Mixology - Magazin für Barkultur 1-16
Ein Streifzug durch die feinsten Hamburger Trinkadressen und ein Einblick in traditionelle sowie zeitgenössische italienische Trinksitten. Dazu das große MIXOLOGY TASTE FORUM zu den Themen Eastern Style Vodka, Schwarzbier und Bayerisch Dunkel. Was können die dunklen Brauspezialitäten und der angebliche Underdog aus Osteuropa? Außerdem: Der große Überblick über den aktuellen Stand der Dinge in der Neuen Deutschen Bierszene. Unsere Fachleute geben die wichtigsten Trinkempfehlungen. Cheers!
Ein Streifzug durch die feinsten Hamburger Trinkadressen und ein Einblick in traditionelle sowie zeitgenössische italienische Trinksitten. Dazu das große MIXOLOGY TASTE FORUM zu den Themen Eastern Style Vodka, Schwarzbier und Bayerisch Dunkel. Was können die dunklen Brauspezialitäten und der angebliche Underdog aus Osteuropa?
Außerdem: Der große Überblick über den aktuellen Stand der Dinge in der Neuen Deutschen Bierszene. Unsere Fachleute geben die wichtigsten Trinkempfehlungen. Cheers!
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1/ 20<strong>16</strong> —— 14. Jahrgang<br />
Einzelverkaufspreis: [D] 7,50 € — [A] 8,50 € — [CH] 10,50 sFr
Bars & Menschen<br />
<strong>Mixology</strong> Intern<br />
Die Redaktion und ihre persönlichen GSA-Schätze<br />
.............................................................................. <strong>16</strong><br />
Zehn<br />
Zehn flüssige Underdogs<br />
.............................................................................. 22<br />
Stadtgeschichten<br />
Nachts in Hamburg – Wo sich Herz zum Herzen find’t<br />
.............................................................................. 26<br />
Stars in Bars<br />
Der Wiener Kann Zuo und die Früchte des Fleißes<br />
.............................................................................. 36<br />
Neue Bars<br />
Die Circle Bar von Cihan Anadologlu<br />
.............................................................................. 38<br />
Interview<br />
Johnny Neill – Weniger ist mehr<br />
.............................................................................. 86<br />
Interview<br />
Frauen beim Brauen – Carola Wetzig und Marlies<br />
Bernreuther<br />
........................................................................... 100<br />
trinkwelt 48<br />
Auf einen Apero in Italien.<br />
Warum zwischen Südtirol und Sizilien ein<br />
Paradies <strong>für</strong> den kultivierten Trinker liegt.<br />
Stadtgeschichten 26<br />
Hamburger Nächte. <strong>Barkultur</strong> statt<br />
Brackwasser, Cocktails und<br />
rauschende Geschichten zwischen<br />
Rotlicht und Blausein.<br />
Flüssiges<br />
Mixtur<br />
Neue Produkte aus dem Baruniversum<br />
................................................................................ 8<br />
Meinung<br />
Bartender und ihre Favoriten aus Bella Italia<br />
.............................................................................. 18<br />
Made in GSA<br />
Produkte aus dem heimischen Barkosmos<br />
.............................................................................. 24<br />
Nachtrauschen<br />
Was ist eigentlich Après-Ski?<br />
.............................................................................. 40<br />
Food & Drink<br />
Die Renaissance der Stulle<br />
.............................................................................. 42<br />
Trinkwelt<br />
Flüssiges Italien – von der Spitze bis zum Schaft<br />
.............................................................................. 48<br />
Four of a Kind<br />
Roter Wermut im Redaktionstest<br />
.............................................................................. 55<br />
MIXOLOGY Taste Forum<br />
Verkostungsrunde mit Vodka und Dunkelbier<br />
.............................................................................. 56<br />
markenporträt<br />
Gute Kinderstube – Alles neu bei Monkey 47<br />
.............................................................................. 66<br />
Back to Basics<br />
Das »Fundament« <strong>für</strong> gute Drinks<br />
.............................................................................. 69<br />
titel<br />
Obstbrände – Funkenschlag am Tresen<br />
.............................................................................. 72<br />
56 <strong>Mixology</strong> Taste forum<br />
Klare Sache, schöne Farbe! Eastern-Style-Vodka<br />
und dunkle Biere im großen Test.<br />
Flussiges<br />
Farbenspiel<br />
8
ack to basics 69<br />
Grundlagenforschung zur flüssigen<br />
Identitätsfindung. Die Basis von Harmonie<br />
und Balance im Drink.<br />
BASe<br />
alchemist 80<br />
Bier in Cocktails. Brüchige<br />
Bastionen und das langsame<br />
Aufleben einer neuen alten<br />
Freundschaft.<br />
MODIFier<br />
FILLER<br />
SOLID<br />
Flavouring<br />
Die grundgeschmäcker<br />
Alchemist<br />
Biercocktails – Wucht und Würze<br />
.............................................................................. 80<br />
Whisk(e)y News<br />
Die wichtigsten Neuheiten der Whiskywelt<br />
.............................................................................. 90<br />
Klimeks Kaufbefehl<br />
Es kann so einfach sein<br />
.............................................................................. 92<br />
Biernotizen<br />
Die wichtigsten Hopfenneuheiten<br />
.............................................................................. 94<br />
Bier<br />
Wien – Bier am Belvedere<br />
.............................................................................. 96<br />
Bier<br />
Deutsches Craft Beer: Der Stand der Dinge<br />
........................................................................... 102<br />
Die Flasche in Zahlen<br />
Summa summarum – Amarula Cream<br />
........................................................................... 115<br />
Wirtschaft & Kultur<br />
Business<br />
Die Basics im Hopfengeschäfts<br />
........................................................................... 108<br />
Global Player<br />
Bourbon an der Bar – Willkommen bei Woodford<br />
........................................................................... 111<br />
Essential Culture<br />
Zehn neue Schätze <strong>für</strong> Augen und Ohren<br />
........................................................................... 114<br />
Musik<br />
Ein Jahrhundert Frank Sinatra<br />
........................................................................... 1<strong>16</strong><br />
Homebar<br />
Zapfanlagen <strong>für</strong> Dahoam<br />
........................................................................... 118<br />
102 bier<br />
Was geht beim Craft Beer zwischen Alpen und Meer?<br />
Eine Bestandsaufnahme in der Neuen Deutschen Bierszene.<br />
titel 72<br />
Früchte im Feuer.<br />
Von progressiven Obstbrennern,<br />
unruhigen Geistern und<br />
grandiosen Geisten.<br />
Neues & Notizen<br />
Veranstaltungen & Wettbewerbe<br />
Alle wichtigen Termine der vergangenen und<br />
kommenden Wochen<br />
........................................................................... 120<br />
Impressum<br />
........................................................................... 124<br />
9
Stadtgeschichten<br />
Keiner schläft<br />
in Hamburg …<br />
Text Peter Eichhorn<br />
… schon gar nicht die Löwen der Nacht und<br />
die Katzen des Morgengrauens zwischen Reeperbahn<br />
und Außenalster. Hamburg, Deutschlands Tor<br />
zur Welt, steht schon immer <strong>für</strong> den Blick über den<br />
Tellerrand. Mittlerweile lohnt sich immer mehr<br />
der Blick auch auf die Teller und in die Gläser der<br />
Elbmetropole, die derzeit die kulinarische<br />
Avantgarde des Landes prägt wie kein anderer Ort<br />
zwischen Nordsee und Alpen.<br />
Foto: unsplash.com / Nick Scheerbart
Wer Hamburg länger nicht ansteuerte, sollte erwägen, alsbald »Michel«,<br />
»Elphie« und Kevin einen Besuch abzustatten. Viel hat sich getan in<br />
den letzten Monaten. Der köstlichste Paukenschlag vollzog sich gewiss<br />
inmitten der Baustellen rings um Hafencity und Elbtorquartier, nur<br />
einen Steinwurf von dem markanten Neubau der form- und kostendynamischen<br />
Elbphilharmonie, eben liebevoll »Elphie« genannt – Spitzenkoch<br />
Kevin Fehling zog von Travemünde in die Metropole und<br />
eröffnete sein Restaurant, seinen Tisch am Rande der offenen Küche:<br />
»The Table«. An einem gezackten, tresenähnlichen Tisch dürfen 20<br />
Gäste ihre Plätze einnehmen und die Küchencrew beim Anrichten der<br />
kunstvollen Teller mit ihren köstlichen Zutaten bewundern. Konzentriert<br />
werden die Teller ausgestattet. Präzise Handgriffe am Vorbereitungstisch,<br />
der in diesem Moment etwas von der Akkuratesse einer klinischen<br />
Operation besitzt. Kurz darauf blicken die Gäste auf herrliche<br />
Arrangements. Eine dekonstruierte Tom-Ka-Gai Suppe mit Gänseleber,<br />
Garnele und Mango oder Carabinero mit Erbsencrème, orientalischem<br />
Couscous und Kumquats an Arganöl-Hollandaise.<br />
Nach vielen Monaten<br />
des Wartens bekommt<br />
Jörg Meyers »Löwe« in<br />
diesen Tagen endlich<br />
Zuwachs: Die neue Bar<br />
in der oberen Etage<br />
ist fertig!<br />
The Table<br />
Shanghaiallee 15, 20457 Hamburg<br />
— thetable-hamburg.de<br />
Foto: The Table<br />
Der Tisch als Atelier: The Table<br />
30<br />
Stadtgeschichten — Hamburg
Stars In Bars<br />
Foto: The Sign Lounge<br />
DER ARBEITS-SIEGER<br />
In der The Sign Lounge waren viele Wiener trotz zweier MIXOLOGY BAR<br />
AWARDS in Folge als »Bar des Jahres Österreich« noch nie. Bisher arbeitete<br />
Kan Zuo vor allem an der Qualität seiner Drinks – auch in schlechten Zeiten.<br />
Jetzt erntet er die Lorbeeren und ist plötzlich auch in der City gefragt.<br />
38
<strong>Mixology</strong> Taste Forum<br />
Flussiges<br />
Farbenspiel<br />
Schwarzbier, Dunkelbier<br />
& Eastern Style Vodka<br />
Text Peter Eichhorn<br />
58
Die beschwörende Formel lautet: Klar und rein muss er sein, der<br />
Vodka. Die erfolgreichste Spirituose wird zwar oft belächelt, aber<br />
dennoch sehr reichlich und genussvoll verzehrt. Das MIXOLOGY<br />
TASTE FORUM widmet sich den besten Vodkas aus Russland,<br />
Polen und der Ukraine. Neben der hellen Spirituose gilt es, Biere<br />
zu verkosten: dunkel wie der Abend, schwarz wie die Nacht. Viel<br />
Aroma und schlummerndes Potenzial umweht die untergärigen<br />
Bierstile Schwarzbier und Bayerisch Dunkel.<br />
Schwarz- und<br />
Dunkelbier<br />
Bierenthusiasten widmen sich in diesen Tagen gerne den<br />
Bierstilen der Craft-Beer-Welle, wie India Pale Ale, Imperial<br />
Stout oder Lambic-Sauerbier. Daneben dürfen die klassischen<br />
einheimischen Bierstile aber nicht übersehen werden. Einige<br />
davon starben beinahe aus in den Zeiten der Kostenoptimierung<br />
und Marktbereinigung der letzten 30 Jahre oder sind nur<br />
in einer geringen Vielfalt auf dem Markt verfügbar. So auch<br />
viele dunkle Sorten, etwa das untergärige Schwarzbier oder<br />
das obergärige Altbier. Für die Biertests der vorliegenden Ausgabe<br />
blieb das Mixoloy Taste Forum (MTF) untergärig und<br />
nahm die Bier stile Bayerisch Dunkel und Schwarzbier unter<br />
die Lupe.<br />
Dunkles Zeitalter<br />
Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts müssen wir uns so ziemlich<br />
alle Biere dunkelfarbig vorstellen. Erst die geniale Biererfindung<br />
von Pilsen im Jahre 1842, die mit dem Urquell in<br />
den neuen Pilsener-Stil mündete, brachte das untergärige und<br />
helle Bier, welches den Gaumen und den Markt in deutschen<br />
Landen verändern sollte. Hinzu kam die Industrielle Revolution<br />
zur gleichen Zeit, die nicht nur die wichtigen Neuerungen<br />
der Kühlgeräte und Dampfmaschinen sowie neue Filtrationsmethoden<br />
in den Brauereialltag einführte, sondern auch<br />
das Glas. Waren Gläser bislang lediglich dem wohlhabenden<br />
Adel vorbehalten, der die teuren und mundgeblasenen Gefäße<br />
zahlen konnte, gerieten diese nun auch in den Alltag der<br />
kleinen Leute. Bislang tranken durstige Bürger und Bauern<br />
aus Ton-, Stein- oder Holzkrügen, in denen die Farbe keine<br />
Rolle spielte. Sie kam erst zur Geltung, als Glas zum Massenprodukt<br />
wurde und auch in den Schenken und Tavernen das<br />
Pilsener klar und golden und sehr begehrenswert in den Behältnissen<br />
leuchtete.<br />
In München wurde das Helle ab Ende des 19. Jahrhunderts<br />
zum Stammbier der Einheimischen und löste das Dunkel<br />
zunehmend ab (siehe <strong>Mixology</strong> 5/2015). Durch den Ersten<br />
Weltkrieg verschwand zudem das ursprünglich sehr populäre<br />
Porter aus den Sortimenten: Es galt als unpatriotisch, eine<br />
englischsprachige Bestellung in Deutschland aufzugeben.<br />
Das klassische Porter der Britischen Inseln wurde in der Regel<br />
als Ale – also obergärig – eingebraut. Der Export in den<br />
Ostseeraum, wo der Bierstil sehr populär wurde, sorgte <strong>für</strong><br />
verschiedenste Varianten gemäß der jeweiligen regionalen<br />
Brautradition. Ein »Baltic Porter« kann ober- wie auch untergärig<br />
auftreten. Das deutsche Porter war in der Regel untergärig.<br />
Wer einen Eindruck des ursprünglichen deutschen Porter-Stils<br />
erhalten möchte, sollte das Porter der Privatbrauerei<br />
Illustrationen: studio grau<br />
59
BACK to BAsics<br />
ZURÜCK ZUR BASIS!<br />
Neues Jahr, neues Glück: Unsere Reihe Back To Basics widmet sich 20<strong>16</strong> den<br />
fünf grundgeschmäckern jedes Drinks. Den Anfang macht jedoch ein weitaus abstrakterer<br />
Begriff, ohne den aber die heutige Bar-Sprache in fast keinem Drink auskommt: die Basis.<br />
Doch was macht eine Zutat zur Grundlage eines Cocktails? gabriel Daun mit einem zeitgemäßen<br />
erklärungsversuch.<br />
Text Gabriel Daun<br />
Als Bartender setzen wir uns täglich damit auseinander,<br />
Aromen aufeinander abzustimmen,<br />
indem wir Zutaten in Harmonie und Balance<br />
zueinanderbringen. Dabei bedienen wir uns<br />
allabendlich der gesamten Palette an Zutaten,<br />
die uns da<strong>für</strong> zur Verfügung steht. Zitrussäfte<br />
und Liköre wandern in die Shaker, fortifizierte<br />
Weine und Bitters werden in die Rührgläser<br />
gejiggert, um nur ein paar der prominentesten<br />
Zutaten zu nennen, mit denen wir das Herz<br />
eines jeden Drinks zu umspielen pflegen: seine<br />
Basisspirituose.<br />
Was sagen die Bücher?<br />
Um die Basis eines Drinks soll es hier also in<br />
erster Linie gehen. Zunächst ein Blick ins Wörterbuch:<br />
Die aus dem Lateinischen entlehnte<br />
Vokabel stammt vom Griechischen básis ab,<br />
das so viel wie »Sockel, Grundmauer, Grundlage«<br />
bedeutet oder aber »Gegenstand, worauf<br />
etwas stehen kann«. Im wichtigsten Wortsinne<br />
meint der Begriff im Deutschen »eine Grundlage,<br />
auf der man aufbauen, auf die man sich<br />
stützen kann; [einen] Ausgangspunkt«.<br />
Dass der Basis eines Drinks, d. h. der verwendeten<br />
Primärspirituose, eine besondere<br />
Bedeutung <strong>für</strong> die Identität des Drinks zuerkannt<br />
wird, zeigt sich nicht zuletzt in der<br />
seit 200 Jahren gängigen Praxis einschlägig<br />
bekannter Bücher, die gelisteten Drinks eben<br />
nach diesem System zu kategorisieren. Schon<br />
Jerry Thomas ordnete seine Drinks nach Gin,<br />
Brandy, Whiskey und so fort und wies der<br />
Spirituose damit die Funktion des Ausgangspunktes<br />
eines Cocktails zu. Diese Vorgehensweise<br />
macht schon allein deshalb Sinn, weil die<br />
verwendete Basisspirituose in der Regel der<br />
Hauptbestandteil eines Drinks ist, schließlich<br />
stellt sie zumeist den quantitativ größten Anteil<br />
der Gesamtmenge.<br />
Einer hat sich, wenn es um die Basis eines<br />
Drinks geht, besonders hervorgetan: der Jurist<br />
David A. Embury mit seinem Buch The Fine<br />
Art of Mixing Drinks (1948). Emburys Einteilung<br />
der Zutaten in drei Kategorien ist jedem<br />
gut ausgebildeten Bartender auch heute noch<br />
geläufig. Für ihn entstand jeder Drink aus<br />
der Dreifaltigkeit aus Base, Modifying Agent<br />
und Special Flavoring and Coloring Agents,<br />
mindestens jedoch aus den ersten beiden Kategorien.<br />
Dabei ist seine Vorliebe <strong>für</strong> stark alkoholische<br />
Drinks berühmt-berüchtigt. Ein von<br />
ihm definiertes Merkmal eines Cocktails lautet:<br />
»It must have sufficient alcoholic flavor<br />
to be readily distinguishable from papaya<br />
juice, yet must not assault the palate with<br />
the force of an atomic bomb.«<br />
Ein klares Bekenntnis zur Basis also, auf die er<br />
sein Hauptaugenmerk legt. Dies bekräftigt er<br />
nochmals einige Zeilen später, wenn er schreibt:<br />
»The Base: This is the fundamental and<br />
distinguishing ingredient of the cocktail<br />
and must always comprise more than 50<br />
per cent of the entire volume. Indeed, with<br />
a few rare exceptions it should constitute<br />
from 75 per cent of total volume upward.«<br />
Kennt man sein Buch und damit auch seine<br />
Einstellung zur Herangehensweise an Rezepte,<br />
wundert man sich auch nicht mehr über seine<br />
ungewöhnlich starke Sour-Rezeptur, die nach<br />
acht Teilen Spirituose und lediglich zwei Teilen<br />
Zitrussaft sowie einem Teil Zucker verlangt.<br />
Gustatorische und olfaktorische<br />
Wahrnehmung<br />
Die menschliche Zunge ist in der Lage, fünf<br />
verschiedene Geschmäcker zu erkennen: süß,<br />
sauer, bitter, salzig und umami. Auf diese Geschmacksrichtungen<br />
soll im Laufe der kommenden<br />
Ausgaben in diesem Jahr intensiver<br />
eingegangen werden. In der Wissenschaft wird<br />
diskutiert, ob Fett möglicherweise ein sechster<br />
Geschmack ist, sprich ob auch da<strong>für</strong> entsprechende<br />
Geschmacksrezeptoren auf der Zunge<br />
oder im Mundraum generell existieren. Auch<br />
<strong>für</strong> die Bar ist diese Überlegung interessant<br />
– man denke an Zutaten wie Sahne, Eigelb,<br />
Milch oder Butter. Darüber hinaus werden<br />
71
BASe<br />
MODIFier<br />
FILLER<br />
Flavouring<br />
SOLID<br />
Die grundgeschmäcker<br />
72 Back to Basics — Das gewisse Etwas
Titel<br />
Brenner sind momentan in aller<br />
Munde, und da gehören sie auch<br />
hin. Die Szene wächst und wächst.<br />
Kreativität ist Trumpf. Es gibt die<br />
Zusammenarbeit mit Künstlern,<br />
Gemüse wie Gurken, Möhren oder<br />
Rote Beete. Alles, was bei drei nicht<br />
wieder auf den Bäumen ist und ein<br />
wenig Stärke hat, wird gebrannt.<br />
Bars interessieren sich zunehmend<br />
<strong>für</strong> diese regionalen Produkte. Wir<br />
haben mit einigen progressiven<br />
Vertretern gesprochen.<br />
Text Markus Orschiedt<br />
Der Brenner ist ein bedeutender Grenzpass, und die Brenner in den<br />
GSA-Regionen sind auf der Überholspur. Viele Bartender haben in den<br />
letzten Jahren edle Obstbrände <strong>für</strong> sich entdeckt. Alte Kulturprodukte,<br />
die lange Zeit eher in Restaurants anzutreffen waren, veredeln immer<br />
häufiger Cocktails oder diversifizieren das gängige Aromaspektrum. In<br />
Berlin gibt es mit dem Lost in Grub Street sogar eine Bar, die hauptsächlich<br />
auf Obstbrände setzt und deren Aromendichte Klassiker wie einen<br />
Manhattan substituieren. Brenner selbst wiederum sind Menschen<br />
eines besonderen Schlages. Eine Mixtur aus hoffnungslosen Enthusiasten,<br />
unruhigen Geistern und Spirituosenpiraten auf der Lauer nach<br />
dem ultimativen Geschmack.<br />
Die Geister, die die Brenner riefen<br />
Während lange eher die klassischen Obstsorten wie Apfel, Birne, Pflaume,<br />
Kirschen, Mirabellen oder Quitten gebrannt wurden, halten immer<br />
mehr ausgefallene Kreationen Einzug in die Brennkessel. Oder man<br />
wendet sich anderen Genres wie Gin, Vodka oder Whisky zu. Mal sind<br />
es Brenner mit langer Familientradition, mal Quereinsteiger, die aus<br />
Zufall ihre Leidenschaft entdeckt haben. Die meisten am Markt aktiven<br />
Brenner sind Überzeugungstäter. Ab seits der täglichen Arbeit organisieren<br />
sie den Vertrieb, entwickeln Marketingstrategien, besuchen Bars,<br />
netzwerken, geben Führung en und halten Verkostungen oder Veranstaltungen<br />
ab. Dann gibt es noch die vielen Nebenverdienst- und Privatbrenner.<br />
Die Grenze zwischen Handwerk und Kunst ist fließend. Eine<br />
besondere Spezies sind die – immer rarer werdenden – »Störbrenner«:<br />
Eine vor allem in der Schweiz gängige Praxis eines fahrenden Brenners,<br />
der die Obstbestände von Landwirtschaften »vergeistet«. Leider<br />
eine aussterbende Berufung. Der bestörende Name ist – wie so oft bei<br />
Bränden – medizinisch indiziert, da Landwirte den gebrannten Alkohol<br />
verwendeten, um erkranktem Rindvieh, vor allem solchem mit Verdauungsstörungen,<br />
Linderung zu verschaffen. Im Vordergrund stand<br />
aber die Versorgung des Personals mit Hochprozentigem. Von Januar<br />
bis März zogen die Störbrenner von Hof zu Hof und destillierten die<br />
vorhandene Maische. Zuerst das Kernobst, dann das Steinobst. Da sich<br />
aber die Landwirtschaft mit immer weniger Personal bewältigen lässt,<br />
lohnt das Geschäft kaum noch. Dem verwandt sind die Lohnbrenner,<br />
also Betriebe, die den Obstrohstoff von sogenannten Stoffbesitzern vergeisten.<br />
Hierbei sind allerdings diverse staatliche Auflagen zu beachten<br />
(siehe Seite 78).<br />
74<br />
Sei ausgebrannt und werde Brenner<br />
Hat aber das Brennen eine Seele, einen tieferen spirituellen Sinn? Wie<br />
wird man eigentlich Brenner? <strong>Mixology</strong> ist dieser Frage nachgegangen.<br />
Außerdem wollten wir wissen, wie sich Brenner untereinander austauschen<br />
und ihre Ideen schmieden. Oder ob es bereits neue Projekte gibt.<br />
Illustrationen: studio grau
Der<br />
Baum<br />
brennt!<br />
75
Bier<br />
die<br />
neue deutsc<br />
Bierszene<br />
104<br />
Status Quo Vadis
Die Neue Deutsche Bierszene<br />
erobert endlich auch Deutschland.<br />
Ihre Dynamik ist regional sehr<br />
unter schiedlich. Irgendwo zwischen<br />
Flöckchen und Lawine. Je nachdem,<br />
ob man sich in Metropolen<br />
wie Hamburg und Berlin oder in<br />
rustikal-ländlichen Braugefilden des<br />
bajuwarischen Freistaats befindet.<br />
Aber die hiesige Genuss-Szene<br />
entdeckt begeistert die aromatische<br />
Vielfalt, die in immer größeren<br />
Mengen und in stetig wachsender<br />
Qualität aus den Sudkesseln<br />
kommt.<br />
he<br />
Text Peter Eichhorn & Dirk Hoplitschek<br />
Was ist dieses Craft Beer? Einer der frühen Pioniere des kreativen<br />
Brauens in Deutschland, Fritz Wülfing aus Bonn, braut unter seinem<br />
»Ale-Mania«-Label nicht nur faszinierende Biere, er hat zudem ein kluges<br />
Buch zum Thema verfasst: »Craft Beer selber brauen. Revolution der<br />
Heimbrauer.« Darin präsentiert er eine knappe und doch treffliche Beschreibung:<br />
»Das sind Biere, die neu und anders schmecken und von<br />
unabhängigen Freigeistern gebraut werden. Wenngleich die Kultur des<br />
Craft Beers sich von den USA über die ganze Welt ausbreitet, scheint<br />
eine Erneuerung der deutschen Bierlandschaft nur mühsam möglich zu<br />
sein. Dabei ist sie doch dringend notwendig, denn der deutsche Biertrinker<br />
ist vom üblichen Einheitsgeschmack gelangweilt; die sinkenden<br />
Absatzzahlen sprechen Bände.«<br />
Born in the USA<br />
In dem Land, in dem das sagenumwobene Reinheitsgebot von 15<strong>16</strong> eigenlobend<br />
das bierologische Selbstbewusstsein prägt, fällt es vielen traditionellen<br />
Bierfreunden alles andere als leicht, die Vorreiterrolle der<br />
USA in der modernen Braukultur anzuerkennen. Ende der 1970er-Jahre<br />
sinken in den USA die Preise <strong>für</strong> ein Flugticket, was nun auch der Mittelklasse<br />
ermöglicht, in ferne Länder zu reisen und beispielsweise die<br />
andere Seite des Atlantiks zu erkunden. Immer mehr Amerikaner lernen<br />
auf diese Weise die spannenden Brauspezialitäten in England, Belgien<br />
oder Deutschland kennen und staunen über den Unterschied zu<br />
der faden, blonden Industrieplörre, die ihnen daheim vorgesetzt wird.<br />
Unmut macht sich breit und breiter. Strenge Gesetze – überholte Ergebnisse<br />
aus der Tradition der Prohibitionsjahre – verbieten das Heimbrauen<br />
und limitieren den Markt auf wenige industrielle Brauereien.<br />
Der Kongress verhandelt 1978 intensiv die Verordnung H.R. 1337, die<br />
Präsident Jimmy Carter 1979 unterzeichnet und somit das Verbot des<br />
Heimbrauens aufhebt. Den geschmacklich belanglosen Industriebieren<br />
können endlich geschmacksintensivere Brauspezialitäten entgegengesetzt<br />
werden. Die Craft-Beer-Revolution beginnt: Noch im selben Jahr<br />
erfolgen Dutzende Brauereigründungen in den USA. Heute löschen<br />
weit über 3.000 Brauereien den Bierdurst der Amerikaner.<br />
Es gibt doch Bier auf Hawaii<br />
In der Folge kehrt sich die Geschichte um. Die Europäer fliegen in die<br />
USA und entdecken dort die wachsende Zahl und den abwechslungsreichen<br />
Facettenreichtum der US-Brauer. Zahllose Skandinavier, Italiener<br />
und Briten kehren inspiriert zurück und bringen Ideen mit, die wiederum<br />
zu neuen Kreationen und Brauprojekten führen. India Pale Ale,<br />
Barley Wine und Aromahopfen erobern die Braukessel Europas. Ganz<br />
Europas? Nein. Ein schwarz-rot-goldener Landstrich zwischen Alpen<br />
und Nordsee lässt sich unbeirrt weiter mit bewährten Einheitssorten<br />
abspeisen. Nibelungentreu schwört der Deutsche auf sein Stamm-Pils,<br />
das er zwar bei Blindverkostungen niemals herausschmeckt, das aber im<br />
Getränkemarkt zu einem unschlagbar günstigen Preis im Angebot ist.<br />
Zumal weiterhin eisern an dem völlig unberechtigten Klischee<br />
Illustrationen: studio grau<br />
105