Leseprobe_100161
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Reisgen ∙ Stein
Grundlagen
der Fügetechnik
Schweißen, Löten und Kleben
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
htttp://dnb.dnb.de abrufbar.
Fachbuchreihe Schweißtechnik
Band 161
ISBN 978-3-945023-49-5
Alle Rechte vorbehalten.
© DVS Media GmbH, Düsseldorf · 2016
Herstellung: Kraft Druck GmbH, Ettlingen
Vorwort
In fast jeder industriellen oder handwerklichen Produktion stellt das Zusammenfügen
von Einzelteilen den entscheidenden Schritt zur Herstellung von Unterbaugruppen,
Baugruppen und fertigen Produkten dar. Neben kraft- und formschlüssigen
Fügeverfahren kommen hier aufgrund ihrer spezifischen Vorteile
sowohl auf technologischem als auch auf wirtschaftlichem Gebiet häufig stoffschlüssige
Fügeverfahren wie das Schweißen, Kleben oder Löten zur
Anwendung. Möglichkeiten, Grenzen und notwendige Randbedingungen der zur
Verfügung stehenden Verfahren, die Wechselwirkungen der verwendeten
Werkstoffe mit den Prozessen und deren Auswirkungen auf das Bauteil, aber
auch die Fertigungsaspekte wie die Mechanisierung und Automatisierung der
Produktionsabläufe sowie auch der Arbeitsschutz sind schon in der Konzept- und
Konstruktionsphase zu berücksichtigen. Auch die Qualitätssicherung dieser
vergleichsweise komplexen Prozesse sollte möglichst früh bedacht werden.
Die nach dem Berufsabschluss zu absolvierende Ausbildung zu Schweiß-, Lötoder
auch Klebfachleuten, welche sowohl auf der Ingenieursebene als auch
im Technikerbereich angeboten wird, generiert und qualifiziert Spezialisten,
die dann hauptsächlich in der Fertigung beschäftigt werden. In allen anderen
Bereichen werden meist Generalisten oder spezialisierte Konstrukteure, Arbeitsplaner
oder Qualitätssicherer eingesetzt. Die Erfahrung der Autoren lehrt, dass
gerade bei diesen Berufsgruppen die grundlegenden Kenntnisse rund um das
stoffschlüssige Fügen oft nicht ausreichend sind.
Konsequenterweise wendet sich dieses Fachbuch an Ingenieure und Techniker
mit Aufgaben in Konstruktion, Arbeitsplanung, Fertigung oder Qualitätssicherung
aus Industrie und Handwerk in Unternehmen jeglicher Größe, denen es als
Einstieg in das Thema „Fügetechnik“ dienen soll. Aber auch den Studenten der
Ingenieurwissenschaften soll es zur Vertiefung des Vorlesungsstoffs dienen.
Neben dem Schweißen werden auch die verwandten Verfahren Löten und
Kleben als Exkurs berücksichtigt. Der Leser soll so in die Lage versetzt werden,
technologisch und wirtschaftlich geeignete Fügeprozesse auszuwählen und sein
Produkt im Fertigungsumfeld möglichst fügegerecht zu gestalten.
Den Autoren ist es wichtig, das Spannungsfeld aus Fertigung, Werkstoff, konstruktiver
Ausgestaltung, Qualitätssicherung und wirtschaftlichen Randbedingungen
zu beleuchten. Das Fachbuch folgt in seinem Aufbau diesem
Gedanken und stellt neben den Fügeverfahren und deren technologischen und
wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie Grenzen auch die Einbindung in Fertigungsabläufe,
Qualitätssicherung und den Arbeitsschutz dar. Dem Werkstoffverhalten
beim Fügen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Daraus abgeleitet werden
grundlegende Regeln zur konstruktiven Gestaltung behandelt. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit und des einfacheren Verständnisses wird dabei in vielen Fällen
auf eine hohe Detailtiefe verzichtet und stattdessen auf weiterführende Literatur
und Normung verwiesen.
Das Fachbuch entstand unter Mithilfe von Mitarbeitern des Institutes für Schweißtechnik
und Fügetechnik der RWTH Aachen. Die Autoren bedanken sich hier
insbesondere bei Herrn Dipl.-Ing. Jens Schoene für die Erstellung des Kapitels
„Kleben“ und bei allen anderen Kollegen für die kritische Durchsicht des Textes.
Aachen, im Februar 2016
Uwe Reisgen und Lars Stein
1 Einführung
Produktion, das heißt die Be- und Verarbeitung von Rohstoffen und Halbzeugen
zu nutzbaren Produkten, ist fast so alt wie die Menschheit selber. Faustkeile als
sehr frühe bekannte Werkzeuge sind schon bei den Frühmenschen nachgewiesen
und stellen sowohl ein bearbeitetes Produkt wie auch ein Werkzeug, z. B. für
die Gewinnung und Herstellung von Nahrung, dar.
Diese monolithischen ersten „Produkte“ kamen noch ohne Fügetechnik aus.
Doch schon die Weiterentwicklung dieser noch sehr primitiven Werkzeuge zu
effektiveren Waffen oder Bearbeitungswerkzeugen (zum Beispiel durch Montage
einer Steinklinge auf einen hölzernen Schaft zur Herstellung eines Beiles als
Werkzeug zur Holzbearbeitung) machte die Entwicklung von Fügeverfahren notwendig.
Bei der im September 1991 in den Ötztaler Alpen aufgefundenen und
später als „Ötzi“ bekannt gewordenen Mumie eines aus der beginnenden Kupferzeit
stammenden Menschen fanden sich neben der erhaltenen und durchaus
recht komplex gearbeiteten Bekleidung auch zahlreiche Ausrüstungsgegenstände
und Waffen, Abbildung 1. Hervorzuheben ist das Beil, bei dem eine gegossene
und durch kaltes Hämmern hergestellte Klinge aus reinem Kupfer mit Birkenholzteer
in eine sorgfältig bearbeitete Schäftung aus Holz eingeklebt und die Fügestelle
durch Umwickeln mit schmalen Lederstreifen verstärkt wurde. Dieselbe
Technik fand sich auch bei den in einem aus Gamsfell genähten Köcher gefundenen
Pfeilen [1].
Abbildung 1. Beil und Pfeile aus der beginnenden Kupferzeit
(© Südtiroler Archäologiemuseum – www.iceman.it).
Ein anderes Beispiel aus der Antike stellt das rund 2500 vor Christus in Sumer
entdeckte Feuerschweißen von Gold dar [2], welches es den Metallhandwerkern
ermöglichte, dauerhaft gefügte Produkte aus mehreren Einzelteilen zu fertigen.
Funde aus vielen frühen Kulturen belegen die Verwendung von Feuerschweißund
Lötprozessen, meist zur Fertigung von Schmuck und Kultgegenständen.
1
Mitte bis Ende des 18. Jahrhunderts wird von den ersten Nachweisen der Autogentechnik
und auch den ersten elektrischen Schweißverfahren berichtet. Meilensteine
auf dem Weg zur modernen Schweißtechnik waren sicherlich auch die
Erfindung des Luftzerlegeverfahrens durch Carl von Linde 1902 sowie 1905 der
Acetylen-Sauerstoff-Brenner von Messer. Bereits 1906 wurden die ersten Punktschweißmaschinen
von AEG an die Blechwarenindustrie ausgeliefert. 1907/1908
erhielt Kjellberg Patente für umhüllte Stabelektroden, die später dem Schweißen
mit der Stabelektrode zum Durchbruch verhelfen sollten. Frühe Varianten des
Lichtbogenschweißens mit abschmelzender Elektrode finden sich ab 1922, die
dann später zum Metall-Schutzgasschweißen (1926) und Unterpulverschweißen
(etwa 1934) weiterentwickelt wurden. Parallel dazu wurden viele Entwicklungen
angestoßen, die schlussendlich zu der Vielzahl von Schweißverfahren geführt
haben, die heute für die handwerkliche und industrielle Fertigung zur Verfügung
stehen.
Bei der Produktion eines modernen Kraftfahrzeuges werden heute in allen Bereichen
(Antrieb, Karosserie, Fahrwerk, Elektrik und Elektronik, Innenausstattung,
usw.) Fügeprozesse eingesetzt. Unter Berücksichtigung der jeweiligen Funktion,
der eingesetzten Werkstoffe sowie der geforderten mechanisch-technologischen
Eigenschaften der Verbindung wird eine Vielzahl von Einzelteilen zu Unterbaugruppen
zusammengesetzt, aus denen Baugruppen entstehen, die dann nach
weiteren Fügeprozessen das verkaufsfertige Fahrzeug ergeben, Abbildung 2.
2
Abbildung 2. Multimaterialmix an einer PKW-Leichtbaukarosserie [3].
Ohne Fügeprozesse ist damals wie heute handwerkliche und industrielle Produktion
von Gütern undenkbar. DIN 8580 [4] ordnet das Fügen daher in eine eigene
Hauptgruppe ein, Tabelle 1, deren Zweck es ist, die Form der Werkstücke durch
das Vermehren des Zusammenhaltes (dem Verbinden) zu verändern.
Tabelle 1. Systematik der Produktionsverfahren nach DIN 8580, Tabelle 1 [4].
Schaffen der
Form
Zusammenhalt
schaffen
Hauptgruppe 1
Urformen
Zusammenhalt
beibehalten
Hauptgruppe 2
Umformen
Ändern der Form
Zusammenhalt
vermindern
Hauptgruppe 3
Trennen
Zusammenhalt vermehren
Hauptgruppe
4 gruppe 5
Haupt-
Fügen Beschichten
Ändern der
Stoffeigenschaften
Hauptgruppe 6
Stoffeigenschaft
ändern
1.1 Systematik des Fügens
Nach DIN 8593 bezeichnet der Begriff „Fügen“ das auf Dauer angelegte Verbinden
oder sonstige Zusammenbringen von zwei oder mehr Werkstücken geometrisch
bestimmter Form oder von ebensolchen Werkstücken mit formlosem Stoff.
Dabei wird jeweils der Zusammenhalt örtlich geschaffen und im Ganzen vermehrt
[5]. Die Verbindung kann dabei beweglich oder unbeweglich sein, die für den
Zusammenhalt notwendigen Kräfte werden über die Wirkflächen übertragen.
Systematisch wird nach lösbaren Verbindungen (welche ohne Beschädigung der
gefügten Teile wieder gelöst werden können [5]) und unlösbaren Verbindungen
(welche nur unter Inkaufnahme einer Beschädigung oder Zerstörung der gefügten
Teile wieder gelöst werden können [5]) unterschieden.
Abbildung 3. Grundsätzliche Möglichkeiten des Zusammenhaltes.
Zur Übertragung der für den Zusammenhalt notwendigen Kräfte kann weiterhin
nach drei grundsätzlichen Mechanismen unterschieden werden, Abbildung 3.
– Formschluss überträgt die Verbindungskräfte durch Verhindern einer senkrecht
zur Wirkebene gerichteten Bewegung. Formschlüssige Verbindungen können
lösbar oder unlösbar sein und je nach Konstruktion auch noch lineare oder
3
otatorische Bewegungen in einer oder mehreren Raumachsen zulassen. Beispiele
sind Nut-Passfeder-Verbindungen, Abbildung 4, oder Schwalbenschwanzverbindungen.
Abbildung 4. Formschluss – Passfeder
in einer Welle-Nabe-Verbindung.
Abbildung 5. Kraftschluss – Welle-Nabe-
Schrumpfverbindung, Montage durch
Kühlung der Welle (Quelle: IES GmbH,
Krefeld).
– Kraftschluss nutzt die Reibung zur Übertragung der Verbindungskräfte. Dies
setzt eine senkrecht auf die Wirkebene gerichtete Kraft voraus, die, über den
Haftreibungskoeffizienten verknüpft, die zusammenhaltende Kraft hervorruft.
Die Verbindungen können sowohl lösbar wie auch unlösbar ausgeführt sein,
und sind in der Regel nicht beweglich. Beispiele sind Schrumpf- und Pressverbindungen,
Abbildung 5, auch geklemmte Verbindungen beruhen auf Kraftschluss.
4
Abbildung 6. Stoffschluss – Mehrlagenschweißung mit dem Unterpulververfahren.
– Stoffschluss überträgt die Verbindungskräfte auf atomarer oder molekularer
Ebene. Die Verbindungen sind immer unbeweglich und in der Regel unlösbar.
Beispiele sind Schweißverbindungen, Abbildung 6, Klebverbindungen oder
auch Lötungen.
Daneben existieren auch Verbindungsverfahren, die mehrere dieser Mechanismen
kombinieren:
Abbildung 7 zeigt eine Klemmbefestigung auf einer Werkzeugmaschine. Die Bewegung
des Werkstückes auf dem Maschinentisch wird durch Kraftschluss verhindert,
die dazu notwendige Kraft senkrecht zur Wirkebene wird durch die
Schraube mittels Vorspannung und Formschluss durch Schraubenkopf und Nutenstein
aufgebracht. Die axiale Verschiebung der Mutter wird durch Formschluss
verhindert, das selbstständige Zurückdrehen der Mutter auf dem Gewinde verhindert
die Reibung, hier herrscht Kraftschluss. Ebenfalls durch Formschluss
fixiert ist der Nutenstein in der T-Nut.
Abbildung 7. Kombination von Fügemechanismen Formschluss und Kraftschluss.
Die Hauptgruppe „Fügen“ wird ihrem Wirkprinzip nach weiter in Untergruppen
geteilt, von denen im Rahmen dieses Buches die Gruppen 4.6 „Fügen durch
Schweißen“ und 4.7 „Fügen durch Löten“ sowie als Exkurs 4.8 „Fügen durch
Kleben“ und 4.5 „Fügen durch Umformen“ behandelt werden sollen, Abbildung 8.
5
Abbildung 8. Untergliederung der Hauptgruppe 4 „Fügen“ nach DIN 8580 [4].
Zur vereinfachten internationalen Kommunikation definiert DIN EN ISO 4063 [6]
zusätzlich ein System von Ordnungsnummern, über das die vom Konstrukteur
vorgesehenen Schweißprozesse ohne Sprachbarrieren angegeben werden können.
So steht 141 beispielsweise für das Wolfram-Inertgasschweißen mit Massivdraht
oder -stabzusatz.
1.2 Fügen im Spannungsfeld von Konstruktion, Werkstoff und
Wirtschaftlichkeit
Die Auswahl eines für eine spezifische Aufgabe geeigneten Fügeverfahrens
muss aus verschiedenen Blickwinkeln heraus angegangen werden, Abbildung 9.
6
Abbildung 9. Einflussfaktoren auf die Auswahl eines Fügeverfahrens.
● Die Konstruktion des Bauteiles realisiert zunächst einmal die Funktion des späteren
Produktes und definiert die Anforderungen an den Werkstoff und an die
Verbindung selber. Gleichzeitig definiert sie sowohl die Randbedingungen (die
Zugänglichkeiten zur Verbindungsstelle, die Wärmeableitbedingungen genauso
wie den verfügbaren Platz für notwendige Spann- und Fixiermittel), unter denen
die Verbindung hergestellt werden muss, als auch die Betriebsbedingungen
(Spannungszustände und -niveaus, Temperaturen und Beanspruchungen),
unter denen sie funktionieren muss. Die konstruktive Auslegung bestimmt
somit die Fügesicherheit sowohl im Hinblick auf eine sichere Herstellung als
auch im Hinblick auf sicheren Betrieb der Verbindung beim Gebrauch des fertigen
Produktes.
● Das ausgewählte Verfahren muss unter den vorgegebenen Randbedingungen
die Herstellung der Verbindung ermöglichen und gleichzeitig für den (die) zu
fügenden Werkstoff(e) geeignet sein.
● Der (die) Werkstoffe dagegen müssen sowohl die mechanisch-technologischen
Anforderungen der Konstruktion erfüllen als auch für die Verarbeitung mit dem
entsprechenden Fügeverfahren geeignet sein.
7
Die sorgfältige Abstimmung von Fügesicherheit, Fügeeignung und Fügemöglichkeit
bestimmt definitionsgemäß die Fügbarkeit. Die Darstellung auf der Grundfläche
des Tetraeders soll die gegenseitigen Abhängigkeiten verdeutlichen, Abbildung
9. Dies sind zum Beispiel:
● Die Funktion des Bauteiles bestimmt im Groben seine geometrische Form, dies
bestimmt zusammen mit den Betriebskräften die von der Verbindung zu übertragenden
Kräfte und Spannungszustände, welche zusammen mit den sonstigen
Betriebsbedingungen die Anforderungen an den Werkstoff festlegt. Die
Geometrie des Werkstückes legt auch die Anforderungen an das Fügeverfahren
fest.
● Das Fügeverfahren setzt geometrische Randbedingungen für seine Anwendungen
und schränkt damit die Freiheiten der Konstruktion ein. Gute Zugänglichkeiten
zur Verbindungsstelle lassen sowohl dem Menschen wie auch dem
Automaten mehr Freiheitsgerade bei der Herstellung der Verbindung und haben
letztendlich auch Einfluss auf die Prozesssicherheit und Qualität. Fügeverfahren
sind nicht universell für alle Werkstoffe einsetzbar, da sie in ihrer Anwendung
sowohl von den Werkstoffeigenschaften abhängen als auch diese unter
Umständen negativ verändern können. Sie schränken daher die verfügbare
Werkstoffpallette ein.
● Der Werkstoff setzt zur Einstellung oder zum Erhalt seiner spezifischen Eigenschaften
Randbedingungen voraus (zum Beispiel hinsichtlich der Wärmeführung),
die über die Bauteilgeometrie und das Schweißverfahren eingestellt
werden müssen.
Ausreichende Fügbarkeit, welche oft erst in einem iterativen Prozess herbeigeführt
werden kann, beschreibt in der Folge die Schnittmenge der Möglichkeiten
von Fügesicherheit, Fügeeignung und Fügemöglichkeit und wird häufig für eine
bestimmte Fügeaufgabe zu mehr als einer technischen Lösung führen. Diese rein
technologischen Betrachtungen sind noch zum Finden der optimalen Lösung
zusätzlich einer wirtschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Dabei gehen unter
anderem ein:
● Stückzahlen:
Die geplanten Stückzahlen, in denen das Produkt gefertigt werden soll, bestimmen
im Wesentlichen den Anteil, den die Fixkosten zum Gestehungspreis
einer Produkteinheit beitragen. Hohe Stückzahlen rechtfertigen hohe Investitionen
in Anlagen, Geräte und Vorrichtungen, wenn sich diese durch Reduzierung
der variablen Kosten (bestehend aus den auf eine Verkaufseinheit bezogenen
Material- und Bearbeitungskosten) soweit amortisieren, damit sich insgesamt
ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt.
Kleine Stückzahlen (oder gar Einzelanfertigungen) dagegen bieten kaum Potential
zur Amortisierung hoher Investitionen und sind daher oft preiswerter
durch Einsatz universell nutzbarer Anlagen und hohen Personalaufwand herzustellen.
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● Anlagen- und Gerätekosten:
Die Auswahl eines Verfahrens für eine Fügeaufgabe bestimmt, welche Anlagen,
Geräte und Vorrichtungen für diese benötigt werden. Bei der Auswahl des
Verfahrens sind hier neben rein technologischen Aspekten auch Aspekte wie
die Verfügbarkeit im Unternehmen (können vorhandene Anlagen und Geräte,
mit denen bereits Erfahrungen vorliegen, genutzt werden? Haben diese freie
Kapazitäten?), die Notwendigkeit einer Neuinvestition oder die eventuelle
Fremdvergabe zu berücksichtigen. Bei den variablen Kosten geht vor allem die
Fertigungszeit in die Kalkulation ein.
● Kosten der Fügeteile:
Die Kosten für die Fügeteile setzen sich aus den Materialkosten und dem Aufwand
zu deren Fertigung zusammen. Der notwendige Fertigungsaufwand der
Einzelteile hängt wiederum vom eingesetzten Verfahren und dem gewählten
Mechanisierungsgrad ab (Als Faustregel kann festgehalten werden: je wirtschaftlicher
das Verfahren und je höher der Mechanisierungsgrad, umso genauer
müssen die Einzelteile gefertigt und positioniert werden und/oder umso
mehr teurer Vorrichtungs- oder Sensorik-/Überwachungsaufwand muss zur Sicherstellung
eines ausreichenden Ergebnisses betrieben werden). Dabei kann
es in der betriebswirtschaftlichen Analyse durchaus Sinn machen, wenn beispielsweise
durch Verwendung von teurerem Vormaterial Bearbeitungsschritte
vereinfacht oder gar eingespart werden (z. B. durch Verwendung von Normprofilen
statt selbst geschweißter Profile aus Blechen) oder die Nutzung hochfester
statt allgemeiner Baustähle, die dann höhere Schweißkosten verursachen
und einer anschließenden Wärmebehandlung bedürfen, um ähnliche Festigkeiten
zu erreichen.
● Personalkosten:
Die Personalkosten hängen wesentlich von der benötigten Qualifikation, aber
auch vom benötigten Zeitaufwand ab. Außer durch die Auswahl des Fügeverfahrens
werden sie vor allem durch die Zugänglichkeit zur Verbindung und den
Mechanisierungsgrad beeinflusst.
● Prüfkosten:
Der Prüfaufwand hängt außer von den Vorgaben durch Gesetzgeber oder
Kunde in starkem Maße von der Fehlerwahrscheinlichkeit und damit der Prozesssicherheit
des jeweiligen Prozessschrittes ab. Dies lässt sich durch Verfahrensauswahl,
die Qualifikation des Personals, die Genauigkeit der Teilevorbereitung
und der Vorrichtungen, die Zugänglichkeit zur Verbindungsstelle bei
der Herstellung und nicht zuletzt auch von der einfachen Anwendbarkeit des
Prüfverfahrens beeinflussen.
Mögliche Lösungen sind also durch die betriebswirtschaftliche Analyse des gesamten
Fertigungsablaufes zu bewerten. Die optimale Fügelösung (oder der beste
Kompromiss) ist dann diejenige, mit der das zu fertigende Produkt am Ende
mit den geforderten Eigenschaften zum günstigsten Preis hergestellt werden
kann, Abbildung 10.
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Abbildung 10. Einflussfaktoren auf die Kosten einer Verbindung.
1.3 Auswahl von Fügeverfahren
Fügen ist ein komplexer Prozess, in dem eine Vielzahl ineinander greifender Faktoren
sowohl die technische Qualität als auch den wirtschaftlichen Erfolg des so
hergestellten Produktes ausmachen, Abbildung 11. Erst die sorgfältige Abstimmung
aller Einflussfaktoren aufeinander sowie Funktion und Design des Bauteiles
ergeben ein Produkt, das kostengünstig, prozesssicher und in guter Qualität
gefertigt werden kann.
Die systematische Auswahl eines Fügeverfahrens beginnt deshalb idealerweise
bereits in einem sehr frühen Stadium des Konstruktionsprozesses zu einem Zeitpunkt,
ab dem in einem groben Konzept Materialien, Blechdicken und auch die
mechanisch-technologischen Anforderungen an die jeweilige Verbindung bekannt
sind. Anhand dieser Kriterien werden anhand der Vielzahl möglicher Fügeprozesse
diejenigen vorausgewählt, mit denen die Fügeaufgabe grundsätzlich
erledigt werden kann.
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