischen Alpen entspringend, entwickelt sich der Rhein auf dem Weg Richtung Nordsee nicht nur zu einem geografisch und landschaftlich ansehnlichen Gewässer. Der Rhein ist auch gesellschaftlich wichtig, immerhin gibt er einer großen Region ihren Namen und prägt die Mentalität ihrer Millionen Einwohner – man denke z.B. an den „rheinischen Frohsinn“. NEUE WAHRNEHMUNG DER LANDSCHAFT Zu Beginn des 19. Jhdt. wurden Natur und Landschaften neu wahrgenommen. Daraus entwickelte sich das Konzept der „Erhabenen Natur“, die das reine Wilde und nicht mehr das Anmutige in den Vordergrund stellt, wie es Friedrich Schlegel beschreibt. Die Landschaften entlang des Rheins entsprechen genau dieser „Erhabenen Natur“. Die verklärten Landschaften mit ihren mittelalterlichen Burgen, schroffen, nackten Felsen und bewaldeten Hügeln stehen im Mittelpunkt der Rheinromantik. Sie spielen für die Dichter eine wichtige Rolle. INSPIRATIONSQUELLE NAMHAFTER DEUTSCHER DICHTER In Deutschland gilt das Jahr 1802 als Geburtsstunde der Rheinromantik. Damals unternahmen die befreundeten Dichter Clemens Brentano und Achim von Arnim eine Rheinreise, auf der sie unter anderem Volkslieder, Märchen und Sagen sammelten. Auch die berühmte Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ von Brentano und von Arnim entstand während dieser Reise. An die Fahrt erinnerte sich Brentano übrigens ein Jahr später in dem Gedicht „Es setzten zwei Vertraute“, in dem es heißt: „Es setzten zwei Vertraute / Zum Rhein den Wanderstab, / Der braune trug die Laute, / Das Lied der blonde gab.“ Auch die Gebrüder August und Friedrich Schlegel, gehörten mit zu den Ersten, welche die Kulturlandschaft am Rhein mit besonderen Augen sahen. Den bürgerlich Intellektuellen schienen besonders das Mittelrheintal von Bingen bis Bonn mit den Ruinen ehemaliger Ritterburgen und kleinen Fischerdörfern als Inbegriff wilder Natur und großer Heldentaten zu gefallen. 1802 veröffentliche Friedrich Schlegel das Gedicht „Am Rheine“, das programmatisch für die Rheinromantik ist. In diesen Versen weint der Dichter » Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein, Wie ist es dir ergangen? Ich habe oft an dich gedacht Mit Sehnsucht und Verlangen.« So sprach ich, da hört ich im Wasser tief Gar seltsam grämliche Töne, Wie Hüsteln eines alten Manns, Ein Brümmeln und weiches Gestöhne: »Willkommen, mein Junge, das ist mir lieb, Daß du mich nicht vergessen; Seit dreizehn Jahren sah ich dich nicht, Mir ging es schlecht unterdessen.« (Aus Heinrich Heine „Deutschland ein Wintermärchen“) über „Felsen, so die Ritter sich erkoren“ und über die „alten Mauern“, die „traurig aus dem Wasser ragen“: In dieser düsteren, fast mystischen Umgebung lebten früher – der Vergangenheitsbezug ist hier sehr wichtig – „hohe Helden“, die mutig und „voll von Lust nach Ruhme strebten“. Sehr bedeutsam in Schlegels Gedicht ist der Bezug zu Deutschland, das mehrfach als „Vaterland“ bezeichnet wird. Der Rhein erscheint als Symbol für ein vereintes Deutschland, auch das ist ein wesentliches Merkmal der Rheinromantik. DIE RHEINROMANTIK ALS EUROPÄISCHES PHÄ<strong>NO</strong>MEN Der Rhein war aber nicht nur bei deutschen Dichtern und Malern ein beliebtes Motiv, sondern vor allem auch in Italien und England. Ein vielgelesenes und sehr beliebtes Werk der damaligen Zerit, um die Reisen des jungen Schildknappen Harold ist „Childe Harold‘s Pilgrimage“ von dem englischen Dichter Lord Byron. Während sich die ersten beiden Teile auf Südeuropa und Malta beziehen, geht es im dritten Canto (Gesang) unter anderem um Deutschland – und dabei insbesondere um um den Rhein. Byron hat, wie es scheint, in seinen Versen seine eigenen Europa-Reisen verarbeitet. Schon in den ersten Versen, die Byron dem Rhein widmet, wird seine Sicht auf den Fluss deutlich: „Majestätisch“ sei dieser und die Schönheiten, die sich links und rechts an den Ufern fänden, ein „göttliches Werk“. Dazu gehören für den Dichter unter anderem Bäche und Täler, Felsen und Wälder, Weinreben und Berge – aber vor allem, wie auch bei Friedrich Schlegel, die unbewohnten Ruinen von Schlössern und Burgen, die immer wieder aus der Landschaft des Mittelrheins hervorstechen. Mit großen Worten wird der Drachenfels beschrieben – der Ort, an dem der Nibelungensage nach Siegfried den Drachen erschlagen und in seinem Blut gebadet hat. Auch hier begegnet sowohl dem Leser als auch dem Wanderer wieder das viel beschworene Zusammenspiel von natürlichen und künstlichen Schönheiten: Auf dem Felsen thront die Drachenburg, unten schlängelt sich der Rhein zwischen Weinbergen hindurch, und auf den Hügeln und Feldern wachsen blühende Wiesen, Bäume, Getreide und vieles mehr. In Koblenz ließ sich Byron vom Denkmal für den französischen General François Severin Marceau begeistern, einer Pyramide mit Löwenrelief von 1796. Diese bezeichnet 5
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