Januar_2016
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Kulmbachs STARKe Geschichte<br />
Aus Kulmbacher Chroniken – mitgeteilt von Harald Stark –<br />
Bayreuth um 1690. Bei dem Gebäude links im Bild mit den drei dem Betrachten zugewandten Giebeln handelt es sich um das 1753 abgebrannte markgräfliche Schloss. (Kolorierter Kupferstich um 1690)<br />
In den Bierstädter-Ausgaben vom November und Dezember des vergangenen Jahres berichteten<br />
anonyme Kulmbacher Bürger über Ereignisse aus der Stadtgeschichte oder eigene Beob -<br />
ach tungen, die ihnen überliefernswert erschienen. Doch auch Kulmbacher Pfarrer betätigten<br />
sich als Chronisten. Lesen Sie heute, was Johann Christoph Silchmüller (1694-1771), der von<br />
1741 bis 1763 als Superintendent – heute würde man sagen als Dekan – in Kulmbach wirkte,<br />
in das Kirchenbuch K 109 der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Kulmbach notierte.<br />
Heute befindet sich die Quelle im Landeskirchlichen Archiv Nürnberg.<br />
Anmerckungen von einigen sonderlichen Begebenheiten von der Zeit an, da dieses Kirchen -<br />
buch angefangen worden.<br />
Anno 1752 war das fatale Jahr, in welchem es um die Zeit der angehenden Erndte in die<br />
8 Wochen lang fast beständig geregnet und nicht allein sehr viele Feldfrüchte verderbet, sondern<br />
auch durch erschreckliche dreymahlige große Waßergüße, die durch gantz Deütschland<br />
hindurch geschehen, über alle Maßen großen Schaden an Feldern und Wiesen verursachet und<br />
Superintendent Johann Christoph Silchmüller (1694-1771),<br />
Miniaturgemälde aus einer Kulmbacher Pfarrmatrikel (Repro: Harald Stark)<br />
nur alleine in unserm Mayn-Grund viele hundert Fuder Heü durch das Waßer mit hinweg geführet<br />
worden sind.<br />
Anno 1753 ist am 26. Februar, Abends nach 8 Uhr, eine unvermuthete Feüersbrunst in<br />
dem Hochfürstl. Residenz-Schloß zu Bayreuth in Serenissimi selbst eigenem Cabinet ausgebrochen,<br />
wodurch in einer Zeit von wenigen Stunden das schöne kostbare und weitläuffige Schloß<br />
nebst der schönen Schloßkirche bis auf den kleinen Flügel, der gegen die Stadt zu gehet, auf<br />
eine jammerswürdige Weiße in die Asche geleget und ein unschätzbarer Schaden, der in mehrere<br />
Tonnen Goldes hinein laufft, dadurch verursachet worden. Sonderbar war dabey die göttliche<br />
Vorsorge, daß des sehr hefftigen Morgen-Wündes ungeachtet gleichwohl die Stadt Bay -<br />
reuth ist erhalten und kein einziges anderes Gebäude verzehret, auch keine Person bey diesem<br />
erschrecklichen und gefährlichen Brand verunglücket worden, noch um das Leben gekommen<br />
ist.<br />
Anno 1754 – 1755 ist ein so harter und langwieriger Winter gewesen, welcher dem großen<br />
Winter anno 1709 sehr ähnlich war. Nur daß der Schnee in diesem 1754 – 1755ten<br />
Winter weit stärcker gefallen und so tief gelegen, daß bey Menschen Gedencken dergleichen<br />
nicht gesehen.<br />
Anno 1755 hat ein fürchterliches Hagelwetter alles Korn um Weyher, Forstlahm, Leüchau,<br />
Donnersreuth, Culmbach, Schwartzenbach (= Schwarzach), Veitlahm, Wernstein, Dannendorf<br />
(= Danndorf) und so weiter hin dergestalt geschlagen, daß man bey der Superintendur aus 3<br />
Schock Zehend-Korn (1 Schock = 60 Stück, hier Getreidegarben) kaum 3 Mees (1 Kulmba -<br />
cher Mees Korn = 34,81 Liter) ausgedroschen. Manches Feld hat man gar nicht auszehnden<br />
können.<br />
Anno 1755, den 1. Novembris vormittags zwischen 10 und 11 Uhr, ist ein erschreckliches<br />
Erdbeben nicht nur in allen westlichen Reichen und Staaten von Eüropa, sondern auch in<br />
Africa u. America gewesen, welches sich auch biß in die Insul Grönland erstrecket, daß man<br />
kein Exempel in der Historie findet, daß dergleichen Erdbeben einen so großen Theil der Welt<br />
auf einmal und zu gleicher Zeit verspüret, betroffen habe. Die königl. Portugisische Haupt-<br />
Stadt Lissabon hat es mit den meisten See-Städten dieses Reichs besonders hart betroffen, da<br />
in etlichen Minuten diese ganze prächtige Stadt dem größten Theil nach umgestürzet, zu<br />
einem Steinhauffen gemacht und viele 1000 Menschen elendiglich unter den Ruinen begraben<br />
worden.<br />
An eben diesem Tag und eben dieser Stunde ist diese Erd-Erschütterung bey einem stillen<br />
und schönen Wetter auch auf dem hohen Thurm der Vestung Plaßenburg verspühret worden,<br />
welcher auf einmahl so zu wackeln angefangen, daß die Tische gewancket und die zinnernen<br />
Teller, so der Thürmer Grimm auf den Gesimsen in seiner Wohnstube stehen gehabt, in einander<br />
gerollet und geklappert haben.<br />
Diese Erd-Erschütterungen sind von dem 1. 9br. d. a. (= 1. November dieses Jahres) an<br />
biß in das 1756te Jahr und biß zum Ende des Februarii solchen Jahres vielfältig wiederholt<br />
ver spüret worden, doch ohne so großen Schaden. Den 18. Februar 1756 aber ward in<br />
Deütsch land noch der größte Stoß in Frankfurt am Mayn, zu Cöln und zu Aachen verspühret,<br />
dann in ganz Francken, Schwaben, Heßen, Pfaltz, in der Wetterau und in den Niederlanden<br />
und haben besonders in den drei ersten Städten die Häußer, Kirchen und hohen Gebäude viele<br />
Zerrüttungen empfunden, welche die Einwohner in großen Schrecken gesetzet haben, doch in<br />
Aachen am allermeisten, wiewohl – Gott sein Dank! – keine Menschen dabey ums Leben ge -<br />
kommen sind. Alle diese letzten starcken Erschütterungen sind an gedachtem 18. Febr. Vor -<br />
mittag gleich nach 8 Uhr in allen diesen Orten und Gegenden zugleich verspühret worden, und<br />
besonders auch wiederum auf dem hohen Thurm auf der Plaßenburg, bey einem ganz stillen<br />
und lieblichen Wetter.<br />
In der Nacht darauf, zwischen dem 18. und 19. Febr. hatte man dagegen hier in Culm -<br />
bach und durch ganz Deütschland einen ganz entsetzlichen Sturmwind, welcher biß den 19.<br />
Febr. frühe gegen 7 Uhr dauerte und an der Kirche, der Superintendur, der Schule und andern<br />
Gebäuden an den Dächern und Fenstern allhier unbeschreiblichen Schaden verursachete.<br />
In den Jahren 1756 bis 1760 ist der land- und leuthverderbliche Krieg zwischen Engeland<br />
und Franckreich, sodann Preußen und Österreich angegangen und geführt worden, wobey sich<br />
Österreich, Franckreich, das Römische Reich, Rußland und Schweden miteinander wider Preu -<br />
ßen, Engeland und Hannover alliiert haben. Nun hat zwar Gott unser Land in so ferne gnädiglich<br />
verschonet, daß es von keinem Theil feindlich ist tractiret worden, doch haben bald diese,<br />
bald jene Parthey einander in demselben herum gejaget, so daß auch 2 preußische Husaren,<br />
welche von der Gegenparthey biß in hiesige Stadt verfolget anno 1759 auf der Straße vor der<br />
Superintendur miteinander scharmutziret und vor unseren Augen aufeinander, zu unserem<br />
großen Schrecken, geschoßen, ohne jedoch, daß ein Mensch oder Pferdt zu unserer Verwun -<br />
derung auch nur wäre blessiret worden. Hingegen haben die vielen Durchzüge, Campagnen<br />
und Einquartierungen das arme Land sehr mitgenommen.<br />
Anno 1761, am 1. Febr., welches eben der Sonntag Quinquaegesimae war, entstande<br />
unter dem Vormittagsgottesdienst und da ich, der Superintendent Silchmüller auf die Canzel<br />
gehen und predigen wollte, in der langen Gassen allhier in dem Hinterhaus und Stall des<br />
Weißbeckens Meister Höhns eine gefährliche Feuersbrunst, welche den ganzen Vormit tags -<br />
gottesdienst interrumpirte (= unterbrach). Das Feuer ist durch zwei Wagenknecht vom Franck -<br />
further Stand, die mit dem Naßauischen Regiment hier in den Winterquartieren liegen, und<br />
Pferdte in diesem Stall gehabt, die alle 5 erstickt und theils verbrannt sind, auskommen. Gott<br />
sey gelobet, daß nicht mehr als dieses Hinter-Gebäude völlig niedergebrannt, doch sind 4<br />
andere Häußer an den Dächern beschädiget worden, die man hat einreißen müssen um mit<br />
dem Löschen beyzukommen. Es war eben ein Tag der allerstrengsten Kälte, an welchem in<br />
meinem Barometro der Mercurio (=Quecksilber) den höchsten und letzten Grad frühe überstiegen<br />
hatte. Zum Glück war eine fast ungewöhnliche Windstille, sonst würde vor menschlichen<br />
Augen ein großes Unglück entstanden seyn. Gelobet sey Gott, der uns so gnädiglich verschonet<br />
hat. Am 30. Mertz 1708 ist in eben dieser Langen Gaße am Mittag auch eine<br />
Feüersbrunst gewesen, bey welcher aber 10 Häußer und 4 Städel völlig in die Asche geleget<br />
worden sind.<br />
Der Wachturm auf der Plassenburg. In der in den beiden Obergeschossen des Turmes<br />
gelegenen Turmwächterswohnung waren die Erschütterungen des großen Lissaboner<br />
Erdbebens von 1755 noch deutlich zu spüren. (Foto: Harald Stark, 2012)