Forschungsbericht 2010 - Hochschule Ingolstadt
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Kompetenzfeld<br />
Fahrzeugmechatronik<br />
CISS.S — Seitencrasherkennung mit Crash Impact Sound Sensing<br />
MotiVAtion<br />
Moderne Fahrzeuge verfügen über eine Vielzahl an verteilten<br />
Sensoren, die eine Crasherkennung in allen Fällen<br />
ermöglichen sollen. Neben der Auswertung der Starrkörperverzögerung,<br />
d. h. dem Verzögern des Fahrzeugs<br />
aufgrund ungewollter äußerer Krafteinwirkung, wurde<br />
am Institut für Angewandte Forschung (IAF) zusammen<br />
mit industriellen Partnern, im Besonderen Continental<br />
als Systemlieferant für Airbag-Systeme, das Messprinzip<br />
der Strukturschwingung zur Crasherkennung grundlegend<br />
erforscht und zur Serienumsetzung entwickelt. Das<br />
Crash Impact Sound System (CISS) wertet die Körperschallschwingung<br />
des Fahrzeugs aufgrund äußerer Belastungen,<br />
die auf das Fahrzeug einwirken, aus [1, 2, 4].<br />
Mit dem Golf VI begann 2008 die Integration der Körperschalltechnologie<br />
zur Crasherkennung in großen<br />
Fahrzeugplattformen. Neue Fahrzeugentwicklungen verschiedener<br />
Hersteller berücksichtigen die Verwendung<br />
von Crash Impact Sound Sensing zur Airbag-Auslösung.<br />
Damit hält ein neues Sensorkonzept Einzug in die Fahrzeugsicherheit.<br />
Mit zunehmender Verbreitung von Crash Impact Sound<br />
Sensing ist es zwingend notwendig, die Möglichkeiten<br />
der Verwendung sowie weiterer Potenziale des Systems<br />
zu beleuchten. Bisher stand die Frontalcrasherkennung<br />
im Vordergrund. Neue Statistiken zeigen jedoch, dass im<br />
Besonderen Kollisio-<br />
nen, die das Fahr-<br />
zeug seitlich treffen,<br />
zu einer sehr hohen<br />
Zahl Verunglückter<br />
führen. Entsprechend<br />
stellt sich seitens der<br />
Forschung und Wei-<br />
terentwicklung der<br />
Crash Impact Sound<br />
Sensing Technologie<br />
die Aufgabe, die<br />
bereits vorhandenen<br />
Sensorsysteme hin-<br />
sichtlich ihres Crash-<br />
erkennungspotenzials<br />
im Seitencrash zu be-<br />
werten.<br />
Abbildung 1<br />
Modellierung der Körperschallausbreitung eines Seitencrashs<br />
durch das Fahrzeug hin zum Airbag-Steuergerät (ECU)<br />
Seitencrashsituationen stellen für den Insassen wegen<br />
des sehr geringen Deformationsraums ein hohes Risiko<br />
dar. Die deutlich geringere Knautschzone zwingt das Airbag-System<br />
zu einer sehr schnellen Aktivierungsentscheidung<br />
[3]. Zum Vergleich: Kommen moderne Frontalairbagauslegungen<br />
mit bis zu 30 ms in schnellen Lastfällen<br />
aus, muss der kritischste Seitenlastfall, das Eindringen<br />
eines Pfahls, was in etwa der Kollision mit einem Baum<br />
entspricht, bereits nach 5 ms aktiviert werden.<br />
Hier zeigt sich die hohe Systemanforderung an die<br />
Seitencrasherkennung. Körperschall besitzt eine Aus-<br />
breitungsgeschwindigkeit von ca. 1000 m / s auf Fahrzeugstrukturen.<br />
Bei der Heranziehung von Körperschall<br />
ist demnach zu bedenken, dass auf dem Weg vom Entstehungsort<br />
der Strukturschwingung in der Kollisionszone,<br />
beispielsweise innerhalb der Türstruktur bis hin zum<br />
Airbag-Steuergerät, in welchem die Strukturschwingung<br />
aufgezeichnet wird, bereits 2 bis 3 ms vergehen.<br />
Erste Untersuchungen und Auswertungen von vier unabhängigen<br />
Fahrzeugplattformen von bis zu 50 Crashversuchen<br />
pro Plattform zeigen erste wichtige Erkenntnisse<br />
auf dem Weg zur Serienumsetzung von Crash Impact<br />
Sound Sensing in der Seitencrasherkennung (CISS.S).<br />
1) Körperschallinformationen sind innerhalb der geforderten<br />
Zündzeiten nahe der Crashzone im Seiten-<br />
wagenbereich über alle Fahrzeugplattformen mess-<br />
bar.<br />
2) Eine Reduzierung der Sensoranzahl und deren resultierende<br />
Performance der Crasherkennung unter<br />
Verwendung von Körperschallinformationen korreliert<br />
stark mit der Fahrzeugplattform. Herstellerspezifische<br />
Eigenheiten sind hierbei nicht signifikant.<br />
3) Körperschallinformationen lassen sich sehr gut für<br />
die Abgrenzung von Misuse-Lastfällen verwenden,<br />
woraus ein gesteigertes Potenzial für CISS.S im<br />
Rahmen der Crashplausibilisierung entsteht: Jede<br />
Airbag-Zündentscheidung muss vor der Zündfreigabe<br />
durch einen unabhängigen Sensor validiert werden.<br />
Diese Absicherung wird Plausibilisierung genannt.<br />
Es hat sich bei vorangegangenen Untersuchungen im<br />
Frontalcrash gezeigt, dass sich die Fahrzeugkonstruktion<br />
stark auf die erzeugbaren und messbaren Körperschallsignale<br />
auswirkt. Daher gilt es, die seitliche Fahrzeugrahmenstruktur<br />
konstruktiv im Sinne der körperschallbasierten<br />
Crasherkennung zu optimieren und mit Hilfe<br />
der Projektpartner zu konstruieren, aufzubauen und zu<br />
testen.