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BIBER Februar Ausgabe 2016

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P.b.b., Verlagspostamt 1070, Vetragsnummer 09Z038106 M<br />

www.dasbiber.at<br />

Magazin<br />

für neue<br />

Österreicher<br />

FEBRUAR<br />

<strong>2016</strong><br />

+ BeSt of Karriere +<br />

WIENS ISLAM-<br />

KINDERGÄRTEN<br />

UNDERCOVER<br />

REPORTAGE<br />

+ MÄNNER VON „UNTEN“ + BESTER BUREK WIENS + GOTT HINTER GITTERN<br />

/ MIT SCHARF / 1


Reinhard Stückler, M-Rind Bauer<br />

„Dass’ ihr gut geht,<br />

ist mir viel wert.“<br />

Uns auch.<br />

Reinhard Stücklers Kühe lieben das Gras auf der Weide,<br />

den Laufstall, die Massagebürste, das klare Wasser und<br />

das gentechnikfreie Futter. Sie fühlen sich richtig wohl.<br />

McDonald’s Österreich unterstützt mit dem M-Rind<br />

Programm 11.500 heimische Bauern wie Reinhard und zahlt<br />

ihnen gerne mehr für ihren aktiven Beitrag zum Tierwohl.<br />

Mehr auf www.mcdonalds.at<br />

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3<br />

minuten<br />

mit<br />

B.VISIBLE<br />

Peter Kalcic aka B.Visible<br />

geistert schon seit einigen<br />

Jahren in der Wiener<br />

Clublandschaft herum. Er ist<br />

ein Mitglied der Crew Buzz<br />

Down San und hat zuletzt<br />

seine EP „Okulus Drift“ auf<br />

einem französischen Label<br />

released.<br />

Von Vanessa Spanbauer<br />

Fotocredit: Victoria Kager / www.lupispuma.com<br />

<strong>BIBER</strong>: Dein erstes Sample war irgendetwas von<br />

Wolfgang Ambros, stimmt das?<br />

B.VISIBLE: Das ist das Erste, an das ich mich<br />

erinnern kann. Das Ergebnis war echt schrecklich.<br />

Aber ich kenne Leute, die arbeiten sogar<br />

mit alten deutschen Schlagern und es klingt<br />

super.<br />

Gibt es Songs, die man nicht remixen kann?<br />

Es gibt keine No-Gos – Musik darf alles! Ich glaube,<br />

mit der heutigen Technik ist alles remixbar.<br />

Wenn man es für sich selber nicht zerstören will,<br />

vielleicht nicht. Jemandem zu sagen, dass man<br />

einen bestimmten Song nicht remixen kann, ist<br />

jedoch sinnlos.<br />

Wann hörst du das Resultat, wenn du Beats für<br />

andere Leute – wie zum Beispiel Crack Ignaz –<br />

machst?<br />

Manchmal schickt man was ab, es passiert zwei<br />

Jahre lang nichts. Dann bekommt man plötzlich<br />

Bescheid, dass es doch jemand geil findet und<br />

weiß nicht, ob man das File noch am Rechner<br />

hat. Bei Crack Ignaz waren es zwei Beats und<br />

die fertigen Tracks hab ich nach ca. 6 Monaten<br />

gehört.<br />

Derzeit tut sich ja z.B. mit der Neuübernahme<br />

der Pratersauna einiges. Was fehlt der Wiener<br />

Clublandschaft?<br />

Privat geh ich ja eher selten fort, aber mir fehlt<br />

ein mittelgroßer Club mit einer guten Anlage.<br />

Die Großen haben super Equipment, aber bei<br />

den Kleinen und Mittleren scheitert es meistens.<br />

Dabei sind intime Locations viel cooler!<br />

Das Red Bull Music Academy Bass Camp, bei<br />

dem du gerade teilgenommen hast, erinnert an<br />

eine ziemlich lässige Klassenfahrt. Was war dein<br />

schrägster Moment bei einem Schulausflug?<br />

Bei einem Ski-Kurs haben wir bei einer Raststation<br />

haltgemacht. Da war ein relativ schrottreifes<br />

Auto und meine Schulkollegen fanden es lustig,<br />

es noch ein wenig schrottreifer zu machen. Ich<br />

hatte mir allerdings gerade einen neuen Comic<br />

gekauft, den ich nicht schmutzig machen wollte.<br />

Deswegen war ich nicht dabei und hatte Glück.<br />

Denn nach der Mautstelle wartete die Polizei…<br />

Wer ist er: B.Visible aka Peter Kalcic<br />

Alter: 29<br />

Geburtsort: Ljubljana<br />

Versucht: die raue samplelastige Klangästhetik von 90s<br />

Hip Hop in einen modernen Kontext zu bringen<br />

Vorsatz für das Jahr: die Live-Umsetzung seiner Tracks<br />

/ 3 MINUTEN / 3


3 3 MINUTEN MIT B.VISIBLE<br />

6 PLACE OF THE MONTH<br />

Sie klettern auf die höchsten Gebäude Wiens<br />

und dokumentieren die Vielseitigkeit unserer<br />

Stadt.<br />

10 IVANAS WELT<br />

Ivana fragt sich: „Wo fängt dieser<br />

ganze sexistische Mist an?“<br />

POLITIKA<br />

12 IM ISLAMISCHEN<br />

KINDERGARTEN:<br />

Eine Undercover-Reportage von Nour Khelifi<br />

und Simon Kravagna aus vierzehn islamischen<br />

Kindergärten.<br />

20 INTERVIEW IN ZAHLEN:<br />

Andreas Khol hat 15 Enkelkinder, liest einmal in<br />

der Woche in der Bibel und betet täglich.<br />

12<br />

UNDERCOVER<br />

Ednan Aslans<br />

Untersuchung<br />

über islamische<br />

Kindergärten<br />

sorgte für<br />

Aufsehen. Biber<br />

ging undercover<br />

in besagte<br />

Kindergärten,<br />

mit dem Ziel<br />

Aslans Thesen<br />

zu unterfüttern.<br />

22 GOTT HINTER GITTERN:<br />

Der islamische Gefängnis-Seelsorger Ramazan<br />

Demir im Interview über Reue, fehlende<br />

Vaterfiguren und den IS<br />

RAMBAZAMBA<br />

30 CVETA SPRICHT KAUM<br />

DEUTSCH, FREDI IST<br />

WASCHECHTER WIENER<br />

Trotzdem waren die beiden Pensionisten 15<br />

Jahre lang ein Paar. Von Missverständnissen<br />

und südländischem Temperament..<br />

IN<br />

33 ARTUR IN LONDON<br />

Seit Redakteur Artur in London lebt, wird ihm<br />

erst klar, was er alles an Wien vermisst.<br />

38 KEINEN MANN VON UNTEN:<br />

Redakteurin Dajana hat keinen Bock auf einen<br />

Mann aus ihrer alten Heimat.<br />

KARRIERE<br />

40 KARRIERE & KOHLE:<br />

Redakteurin Alex über die Vorteile einer Lehre.<br />

42 GROSSES<br />

KARRIERE-SPECIAL:<br />

Was kann man alles nach der Matura machen?<br />

GOTT HINTER GITTERN<br />

Ramazan Demir geht freiwillig<br />

ins Gefängnis. Der islamische<br />

Seelsorger steht muslimischen<br />

Häftlingen in der Justizanstalt<br />

Josefstadt ehrenamtlich<br />

zur Verfügung.<br />

22<br />

4 / MIT SCHARF /


47 CHINA VS ÖSTERREICH:<br />

Sie ist in China aufgewachsen und arbeitet<br />

jetzt in Österreich. Wie findet eine Chinesin die<br />

österreichische Arbeitsmoral?<br />

30<br />

GROSSE LIEBE<br />

Die Pensionisten<br />

Cveta und Fredi<br />

haben sich beim<br />

Tanzen ineinander<br />

verliebt. Dass die<br />

Mazedonierin Cveta<br />

kaum Deutsch<br />

spricht, stört den<br />

waschechten<br />

Wiener nicht.<br />

HALT FEBRUAR<br />

<strong>2016</strong><br />

TECHNIK<br />

49 NEWS<br />

Adam schwelgt in alten Erinnerungen und<br />

wagt einen Blick in die virtuelle Zukunft.<br />

50 DER VR PIONIER:<br />

Er bringt die Zukunft nach Wien: Timon Liebau<br />

schafft mit der Virtual Reality Lounge einen Ort,<br />

an dem Wissenschaft auf Entspannung trifft.<br />

LIFE & STYLE<br />

52 LIFESTYLE-TIPPS:<br />

Über rote Lippen und Elyas<br />

M’Bareks neue Freundin.<br />

54 VOM TABU ZUM TREND:<br />

Vibratoren erobern den weiblichen Modemarkt.<br />

KULINARIK<br />

57 KOCHEN MIT NATALIJA<br />

Natalija kocht serbisch, isst französisch<br />

und datet international.<br />

60 DER GROSSE BUREK TEST:<br />

Wir haben uns für euch auf die Suche<br />

gemacht: Wo gibt es den besten Burek Wiens?<br />

42<br />

UND JETZT?<br />

Großes Karriere-Special für alle,<br />

die nicht wissen, was sie nach<br />

der Schule machen sollen. Über<br />

Auslandssemester, Stipendien<br />

und die Berufsmesse.<br />

Marko Mestrović, bereitgestellt<br />

KULTUR<br />

62 KULTUR MIT SCHARF:<br />

Volkstheater und Jihadismus,<br />

Bücher-Süchtige und Wienerland.<br />

OUT OF OUT<br />

66 LAND GRABBING 2.0:<br />

Immer mehr Araber lassen sich in Bosnien<br />

nieder, darunter auch viele fundamentalistische<br />

Muslime. Was bedeutet dies für das von Krieg<br />

und Armut gezeichnete Land?<br />

69 FAKEBOOK:<br />

Präsidentschaftskandidat Alexander VdB<br />

70 DIE LEIDEN DES JUNGEN TODOR<br />

/ MIT SCHARF / 5


PLACE<br />

OF THE MONTH<br />

DIE 78ER<br />

Von Veronika Lukashevich<br />

Sie erkunden die ungewöhnlichsten<br />

Plätze Wiens und geben ihnen eine<br />

neue Bedeutung. Die 78er, „Institut<br />

für Stadterkundung“, sind die<br />

Urban Explorers unserer<br />

Stadt.<br />

Vier Jahre Entdeckungsreise. Mehrere<br />

tausend geschossene Fotos. Fast 10.000<br />

FB-Likes. Die 78er bestehen aus drei<br />

ehemaligen Studenten in ihren Mittzwanzigern,<br />

die es sich zur Mission gemacht<br />

haben, die düstere Seite Wiens zu enthüllen.<br />

Bei Anbruch der Dunkelheit legen sie<br />

los. Sie erkunden Plätze, die davor unberührt<br />

standen, durchforschen U-Bahn-<br />

Schächte, besteigen Dächer. Dabei<br />

dokumentieren sie ihre Entdeckungen und<br />

teilen die Bilder auf ihrer Facebook- und<br />

Webseite, um den Menschen einen Blick<br />

hinter die Kulissen der Stadt zu gewähren.<br />

„Menschen sollen sehen, dass Wien gar<br />

Die 78er<br />

6 / MIT SCHARF /


nicht so poliert ist, wie man denkt. Wien<br />

ist einfach cool“, so ein Mitinitiator, der<br />

lieber anonym bleiben will.<br />

Die gefährliche Seite Wiens<br />

Der Drang, das Versteckte zu erfahren,<br />

wurde durch ihre Faszination an der<br />

Vielseitigkeit unserer Hauptstadt geweckt.<br />

Doch wie alles andere im Leben hat auch<br />

Urban Exploring seine Schattenseiten. Es<br />

erfordert viel Mut, Höhenangst darf man<br />

nicht haben. „Ich hatte am Anfang ur viel<br />

Angst“, erzählt mir einer von den 78ern.<br />

„Doch die ist dann mit der Zeit vergangen.<br />

Wenn man damit konfrontiert wird,<br />

geht’s auch irgendwann weg“.<br />

„Das Gefühl will man nicht missen.“<br />

Doch was nie erblasst, ist der Kick, den<br />

man dabei bekommt. Bei so vielen außergewöhnlichen<br />

Trips und Entdeckungstouren<br />

macht die Anzahl der Eindrücke gar<br />

nicht Halt. Ein absolutes Highlight haben<br />

sie doch: Der Flakturm im Augarten, mit<br />

seinen Rissen im Innenraum.<br />

/ MIT SCHARF / 7


Niemand möchte im Gefängnis landen. Und wenn doch, dann steigt<br />

der Glaube an Gott ganz stark. Der islamische Seelsorger Ramazan<br />

Demir hat eine wichtige Funktion – die Häftlinge über ihre Religion<br />

zu informieren und religiöse Irrtümer auszuräumen. Dass dies wichtig<br />

ist, zeigen die Charlie-Hebdo-Anschläge. Zwei Attentäter lernten sich<br />

damals hinter Gittern kennen und interpretierten den Koran in einer sehr<br />

radikalen Leseart. Können ausgebildete Imame zukünftige Terroristen<br />

deradikalisieren? Die Antwort auf S. 22.<br />

Islamismus-Alarm auch in den Wiener Kindergärten. Laut einer Studie<br />

betreiben Salafisten und islamische Verbände und Vereine mehr als 150<br />

Kindergärten in Wien. Biber war undercover und im wahrsten Sinn des<br />

Wortes verhüllt vor Ort und fand neben höchst problematischen Ghetto-<br />

Kindergärten bestes Halal-Essen und engagierte Pädagogen. Seite 12.<br />

Das Land Saudi Arabien ist für seine Expansionspolitik bekannt, die<br />

mit dem Salafismus in Verbindung gebracht wird – eine wortwörtliche<br />

Auslegung des Korans mit kaum Interpretationsspielraum. Unsere<br />

bosnische Redakteurin macht sich Sorgen. Die arabischen Gäste kaufen<br />

Grundstücke in Bosnien… in einem Land, das für seinen gemäßigten Islam<br />

bekannt ist. S. 66.<br />

Ein Lover von „unten“ – für Dajana undenkbar. Sie sucht sich lieber einen<br />

Mann in Wien aus und erspart sich damit stundenlange Dolmetschstunden,<br />

Herzschmerz und bürokratische Hürdenläufe. Ab S. 38.<br />

Wenn wir schon bei der weiblichen Lust sind. Delna bricht eine Lenze für<br />

Vibratoren und sieht im breiten Angebot an Sexspielzeugen nicht nur<br />

technischen, sondern vor allem einen emanzipativen Fortschritt. Ab S. 54.<br />

Bleibt uns gewogen und beschenkt eure Liebsten nicht nur am<br />

Valentinstag!<br />

Bussi<br />

Redaktion<br />

Liebe Leser und Innen,<br />

IMPRESSUM<br />

MEDIENINHABER:<br />

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />

Museumsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />

HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />

Simon Kravagna<br />

STV. CHEFREDAKTEUR:<br />

Amar Rajković<br />

CHEFIN VOM DIENST:<br />

Melisa Erkurt<br />

ONLINE:<br />

Alexandra Stanić<br />

KOLUMNIST/INNEN:<br />

Ivana Martinović, Todor Ovtcharov<br />

FOTOCHEF:<br />

Marko Mestrović<br />

REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />

DELNA ANTIA, Sarah Al-Hashimi,<br />

Melisa Aljović, Muhamed Beganović,<br />

Adam Bezeczky, Milena Borovska,<br />

Ayper Cetin, Amélie Chapalain, Maida<br />

Dedagić, Amra Ducić, Ali Cem Deniz,<br />

Nana Egger, Susanne Einzenberger,<br />

Menerva Hammad, Tina Herzl, Markus<br />

Hollo, Mahir Jamal, Lyudmila Gyurova,<br />

Sophie Kirchner, Maria Matthies, Marko<br />

Mestrović, Ivana Martinović, Marie-<br />

Noel Ntwa,Anastasia Osipova, Todor<br />

Ovtcharov, Jelena Pantic, Michele<br />

Pauty, Marian Smetana, Vanessa<br />

Spanbauer, Daniel Spreitzer, Alexandra<br />

Stanić, Teoman Tiftik, Aleksandra Tulej,<br />

Artur Zolkiewicz<br />

ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />

LAYOUT: Dieter Auracher, Viktoria Platzer<br />

LEKTORAT: Christina Gaal<br />

MARKETING: Adam Bezeczky, Jelena<br />

Pantic<br />

BUSINESS DEVELOPMENT:<br />

Andreas Wiesmüller<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Wilfried Wiesinger, Simon Kravagna<br />

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />

Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />

E-1.4, 1070 Wien<br />

Tel: +43/1/ 9577528<br />

redaktion@dasbiber.at<br />

marketing@dasbiber.at<br />

abo@dasbiber.at<br />

INTERNET: www.dasbiber.at<br />

PS: Hvala, tesekkürler, dziękuję und shukran an die unermüdlichen Online-<br />

Blogger! www.dasbiber.at<br />

ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2015:<br />

Druckauflage 69.000 Stück<br />

verbreitete Auflage 68.760 Stück<br />

DRUCK: mediaprint<br />

8 / MIT SCHARF /


MIT SCHARF / 9


In Ivanas WELT berichtet biber-Redakteurin<br />

Ivana Martinović über ihr daily life.<br />

IVANAS WELT<br />

Foto: Igor Minić<br />

EINMAL JUNGFRAU UND<br />

1000 SCHLAMPEN FÜR DEN SOHN!<br />

Als ob die verdammte Tastatur<br />

brennt. Bei einem Thema,<br />

das mich aufwühlt,<br />

wütend macht und mich wahrscheinlich<br />

bis zum Abkratzen immer<br />

wieder in Grübelzwang versetzen<br />

wird. Immer dann, wenn mir durch<br />

medial verbreitete Ereignisse oder<br />

Erlebnisse aus dem persönlichen<br />

Umfeld vor Augen geführt wird, wie<br />

viel Lichtjahre entfernt wir davon<br />

sind uns als Frauen nicht mehr<br />

minderwertiger als Männer fühlen zu<br />

müssen, weil wir Frauen sind. Uns<br />

nicht mehr schämen zu müssen,<br />

unsere Sexualität auszuleben oder<br />

dass Mann unseren freien Willen<br />

respektiert, wenn wir „Nein“ sagen,<br />

weil wir kein verdammtes wandelndes<br />

Loch sind, das er nach Lust und<br />

Laune stopfen kann.<br />

Und nein, jetzt muss keiner nur<br />

an Köln denken und so tun, als<br />

ob durch irgendwelche Primitivlinge<br />

unsere aufgeklärte Gesellschaft<br />

angegriffen wurde und sie<br />

uns armen westlichen Frauen an<br />

die Wäsche wollen. Was ist mit<br />

den Männern unter uns? Habt ihr<br />

nach den Ereignissen in Köln mal<br />

mit Frauen geredet, wie oft sie im<br />

Leben sexuell begrapscht, belästigt<br />

wurden? Du stehst in der U-Bahn<br />

oder an der Rolltreppe und plötzlich<br />

versucht sich einer an dir zu reiben.<br />

In einer vollen Disko spürst du plötzlich,<br />

wie dir einer an die Brust greift.<br />

Schon mal gefragt worden, wie viel<br />

du kostest?<br />

Alles schon erlebt. Und das Traurige<br />

martinovic@dasbiber.at<br />

dabei ist – die meisten Frauen lassen<br />

die Erlebnisse links liegen, weil<br />

wir bei so einer Kategorie Männer<br />

nicht erwarten, dass wir sie durch<br />

ein paar Sprüche in ihrem Weltbild<br />

bekehren. Der lacht dir noch ins<br />

Gesicht, lässt sich eventuell, wenn<br />

überhaupt, ein dummes nicht ernstgemeintes<br />

„Tschuligung“ herauslocken<br />

oder bricht dir die Nase, weil er<br />

a Watschn kassiert hat. Aber durch<br />

so dumme Grapschaktionen wird die<br />

Erfolgsquote vielleicht gar nicht das<br />

Ausschlaggebende sein, sondern<br />

einfach nur die Signalwirkung „Ich<br />

Mann, du Frau! Ich grapsch, du<br />

gusch, Weib!“<br />

Primitiv halt!<br />

WO FÄNGT DIESER<br />

GANZE SEXISTISCHE<br />

MIST AN?<br />

In den Kinderschuhen, den eigenen<br />

vier Wänden, bei Mama und<br />

Papa. Konservativ, eventuell noch<br />

religiös geprägt. Und nein! Nicht<br />

nur im Islam musst du als Mädchen<br />

schweigen, wenn du deine Sexualität<br />

entdeckst. Mit „sramota“ (dt.<br />

Schande) brandmarken sie uns vom<br />

christlichen Schlag auch, wenn Papa<br />

um die Familienehre fürchtet und<br />

du nicht als Schlampe enden willst.<br />

Dabei kannst schon väterliche, verächtliche<br />

Schlampenblicke ernten,<br />

wenn du dir die Nackten in der Bravo<br />

anschaust, versuchst dich heimlich<br />

alleine aufzuklären und er dich<br />

dabei erwischt. Eventuell kommt<br />

dann Mama und warnt dich, dass du<br />

„aufpassen“ sollst und am besten<br />

bis zur Ehe wartest. Alles andere ist<br />

zu gefährlich, weil die Jungs nur das<br />

Eine wollen. Ja eh!<br />

Wie tickt der Sohn? Was für ein<br />

Frauenbild wird ihm eingehämmert?<br />

Auf ihn sind sie stolz, wenn<br />

er sich mit Freundinnen zeigt. Lässt<br />

er sich mit keiner blicken, kriegen<br />

sie Schweißausbrüche, er könnte<br />

schwul sein.<br />

Am liebsten 1000 Schlampen für die<br />

Söhne, eine Jungfrau als Schwiegertochter<br />

und eine Scheißangst, dass<br />

die eigene Tochter für fremde Söhne<br />

unter den 1000 Schlampen ist. Alles<br />

andere nennt man dann elterliche<br />

Verdrängungskunst. Und wir müssen<br />

lügen, um nicht zu enttäuschen,<br />

obwohl auch wir im gewissen Alter<br />

unsere Sexualität entdecken. Man<br />

spricht vor der Familie nur nicht<br />

darüber. Aber es passiert – heimlich,<br />

am Schulklo, im Auto, auf der<br />

Parkbank. Mit dem Beigeschmack,<br />

sich dennoch als Schlampe vor<br />

vorzukommen, nur weil man seinen<br />

Körper fühlt. Und geht etwas schief,<br />

steht man alleine da, schafft es<br />

entweder zu vertuschen oder läuft<br />

Gefahr aufzufliegen, wie eine Aussätzige<br />

behandelt zu werden – was<br />

als Familientragödie enden kann.<br />

Nur der Ehre wegen.<br />

Schafft man es unbefleckt zum Status<br />

der heiligen Ehefrau und Mutter,<br />

dann ist Sex plötzlich sauber genug.<br />

Für den Mann geht’s dann dreckig<br />

weiter und es endet bei Grapschaktionen<br />

fremder Frauen.<br />

10 / MIT SCHARF /


POLITIKA<br />

Räuber und Gendarm.<br />

Foto von Christoph Liebentritt


Für das Cover und die Fotostrecke hat sich<br />

Redakteurin Nour Khelifi voll verschleiert. Im<br />

Alltag tut es das 0815-Kopftuch für sie aber auch.<br />

12 / POLITIKA /


INSIDE ISLAM-<br />

KINDERGARTEN<br />

Ghetto-Einrichtungen und religiöse<br />

Abschottung auf der einen Seite. Strikte<br />

Deutschpflicht, gutes Halal-Essen und<br />

nicht-muslimisches Personal auf der<br />

anderen Seite: Eine Undercover-Reportage<br />

von Nour Khelifi und Simon Kravagna aus<br />

14 islamischen Wiener Kindergärten.<br />

Fotos: Marko Mestrović<br />

Eine kleine Gruppe dunkelhaariger<br />

Buben und Mädchen<br />

lauscht gespannt der jungen<br />

Koranlehrerin. Die Frau mit dem leger<br />

sitzenden blauen Kopftuch rezitiert<br />

auf Arabisch zwei Verse aus der Sure<br />

An-Nas (die Menschen). Noch vor dem<br />

Ende der Verse rufen die Vierjährigen<br />

aufgeregt durcheinander: „Kann Gott<br />

mich vor bösen Menschen schützen?“,<br />

fragt ein Mädchen in bestem Deutsch.<br />

„Was macht ein böser Djinn?“, will<br />

ein Bub im Benetton-Look wissen.<br />

Geduldig erklärt die Koranlehrerin, die<br />

eigentlich Arabistin ist, die religiöse<br />

Bedeutung der Sure: Jeder Gläubige<br />

könne bei Allah um Schutz ansuchen.<br />

GEHEIME MISSION<br />

Inside Islam-Kindergarten. Ich befinde<br />

mich in der Nähe vom Alten Landgut<br />

im zehnten Bezirk, in einem der<br />

sogenannten „Islam-Kindergärten“, die<br />

die Schlagzeilen beherrschen. Offiziell<br />

habe ich mich als Mutter vorgestellt,<br />

die für ihren erfundenen vierjährigen<br />

Sohn Samir einen Kindergartenplatz<br />

finden will. Niemand vermutet, dass<br />

ich eine muslimische biber-Redakteurin<br />

bin, die undercover und, im<br />

wahrsten Sinne des Wortes, verschleiert<br />

recherchiert. Das fällt mir nicht<br />

schwer. Ich trage ohnehin Kopftuch,<br />

habe tunesische Wurzeln und mit dem<br />

Koran kenne ich mich aus.<br />

Mein Auftrag: Islamistische Vorgänge<br />

aufdecken und die Kritik von<br />

Islamwissenschaftler Ednan Aslan mit<br />

einer Reportage unterfüttern. In seiner<br />

alarmierenden Studie warnt Aslan vor<br />

salafistischen Umtrieben. „Die Radikalität<br />

beginnt im Kindergarten“, so der<br />

Wissenschaftler in einem Standard-<br />

Interview.<br />

PLÜSCHAFFE UND ARABISCH<br />

Jetzt sitze ich in einem bunt gestalteten<br />

Kindergarten, Tiere aus farbigem<br />

Karton schmücken die Wände. Die<br />

Spielzeuge sind fein säuberlich in der<br />

Ecke gestapelt, es riecht nach Früchtetee<br />

und ein Plüschaffe baumelt von<br />

einem Ministuhl. Kinder-Camps für<br />

kleine Salafisten habe ich mir anders<br />

vorgestellt. „Ein umfassender Religionsunterricht<br />

ist im Kindergarten<br />

verboten“, erklärt mir die Arabistin<br />

mit syrischen Wurzeln in perfektem<br />

Deutsch. „Dies ist auch gut so. Mehr<br />

als 15 Minuten täglich Prophetenge-<br />

/ POLITIKA / 13


schichten oder Suren würde die Kinder<br />

überfordern“. Es gebe daher eine kindgerechte<br />

Annäherung an den Islam<br />

und die arabische Sprache. Und dies<br />

natürlich nur für jene Kinder, deren<br />

Eltern dies wünschten. Allerdings:<br />

So gut wie alle muslimischen Eltern<br />

wollen es.<br />

SALAFISTISCHE TENDENZEN<br />

Auf der Fahrt in die Redaktion lese ich<br />

wieder die Studie des Islamwissenschaftlers<br />

Ednan Aslan. Dort steht:<br />

„Kinder werden mit einem veralteten<br />

Sündenverständnis eingeschüchtert<br />

und es wird ihnen die Entwicklung zur<br />

Mündigkeit genommen“. Es werden<br />

auch Verbindungen der Kindergartenbetreiber<br />

zur Muslimbruderschaft<br />

hergestellt. Zudem schreibt der Wissenschaftler:<br />

„Selbstständiges Denken<br />

und Handeln wird unter dem Zwang<br />

der religiösen Regeln nicht gefördert,<br />

sondern ist sogar verpönt.“ Ich denke<br />

nach: „War ich im falschen Kindergarten?“<br />

Beim Gespräch in der Redaktion<br />

habe ich den Eindruck, dass mir der<br />

Chefredakteur nicht wirklich glaubt.<br />

Ob ich die Situation beschönige, fragt<br />

er mich. Oder auch: Ob es nicht gut<br />

möglich sei, dass ich als muslimische<br />

Österreicherin die Dinge anders sehe<br />

als er, der katholische Österreicher.<br />

GHETTO-KINDERGARTEN<br />

IM ZEHNTEN BEZIRK<br />

Mein nächstes Ziel ist daher ein<br />

Kindergarten, der konkret unter<br />

Salafisten-Verdacht steht. Angeblich<br />

sei dort vor Jahren ein Handbuch<br />

für Jihadismus aufgelegen. Zudem<br />

besuchte einmal der deutsche Islamist<br />

Pierre Vogel den Kindergarten. Einmal<br />

dort angekommen, werde ich traurig.<br />

Der Kindergarten befindet sich im<br />

Souterrain ohne viel Tageslicht und vor<br />

der Tür braust der Verkehr vorbei. Von<br />

Bäumen oder Grünfläche keine Spur.<br />

Da heitern mich selbst die weißen<br />

Papier-Schneemänner auf den Wänden<br />

nicht auf. So würde ich mir einen<br />

Kindergarten für meinen kleinen Samir<br />

nicht wünschen, auch wenn es ihn ja<br />

gar nicht gibt.<br />

IST SINGEN NICHT HARAM?<br />

Mit meinem Wunsch nach einem<br />

intensiven Islam-Unterricht blitze ich<br />

ab. „Wir dürfen nur ein paar Prophetengeschichten<br />

und Suren erzählen“,<br />

erklärt mir die Betreuerin in passablem<br />

Deutsch. Mir fällt auf: Hier reden<br />

zwar alle Deutsch miteinander. Aber<br />

„Wir dürfen nur ein<br />

paar Prophetengeschichten<br />

und<br />

Suren erzählen.“<br />

offenbar haben sowohl Kinder als<br />

auch Betreuerinnen alle eine andere<br />

Muttersprache. Wie in der Redaktion<br />

besprochen, stelle ich die Radikalen-<br />

Fangfrage: „Ich hoffe, die Kinder<br />

dürfen hier nicht singen.“ (Anmerkung:<br />

Laut salafistischer Auslegung des<br />

Korans ist Musik haram – also verboten).<br />

Die Frau blickt mich ratlos an.<br />

Während sie nach einer Antwort sucht,<br />

fängt hinter mir eine Gruppe Kinder auf<br />

Deutsch zu singen an. Jetzt bin ich auf<br />

einmal die Radikale und verabschiede<br />

mich so schnell wie möglich mit einem<br />

„Asalamu alaikum Schwester“.“<br />

60 MINUTEN ISLAM-EINFÜHRUNG<br />

Nach fünf Kindergarten-Besuchen<br />

ohne radikale Erkenntnisse, beschließt<br />

Chefredakteur Simon Kravagna,<br />

dass es jetzt reicht. Er will mitgehen.<br />

Als mein angeheirateter Schwager.<br />

Sicherheitshalber hat er sich bereits<br />

seit Weihnachten einen Bart wachsen<br />

lassen. Wir denken uns eine Story<br />

aus. Er ist zum Islam konvertiert und<br />

heißt ab sofort Yunus. In 60 Minuten<br />

bekommt er eine Islam-Einführung und<br />

los geht’s in die Kindergärten. Gemeinsam<br />

besuchen wir einen Kindergarten<br />

der Islamischen Föderation, laut Aslan-<br />

Studie die Österreich-Sektion der Milli<br />

Görus-Bewegung. „Salam aleikum<br />

Schwester, dürfen wir uns den Kindergarten<br />

anschauen?“<br />

90 PROZENT TÜRKISCHE KINDER<br />

Dudu*, die uns die Türe öffnet, ist<br />

eine junge Muslimin mit Kopftuch,<br />

gut gekleidet, offensichtlich in Wien<br />

aufgewachsen und spricht perfekt<br />

Deutsch. In ihrem mit Mahagoni-<br />

Holz veredeltem Büro bekommen wir<br />

die wichtigsten Infos, dann werden<br />

wir der zuständigen Kindergärtnerin<br />

vorgestellt. Wir sind überrascht. Sigrid<br />

hat nicht nur kein Kopftuch, sie ist<br />

waschechte Burgenländerin. „Das ist<br />

mein erster Job nach der Ausbildung“,<br />

erzählt uns die blonde Österreicherin,<br />

die jeden Tag mehr als eine Stunde<br />

von Zuhause in den zehnten Bezirk<br />

fährt. Wir wollen wissen, ob es nicht<br />

schwierig ist, in einem rein türkischen<br />

Kindergarten zu arbeiten. „Besser<br />

wäre, wenn auch Kinder mit einer<br />

anderen Herkunft hier wären“, sagt<br />

Sigrid. Richtig glücklich wirkt die junge<br />

Betreuerin auf uns nicht. Über den<br />

Islam kann sie uns gar nichts sagen.<br />

Ab und zu würde jemand kommen, um<br />

mit den Kindern ein kurzes Programm<br />

machen.<br />

Im Hintergrund arbeitet ein männ-<br />

14 / POLITIKA /


Hier wird kein Urlaub gebucht, sondern nach den islamischen Kindergärten Wiens gesucht<br />

Islamische Kindergärten im Überblick<br />

Von A wie Arabisch bis Ö wie Öffnungszeiten: Die wichtigsten Fakten<br />

Deutsche Sprache<br />

Deutsch wird in allen Kindergärten<br />

konsequent als<br />

Umgangssprache genutzt.<br />

Die Kinder sollen auf die<br />

Schulzeit vorbereitet werden.<br />

Wenn eine Nationalität<br />

überwiegt oder die Betreuer<br />

selbst Deutsch nicht als<br />

Muttersprache haben, trägt<br />

das nicht zum Spracherwerb<br />

bei.<br />

Ernährung<br />

Jeder Kindergarten verfügt<br />

über eine hauseigene<br />

Küche und eine Köchin, die<br />

jeden Tag das Essen frisch<br />

und halal zubereitet. Einige<br />

der Kindergärten achten<br />

sogar auf eine Bio, zuckerund<br />

fettarme Ernährung.<br />

Islam<br />

Das umstrittene Islamprogramm<br />

beinhaltet Prophetengeschichten,<br />

Koranverse<br />

und das Feiern der islamischen<br />

Festtage. Je nach<br />

Altersgruppe variiert das<br />

Programm zwischen 15<br />

Minuten und einer Stunde –<br />

pro Tag! Eltern müssen ihre<br />

Zustimmung geben. Die<br />

meisten Eltern tun das.<br />

Arabisch<br />

In einigen Kindergärten<br />

werden arabische Kenntnisse<br />

vermittelt. Andere<br />

wiederum haben nach der<br />

öffentlichen Debatte entweder<br />

das Arabisch- oder das<br />

Islamprogramm aus ihrem<br />

Plan gestrichen.<br />

Kinder<br />

In manchen Einrichtungen<br />

dominiert eine bestimmte<br />

Herkunft der Kinder, in<br />

anderen gibt es einen<br />

bunten Mix – es sind auch<br />

nicht-muslimische Kinder<br />

darunter. Je breiter der Mix,<br />

desto besser scheint die<br />

Atmosphäre.<br />

Personal<br />

Neben dem weiblichen<br />

Personal haben wir auch<br />

männliche Mitarbeiter –<br />

wie etwa Sprachlehrer<br />

- angetroffen. Frauen mit<br />

Kopftuch dominieren. Bei<br />

einigen ist ein Deutsch-<br />

Defizit zu bemerken.<br />

Öffnungszeiten<br />

Alle sind von 7 bis 17 Uhr<br />

geöffnet. Nur an gesetzlichen,<br />

sowie islamischen<br />

Feiertagen ist in der Regel<br />

geschlossen. Die Einrichtungen<br />

haben im Schnitt<br />

3-4 Wochen im Jahr zu,<br />

meistens im Juli oder<br />

August. Es gibt keine Weihnachts-<br />

oder Osterferien.<br />

Daten<br />

Basis dieser Informationen<br />

sind Besuche in 14 Wiener<br />

Kindergärten islamischer<br />

Ausrichtung. Die konkreten<br />

Namen der Kindergärten<br />

wollen wir aus Rücksicht<br />

auf Kinder und Eltern nicht<br />

öffentlich nennen.<br />

/ POLITIKA / 15


Bart und ausgestreckter Finger (Symbol für „Es gibt nur einen Gott“) machen Chefredakteur<br />

Simon Kravagna noch lange nicht zu einem echten Muslim. Er war aber schon ganz gut.<br />

licher Deutschlehrer mit den Kindern.<br />

Es herrscht Disziplin und die Kinder<br />

tun ihr bestes. „Generell darf hier nur<br />

Deutsch gesprochen werden. Das gilt<br />

auch für die Kinder untereinander“,<br />

sagt Sigrid. Wie das in der Praxis<br />

genau funktionieren soll, wenn so gut<br />

wie alle Kinder Türkisch als Muttersprache<br />

haben, bleibt uns allerdings<br />

schleierhaft. Auch hier würden wir<br />

Samir nicht hinschicken. Aber nicht<br />

weil radikale Islamisten in diesem Kindergarten<br />

ihr Unwesen treiben. Samir<br />

würde hier so fremd wirken wie Sigrid.<br />

Und wir würden uns auch Sorgen um<br />

sein Deutsch machen.<br />

KINDERGARTEN DE LUXE<br />

Das Gegenprogramm finden wir in<br />

einem Kindergarten im 14. Bezirk,<br />

gleich hinter der Hütteldorferstrasse.<br />

Es ist wieder ein Kindergarten der<br />

Islamischen Föderation – aber offenbar<br />

in der Luxus-Version. Mit einem Lift<br />

aus Glas geht es in das lichtdurchflutete<br />

Dachgeschoß eines Neubaus. Dort<br />

angekommen empfängt uns Gudrun,<br />

die Leiterin des Kindergartens. Gudrun<br />

ist rund 45 Jahre und ein alter Hase<br />

im Kindergartengeschäft, wie sie auf<br />

der Tour durch die bunten Räumlichkeiten<br />

erzählt. „Ich habe schon überall<br />

gearbeitet, auch in Kindergärten der<br />

Stadt Wien. Aber hier gefällt es mir am<br />

besten.“<br />

In der neuen Bosch-Küche bereitet<br />

die Köchin gerade Manti vor<br />

- türkische handgemachte Pasta mit<br />

Fleischfüllung in Tomatensauce und<br />

Joghurt – alles halal (steht für „rein“<br />

oder „erlaubt“ im Islam). „Ich habe<br />

niemals zuvor so gut in einem Kindergarten<br />

gegessen“, sagt Gudrun.<br />

Offenbar glaubt Gudrun wirklich<br />

was sie sagt. Sonst wäre wohl nicht<br />

ihre eigene Nichte in der Mäusegruppe<br />

des Kindergartens. Die unter drei<br />

Jährigen werden von zwei blonden<br />

Pädagoginnen betreut, die auch<br />

bestens in jeden Kärntner Kindergarten<br />

passen würden. Eine davon hat<br />

zudem ein Piercing. Neben dem nicht<br />

muslimischen Personal gibt es auch<br />

zwei Betreuerinnen mit Kopftuch. Wir<br />

fragen Gudrun: „Und wie halten Sie<br />

es mit der Religion?“ Für die muslimischen<br />

Kinder gebe es ein Islam-<br />

Programm, erzählt Gudrun. Da es aber<br />

viele nicht-muslimische Kinder gebe,<br />

werden auch die christlichen Feste<br />

thematisiert. „Zum Nikolo bekommt<br />

jedes Kind, dessen Eltern das wollen,<br />

einen Schoko-Nikolo.“ Wollen das<br />

die muslimischen Eltern?“, fragt mein<br />

Schwager alias biber-Chefredakteur<br />

Kravagna. „Leider nicht viele, aber wir<br />

arbeiten daran“, sagt die Pädagogin.<br />

Würde es Samir wirklich geben, hier<br />

würden wir ihn jederzeit in den Kindergarten<br />

geben. ●<br />

* Die Namen der Betreuerinnen wurden von der<br />

Redaktion geändert.<br />

Zum Schutz der Kinder werden auch die Namen<br />

der 14 Kindergärten nicht genannt.<br />

16 / POLITIKA /


WENIGER IST OFT MEHR<br />

Trotz guter Tarnung konnten wir keine Salafisten-Camps entdecken.<br />

Aber ethnische Abschottung und kulturelle Isolierung kleiner<br />

Kinder ist schon problematisch genug.<br />

Von Nour Khelifi und Simon Kravagna<br />

Zuerst zur journalistischen Enttäuschung. Obwohl wir<br />

alles daran setzten, radikale Tendenzen in islamischen<br />

Kindergärten aufzudecken, ist uns dies „leider“ nicht<br />

gelungen. Dabei waren wir durchaus kreativ. Nach der<br />

medialen Aufregung rund um die Aslan-Studie wäre<br />

es sinnlos gewesen als Journalist im Kindergarten zu<br />

recherchieren. Also war biber-Redakteurin Nour Khelifi,<br />

selbst Muslima, in geheimer Mission in Wiens islamischen<br />

Kindergärten unterwegs.<br />

Nachdem die ersten fünf Einrichtungen nicht die<br />

erwarteten Ergebnisse brachten, weiteten wir die<br />

Besuche auf insgesamt 14 Kindergärten aus. Unsere<br />

Visiten waren unangekündigt und liefen immer nach<br />

dem gleichen Muster ab: „Salam, ich suche einen Platz<br />

für den kleinen Samir. Darf ich mir den Kindergarten<br />

ansehen?“ Bei vier Kindergärten begleitete ich Nour, um<br />

mir – getarnt als muslimischer Konvertit - vor Ort selbst<br />

ein Bild zu machen. Die radikalen Salafisten-Camps<br />

haben wir nicht gefunden. Aber reicht das?<br />

DEN „ISLAM“-KINDERGARTEN GIBT ES NICHT<br />

Die Bandbreite islamischer Kindergärten ist groß. Einerseits<br />

fanden wir trostlose „Ghetto“-Einrichtungen vor,<br />

die uns bedrückten. Andererseits gefiel uns ein weltoffener<br />

islamisch-türkischer Kindergarten in einem Dachgeschoß<br />

in Wien-Penzing. Von unseren 14 Kindergärten<br />

würden wir rund ein Drittel problematisch einschätzen.<br />

Entweder haben wir dort die Abschottung und Isolierung<br />

der Kinder von der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen,<br />

die notwendige Offenheit der Pädagogen angezweifelt<br />

oder glauben, dass dort Deutsch nicht auf dem<br />

bestmöglichen Niveau vermittelt wird. In diesen Kindergärten<br />

fördert die Stadt Wien mit ihren Geldern nicht<br />

das Wohl der Kinder sondern eine Parallelgesellschaft.<br />

RELIGION IST NICHT RELIGION<br />

Während bei katholischen Kindergärten Religion oft<br />

nicht viel mehr als kulturelle Folklore ist, geben viele<br />

muslimische Eltern ihre Kinder in „ihre“ Kindergärten,<br />

um Arabisch zu lernen, damit diese den Koran verstehen<br />

können. Zudem gibt es auch islamistische oder<br />

super konservative Eltern, die ihre Kinder bewusst von<br />

der Mehrheitsgesellschaft abschotten wollen. Angesichts<br />

der zunehmenden Radikalisierung von Muslimen<br />

weltweit werden es muslimische Betreiber eines Kindergartens<br />

aber auf sich nehmen müssen, gegenüber<br />

der Stadt zu belegen, dass ihre Arbeit allen modernen<br />

pädagogischen Grundsätzen entspricht.<br />

Bleibt die Frage, ob private religiöse Kindergärten –<br />

egal ob katholisch, islamisch oder jüdisch, überhaupt<br />

gefördert werden sollten? Nein, sagen jene, die finden,<br />

dass Religion generell im Kindergarten nichts verloren<br />

hat. Was wären aber bei den Muslimen die Folgen?<br />

Viele Eltern würden ihre Kinder so spät wie möglich in<br />

die Kindergärten schicken und die religiöse Betreuung<br />

würden wieder die Koranschulen in den Moscheen<br />

übernehmen.<br />

VERTRAUEN IST GUT, KONTROLLE IST BESSER<br />

Es ist mittlerweile evident, dass die Vergabe öffentlicher<br />

Gelder für Kindergärten in Wien lange Zeit nicht<br />

einmal den notwendigen formalen Kriterien entsprach.<br />

Ein Betrugsfall in Millionenhöhe beschäftigt gerade die<br />

Staatsanwaltschaft. In Zukunft braucht es aber zudem<br />

eine kompetente Prüfung der pädagogischen und<br />

islamischen Inhalte, um zu klären, welches konkrete<br />

Weltbild den Kindern vermittelt wird. Im Zweifel ist das<br />

Geld bei den ausgezeichneten Kindergärten der Stadt<br />

Wien jedenfalls weit besser aufgehoben. ●<br />

/ POLITIKA / 17


„Zusperren ist keine Lösung“<br />

Islamwissenschaftler Ednan Aslan über die Rolle<br />

von Religion im Kindergarten und warum es<br />

schwer ist, radikale Tendenzen zu erkennen.<br />

<strong>BIBER</strong>: Herr Professor Aslan,<br />

angenommen Sie wären<br />

Kindergarten-Inspektor der<br />

Stadt Wien. Wie viele der rund<br />

150 islamischen Kindergärten<br />

würden Sie zusperren?<br />

EDNAN ASLAN: Ich würde gar<br />

keinen zusperren, das ist keine<br />

Lösung. Wir haben in unserer<br />

Vorstudie problematische<br />

Tendenzen aufgezeigt, nun<br />

brauchen wir mehr Fakten. Wir<br />

müssen die Gründe kennen,<br />

warum diese Kindergärten<br />

so attraktiv sind und was sie<br />

genau vermitteln. Erst dann<br />

können wir über potentielle<br />

Schließungen reden.<br />

Laut unserer Recherche sind<br />

es oft die Eltern, die eine<br />

religiöse Erziehung einfordern,<br />

die Betreiber gehen darauf ein.<br />

Wie könnte man das besser<br />

lösen?<br />

Religion im Kindergarten zu<br />

verbieten ist kontraproduktiv,<br />

denn sie kann auch viel zur<br />

Integration beitragen. Religion sollte im Kindergarten daher<br />

nicht kriminalisiert werden. Wie viel Religion ein Kindergarten<br />

verkraften kann, muss aber definiert werden. Man kann<br />

Kinder von der Gesellschaft isolieren oder darauf vorbereiten.<br />

Wir waren in zwei Kindergärten der Islamischen Föderation,<br />

die Sie in Ihrer Vorstudie besonders kritisch erwähnt<br />

haben. Einer davon hat uns durch dessen Professionalität<br />

überrascht. Muss man da nicht stärker differenzieren?<br />

Das ist möglich. Ich glaube trotzdem, dass man die<br />

Betreiber der Kindergärten und ihre Motive stärker begleiten<br />

muss. Außerdem wird die religiöse Bildung nicht von<br />

Pädagoginnen angeboten, die sie angesprochen haben.<br />

Die Kinder zur Pluralitätsfähigkeit zu erziehen erfordert eine<br />

besondere Qualifikation, die wir leider in den Kindergärten<br />

vermissen. In diesem Prozess<br />

befindet sich auch eine<br />

Aufgabe für die muslimischen<br />

Kindergärten dahingehend,<br />

dass sie die Eltern ein Stück<br />

weit mitnehmen, denn sonst<br />

kann eine Erziehung, die wir<br />

unreflektiert weitergeben, zur<br />

Isolation führen.<br />

Wir haben eine Abschottung<br />

der Kinder wahrgenommen,<br />

aber keine Radikalisierung.<br />

Seit der medialen Aufregung<br />

haben viele Kindergärten<br />

problematische Passagen aus<br />

dem Netz entfernt und sind<br />

sehr vorsichtig geworden.<br />

Zudem ist es oft überhaupt<br />

schwierig radikale Aussagen<br />

von gängigen Islam-Lehren zu<br />

unterscheiden. Viele Muslime<br />

sind sehr tolerant, obwohl die<br />

klassisch-islamische Theologie<br />

noch sehr konservativ ist<br />

und dafür keine theologische<br />

Begründung liefert.<br />

Sollten öffentliche Kindergärten mehr Angebote für muslimische<br />

Kinder machen?<br />

Es hilft sicher, muttersprachliche Mitarbeiter zu beschäftigen,<br />

die mit interreligiösen-und kulturellen Kompetenzen<br />

die Sorgen der religiösen Eltern kennen. Es gibt aber gute<br />

Gründe, warum Religion im öffentlichen Kindergarten keine<br />

besondere Rolle spielen darf. Es kann nicht jede Religion<br />

verlangen, dass im öffentlichen Kindergarten ihre Vorstellungen<br />

umgesetzt werden. Bei 19 Religionsgemeinschaften<br />

ist das unmöglich. Zudem gibt es genügend Atheisten, die<br />

Religion in öffentlichen Einrichtungen ablehnen. Generell<br />

möchte ich sagen: Demokratie muss von allen Gruppen<br />

getragen und nicht nur konsumiert werden. Es kann nicht<br />

einfach jede Gruppe alles verlangen, aber auf nichts verzichten<br />

wollen. ●<br />

Stanislav Jenis / picturedesk.com<br />

18 / POLITIKA /


Der Gewalt keine Chance!<br />

Gewalt gegen Frauen tritt in unterschiedlichen Formen<br />

auf. Das Bundesministerium für Bildung und Frauen<br />

ermöglicht Schutz und Unterstützung.<br />

#Gewaltschutz<br />

Frauenhelpline gegen Gewalt<br />

0800 222 555<br />

Kostenlos, österreichweit, rund um die Uhr.<br />

fem:HELP-App<br />

Kostenlos und mehrsprachig verfügbar.<br />

www.bmbf.gv.at/femhelp_app<br />

Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen<br />

in akuten Gewaltsituationen<br />

www.bmbf.gv.at/hilfseinrichtungen<br />

Broschüre »Frauen haben Rechte«<br />

Rechtliche Informationen, praktische<br />

Hinweise, Unterstützungsangebote.<br />

www.bmbf.gv.at/frauenhabenrechte<br />

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG<br />

NEIN zu Gewalt! Mit der Strafgesetzbuchnovelle (seit 1.1.<strong>2016</strong> in Kraft) ist<br />

es gelungen, wichtige Verbesserungen zum Schutz von Frauen vor sexueller<br />

Belästigung und vor sexualisierter Gewalt durchzusetzen. Sexuelle Belästigung<br />

ist kein Kavaliersdelikt. Auch bei sexuellen Übergriffen gilt: Ein »Nein« genügt.<br />

Details unter: www.bmbf.gv.at/gewaltschutz<br />

/ MIT SCHARF / 19


Herr Khol, wie<br />

oft beichten<br />

Sie im Jahr?<br />

Wie viele<br />

Kinder haben<br />

Sie?<br />

Wie viele<br />

Enkelkinder<br />

haben Sie?<br />

Wie oft sehen<br />

Sie ihre<br />

Schwiegertochter<br />

Nazan<br />

Eckes so im<br />

Jahr?<br />

Interview in Zahlen: In der Politik<br />

wird schon genug geredet. biber<br />

fragt in Worten, Bundespräsidentschafts<br />

kandidat Andreas Khol<br />

(ÖVP), antwortet in Zahlen.<br />

6<br />

15<br />

10<br />

Von Simon Kravagna, Veronika Lukashevich<br />

Fotos: Marko Mestrović<br />

Da kann kaum ein türkischer Opa mithalten.<br />

Andreas Khol hat fünfzehn Enkelkinder<br />

Der ÖVP-Kandidat für das österreichische Präsidentenamt wurde<br />

erst mit acht Jahren die Staatsbürgerschaft verliehen<br />

Wie oft beten<br />

Sie wöchentlich<br />

zu Gott?<br />

Wie oft<br />

beichten Sie<br />

im Jahr?<br />

Wie viel sollte ein<br />

Arbeitnehmer<br />

für einen 40<br />

Stunden Job<br />

mindestens<br />

netto im Monat<br />

verdienen?<br />

Wie viele<br />

schwule oder<br />

lesbische<br />

Freunde<br />

haben Sie?<br />

Wie alt waren<br />

Sie, als Sie die<br />

österreichische<br />

Staatsbürgerschaft<br />

bekommen<br />

haben?<br />

7<br />

0<br />

2400<br />

10<br />

8<br />

20 / POLITIKA /


Wie viele Ihrer<br />

Kinder werden<br />

ganz sicher<br />

Van der Bellen<br />

wählen?<br />

Wie viele<br />

Jahre sind Sie<br />

mit Ihrer Frau<br />

verheiratet?<br />

Wie oft haben<br />

Sie in Ihrem<br />

Leben etwas<br />

anderes als<br />

ÖVP gewählt?<br />

Wie oft waren<br />

Sie mit Heinz-<br />

Christian Strache<br />

auf ein<br />

Bier?<br />

Wie oft lesen<br />

Sie in der<br />

Woche in der<br />

Bibel?<br />

0<br />

51<br />

1<br />

0<br />

1<br />

Katholik Andreas Khol liest einmal die Woche in der Bibel und<br />

betet täglich…<br />

…geht aber nicht beichten<br />

Wie viele<br />

Euro sollte die<br />

Mindestpension<br />

monatlich<br />

betragen?<br />

1200<br />

Wie viele<br />

Euro beträgt<br />

monatlich netto<br />

Ihre Pension?<br />

6100<br />

Wie viele<br />

Frauen sollten<br />

mindestens<br />

einer Regierung<br />

angehören?<br />

8 *<br />

Wie viele<br />

Orden<br />

haben Sie?<br />

7<br />

Wie oft<br />

vermissen Sie<br />

Jörg Haider in<br />

der Politik?<br />

0<br />

* Derzeit besteht die Regierung<br />

aus 16 Mitgliedern<br />

/ POLITIKA / 21


Interview:<br />

Ramazan Demir,<br />

Gefängnis-Imam<br />

„GOTT<br />

VERZEIHT<br />

ALLES“<br />

Marko Mestrović<br />

22 / POLITIKA /


Spätestens seit dem Charlie- Hebdo-<br />

Anschlag rätselt die Öffentlichkeit –<br />

Sind unsere Gefängnisse Brutstätten<br />

des radikalen islamistischen<br />

Gedankenguts? Noch nicht, besänftigt<br />

der islamische Seelsorger Ramazan<br />

Demir, der im biber-Interview über<br />

Reue der Inhaftierten, den Einfluss des<br />

„IS“ und fehlende Vaterfiguren spricht.<br />

Von Amar Rajković und Christoph Liebentritt (Fotos)<br />

Des is net so wie du des aus<br />

dem Fernsehen kennst.“ Der<br />

junge Justizwachbeamte<br />

hat recht. Ich habe mir ein Gefängnis<br />

anders vorgestellt. Auf den ersten<br />

Blick könnte es auch ein in Jahre<br />

gekommenes Spital sein. Elendslange<br />

Gänge, Gefangenen-Zeichnungen an<br />

den Wänden, ja sogar einen trostlosen<br />

Aufenthaltsraum mit Gymnastikmatte,<br />

Hometrainer und einem Tischtennis-<br />

Tisch gibt es hier. Die Aussicht auf den<br />

Hof mit dem Fußballplatz wird durch<br />

die Gitterstäbe gestört. Einzig die nach<br />

oben gerichteten Klinken der Zelltüren<br />

deuten darauf hin, dass wir uns in der<br />

größten Haftanstalt Österreichs befinden.<br />

In der Justizanstalt Josefstadt<br />

leben 1200 Häftlinge. Bei unserer Tour<br />

durch die Trakte bekommen wir einen<br />

Justizwachbeamten als Begleitung zur<br />

Seite gestellt. Wir lernen fünf Jugendliche<br />

aus Nordafrika und Slowakei<br />

kennen. Sie sind zw. 14 und 18 Jahre<br />

alt und besuchen gerade den Deutschkurs.<br />

Google-Translator ist eine<br />

praktische Aushilfe für den Lehrer,<br />

der vom Stadtschulrat abgestellt wird.<br />

Fotos von den eingesperrten Bankdrückern<br />

seien nur von hinten erlaubt,<br />

wurde unserem Fotografen gesagt.<br />

Nachdem wir die Moschee im Keller<br />

der Anstalt besucht haben, setzen wir<br />

uns an einen Tisch am Gang davor. Die<br />

Beamten schauen beim Vorbeigehen<br />

etwas verdutzt, doch Ramazan Demir<br />

lässt sich nicht beirren. Die rheinische<br />

Frohnatur, die als islamischer Gefängnisseelsorger<br />

jedes Freitaggebet verrichtet<br />

und einzelne Beratungsstunden<br />

anbietet ist für rund 300 muslimische<br />

Häftlinge in der Justizanstalt Josefstadt<br />

zuständig.<br />

<strong>BIBER</strong>: Die Attentäter der Charlie-Hebdo-Anschläge<br />

haben sich angeblich<br />

im Gefängnis radikalisiert. Gibt es die<br />

Gefahr, dass dies auch in Österreichs<br />

Haftanstalten passiert?<br />

RAMAZAN DEMIR: Die Radikalisierung<br />

in Gefängnissen hierzulande ist, Gott<br />

sei Dank, noch ein Randphänomen.<br />

Wird es bald großes Thema sein?<br />

Es ist ein ernstzunehmendes Thema.<br />

Wir haben hier in der Justizanstalt<br />

Josefstadt fast 1200 Häftlinge, davon<br />

sind ca. 300 Muslime. Die meisten von<br />

ihnen wünschen sich religiöse Betreuung,<br />

weil die Bedeutung von Religion<br />

im Gefängnis stark zunimmt. Wir<br />

brauchen aber da mehr Unterstützung<br />

vom Staat.<br />

/ POLITIKA / 23


„Viele der Insassen<br />

haben keine Ahnung<br />

von ihrer Religion<br />

und das kann<br />

uns später zum<br />

Verhängnis werden.“<br />

Sie werden doch vom Justizministerium<br />

bezahlt?<br />

Dieses Geld reicht gerade mal die<br />

Anfahrtskosten und <strong>Ausgabe</strong>n zu<br />

decken. Wir haben in den 27 Justizanstalten<br />

46 Gefängnisseelsorger, die<br />

ehrenamtlich ihre Arbeit verrichten.<br />

Leider ist die islamische Seelsorge im<br />

Vergleich zu vielen anderen Religionsgemeinschaften<br />

unterbesetzt. Auf der<br />

einen Seite finanziert der Staat 570<br />

islamische Religionslehrer, die gute<br />

Arbeit leisten. Auf der anderen Seite<br />

keinen einzigen islamischen Gefängnisseelsorger.<br />

Das stimmt mich traurig,<br />

weil es mit ein paar Stunden Betreuung<br />

nicht getan ist.<br />

Um zur Ursprungsfrage zurückzukommen:<br />

Wie können Sie Häftlinge<br />

deradikalisieren?<br />

Mit Aufklärungsarbeit! Wenn ein<br />

Mensch mit radikalem Gedankengut<br />

ins Gefängnis kommt, gibt er dieses<br />

an seine Zellengenossen weiter. Die<br />

Gefahr, dass sich der radikale Gedanke<br />

dadurch verbreitet, steigt stark.<br />

Meine Aufgabe als Imam betrifft beide<br />

Parteien. Einerseits muss ich die die<br />

Mehrheit vor diesem Gedankengut<br />

warnen und schützen, andererseits ist<br />

es meine Pflicht, mich mit den Personen<br />

zu unterhalten, die andere Häftlinge<br />

mit ihren Theorien anstecken. Bei<br />

manchen habe ich zwar wenig Hoffnung,<br />

aber ich muss es versuchen!<br />

Warum tun Sie sich das an? Sie sind<br />

ja hauptberuflich Religionslehrer in<br />

Schulen?<br />

Diese Menschen haben Probleme,<br />

wollen getröstet werden, einige<br />

brauchen jemanden zum zuhören.<br />

Es ist wichtig, ihnen zu helfen. Viele<br />

der Insassen haben keine Ahnung<br />

Die Antragspapiere für die Einzelstunde mit dem<br />

islamischen Seelensorger stapeln sich. Im Gefängnisjargon<br />

werden diese Ansuchen auch „11er-Zettel“ genannt.<br />

von ihrer Religion und das kann uns<br />

später zum Verhängnis werden. Ein<br />

Häftling sagte mal zu mir: „Ich habe<br />

Ehrenmord begangen, weil mein Opa<br />

das so wollte.“, oder eine weibliche<br />

Inhaftierte telefonierte wiederrum mit<br />

ihrem Großvater, der sie am Telefon<br />

verfluchte und ihr das Schmoren im<br />

Höllenfeuer prophezeite. Genau aus<br />

diesem Grund ist es wichtig, diese<br />

Menschen über den Islam aufzuklären.<br />

Diese vorwiegend jungen Menschen<br />

müssen wir für uns gewinnen. Es ist<br />

gefährlich, wenn Menschen über ihre<br />

Religion reden, aber keine Ahnung von<br />

ihr haben.<br />

Was haben Sie dem Mädchen erzählt?<br />

Ich habe ihr gesagt, dass Gott alles<br />

verzeiht, wenn man mit dem Herzen<br />

Reue zeigt und Ihm um Vergebung<br />

bittet. Sie war sehr erleichtert.<br />

Verspüren Sie Schuldgefühle, wenn sie<br />

sehen, dass ein Häftling trotz wiederholter<br />

Seelsorge weiterhin seine<br />

radikalen Ansichten vertritt?<br />

Ich verspüre Schuldgefühle, wenn<br />

ich nicht hier sein kann. Ich müsste<br />

jeden Tag da sein, so viele Häftlinge<br />

schreiben die 11er Zettel, schauen sie<br />

sich diesen Stapel an. (Anm.: Fachjargon<br />

im Gefängnis für das Formular,<br />

24 / POLITIKA /


Marko Mestrović<br />

Tischtennis oder „Wuzzeln“ sollen die Haftinsassen<br />

vom grauen Alltag ablenken.<br />

welches jeder Häftling ausfüllen muss,<br />

damit Ramazan Demir ein persönliches<br />

Gespräch mit ihm/ihr führt)<br />

Was ist die Frage, die Sie am öftesten<br />

gestellt bekommen?<br />

(Denkt nach)<br />

Wird Gott mir verzeihen?<br />

Das heißt, die meisten Insassen bereuen<br />

ihre Tat?<br />

Natürlich tun sie das. Viele von ihnen<br />

landen aufgrund einer Affekthandlung<br />

hinter Gittern. Beispiel: Ein Jugendlicher<br />

braucht Geld und überfällt mit<br />

einer Waffe eine Trafik. Dafür kommt<br />

er für einige Jahre in Haft. Und das für<br />

ein paar Hundert Euro - nur weil er<br />

ungeduldig war! Meine Aufgabe ist es,<br />

den Jugendlichen Werte wie Geduld<br />

beizubringen und ihnen Allahs Barmherzigkeit<br />

mitzugeben. Im Quran steht,<br />

Gott erlegt keiner Seele das auf, was<br />

„Die Gefangenen<br />

haben fast alle<br />

einen Fernseher<br />

und verfolgen, was<br />

draußen passiert.“<br />

sie nicht zu tragen vermag. Diese Personen<br />

können es schaffen. Sie müssen<br />

weiterleben und versuchen Sinn im<br />

Leben zu finden.<br />

Weiterleben?<br />

Ich habe vor ca. einem Jahr einen<br />

jungen ägyptischen Häftling verloren,<br />

der sich sein Leben genommen hat. Er<br />

hatte sich mit dem Gurt stranguliert.<br />

Es ist so traurig, weil ich ihn hätte vielleicht<br />

retten können, wäre ich bei ihm<br />

gewesen. Jedes Jahr nehmen sich<br />

rund zehn Personen in österr. Gefängnissen<br />

das Leben. Jeder einzelne ist<br />

zu viel.<br />

Sie sind hauptberuflich Religionslehrer<br />

auf Schulen. Gibt es Parallelen, die Sie<br />

zw. den Schulen und Gefängnissen ziehen<br />

würden?<br />

Spannende Frage. In der Schule<br />

versuche ich, dass die Schüler nicht<br />

im Gefängnis landen. Und in der Haft<br />

versuche ich, dass sie nach der Entlassung<br />

in die Schule gehen. (lacht)<br />

Und kam es vor, dass Sie die selbe<br />

Person hinter der Schulbank und später<br />

hinter Gittern getroffen haben?<br />

Ich hatte einen Häftling, der in meiner<br />

ehemaligen Schule war, aber nie den<br />

Religionsunterricht besucht hat. Er hat<br />

mich immer nur am Gang gesehen<br />

RAMAZAN DEMIR<br />

wurde in Ludwigshafen am Rhein als<br />

Sohn türkischer Einwanderer geboren.<br />

Der frischgebackene Vater ist<br />

seit fünf Jahren als Gefängnisseelsorger<br />

in der Justizanstalt Josefstadt<br />

ehrenamtlich tätig. Demir predigt bei<br />

Freitagsgebeten in der Gefängnismoschee<br />

und bietet unter der Woche<br />

Einzelbetreuung für die Häftlinge an.<br />

Islamische Seelsorge wird seit 1996<br />

in Österreichs Justizanstalten angeboten.<br />

Während seine katholischen<br />

Kollegen vom Staat sechs bezahlte<br />

Stellen bekommen, arbeiten die<br />

Gefängnis-Imame ehrenamtlich. „Der<br />

Staat müsse mehr Geld in die Islamische<br />

Seelsorge investieren, weil<br />

die Seelsorge Menschen im Gefängnis<br />

davor bewahrt, radikalisiert zu<br />

werden“, beklagt Demir.<br />

Angesprochen auf die fehlende<br />

Finanzierung der islam. Seelsorger<br />

antwortete das Justizministerium<br />

ausschweifend: „Die Anstellung<br />

katholischer Seelsorger hat historische<br />

Gründe, mit den anderen<br />

anerkannten, in Justizanstalten vertretenen<br />

Glaubensgemeinschaften.<br />

in Österreich bestehen Verträge zur<br />

teilweisen Abdeckung ihres seelsorgerischen<br />

Gesamtaufwandes. Damit<br />

ist die seelsorgerische Betreuung<br />

von islamischen Insassen gewährleistet.“<br />

Von den rund 8900 Inhaftierten<br />

Österreichweit sind 1700 davon<br />

Muslime.<br />

/ POLITIKA / 25


„Die Bedeutung<br />

von Religion nimmt im<br />

Gefängnis stark zu.“<br />

nur noch an die Familie und Freunde<br />

denken. Meine Frau ist alleine und<br />

ich kann ihr nicht helfen. Es gibt eine<br />

dritte Gruppe, die sehr politisch interessiert<br />

ist. Die Gefangenen haben fast<br />

alle einen Fernseher und verfolgen,<br />

was draußen passiert.<br />

Die Aussicht durch die Gitterstäbe auf den Fußballplatz<br />

im Hof der Justizanstalt Josefstadt<br />

und begrüßt. Ihn habe ich dann in der<br />

Gefängnismoschee während eines<br />

Freitagsgebets wiedererkannt. Er hat<br />

mich umarmt als er mich sah. Das war<br />

sehr bewegend.<br />

Warum landen die Menschen im<br />

Gefängnis?<br />

Einigen Insassen fehlt eine gesunde<br />

Vaterfigur. Deswegen suchen sie sich<br />

einen Vaterersatz. Das ist gefährlich.<br />

Ebenso erliegen viele der Spiel- und<br />

Wettsucht. Ein paar Mal auf Rapid<br />

oder Galatasaray gewettet und schon<br />

steckst du tief drinnen. Sie werden<br />

süchtig und holen sich Geld, wo es<br />

nicht halal, also erlaubt, ist. Mein Ziel<br />

ist es, vor allem den jugendlichen<br />

Insassen mehr Geduld und Selbstbeherrschung<br />

beizubringen. Geduld heißt<br />

cool bleiben. Und sie müssen sich<br />

ihre Freunde genau aussuchen. Wenn<br />

ein guter Freund auf die schiefe Bahn<br />

gerät, zieht er oft andere mit hinein.<br />

Wie viel bekommen die Gefangenen<br />

von den Ereignissen draußen mit?<br />

Von Mensch zu Mensch unterschiedlich.<br />

Es gibt Häftlinge, denen Politik<br />

sowas von egal ist. Sie konzentrieren<br />

sich aufs eigene Schicksal. Die<br />

wichtigsten Fragen, die sie sich stellen<br />

sind: Wie lange bleibe ich hier? In<br />

welche Anstalt komme ich? Was passiert<br />

mit mir? Dann gibt es andere, die<br />

Thematisieren Sie die Ereignisse wie<br />

den Anschlag in Paris oder den Skandal<br />

von Köln?<br />

Das tue ich bei der Freitagspredigt. Ich<br />

gehe auf die Vorfälle ein und informiere<br />

die Häftlinge, was der Islam<br />

dazu sagt. Das ist sehr wichtig, weil<br />

diese Taten uninslamisch sind. Es gibt<br />

Häftlinge, die vor anderen behaupten,<br />

IS sei islamisch. Dann fordere ich ihn<br />

auf, mir Passagen aus dem Quran zu<br />

zeigen, die das belegen. Dann kommt<br />

nichts mehr. Andere Insassen meinen,<br />

der Islamische Staat vertritt den Islam,<br />

schließlich steckt ja der Name „Islam“<br />

drinnen. Pegida ruft auch „Wir sind das<br />

Volk“ vertritt aber nur einen Bruchteil<br />

der Bevölkerung.<br />

Gibt es in den Haftanstalten innerislamische<br />

Konflikte zwischen Sunniten<br />

und Schiiten?<br />

Gott sei Dank nicht. In Österreich ist<br />

diese Unterscheidung nicht geläufig.<br />

Wir (Anm.: Die Seelsorger) gehören<br />

der Islamischen Glaubensgemeinschaft<br />

an und da ist es nicht wichtig, ob<br />

man sunnitisch oder schiitisch ist. Die<br />

Schiiten-Sunniten-Geschichte ist eine<br />

politische Sache und ob der Eine seine<br />

Hände beim Gebet über dem Bauch<br />

oder auf die Seite legt ist mir egal. ●<br />

26 / POLITIKA /


RAMBAZAMBA<br />

Forever together.<br />

Foto von Alex Dietrich


„Fredi,<br />

du bist mir<br />

noch liebst?“<br />

Sie spricht kaum Deutsch, er ist waschechter<br />

Wiener. Cveta und Fredi erklären, warum Sprache<br />

nicht immer nötig ist, um sich zu verständigen<br />

und wie sie das Tanzen zusammengebracht hat.<br />

Eine Seniorenromanze.<br />

Von Nikola Micevski<br />

bereitgestellt<br />

28 / MIT / POLITIKA SCHARF / /


Auf ORF 2 läuft „Das Geheimnis<br />

der grünen Spinne“, ein<br />

Schwarz-Weiß-Schlagerfilm<br />

aus den 60ern. Es ist ein Film, wie ihn<br />

Cveta und Alfred lieben: viel Schlagermusik,<br />

pantomimenartige, übertriebene<br />

Schauspielerei und ein Mord<br />

im Hinterzimmer, der die Handlung<br />

vorantreibt.<br />

„Fredi, schau, diese dicke Mann<br />

schaut aus wie du“, sagt Cveta<br />

lachend - in gebrochenem Deutsch<br />

und mit mazedonischem Akzent - und<br />

deutet auf einen korpulenten Schauspieler.<br />

„Geh bitte, so blad bin i a<br />

ned…“, nimmt der 80-Jährige seinen<br />

kleinen Bauch in Schutz.<br />

ALLTÄGLICHE<br />

MISSVERSTÄNDNISSE<br />

Fast fünfzehn Jahre waren die beiden<br />

Pensionisten ein Paar, bis dies in<br />

einer On-Off-Beziehung endete. Nun<br />

sitzt Alfred, dessen Spitzname „Fredi“<br />

ist, in Cvetas Wohnung und unterhält<br />

sich mit ihr als guter Freund. Trotz<br />

ihres Deutschdefizits haben die beiden<br />

einen Weg gefunden, um sich zu verständigen.<br />

Fredi hat in all den Jahren<br />

gelernt, sie zu verstehen. Am Anfang<br />

führte ihre neu erfundene Sprache zu<br />

Missverständnissen.<br />

So erinnert er sich noch genau<br />

an manche dieser Gespräche. Als<br />

ihn Cveta zum Beispiel zum „Melch“<br />

kaufen geschickt oder ihm angeboten<br />

hat, „Kässer“ zu machen. „I hob ned<br />

g’wusst, wos a „Melch“ is. Is‘ des jetzt<br />

a Milch oda a Mehl? I hob afoch beides<br />

gekauft“, erinnert sich der ehemalige<br />

Unternehmer lachend. „Oder sogt’s:<br />

‚I machen dir Kässer’. Sog i: ‚Wos<br />

bitte is‘ a Kässer?’ Erklärt’s ma: ‚Diese<br />

Palatschinken was schneidet‘, do bin i<br />

d’raufkumman, dass sie Kaiserschmarren<br />

meint.“<br />

„Wenn i da wos<br />

beibringen wollt‘,<br />

hot’s immer ‚deutsche<br />

Sprache, scheißen<br />

Sprache’ geheißen.“<br />

INTEGRATION WAR DAMALS<br />

EIN FREMDWORT<br />

Die 82-jährige Mazedonierin ist<br />

als Gastarbeiterin nach Österreich<br />

gekommen und hat viel Zeit in der<br />

Fabrikshalle ihrer Firma verbracht, was<br />

ihr das Deutschlernen bis zur Pension<br />

erschwerte. „Ich war oft mehr als<br />

zwölf Stunden am Tag nur mit Jugos<br />

und Türken“, erklärt sie ihre mangelnden<br />

Deutschkenntnisse. Arbeitsmigranten<br />

erhielten in den 60er und 70er<br />

Jahren zumeist Hilfsarbeiterjobs in der<br />

Industrie, für die oft keine Ausbildung<br />

nötig war. Integrationspolitik war zu<br />

der Zeit ein Fremdwort.<br />

Für Alfred ist das zwar eine nachvollziehbare<br />

Erklärung, doch fügt er<br />

schelmisch hinzu: „Wenn i da wos<br />

beibringen wollt‘, hot’s immer ‚deutsche<br />

Sprache, scheißen Sprache’<br />

geheißen.“ Cveta wehrt sich dagegen,<br />

mit dem Argument, dass sie ab dem<br />

Zeitpunkt, an dem sie sich kennenlernten,<br />

schon zu alt war, um eine<br />

neue Sprache zu lernen. Doch fast<br />

40 Jahre in einem deutschsprachigen<br />

Land zu überleben verlangt Kreativität<br />

– die hat sie entwickelt.<br />

DIE GUTEN ALTEN ZEITEN<br />

Beide erinnern sich gerne an die Zeit<br />

zurück, in der sie sich kennenlernten.<br />

„Des woa auf der Schmelz. Domois<br />

An der Maschine konnte Cveta schwer<br />

Deutsch lernen.<br />

bist jo frisch in Pension g’wesn. Wie<br />

oid woast do? Fünfafuchzig?“, versucht<br />

sich der leidenschaftliche Boogie-Tänzer<br />

zu erinnern. „Ja, ich hab<br />

sogar das Datum im Kalender notiert.<br />

Ich war mit zwei Freundinnen und du<br />

bist zu mir gekommen, um mich zum<br />

Tanzen aufzufordern“, sagt die Pensionistin<br />

mit einem Lächeln. „Du hast<br />

immer gesagt, dass ich die schönste<br />

und beste Tänzerin bin.“ Alfred bestätigt<br />

dies mit einem Grinsen und zappt<br />

zwischen den Kanälen weiter.<br />

ZU ALT FÜRS TANZEN!<br />

Der Alt-Favoritner hat trotz seines<br />

Alters nichts von seinem Wiener<br />

Schmäh und Charme verloren. Er<br />

versucht, so oft es die momentane<br />

Gesundheit zulässt, seine Stammtanzlokale<br />

aufzusuchen. Man kennt<br />

ihn dort, sein Hüftschwung hat ihn zu<br />

einem beliebten Tanzpartner gemacht,<br />

was Cveta noch immer sauer aufstößt.<br />

„Du bist zu alt fürs Tanzen und<br />

die Frauen dort zu jung“, versucht die<br />

80-Jährige ihre alte Liebe zurechtzuweisen.<br />

„Geh wo, mir is‘ wuascht wie<br />

oid die san. Wichtig is‘, dass i tanz“,<br />

stellt Fredi klar.<br />

In ihren gemeinsamen Jahren ließ<br />

Cveta ihrem südländischen Temperament<br />

oft freien Lauf, was mitunter<br />

Grund für das Beziehungsaus war: „I<br />

hob zehn Joah mit kana ondan tanzn<br />

därfn. Wenn’s mitkomman is‘, hot’s<br />

auf die ondan Frau‘n ständig wos zum<br />

Aussetz’n g’hobt: die is‘ z‘ blad, die is<br />

z‘ long, die hot große Fiaß und irgendwann<br />

hot’s ma g’reicht.“<br />

SCHLECHTE ERFAHRUNG MIT<br />

ÖSTERREICHERINNEN<br />

Nach langem, geistesabwesendem<br />

Zappen ist Fredi bei einem Sender<br />

gelandet, auf dem das deutsche<br />

Schlager-Duo „Amigos“ ihr neues<br />

Album anwirbt. Begleitet von den<br />

weichgespülten, pseudo-romantischen<br />

Trompetenklängen des Duos, möchte<br />

Fredi klargestellt haben, dass Cveta<br />

eine sehr gute Hausfrau war und trotz<br />

körperlicher Einschränkungen immer<br />

noch ist. Kompromisslos habe sie<br />

sich immer um ihn gekümmert, seine<br />

Hemden seien mit großer Sorgfalt und<br />

Zuverlässigkeit vor jedem gemein-<br />

/ MIT / POLITIKA SCHARF / / 29


samen Tanzabend fertiggebügelt<br />

gewesen. Mit österreichischen Frauen<br />

hatte er bis zu ihrem Zusammentreffen<br />

ausschließlich schlechte Erfahrungen<br />

gemacht. Treue und das Gefühl von<br />

Zuneigung lernte er bei der Mazedonierin<br />

neu kennen. „I hob’s so geliebt,<br />

i hob ihr glei am dritten Tog a Kleid<br />

um 3.500 Schilling gekauft. Für einen<br />

Pelzmantel, den sie nur zwaa moi<br />

trog‘n hot, hob i 30.000 Schilling zoit.“<br />

„FREDI, DU BIST MIR<br />

NOCH LIEBST?“<br />

Wenn Diskussionen zu temperamentvoll<br />

wurden, so zog sich der charmante<br />

Wiener zu einem Spaziergang<br />

zurück, bis die Gemüter abkühlten.<br />

Beide schätzten an der vergangenen<br />

Beziehung, dass man nach<br />

jedem Streit wieder zueinander fand.<br />

„Wenn er mehrere Stunden weg war,<br />

begrüßte ich ihn trotzdem mit einem<br />

Kuss und bot ihm an, gemeinsam<br />

einen Kaffee zu trinken“, resümiert<br />

Cveta heute. Zustimmend sagt Fredi:<br />

Silvester feiern „Auf der Schmelz“<br />

„Liebe ist immer<br />

und ewig möglich,<br />

vorausgesetzt beide<br />

ziehen an einem<br />

Strang.“<br />

„Jo, des stimmt. Egal wos woa, noch<br />

2-3 Stund‘n woa bei uns ois wieder<br />

ok.“<br />

Dialektfrei betont Fredi, dass<br />

„Liebe immer und ewig möglich ist,<br />

vorausgesetzt beide ziehen an einem<br />

Strang.“ Leider entwickelte sich diese<br />

Lebensgemeinschaft so, dass das<br />

gemeinsame Hobby, das Tanzen, nicht<br />

mehr von Cveta ausgeübt werden<br />

konnte und somit ein großes Bindeglied<br />

wegfiel. Das Gesicht der gesprächigen<br />

Wienerin verdunkelt sich, als<br />

sie anfängt zu erzählen, dass sie seit<br />

einigen Jahren mit Hüftproblemen zu<br />

kämpfen hat, die ihr sogar beim Gehen<br />

große Probleme bereiten.<br />

Abschließend und hoffnungsvoll<br />

fragt Cveta ihren ehemaligen Lebensgefährten:<br />

„Fredi, du bist mir noch<br />

liebst?“ Doch dieser möchte an ein<br />

erneutes Zusammenkommen nicht<br />

mehr denken. „Würd’ i di ned gern<br />

hob’n“, holt er ein letztes Mal Luft,<br />

„warat i jetzt owa ned do.“ ●<br />

AKADEMIE<br />

Wir bringen die<br />

neuen Österreicher<br />

in die Medien<br />

Willst du Journalist/Journalistin werden?<br />

Bewirb dich für ein Stipendium an der „mit<br />

scharf“-Akademie. Auch dieses Jahr vergibt biber<br />

20 Stipendien an talentierte Jungjournalisten mit<br />

Migrationshintergrund.<br />

Alle Stipendiaten erhalten bei biber eine zweimonatige<br />

journalistische Grundausbildung.<br />

Danach vermittelt biber ein Praktikum bei einem<br />

österreichischen Leitmedium oder einer renommierten<br />

Presse- oder Kommunikationsabteilung.<br />

Das Ziel der „mit scharf“-Akademie ist es, die<br />

journalistische Elite des neuen Österreichs zu<br />

rekrutieren und auszubilden. Das Stipendium ist<br />

mit 736 Euro brutto monatlich dotiert.<br />

Bist du interessiert und zwischen 18 und 28 Jahre<br />

alt? Schick uns deinen Lebenslauf und sag uns,<br />

warum du das Stipendium bekommen sollst und<br />

welche Storys du gerne schreiben würdest. Die<br />

österreichische Staatsbürgerschaft ist keine<br />

Voraussetzung. Für uns zählen deine Ideen und<br />

deine Motivation, nicht deine Nationalität.<br />

Willst du mitbestimmen, wie Medien<br />

berichten?<br />

Willst du verbessern, wie in Österreich über<br />

Migranten geschrieben wird?<br />

30 / MIT / POLITIKA SCHARF / /<br />

Bewerbungen für Stipendien ab Mai <strong>2016</strong> an<br />

stanic@dasbiber.at<br />

Das Projekt der „mit scharf“-Akademie wird finanziell<br />

gefördert von Bundesministerium für Europa, Integration<br />

und Äußeres, Google, OMV, ÖBB, Wirtschaftskammer Wien<br />

sowie der Wiener Städtischen. Wir danken unseren<br />

Sponsoren.


Wir suchen die Besten!<br />

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Warum ich<br />

Wien vermisse<br />

gehen, zum Millenniumtower auf einen<br />

Late-Night-Snack, grillen im Mai, im<br />

Sommer schnell in die Alte Donau<br />

schmeißen oder einfach nur auf der<br />

Insel chillen. Die „Inselll“ hat alles, was<br />

man braucht, und das kriegt man in<br />

vielen anderen Städten der Welt nicht.<br />

DIE ROTE STRASSENBAHN<br />

Schon mal darüber nachgedacht, wie<br />

cool das eigentlich ist, dass Wien<br />

Straßenbahnen hat? Vor allem die<br />

ganz alten. Ich habe es geliebt mit<br />

der alten 5er zu fahren. Einfach in die<br />

BIM einsteigen und das schöne Wien<br />

genießen. Wurscht, dass die Straßenbahn<br />

langsam war, egal, dass es oft<br />

bis zu 30-40 Minuten länger gedauert<br />

hat. Im Winter hatte ich immer meinen<br />

Lieblingsplatz in den alten Straßenbahnen<br />

- den Sitz, unter dem sich die<br />

Heizung befindet. Ich war immer ganz<br />

schön enttäuscht, wenn er besetzt<br />

war. Offenbar war das nicht nur mein<br />

Lieblingsplatz.<br />

Redakteur Artur hat als Model in<br />

vielen Städten gelebt. Istanbul,<br />

Mexiko-City, Los Angeles und<br />

London. An Wien und seine<br />

Donauinsel, die Kaffee häuser<br />

und die alten Straßenbahnen<br />

kommt aber keine Metropole heran.<br />

TOTE HOSE AM SONNTAG<br />

Ein Thema, über das ich mich<br />

immer sehr aufgeregt habe,<br />

wenn ich am Sonntag mit der Straßenbahn<br />

zum Billa am Franz-Josefs-Bahnhof<br />

unterwegs war. Und dann immer<br />

die ewiglangen Schlangen, in denen<br />

man mit einer Banane und einem Liter<br />

Milch gefühlte fünf Jahre gewartet<br />

hat, bis man drankam. Und immer ein<br />

Besoffener, der von der Security beim<br />

Klauen erwischt wurde. Doch jetzt,<br />

nachdem ich das nicht mehr machen<br />

muss, weil in England alle Geschäfte<br />

immer offen haben, vermisse ich es.<br />

Ich vermisse die Ruhe, die leeren<br />

Straßen, die verkaterten Studenten,<br />

die immer noch angesoffen von einer<br />

Party um 11 Uhr nach Hause torkeln.<br />

Es hat vielleicht seine Vorteile, dass<br />

man in anderen Städten an einem<br />

Sonntag ganz normal einkaufen gehen<br />

kann. Das nächste Mal, wenn ich an<br />

einem Sonntag in Wien bin, gehe ich<br />

statt einkaufen auf die Donauinsel spazieren.<br />

Weiter so, Wien!<br />

DONAUINSEL<br />

Während ich als zwanzigjähriges Wienbaby<br />

im Neunten geboren wurde, hat<br />

mein erwachsenes Wien-Ich sieben<br />

Jahre in Brigittenau gelebt. Ob laufen<br />

UNI WIEN<br />

Das Gebäude, die Menschen, die Bürokratie,<br />

die viel zu vollen Lehrveranstaltungen<br />

und die Prüfungen, auf die<br />

man sich nur eine Nacht lang vorbereitet<br />

hat. Student sein ist schön. Student<br />

in Wien sein ist schöner. Es war ein<br />

sehr seltsames Gefühl, als ich mein<br />

Studium abgeschlossen hatte und<br />

kurz danach nach London gezogen<br />

bin. Wien ist eine Studentenstadt und<br />

so wird sie auch in meiner Erinnerung<br />

bleiben. Ich glaube, ich weiß, warum<br />

es in Wien so viele ewige Studenten<br />

gibt – weil Student sein in Wien einfach<br />

so schön ist! Ich wünschte, ich<br />

könnte diese Zeit noch einmal erleben.<br />

Und ich würde nichts daran ändern,<br />

obwohl ich auch länger studiert habe.<br />

STEPHANSPLATZ<br />

Der Stephansplatz war immer der erste<br />

Ort, zu dem ich gegangen bin, wenn<br />

ich vom Ausland nach Wien zurückgekommen<br />

bin. Ich kann nicht erklären,<br />

warum. Der Stephansplatz hat für<br />

mich was Magisches an sich. Es war<br />

meine Tradition, mich einfach auf eine<br />

Bank gegenüber vom Stephansdom zu<br />

setzen und die Menschen zu beobach-


ten. Seltsam, oder? Ja, ich weiß. Als ich von<br />

meinen Reisen nach Wien zurückgekommen<br />

bin, habe ich mich nie so richtig zu Hause<br />

gefühlt, bis ich das gemacht habe. Ich kann<br />

es kaum erwarten, das Gleiche wieder zu tun.<br />

Mich einfach mit einem Kaffee hinsetzen und<br />

den Stephansdom anstarren.<br />

KAFFEEHÄUSER<br />

Kaffeehäuser sind für mich ein Teil der Wiener<br />

Kultur. Auch wenn sie überteuert sind und<br />

man für einen, oft schlechten, Kaffee viel zu<br />

viel Geld zahlt - die Wiener Kaffeehäuser sind<br />

einzigartig. In der Zeit von Starbucks & Co.<br />

gewinnen sie sogar noch mehr an Originalität<br />

und Einzigartigkeit. Der Plan für den nächsten<br />

Wienbesuch: Vom Havelka einen Kaffee<br />

zum Touristenpreis kaufen und Menschen am<br />

Stephansplatz beobachten.<br />

Ich habe gerade realisiert, dass ich noch<br />

sehr viele Dinge aufzählen könnte, die ich an<br />

Wien vermisse. Nicht nur an Wien, auch an<br />

Österreich. Ich liebe es, in London zu leben.<br />

Ich genieße es hier. Aber Wien ist anders und<br />

es hat für immer ein Stück meines Herzens<br />

gestohlen und es wird immer ein Teil von<br />

mir sein. Danke Wien für die schönen Jahre,<br />

danke, dass du es mir erlaubt hast, ein Teil<br />

von dir zu sein. Du bist eine tolle Stadt und<br />

ich kann es kaum erwarten, dich wiederzusehen!<br />

●<br />

w w w . b e s t i n f o . a t<br />

<strong>2016</strong><br />

3. bis 6. März<br />

Wiener Stadthalle<br />

9 bis 18 Uhr, 6. März bis 17 Uhr<br />

Eintritt frei<br />

Marko Mestrović, HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com<br />

www.facebook.com/bestinfo.at<br />

www.twitter.com/bestinfo_at<br />

Die große Bildungsmesse


12 points go to…<br />

Azrah!<br />

Am 12. <strong>Februar</strong> tritt<br />

Azrah mit ihrem Song<br />

„The One“ beim österreichischen<br />

Vorentscheid<br />

für den Eurovision<br />

Song-Contest an.<br />

Begonnen hat alles mit ihrer<br />

Bewerbung beim Austro-Vision<br />

Song Contest im Mai 2015, den<br />

wir vom Biber gemeinsam mit der<br />

Initiative „Zusammen Österreich“<br />

und dem „Projekt Pop!“ ins Leben<br />

gerufen haben. Azra Halilovic (33)<br />

überzeugte mit ihrem Song „Sabah<br />

El Kheir“ und ging als Siegerin<br />

hervor.<br />

Am 12. <strong>Februar</strong> tritt die<br />

Bosnierin nun mit ihrem Song<br />

„The One“ beim österreichischen<br />

Vorentscheid für den Eurovision<br />

Song-Contest an. Sie wurde per<br />

Facebook-Voting unter die zehn<br />

Finalisten gewählt. Über einen<br />

Freund hat sie von ihrem Antritt<br />

erfahren und konnte es nicht<br />

glauben: „Wenn mir jemand vor<br />

20 Jahren gesagt hätte, dass eine<br />

Sängerin mit dem Namen Azra es<br />

in Österreich schaffen kann, hätte<br />

ich geantwortet: Träum weiter!“<br />

Sie selbst ist gerührt von der<br />

Unterstützung der Balkan-Community,<br />

mit deren Hilfe sie zur Wild-<br />

Card Gewinnerin wurde. Dieses<br />

Voting hätte gezeigt, dass trotz<br />

vieler schrecklicher Ereignisse, die<br />

in der Vergangenheit vorgefallen<br />

sind, „Ex-Yugos“ trotzdem zusammenhalten<br />

und füreinander da<br />

sind.<br />

Der Eurovision-Vorentscheid<br />

findet am 12. <strong>Februar</strong> statt.<br />

Fernsehpublikum und Fachjury<br />

wählen ab 20:15 im ORF eins den<br />

Kandidaten, der für Österreich am<br />

Eurovison Song Contest teilnimmt.<br />

Wir vom Biber drücken Azrah ganz<br />

fest die Daumen! Go Azrah! ●<br />

Susanne Einzenberger<br />

/ RAMBAZAMBA /


MIT SCHARF / 35


36 / KARRIERE /


KARRIERE / 37


Ju|go, der; -s (kurz für Jugoslawe)<br />

Umgangssprachliche Bezeichnung<br />

von männlichen Einwohnern des<br />

ehemaligen Jugoslawiens.<br />

Daniel Shaked, Alexandra Stanić<br />

38 / RAMBAZAMBA /


Keinen Bock<br />

auf einen<br />

Jugomann<br />

Dajana hat keine Lust auf<br />

Fernbeziehung, Dolmetschen<br />

oder das Ticket nach<br />

Österreich zu sein. Anstatt<br />

einen Mann von Unten<br />

zu daten, bevorzugt<br />

sie die regionale Auswahl.<br />

von Dajana Marunic<br />

Eigentlich wollte man nur im<br />

Sommer die Familie „unten“<br />

besuchen. Aber heiße Tage,<br />

durchtanzte Nächte, Spaziergänge bei<br />

lauer Sommerbrise und kühle Drinks<br />

sind eben perfekte Voraussetzungen<br />

für Urlaubsflirts. Und plötzlich lernt<br />

man dort, wo man es am wenigstens<br />

erwartet hätte, nämlich im Dorf der<br />

Oma, den Traumtypen kennen. Was<br />

passiert aber, wenn aus dem Flirt<br />

etwas Ernstes wird, man die anfäng-<br />

liche Fernbeziehung satt hat und der<br />

Auserwählte endlich zu uns nach<br />

Österreich zieht?<br />

DIE SACHE MIT DER SPRACHE<br />

Was sich wie der perfekte Ausgang<br />

einer unerwarteten Lovestory anhört,<br />

kann in der Realität dann doch anders<br />

aussehen. Weil der Freund genauso<br />

wenig wie du erwartet hat, dass es ihn<br />

mal nach Österreich verschlägt, sind<br />

die Chancen, dass er Deutsch kann,<br />

gering. Bevor es mit dem Deutschkurs<br />

losgehen kann, musst du also nachhelfen.<br />

Beim Behördengang dolmetschst<br />

du. Zum Arzt kommst du auch mit.<br />

Zusammen ins Kino gehen kannst du<br />

vergessen, weil die Vorstellung den<br />

ganzen Film lang zu dolmetschen dann<br />

doch nicht so prickelnd klingt.<br />

Obwohl er dann den B2-Kurs<br />

erfolgreich abgeschlossen hat, hat er<br />

dich immer noch lieber dabei, wenn<br />

er zum Magistrat muss, damit er nicht<br />

irgendwas falsch versteht. Deine<br />

Freunde haben sich mittlerweile daran<br />

gewöhnt nur noch Englisch zu reden,<br />

wenn er dabei ist. Jetzt versteht er<br />

zwar ungefähr, worum es im Film geht,<br />

folgen kann er den Dialogen aber noch<br />

immer nicht. Und Freunde, mit denen<br />

er nur Deutsch reden muss, hat er<br />

auch noch nicht gefunden. Kommt<br />

alles noch, denkst du. Aber was, wenn<br />

nicht?<br />

Natürlich darf man das nicht verallgemeinern.<br />

Eine Bekannte hat voller<br />

Motivation Deutschkurse besucht und<br />

so oft wie möglich Deutsch gesprochen,<br />

sodass sie es innerhalb eines<br />

halben Jahres schaffte die Sprache<br />

perfekt zu lernen. Könnte also mit<br />

unserem importierten Boyfriend<br />

genauso klappen. Alles eine Frage der<br />

Motivation.<br />

BEWEGGRÜNDE<br />

Freut er sich darauf in einer neuen<br />

Umgebung zu wohnen und die neue<br />

Lebensweise inklusive der Sprache<br />

kennenzulernen, spricht absolut gar<br />

nichts dagegen, dass er sich erfolgreich<br />

einlebt. War er aber mit seinem<br />

Leben rundum zufrieden und hat<br />

das alles dir zuliebe aufgegeben,<br />

sieht es wieder anders aus. Will ich<br />

einen Freund, der sich ständig nach<br />

seinem alten Umfeld sehnt und bei<br />

jeder Gelegenheit, die sich ihm bietet,<br />

runter fährt? Ich hätte außerdem ein<br />

total schlechtes Gewissen, wenn ich<br />

wüsste, dass er wegen mir auf sein<br />

Umfeld verzichtet.<br />

Eine Freundin hat mich vor kurzem<br />

auf noch einen Punkt gebracht. Sie<br />

hat mir erzählt, dass sie letztens in<br />

Bosnien einen richtig netten Typen<br />

kennengelernt hat, mit dem sie sich<br />

auf Anhieb super verstanden hat. Aber<br />

sie kann sich nicht vorstellen mit ihm<br />

zusammen zu sein, weil sie ständig<br />

den Gedanken im Hinterkopf hätte,<br />

dass er nur deshalb mit ihr zusammen<br />

ist, um irgendwann ins reiche Österreich<br />

ziehen zu können.<br />

Aber mir ist schon klar, dass es<br />

nicht so einfach ist. Man sagt, dass<br />

zwei Menschen, die zusammengehören,<br />

einander immer finden. Und<br />

verlieben verläuft auch nicht nach dem<br />

Wünsch-dir-was-Prinzip. Ich persönlich<br />

bevorzuge aber eindeutig die regionale<br />

Auswahl. ●<br />

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KARRIERE / 49


Virtual Reality<br />

erobert Wien<br />

VREI ist die erste Virtual Reality Lounge<br />

in Österreich – weltweit die zweite. Ein<br />

gemütliches Lokal im siebten Bezirk, in<br />

dem man sich mit Freunden trifft – aber<br />

auch die Möglichkeit hat, in die Welt der<br />

Virtual Reality einzutauchen. Wir haben mit<br />

einem der Gründer, Timon Liebau, über den<br />

VR-Markt und seine Zukunft gesprochen.<br />

von Suzana Knezevic und Doina Boev, Foto: Susanne Einzenberger<br />

Wie kamst du zu VR?<br />

Das hat bei mir ganz klassisch angefangen – als<br />

Kind habe ich schon Rallye-Spiele auf dem Nintendo<br />

gespielt. Dann habe ich ein Lenkrad geschenkt<br />

bekommen, bin besser und schneller geworden.<br />

Irgendwann habe ich mitbekommen, dass es VR<br />

auch für den Consumer gibt und habe mich darüber<br />

informiert, welche Simulationen noch existieren.<br />

Ich kannte VR damals schon, ich wusste, dass<br />

die Technologie z.B. in der Medizin bei Phantomschmerzen<br />

oder beim Heer eingesetzt wird. Damals<br />

kosteten Geräte ungefähr 20.000 – 100.000 Euro<br />

und konnten nicht einmal die Hälfte davon, was die<br />

Oculus Brille jetzt kann.<br />

Wie wurde aus der Idee ein Business?<br />

Ich habe alle Informationen über diese Technik aufgesogen.<br />

Mein Nachbar, Florian Sam, hatte dann<br />

die Idee aus VR ein Business zu machen. Ich hatte<br />

das technische Know-how, er die finanziellen Mittel<br />

dazu. Also haben wir ein Konzept erstellt und ein<br />

Lokal gesucht.<br />

Wieso Bar und Virtual Reality in einem?<br />

Weil es für mich ein ganz logisches Konzept war.<br />

Warum gehen so wenige Leute Go-Cart fahren?<br />

Weil es irgendwo am Arsch der Welt liegt und weil<br />

es dort ungemütlich ist. Bei uns soll man sich wohlfühlen<br />

und kosten soll der Eintritt auch nichts.<br />

Wir wollen aus dieser Bar ein Virtual Reality–<br />

Sammelbecken machen, für die Industrie, für die<br />

Leute die Content erstellen und in erster Linie für<br />

50 / / RAMBAZAMBA MIT SCHARF / /


die Kunden, die sich dafür interessieren.<br />

Das zweite „kleine“ Konzept ist<br />

eine Spielhalle 2.0 mit Rennsimulatoren.<br />

Wir wollen vier Rennsimulatoren<br />

aufstellen, so kann man mit Freunden<br />

gleichzeitig auf der Strecke fahren.<br />

Welche Technologien kommen bei<br />

VREI zum Einsatz?<br />

Hauptsächlich benutzen wir Oculus-<br />

Geräte. Samsung ist auch ein wichtiger<br />

Partner von uns. Von ihnen kriegen wir<br />

Handys und passende Cardboards zur<br />

Verfügung gestellt.<br />

Wie groß ist der VR-Markt in Österreich?<br />

Gaming ist hier nicht groß, weil es keinen<br />

Markt dafür gibt. Da müssten wir<br />

20 Mio. Flüchtlinge aufnehmen, damit<br />

wir von der Anzahl der Menschen her<br />

überhaupt interessant werden. <strong>2016</strong><br />

ist das Jahr des kommerziellen VR,<br />

aber das Problem ist der Standort<br />

Österreich. Wir werden nicht wahrgenommen,<br />

man beliefert uns nicht<br />

einmal. Die fertigen Brillen werden nur<br />

nach Deutschland versandt.<br />

Wie kommt VR bei den WienerInnen<br />

an?<br />

Großartig. Aber ich habe die Vermutung,<br />

dass Personen über 40 unser<br />

Haupt-Klientel sind, da sie sich die<br />

Anschaffung der Brillen am ehesten<br />

leisten könnten und sie VR aus ihrer<br />

Kindheit, aus 80er Jahre-Science-<br />

Fiction Filmen kennen. Natürlich<br />

haben wir extrem viele Studenten und<br />

Jugendliche auch da. Wir erlauben<br />

die Benutzung aber erst Jugendlichen<br />

ab 13 Jahren, weil es von Oculus und<br />

Samsung so vorgegeben ist. Unsere<br />

älteste Kundin war 93 Jahre alt. Sie<br />

hat einen Beitrag über uns im Fernsehen<br />

gesehen. Die hat alles ausprobiert,<br />

ist nach drei Stunden gegangen und<br />

hat es all ihren Kindern und Enkeln<br />

erzählt.<br />

Wie sieht’s mit Zukunftsplänen aus?<br />

Eine Vision von mir wäre die Bar<br />

auszubauen, um dort virtuell ein vom<br />

Krieg zerfallenes Wien zu zeigen.<br />

Wenn man einmal die eigene Stadt<br />

in Schutt und Asche sieht, weiß man<br />

ansatzweise, was für ein beklemmendes<br />

Gefühl das ist und wie es<br />

anderen Menschen auf der Welt geht.<br />

Außerdem möchten wir eine Kunst-<br />

Ausstellung machen. Dabei würden<br />

wir den Raum virtuell umgestalten und<br />

ihn für Kunstobjekte vermieten. Die<br />

Besucher können dann mit der Brille<br />

gemütlich im Lokal sitzen und sich den<br />

Raum von Kunstwerk zu Kunstwerk<br />

anschauen. ●<br />

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52 / MIT SCHARF /


MIT SCHARF / 53


Trend-Check:<br />

Was Frauen wollen<br />

Good<br />

Vibrations<br />

Sagen wir es unumwunden:<br />

Vibratoren liegen im<br />

Trend, weibliche Lust<br />

hat Style. Das ist neu,<br />

das ist erfrischend, das<br />

ist emanzipiert, findet<br />

Lifestyle-Checkerin<br />

Delna Antia.<br />

Es vibriert auf dem weiblichen Modemarkt.<br />

Statt Selfiesticks und rosa iPhones gehören<br />

seit Neustem auch andere technologische<br />

Neuheiten ins Accessoire-Repertoire. Nein, ich<br />

bin nicht in den biber Erotik-Ressort gewechselt.<br />

Doch die weibliche Selbstbeglückung erscheint mir<br />

zunehmend lifestylig.<br />

MEIN FAIBLE<br />

Stutzig gemacht hat mich zunächst das Durchblättern<br />

einer meiner Lieblingskataloge. Auch wenn<br />

sein Name „Faibels“ rückblickend betrachtet auf<br />

tiefreichendere Produkte schließen lässt, trafen<br />

mich die unerwarteten Formen samt Beschreibungen<br />

doch unvorbereitet. So wurden zwischen<br />

Lichterketten, Couchtischen und Lederhand-<br />

Julie Brass, bereitgestellt<br />

54 / RAMBAZAMBA /


taschen auch die Neuheiten des<br />

vibrierenden Markts präsentiert.<br />

Locker und nonchalant, mit Sätzen<br />

wie “Gut festhalten, Mädels, hier ist<br />

eine echte Weltneuheit im Anflug.“<br />

Oder „Wer kann schon wissen, wann<br />

uns die Lust mal wieder überfraut?<br />

Da die ausgeklügelte Form mit der<br />

weichen, flexiblen Spitze extrem gut<br />

kommen, raten wir jedoch zu etwas<br />

Zurückhaltung – zumindest, was den<br />

Eigen-Geräuschpegel angeht.“ Ich bin<br />

ent- und begeistert. Einerseits freue<br />

ich mich aus feministischem Herzen,<br />

wie selbstverständlich hier über<br />

Hochleistungs-Akkus, Anpassungstechnik<br />

und Spezialmotoren geschrieben<br />

wird, andererseits: Habe ich da<br />

etwas verpasst? Anscheinend. Denn<br />

weder der „Womanizer“ noch der<br />

„GVibe2“ waren mir zuvor ein Begriff.<br />

Letzterer verfügt übrigens über 3<br />

Motoren, 4 Stunden Akkulaufzeit und<br />

kommt mit Gratisfeuchtigkeitsgel<br />

daher. Trotz dieser Verkaufsargumente<br />

entscheide ich<br />

mich lieber für eine Stehlampe<br />

von Faibels.<br />

Doch dann. Ein paar<br />

Monate später, während<br />

meines montäglichen<br />

„Mädls-Abend“<br />

auf Sixx, werde ich schon<br />

wieder großäugig. Obgleich<br />

ich bekennende „Sex and the<br />

City“-Anhängerin bin und Samantha<br />

vermutlich einen wesentlichen Beitrag<br />

zu meiner Aufklärung geleistet hat,<br />

ist es auf einmal der Werbeblock, der<br />

mich durch eine andere Art Sex and<br />

the City - wie soll ich sagen - bewegt.<br />

Diese Werbung da, sie spricht mich<br />

an! Im Clip für den Webshop „Amorelie“<br />

sieht man ein blondes Mädchen in<br />

sexy Szenen und alles daran ist nicht<br />

klischeehaft. Das Mädchen ist weder<br />

großbusig noch im billigen Lackoutfit,<br />

sie ist nicht nackt, sie räkelt sich<br />

nicht und ihre Zunge ist beim Reden<br />

nicht draußen. Stattdessen saust sie<br />

verspielt sexy in Spitzentops durch<br />

verschiedene urbane Szenen, um am<br />

Ende mit einem Ruf von „Mehr ich<br />

kann nicht mehr!“ ihrem Freund in<br />

die Arme zu fallen. Das Neue: Diese<br />

Werbung ist offensichtlich für Frauen<br />

gemacht. Hier stehen Sex und Liebe<br />

Weibliche<br />

Lust jenseits<br />

von männlichem<br />

Porno ist ein<br />

erfrischend<br />

neuer Trend<br />

in Verbindung. Sie schmust mit ihrem<br />

Partner statt mit einem „C-Date“,<br />

sie spielt mit ihm, statt bloß Objekt<br />

zu sein. Sie ist eine junge Frau, die<br />

Spaß an der Lust hat. Und am Ende<br />

denkt sich die Zuseherin, ja mei, das<br />

Spitzenhöschen ist doch hübsch und<br />

passt prima zu diesen plüschigen<br />

rosa Handschellen. Denn jene zum<br />

Abspann platzierten „Spielzeuge“<br />

wirken durch die Amorelie-Linse<br />

weder schmuddelig noch obszön. Der<br />

Online-Shop scheint nichts mit einem<br />

Beate Uhse-Shop von der Reeperbahn<br />

zu tun zu haben, sondern mutet<br />

eher wie eine trendige Boutique an,<br />

wo Latte Macchiato serviert wird und<br />

Vibratoren verkauft werden.<br />

AMORE<br />

Somit wurde Amorelie zur ersten<br />

„sexy“ Website, die ich im Internet<br />

aufgesucht habe. Ich war neugierig.<br />

Und siehe da, es gab wirklich hübsche<br />

Sachen! Eine Redaktionskollegin<br />

erzählte mir sogar,<br />

dass sie sich dort bereits<br />

einen BH bestellt hätte<br />

und dieser spitze sei.<br />

Tatsache, Amorelie<br />

kennt frau, nutzt<br />

frau. Eigentlich nicht<br />

verwunderlich, denn<br />

was die Ausstrahlungsfrequenz<br />

betrifft muss von einem<br />

lukrativen Absatzmarkt ausgegangen<br />

werden. Sind die G-Strings der<br />

90er die G-Vibratoren der <strong>2016</strong>er?<br />

Werde ich mich bald beflissen über<br />

die Vorteile des „Tiger“ im Gegensatz<br />

zum „Rabbit“ mit meinen Mädls<br />

beim Brunch unterhalten können?<br />

Nun, ich bezweifle es. Aber ich mag<br />

in dieser Hinsicht auch noch einer<br />

altmodischen FSK* unterliegen.<br />

Nichtsdestotrotz bin ich stolz auf<br />

diese Entwicklung. Weibliche Lust<br />

jenseits von männlichem Porno ist ein<br />

erfrischend neuer Trend. Und fliederfarbene<br />

Vibratoren im Silikonmantel,<br />

die eher einem transportablen Bose-<br />

Lautsprecher als einem riesigen,<br />

hautfarbenen Dildo ähneln, bedeuten<br />

mehr als technologischen Fortschritt.<br />

Sie demonstrieren vibrierende Emanzipation.<br />

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Für selbstbewusste Frauen, Paare und<br />

Männer gibt es bei Amorelie alles was die<br />

Lust begehrt. Ob hochwertige Vibratoren,<br />

Kostüme für Rollenspiele, Spitzenwäsche<br />

oder allerlei Spielzeug, der Sex-Shop sendet<br />

es dir diskret nach Hause. www.amorelie.at<br />

EIS AM STIEL<br />

Die adretten Mädchen im rosa-gelben<br />

Kleidchen spielen Flaschendrehen mit einem<br />

Vibrator. Ja, auch eis.de ist ein „harmloser<br />

Sexshop“, der 10 Jahre Garantie und<br />

365 Tage Geld-Zurück gewährleistet. Laut<br />

„Deutschland Test“ mit dem Siegel „Bester<br />

Online-Shop“ versehen. www.eis.de<br />

WOMANIZER<br />

„Der »Womanizer« ist das weltweit erste Toy,<br />

das uns mit pulsierenden Druckwellen ein<br />

neuartiges, intensives Lustgefühl bereitet.<br />

Vollkommen berührungsfrei. Anders als ein<br />

Vibrator verwöhnt der »Womanizer« mit<br />

fein dosierbaren Wellen von Druckluft – eine<br />

Überreizung ist damit ausgeschlossen.“ All<br />

das verspricht uns diese Neuheit um 169€<br />

auf faibels.at unter „Wellness“.<br />

NAUGHTY & NICE<br />

Zum Valentinstag ein bisschen Spielzeug?<br />

– In der Naughty & Nice Box finden sowohl<br />

Engelchen als auch Teufelchen etwas: Ob nietenbesetzte<br />

Lederfesseln<br />

oder eine<br />

Massagekerze,<br />

ob Butterfly<br />

Penisring<br />

oder eine<br />

Augenbinde.<br />

Um 109€ auf<br />

amorelie.at<br />

/ RAMBAZAMBA / 55


KULTURA<br />

Früher war alles cooler.<br />

Foto von Marko Mestrović


58 / RAMBAZAMBA /


RAMBAZAMBA / 59


KLEINE<br />

BÖREK,<br />

PITA,<br />

BUREK<br />

KUNDE<br />

Börek, Pita und Burek werden<br />

allesamt ähnlich zubereitet.<br />

Die Spezialität, die vermehrt<br />

am Balkan gegessen wird,<br />

besteht aus Blätterteig und der<br />

dazugehörigen Füllung. Diese<br />

kann bei Schafskäse anfangen<br />

und geht über Kraut bis hin zu<br />

Kürbis.<br />

BÖREK: Börek ist türkisch<br />

und wird meist in einer viereckigen<br />

Form gemacht. Danach<br />

wird er in quadratische Stücke<br />

geschnitten und serviert. Eine<br />

typisch türkische Füllung ist<br />

Spinat mit Schafskäse oder<br />

Erdäpfel.<br />

Der beste<br />

Burek Wiens<br />

Perfekt zum Frühstück und fast noch besser nach<br />

dem Fortgehen, hat sich der türkische Börek, der<br />

serbische Burek und die bosnische Pita in den<br />

Migrantenhotspots eingebürgert. Biber hat für euch<br />

getestet, wo der Burek am besten schmeckt!<br />

von Natalija Stojanović und Nikola Micevski, Fotos: Christoph Liebentritt<br />

PITA: Pita wird in Serbien<br />

und Bosnien meistens gerollt<br />

oder in einer Schneckenform<br />

zubereitet. In Serbien meint<br />

man mit Pita meist eine süße<br />

Füllung. Die Bosnier haben<br />

abhängig von der Füllung<br />

verschiedene Bezeichnungen:<br />

Sirnica zum Beispiel ist Pita<br />

mit Käse, Krompirusa mit<br />

Erdäpfeln und Burek ist bei<br />

den Bosniern nur der Blätterteig<br />

mit Faschiertem.<br />

BUREK: Burek ist bei den<br />

Serben die Bezeichnung für<br />

alle Blätterteiggerichte, die in<br />

einer runden Form zubereitet<br />

wird. Egal ob Käse, Spinat oder<br />

Faschiertes, in Serbien heißt<br />

er Burek. Übrigens: Die Serben<br />

und Türken essen Burek/Börek<br />

meist zum Frühstück, während<br />

die Bosnier Burek meist<br />

als Mittag- oder Abendessen<br />

verspeisen.<br />

Worin sich aber alle einig sind:<br />

Egal wie man es nennt, das<br />

Teiggericht schmeckt einfach<br />

himmlisch!<br />

PITAWERK<br />

Mariahilferstraße 147, 1150 Wien<br />

Das PitaWerk hat Anfang Jänner eröffnet und kann<br />

sich vor Kundschaft kaum retten. Die moderne,<br />

urbane Einrichtung ist sehr einladend. Die Auswahl<br />

an bosnischer Pita haut einen um: von Apfel bis zum<br />

Burek aus Sarajevo ist alles dabei. Unterstrichen wird das<br />

Ambiente durch musikalische Schmankerl vom Balkan und<br />

Joghurt aus Bosnien. Alles halal versteht sich. Biber wagt<br />

zu sagen: Vielleicht sogar die beste Pita Wiens!<br />

Bester Burek:<br />

Sarajevo<br />

Burek<br />

Preis:<br />

1 kg um<br />

12,90 €<br />

60 / RAMBAZAMBA /


ZELJO GRILL BUREK<br />

Thaliastraße 30, 1160 Wien<br />

Zeljo ist sicher der bekannteste Burek-Laden<br />

Wiens. Durch die viele Laufkundschaft wird<br />

die bosnische Pita immer frisch zubereitet.<br />

Dazu gibt es Jugo-Joghurt und viele andere<br />

selbstgemachte Spezialitäten. Geschmack und<br />

Freundlichkeit werden hier groß geschrieben.<br />

Tradition wird in Ottakring wirklich gut bewahrt.<br />

Beste Pita:<br />

Truthahn und<br />

Sauerrahm<br />

Preis:<br />

1 kg um<br />

9,90 €<br />

PITALINO<br />

Märzstraße 17, 1150<br />

Das Pitalino erinnert mehr an ein typisches<br />

Jugo-Café als an einen Pita-Laden. Die<br />

Wandsprüche auf BKS bringen einen zum<br />

Lachen, während man in seine Pita beißt.<br />

Die schmeckt wirklich gut, warm wäre<br />

sie wahrscheinlich noch besser gewesen.<br />

Trotzdem immer einen Besuch wert.<br />

SEVEN BÄCKEREI<br />

Thaliastraße 67, 1160 Wien<br />

Weg von der bosnischen Pita geht es zum türkischen<br />

Börek. Das Seven hat eine unfassbar<br />

riesige Auswahl an allem Essbaren. Der Börek<br />

ist knusprig und nicht zu fettig, die Low-Fat-<br />

Variante des Jugoteigs, stellen wir fest. Das<br />

Seven überzeugt mit Ambiente, großer Auswahl<br />

und leckerem, vor allem billigem Börek.<br />

Bester Börek:<br />

Erdäpfel<br />

Preis:<br />

Ein Stück um<br />

1,90 €<br />

Bester Börek:<br />

Schafskäse<br />

und Spinat<br />

Preis:<br />

Ein Stück um<br />

2 €<br />

Beste Pita:<br />

Schafskäse<br />

Preis:<br />

1 kg um<br />

12 €<br />

BÄCKEREI ASLAN<br />

Siebenbrunnengasse 75, 1050 Wien<br />

In der Nähe vom belebten Siebenbrunnenplatz<br />

befindet sich der türkische Bäcker Aslan. Neben<br />

allerlei türkischen Süßwaren, gibt es auch guten<br />

Börek zu kaufen. Wieder in der typisch-türkischen<br />

Low-Fat Variante. Bei unserer letzten Station des<br />

Geschmacktests sind wir nicht enttäuscht, auch<br />

hier kann man sich den Magen mit Börek vollschlagen.<br />

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62 / RAMBAZAMBA /


MIT SCHARF / 63


„Mia san Wienerland!“<br />

Von Jelena Pantić<br />

„Geiler Scheiß, made in<br />

Austria.“ – Das ist die Fantasy-<br />

Serie Wienerland. Regisseur<br />

Jan Woletz und die beiden<br />

weiblichen Hauptdarstellerinnen<br />

Barbara Kaudelka und Jeannine<br />

Mik erzählen von Menschen,<br />

Elfen, Orcs und Rassisten.<br />

<strong>BIBER</strong>: Ihr werdet mit Game of Thrones<br />

und The Walking Dead verglichen.<br />

Was ist Wienerland?<br />

JAN: Eine österreichisch produzierte<br />

Fantasy-Western-Serie auf Englisch.<br />

Die Vorgeschichte ist: Menschen<br />

haben um die Jahrhundertwende in<br />

ihrer Heimat zu wenig Platz gehabt<br />

und sind auf Schiffen auf einen anderen<br />

Kontinent übersiedelt. Dort lebten<br />

magische Lebewesen, die von den<br />

Menschen unterworfen wurden. Es<br />

gibt Menschen, die das unrecht finden<br />

und jene, die sich alles aneignen wollen<br />

und dann gibt es noch Magie. Und<br />

das eben in einen Fantasy-Western<br />

verpackt. Wir drehen im Prinzip eine<br />

internationale Produktion ohne Kohle.<br />

BARBARA: Es ist eine große Ehre mit<br />

so großen Produktionen verglichen<br />

zu werden. Ich bin relativ spät dazu<br />

Alexandra Stanić, Wienerland<br />

64 / KULTURA /


gestoßen. Mein erster Eindruck war<br />

aber: „Wow, geiler Scheiß! Made in<br />

Austria.“ Es ist einerseits Unterhaltung<br />

mit vielen interessanten Charakteren,<br />

andererseits auch Gesellschaftskritik,<br />

die gegenwärtiger nicht sein könnte.<br />

Zudem für uns Schauspieler richtig<br />

schön zu spielen, denn man kann wirklich<br />

Gas geben.<br />

<strong>BIBER</strong>: Welche gesellschaftlichen<br />

Aspekte werden kritisiert?<br />

JAN: Auf jeden Fall Rassismus, denn<br />

die magischen „Andersartigen“ werden<br />

unterdrückt. Es gibt Ordnungshüter,<br />

die Citywatch, die das ausführt<br />

und Nazi-Uniformen trägt. Jedenfalls<br />

gibt es in Wienerland keine Schwarz-<br />

Weiß-Malerei, auch die vermeintlich<br />

Bösen lassen mal ihre Masken fallen.<br />

<strong>BIBER</strong>: Erster Mood-Teaser 2014 im<br />

U4, dann Premiere der ersten Folge<br />

bei der Comic Con 2015. Wie hat sich<br />

Wienerland entwickelt?<br />

JAN: Die Idee wird seit 2007<br />

bearbeitet. Es hat als „Orcs am<br />

Würstelstand“-Geschichte begonnen.<br />

Kommen ein Orc und ein Zwerg zum<br />

Würstelstand, treffen einen Magier<br />

und es kommt zu einer namenlosen<br />

Schießerei. Davon ist es jetzt ziemlich<br />

weit entfernt, wir gehen nun mehr in<br />

die Tiefe der Charaktere.<br />

JEANINNE: Ich bin von Anfang an<br />

dabei. Und ich hab zwar gewusst,<br />

dass es gut wird, ich wusste nur nicht,<br />

dass es so gut wird. Wenn man sich<br />

ansieht, welches Budget wir haben,<br />

ist das beachtlich. Es wurde so viel<br />

Zeit, Liebe und Kraft von allen Beteiligten<br />

investiert. Für mich ist ein Level<br />

erreicht, an dem ich irrsinnig stolz bin,<br />

Teil von Wienerland zu sein.<br />

<strong>BIBER</strong>: Was macht die Produktion<br />

österreichisch?<br />

JAN: Es gibt die Struktur einer Monarchie,<br />

die ihre Wurzeln aus der österreichischen<br />

Geschichte zieht. Wir haben<br />

Crew und Darsteller aus Österreich<br />

und österreichische Drehorte. Wenn<br />

man unsere Gebäude ein bisschen<br />

am Computer bearbeitet, hat man<br />

wunderschöne Kulissen, die sie in<br />

Hollywood um Millionen erst hinbauen<br />

müssen. Und wir haben’s einfach hier<br />

stehen.<br />

<strong>BIBER</strong>: Schöne Erfrischung: In Wienerland<br />

gibt es viele starke Frauenrollen,<br />

die eventuell noch stärker werden.<br />

#frauenpower<br />

BABS: Ich find’s großartig, weil es auch<br />

wirklich an der Zeit war. Ich bin eine<br />

ganz starke Verfechterin davon, dass<br />

Frauen einander den Rücken stärken<br />

- Schwesternpower. Das spiegelt sich<br />

auch in den Rollen wider: Mina würde<br />

ihr Leben für ihre beste Freundin Atalja<br />

geben. Die Stärke einer Frau erkennt<br />

man daran, wie sie mit anderen Frauen<br />

umgeht.<br />

JAN: Nach der Premiere sind drei<br />

kleine Mädels zu mir gekommen und<br />

meinten: „Die Mina ist so cool, bitte<br />

mach, dass sie nicht stirbt!“<br />

<strong>BIBER</strong>: Wie ist die Stimmung am Set?<br />

ALLE DREI: Unglaublich.<br />

JEANNINE: Das ist bisschen Standard<br />

zu sagen, dass das Set wie eine<br />

Familie war. Aber ich schließe mich<br />

dem hier gerne an. Die Leute sind<br />

der Hammer. Ganz tolle, talentierte<br />

Menschen, die an dasselbe glauben<br />

und daran arbeiten – es war ua lustig<br />

und ua leiwand. Trotz bis zu 20 Stunden<br />

langer Drehtage hat nicht einmal<br />

jemand gemotzt. Bei Drehschluss<br />

wurde dann auch die eine oder andere<br />

Träne vergossen.<br />

<strong>BIBER</strong>: Wie geht es mit Wienerland<br />

weiter? Was braucht ihr, um euer Ziel<br />

zu realisieren?<br />

JAN: Nur Geld. Wir haben das Serienformat<br />

und genug Stoff für fünf<br />

Staffeln. Derzeit verhandeln wir mit<br />

Produktionsfirmen und mit mehr<br />

Budget für World Creation könnten wir<br />

eine noch viel stimmigere Geschichte<br />

erzählen. Zudem haben 85% der<br />

Beteiligten gratis mitgearbeitet.<br />

Zumindest die Darsteller möchten wir<br />

bezahlen können. Ich möchte aber mit<br />

meinem Cast weiterdrehen. Natürlich<br />

möchten wir Geld verdienen, aber ich<br />

möchte einfach meine Geschichte<br />

weitererzählen, das ist mir das Wichtigste.<br />

Und wenn die letzte Möglichkeit<br />

Crowdfunding ist, dann machen wir<br />

eben das. ●<br />

<strong>BIBER</strong> SENF<br />

Die erste Folge gab es auf der<br />

Comic Con 2015 zu sehen.<br />

Diverser und ausgezeichneter<br />

Cast, düstere Stimmung, starke<br />

Frauenrollen mit der perfekten<br />

Mischung aus badass<br />

und girly – alles in allem: coole<br />

Story, tolle Charaktere und<br />

tiefsinnige Dialoge. Außerdem<br />

spielt unsere ehemalige biber-<br />

Stipendiatin Marie-Noel Mtwa<br />

als Rebellin mit, was doppelt<br />

cool ist. Also bitte irgendwer:<br />

Finanziert’s den Shit, wir wollen<br />

wissen wie es weitergeht!<br />

/ KULTURA / 65


Bosnien:<br />

Die Araber kommen!<br />

Von Melisa Erkurt<br />

Sie erbauen Halal-Shopping zentren, melden über 200 neue Firmen an und<br />

erstehen hunderttausende Quadratmeter Land. Die Araber fühlen sich<br />

wohl in Bosnien, das angenehme Klima, die vielseitige Landschaft und die<br />

muslimische Bevölkerung sagen ihnen zu. Doch welche Konsequenzen hat<br />

die steigende Zahl der arabischen Zuwanderer für Bosnien und Europa?<br />

66 / OUT OF AUT /


Amel Emric / AP / picturedesk.com, Marko Mestrović, bereitgestellt<br />

Meine Tante aus Sarajevo ist gerade zu Besuch<br />

bei uns in Österreich. Sie hat ein Haus in Ilidža,<br />

einem Vorort von Sarajevo. Sie sagt, sie sei<br />

vor dem fürchterlichen Smog geflohen. „Die Leute heizen<br />

mit allem Möglichen, vor allem die Araber“, erzählt sie<br />

mir. Ich schüttle den Kopf. Von den Arabern reden meine<br />

Familie und meine Bekannten aus Bosnien in letzter<br />

Zeit oft in diesem anklagenden Ton. „Wie viele luxuriöse<br />

Shoppingzentren wollen sie noch erbauen?“, fragt meine<br />

Cousine und verdreht die Augen. Tatsächlich gehört das<br />

größte Einkaufszentrum der Hauptstadt, „Centar Sarajevo“,<br />

Arabern. Die Einwohner nennen es nur „Al-Shiddi“, weil so<br />

die Investorengruppe heißt, die das Einkaufszentrum erbaut<br />

hat. Meine Familie und viele meiner Freunde und Bekannten<br />

aus Sarajevo haben muslimischen Background. Manche von<br />

ihnen sind sehr gläubig, andere kaum. Ungeachtet dessen<br />

haben alle eine kritische Einstellung zu der wachsenden<br />

Zahl an arabischen Zuwanderern in und rund um Sarajevo.<br />

Auch ich bemerke bei jedem Heimaturlaub von Mal zu Mal<br />

mehr vollverschleierte Frauen in schwarz und Männer mit<br />

Vollbart. Die Touristen scheinen genauso erstaunt wie ich.<br />

Das wurde nicht in ihrem Reiseführer erwähnt, in dem Bosnien<br />

als modernes Land angepriesen wird.<br />

KOMMEN, UM ZU BLEIBEN<br />

„Wenn die Zahl der Touristen zurückgeht, haben wir das<br />

ihnen zu verdanken“, sagt Edin. Wieder sind die arabischen<br />

Zuwanderer gemeint. Edin ist Touristenführer und fürchtet<br />

um sein Geschäft. „Die<br />

Touristen werden glauben,<br />

„Wenn die Zahl<br />

der Touristen<br />

zurückgeht,<br />

haben wir<br />

das ihnen zu<br />

verdanken“<br />

dass Bosnien ein konservatives<br />

Land ist, dabei sind<br />

es die Araber, die versuchen<br />

das aus unserem<br />

Land zu machen.“ Um<br />

genau zu sein, sind es vorwiegend<br />

Kuwaitis, Saudis<br />

und Kataris. Sie kommen<br />

zwar als Touristen - das<br />

geht leicht, weil sie kein<br />

Visum brauchen - sind<br />

aber nicht an Sightseeing interessiert. „Ich habe das Gefühl,<br />

sie kommen, um sich nach einer guten Lage für Investitionen<br />

umzuschauen“, sagt er. „Immer mehr von ihnen<br />

bleiben, eröffnen eigene Geschäfte und Cafés. Alkohol wird<br />

natürlich weder ausgeschenkt noch verkauft, auch nicht in<br />

den Shoppingzentren“, ergänzt er.<br />

Da nur registrierte Firmen Land kaufen dürfen, stammen<br />

alleine aus Kuwait 232 in Bosnien neu angemeldete Firmen.<br />

Ein kuwaitischer Investor will am Berg Igman um zwei<br />

Milliarden Euro einen futuristischen Stadtteil für 40.000<br />

Einwohner unter dem Namen „Nova Ilidža“ erbauen. Der<br />

Während die Bosnier in im Krieg zerstörten Wohnsiedlungen<br />

leben, bauen sich die Araber Villen auf<br />

Sarajevos Berghängen.<br />

kuwaitische Botschafter hat sich bereits seine Privatresidenz<br />

in Ilidža einrichten lassen, berichtet auch der Kurier<br />

in einer großen Bosnien-Reportage. Wer nicht so viel Geld<br />

hat, findet einen anderen Weg, eine Firma anzumelden.<br />

Eine Bekannte aus Sarajevo hat letzte Woche einen Katari<br />

geheiratet. Er möchte eine Firma in Sarajevo gründen, auf<br />

den Namen seiner Ehefrau. Die beiden kennen sich erst seit<br />

ein paar Monaten. Auf der Hochzeit durfte sie männlichen<br />

Gästen kein Bussi zur<br />

Begrüßung geben, nicht<br />

einmal ihren Verwandten<br />

- das hat ihr ihr Mann<br />

verboten.<br />

Auch mit meiner Tante<br />

wollen Kataris Geschäfte<br />

machen. Zwei Studenten<br />

aus Katar haben sie<br />

gefragt, ob sie ihnen ihr<br />

Haus auf Ilidža vermieten<br />

würde. Meine Tante<br />

überlegt, den Vorschlag<br />

„Sie versuchen<br />

nicht einmal<br />

Bosnisch zu<br />

lernen und<br />

bleiben nur<br />

unter sich“<br />

anzunehmen. Wohl fühlt sie sich in ihrer Siedlung sowieso<br />

nicht mehr. Die Mehrzahl ihrer Nachbarn sind mittlerweile<br />

Araber. „Sie versuchen nicht einmal Bosnisch zu lernen und<br />

bleiben nur unter sich“, erzählt meine Tante. Die Männer<br />

schauen meiner Tante nicht ins Gesicht, ignorieren sie. Die<br />

Frauen verlassen ihre Häuser nur selten. „Keine Ahnung, ob<br />

ich für sie das Feld räumen soll“, sagt meine Tante.<br />

BIG BUSINESS<br />

Andere haben sich längst auf Geschäfte mit den reichen<br />

Emiratis eingelassen. Nedim ist der persönliche Chauffeur<br />

einer arabischen Familie. Er fährt sie durch ganz Bosnien,<br />

damit sie die Landschaft erkunden können. Nedim hat für<br />

die arabische Familie sogar ein Haus auf seinen Namen<br />

gekauft, da diese als offizielle Touristen kein Grundstück<br />

erwerben dürfen. Sie gaben ihm das Geld bar, er kaufte<br />

/ OUT OF AUT / 67


zusperren, ich lebe von den Einnahmen der internationalen<br />

Touristen, die Araber bringen mir nichts.“<br />

Die Balance zwischen Weltlichem und Geistlichem war<br />

in Sarajaevo bisher ausgeglichen.<br />

das Haus. Dieses Business hat sich unter den Bosniern<br />

rumgesprochen, so ist Nedim nicht der einzige, der auf<br />

seinen Namen ein Haus für Araber kauft und eine Provision<br />

einsteckt.<br />

Nedim weiß auch, wieso es seinen neuen Mitbürgern so<br />

gut in Bosnien gefällt: „Die Araber lieben das angenehme<br />

Klima und die vielseitige Landschaft Bosniens. Bei uns<br />

können sie entspannen und trotzdem wie zuhause in die<br />

Moscheen gehen und unter sich bleiben.“<br />

DIE SCHATTENSEITEN<br />

Vor allem die Mittelschicht kommt ins günstige Bosnien<br />

und residiert dann dort wie die Schönen und Reichen aus<br />

Beverly Hills. Angelehnt daran haben Araber 180.000<br />

Quadratmeter auf den Berghängen von Sarajevo erstanden.<br />

214 Luxusvillen sollen in „Poljine Hills“ entstehen. Zum<br />

Vergleich: Das Monatseinkommen eines bosnischen Arztes<br />

liegt bei ungefähr 400 Euro. Junge Erwachsene leben mit<br />

30 noch bei ihren Eltern, weil sie sich keine eigene Wohnung<br />

leisten können. Die Bosnier müssen einen Kredit<br />

aufnehmen, wenn sie einen neuen Kühlschrank brauchen.<br />

Doch nicht für alle lohnt sich das Geschäft mit den Arabern.<br />

Lejla, die Besitzerin<br />

eines kleinen Ladens in<br />

„Er lässt sich<br />

von den Saudis<br />

bezahlen. Für<br />

jeden Zentimeter,<br />

um den er seinen<br />

Bart wachsen<br />

lässt, bekommt<br />

er Geld “<br />

Sarajevos Altstadt, in dem<br />

sie ihr handgemachtes<br />

Kaffeezubehör verkauft,<br />

ist verzweifelt: „Die arabischen<br />

Touristen haben<br />

keinen Respekt vor meiner<br />

handgefertigten Ware. Sie<br />

feilschen und bieten viel zu<br />

wenig. Sie sagen, meine<br />

Ware wäre nicht so viel<br />

wert. Wenn die arabischen<br />

Touristen die anderen Touris<br />

verdrängen, kann ich<br />

ANGST UM DIE ALTE HEIMAT<br />

Es scheint, als gäbe es in Sarajevo zurzeit kein anderes<br />

Thema als die arabischen Zuwanderer: „Hast du das von<br />

Adin gehört? Er lässt sich von den Saudis bezahlen. Für<br />

jeden Zentimeter, um den er seinen Bart wachsen lässt,<br />

bekommt er Geld.“ „Amelas Tochter hat einen Araber<br />

geheiratet. Jetzt ist sie vollverschleiert und darf nicht<br />

einmal mit ihrem eigenen Bruder in einem Zimmer sein.“<br />

Anfangs habe ich solche Geschichten belächelt. Ich habe<br />

die Situation in meiner alten Heimat nicht derart kritisch<br />

eingeschätzt. Aber es ist einfach aus dem reichen, sicheren<br />

Österreich hinweg zu urteilen. Mein Cousin, ein Anwalt,<br />

verdient nicht mehr als ich bei einem Studentenjob auf<br />

geringfügiger Basis im Verkauf verdient habe. Aber er ist<br />

froh überhaupt einen Job zu haben, schließlich liegt die<br />

Arbeitslosenquote in Bosnien bei über 40 Prozent. Die<br />

Mehrzahl davon sind junge Leute zwischen 20 und 30.<br />

Bosnien ist damit ein<br />

Nährboden für Radikalismus.<br />

Die Menschen sind<br />

frustriert, enttäuscht,<br />

haben keine Perspektive.<br />

Edin wagt einen<br />

erschreckenden Blick in<br />

die Zukunft: „Dass Serbiens<br />

EU-Beitritt verhandelt<br />

wird und Bosnien wieder<br />

außen vor bleibt, war wie<br />

ein Schlag ins Gesicht. Die<br />

reichen Araber investieren<br />

als einzige in unser Land,<br />

„Die reichen<br />

Araber<br />

investieren als<br />

einzige in unser<br />

Land, sonst will<br />

uns ja keiner“<br />

sonst will uns ja keiner. Es ist leider nur eine Frage der Zeit,<br />

bis das Konsequenzen haben wird – und dann nicht nur für<br />

Bosnien, sondern für ganz Europa.“ ●<br />

Von Jahr zu Jahr prägen immer mehr vollverschleierte<br />

Frauen das Stadtbild Sarajevos.<br />

68 / OUT OF AUT /


OUT OF AUT / 69


„Die Leiden des jungen Todors“<br />

Von Todor Ovtcharov<br />

Dieter und Ali<br />

Dieter und Ali sind wie die Helden eines<br />

Romans. Sie sind Außenseiter mit<br />

guten Herzen. Niemand weiß, wie sie<br />

nach Wien gekommen sind. Sie haben<br />

sich irgendwie gefunden. Dieter kommt aus der<br />

Berliner Plattenbausiedlung “Marzahn”. Dort hat<br />

er zuletzt bei seiner Oma gewohnt. Er ist leicht<br />

“geistig zurückgeblieben”, wie er selbst sagt. Laut<br />

ihm hat er sein ganzes Leben lang “die Straßen<br />

gemessen”. Er hat sich immer Geld von irgendwelchen<br />

Leuten geborgt, um zu überleben. Er kann<br />

selber nicht erklären, wie er nach Wien gekommen<br />

ist und noch weniger weiß er, warum. Dieter liebt<br />

es zu singen, obwohl er kein einziges Lied bis zum<br />

Ende singen kann.<br />

Ali kommt aus der bulgarischen Kleinstadt<br />

Razgrad, bekannt durch ihre gemischte bulgarischtürkische<br />

Bevölkerung und den bulgarischen<br />

Fußballmeister “Ludogoretz”. Ali hat ganz Europa<br />

durchstöbert. Er hat schon in Griechenland, in<br />

Italien, in Deutschland und in Frankreich gelebt. Ali<br />

ist seit mehreren Jahren obdachlos.<br />

HOMELESS-LIFESTYLE<br />

Das Obdachlossein ist für ihn ein Lifestyle, eine<br />

Philosophie, die er selbst nicht ganz erklären kann.<br />

Ali ist gratis mit den Eisenbahnen von ganz Europa<br />

gefahren. Er hat sich entweder vor den Schaffnern<br />

versteckt, oder ist in Frachtzügen gefahren. Er<br />

kann sogar die Namen von unzähligen Bahnhöfen<br />

in Europa auswendig. Es ist merkwürdig, wie<br />

er sich alle Namen gemerkt hat, obwohl er nicht<br />

lesen kann. Ali hat niemals gearbeitet. Er hat auch<br />

niemals gebettelt.<br />

KEIN GELD, KEIN MELDEZETTEL<br />

Die beiden haben sich in einem Wiener Obdachlosennotquartier<br />

getroffen und sind seitdem<br />

unzertrennlich. Sie erzählen, wie ein Mann, der<br />

mit einem riesigen Kreuz herumgelaufen ist, sie<br />

zum Betteln bringen wollte. Sie liefen aber weg.<br />

Sie wollen viel lieber “die Straßen abmessen” und<br />

Zigarettenstümmel vom Boden sammeln. Dieter<br />

und Ali sind die beiden Hälften eines Apfels.<br />

Neulich betrank sich Ali und wollte sich mit allen<br />

schlagen. Er wurde vom Obdachlosennotquartier<br />

vertrieben. Dieter kam mit ihm mit – er schlief<br />

lieber auf der Straße in der kalten Winternacht, als<br />

seinen Freund im Stich zu lassen.<br />

Dieter hat eine Schwester in Deutschland. Sie<br />

will nichts von ihm wissen. Er erinnert sich auch<br />

ungern an sie. Die Freundschaft mit Ali reicht für<br />

ihn aus.<br />

Diese Menschen sind nirgendwo angemeldet.<br />

Aber sie sind hier irgendwo in Wien.<br />

Für viele sind sie wahrscheinlich unsichtbar.<br />

Sie haben keine Bankkonten oder Meldezettel.<br />

Sie haben nur Ohren, die in der Kälte frieren, und<br />

Beine, die vom Schnee nass werden. Sie sind nicht<br />

unsichtbar. Sie sind da und sie messen jeden Tag<br />

die Straßen ab. ●<br />

70 / MIT SCHARF /


AKTE X | DIE NEUE STAFFEL<br />

jeden DO 20:15<br />

AkteX_207x270.indd 1 26.01.16 08:38

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