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FinanzBusinessMagazin

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Studie: Modularisierung<br />

wird den Finanzsektor<br />

revolutionieren<br />

Die Metamorphose der<br />

Assekuranz<br />

Deutscher Immobilienmarkt:<br />

Gute Stimmung<br />

mit Fragezeichen<br />

Regulierung:<br />

Versicherungsmanager erwarten strengere<br />

Offenlegungspflichten bei Provisionen<br />

Alternative Investments 2016 – Immobilien<br />

und erneuerbare Energien im Investorenfokus<br />

Neue Asset-Klasse für<br />

deutsche Investoren<br />

Thomas Backs<br />

Managing Partner CONCILIO CAPITAL GmbH<br />

Ernst Rohwedder<br />

Alternative Investment Manager MEDIAN INVEST AG<br />

"Umfragen für 2016 haben ergeben, dass<br />

der Investmentfocus eines Großteils der<br />

institutionellen Anlegern bezogen auf<br />

Immobilien im Wohnimmobilien-Segment<br />

liegen wird"<br />

Ausgabe 1/2016<br />

www.<strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de1


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EDITORIAL I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

EDITORIAL<br />

Wird die Modularisierung den Finanzsektor revolutionieren?<br />

In einer modularen Finanzbranche gehört eine direkte Kundenbeziehung nicht mehr nur einem<br />

Produktanbieter, denn Kunden wählen beispielsweise mit Hilfe einfacher Online-Plattformen oder<br />

mobilen Apps zwischen einer Vielzahl von Anbietern aus. Auf der Angebotsseite wird die Wertschöpfungskette<br />

nicht mehr komplett innerhalb eines Unternehmens erarbeitet, stattdessen werden<br />

Teilschritte vermehrt an Drittanbieter ausgelagert. Zu diesen Ergebnis kommt eine aktuelle Oliver<br />

Wyman-Studie.<br />

Schwere Zeiten für Deutschlands Banken prognostiziert die Kreditmarktstudie 2015 der Prüfungsund<br />

Beratungsgesellschaft Ernst & Young, da neue Wettbewerber immer stärker in das klassische<br />

Bankgeschäft vorstoßen. Unter ihnen am meisten gefürchtet sind Google, Apple, Microsoft und<br />

Co. So sehen 42 Prozent der deutschen Banken in Internet-Konzernen mit Banklizenz eine große<br />

oder gar sehr große Gefahr für das eigene Geschäft.<br />

Eine neue Asset-Klasse für deutsche Investoren offeriert die amerikanische Milestone Group. Sind<br />

amerikanische Wohnimmobilien eine Alternative zu Fixed Income in einer zinsfreien Welt? Mehr<br />

dazu im Interview. Immobilien und erneuerbare Energien werden auch 2016 die bevorzugten<br />

Assetklassen für alternative Investitionen bleiben, denn die zunehmende Nachfrage asiatischer und<br />

nordamerikanischer Investoren werden die Immobilienpreise in Europa weiter treiben, ist sich das<br />

Ratingunternehmen Scope sicher. Für 2016 rechnet Scope mit einer Verschärfung des Wettbewerbs<br />

unter den Asset Managern alternativer Investmentfonds.<br />

Können trotz höherer Kosten durch die Regulierung, AIF-Produkte für Kunden günstiger werden?<br />

Alexander Schlichting von der auf Immobilien in Ballungsräumen spezialisierten PROJECT Investment<br />

Gruppe gibt die Antworten im Interview. Die verstärkte Fokussierung internationaler Investoren auf<br />

eigene Immobilienentwicklungen hat eine Studie von PwC als Anlagetrend identifiziert. Knapp<br />

80 Prozent der Befragten sehen diese als attraktive Top-Anlagemöglichkeit, da hochwertige Immobilien<br />

in Bestlagen weiter schwer verfügbar sind und als überteuert gelten.<br />

Mit welchen Garantiemodellen auch immer, die Versicherungsbranche wird weiterhin eine sehr große<br />

Rolle bei der Frage der Altersabsicherung, Altersvorsorge oder Sparen fürs Alter spielen, ist sich<br />

Peter Schneider vom Analysehaus Morgen & Morgen im Interview sicher und kündigt dabei<br />

den ersten Vergleich von Honorartarifen an. Dazu passt: Die große Mehrheit der Versicherungswirtschaft<br />

erwartet, dass der Gesetzgeber ab 2017 die Offenlegungspflichten hinsichtlich der Vermittlungsvergütung<br />

weiter verschärft, so eine Umfrage von INNOVALUE. Viele klassische Geschäftsmodelle<br />

haben ausgedient, neue Ansätze zur Kundenbindung müssen her. Auf diese knappe Formel bringt<br />

der „Branchenkompass Insurance 2015“ von Sopra Steria Consulting die aktuelle Stimmungslage<br />

der deutschen Assekuranz-Wirtschaft.<br />

Das Redaktionsteam<br />

Ausgabe 1/2016<br />

3


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INHALTSVERZEICHNIS<br />

BANKEN<br />

6 Oliver Wyman-Studie: Modularisierung wird den Finanzsektor revolutionieren<br />

7 IM Studie: FinTechs bleiben vorerst klein und trotzdem einflussreich<br />

10 Retail Banken könnten bis zu 30 Prozent ihrer Erträge an digitale Wettbewerber verlieren, wenn sie die eigene<br />

Digitalisierung nicht vorantreiben<br />

12 Deutsche Banken beschleunigen MiFID-II-Umsetzung<br />

13 Banken krempeln Kreditgeschäft um - Rentabilität steht auf dem Spiel<br />

16 In Deutschlands Banken klafft Ergebnislücke von 25 Milliarden Euro<br />

18 In den Banken wächst die Angst vor Cyber-Attacken<br />

20 Neue Asset-Klasse für deutsche Investoren: Amerikanische Wohnimmobilien/<br />

Multi Family der MILESTONE Group (5,5 Mrd. US-Dollar verwaltetes Immobilienvermögen)<br />

als Alternative zu Fixed Income in einer zinsfreien Welt<br />

Interview mit Ernst Rohwedder Alternative Investment Manager, MEDIAN INVEST AG<br />

und Thomas Backs Managing Partner CONCILIO CAPITAL GmbH<br />

INVESTMENTS<br />

24 Ausblick Alternative Investments 2016<br />

Immobilien und erneuerbare Energien im Investorenfokus<br />

26 Niedrige Zinsen drängen jede dritte Stiftung stärker ins Risiko<br />

31 Investitionen in deutsche Start-ups boomen<br />

Berlin beim Investitionsvolumen vor London, Stockholm, Paris und Hamburg<br />

34 Diamantenpreise im Weltmarkt unter Druck<br />

36 "Regulierung: Trotz höherer Kosten für PROJECT sind unsere Produkte für die Kunden günstiger geworden"<br />

Interview mit Alexander Schlichting, Geschäftsführer Gesellschafter, PROJECT Vermittlungs GmbH<br />

42 Deutscher Immobilienmarkt: Gute Stimmung mit Fragezeichen<br />

44 Immobilienmarkt Deutschland 2016: Spitzenrenditen mit Drei vor dem Komma werden zum Normalfall<br />

46 bulwiengesa-Immobilienindex: Immobilienpreise steigen etwas langsamer<br />

Aktuell längste positive Marktdynamik seit den 1970er Jahren<br />

48 Portfoliotransaktionen werden vom Einzelhandel und Unternehmensübernahmen bestimmt<br />

Drei Transaktionen toppen die Milliardenmarke<br />

49 Immobilienmärkte in Europa: Mega-Trend Urbanisierung sorgt für Wandel<br />

4 Ausgabe 1/2016


INHALTSVERZEICHNIS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

VERSICHERUNGEN<br />

52 "Analysehaus Morgen & Morgen offeriert in Kürze einen Vergleich für Honorartarife"<br />

Interview mit Peter Schneider, Geschäftsführer, Morgen & Morgen Group GmbH<br />

60 Regulierung: Versicherungsmanager erwarten strengere Offenlegungspflichten bei Provisionen<br />

60 Branchenkompass Insurance 2015: Versicherungswirtschaft am Scheideweg<br />

62 Die Metamorphose der Assekuranz<br />

66 Digitalisierung droht die Versicherungsbranche zu überrollen<br />

67 Solvency II<br />

Die Karten werden neu gemischt<br />

68 Terror, Cyber, Wetter: Deutschen Unternehmen drohen Höchstschäden<br />

69 Ruhe vor dem Sturm: Wie fortschrittlich ist die PKV?<br />

71 Roland Berger-Studie: Kfz-Versicherer müssen sich neu erfinden – deutliche Marktkonsolidierung bis 2030<br />

73 Gute Aussichten: Sechs Prognosen zur Entwicklung von Run-off in der Versicherungswirtschaft<br />

75 Arbeitgeberattraktivität: Versicherungen polieren ihr Image<br />

IMPRESSUM<br />

65 Impressum<br />

Ausgabe 1/2016<br />

5


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

Oliver Wyman-Studie:<br />

Modularisierung wird den Finanzsektor<br />

revolutionieren<br />

Finanzdienstleistungen werden modular.<br />

Es findet eine Fragmentierung des<br />

Produktangebotes und der Wertschöpfungsketten<br />

bei Banken und Versicherungen<br />

statt. Somit entsteht eine Vielzahl<br />

spezialisierter Anbieter und Produkte<br />

im Finanzsektor. Diese Veränderungen<br />

in der Branchenstruktur können zu einer<br />

Verschiebung von rund 1 Bio. US-Dollar<br />

an Erträgen im globalen Finanzgeschäft<br />

führen. Insgesamt generiert der Sektor<br />

5,7 Bio. US-Dollar Erträge. Von diesen<br />

heutigen Erträgen werden sich neue Kundenplattformen<br />

etwa<br />

50-150 Mrd. US-Dollar<br />

sichern können.<br />

Innovative Anbieter<br />

mit neuen Produkten<br />

können sich schätzungsweise<br />

Marktanteile<br />

im Wert von rund<br />

150-250 Mrd. US-Dollar<br />

erkämpfen. Dies ist<br />

das Ergebnis der Studie „Modular Financial<br />

Services: The New Shape of the Industry“<br />

der Managementberatung Oliver<br />

Wyman. Für den deutschen Markt bedeutet<br />

dies unter anderem, dass neue Kundenplattformen<br />

Ertragsmöglichkeiten von<br />

etwa 4-6 Mrd. Euro hätten und 7-10 Mrd.<br />

Euro an Umsatz sich hin zu innovativen<br />

Anbietern mit neuen Produkten verschieben<br />

können.<br />

In einer modularen Finanzbranche gehört<br />

eine direkte Kundenbeziehung nicht<br />

mehr nur einem Produktanbieter. Kunden<br />

wählen beispielsweise mit Hilfe einfacher<br />

Online-Plattformen oder mobilen Apps<br />

zwischen einer Vielzahl von Anbietern<br />

aus. Auf der Angebotsseite wird die Wertschöpfungskette<br />

nicht mehr komplett innerhalb<br />

eines Unternehmens erarbeitet.<br />

Stattdessen werden Teilschritte vermehrt<br />

an Drittanbieter ausgelagert. Die Modularisierung<br />

wird vor allem durch neue<br />

Technologien und regulatorische Veränderungen<br />

vorangetrieben. Das führt<br />

zu größerer Transparenz und Effizienz.<br />

„Nach der Krise haben sich die meisten<br />

Finanzinstitute auf die Optimierung der<br />

bestehenden integrierten Geschäftsmodelle<br />

konzentriert. Jetzt bewegt sich der<br />

Finanzsektor hin zu einer neuen, modularen<br />

Struktur“, sagt Finja Carolin Kütz,<br />

Partnerin und verantwortlich für das Beratungsgeschäft<br />

von Oliver Wyman in<br />

Deutschland und Österreich. „Modulare<br />

Finanzdienstleistungen entstehen jedoch<br />

unterschiedlich schnell in den jeweiligen<br />

Märkten. Aktuell ist der Bankensektor<br />

in den USA zum Beispiel modularer aufgestellt<br />

als die Sektoren in Europa und<br />

Asien. In Europa ist Spanien einer der<br />

Vorreiter, während sich Deutschland eher<br />

im hinteren Mittelfeld der Entwicklung<br />

bewegt.“<br />

Die Konsumenten werden am stärksten<br />

von modularen Finanzdienstleistungen<br />

profitieren. Sie werden aus einer größeren<br />

Bandbreite von Produktanbietern<br />

wählen können. Der stärkere Wettbewerb<br />

wird dabei den Druck auf die Margen<br />

erhöhen. Die 19. jährliche „Future<br />

of Financial Services“-Studie von Oliver<br />

Wyman schätzt, dass 150-300 Mrd. US-<br />

Dollar durch niedrigere Preise den Kunden<br />

zugutekommen werden. Doch trotz<br />

der Veränderungen in der Branche und<br />

obwohl der Wettbewerbsdruck steigt,<br />

haben integrierte Finanzdienstleister<br />

6 Ausgabe 1/2016


BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

noch immer eine gute Ausgangsbasis.<br />

Dazu gehören beispielsweise bestehende<br />

Kundenbeziehungen, sichere Skaleneffekte<br />

im Betrieb und die Erfüllung regulatorischer<br />

Anforderungen.<br />

Sie haben somit gute Voraussetzungen,<br />

um erfolgreich zu sein. Teure, alte und<br />

unflexible Infrastruktur wird zukünftig indes<br />

untragbar sein und der Wettbewerb<br />

wird Finanzinstitute zwingen, ihre Betriebsplattformen<br />

zu erneuern. Dafür stehen<br />

den weltweit größten Banken jedoch<br />

enorme Kosten bevor, die bei über 4 Mrd.<br />

US-Dollar pro Institut liegen können. Das<br />

ist mehr als die durchschnittliche Dividendenzahlung,<br />

von je 1,7 Mrd. US-Dollar,<br />

der 100 größten Universalbanken. Allerdings<br />

können die weltweit größten Banken<br />

laut Schätzungen der Studie durch<br />

Plattformerneuerungen auch bis zu 340<br />

Mrd. US-Dollar an Kosten einsparen. Die<br />

Modularisierung ist eine große Herausforderung<br />

für den Finanzsektor. Sie bietet<br />

aber auch vielfältige Chancen. Es entstehen<br />

neue Möglichkeiten, verbesserte Produkte<br />

und Dienstleistungen für Kunden<br />

zu entwickeln und neue Kundenzugänge<br />

zu schaffen. Durch kostengünstigere und<br />

flexiblere Back Office-Lösungen können<br />

die Betriebskosten gesenkt und Kapital<br />

effizienter in strategisch wichtigen Bereichen<br />

eingesetzt werden.<br />

Autor www.oliverwyman.de<br />

IM Studie:<br />

FinTechs bleiben vorerst klein und<br />

trotzdem einflussreich<br />

FinTechs werden in den kommenden<br />

Jahren stark wachsen, können<br />

allerdings von ihren Marktanteilen<br />

her noch keine Bedrohung für etablierte<br />

Finanzinstitute werden. Das ist die zentrale<br />

Aussage der IM-FinTech-Studie<br />

2016, die von der auf den Finanzmarkt<br />

spezialisierten Managementberatung Investors<br />

Marketing (IM) erstellt wurde.<br />

Demnach werden FinTechs im Jahr 2020<br />

im Bereich Konsumentenkredite rund 5,5<br />

Prozent des jährlichen Neugeschäftes für<br />

sich gewinnen können, bei der Geldanlage<br />

wird ihr Anteil der Studie zufolge auf etwa<br />

2,5 Prozent ansteigen. Zudem werden<br />

sie etwa 500.000 Girokonten zu sich ziehen<br />

können. Trotz dieser vergleichsweise<br />

niedrigen Anteile werden sie insbesondere<br />

auf das Privatkundengeschäft in den kommenden<br />

Jahren starken Einfluss haben.<br />

„Ihre einfachen und pfiffigen Angebote<br />

ändern die Kundenerwartungen und bereiten<br />

auf diese Weise branchenfremden<br />

Unternehmen wie Amazon oder Google<br />

den Markteintritt“, sagt Dr. Oliver Mihm,<br />

CEO von Investors Marketing.<br />

„Daher müssen sich die etablierten Banken<br />

mit den Angeboten FinTechs auseinander<br />

setzen.“ Eine Orientierung am Kundenbedarf<br />

vor allem in der Anwendung mit einfachen<br />

und intuitiven Abschlussprozessen<br />

ist ein Charakteristikum der neuen FinTech-<br />

Anbieter. Kennzeichnend ist ebenso, dass<br />

diese sich oft in Form von Cherry-Pickern<br />

auf spezifische Finanzangebote fokussieren.<br />

Aktuell zeichnen sich vor allem in drei<br />

Bereichen eine wachsende Bedeutung von<br />

Ausgabe 1/2016<br />

7


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

FinTechs ab: Bei der privaten Kreditversorgung<br />

mit dem Konzept des Peer-to-Peer-<br />

Crowdlendings, in der Geldanlage, wobei<br />

hier einfache Wertpapier-Anlageangebote<br />

für kleinere Anlagesummen im Zentrum<br />

stehen sowie Angebote zum Zahlungsverkehr,<br />

insbesondere digitale Girokontolösungen.<br />

Erwartete Marktanteile der FinTechs<br />

bis 2020<br />

Der Markt für Konsumentenkredite ist das<br />

mit Abstand beliebteste Geschäftsfeld für<br />

FinTechs in Deutschland: Mit rund 120<br />

Start-ups (Stand Sommer<br />

2015) machen<br />

neue Anbieter für Konsumentenkredite<br />

fast<br />

die Hälfte aller FinTechs<br />

aus. Sie agieren dabei<br />

als Vermittler zwischen<br />

potenziellen Kreditnehmern<br />

und -gebern<br />

(Crowdlending-Modell).<br />

Insgesamt belief sich<br />

das Volumen der im vergangenen<br />

Jahr neu ausgegeben<br />

Konsumentenkredite<br />

auf 80 Milliarden<br />

Euro. 36 Prozent davon<br />

wurden direkt bei Händlern<br />

abgeschlossen, ein<br />

Anteil, der sich künftig<br />

stabil bleiben wird.<br />

Von den verbleibenden<br />

Krediten werden nach<br />

IM-Berechnungen 73<br />

Prozent von Multikanal- oder reinen Filialkunden<br />

in Anspruch genommen. Es verbleiben<br />

Konsumentenkredite mit einem Volumen<br />

von rund 14 Milliarden Euro, die pro<br />

Jahr online vergeben werden. Hier haben<br />

FinTechs die Chance, einen Marktanteil von<br />

20 Prozent zu erringen, was einem Kreditvolumen<br />

von 2,8 Milliarden Euro entspricht.<br />

Darüber hinaus wurden im vergangenen<br />

Jahr Konsumentenkreditanfragen in Höhe<br />

von acht Milliarden Euro abgelehnt.<br />

Geht man davon aus, dass 20 Prozent aller<br />

von klassischen Banken abgelehnten Kreditanfragen<br />

im Jahr 2020 durch FinTechs<br />

vermittelt werden können, so ergibt sich<br />

ein zusätzliches Marktpotenzial von 1,6 Milliarden<br />

Euro pro Jahr. „Damit kämen FinTechs<br />

in diesem Segment auf einen Marktanteil<br />

von gut 5 Prozent“, sagt Oliver Mihm.<br />

„Das wäre rund das 20fache im Vergleich<br />

zu heute. Zudem ist ein Konsumentenkredit<br />

für die Hausbank nicht disruptiv,<br />

das heißt, die Beziehung<br />

zum Kunden besteht in der Regel<br />

weiter.“<br />

Nach dem Kreditmarkt ist der<br />

zweite wesentliche FinTech-Geschäftsbereich<br />

der private Anlagemarkt.<br />

Im Bereich Geldanlage<br />

sind aktuell rund 36 FinTech<br />

Start-ups in Deutschland tätig.<br />

Die innovativste Gruppe bilden<br />

dabei die Robo-Advisor. Sie adressieren<br />

dabei auch Anleger<br />

mit einem Vermögen von unter<br />

100.000 Euro, die bei Banken<br />

kaum Beratungsangebote<br />

erhalten. Die RoboAdvisors haben<br />

deutlich geringere Kosten<br />

durch die Automatisierung und<br />

den Wegfall persönlicher Beratungsleistungen<br />

und sie können<br />

durch die Einfachheit des<br />

Leistungsangebotes Zielgruppen<br />

ansprechen, denen eine<br />

Beratung bei einer Bank zu kompliziert und<br />

zeitaufwändig ist. Insgesamt addierten sich<br />

die Wertpapierbestände in Deutschland im<br />

Jahr 2014 auf knapp 950 Milliarden Euro.<br />

48 Prozent des Wertpapierbestands bestehen<br />

aus Aktien und kurzfristigen Schuldverschreibungen,<br />

dadurch reduziert sich<br />

8 Ausgabe 1/2016


BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

das Potenzial für die FinTech-Robo-Advisor<br />

auf 492 Milliarden Euro, die durchweg auf<br />

fondsbasierte Anlagen setzen. Analog zur<br />

Berechnung oben werden nur Online-affine<br />

Kundengruppen als mögliches Potenzial für<br />

Robo-Advisor mit einbezogen. Aufgrund<br />

des geringen Involvements von Kunden bei<br />

Geldangelegenheiten und des hohen Kundenaufwands<br />

beim Wechsel eines Depots<br />

wird eine aktive Wechselbereitschaft lediglich<br />

bei zehn Prozent der potenziellen Kunden<br />

angenommen. Daraus ergibt sich ein<br />

Potenzial für Robo-Advisor im Jahr 2020<br />

von 13,3 Mrd. Euro Wertpapiervolumen.<br />

Zudem verfügten die privaten Haushalte<br />

in Deutschland im vergangenen Jahr über<br />

Termin- und Spareinlagen von rund 880<br />

Milliarden Euro. Nach analoger Rechnung<br />

ergibt sich hier ein Potenzial für Robo-<br />

Advisor von knapp 12 Milliarden Euro.<br />

In Summe addiert sich das Marktpotenzial<br />

für das Jahr 2020 auf ein Anlagevolumen<br />

von gut 25 Milliarden Euro. „Dies<br />

entspricht einem Marktanteil von 2,5 Prozent“,<br />

sagt Oliver Mihm. „Allerdings ist<br />

der Disruptionscharakter hoch, was die<br />

Banken vor die Herausforderung stellt,<br />

ihr Einlagengeschäft inklusive Terminund<br />

Spareinlagen sowie das Wertpapiergeschäft<br />

abzusichern.“<br />

Die Angebotsbreite von FinTechs im Bereich<br />

des Zahlungsverkehrs ist sehr hoch.<br />

Schlagzeilen machen hier vor allem Mobile-<br />

Payment-Angebote von großen Online-Anbietern<br />

wie Apple Pay oder Android Pay und<br />

die Endkunden in Deutschland stehen den<br />

neuen Wettbewerbern für Zahlungsverkehrsangebote<br />

grundsätzlich aufgeschlossen<br />

gegenüber (siehe IM Privatkundenstudie<br />

2015). End-to-End-Banking-FinTechs<br />

als wichtigste Vertreter im Bereich des<br />

Zahlungsverkehrs positionieren sich bewusst<br />

als Alternative zu etablierten Kreditinstituten.<br />

Basis zur Potenzialberechnung<br />

im Jahr 2020 sind die aktuell 98,6 Millionen<br />

Girokonten in Deutschland. Da bei kostenlosen<br />

Girokontomodellen nur Erträge bei<br />

aktiver Kontonutzung entstehen, werden<br />

von diesem Bestand die girokontobasierten<br />

Mehrfachbankverbindungen abgezogen,<br />

was ein Potenzial von 70 Millionen<br />

Gehaltskonten ergibt. Zieht man auch hier<br />

nur Online-Kunden ein, liegt der Markt bei<br />

18,9 Millionen Kunden. Damit besteht ein<br />

realisierbares Potenzial von 0,5 Millionen<br />

Gehaltskonten bei den End-to-End-Banking-Anbietern<br />

bis 2020.<br />

„Geht man von einem durchschnittlichen<br />

Ertrag von 150 Euro pro Jahr pro Gehaltskonto<br />

aus, ergibt sich damit ein Umsatzvolumen<br />

von 75 Millionen Euro im Jahr<br />

2020“, sagt Oliver Mihm. „Das Gefahrenpotenzial<br />

für die klassischen Banken ist damit<br />

gering, allerdings ist der Disruptionscharakter<br />

sehr hoch.“ Insgesamt, so die<br />

Einschätzung von Investors Marketing, ist<br />

das das Marktpotenzial für FinTechs aktuell<br />

noch relativ begrenzt. „Dabei darf aber<br />

nicht übersehen werden, dass die neuen<br />

Angebote den Markt und das Kundenverhalten<br />

verändern werden, was großen<br />

Einfluss auf die Position der klassischen<br />

Banken haben wird“, sagt Oliver Mihm.<br />

„Sollten Großunternehmen wie PayPal,<br />

Google oder Amazon in einzelnen Marktsegmenten<br />

aktiv werden, so kann das die<br />

Voraussetzungen schnell verändern.“<br />

Autor www.investors-marketing.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

9


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

Retail Banken könnten<br />

bis zu 30 Prozent ihrer Erträge<br />

an digitale Wettbewerber verlieren,<br />

wenn sie die eigene Digitalisierung<br />

nicht vorantreiben<br />

Deutsche Banken bieten einfache<br />

Bankgeschäfte schon heute online<br />

oder mobil an. Schwieriger wird<br />

es bei der Abwicklung komplexer Finanzprodukte<br />

– hier hinken viele Banken noch<br />

hinterher. In ihrer neuen Retail Banking-<br />

Studie "Executive Retail Banking Survey:<br />

Digital Transformation" erklären die Roland<br />

Berger-Experten, warum deutsche<br />

Banken ihre Digitalisierung schnell vorantreiben<br />

müssen, wenn sie den Anschluss<br />

an die dynamischen digitalen Wettbewerber<br />

nicht verlieren wollen.<br />

Die Studie basiert auf einer Umfrage von<br />

65 europäischen Banken, darunter neun<br />

deutsche Finanzinstitute. "Wenn es um<br />

Kontoeröffnungen oder Kreditkartenanträge<br />

über Online- oder Mobile-Kanäle<br />

geht, haben deutsche Banken ein besseres<br />

Leistungsspektrum als europäische<br />

Banken", sagt Wolfgang Hach, Partner von<br />

Roland Berger. Hohe regulatorische Anforderungen,<br />

manuelle Prozesse und veraltete<br />

Systeme erschweren allerdings eine<br />

schnelle Abwicklung oder den Abschluss<br />

von komplexeren Finanzgeschäften, wie<br />

Versicherungsabschlüsse oder Kreditverträge.<br />

"Die Banken kommen unter Druck,<br />

denn Kunden erwarten die gleiche schnelle,<br />

flexible und zuverlässige Abwicklung<br />

ihrer Geschäfte wie bei Online-Händlern",<br />

ergänzt Co-Autor Sebastian Steger.<br />

Kundendaten nur unzureichend<br />

genutzt<br />

In der ersten Welle der Digitalisierung haben<br />

sich deutsche Banken vor allem auf<br />

einfache Produkte fokussiert. Allerdings<br />

nutzen sie die daraus gesammelten Kundendaten<br />

nur unzureichend, um ihre Produkte<br />

oder ihren Service weiter zu verbessern.<br />

So analysieren nur rund 45 Prozent<br />

der deutschen Banken permanent das<br />

Online-Verhalten ihrer Kunden. Wechselt<br />

ein Kunde von der Filiale zum Online-<br />

Banking, werden seine historischen Daten<br />

kaum weiterverwendet. "Der Zugang zu<br />

digitalen Technologien ist nicht das Problem.<br />

Die Banken kämpfen vielmehr mit<br />

Widerständen innerhalb der Organisation,<br />

Bestehendes zu verändern", sagt Hach.<br />

Deutsche Banken haben viel Nachholbedarf,<br />

wenn es darum geht, vorhandene<br />

Kundendaten systematisch auszuwerten<br />

und die Organisation für neue, digitale<br />

Produkte fit zu machen.<br />

Digitalisierung ist kein Umsatztreiber<br />

Um die Digitalisierung dennoch voranzutreiben,<br />

gründen Banken digitale Innovationszentren<br />

oder beteiligen sich an<br />

Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen.<br />

Deutsche Banken sind allerdings<br />

im Vergleich zu anderen europäischen<br />

Banken zurückhaltender und haben erst<br />

10 Ausgabe 1/2016


BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

spät mit solchen Initiativen begonnen. Sie<br />

können daher noch nicht einschätzen, ob<br />

sich solche Investitionen wirklich lohnen.<br />

Ein Drittel der befragten Banken investiert<br />

derzeit bis zu 20 Prozent ihres IT-Budgets<br />

in Digitalisierung. Verglichen mit anderen<br />

Branchen ist der Anteil noch gering. Dies<br />

liegt auch an den steigenden regulatorischen<br />

Anforderungen, die hohe Investitionen<br />

in bestehende oder neue IT-Systeme<br />

erforderlich machen. Zudem sehen die<br />

Studienteilnehmer in der Digitalisierung<br />

weniger einen zusätzlichen Umsatztreiber<br />

als vielmehr eine Ergänzung zum traditionellen<br />

Geschäft. Ein Drittel der befragten<br />

deutschen Banken rechnet mit Umsatzzuwächsen<br />

von weniger als zwei Prozent.<br />

"Ohne innovative Angebote geht es aber<br />

nicht. Die Kunden wandern früher oder<br />

später zu digitalen Wettbewerbern ab.<br />

Das zieht die Umsätze nach unten", erklärt<br />

Hach. Die befragten Banken sehen<br />

die Vorteile der Digitalisierung vielmehr<br />

auf der Ertragsseite. Denn im derzeitigen<br />

Niedrigzinsumfeld mit sinkenden Margen<br />

können durch Digitalisierung der Prozesse<br />

Kosten gesenkt und somit die Cost-Income-Ratio<br />

verbessert werden.<br />

Sieben Empfehlungen für<br />

eine erfolgreiche Transformation<br />

Die Banken stehen aber vor der Herausforderung,<br />

ihr Geschäftsmodell schnell<br />

anpassen zu müssen. Denn neue, branchenfremde<br />

Wettbewerber bieten innovative<br />

Angebote aus einer Hand. Das globale<br />

Investitionsvolumen in FinTech-Unternehmen<br />

lag Ende 2014 bei über 10 Milliarden<br />

Dollar und hat sich damit innerhalb eines<br />

Jahres fast verdreifacht. "Durch die digitalen<br />

Geschäftsmodelle der neuen Wettbewerber<br />

könnten europäische Banken<br />

zwischen 20 bis 30 Prozent ihrer Erträge<br />

sowie den Zugang zu online-affinene Kunden<br />

verlieren, wenn sie nicht reagieren",<br />

warnt Hach.<br />

Für eine erfolgreiche Transformation<br />

geben die Roland Berger-Experten<br />

sieben Empfehlungen:<br />

Gezieltere Kundenansprache: Durch<br />

Auswertung des Kundenverhaltens über<br />

alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können<br />

Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden<br />

und so der ideale Zeitpunkt für eine<br />

individuelle Kundenansprache identifiziert<br />

werden.<br />

Entwicklung alternativer Wege zur<br />

Kundengewinnung: Die Neukundengewinnung<br />

ist in den letzten Jahren sehr<br />

schwierig geworden. Banken müssen daher<br />

innovative Ideen entwickeln, um Neukunden<br />

mit einfachen und digitalisierten<br />

Produkten zu überzeugen.<br />

Identifikation neuer Umsatzquellen:<br />

Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle<br />

zu optimieren. Banken müssen auch ihr<br />

Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder<br />

erschließen.<br />

Aufbau eines digitalen Ökosystems:<br />

Durch Kooperationen mit branchenfremden<br />

digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen<br />

bekommen Banken direkten Zugang<br />

zu innovativen Ideen und lernen die<br />

Denkweise der "Digital Natives".<br />

Fehler als Chance begreifen: Fehler<br />

müssen erlaubt sein, denn nur so können<br />

sich Organisationen in dem sich ständig<br />

ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.<br />

Neudefinition des Kundenservice:<br />

Digitalisierung ermöglicht eine neue Art<br />

des Kundenservice. Um diese Chancen<br />

nutzen zu können, muss ein radikaler<br />

Kulturwandel in den Banken stattfinden.<br />

Digitalisierung aller Prozesse: Die<br />

Digitalisierung muss entlang der gesamten<br />

Wertschöpfungskette bis hin<br />

zum Back Office stattfinden, damit auch<br />

komplexe Finanzprodukte schnell und<br />

zuverlässig abgewickelt werden können.<br />

Autor www.rolandberger.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

11


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

Deutsche Banken beschleunigen<br />

MiFID-II-Umsetzung<br />

Die Banken in Deutschland starten<br />

bei der Umsetzung der MiFID<br />

II-Richtlinie (Markets in Financial<br />

Instruments Directive) durch. 70 Prozent<br />

der Institute haben bereits Projekte begonnen.<br />

Zum Vergleich: Im Frühjahr standen<br />

zwei von drei Instituten noch nicht<br />

mal in der Startlöchern. Dennoch läuft das<br />

Gros der Banken dem Zeitplan hinterher.<br />

Die aktuelle MiFID-II-Readiness liegt bei<br />

28 Prozent. Eigentlich sollten<br />

es Stand September 50 Prozent<br />

sein. Das zeigt die dritte<br />

Auflage der Bankenstudie<br />

„MiFID II Readiness Index“<br />

der Unternehmensberatung<br />

PPI AG.<br />

Die EU-Kommission steht<br />

aktuell ebenfalls unter Zeitdruck:<br />

Die Behörde überlegt<br />

deshalb, den Start der<br />

Finanzmarktreform um ein<br />

Jahr auf Januar 2018 zu verschieben. Das<br />

würde den Banken bei der Umsetzung<br />

gerade recht kommen. „Eine Verschiebung<br />

würde viele Banken mit Nachholbedarf<br />

entlasten. Die Institute erfahren im<br />

Frühjahr 2016 verbindlich, worauf sie sich<br />

einstellen müssen und müssten diese Anforderungen<br />

dann nicht innerhalb weniger<br />

Monate realisieren“, sagt Christian Appel,<br />

Experte für Banken-Compliance bei PPI.<br />

Viele Informationen liegen den Banken<br />

allerdings schon seit dem 29. Juni 2015<br />

vor und starten deshalb mit der Projektplanung.<br />

Die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde<br />

ESMA hatte in ihrem finalen<br />

Bericht über technische Regulierungs- und<br />

Durchführungsstandards für mehr Klarheit<br />

gesorgt. Etwa drei Viertel der Banken<br />

und Sparkassen rechnen auf dieser<br />

mit Gesamtkosten von nicht mehr als<br />

einer halben Million Euro, um die MiFID-<br />

II-Auflagen zu erfüllen. 82 Prozent sehen<br />

zudem erheblichen Handlungsbedarf, ihre<br />

IT-Systeme MiFID-II-konform umzurüsten.<br />

Einer der Hauptaufwandstreiber ist<br />

die künftige Einhaltung der neuen Regeln<br />

zur Aufzeichnung von Telefongesprächen<br />

oder elektronischen Mitteilungen in Bezug<br />

auf Kundenaufträge. „Wie hoch der<br />

Anpassungsbedarf konkret ausfallen wird,<br />

wird sich erst zeigen, wenn MiFID II in nationales<br />

Recht umgesetzt worden ist. Es<br />

kann gut sein, dass Institute im Frühjahr<br />

ihre Budgetplanungen noch einmal korrigieren“,<br />

sagt Christian Appel. Die größten<br />

Erlösausfälle erwarten die Banken durch<br />

die Einschränkung der Zuwendungen.<br />

40 Prozent rechnen mit einem starken<br />

Einbruch in der Anlageberatung durch<br />

den Stopp von Vertriebsprovisionen. Für<br />

20 Prozent reißt das Verbot der Zuwendungen<br />

in der Portfolioverwaltung Löcher<br />

in die Erlöskasse. MiFID II bietet durchaus<br />

Spielräume, negative Auswirkungen auf<br />

das Geschäftsmodell zu verringern. Studienleiter<br />

Christian Appel empfiehlt, das<br />

Regelwerk auf Handlungsoptionen genau<br />

anzuschauen: „Das Zuwendungsverbot<br />

betrifft beispielsweise nur die „unabhängige“<br />

Beratung und die Vermögensverwaltung.<br />

Ein Finanzdienstleister ist allerdings<br />

nicht gezwungen, sich als „unabhängig“<br />

zu bezeichnen und sich dadurch zum Angebot<br />

einer eigenen breiten Produktpalette<br />

und zum Verzicht auf Provisionen von<br />

Produktlieferanten zu verpflichten.“<br />

Autor www.ppi.de<br />

12 Ausgabe 1/2016


BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Banken krempeln Kreditgeschäft um -<br />

Rentabilität steht auf dem Spiel<br />

Schwere Zeiten für Deutschlands<br />

Banken: Das Niedrigzinsumfeld,<br />

hohe und teilweise weiter steigende<br />

regulatorische Kosten und neue Wettbewerber<br />

setzen den Kreditinstituten zu. Vor<br />

allem die derzeitige Niedrigzinspolitik stellt<br />

sie vor Probleme: neun von zehn Geldhäusern<br />

bezeichnen dies als ihre größte<br />

Herausforderung. Die niedrigen Zinsen<br />

haben bereits massive Auswirkungen auf<br />

das laufende Geschäft der Banken: Die<br />

Zinsmargen sinken und der Wettbewerb<br />

um den Kunden wird stärker. Zusätzlichen<br />

Druck erhalten sie auf der Kostenseite<br />

durch die Umsetzung der umfangreichen<br />

regulatorischen Agenda. Als ob es damit<br />

nicht genug wäre, ziehen bereits weitere<br />

dunkle Wolken auf: neue Wettbewerber<br />

stoßen immer stärker in das klassische<br />

Bankgeschäft vor. Unter ihnen am meisten<br />

gefürchtet: Google, Apple, Microsoft und<br />

Co: 42 Prozent der deutschen Banken sehen<br />

in Internet-Konzernen mit Banklizenz<br />

eine große oder gar sehr große Gefahr für<br />

das eigene Geschäft. Das sind Ergebnisse<br />

der Kreditmarktstudie 2015 der Prüfungsund<br />

Beratungsgesellschaft EY (Ernst &<br />

Young), für die 120 Banken in Deutschland<br />

befragt wurden.<br />

„Der Druck im Kreditgeschäft wird zunehmen“,<br />

so EY-Partner Michael Berndt,<br />

der den Bereich Credit Business Services<br />

leitet. „Sinkende Zinsmargen, höhere<br />

Anforderungen in Regulatorik und Rechnungswesen,<br />

neue Wettbewerber – all<br />

das zwingt die Institute zu permanenten<br />

Anpassungen. Doch die Branche reagiert:<br />

Die Mehrheit der Banken hat die Zeichen<br />

der Zeit erkannt und wichtige Änderungen<br />

im Kreditgeschäft bereits initiiert, oder<br />

gar umgesetzt. Zudem ist die Digitalisierung<br />

für viele Banken zu einer der Topprioritäten<br />

geworden. Dennoch ist damit<br />

erst ein Teil der Wegstrecke beschritten.<br />

Erkenntnis und Umsetzung klaffen häufig<br />

noch auseinander.“ „Viele Banken scheuen<br />

sich derzeit noch, ihr Geschäftsmodell<br />

ebenfalls zu überprüfen und gegebenenfalls<br />

zu transformieren“, ergänzt Christoph<br />

Roessle, Executive Director im Bereich<br />

Transaction Advisory Services, verantwortlich<br />

für Strategic Portfolio Solutions.<br />

„Nicht zuletzt die robuste Konjunkturlage<br />

und niedrige Ausfälle lassen sie die Anpassungen<br />

an der einen oder anderen Stelle<br />

unterschätzen. Bei den Instituten ist jetzt<br />

ein grundlegender Kehraus angesagt, der<br />

nach vollbrachter Anpassung zu einer Fokussierung<br />

auf die eigenen Stärken und<br />

einer echten Innovationskultur im Unternehmen<br />

führen muss. Gewinner könnten<br />

am Ende die Kunden sein, die von neuen,<br />

innovativen Produkten profitieren – und<br />

das aufgrund des starken Wettbewerbs zu<br />

attraktiven Konditionen.“<br />

Banken reagieren vor allem<br />

mit Kostenreduktion<br />

Etwa drei von vier Geldhäusern nennen<br />

die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen<br />

und zwei von fünf die Innovationsfähigkeit<br />

ihres Institutes beziehungsweise<br />

die Digitalisierung als größte<br />

Herausforderung für die Zukunft. Gerade<br />

die verschärfte Regulierung durch die<br />

EZB hat weitere deutliche Auswirkungen<br />

auf die Banken: als Folge wollen 60 Prozent<br />

das Kosten- beziehungsweise Risikomanagement<br />

ausbauen. Personelle Umstrukturierungen<br />

plant genau die Hälfte<br />

der Institute ein – dass dabei auch weitere<br />

Stellenstreichungen zur Diskussion<br />

stehen, dürfte nicht ausgeschlossen sein.<br />

Allerdings planen gleichzeitig 72 Prozent<br />

der Institute eine Investition in die höhere<br />

Qualifikation der Mitarbeiter. „Das unterstreicht<br />

die Bedeutung der Mitarbeiter für<br />

einen funktionierenden Gesamtprozess<br />

und für die angemessene Umsetzung der<br />

fachlichen Vorgaben und ist kein Widerspruch<br />

zu den personellen Umstrukturierungen<br />

und Effizienzbemühungen, die<br />

Ausgabe 1/2016<br />

13


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

sich zeigen“, betont Roessle. Dazu kommen<br />

die neu auf den Markt drängenden<br />

Konkurrenten, die bereits jetzt große Auswirkungen<br />

auf die Branche haben: Zwei<br />

von drei Instituten (64 Prozent) wollen<br />

auf Grund neuer Wettbewerber die Kosten<br />

durch die Optimierung von Prozessen<br />

und Abläufen senken. Die Reaktion der<br />

Banken fällt somit „klassisch, aber auch<br />

konsequent“ aus, so Berndt: „Sie greifen<br />

zu Effizienzverbesserungen und Kosteneinsparungen.“<br />

Neue Vertriebsstrategien<br />

suchen sich etwa sechs von zehn Banken<br />

(58 Prozent) und 37,3 Prozent wollen ihre<br />

Konditionen ändern.<br />

Google & Co. werden als größte<br />

Gefahr im Wettbewerb gesehen<br />

Und das Problem dürfte sich in Zukunft<br />

noch verschärfen – spätestens dann, wenn<br />

Google, Facebook, Alibaba und andere Internetkonzerne<br />

mit neuen Produkten das<br />

klassische Bankgeschäft angreifen. Sie<br />

werden von 42 Prozent der Banken als Gefahr<br />

eingestuft – im Gegensatz zu anderen<br />

branchenfremden Wettbewerbern wie<br />

Versicherungen mit Banklizenz, Schattenbanken<br />

wie Hedgefonds oder Private-Equity-Firmen<br />

oder Industrieunternehmen mit<br />

Banklizenz. Der Anteil der Banken, die in<br />

ihnen eine Gefahr sehen, bewegt sich im<br />

einstelligen Prozentbereich. “Ob die Internet-Anbieter<br />

sich zu einer echten Gefahr<br />

für traditionelle Bankhäuser entwickeln,<br />

muss sich erst noch zeigen“ resümiert<br />

Berndt „Denn bisher geht es für sie überwiegend<br />

um den Zahlungsverkehr. Doch<br />

dies könnte die Eintrittskarte in den Markt<br />

des klassischen Kreditgeschäftes sein.“<br />

Banken geben mehr neue Kredite aus<br />

Das schwierige Umfeld für die Banken wirkt<br />

sich für die Kunden allerdings nicht negativ<br />

aus. Im Gegenteil: in keiner der bisherigen<br />

Kreditmarkt-Umfragen seit 2009 war die<br />

Bereitschaft, neue Kredite auszugeben, so<br />

hoch wie in diesem Jahr: 62 Prozent der<br />

Banken wollen in den nächsten 12 Monaten<br />

die Kreditvergabe leicht beziehungsweise<br />

stark steigern. 2013 lag der Anteil<br />

bei gerade einmal 39 Prozent. Ein Drittel<br />

will die Kreditvergabe unverändert lassen.<br />

Nur sieben Prozent wollen weniger Kredite<br />

ausgeben. Auch die Finanzierungskosten<br />

werden wohl nicht zunehmen.<br />

Lediglich 17 Prozent rechnen mit leicht steigenden<br />

Finanzierungskosten, 60 Prozent<br />

mit unveränderten und 23 Prozent sogar<br />

mit sinkenden Kosten. Gleichzeitig wollen<br />

jeweils weniger als die Hälfte der Institute<br />

die Anforderungen an die Bonität der<br />

Kunden erhöhen (47 Prozent) oder höhere<br />

Dokumentations- und Sicherheitsanforderungen<br />

(45 Prozent) stellen. 2013 lag der<br />

Anteil noch bei 61 beziehungsweise 63 Prozent.<br />

„Eine Kreditklemme wie noch in den<br />

Jahren nach der Finanzkrise dürfte derzeit<br />

für die Mehrzahl der Unternehmen im Land<br />

kaum noch ein Thema sein“, sagt Roessle.<br />

14 Ausgabe 1/2016


BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

„Die Banken sind tendenziell um einen behutsameren<br />

Umgang mit ihren Kreditkunden<br />

bemüht. Ein Grund dafür liegt sicherlich<br />

in der allgemein guten wirtschaftlichen<br />

Lage in Deutschland und den damit einhergehenden<br />

sinkenden Risiken der Bank. Aber<br />

auch der erhöhte Wettbewerb wird seinen<br />

Teil dazu beitragen.“<br />

Regulatorische Anforderungen<br />

beschäftigen Banken am meisten<br />

Statt auf den Kunden schauen die Banken<br />

vor allem auf sich selbst, um das Kreditgeschäft<br />

zu optimieren. Den größten Optimierungsbedarf<br />

sieht mit einem Anteil<br />

von 79 Prozent die überwiegende Mehrheit<br />

in der Umsetzung gesetzlicher und<br />

regulatorischer Vorgaben. Mit einigem<br />

Abstand folgen Prozessoptimierung und<br />

-steuerung (67 Prozent) und Risikomanagement<br />

(63 Prozent). „Die Finanzkrise<br />

hat zu harten Einschnitten im Bankensektor<br />

und strengen regulatorischen Vorgaben<br />

geführt.<br />

Zusammen mit technologischen Trends<br />

werden sie für eine Transparenz im Kreditgeschäft<br />

sorgen, die es so bisher noch<br />

nicht gegeben hat – und zwar gegenüber<br />

Kunden, Wettbewerbern, Eigentümern und<br />

Aufsehern. Die Banken sollten vor allem die<br />

Chancen sehen, die sich daraus ergeben“,<br />

rät Berndt. „Denn die große Mehrheit der<br />

Banken geht die aktuellen Herausforderungen<br />

energisch an, arbeitet dabei jedoch<br />

häufig zu isoliert an einzelnen Themen.<br />

Die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben,<br />

die interne Optimierung von Prozessen<br />

und die Neupositionierung des Instituts am<br />

Markt können zusammen enorme Synergien<br />

bewirken. Diese Synergien nicht zu nutzen,<br />

wäre fahrlässig. Im Kampf um den Kunden<br />

bietet die vernetzte Betrachtung aller Herausforderungen<br />

die größte Chance, um optimal<br />

für die Zukunft aufgestellt zu sein.“<br />

Autor www.ey.com/DE<br />

Ausgabe 1/2016<br />

15


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

In Deutschlands Banken klafft<br />

Ergebnislücke von 25 Milliarden Euro<br />

Kluft zwischen rentabelsten<br />

und unrentabelsten Banken wächst<br />

Die Lage der Banken in Deutschland<br />

bleibt herausfordernd: Trotz leicht<br />

verbesserter Erträge verdienen<br />

nicht einmal sechs Prozent<br />

der Kreditinstitute<br />

ihre Eigenkapitalkosten.<br />

Zwischen der<br />

2014 durchschnittlich<br />

erzielten Eigenkapitalrendite<br />

von 2,1 Prozent<br />

und den Eigenkapitalkosten<br />

von 7,7<br />

Prozent klafft eine Lücke<br />

von 5,6 Prozentpunkten.<br />

Anders ausgedrückt:<br />

Den Banken fehlen<br />

25 Milliarden Euro<br />

Jahresüberschuss<br />

nach Steuern, um<br />

die Ansprüche ihrer<br />

Anteilseigner bedienen<br />

zu können.<br />

Zu diesem Schluss<br />

kommt die aktuelle<br />

Studie „Deutschlands<br />

Banken 2015: Die 25-Milliarden-Ergebnislücke“<br />

der internationalen Managementberatung<br />

Bain & Company. „Diese<br />

Ergebnislücke bei den deutschen Banken<br />

ist eklatant, und die Rahmenbedingungen<br />

werden sich nicht verbessern“,<br />

warnt Walter Sinn, Deutschlandchef von<br />

Bain & Company. „Banken, die in Zukunft<br />

erfolgreich sein wollen, müssen jetzt gegensteuern<br />

und ihr Geschäftsmodell anpassen.“<br />

Dies erfordert auch eine radikale Verringerung<br />

ihrer Kostenbasis von 84 Milliarden<br />

Euro in den nächsten zehn Jahren.<br />

Kostensenkungen von 30 Prozent sind<br />

möglich. „Die hiesigen Kreditinstitute<br />

müssen deutlich fokussierter, schlanker<br />

und profitabler werden“, so Dr. Wilhelm<br />

Schmundt, Partner bei Bain & Company<br />

und Bankenspezialist. „Und<br />

die Personalkosten sind der<br />

mit Abstand größte Hebel<br />

zur Kostensenkung.“ Dies<br />

bedeutet einen weiteren<br />

Abbau von Arbeitsplätzen,<br />

der durch Veränderung der<br />

Geschäftsmodelle, durch<br />

Automatisierung und Digitalisierung<br />

der Geschäftsprozesse<br />

sowie eine Reduktion<br />

der organisatorischen<br />

Komplexität und der Wertschöpfungstiefe<br />

erreicht<br />

werden muss. Die Altersstruktur<br />

der Bankmitarbeiter<br />

wird den notwendigen<br />

Personalabbau von<br />

125.000 Arbeitsplätzen bis<br />

2025 durch natürliche Fluktuation,<br />

Altersteilzeit und<br />

Vorruhestandsregelungen<br />

erleichtern. Bain-Schätzungen<br />

zufolge können<br />

bis zu 115.000 weitere Arbeitsplätze an<br />

Dienstleister und Servicegesellschaften<br />

ausgelagert werden.<br />

Quelle: © Dreaming Andy - Fotolia.com<br />

Vom eigenen Anspruch weit entfernt<br />

Wie wichtig Kostendisziplin ist, zeigen<br />

die gewaltigen Rentabilitätsunterschiede<br />

innerhalb des Bankwesens. Der Abstand<br />

zwischen den ertragsstarken und<br />

-schwachen Kreditinstituten hat sich<br />

weiter vergrößert. So erwirtschafteten<br />

die 360 rentabelsten Banken (die obersten<br />

20 Prozent) 2014 eine Eigenkapitalrendite<br />

von 4,9 Prozent, während die<br />

360 schwächsten Institute (die unteren<br />

20 Prozent) lediglich auf 1,7 Prozent ka-<br />

16 Ausgabe 1/2016


BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

men. „Die renditestarken Häuser setzen<br />

sich immer weiter ab“, analysiert Bain-<br />

Deutschlandchef Sinn. „Die Auslese im<br />

Markt hat erkennbar begonnen.“<br />

Dies zeigt auch der Vergleich der Institutsgruppen.<br />

Die genossenschaftlichen<br />

Zentralbanken erzielten 2014 eine Eigenkapitalrendite<br />

nach Steuern von 10,0<br />

Prozent und bilden mit den Direktbanken<br />

(9,8 Prozent) sowie den Automobilbanken<br />

(8,1 Prozent) das Spitzentrio. Im<br />

Mittelfeld liegen Spezialfinanzierer, Kreditgenossenschaften,<br />

Großbanken, Banken<br />

mit Sonderaufgaben, Landesbanken,<br />

Realkreditinstitute und<br />

Sparkassen mit Eigenkapitalrenditen<br />

zwischen<br />

1,8 und 4,2 Prozent.<br />

Schlusslichter sind die<br />

Bausparkassen sowie die<br />

Privatbanken und Vermögensverwalter.<br />

Trotz<br />

der im vergangenen Jahr<br />

erstmals seit 2011 wieder<br />

gestiegenen Bilanzsumme<br />

– um drei Prozent auf<br />

7,64 Billionen Euro – fiel<br />

die Zahl der in Deutschland<br />

tätigen Banken auf<br />

einen neuen Tiefstand:<br />

Nach 1.843 im Jahr 2013<br />

sind es jetzt nur noch<br />

1.786. Dazu Bain-Experte<br />

Schmundt: „Setzt sich<br />

die Konsolidierung mit<br />

der gleichen Geschwindigkeit<br />

wie in den letzten<br />

20 Jahren fort, wird<br />

die Anzahl der Banken in<br />

zehn Jahren um weitere<br />

550 zurückgehen.“ 2014 wurden insgesamt<br />

1.100 Filialen geschlossen. Damit<br />

stehen bundesweit noch 30.800 Niederlassungen<br />

zur Verfügung. Laut Bain-Prognose<br />

werden insgesamt 11.000 Filialen<br />

der Anpassung der Geschäftsmodelle zum<br />

Opfer fallen. Die Zahl der Beschäftigten<br />

ging vergangenes Jahr um 5.000 auf<br />

625.000 zurück. In den letzten fünf Jahren<br />

wurden bereits 22.000 Arbeitsplätze<br />

im deutschen Bankwesen abgebaut.<br />

Mit radikaler Kostensenkung<br />

Eigenkapitalrendite verdoppeln<br />

Erstmals hat Bain zudem analysiert, wie<br />

sich die Profitabilität der deutschen Banken<br />

in den nächsten zehn Jahren entwickeln<br />

wird. Insbesondere höheres Eigenkapital,<br />

steigende Risikokosten und<br />

Kostenauftrieb durch Inflation werden<br />

zusätzlich negativ auf<br />

die Geschäftsergebnisse<br />

wirken. Gleichzeitig<br />

aber sorgen höhere<br />

Zinserträge und<br />

Provisionseinnahmen<br />

für Entlastung. Gelingt<br />

es den Banken außerdem,<br />

ihre Kosten radikal<br />

zu senken, ließe<br />

sich die für 2025 erwartete<br />

Ergebnislücke<br />

von 25 Milliarden Euro<br />

zumindest halbieren.<br />

Die Eigenkapitalrendite<br />

im deutschen Bankensektor<br />

würde sich<br />

mehr als verdoppeln<br />

– von heute 2,1 Prozent<br />

auf 4,9 Prozent.<br />

Betont Bain-Deutschlandchef<br />

Sinn: „Doch<br />

trotz aller Anstrengung<br />

bleibt die Rentabilität<br />

der Banken<br />

in Deutschland damit<br />

im Schnitt unter den Kapitalkosten. Die<br />

Konsequenz ist ein harter Verdrängungswettbewerb.<br />

Eine weitere Konsolidierung<br />

ist unausweichlich.“<br />

Autor www.bain.de<br />

Quelle: © kalafoto - Fotolia.com<br />

Ausgabe 1/2016<br />

17


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />

In den Banken wächst die Angst<br />

vor Cyber-Attacken<br />

In den Banken bekommt die Angst vor<br />

Cyber-Attacken eine völlig neue Qualität.<br />

Lange Zeit hielt die Branche die<br />

Bedrohung für mehr oder weniger händelbar.<br />

In den vergangenen Monaten hat<br />

sich diese Wahrnehmung jedoch komplett<br />

verändert, wie aus der Umfrage „Banking<br />

Banana Skins 2015“ von PwC und dem<br />

Centre for the Study of Financial Innovation<br />

(CSFI) hervorgeht. Demnach sehen die<br />

Banken in möglichen Angriffen von Kriminellen<br />

inzwischen die zweitgrößte Gefahr<br />

für das Geschäftsmodell überhaupt – weit<br />

vor „klassischen“ Branchenproblemen wie<br />

dem Zugang zu Kapital oder Liquidität.<br />

„Schon jetzt kosten die Angriffe<br />

Milliarden“<br />

PwC und das CSFI befragten für die Studie<br />

insgesamt 670 Banker, Regulierer und sonstige<br />

Branchenkenner aus 52 Ländern – darunter<br />

auch Deutschland. Was die Gefahr<br />

möglicher Angriffe aus dem Internet betrifft,<br />

klangen die Antworten teilweise dramatisch:<br />

„Es könnte der Punkt kommen, an<br />

dem Cyber-Attacken so wirkungsvoll werden,<br />

dass sie eine Bank in den Ruin treiben<br />

und eine staatliche Rettung erforderlich machen“,<br />

meinte ein Branchenconsultant. Das<br />

deckte sich mit den Einschätzungen eines<br />

Risikomanagers, der meinte: „Jedes Finanzinstitut<br />

ist verwundbar. Ein koordinierter<br />

Angriff könnte verheerende Auswirkungen<br />

haben.“<br />

Ein Banker aus Neuseeland wiederum sagte,<br />

schon jetzt würden die Angriffe die Branche<br />

jedes Jahr Milliardensummen kosten. Hinzu<br />

kommt, dass die Banken der Umfrage zufolge<br />

auch den „technologischen Risiken“ ein<br />

hohes Gewicht beimessen – dahinter verbergen<br />

sich etwa die Gefahr durch Fintechs<br />

oder die Tatsache, dass die IT-Systeme vieler<br />

Banken veraltet sind. „Dadurch entsteht<br />

gewissermaßen ein Klumpenrisiko“, sagt<br />

Burkhard Eckes, Leiter des Bereichs Banking<br />

& Capital Markets bei PwC in Deutschland.<br />

„Um den Angriff der digitalen Wettbewerber<br />

abzuwehren, experimentieren die Banken<br />

mit einer Vielzahl neuer Technologien. Genau<br />

das könnte die Branche aber wiederum<br />

anfälliger machen für Cyber-Angriffe und Finanzterrorismus.“<br />

Ein Wirtschaftseinbruch würde die<br />

Branche schwer treffen<br />

Auf Platz eins der Risiko-Rankings landete<br />

derweil die Angst vor einem globalen Wirtschaftseinbruch.<br />

In weiten Teilen der Welt<br />

seien die Schulden immer noch hoch, gaben<br />

die Befragten an. Zudem schwäche sich in<br />

vielen Schwellenländern das Wachstum ab,<br />

und völlig unklar sei auch, was mit den Zinsen<br />

passiert. Der Tenor: In Addition könnten<br />

diese Probleme dem immer noch sehr fragilen<br />

Bankensystem in den kommenden Monaten<br />

einen schmerzhaften Schlag versetzen.<br />

„Trotz der Fortschritte, die Regulierer<br />

und Banken erzielt haben, ist der Verschuldungsgrad<br />

in der Branche weiterhin hoch.<br />

Das macht die Institute im Falle ökonomischer<br />

Schocks verwundbar“, so Burkhard<br />

Eckes. Er kommt zu dem Schluss: „Die Ergebnisse<br />

zeigen, dass viele Leute fürchten,<br />

dass die konjunkturelle Erholung versandet<br />

und dem Finanzsystem erhebliche Schäden<br />

zufügt. Das ist eine beunruhigende Perspektive.“<br />

Angst vor Schmutzkampagnen<br />

im Internet<br />

Das Unbehagen über die Regulierung<br />

scheint hingegen langsam abzunehmen. So<br />

kam das Thema – nach Rang eins im Vorjahr<br />

– diesmal bloß auf den dritten Platz. Dazu<br />

passt, dass die Angst vor übertriebener politischer<br />

Einflussnahme nur mehr Rang fünf<br />

belegt; im Vorjahr war es noch Platz zwei<br />

gewesen. Einen bemerkenswerten Sprung,<br />

nämlich von Rang 19 auf Rang elf, machte<br />

das Thema Social Media. Offenbar wächst<br />

bei immer mehr Verantwortlichen in der<br />

Branche die Sorge, ihre Bank könne – auch<br />

ohne handfesten Grund – zum Opfer unkontrollierbarer<br />

Schmutzkampagnen werden.<br />

Autor www.pwc.de<br />

18 Ausgabe 03 I 2015


19


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

Neue Asset-Klasse<br />

für deutsche Investoren:<br />

Amerikanische Wohnimmobilien/<br />

Multi Family der MILESTONE Group<br />

(5,5 Mrd. US-Dollar verwaltetes Immobilienvermögen)<br />

als Alternative zu Fixed Income in einer zinsfreien Welt<br />

I N T E R V I E W<br />

FBM: Warum ist es für professionelle Investoren aus Ihrer Sicht interessant<br />

jetzt in Wohnimmobilien in den USA zu investieren? Droht nicht bereits die<br />

nächste US-Immobilienblase?<br />

Thomas Backs: Man hat ein besseres Chance/ Risikoverhältnis als in anderen<br />

Immobilienanlageklassen, durch eine höhere Diversifikation ohne Klumpen-<br />

Risiko oder Einzelmieterrisiko, in einer Volkswirtschaft einer Industrienation<br />

mit einem Wirtschaftswachstum von ca. 2,5 % mit einer Arbeitslosigkeit<br />

auf sehr niedrigem Niveau, aber vor allem einem konstantem Bevölkerungswachstum.<br />

Welche Industrienation hat sonst ein Bevölkerungswachstum? Fakt<br />

ist: die Asset Klasse Multi- Family ist nicht so stark von der Wirtschaft abhängig,<br />

sondern von der Demographie getrieben und es besteht eine günstige<br />

Konstellation zwischen Bevölkerungswachstum, Jobwachstum und Migration.<br />

Deswegen gibt es auch, nach unserer Ansicht, keine Blase in diesem Segment,<br />

im Gegenteil, die Nachfrage ist höher als das Angebot!<br />

FBM: Warum glauben Sie, dass dies bei deutschen institutionellen Anlegern<br />

auf Interesse stößt und wo liegt hier ihre Expertise?<br />

Thomas Backs: Umfragen für 2016 haben ergeben, dass der Investmentfocus<br />

eines Großteils der institutionellen Anlegern bezogen auf Immobilien<br />

im Wohnimmobilien-Segment liegen wird. Nun ist bekannter weise das Angebot<br />

von Wohnimmobilienportfolien im deutschen Raum sehr übersichtlich<br />

und daher preislich wenig attraktiv. Gleichzeitig will gemäß den Umfragen<br />

eine signifikante Mehrheit der Befragten ihr US-Dollar-Engagement erhöhen.<br />

Daher ist uns die Überlegung gekommen, beide Trends miteinander zu verbinden;<br />

zumal uns Produkte mit entsprechender Spezialisierung am deutschen<br />

Markt nicht bekannt sind. Überdies besteht im Hause der MEDIAN-GROUP<br />

eine entsprechend weitreichende Erfahrung in Bezug auf Immobilieninvestments<br />

in Nordamerika.<br />

Ernst Rohwedder: Durch meine langjährige Tätigkeit als Fonds- und Investmentmanager<br />

für Immobilieninvestments in den USA und Kanada bei<br />

namhaften banknahen Investmenthäusern, verfüge ich über ein entsprechendes<br />

Expertennetzwerk und eine relevante Marktübersicht. Daher ist<br />

es uns gelungen, einen renommierten US-Produktpartner mit belastbarem<br />

Track-Record im Wohnimmobilien-Bereich (Multi-Family), die MILESTONE<br />

Group, exklusiv für eine Zusammenarbeit zu gewinnen.<br />

20 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Interview mit Ernst Rohwedder,<br />

Alternative Investment Manager,<br />

MEDIAN INVEST AG<br />

Interview mit Thomas Backs,<br />

Managing Partner CONCILIO CAPITAL GmbH<br />

FBM: Welche Erfahrung hat der Initiator MILESTONE Group? In welchen Geschäftsfeldern<br />

ist das Unternehmen aktiv und welchen USP bietet die MILESTONE Group Investoren?<br />

Ernst Rohwedder: Die MILESTONE Group ist seit 2003 am Markt und zu 100% spezialisiert<br />

(USP) auf Mehrfamilien- Wohnanlagen (Multi-Family-Units). Geschäftsfelder bestehen<br />

aus einem börsennotierten REIT und Spezialfonds für institutionelle Investoren.<br />

FBM: Wie sieht der Track-Record der MILESTONE Group aus?<br />

Thomas Backs: Das verwaltete Immobilienvermögen beläuft sich Ende 2015 auf ca.<br />

$ 5,5 Mrd., aufgeteilt in ca. 37000 Einheiten in 118 Mehrfamilien Wohnanlagen. Die<br />

bisher, außerhalb des REIT, initiierten Spezialfonds können alle einen IRR im deutlich<br />

2- stelligen Prozentbereich vorweisen. Die für das Asset-Liability-Management wichtigen<br />

Planausschüttungen erfolgen halbjährlich.<br />

FBM: Wie ist der Fonds positioniert und was macht das Asset Management?<br />

Thomas Backs: Die Spezialfonds kaufen bestehende Wohnanlagen in den Wachstumszentren<br />

der USA ( Where America Lives! ), die modernisiert und dann wieder veräußert<br />

werden. Es handelt sich um eine Value Add Strategie mit stetigen Mieterträgen von Beginn an.<br />

Ernst Rohwedder: Im Asset Management der MILESTONE Group arbeiten ca. 100 Mitarbeiter<br />

in der Administration und ca. 900 Mitarbeiter vor Ort in den Wohnanlagen. Die Funktionen<br />

in der MILESTONE Group sind zu 100% vertikal integriert (alles aus einer Hand)!<br />

FBM: Sie offerieren Investments in den US-Multi Family Markt. Wo grenzt sich dieser zum<br />

normalen Residential Markt ab, was unterscheidet beide Märkte?<br />

Thomas Backs: Der normale Residential Markt ist Eigennutzern bzw. Eigentümer dominiert.<br />

Der Multi Family Markt besteht aus Mietwohnungen (1-, 2- oder 3-Bedrooms) in Wohnanlagen<br />

gehobener Qualität, die ihren Mietern weitereichende Servicepakete anbieten.<br />

Wichtig ist hier der in den USA zu beobachtende Megatrend einer stetig steigenden Mietneigung<br />

der jüngeren Jahrgänge (Echo Boomer Growth) und Besserverdienenden. Die<br />

Homeownership Rate ist seit 2004 kontinuierlich rückläufig<br />

FBM: Welche Kundengruppen hat die MILESTONE Group in den USA und sind sie auch in<br />

Co-Investments engagiert?<br />

Ausgabe 1/2016<br />

21


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

Thomas Backs: Die Kundengruppen in den USA bestehen aus Pensionsfonds und –kassen,<br />

Versorgungswerken, Versicherungen, Finanzinstitutionen und Corporates. Dazu zählen auch<br />

Kapitalbeteiligungen aus dem asiatischen Raum. Das Management der MILESTONE Group<br />

ist grundsätzlich an allen Investments selbst beteiligt ( Co- Investments ).<br />

FBM: Welche Kundengruppen wollen Sie in Deutschland ansprechen?<br />

Thomas Backs: Entsprechend dem bestehenden Investorenprofil in den USA, werden in<br />

Deutschland Kapitalsammelstellen wie Pensionskassen, Versorgungswerke und Versicherungen<br />

angesprochen. Ebenfalls richtet sich das Angebot an Family Offices, Stiftungen und<br />

Vermögensverwalter bzw. im Bankenbereich an das Wealth- und Depot A-Management.<br />

FBM: Wie soll die Struktur für deutsche Kunden aussehen?<br />

Ernst Rohwedder: Das Investment wird als offener Spezial AIF ausgestaltet und bietet<br />

die Option auf eine Anleiheemission.<br />

FBM: Gibt es bei einer Investition einen Unterschied zwischen amerikanischen und deutschen<br />

Kunden?<br />

Ernst Rohwedder: Nein, es gibt keinen Unterschied. Es war uns wichtig hier kein speziell<br />

„deutsches“ Produkt zu kreieren, daher sind alle Investoren im MILESTONE U.S. Real Estate<br />

IV gleichberechtigt.<br />

FBM: Wer macht die deutsche Struktur?<br />

Ernst Rohwedder: Die deutsche Struktur wird von der MEDIAN INVEST AG( München ),<br />

der KVG der MEDIAN GROUP (Deutschland, Luxemburg, Schweiz) aufgelegt.<br />

22 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

FBM: Wer ist die MEDIAN GROUP und CONCILIO CAPITAL?<br />

Ernst Rohwedder: Die MEDIAN GROUP ist ein internationaler, bankenunabhängiger<br />

Unternehmensverbund für administrative Finanzdienstleistungen. Wir strukturieren und<br />

administrieren regulierte Kapitalanlagevehikel in Deutschland und Luxemburg. Die MEDIAN<br />

GROUP verwaltet derzeit 26 Publikumsfonds, 9 Spezialfonds sowie 25 Verbriefungen. Dazu<br />

zählen u.a. auch<br />

a) ein US-Immobilienfonds, der für eine größere deutsche Versicherung strukturiert und<br />

verbrieft wurde.<br />

b) ein Investment in Erneuerbare Energien, das für zwei berufsständische Versorgungswerke<br />

als Fonds strukturiert wurde.<br />

c) mehrere Immobilieninvestments wurden als Fonds und Verbriefung (Doppelstöckigkeit)<br />

für eine deutsche Pensionskasse strukturiert.<br />

Thomas Backs: Mit meiner jahrelangen erfolgreichen Sales-Tätigkeit im institutionellen<br />

Bereich über verschiedene Assetklassen und Immobilien hinweg, vom Wertpapier-/<br />

Fondsbereich über Alternative Investments, übernehme ich mit der CONCILIO CAPITAL<br />

in München, ein Unternehmen der MEDIAN GROUP, die Marketing- und Vertriebskonzeption<br />

für die MEDIAN GROUP.<br />

FBM: Was sind die wesentlichen Kennzahlen ihres aktuellen Angebotes? Ab wann kann<br />

man wie investieren und welche Rendite erwarten Sie für die Investoren?<br />

Thomas Backs: Ab dem 1. Quartal 2016 kann über Capital Calls investiert werden. Die<br />

geplante Laufzeit des Milestone U.S. Real Estate IV beträgt 8 Jahre. Die geplante<br />

Basisausschüttung liegt bei 5,5% p.a. ( halbjährliche Auszahlung ) mit einer Zielrendite<br />

auf das eingesetzte Eigenkapital von durchschnittlich 7,5% p.a. ( IRR ) bei<br />

einem sehr realistischem Upside Potential.<br />

Das Interview wurde geführt von Friedrich Andreas Wanschka für <strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de.<br />

Ausgabe 1/2016<br />

23


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />

Ausblick Alternative Investments 2016<br />

Immobilien und erneuerbare Energien im Investorenfokus<br />

Immobilien und erneuerbare Energien<br />

werden auch 2016 die bevorzugte<br />

Assetklasse für alternative Investitionen<br />

bleiben. Die zunehmende Nachfrage<br />

asiatischer und nordamerikanischer Investoren<br />

werden die Immobilienpreise in<br />

Europa weiter treiben. Für 2016 rechnet<br />

Scope mit einer Verschärfung des Wettbewerbs<br />

unter den Asset Managern alternativer<br />

Investmentfonds (AIF). Dabei<br />

werden Assetexpertise und der Zugang zu<br />

attraktiven Anlagemöglichkeiten von immer<br />

größerer Bedeutung.<br />

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:<br />

• Immobilien und erneuerbare Energien<br />

werden auch 2016 die bevorzugte Assetklasse<br />

für alternative Investitionen<br />

bleiben. Die Erwartung stabiler Cashflows<br />

und eine zunehmende Nachfrage<br />

asiatischer und nordamerikanischer<br />

Investoren werden die Preise weiter<br />

treiben.<br />

• Investitionen in Flugzeuge werden<br />

weiter an Attraktivität und Nachfrage<br />

gewinnen. Diese Entwicklung wird<br />

durch das langfristige Wachstum der<br />

Luftfahrtbranche und den steigenden<br />

Kapitalbedarf der Fluggesellschaften<br />

getragen.<br />

• Die Anlageklasse Schiffe wird auch in<br />

2016 nicht aus ihrem Tief herausfinden.<br />

Lediglich in Fremdkapitalstrukturen<br />

mit hohen Marktwertabschlägen<br />

dürften sich einige Investoren wiederfinden.<br />

Vor dem Hintergrund sinkender Renditen<br />

steigt die Bereitschaft der Investoren,<br />

höhere Risiken zu akzeptieren. Gleichzeitig<br />

sind Asset Manager gefordert, innovative<br />

Strukturen zu entwickeln, um diese<br />

Risiken adäquat und für den Investor kapitaleffizient<br />

zu managen. Scope erwartet<br />

dabei unterschiedliche Trends in den<br />

einzelnen Assetklassen, die sich entsprechend<br />

auf die Performance der jeweiligen<br />

AIF auswirken. In seinem Ausblick für<br />

2016 teilt Scope neben seiner Einschätzung<br />

für die Assetklassen Immobilien, erneuerbare<br />

Energien und Transport auch<br />

seine Erwartungen für die AIF mit, die Investoren<br />

den Zugang zu diesen Anlagen<br />

ermöglichen.<br />

• Gestiegene Assetpreise stellen allgemein<br />

eine Herausforderung für die<br />

Renditen neuer Fonds dar. Dies führt<br />

zu einer steigenden Risikobereitschaft<br />

der Investoren und stellt noch höhere<br />

Anforderungen an die Kompetenz des<br />

Asset Managers.<br />

• Die sich fortsetzende Preiserhöhung<br />

von Immobilien wirkt sich positiv auf<br />

bestehende Fonds aus. Bei erneuerbaren<br />

Energien profitieren besonders<br />

Fonds, die über Anlagen mit fester<br />

Einspeisevergütung verfügen.<br />

• Offene Immobilienfonds profitieren<br />

von der Attraktivität der Assetklasse<br />

und ihrer Möglichkeit, Wertsteigerungen<br />

zu realisieren und selektiv zu<br />

reinvestieren. Sie werden deutliche<br />

Mittelzuflüsse von privaten und institutionellen<br />

Investoren sehen.<br />

24 Ausgabe 1/2016


INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

• Bei institutionellen Investoren spielen<br />

regulatorische Anforderungen eine<br />

immer größere Rolle. Insbesondere<br />

Versicherungen sind aufgrund der Anwendung<br />

von Solvency II ab Januar<br />

2016 verstärkt auf der Suche nach<br />

Fremdkapitalinvestitionen. Richtig positioniert<br />

sind hier Manager, die neben<br />

Assetexpertise auch über Strukturierungserfahrung<br />

und ausgereifte Reportingsysteme<br />

verfügen.<br />

Autor www.scoperatings.com<br />

Anlagekapital steigt weltweit<br />

auf Rekordvolumen<br />

Das Anlagekapital der weltweit 500<br />

größten Asset Manager ist 2014<br />

um 2,1 Prozent auf ein Rekordvolumen<br />

von 78,1 Billionen USD gestiegen.<br />

Seit 2004 haben ihre Fonds fast 30 Billionen<br />

USD zugelegt. Zu diesem Ergebnis<br />

kommt die Studie Pension & Investments<br />

/ Towers Watson World 500. „Zum<br />

ersten Mal beobachten wir einen Anstieg<br />

des Anlagekapitals am oberen und am unteren<br />

Ende des Spektrums, wohingegen<br />

die mittelgroßen Asset Manager weniger<br />

stark an Volumen zulegen konnten“, sagt<br />

Nigel Cresswell, Head of Investment Consulting<br />

Germany bei Towers Watson. Zu<br />

den Gewinnern am oberen Ende zählen<br />

die großen, auf passive Anlagestrategien<br />

ausgerichteten Investmenthäuser, so die<br />

Studie von Towers Watson und dem amerikanischen<br />

Finanz- und Wirtschaftsmagazin<br />

Pensions & Investments.<br />

Kleinere Asset Manager verzeichneten Zuwächse<br />

bei aktiv verwalteten Mandaten.<br />

In Nordamerika stiegen die Assets under<br />

Management um 5,8 Prozent auf 44,5 Billionen<br />

USD. Europäische Vermögensverwalter<br />

verzeichneten einen Rückgang um 1,5<br />

Prozent auf 25,9 Billionen USD – obwohl<br />

das Anlagekapital der in Großbritannien<br />

beheimateten Asset Manager um 18,6 Prozent<br />

auf 6,8 Billionen USD geklettert war.<br />

Allianz und Deutsche Bank unter den<br />

Top 10<br />

Ein Blick auf die Top 20 zeigt, dass sich<br />

die Zahl der unabhängigen Asset Manager<br />

über die letzten zehn Jahre mehr als<br />

verdoppelt hat. Rückläufig war die Tendenz<br />

hingegen für bank- und versicherungsgeführte<br />

Investmenthäuser. 2014<br />

kamen elf der zwanzig größten Asset Manager<br />

aus den USA, angeführt von Black-<br />

Rock, Vanguard und State Street. Zwei<br />

deutsche Adressen bleiben unter den Top<br />

10: Allianz (Platz 4) und Deutsche Bank<br />

(Platz 10). Von den 78,1 Billionen USD<br />

entfielen fast 80 Prozent auf traditionelle<br />

Assetklassen (45 Prozent Aktien, 34 Pro-<br />

Ausgabe 1/2016<br />

25


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />

zent Anleihen), was einem Zuwachs von<br />

12 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.<br />

Seit 2004 ist das Anlagekapital<br />

der großen, passiven Vermögensverwalter<br />

jährlich um fast 13 Prozent gestiegen.<br />

2014 erreichten sie das Rekordvolumen<br />

von 15 Billionen USD, ein Plus von rund<br />

zwölf Prozent. Cresswell: „Passive Anlagestrategien<br />

sind bei institutionellen Investoren<br />

sehr beliebt, was vor allem an<br />

den scheinbar kontinuierlich sinkenden<br />

Kapitalmarktrenditen liegt. Wir raten Investoren<br />

dennoch zur Vorsicht. Passive<br />

Produkte sind kein Ersatz für ausgewiesene<br />

Investmentexpertise und gutes aktives<br />

Management.“ Und weiter: „Um die<br />

angestrebten Renditeziele zu erreichen,<br />

sollten sich deutsche Investoren um die<br />

Governance, Diversifizierung und Risikobereitschaft<br />

ihrer Portfolios kümmern –<br />

ein Mix aus Renditetreibern ist nötig, um<br />

die aktuellen Marktherausforderungen zu<br />

meistern“, empfiehlt Cresswell.<br />

Autor www.towerswatson.com/de<br />

Niedrige Zinsen drängen jede dritte<br />

Stiftung stärker ins Risiko<br />

Um trotz der niedrigen Zinsen ihr<br />

Vermögen real zu erhalten, riskieren<br />

deutsche Stiftungen offenbar<br />

mehr als bislang bekannt. Dies zeigt eine<br />

Umfrage von PwC unter 208 der vermögensstärksten<br />

Stiftungen in Deutschland.<br />

Fast jede dritte Stiftung hat einen Teil<br />

ihres Vermögens in ertragreichere – und<br />

damit grundsätzlich auch riskantere – Anlageformen<br />

umgeschichtet. Mehr als jeder<br />

zweite Stiftungsverantwortliche rechnet<br />

zudem damit, dass dieser Sektor in den<br />

kommenden vier bis fünf Jahren höhere<br />

Risiken in Kauf nehmen wird, um bei angestrebtem<br />

Vermögenserhalt gemeinnützige<br />

Zwecke in gewohntem Umfang zu erfüllen.<br />

Die Umfrage zeigt allerdings auch:<br />

Im Grundsatz halten Stiftungen an einer<br />

eher konservativen Anlagepolitik fest.<br />

Der PwC-Untersuchung zufolge besteht ein<br />

Portfolio zurzeit im Durchschnitt zu 35 Prozent<br />

aus Anleihen – darunter viele Staatspapiere<br />

mit hoher Bonität. Zwar gelten diese<br />

als nahezu ausfallsicher, allerdings ist<br />

ihre Verzinsung in den vergangenen Jahren<br />

dramatisch gesunken – nahe der Nulllinie.<br />

Dasselbe gilt für Tages- und Termingeldkonten,<br />

die ein Viertel des Stiftungsvermögens<br />

ausmachen. Immerhin rund ein Fünftel<br />

des Stiftungsvermögens ist momentan<br />

in Sachwerten wie z. B. Immobilien investiert;<br />

vom Preisanstieg in diesem Anlagesegment<br />

dürften also zumindest einige<br />

Stiftungen profitiert haben. Dagegen ist<br />

der Anteil von Aktien und sonstigen unternehmerischen<br />

Beteiligungen nach wie vor<br />

vergleichsweise gering.<br />

Nur noch 60 Prozent streben<br />

den realen Kapitalerhalt an<br />

Wie sehr die niedrigen Zinsen die Stiftungen<br />

treffen, zeigt sich im Vergleich zu<br />

einer PwC-Umfrage aus dem Krisenjahr<br />

2009. Damals gaben gerade einmal sechs<br />

Prozent der Stiftungen an, die Folgen des<br />

Finanz- und Wirtschaftscrashs zu spüren.<br />

Dagegen zeigen sich vom Zinstief nun 38<br />

Prozent der Stiftungen betroffen – elf Pro-<br />

26 Ausgabe 1/2016


INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Quelle: © md3d-Fotolia.com<br />

zent sogar „stark“ oder „ausgesprochen<br />

stark“. „Es ist bemerkenswert, wie viel<br />

spürbarer die Stiftungen unter den niedrigen<br />

Zinsen leiden, als sie 2009 unter dem<br />

Börsensturz gelitten haben. Die Frage ist<br />

deshalb, was die Stiftungen in den kommenden<br />

Jahren tun können, um ihr Vermögen<br />

real zumindest zu erhalten“, sagt Prof.<br />

Dr. Norbert Winkeljohann, der Sprecher<br />

des Vorstands von PwC in Deutschland.<br />

Der Umfrage zufolge erzielte in den vergangenen<br />

drei Jahren nur noch jede fünfte<br />

Stiftung in Deutschland eine Durchschnittsrendite<br />

von fünf oder mehr Prozent.<br />

Bei manchen Stiftungen schrumpfte das<br />

Vermögen sogar – zumindest nach Abzug<br />

der Inflation. Entsprechend streben<br />

nur noch 60 Prozent der Befragten überhaupt<br />

an, das Stiftungsvermögen real zu<br />

erhalten. Und sogar nur jeder vierte von<br />

ihnen gibt sich „sicher“, dieses Ziel auch<br />

längerfristig zu erreichen. Ein Drittel der<br />

Verantwortlichen räumt dagegen ein, das<br />

Stiftungskapital nur noch nominal sichern<br />

zu wollen; de facto werden (Real-)Vermögensverluste<br />

also von vornherein in Kauf<br />

genommen.<br />

Manchen Stiftungen wird nur<br />

die Abwicklung bleiben<br />

„Unsere Umfrage lässt keinen Zweifel daran,<br />

dass die anhaltend niedrigen Zinsen<br />

die Stiftungslandschaft in Deutschland<br />

merklich verändern werden“, bestätigt<br />

Berthold Theuffel-Werhahn, Leiter des<br />

Bereiches Stiftungsberatung bei PwC. So<br />

gehen 95 Prozent der Umfrageteilnehmer<br />

davon aus, dass die Stiftungseinnahmen in<br />

den kommenden vier bis fünf Jahren sinken<br />

werden. 82 Prozent rechnen mit einem<br />

Rückgang der Fördermöglichkeiten. Zudem<br />

glaubt die Mehrheit der Verantwortlichen,<br />

dass Stiftungen in Zukunft vermehrt abgewickelt,<br />

beziehungsweise zusammengelegt<br />

werden. „Die jüngst erfolgte Anhebung des<br />

Leitzinses in den USA von 0,25 Prozent<br />

auf eine Obergrenze von 0,5 Prozent verbreitet<br />

Hoffnung auf steigende Renditen.<br />

Kurzfristige Auswirkungen auf den Anlagemarkt<br />

in Europa und damit auf die Anlagestrategien<br />

der Stiftungen sind jedoch unwahrscheinlich“,<br />

so Theuffel-Werhahn. Im<br />

Versuch, das Zinstief zumindest partiell zu<br />

kompensieren, setzen unterdessen immer<br />

mehr Stiftungen auf eine Verbreiterung der<br />

Einnahmebasis. So gaben 39 Prozent der<br />

Befragten an, sich stärker als bislang auf<br />

das Thema Fundraising konzentrieren zu<br />

wollen – also zum Beispiel auf das Einwerben<br />

von Spenden oder Zustiftungen.<br />

„Zugleich bleiben allerdings Chancen ungenutzt.<br />

So dürfen Stiftungen zum Beispiel<br />

bis zu einem Drittel des jährlichen Überschusses<br />

in die freie Rücklage einstellen;<br />

Gebrauch von dieser Möglichkeit macht<br />

aber nur jede vierte Einrichtung“, erläutert<br />

Theuffel-Werhahn. „Trotz der schwierigen<br />

Rahmenbedingungen lassen sich<br />

noch Freiräume für die Anlageoptimierung<br />

finden. Das darf zwar nicht so verstanden<br />

werden, dass Stiftungen unbeschränkt Risiken<br />

eingehen dürften. Auf mündelsichere<br />

Wertpapiere sind Stiftungen aber längst<br />

nicht mehr beschränkt. Denn wie die rein<br />

spekulative Vermögensanlage ist auch die<br />

ertraglose verboten“, so Norbert Winkeljohann.<br />

Dass in rund 25 Prozent der Stiftungen<br />

keine konkreten Vorgaben zu der<br />

Anlagestrategie bestehen, stimme dennoch<br />

nachdenklich. Und Vorgaben zu Konformität<br />

des Satzungszwecks gibt es nicht<br />

einmal in jeder zweiten.<br />

Autor www.pwc.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

27


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />

Asset Management in der Schweiz<br />

vor großen Herausforderungen<br />

Das Asset Management in der Schweiz<br />

steht trotz hoher Kompetenzzuschreibung,<br />

aussichtsreicher Marke und ansprechender<br />

Performance vor großen<br />

Herausforderungen. So sind Optimismus<br />

und Selbstbewusstsein der Anbieter zwar<br />

stark ausgeprägt. Andererseits schwindet<br />

das Vertrauen der Investoren in die Branche<br />

zunehmend, echte Alleinstellungsmerkmale/USP<br />

fehlen und das aktuelle<br />

Stärken-/Schwächen-Profil im Schweizer<br />

Asset Management entspricht nur eingeschränkt<br />

den Schlüsselerfordernissen der<br />

Branche. Dies sind die zentralen Ergebnisse<br />

der aktuellen „Asset Management<br />

Studie Schweiz 2015“, die zeb, spezialisiert<br />

auf die Beratung der europäischen<br />

Financial Services Industrie, und Swiss<br />

Finance Institute (SFI) am Dienstag gemeinsam<br />

in Zürich vorgestellt haben.<br />

Basis der „Asset Management Studie<br />

Schweiz 2015“ ist eine umfangreiche Online-Befragung<br />

mit über 500 Branchenteilnehmern.<br />

Abgefragt wurden die Einschätzungen<br />

zum gegenwärtigen sowie<br />

mittelfristig erwarteten Entwicklungsstand<br />

des eigenen Unternehmens sowie<br />

der Industrie insgesamt im internationalen<br />

Vergleich. Hintergrund der Untersuchung<br />

war der Anspruch wesentlicher<br />

nationaler Akteure, das Schweizer Asset<br />

Management angesichts eher mäßiger<br />

Wachstums- und Profitabilitätsaussichten<br />

insbesondere im Private und Investment<br />

Banking zu einer tragenden Säule des<br />

Finanzplatzes Schweiz auszubauen. Das<br />

Gesamtergebnis der Studie bietet zunächst<br />

ein relativ positives Selbstbild des<br />

Schweizer Asset Managements in Bezug<br />

auf seine Wettbewerbsfähigkeit und geht<br />

von wachsenden Vorsprüngen gegenüber<br />

der internationalen Konkurrenz aus.<br />

Dabei fällt aber zum einen auf, dass die<br />

Hauptstärke im Bereich der Infrastruktur<br />

gesehen wird, die vor dem Hintergrund<br />

der Globalisierung und Digitalisierung<br />

aus Sicht von zeb und SFI allerdings nicht<br />

anhalten dürfte und keinen zentralen Erfolgsfaktor<br />

darstellt. Zum anderen sind<br />

insbesondere die Investoren als Schlüsselgruppe<br />

nicht nachhaltig von den Zukunftsaussichten<br />

des Schweizer Asset<br />

Managements überzeugt.<br />

Die Innovationskraft bzgl. geeigneter AM<br />

Solutions und Produkte wird vom Gesamtmarkt<br />

eher kritisch eingeschätzt,<br />

die Qualität international akzeptierter<br />

Investmentlösungen nur als mittelmäßig<br />

beurteilt. Dagegen werden die Schweizer<br />

Asset Manager von der Gesamtheit<br />

der Teilnehmer aktuell als international<br />

überlegen bewertet, wobei sich dieser<br />

Vorsprung nach Ansicht der Studienteilnehmer<br />

noch weiter vergrößern dürfte.<br />

Das positivste Urteil zur Qualität der Asset<br />

Manager stammt bezeichnenderweise<br />

von diesen selbst – und liegt deutlich<br />

über den Einschätzungen anderer Teilnehmergruppen,<br />

insbesondere der Investoren.<br />

Bei der Analyse des Outsourcing-<br />

Verhaltens fällt auf, dass von niedriger<br />

Basis ausgehend eine deutliche Tendenz<br />

zur Auslagerung von Aktivitäten ins Ausland<br />

– auch in Bezug auf Kernfunktionen<br />

wie Produktentwicklung, Asset Allocation<br />

und Risikomanagement – gesehen wird.<br />

28 Ausgabe 1/2016


INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Quelle: © Rawpixel.com - Fotolia.com<br />

Dabei spielen nicht nur Kosten-, sondern<br />

auch aus Qualitätsüberlegungen eine Rolle.<br />

Dieses Phänomen ist insbesondere bei<br />

Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen<br />

von weniger als CHF 20 Mrd. zu<br />

beobachten. Die aktuelle Regulatorik für<br />

die Branche wird unisono als wenig hilfreich<br />

eingestuft. Die Branche fühlt sich<br />

durch die geltenden Vorschriften international<br />

deutlich benachteiligt.<br />

Erfreuliche Resultate fördern Fragen zum<br />

„Branding“ zutage. Die Investoren sind<br />

mit den Investmentergebnissen durchaus<br />

zufrieden, und die entstehende Markenwahrnehmung<br />

des „Swiss Asset Management“<br />

ist deutlich positiv. Auch im Hinblick<br />

auf die finanziellen Standortanreize<br />

für Investoren und Asset Management-<br />

Unternehmen sowie deren Belegschaft<br />

gibt es gute Nachrichten. Zwar schwindet<br />

die traditionell sehr hohe Attraktivität des<br />

Finanzplatzes Schweiz nach Meinung der<br />

Teilnehmer, aber auch mittelfristig sollte<br />

ein spürbarer Vorteil gegenüber konkurrierenden<br />

Märkten fortbestehen. Die technische<br />

und Service-Infrastruktur werden<br />

bereits heute deutlich überdurchschnittlich<br />

eingeschätzt – bei weiter steigender<br />

Tendenz. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung<br />

wurden die Teilnehmer auch um<br />

Einschätzungen der wichtigsten und dringlichsten<br />

Aspekte ihrer Branche gebeten.<br />

Hier wird deutlich, dass nach Betrachtung<br />

aller Einzelthemen das Stärken-/ Schwächen-Profil<br />

des Schweizer Asset Managements<br />

insgesamt nicht hinreichend den<br />

tatsächlichen Erfordernissen und Prioritäten<br />

der Branche entspricht.<br />

Zusammenfassend zeigen sich auf einem<br />

guten Fundament ernste Herausforderungen,<br />

die deutliche Anstrengungen für<br />

das Schweizer Asset Management nach<br />

sich ziehen. Obwohl Regulierer, Politik und<br />

Lobbyisten aufgefordert sind, zur Stärkung<br />

der internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />

des Schweizer Asset Managements<br />

deutliche Unterstützung und Erleichterungen<br />

für die Branche zu erwirken, liegt<br />

die Hauptverantwortung bei den Asset<br />

Management-Unternehmen. Diese sind<br />

angehalten, echte Alleinstellungsmerkmale/USP<br />

auszuarbeiten und ihre Innovationskraft<br />

zu stärken, ihre Geschäfts- und<br />

Organisationsmodelle zu überprüfen und<br />

sich auf profitable Aktivitäten zu konzentrieren.<br />

Carsten Wittrock, Partner von<br />

zeb: "Oberflächlich betrachtet muten die<br />

Einschätzungen der Industrie hinsichtlich<br />

der Positionierung des Schweizer Asset<br />

Management positiv an. Der konstatierte<br />

Ausgabe 1/2016<br />

29


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />

gute Durchschnitt insbesondere aus der<br />

Sicht der Investoren reicht angesichts<br />

innovativer internationaler Wettbewerber<br />

und fortschreitender Digitalisierung<br />

zukünftig aber nicht mehr aus, um ein<br />

nachhaltig profitables Wachstum im Asset<br />

Management zu gewährleisten. Alleinstellungsmerkmale<br />

und eine starke Client<br />

Proposition sind mehr denn je gefragt, gerade<br />

auch für die bis dato eher in der Rolle<br />

als Produzent agierenden Asset Manager."<br />

Gabriela Maria Payer, Head Education<br />

SFI: "Die hohe Wertschätzung der Infrastruktur<br />

im Schweizer Asset Management<br />

könnte eine gefährliche "Scheinsicherheit"<br />

vermitteln, die nötige Wettbewerbsfähigkeit<br />

und Innovationskraft behindert."<br />

Heinz Rubin, Managing Partner von zeb:<br />

„Das Asset Management in der Schweiz<br />

steht vor grossen Herausforderungen,<br />

ein Umbruch deutet sich an. Treiber des<br />

Wandels sind die Investoren der Branche.<br />

Aus ihrer Sicht hat die Schweizer<br />

Asset Management-Industrie in den letzten<br />

Jahren an Attraktivität eingebüßt.<br />

Will man in den kommenden Jahren die<br />

passable Position halten, wird eine deutliche<br />

Frischzellenkur an Innovationen und<br />

neuen Ideen nötig sein. Unternehmen,<br />

die sich proaktiv diesem Wandel stellen,<br />

werden die Chance haben, nicht nur in<br />

der Schweiz sondern weltweit das Asset<br />

Management-Geschäft entscheidend zu<br />

gestalten.“<br />

Autor www.zeb.de<br />

Quelle: © everythingpossible - Fotolia.com<br />

30 Ausgabe 1/2016


INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Investitionen<br />

in deutsche Start-ups boomen<br />

Berlin beim Investitionsvolumen vor London, Stockholm,<br />

Paris und Hamburg<br />

Die Investitionen in deutsche Startups<br />

haben 2015 ein neues Rekordniveau<br />

erreicht. Insgesamt wurden<br />

knapp 3,1 Milliarden Euro in deutsche<br />

Start-ups investiert1, das ist fast doppelt<br />

so viel Geld wie im Vorjahr, als 1,6 Milliarden<br />

Euro investiert wurden und fast fünfmal<br />

so viel wie 2013. Das meiste Geld fließt<br />

nach Berlin: Investoren versorgten im<br />

vergangenen Jahr Berliner Start-ups mit<br />

insgesamt 2,1 Milliarden Euro an frischem<br />

Kapital – insgesamt<br />

wurden in<br />

Berlin 205 Finanzierungsrunden<br />

gezählt, von denen<br />

183 Berliner<br />

Unternehmen profitierten.<br />

Damit<br />

konnte die Berliner<br />

Start-up-Szene<br />

ihre Spitzenposition<br />

in Deutschland<br />

abermals ausbauen:<br />

Im Ranking<br />

der Bundesländer<br />

belegt Bayern<br />

mit 74 Transaktionen den zweiten Platz.<br />

Gemessen am Investitionsvolumen liegt<br />

Hamburg mit knapp 300 Millionen Euro<br />

hinter Berlin. Auch europaweit hatte Berlin<br />

im vergangenen Jahr die Nase vorn: Im<br />

europäischen Städte-Ranking belegt die<br />

Bundeshauptstadt vor London (1,7 Milliarden<br />

Euro), Stockholm (992 Millionen Euro)<br />

und Paris (687 Millionen Euro) den ersten<br />

Platz. Hamburg und München belegen mit<br />

296 und 206 Millionen Euro den fünften<br />

und sechsten Rang im Europa-Ranking.<br />

Europaweit wurden 2015 insgesamt knapp<br />

11,8 Milliarden Euro in Jungunternehmen<br />

investiert – ein Anstieg um 56 Prozent<br />

gegenüber dem Vorjahr und ein neuer<br />

Rekordwert. Dabei konnten deutsche<br />

Start-ups erstmals mehr Geld einwerben<br />

als britische Jungunternehmen: Britische<br />

Start-ups erhielten 2,6 Milliarden Euro –<br />

46 Prozent mehr als 2014. Auf dem dritten<br />

Platz rangiert Frankreich mit 1,5 Milliarden<br />

Euro – 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Das<br />

sind Ergebnisse des Start-up-Barometers<br />

der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft<br />

EY (Ernst & Young). Die Studie beruht<br />

auf einer Analyse der Risikokapitalinvestitionen<br />

in Europa in den Jahren 2013 bis<br />

2015. Trotz des Investitionsbooms<br />

in Deutschland:<br />

Längst nicht alle<br />

Firmenneugründungen<br />

haben etwas vom Geldregen.<br />

Insgesamt haben<br />

im vergangenen Jahr<br />

371 Jungunternehmen<br />

Risikokapital erhalten –<br />

nur 48 von ihnen konnten<br />

sich über eine zweistellige<br />

Millionensumme<br />

freuen, gerade einmal<br />

neun Unternehmen erhielten<br />

mehr als 50 Millionen<br />

Euro. Mit Abstand<br />

das meiste Kapital konnte der Lieferdienst<br />

Deliveryhero einwerben, der insgesamt<br />

fast 590 Millionen Euro erhielt. Peter<br />

Lennartz, Partner bei EY, kommentiert:<br />

„Deutsche und ausländische Investoren<br />

nehmen zunehmend deutsche Internetund<br />

Technologie-Start-ups ins Visier. Die<br />

Risikobereitschaft und der Anlagedruck<br />

sind so groß wie lange nicht mehr – und<br />

die starken Schwankungen an den Aktienmärkten,<br />

die anhaltende Niedrigzinsphase<br />

und die gleichzeitig immer deutlicher werdende<br />

enorme Bedeutung der Digitalisierung<br />

machen junge Technologieunternehmen<br />

zu reizvollen Investitionszielen“.<br />

Quelle: © Jakub Jirsák - Fotolia.com<br />

Der Investitionsboom wird zusätzlich befeuert<br />

durch zahlreiche erfolgreiche Exits,<br />

Ausgabe 1/2016<br />

31


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />

die zeigen, dass deutsche Start-ups attraktive<br />

und renditeträchtige Investitionsziele<br />

sein können. So konnte windeln.<br />

de, ein Onlineshop für Babybedarf, bei seinem<br />

Börsengang 183 Millionen Euro erlösen.<br />

Und 360T, eine Devisenhandelsplattform<br />

mit Sitz in Frankfurt, wurde für 725 Millionen<br />

Euro von der Deutschen Börse gekauft.<br />

Das Berliner Start-up 6Wunderkinder wurde<br />

von Microsoft übernommen – laut Marktgerüchten<br />

für einen dreistelligen Millionenbetrag.<br />

„Erfolgreiche und große Exits<br />

zeigen, dass sich das Investment auch für<br />

die Kapitalgeber lohnen kann – das schafft<br />

zum einen Vertrauen, zum anderen aber<br />

auch die unbedingt nötige internationale<br />

Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für die<br />

deutsche Start-up Szene“, betont Lennartz.<br />

Allerdings: „Für die<br />

große Mehrheit der deutschen<br />

Start-ups bleibt es<br />

eine Herausforderung,<br />

die zur Expansion nötigen<br />

Finanzmittel zu erhalten“.<br />

Unternehmensneugründungen<br />

mit<br />

innovativen Geschäftsmodellen,<br />

einem überzeugende<br />

Gründerteam<br />

haben es dabei nicht<br />

mehr so schwer, an frisches<br />

Geld zu kommen,<br />

wie noch vor ein oder zwei Jahren. Business<br />

Angels, erfolgreiche Gründer nach einem<br />

Exit, kleineres VCs, Acceleratoren sowie<br />

staatliche Förderprogramme bieten inzwischen<br />

reichlich Gelegenheit zur Frühphasenfinanzierung.<br />

Die Probleme beginnen<br />

bei Finanzierungen im höheren einstelligen<br />

Millionenbereich: „Für die internationalen<br />

Investoren sind Investitionen unter zehn<br />

Millionen Euro einfach viel zu klein – für<br />

deutsche Fonds und Angels dagegen sind<br />

Finanzierungen von mehr als fünf Millionen<br />

Euro – noch – zu groß.“<br />

Berliner Start-ups<br />

legen besonders stark zu<br />

Innerhalb Deutschlands entwickelte sich<br />

vor allem der Standort Berlin extrem dynamisch:<br />

Die Zahl der Finanzierungsrunden<br />

stieg von 111 auf 205, das Investitionsvolumen<br />

hat sich sogar von 891 Millionen Euro<br />

auf 2,17 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.<br />

In Bayern stieg die Zahl der Finanzierungsrunden<br />

von 50 auf 74, in Baden-Württemberg<br />

von 22 auf 29 und in Hamburg von<br />

17 auf 28. Nur leicht gestiegen ist die Zahl<br />

der Deals in Nordrhein-Westfalen – von 22<br />

auf 24. „Berlin hat sich in den vergangenen<br />

Jahren auch international als attraktiver<br />

Standort für Firmengründer etabliert,<br />

auch ausländische Investoren haben die<br />

Bundeshauptstadt inzwischen auf dem<br />

Quelle: © mariakraynova - Fotolia.com<br />

Schirm. In Berlin ist in den vergangenen<br />

Jahren ein funktionierendes und professionelles<br />

Ökosystem für Start-ups entstanden,<br />

das aktuell die höchsten Wachstumsraten<br />

weltweit vorweisen kann, damit<br />

international absolut wettbewerbsfähig<br />

und für Talente aus allen Teilen der Welt<br />

hoch attraktiv ist“, beobachtet Lennartz.<br />

„Andere Regionen Deutschlands haben es<br />

zunehmend schwer, in punkto Sichtbarkeit<br />

und Anziehungskraft mit Berlin mitzuhalten<br />

– obwohl auch dort hervorragende Start-ups<br />

in wachsenden Ökosystemen entstehen“.<br />

32 Ausgabe 1/2016


INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Das meiste Geld fließt<br />

in Online-Handel und FinTechs<br />

Fast 1,8 Milliarden Euro an Risikokapitalinvestitionen<br />

flossen 2015 in Start-ups<br />

aus dem Bereich Konsumentendienstleistungen/Handel<br />

– dazu zählen unter anderem<br />

Lieferdienste oder Online-Händler<br />

und Shopping Clubs. In diesem Segment<br />

wurden insgesamt 145 Finanzierungsrunden<br />

gezählt. Auf Rang zwei folgt die<br />

Branche Finanzdienstleistungen/Fin-<br />

Tech: Bei 45 Finanzierungsrunden wurden<br />

gut 600 Millionen Euro<br />

an Risikokapitalinvestitionen<br />

eingeworben. Anbieter von<br />

Unternehmenssoftware und<br />

Big-Data-Lösungen erhielten<br />

in 95 Fällen frisches Kapital –<br />

insgesamt 283 Millionen Euro<br />

kamen dabei zusammen.<br />

„E-Commerce, FinTech und Big Data sind<br />

derzeit aus Investorensicht die vielversprechendsten<br />

Segmente. Hier wird offenbar<br />

das größte Potenzial gesehen, hier wird<br />

das meiste Geld investiert und hier haben<br />

Jungunternehmen die besten Chancen,<br />

Risikokapital einzuwerben“, stellt Lennartz<br />

fest. Insgesamt ist festzustellen, dass<br />

Start-ups in immer mehr Bereichen der<br />

Wirtschaft neue, digitale Geschäftsmodelle<br />

entwickeln und die traditionellen Player<br />

herausfordern – z.B. in den Bereichen Energie,<br />

Gesundheit, Real Estate, Learning<br />

und Talent Development, Versicherungen,<br />

Smart-Home, Internet of Things, Mobility<br />

sowie in klassischen Dienstleistungsbranchen<br />

wie Umzugsunternehmen oder<br />

Rechtsanwälte.“<br />

Immer stärkeres Engagement von<br />

Großkonzernen in der Start-up Szene<br />

Wie ernst Start-ups inzwischen auch von<br />

den etablierten deutschen Konzernen genommen<br />

werden, lässt sich auch an der<br />

steigenden Zahl von Investment-Aktivitäten<br />

ablesen, die von Großkonzernen<br />

aufgelegt werden. Im vergangenen Jahr<br />

stieg ihre Zahl von 32 auf 40. Ob BMW,<br />

BASF, Deutsche Telekom oder Volkswagen<br />

– kaum ein namhafter deutscher Konzern<br />

ist inzwischen nicht im Start-up-Umfeld aktiv,<br />

entweder mit eigenen Venture Capital<br />

Fonds oder Acceleratoren.<br />

„Immer mehr junge deutsche Unternehmen<br />

treten den Beweis an, dass sie die<br />

mit der Digitalisierung verbundenen Umbrüche<br />

aktiv und erfolgreich<br />

mitgestalten können. Dieses<br />

Know-how und diese Dynamik<br />

möchten sich auch die Unternehmen<br />

der „Old Economy“<br />

sichern. Sie gründen eigene<br />

Risikokapital-Gesellschaften<br />

bzw. errichten neue „Acceleratoren-programme“<br />

und „Company<br />

Builder“, über die sie in Kontakt<br />

zu innovativen Start-ups treten“. Große<br />

Konzerne wie auch der deutsche Mittelstand<br />

müssten sicher gehen, rechtzeitig<br />

die Zeichen der Zeit zu erkennen – statt<br />

irgendwann mit ansehen zu müssen, wie<br />

ihnen die digitale Transformation ihr Geschäftsmodell<br />

raubt, betont Lennartz:<br />

„Die Old Economy verspricht sich von der<br />

Kooperation mit Start-ups also das nötige<br />

Plus an Innovationskraft, das ihnen helfen<br />

kann, die Herausforderungen der digitalen<br />

Transformation besser zu bewältigen“, so<br />

Lennartz.<br />

„Die Stärke gerade des Start-up-Standorts<br />

Berlin ist also auch eine große Chance für<br />

den Innovationsstandort Deutschland – und<br />

zwar dann, wenn es gelingt, die Finanzierungsmöglichkeiten<br />

weiter zu verbessern<br />

und eine fruchtbare Symbiose zwischen<br />

Old- und New Economy herbeizuführen“.<br />

1 Nur für basiert auf veröffentlichten Angaben<br />

zur Investitionssummen.<br />

Autor www.ey.com/DE<br />

Ausgabe 1/2016<br />

33


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />

Diamantenpreise<br />

im Weltmarkt unter Druck<br />

Die Preise für Diamanten sind im<br />

Weltmarkt massiv unter Druck geraten:<br />

Seit Mitte 2014 fielen sie<br />

um bis zu einem Viertel. Ursächlich dafür<br />

war vor allem die schwächelnde Konjunktur<br />

in China, die die Nachfrage deutlich<br />

drosselte. Dennoch kam der Diamantenmarkt<br />

2014 weltweit auf ein Wachstum<br />

von vier bis acht Prozent entlang der gesamten<br />

Wertschöpfungskette. Das geht<br />

aus dem aktuellen Branchenreport „The<br />

Global Diamond Industry 2015“ hervor,<br />

den die internationale Managementberatung<br />

Bain & Company jährlich zusammen<br />

mit dem Antwerp World Diamond Centre<br />

veröffentlicht.<br />

Die Schockwelle für den Diamantenmarkt<br />

wurde 2014 durch eine leicht rückläufige<br />

Nachfrage nach Diamantschmuck in China<br />

ausgelöst. Das rasante Wirtschaftswachstum<br />

der Vorjahre hatte sich abgeschwächt.<br />

Insgesamt wurde weniger<br />

Schmuck gekauft als erwartet, entsprechend<br />

sank der Bedarf sowohl an Rohdiamanten<br />

als auch an geschliffenen Diamanten.<br />

Die Turbulenzen erfassten die<br />

gesamte Wertschöpfungskette. Händler<br />

sahen sich gezwungen, ihre Bestellungen<br />

zu kürzen. Dadurch füllten sich in den<br />

ersten Monaten 2015 die Lager der Diamantenindustrie<br />

und der Händler. Das<br />

Überangebot ließ die Preise für Rohdiamanten<br />

fallen: um 23 Prozent seit Mai<br />

2014 und um 15 Prozent in den ersten<br />

neun Monaten 2015.<br />

USA treiben nach wie vor<br />

das Geschäft<br />

Dennoch war 2014 ein Wachstumsjahr für<br />

die Diamantenindustrie. Die Erlöse stiegen<br />

um bis zu acht Prozent entlang der<br />

gesamten Wertschöpfungskette. Befeuert<br />

wurde dieses Wachstum von der Nachfrage<br />

aus den Vereinigten Staaten. „Die<br />

USA waren schon immer der Haupttreiber<br />

des weltweiten Diamantengeschäfts,<br />

daran hat sich nichts geändert“, erklärt<br />

Dr. Klaus Neuhaus, Partner bei Bain &<br />

Company und Leiter der Praxisgruppe Industrie<br />

im deutschsprachigen Raum. „Die<br />

derzeitige Wachstumsdelle in China wird<br />

keinen anhaltenden Markteinbruch verursachen.“<br />

Die Umsätze mit Rohdiamanten<br />

stiegen 2014 um acht Prozent – trotz sinkenden<br />

Fördervolumens. Weltweit fiel die<br />

Rohdiamantenproduktion um vier Prozent<br />

auf rund 125 Millionen Karat. Die größten<br />

Produktionseinbrüche verzeichneten Australien<br />

und Afrika.<br />

Mittelgroße Unternehmen<br />

haben zu kämpfen<br />

Aus Sicht von Bain wird sich der Markt<br />

wieder beruhigen, sobald Industrie und<br />

Händler ihre Lager abgebaut haben.<br />

„Während der Wirtschaftsturbulenzen<br />

2001 und 2009 brauchten die Diamantenpreise<br />

bis zu zwei Jahre, um sich zu<br />

erholen“, so Neuhaus. „So lange wird es<br />

dieses Mal nicht dauern, denn der Markt<br />

hat noch Potenzial.“ Zugesetzt haben die<br />

aktuellen Unruhen vor allem mittelgroßen<br />

Unternehmen, die im Diamantengroßhandel<br />

tätig sind beziehungsweise diese<br />

Edelsteine verarbeiten. Vielen von ihnen<br />

fällt es schwer, die Nachfrageschwankungen<br />

abzufedern. Oftmals bereitet die<br />

Finanzierung Probleme. Angesichts der<br />

steigenden Kreditrisiken und der stärkeren<br />

Marktregulierung haben zahlreiche<br />

traditionelle Diamantenbanken ihre Expositionen<br />

für die Industrie zunehmend<br />

eingeschränkt.<br />

Weltweites Fördervolumen wird sinken<br />

In den nächsten 15 Jahren erwartet Bain,<br />

dass die Nachfrage nach Rohdiamanten<br />

jährlich um drei bis vier Prozent wächst.<br />

Gleichzeitig dürfte das weltweite Fördervolumen<br />

aufgrund alternder Minen und<br />

34 Ausgabe 1/2016


INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

des Wechsels zum Untertagebau bis 2030<br />

um ein bis zwei Prozent pro Jahr zurückgehen.<br />

Ab 2019, so die Prognose, wird die<br />

Nachfrage das Angebot an Rohdiamanten<br />

übersteigen. Betont Bain-Partner Neuhaus:<br />

„Tatsache ist, dass der Diamantenmarkt<br />

auch in Zukunft vor allem von der<br />

weltweiten Konjunktur abhängen wird.“<br />

Die Aussichten für China bleiben verhalten.<br />

Mittel- und Oberschicht des Landes<br />

wachsen langsamer und auch die Urbanisierung<br />

schreitet nicht mehr so rasant<br />

voran wie bisher. In der Folge schrumpft<br />

das Interesse an Diamanten in China weiter.<br />

Für 2016 ist laut Bain-Report mit einer<br />

Stagnation des chinesischen Markts<br />

zu rechnen. Erst ab 2017 wird er sich erholen<br />

und bis 2030 jährlich um 4 bis 5,5<br />

Prozent wachsen. Damit senkt Bain seine<br />

frühere Prognose von sieben Prozent<br />

deutlich.<br />

Autor www.bain.de<br />

Quelle: © Rozaliya - Fotolia.com<br />

Ausgabe 1/2016<br />

35


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

"Regulierung: Trotz höherer Kosten<br />

für PROJECT sind unsere Produkte für<br />

die Kunden günstiger geworden"<br />

Interview zur vertrieblichen Positionierung<br />

der auf Immobilien in Ballungsräumen spezialisierten PROJECT Investment Gruppe<br />

Alexander Schlichting, Geschäftsführer Gesellschafter,<br />

PROJECT Vermittlungs GmbH im Gespräch<br />

I N T E R V I E W<br />

FBM: Herr Schlichting, die Project Gruppe zählt zu den renommierten Anbietern<br />

in der alten und jetzt neuen Welt Geschlossener Fonds. Wie war für<br />

sie der Übergang auch in Bezug auf Ihren Vertrieb?<br />

Alexander Schlichting: Für uns war es im Sinne unserer Partner ganz wichtig,<br />

durchgängig qualitativ hochwertige Produkte im Angebot zu haben. Deshalb<br />

hatten wir uns frühzeitig bemüht, die KVG-Zulassung zu erreichen und auch<br />

unser Einmalanlageprodukt parat zu haben. Das hat optimal funktioniert.<br />

Zusätzlich konnten wir im letzten Jahr einen Teilzahlungs- und semiprofessionellen<br />

Fonds auf den Markt bringen. Insofern haben wir tatsächlich die<br />

gesamte Produktpalette, die man abbilden kann, auch für unsere Vertriebspartner<br />

vorrätig.<br />

FBM: Was hat sich denn für Ihre Kunden von der alten zur neuen Welt geändert?<br />

Ist das Produkt teurer geworden?<br />

Alexander Schlichting: Trotz höherer Kosten für PROJECT sind unsere<br />

Produkte für die Kunden günstiger geworden. Das kommt daher, dass wir<br />

durch das zusätzliche institutionelle Geschäft die Mehrkosten auffangen<br />

konnten. Grundsätzlich sind die Produkte durch die Regulierung unserer<br />

Einschätzung nach sicherer geworden, beispielsweise durch das Thema<br />

Verwahrstelle. Mit Caceis haben wir die größte und eine im Immobilienbereich<br />

sehr erfahrene Verwahrstelle gewählt. Wir gehen sogar über die<br />

gesetzliche Vorgabe hinaus, dass jede einzelne Zahlung, die das Konto<br />

verlässt, von der Bank freigegeben werden muss. Laut Gesetz wäre das<br />

nicht notwendig, denn da müssen nur die wesentlichen Zahlungsströme<br />

von der Depotbank freigegeben werden. Insofern ist die neue Welt für<br />

Anleger sicherer, weil mehr Basisvoraussetzungen vorhanden sein müssen.<br />

Dazu zählt auch eine fachlich geeignete Geschäftsführung, die entsprechend<br />

von der BaFin zugelassen sein muss. Das Gesamtkonzept ist für<br />

den Kunden auf jeden Fall transparenter als früher. Auch beim NAV, also<br />

dem Nettoinventarwert des Publikums-AIF, müssen wirklich Ross und Reiter<br />

genannt werden.<br />

FBM: Wie erfolgreich sind Sie bei institutionellen Anlegern?<br />

Alexander Schlichting: Wir konnten unseren ersten institutionellen Fonds<br />

in 2014 mit gut 85 Millionen Euro vollplatzieren. Das ging relativ schnell und<br />

36 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

wir haben den Fonds in 2015 nahezu voll investiert. So ist aktuell die zweite Tranche in<br />

Platzierung. Zusätzlich registrieren wir starke Nachfrage auch aus dem Bereich Family<br />

Office. Insofern sind wir erfolgreich gestartet und wollen das Thema natürlich weiter<br />

ausbauen, keine Frage.<br />

FBM: Institutionelle Anleger zeichnen nur zu deutlich niedrigeren Kosten als Privatanleger.<br />

Wie lukrativ sind denn diese Geschäfte für Ihr Unternehmen?<br />

Alexander Schlichting: Der wesentliche Unterschied sind die Vertriebskosten. Institutionelle<br />

Investoren zahlen keine Vertriebsgebühren. Deshalb wird das institutionelle Geschäft bei<br />

uns von einer eigenen Gesellschaft betreut. Für die Kapitalverwaltungsgesellschaft ergeben<br />

sich deutlich höhere Volumen. Insofern entsteht eine tragbare Gesamtsituation.<br />

FBM: Wie haben Ihre Fonds für Ihre Kunden bisher abgeschnitten? Über welchen Trackrecord<br />

verfügen die Project-Fonds?<br />

Alexander Schlichting: Wir haben im Strategiefonds I, also dem ersten Fonds, den<br />

wir im Bereich der Immobilienentwicklung 2003 aufgelegt haben, jetzt die ersten Kunden<br />

mit einer zehnjährigen Laufzeit abgerechnet. Dabei konnten wir für die Anleger eine<br />

Rendite von bis zu 6,5 Prozent p.a. vor Steuern realisieren. Im Vergleich zu unseren<br />

heutigen Fonds hatten wir in der Anfangszeit eine viel längere Spanne für die Einwerbung<br />

des Kapitals und auch für die Investitionen benötigt. Wir investieren heute unser Kapital<br />

Ausgabe 1/2016<br />

37


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

sehr schnell, was wir zur Zeit des ersten Fonds noch nicht konnten. Auf der Ebene der<br />

Objekte überschreiten wir die durchschnittlich geplanten Renditen seit Anbeginn und<br />

haben bei den bisher 41 erfolgten Objektabschlüssen noch nie ein Objekt negativ abgeschlossen.<br />

FBM: Gibt es denn Fonds die besser laufen als geplant?<br />

Alexander Schlichting: Einige unserer jüngeren Fonds laufen besser als geplant und<br />

interessant – auch ein Teil der Kunden, die monatlich einzahlen, werden wohl höhere<br />

Renditen als erwartet erzielen. Insgesamt laufen aufgrund unseres Sicherheitskonzeptes<br />

und der hohen Diversifizierung alle unsere Entwicklungsfonds stabil.<br />

FBM: Sie verkaufen Ihre Immobilien, z.B. Eigentumswohnungen selbst. Da kommt es<br />

schon mal auf die letzten Objekte an, ob ein Fonds Erfolg hat. Wie stellen Sie den totalen<br />

Abverkauf sicher?<br />

Alexander Schlichting: Das ist eine Kombination aus mehreren Themen. Das wichtigste<br />

ist sicherlich, dass wir ausschließlich mit festangestellten Immobilienverkäufern arbeiten.<br />

Mit gezielten Marketingaktionen, auch für die einzelnen Wohnungen, unterstützen wir<br />

unsere Immobilienverkäufer, die nur einen Teil der Provision sofort ausbezahlt bekommen.<br />

Den Rest gibt es erst, wenn zu 100 Prozent abverkauft wurde. So hat auch<br />

der Immobilienverkäufer ein eigenes starkes monitäres Interesse, erfolgreich bis zur<br />

letzten Wohnung zu verkaufen, was dazu führt, dass in der Praxis bisher keine Wohnung<br />

übrig bleibt.<br />

FBM: Wo sehen sie denn das größte Risiko an Ihrem Geschäftsmodell?<br />

Alexander Schlichting: Ein großes Risiko liegt in der Bauausführung. Es können sich<br />

am Bau Dinge ergeben, die man vorher nur bedingt kalkulieren kann. Da ist es uns wichtig,<br />

dass wir eigene regionale Verantwortliche vor Ort haben, festangestellte Bauingenieure,<br />

die nichts anderes machen als unsere Interessen zu vertreten. Das ist ein sehr wichtiger<br />

Punkt, denn das Thema Baukosten kann sich deutlich spürbar auf die Renditen auswirken<br />

und wenn man die Baukosten im Griff haben möchte, ist unsere Erfahrung, dass ein eigener<br />

festangestellter Bauleiter ein besseres Ergebnis erzielt.<br />

FBM: Was machen sie anders als Ihre Konkurrenten im Beteiligungsmarkt?<br />

Alexander Schlichting: Ich glaube, das Kernthema ist unsere Aussage 100 Prozent<br />

Eigenkapital. Und nicht nur in Form eines Lippenbekenntnisses, denn wir schreiben es<br />

auch so in den Prospekt. Es steht im Gesellschaftsvertrag und in den Anlagebedingungen.<br />

Wir schließen Fremdkapital kategorisch aus. Und ich denke auch das Thema Transparenz<br />

ist wichtig. Es gibt immer auch Objekte, die sich nicht so entwickeln wie geplant. Wir<br />

zeigen diese Objekte genauso wie die, die besser als erwartet laufen. Zaubern kann<br />

keiner und genau das überzeugt. Durch unser Stabilitätskonzept, sich nicht nur auf<br />

eine Investition zu konzentrieren, sondern innerhalb eines Fonds in 20 bis 30 Objekte<br />

zu streuen, wirken sich Abweichungen einzelner Objekte für die Investoren auch nur<br />

im geringen Maße aus.<br />

38 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

FBM: Wie sehen Sie denn jetzt den deutschen Immobilienmarkt für Ihre Projektentwicklungen?<br />

Alexander Schlichting: Hoch interessant, weil uns die Megatrends, die aktuell stattfinden,<br />

in die Karten spielen. Wir haben einen starken Zuzug in die Metropolregionen. Im Markt<br />

wurden gerade in Ballungszentren in der Vergangenheit viel zu wenige Immobilien gebaut,<br />

deshalb sehen wir für uns einen großen Vorteil durch diese Konzentration auf Immobilienentwicklungen<br />

in Metropolregionen.<br />

FBM: Wie sehen Sie sich derzeit positioniert und in welchen Bereichen wollen Sie noch<br />

wachsen?<br />

Alexander Schlichting: Wir wollen unsere Platzierungszahlen weiter ausbauen,<br />

Kernziel ist stabiles Wachstum. Durch unser Eigenkapital, auch in den eigenen<br />

Unternehmen, können<br />

wir stabil und<br />

organisch wachsen,<br />

stehen also nicht unter<br />

Druck. Auf der Seite<br />

des Asset Managers<br />

haben wir uns mit drei<br />

zusätzlichen Standorten<br />

– Wien, Düsseldorf<br />

und Köln – und<br />

Ausbau des Personals<br />

Quelle: © Rawpixel.com - Fotolia.com<br />

für weiteres Investorenkapital<br />

aufgestellt.<br />

Wir werden gerade im freien Finanzdienstleistungssektor, unserer Homebase, auch<br />

in Zukunft ein stabiler Partner sein. Wir tun alles, um das zu gewährleisten, auch mit<br />

intensiver Unterstützung unserer Vertriebspartner.<br />

FBM: Wenn man wächst steigt auch der Druck durch den Vertrieb auf den Einkauf. Ist<br />

das bei Ihnen im Einklang?<br />

Alexander Schlichting: Ja, und das betrifft alle unsere Unternehmensbereiche. Unsere<br />

Objektpipeline ist aktuell mit für Immobilienentwicklungen geeigneten und vorselektierten<br />

Grundstücken im Gesamtwert von derzeit über 3 Milliarden Euro Verkaufsvolumen sehr<br />

gut gefüllt. Wir sind zudem frühzeitig in die Entwicklung weiterer drei Standorte eingestiegen.<br />

Und wir haben im heiß umkämpften Immobilienmarkt in 2015 so viele Objekte angekauft<br />

wie noch nie in unserer 20-jährigen Unternehmensgeschichte.<br />

FBM: Wie ist derzeit Ihr Vertrieb strukturiert? Wie viele Berater arbeiten tatsächlich für Sie?<br />

Alexander Schlichting: Grundsätzlich gab es durch die Regulierung 34f eine Bereinigung<br />

in unserer Datenbank. Ich würde sagen, dass aktuell ungefähr 60 bis 70 Prozent unserer<br />

angebundenen Partner auch tatsächlich Geschäft bei uns einreichen. Das kommt sicherlich<br />

auch dadurch, dass die Kosten für den Berater in Verbindung mit dem 34f gestiegen<br />

Ausgabe 1/2016<br />

39


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

sind. Finanzberater müssen in diesem Bereich Geschäft machen, sonst rechnet sich die<br />

Gewerbegenehmigung nicht. Wir sind mit aktuell rund 450 produzierenden Partnern gut<br />

im freien Finanzdienstleistungssektor aufgestellt und bekommen immer wieder Anfragen<br />

von neuen Partnern. Und durch unsere breite Produktpipeline und durch unser Stabilitätskonzept<br />

stehen wir auch bei den bestehenden Partnern mehr im Fokus.<br />

FBM: Wie lange arbeiten Ihre Berater mit Ihnen oder sind es überwiegend neue Anbindungen?<br />

Alexander Schlichting: Wir sind aufgrund unserer Unternehmensphilosophie sehr auf<br />

Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt. Insofern haben wir viele Berater, die uns<br />

schon über viele Jahre begleiten. Seit der Regulierung haben wir zudem einen verstärkten<br />

Zulauf an neuen Partnern. Wir können sagen, dass rund 70 Prozent der Berater aus der<br />

alten Welt kommen und 30 Prozent aus der neuen Welt.<br />

FBM: Nun hat sich die Beteiligungsbranche in den letzten Jahren sehr gewandelt. Wie<br />

haben sie das denn wahrgenommen? Ist für den Anleger jetzt alles besser mit dem<br />

AIF und Betrügereien ausgeschlossen?<br />

Alexander Schlichting: Für den Anleger ist Vieles besser geworden. Das fängt bei der<br />

Eignung der KVG-Geschäftsleitung an, geht über Vorgaben im Risikomanagement und<br />

betrifft die Kontrolle durch die Verwahrstelle, das verstärkte Berichtswesen, festgelegte<br />

Prozesse, Compliance und Transparenz. Transparenz bedeutet auch Vergleichbarkeit –<br />

hier hat sich viel getan, aber in einigen Bereichen gibt es aus meiner Sicht noch Handlungsbedarf.<br />

Die Bewertungsverfahren zum Beispiel für die NAV-Wertmitteilung sind nicht<br />

für alle Assetklassen gleich. Und durch andere Bezugsgrößen wiederum führen gleiche<br />

Bewertungsverfahren bei Investmentfonds und alternativen Investmentfonds nicht zu<br />

realer Vergleichbarkeit. Es geht nun darum, Feinjustierungen vorzunehmen.<br />

FBM: Aber Betrügereien oder schlechte Investmentbeteiligungen sind Ihrer Meinung<br />

nach nicht ausgeschlossen?<br />

Alexander Schlichting: Schlechte Investmentbeteiligungen kann man mit gesetzlichen<br />

Vorgaben nicht ausschließen. Managementfehler oder Fehleinkäufe wird es auch in Zukunft<br />

geben, davor schützt kein Gesetz. Allerdings werden diese früher erkannt und das Management<br />

wird früher gegensteuern. Wenn man als Anleger schlechte Entwicklungen seiner Beteiligung<br />

vermeiden will, sollte man sich einen Spezialisten aussuchen, der das Thema beherrscht und<br />

auf langjährige Erfahrungen und Erfolge verweisen kann.<br />

Auch gegen kriminelle Energie kann man sich nie vollständig schützen, das wird auch<br />

der Gesetzgeber nicht erreichen können. Dennoch hat das Kapitalanlagegesetzbuch<br />

dazu geführt, dass viele Betrugsfälle aus der Vergangenheit so nicht mehr möglich<br />

sind. Alles in allem sehe ich eine echte Verbesserung für Investoren und manch einer<br />

hätte sich sicher gewünscht, dass das Gesetz einige Jahre früher in Kraft getreten wäre.<br />

FBM: Wie finden Anleger ein gutes AIF-Beteiligungsangebot? Auf welche Kriterien muss<br />

besonders geachtet werden?<br />

Alexander Schlichting: Der Anleger sollte für sich verstehen, wie das Investmentkonzept<br />

40 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

funktioniert bzw. wie die Gewinne realisiert werden. Entscheidend ist dabei die Erfahrung<br />

und der Track Rekord des Anbieters. Seit wie vielen Jahren ist der Anbieter am Markt,<br />

welche Erfahrung bringt er mit und welche Erfolge hat er erzielt? Ist er in diesem Bereich ein<br />

anerkannter Spezialist oder nicht? Und ebenso wichtig sind die Risiken, die für die Erzielung<br />

der Rendite eingegangen werden. Der Gesetzgeber fordert professionelles Risikomanagement,<br />

wichtiger ist professionelle Risikovermeidung. Ich würde mich als Anleger auch fragen, wie<br />

stabil ist das Marktumfeld und funktioniert meine Anlage auch ohne Subventionen. Reale<br />

Wertschöpfung entsteht über ein echtes, möglichst direktes Sachwertinvestment und nicht<br />

über komplexe Konzepte darum herum.<br />

FBM: Ist in Ihrem Haus ein Direktvertrieb geplant?<br />

Alexander Schlichting: Das ist für uns aktuell keine Option. Für uns ist es entscheident,<br />

unsere bestehenden Vertriebspartner zu stärken. Uns geht es nicht nur um den Abschluss,<br />

sondern auch um die Beratung und Betreuung nach dem Abschluss. Es ist uns zu kurz<br />

gesprungen, wenn der Initiator denkt, dass er das im Laufe der Jahre selbst genauso<br />

leisten kann. Deshalb setzen wir auf qualifizierte Vertriebspartner. Bereits 2009 hatten wir<br />

eine Bestandsprovision als auch eine Gewinnbeteiligung für unsere Partner eingeführt,<br />

um zu gewährleisten, dass sich der Berater innerhalb der Laufzeit wirklich aktiv um den<br />

Kunden kümmert.<br />

Das Interview wurde geführt von Friedrich Andreas Wanschka für <strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de.<br />

Quelle: © kasto - Fotolia.com<br />

Ausgabe 1/2016<br />

41


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />

Deutscher Immobilienmarkt:<br />

Gute Stimmung mit Fragezeichen<br />

Die Stimmung bei den professionellen<br />

Immobilienmarktteilnehmern<br />

in Deutschland ist seit Jahren<br />

gut – daran wird sich auch 2016 nichts<br />

ändern. In der jährlichen Trendumfrage<br />

von EY Real Estate bestätigen das beachtliche<br />

95 Prozent der Teilnehmer, die<br />

sich unter anderem aus den Bereichen<br />

Banken, Private-Equity-Fonds, Immobilienvehikel<br />

und Wohnungsgesellschaften<br />

zusammensetzen. „Wir denken dennoch,<br />

dass der Höhepunkt des Transaktionszyklus<br />

allmählich erreicht ist“, sagt Christian<br />

Schulz-Wulkow. Er ist Partner und Leiter<br />

des Immobiliensektors bei EY und hat die<br />

Trendumfrage konzipiert.<br />

Angebot als limitierender Faktor<br />

Seit 2009 ist das Transaktionsvolumen in<br />

Deutschland im Aufwärtstrend: Im Jahr<br />

2015 erreichte das Volumen der Immobilientransaktionen<br />

(Wohn- und Gewerbeimmobilien)<br />

in Deutschland mit 79 Milliarden<br />

Euro einen neuen Rekordwert. Für das<br />

Jahr 2016 rechnet EY allerdings mit einem<br />

Rückgang des Transaktionsvolumens auf<br />

62 bis 65 Milliarden Euro. „Viele Marktteilnehmer<br />

sehen einen weiteren Anstieg des<br />

Transaktionsvolumens. Auch wir gehen<br />

zwar davon aus, dass die Nachfrage weiter<br />

hoch bleiben wird“, so Schulz-Wulkow,<br />

„aber das Angebot wird ein limitierender<br />

Faktor sein.<br />

Lediglich Großübernahmen im Wohnimmobilienbereich<br />

hätten das Potenzial, das<br />

Transaktionsvolumen in ähnliche Größenordnungen<br />

wie im Jahr 2015 zu heben.“<br />

Rund 85 Prozent der Befragten rechnen<br />

damit, dass sich das Angebot verknappen<br />

wird, vor allem das Angebot an Immobilien,<br />

die ein vergleichsweise geringes<br />

Risiko aufweisen und zu angemessenen<br />

Preisen erworben werden können. Denn<br />

der Umfrage zufolge könnten die Preise in<br />

den stark nachgefragten zentralen Lagen<br />

(Core) in den Top-7-Städten überhitzen.<br />

Rund 80 Prozent der Befragten rechnen<br />

damit – bezogen auf alle Nutzungsklassen.<br />

Je nach Segment dürften die Kaufpreise<br />

nicht nur in Top-Lagen, sondern<br />

auch darüber hinaus steigen. Das Bürosegment<br />

ist ein Beispiel. Sowohl in A- (63<br />

Prozent) als auch in B-Lagen (57 Prozent)<br />

rechnet die Mehrheit der Befragten mit<br />

weiteren Preissteigerungen. Eine besondere<br />

Preisdynamik dürfen auch Hotelimmobilien<br />

in Bestlagen erwarten: Während<br />

hier im vergangenen Jahr nur 24 Prozent<br />

von steigenden Preisen ausgingen, sind es<br />

in diesem Jahr 56 Prozent.<br />

Mehr spekulative<br />

Projektentwicklungen erwartet<br />

Eine Folge könnten mehr Projektentwicklungen<br />

sein, auch spekulative im gewerblich<br />

genutzten Immobiliensegment. „In<br />

der aktuellen Marktphase ist eine nennenswerte<br />

Vermietung vor Fertigstellung<br />

oft nicht mehr erforderlich“, sagt<br />

Schulz-Wulkow. Beachtliche 81 Prozent<br />

der Befragten erwarten gar eine spürbare<br />

Zunahme spekulativer Projektentwicklungen.<br />

Im vergangenen Jahr waren es<br />

nur 62 Prozent.<br />

Der Markt scheint also offen für neue<br />

Projekte. Allerdings geben auch 77 Prozent<br />

der Befragten zu bedenken, dass<br />

die technische Inbetriebnahme von Bauleistungen<br />

ein zunehmender Risikofaktor<br />

der Projektentwicklung ist – zumindest für<br />

komplexe Großprojekte. Dennoch: „Die<br />

Nachfrage weitet sich von Core-Immobilien<br />

aus und umfasst immer häufiger auch<br />

Projektentwicklungen oder sonstige Investments<br />

mit Wertsteigerungspotenzial,<br />

das erst noch gehoben werden muss“, so<br />

Schulz-Wulkow. Mit der Nachfrage steige<br />

die Risikobereitschaft, wobei die meisten<br />

Marktteilnehmer nach wie vor mit Augenmaß<br />

agierten.<br />

42 Ausgabe 1/2016


IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Alternative im Niedrigzinsumfeld<br />

Die steigende Nachfrage erklärt sich über<br />

unterschiedliche Faktoren. „Die Immobilie<br />

ist eine der wenigen Alternativen zur<br />

festverzinslichen Anlage“, sagt Paul von<br />

Drygalski. Er ist Executive Director bei EY<br />

Real Estate und ebenfalls für die Studie<br />

verantwortlich. „Sie profitiert vom Niedrigzinsumfeld.“<br />

Daran dürfte sich in diesem<br />

Jahr wenig ändern. Eine spürbare<br />

Zinswende bleibt 2016 nach Meinung<br />

von fast allen Befragten (92 Prozent)<br />

aus. Darüber hinaus dürften aber auch<br />

die weltpolitischen Instabilitäten bei der<br />

Preisfindung eine Rolle spielen. Dieser<br />

Auffassung sind 56 Prozent der Befragten<br />

– im vergangenen Jahr waren es nur 44<br />

Prozent.<br />

„Natürlich gibt es auch in Deutschland<br />

Fragezeichen, aber das Land ist im internationalen<br />

Vergleich wirtschaftlich<br />

und politisch stabil.“ Das wiederum ziehe<br />

Immobilienkapital aus dem Ausland<br />

an (unter anderem aus Asien), wodurch<br />

die Nachfrage und damit die Preise weiter<br />

stiegen. „Umgekehrt zieht es deutsche<br />

Immobilienanleger aber auch schon länger<br />

wieder ins Ausland“, sagt von Drygalski.<br />

Rund acht von zehn Befragten bestätigten<br />

das Auslandsinteresse. Dabei seien<br />

auch Länder wie Italien und Spanien als<br />

Zielländer – zumindest partiell – wieder<br />

attraktiv.<br />

B-Standorte rücken in den Fokus<br />

Berlin ist für Investitionen in Büroimmobilien<br />

der attraktivste Standort. Nachdem<br />

sich im Vorjahr insgesamt 16 Prozent der<br />

Umfrageteilnehmer für die Hauptstadt<br />

ausgesprochen haben, hat sich dieser<br />

Wert im aktuellen Trendbarometer auf 17<br />

Prozent erhöht. Dicht dahinter folgt München<br />

mit 16 Prozent (2015: 17 Prozent).<br />

Auch bei den Wohnimmobilien bleibt die<br />

Hauptstadt trotz eines leichten Rückgangs<br />

des Anteils von 21 auf 16 Prozent<br />

deutlich im Investmentfokus der Umfrageteilnehmer.<br />

„Auffällig ist hierbei, dass<br />

Städte wie Leipzig und Dresden zunehmend<br />

als attraktive Standorte wahrgenommen<br />

werden und mit insgesamt elf<br />

Prozent teilweise über dem Anteil einiger<br />

Top-7-Standorte liegen“, sagt Schulz-<br />

Wulkow. Im Einzelhandelssegment dagegen<br />

steht im Jahr 2016 Hamburg an<br />

Ausgabe 1/2016<br />

43


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />

erster Stelle, wenngleich sich der Anteil<br />

der Investoren mit dem Fokus auf dortige<br />

Handelsimmobilien von 17 Prozent<br />

im letzten Jahr auf nunmehr 14 Prozent<br />

verringert hat. Mit Berlin, Düsseldorf und<br />

München stehen gleich drei Topstandorte<br />

auf dem zweiten Platz; Frankfurt folgt mit<br />

einem Anteil von zehn Prozent dahinter.<br />

Auswirkungen der Zuwanderung auf<br />

den Immobilienmarkt<br />

In der Wohnungswirtschaft spielen in diesem<br />

Jahr zwei Faktoren eine entscheidende<br />

Rolle: Da ist zum einen die Zuwanderung<br />

durch Flüchtlinge. Rund 83 Prozent<br />

der Befragten stellen fest, dass der Zuzug<br />

von Flüchtlingen die deutsche Immobilienwirtschaft<br />

wesentlich beeinflusst. So<br />

seien Containerdörfer teilweise teurer als<br />

langfristig nutzbare Neubauten. „Es muss<br />

nicht für die Ewigkeit gebaut werden, aber<br />

Container und Sporthallen können nur<br />

Übergangslösungen sein“, so von Drygalski.<br />

Das zweite große Thema der Wohnungswirtschaft<br />

ist die Mietpreisbremse.<br />

Sie habe ihren Zweck bislang verfehlt.<br />

„Die jeweiligen Berechnungsgrundlagen<br />

erscheinen mangelhaft“, bestätigen auch<br />

95 Prozent der Befragten. „Kommunen,<br />

die auf die Mietpreisbremse setzen wollen,<br />

sollten mit Klageverfahren rechnen“,<br />

meint von Drygalski. „Statt den Mangel<br />

zu regulieren, muss preisgünstiger Wohnraum<br />

geschaffen werden. Nach jüngsten<br />

Schätzungen und unter Berücksichtigung<br />

der Zuwanderung werden über 400.000<br />

Wohnungen jährlich benötigt.“<br />

Autor www.ey.com/DE<br />

Immobilienmarkt Deutschland 2016:<br />

Spitzenrenditen mit Drei vor<br />

dem Komma werden zum Normalfall<br />

Der Nachfrageüberhang am deutschen<br />

Immobilienmarkt nimmt im kommenden<br />

Jahr noch weiter zu. Das ist eines der wesentlichen<br />

Ergebnisse in der von Savills<br />

veröffentlichten Analyse „Ausblick Immobilienmarkt<br />

Deutschland 2016“. Aufgrund<br />

der weiterhin günstigen realwirtschaftlichen<br />

Rahmenbedingungen steigt<br />

vor allem in den großen Städten und<br />

Ballungsräumen die Nachfrage nach Büros,<br />

Logistikflächen und Wohnungen. Gepaart<br />

mit weiterhin niedrigen Zinsen wird<br />

dies dazu führen, dass im nächsten Jahr<br />

noch mehr Geld für Immobilieninvestitionen<br />

bereit steht. „An der Asset-Klasse<br />

Immobilien führt auch im kommenden<br />

Jahr kein Weg vorbei und vor allem aus<br />

dem Ausland wird aufgrund des anhaltend<br />

günstigen Umfeldes noch mehr Geld<br />

in den deutschen Immobilienmarkt strömen“,<br />

ist sich Marcus Lemli, CEO Germany<br />

und Head of Investment Europe bei<br />

Savills, sicher.<br />

Für die großen deutschen Büromärkte<br />

rechnet Savills mit einem weiteren Anstieg<br />

des Flächenumsatzes bei zugleich<br />

unterdurchschnittlichem Flächenfertig-<br />

44 Ausgabe 1/2016


IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

stellungsvolumen. Die Leerstandsraten<br />

werden folglich weiter zurückgehen und<br />

die Mieten in den A- und B-Lagen werden<br />

steigen. „Bei größeren Flächengesuchen<br />

werden die Unternehmen feststellen<br />

müssen, dass sie aus immer weniger<br />

Alternativen wählen können, die zudem<br />

zunehmend teurer werden. In zentralen<br />

Lagen ist eine Projektanmietung sogar<br />

die einzige Option“, prognostiziert Marcus<br />

Mornhart, Managing Director und<br />

Head of Office Agency Germany bei Savills.<br />

Ein Nachfragezuwachs ist auch am<br />

Logistikflächenmarkt<br />

zu erwarten, der nicht<br />

nur durch konjunkturelle<br />

Impulse, sondern<br />

auch durch das anhaltende<br />

Wachstum des<br />

E-Commerce getrieben<br />

wird. Letzteres wiederum<br />

wird dazu führen,<br />

dass die Nachfrage am<br />

Markt für Einzelhandelsflächen<br />

stagniert.<br />

Lediglich in den Luxuslagen<br />

bleiben Flächen<br />

knapp, alle anderen<br />

Lagen der Einkaufsstraßen<br />

werden in zunehmend<br />

mehr Städten<br />

Mietrückgänge<br />

verzeichnen.<br />

Am Immobilieninvestmentmarkt<br />

sind erneut<br />

sehr hohe Umsätze zu<br />

erwarten. So kann am Gewerbeinvestmentmarkt<br />

die Marke von 50 Mrd. Euro<br />

als Untergrenze gelten. Auch der Wohninvestmentmarkt<br />

wird im nächsten Jahr<br />

ein Transaktionsvolumen im zweistelligen<br />

Milliardenbereich verzeichnen, wenngleich<br />

die in den letzten Jahren zu beobachtende<br />

Konsolidierungswelle zu ihrem<br />

Ende kommt. Sowohl am Wohn- als auch<br />

am Gewerbeinvestmentmarkt werden die<br />

Renditen rückläufig sein und die Risikoprämien<br />

für B-Lagen und/oder B-Objekte<br />

werden sich verringern. „In den besonders<br />

liquiden Marktsegmenten, also bei<br />

Büros, Geschäftshäusern und Wohnimmobilien,<br />

werden Spitzenrenditen mit einer<br />

Drei vor dem Komma zur Normalität“,<br />

so Andreas Wende, COO und Head of Investment<br />

Germany bei Savills.<br />

Weil der Investmentzyklus am deutschen<br />

Markt bereits weit fortgeschritten ist,<br />

wird es für Investoren zunehmend wichtiger,<br />

ihre Portfolios auf<br />

die Zeit nach dem Aufschwung<br />

vorzubereiten.<br />

Dazu eignen sich Investitionen<br />

in Immobilien, die<br />

möglichst unabhängig von<br />

konjunkturellen Schwankungen<br />

sind oder die von<br />

langfristigen Trends profitieren.<br />

„Die fortschreitende<br />

Verstädterung, die<br />

Alterung der Gesellschaft<br />

und die steigende Bedeutung<br />

des Bildungssektors<br />

sind langfristig wirksame<br />

Trends, die sich Immobilieninvestoren<br />

zunutze<br />

machen können, um zyklische<br />

Effekte abzufedern“,<br />

erläutert Matthias<br />

Pink, Director und Head of<br />

Research Germany bei Savills.<br />

Neben Senioren- und<br />

Studentenwohnanlagen<br />

kommen hierfür Pflegeheime und Hochschulgebäude<br />

als Zielobjekte in Frage.<br />

„Auch der Wohnungsmarkt bleibt unter<br />

dem Gesichtspunkt der Konjunkturunabhängigkeit<br />

trotz der bereits hohen Preise<br />

im nächsten Jahr für defensive Investoren<br />

attraktiv“, so Karsten Nemecek,<br />

Managing Director Corporate Finance –<br />

Valuation Germany bei Savills.<br />

Autor www.savills.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

45


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />

bulwiengesa-Immobilienindex:<br />

Immobilienpreise<br />

steigen etwas langsamer<br />

Aktuell längste positive Marktdynamik<br />

seit den 1970er Jahren<br />

Der neue bulwiengesa-Immobilienindex<br />

beschreibt zum 40. Mal in<br />

Folge die Immobilienpreisentwicklung.<br />

Die Methodik und die lange Reihe,<br />

in dem er erhoben wird, machen ihn zu<br />

einem wichtigen Gradmesser für nachhaltige<br />

Entscheidungen in Immobilienmarkt,<br />

Stadtentwicklung und Geldpolitik; die Daten<br />

fließen unter anderem in die Preisindizes<br />

der Deutschen Bundesbank ein. Die<br />

Ergebnisse aus den nun ergänzten Jahresdaten<br />

von 2015 zeichnen für den aktuellen<br />

Zyklus ein positives Bild. Nachdem von den<br />

1970er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre<br />

deutliche Wellenbewegungen mit hoher<br />

Dynamik im Immobilienzyklus zu sehen<br />

waren, folgte bis Mitte der 2000er Jahre<br />

eine Zeit mit kurzfristigerer Volatilität,<br />

welche zu Umsicht mahnte. Im aktuellen<br />

Immobilienzyklus hält das bemerkenswert<br />

konstante Wachstum deutlich länger an.<br />

Bereits seit elf aufeinanderfolgenden Jahren<br />

weist der bulwiengesa-Immobilienindex<br />

eine steigende Preisentwicklung auf.<br />

In der aktuellen Berechnung für das Jahr<br />

2015 können segmentübergreifend +3,7<br />

% Wachstum verzeichnet werden (Wohnungsmarkt<br />

+4,2 %; Gewerbemarkt +2,6<br />

%). Somit fallen die Steigerungen etwas<br />

geringer als im Vorjahr aus, bestätigen<br />

aber das Niveau der Jahre 2011 – 2013.<br />

Die Schere zwischen Immobilienpreiszuwachs<br />

und steigenden Lebenshaltungskosten<br />

(Inflationsrate: +0,3 %) hat sich<br />

vergrößert.<br />

Die Ausgangsbedingungen auf dem deutschen<br />

Immobilienmarkt haben sich im Vergleich<br />

zum Vorjahr nur wenig verändert.<br />

Dreh- und Angelpunkt bleibt die konjunkturbelebende<br />

Niedrigzinspolitik der EZB.<br />

bulwiengesa-Vorstand Thomas Voßkamp<br />

kommentiert dazu: „Anleger müssen bei<br />

den derzeit niedrigen Zinserwartungen<br />

rentable Investitionsgüter finden. Und das<br />

sind Immobilien.“ Ein Ende der Finanzpolitik,<br />

die den Immobilienmarkt befeuert, ist<br />

derzeit nicht in Sicht, der Leitzins bleibt<br />

trotz der FED-Erhöhung bei 0,05 % und der<br />

Strafzins für Bankeinlagen wurde mit Ende<br />

2015 noch einmal auf +0,3 % angehoben.<br />

Das bereits hohe Preis- und Mietniveau in<br />

A-Städten lässt die Marktakteure auf der<br />

Suche nach risikoadäquaten Investments<br />

immer häufiger auf kleinere Märkte ausweichen.<br />

Im Fokus stehen Standorte mit<br />

angemessener zentralörtlicher Funktion,<br />

Wirtschaftskraft und universitären Einrichtungen.<br />

Beschäftigtenwachstum und<br />

gestiegene Realeinkommen beleben die<br />

Immobiliennachfrage. Beleg hierfür ist der<br />

relativ konstante und homogene Anstieg<br />

des bulwiengesa-Immobilienindex in B-,<br />

C- und D-Städten (2011 – 2015: +10,0<br />

bis +13,0 %; A-Städte +17,0 %). Innerhalb<br />

dieser Stadtkategorien gibt es allerdings<br />

erhebliche Spannen.<br />

46 Ausgabe 1/2016


IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Auffallend in den Zahlen ist eine Entkopplung<br />

zwischen Kaufpreisen und Mieten. Die<br />

Resultate der aktuellen Erhebung spiegeln<br />

dabei die allgemeine Entwicklung der letzten<br />

fünf Jahre wider. So sind die Kaufpreise<br />

für Neubauwohnungen seit 2011 in einer<br />

Spanne von 24,6 % in D-Städten bis zu<br />

30,0 % in B-Städten massiv gestiegen. Im<br />

gleichen Zuge konnten die Neubaumieten<br />

„nur“ zwischen 15,8 % (D-Stadt) und 17,7<br />

% (B-Stadt) zulegen. Im Gegensatz zum<br />

europäischen Ausland ist Deutschland mit<br />

einer niedrigen Eigentumsquote von unter<br />

50 % weiterhin ein äußerst wichtiger<br />

Mietermarkt. Daher<br />

ist nachvollziehbar,<br />

dass die Politik angesichts<br />

des deutlichen<br />

Mietwachstums<br />

versucht, bei<br />

nicht ausreichend<br />

hohen Fertigstellungszahlen<br />

über<br />

die Mietpreisbremse<br />

regulierend einzugreifen.<br />

Der gewerbliche Immobilienmarkt entwickelt<br />

sich im bulwiengesa-Immobilienindex<br />

mit einem Plus von 2,6 % positiv.<br />

Im Gewerbeimmobilienmarkt ist die<br />

Differenzierung nach Städtekategorien<br />

und Assetklassen jedoch ausgeprägter<br />

als im Wohnimmobilienmarkt. Es sind<br />

die A-Standorte, die sehr stark nachgefragt<br />

sind. Die gute Konsumlaune treibt<br />

die Einzelhandelsmieten in 1a-Lagen<br />

deutlich an. Internationale Filialisten probieren<br />

ihre Konzepte in deutschen Top-<br />

Lagen aus. Auch der Büromarkt kann in<br />

den A-Städten von den gestiegenen Beschäftigungsverhältnissen<br />

profitieren. Ein<br />

deutlicher Leerstandsabbau unterstreicht<br />

den Trend. Auf der Kehrseite können<br />

insgesamt 37 Standorte im Teilindex Gewerbe<br />

die Inflationsrate von 0,3 % nicht<br />

übertreffen, davon weisen 17 Standorte<br />

gar eine leicht negative Preisentwicklung<br />

auf. Hier handelt es sich vorwiegend um<br />

D-Standorte oder auch Standorte, die<br />

weiterhin vom Strukturwandel betroffen<br />

sind.<br />

Ausblick<br />

Der deutsche Immobilienmarkt wird<br />

2016 ein weiteres Mal Preiswachstum<br />

zeigen. Denn obwohl der aktuelle Immobilienzyklus<br />

weit vorangeschritten ist,<br />

gibt es derzeit keine Hinweise auf konkrete<br />

Immobilienblasen oder ein Ende<br />

des Aufwärtstrends. 2016 werden ausländische<br />

Investoren noch stärker aktiv,<br />

um Niedrigzins und Währungseffekte zu<br />

nutzen. Folglich kann sich die zinsinduzierte<br />

Entkopplung von Investment- und<br />

Mietmärkten fortsetzen. Gute Eigenkapitalquoten,<br />

hohe Tilgungsraten und<br />

lange Kreditlaufzeiten minimieren Kreditausfallwahrscheinlichkeiten.<br />

Dennoch<br />

sollte stets bedacht werden, dass in<br />

Niedrigzinszeiten kleine absolute Zinsänderungen<br />

drastische Folgen auf die Finanzierungsbedingungen<br />

haben können.<br />

Da auch die Preisniveaus europäischer<br />

Nachbarstaaten noch nicht erreicht sind,<br />

liegt ein anhaltendes Wachstumspotenzial<br />

für Kauf- und Mietpreise sowie anhaltend<br />

hohe Immobilieninvestments<br />

vor.<br />

Autor www.bulwiengesa.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

47


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />

Portfoliotransaktionen werden vom<br />

Einzelhandel und Unternehmensübernahmen<br />

bestimmt<br />

Drei Transaktionen toppen die Milliardenmarke<br />

Zum sechsten Mal in Folge übertrafen<br />

Portfolioinvestments das jeweilige<br />

Transaktionsvolumen des Vorjahres.<br />

2015 wechselten über 140 Immobilienpakete<br />

für insgesamt 19,2 Mrd. Euro den<br />

Besitzer, gegenüber dem Vorjahr ein Plus<br />

von 59 %, der 5-Jahresschnitt wurde verzweieinhalbfacht.<br />

Es ist nach dem Allzeithoch<br />

in 2007 (34,3 Mrd. Euro) das zweithöchste<br />

Ergebnis, das im Portfoliobereich<br />

erzielt wurde.<br />

Im Vergleich mit dem Anstieg des Transaktionsvolumens<br />

auf dem gesamten Gewerbeimmobilien-Investmentmarkt<br />

(+ 38<br />

% auf 55,1 Mrd. Euro) entwickelte sich der<br />

Markt für Portfolioinvestments überdurchschnittlich.<br />

Bereits zum Halbjahr konnte<br />

ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum<br />

gleichen Zeitraum im Vorjahr festgestellt<br />

werden. „In der zweiten Jahreshälfte floss<br />

mit einem starken 4. Quartal noch mehr<br />

Kapital in Immobilien-Portfolios“, so Peter<br />

Birchinger, bei JLL Team Leader Portfolio<br />

Investment Germany. Immerhin drei Transaktionen<br />

toppten 2015 die Milliardenmarke<br />

(2014: 1, 2007: 7): Der Verkauf von über<br />

40 Kaufhof-Warenhäusern durch Hudson’s<br />

Bay, die Übernahme von Deutsche Office<br />

durch Alstria sowie die Übernahme von<br />

Corio durch Klépierre. Die Top 5 Portfoliotransaktionen<br />

machten 2015 mit 6,38 Mrd.<br />

Euro (2014: 2,94 Mrd. Euro, 2007: über<br />

8,5 Mrd. Euro) allein ein Drittel des gesamten<br />

Transaktionsvolumens aus. Alle Portfoliotransaktionen<br />

über 100 Mio. (knapp 50<br />

Transaktionen) summierten sich auf einen<br />

Anteil von über 80 % am Volumen, entsprechend<br />

15,6 Mrd. Euro. Insbesondere bei<br />

den Transaktionen in der Größenordnung<br />

zwischen 100 und 200 Mio. Euro konnte<br />

mit 25 Transaktionen im Vergleich zu 2014<br />

(15 Transaktionen) ein starker Anstieg der<br />

Transaktionszahlen registriert werden. Die<br />

durchschnittliche Transaktionsgröße legte<br />

von 115 auf 135 Mio. Euro zu.<br />

Fast die Hälfte des Portfoliotransaktionsvolumens<br />

geht auf das Konto von Einzelhandelsobjekten;<br />

gegenüber dem vergangenen<br />

Jahr fällt die Verteilung zwischen den<br />

Assetklassen damit deutlicher aus: Den<br />

47 % im Einzelhandelsbereich, die 2015<br />

mit über 9 Mrd. zu Buche schlagen (2014:<br />

3,08 Mrd. Euro) steht ein Anteil von 30 %<br />

bei Büroimmobilien gegenüber. Von allen<br />

Einzelhandelsobjekten, die 2015 den Besitzer<br />

wechselten, wurden 54% (des Volumens<br />

in Euro) im Rahmen von Portfolios<br />

gehandelt. Damit ist diese Nutzungsart<br />

diejenige, die den höchsten Portfolioanteil<br />

aufweist. Auf Platz zwei folgt Logistik, hier<br />

wurde 45% im Rahmen von Portfolios verkauft.<br />

Bei Büroimmobilien waren es 2015<br />

nur 25 %, drei Viertel des Volumens fließen<br />

hier in Einzelobjekte.<br />

Das Interesse ausländischer Investoren<br />

an Portfoliokäufen hat weiter zugelegt:<br />

zwei Drittel des Investitionsvolumens<br />

im Portfoliosegment entfielen auf ausländische<br />

Käufer. Das ist deutlich mehr<br />

als bei Einzeltransaktionen (ca. 45%).<br />

Der Großteil des ausländischen Kapitals<br />

auf dem Portfoliomarkt stammte im abgelaufenen<br />

Jahr aus den USA, Kanada,<br />

Großbritannien und Frankreich. „Dass<br />

ausländische Investoren eher Großtransaktionen<br />

bevorzugen, ist nichts Neues.<br />

Bei den zwölf größten Portfoliodeals 2015<br />

waren sie zehnmal auf Käuferseite vertreten“,<br />

so Birchinger. Ihr Fokus lag dabei<br />

stärker als bei den deutschen Investoren<br />

auf Einzelhandelsimmobilien (45%<br />

gegenüber 37%). Büroobjekte wiederum<br />

hatten bei deutschen Anlegern mit 42 %<br />

den höheren Anteil (gegenüber 29%).<br />

Allerdings waren ausländische Investoren<br />

48 Ausgabe 1/2016


IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

im Portfoliobereich mit 73% des Transaktionsvolumens<br />

auch als Verkäufer deutlich<br />

aktiver als deutsche Eigentümer.<br />

Die beiden stärksten Käufergruppen, die<br />

Immobilien AGs/REITs sowie die Asset/<br />

Fonds Manager, machten fast die Hälfte<br />

des Transaktionsvolumens aus, auf Verkäuferseite<br />

schieben sich die Corporates<br />

dazwischen, die immerhin Objekte in einer<br />

Größenordnung von zusammen über<br />

4,3 Mrd. Euro veräußerten. In Bezug auf<br />

den Ausblick für 2016 ist Peter Birchinger<br />

optimistisch: „Viele Eigentümer nutzen die<br />

anhaltend starke Nachfrage nach großen<br />

Deals und bringen Immobilienpakete<br />

auf den Markt. Wir werden weiterhin eine<br />

hohe Aktivität im Portfoliosegment sehen<br />

und erwarten, dass das Portfoliotransaktionsvolumen<br />

auch 2016 mit etwa 17 Mrd.<br />

Euro auf hohem Niveau bleiben wird."<br />

Autor www.jll.de<br />

Immobilienmärkte in Europa:<br />

Mega-Trend Urbanisierung<br />

sorgt für Wandel<br />

Die europäischen Immobilienmärkte<br />

stehen vor tiefgreifenden Veränderungen.<br />

Wie die Studie „Emerging<br />

Trends in Real Estate® Europe 2016“ der<br />

Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft<br />

PwC und des Urban Land Institute<br />

(ULI) ergab, reagieren internationale<br />

Investoren mit Strategiewechseln auf<br />

neue Mieterbedürfnisse und Marktentwicklungen<br />

wie die rasch fortschreitende<br />

Urbanisierung, technologische Innovationen<br />

und den demografischen<br />

Wandel. „Das<br />

Verhältnis zwischen Vermietern<br />

und Mietern hat<br />

sich grundlegend verändert.<br />

Aus Mietern sind<br />

sehr gut informierte<br />

Kunden mit individuellen<br />

Ansprüchen geworden“,<br />

erläutert Jochen Brücken, verantwortlicher<br />

Partner für den Bereich Real Estate<br />

bei PwC. „Die Immobilienbranche steht<br />

vor der Herausforderung, serviceorientierter<br />

zu arbeiten und neue Kundenwünsche<br />

zu erfüllen.“<br />

Aus Bürogebäuden werden<br />

Servicezentren<br />

Demnach legen Mieter von Büroimmobilien<br />

zunehmend Wert auf Effizienz und<br />

Produktivität bei der Nutzung eines Gebäudes.<br />

Aspekte wie Raumauslastung,<br />

Luftqualität oder Lichtverhältnisse<br />

können Mieter eigenhändig durch<br />

Apps überprüfen. Über Buchungssoftware<br />

kann die Auslastung der<br />

Arbeitsplätze ermittelt werden,<br />

während GPS-Geräte die Nutzung<br />

der Büroräume anzeigen. Wie die<br />

Befragung der 550 Marktexperten<br />

weiter ergab, sorgt die rasche Urbanisierung<br />

außerdem für eine verstärkte<br />

Nachfrage nach zentral gelegenen Bürogebäuden,<br />

in denen Konferenzsäle oder Fit-<br />

Ausgabe 1/2016<br />

49


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />

nesscenter von mehreren Mietern geteilt<br />

werden können. Viele Eigentümer statten<br />

ihre Gebäude mit WiFi-Cafés, Dachgärten<br />

oder Sportgeräten aus. Vor allem High-<br />

Tech-Firmen und jüngere Arbeitnehmer<br />

legen Wert darauf, dass das Arbeitsumfeld<br />

im Einklang zum eigenen Lebensstil<br />

und gesundheitlichen Ansprüchen steht.<br />

„Das alles wird den Immobilienmarkt verändern“,<br />

sagt Jürgen Fenk, Chairman ULI<br />

Germany.<br />

Bester Standort wird digital ermittelt<br />

Im Einzelhandel sorgen neue Technologien<br />

dafür, dass die Erwartungen der<br />

Kunden an Einkaufserlebnisse in den Geschäften<br />

und auf den Webseiten steigen.<br />

Immer mehr Onlinehändler und Retailer,<br />

die bislang ihre Waren über Großhändler<br />

vertrieben, eröffnen in Zeiten des rasch<br />

wachsenden Onlinehandels eigene Standorte<br />

in den Städten, um ihren Kunden<br />

mehr Service zu bieten und ihr eigenes<br />

Marketing zu stärken. Spitzenreiter unter<br />

den Anlage-Objekten bleiben laut der Studie<br />

Einzelhandelsimmobilien auf den Einkaufsstraßen<br />

der europäischen Städte.<br />

Auch die Standortwahl wird mittlerweile<br />

technologisch beeinflusst. Vermieter von<br />

Einkaufszentren können ihre Mieterauswahl<br />

überprüfen, indem sie die Frequentierung<br />

der Läden digital ermitteln. Gleichzeitig<br />

wird das Angebot von Speisen und<br />

Getränken in Geschäften und Einkaufszentren<br />

immer wichtiger.<br />

Immobilienprojektentwicklungen<br />

werden noch attraktiver<br />

Als weiteren neuen Anlagetrend nennt die<br />

Studie die verstärkte Fokussierung internationaler<br />

Investoren auf eigene Immobilienentwicklungen.<br />

Knapp 80 Prozent<br />

der Befragten sehen diese als attraktive<br />

Top-Anlagemöglichkeit, da hochwertige<br />

Immobilien in Bestlagen weiter schwer<br />

verfügbar sind und als überteuert gelten.<br />

Die Bandbreite reicht von ausbaufähigen<br />

Einzelobjekten bis hin zur Schaffung komplett<br />

neuer Stadtbezirke. „Dadurch entstehen<br />

zum einen neue Top-Immobilien in<br />

guten Lagen.<br />

Zum anderen kann der Investor das Projekt<br />

von Grund auf selbst mitgestalten“,<br />

erklärt Jürgen Fenk, Chairman ULI Germany.<br />

Spezial-Immobilen legen ebenfalls<br />

deutlich in der Gunst der Investoren zu.<br />

Laut der Erhebung erwägen mittlerweile<br />

41 Prozent (Vorjahr: 28 Prozent) der befragten<br />

Experten Investitionen in alternative<br />

Anlage-Objekte. Sie gehen davon<br />

aus, dass besonders Hotels, Gesundheitseinrichtungen<br />

wie Seniorenheime sowie<br />

50 Ausgabe 1/2016


IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Studentenwohnheime und Rechenzentren<br />

von Trends wie der raschen Urbanisierung<br />

und langfristigen demografischen Entwicklungen<br />

profitieren werden.<br />

Berlin bleibt Spitzenreiter – Hamburg<br />

rückt auf<br />

Im Städte-Ranking verteidigt Berlin 2016<br />

im Vergleich zum Vorjahr seinen Spitzenplatz<br />

als europäischer Immobilienmarkt<br />

mit den besten Investitions- und Entwicklungschancen.<br />

Die deutsche Hauptstadt<br />

profitiert dabei von ihrem hohen Anteil an<br />

jungen Einwohnern und ihrem Ausbau als<br />

Technologiestandort. Gleichzeitig bietet<br />

Berlin auch langfristig genügend Potenzial<br />

für Projektentwicklungen, sagt Jochen<br />

Brücken von PwC. Hamburg mit seiner<br />

großen innerstädtischen Projektentwicklung<br />

HafenCity klettert um zwei Positionen<br />

auf Rang zwei, gefolgt von Dublin,<br />

Madrid und Kopenhagen. Die dänische<br />

Hauptstadt rangiert infolge eines wiedererwachten<br />

Interesses an skandinavischen<br />

Ländern erstmals unter den Top-5 der insgesamt<br />

28 europäischen Märkte, die im<br />

Rahmen der Studie analysiert wurden. Als<br />

dritte deutsche Stadt ist München 2016<br />

erstmals wieder unter den Top-10 vertreten,<br />

während London als größter, aber als<br />

überteuert geltender europäischer Markt<br />

auf Rang 15 fällt.<br />

Europas Immobilienmärkte 2016 im<br />

Aufschwung<br />

Insgesamt beurteilen die befragten Marktexperten<br />

die Geschäftsaussichten der<br />

Branche für das neue Jahr sehr optimistisch.<br />

Zwar rechnet mehr als 40 Prozent<br />

der Umfrageteilnehmer damit, dass sich<br />

der Wettbewerb um Top-Immobilien in Innenstadtlagen<br />

weiter verschärfen und deren<br />

Verfügbarkeit weiter abnehmen wird.<br />

Doch gelten diese für die meisten Investoren<br />

weltweit - darunter Pensionsfonds,<br />

große Versicherer, Vermögensverwalter<br />

und Privatinvestoren - nach wie vor als sicherer<br />

Hafen. „In der anhaltenden Niedrigzinsphase<br />

bieten Immobilien weiterhin<br />

attraktivere Renditeaussichten als Anleihen.<br />

Dieser Trend wird sich 2016 fortsetzen“,<br />

prognostiziert Jochen Brücken<br />

von PwC. Als mögliche Risiken der langfristigen<br />

Marktentwicklung nennen Umfrageteilnehmer<br />

unter anderem einen EU-<br />

Austritt Großbritanniens (Brexit), einen<br />

weiteren Ölpreisverfall sowie eine zunehmende<br />

Konjunkturabkühlung in China und<br />

weitere Terroranschläge. Solche Faktoren<br />

müssten genau beobachtet und abgewartet<br />

werden, um deren möglichen Einfluss<br />

auf die Immobilienmärkte Europas nach<br />

2016 absehen zu können, heißt es.<br />

Frisches Eigenkapital und bessere<br />

Fremdkapitalversorgung<br />

Die Finanzierungsbedingungen auf Europas<br />

Immobilienmärkten werden sich der<br />

Studie zufolge 2016 sehr positiv entwickeln,<br />

schätzt Jürgen Fenk vom ULI die<br />

Entwicklung ein. Die Liquidität wird nach<br />

Einschätzung der Befragten hoch bleiben,<br />

während sich die Konjunktur der meisten<br />

europäischen Länder weiter erholen dürfte.<br />

Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb.<br />

Die Preise für Prime-Immobilien<br />

erreichen mittlerweile Rekordhöhen,<br />

während die Immobilienpreise in den<br />

anderen Risikoklassen ebenfalls weiter<br />

zulegen. Rund 55 Prozent der Befragten<br />

rechnet für 2016 mit einem weiteren Zufluss<br />

von Kapital zur Refinanzierung von<br />

Bestandsimmobilien oder für Neuinvestitionen<br />

in die Märkte, vor allem aus Nordamerika<br />

und Asien. Ebenfalls gut die<br />

Hälfte der Umfrageteilnehmer erwartet<br />

eine Ausweitung der Kreditfinanzierung,<br />

obwohl viele Banken nach wie vor eher<br />

zurückhaltend bei der Kreditvergabe<br />

agieren.<br />

Autor www.pwc.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

51


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

"Analysehaus Morgen & Morgen<br />

offeriert in Kürze einen Vergleich für<br />

Honorartarife"<br />

Interview zur weiteren Entwicklung der Unternehmensgruppe<br />

Peter Schneider, Geschäftsführer<br />

Morgen & Morgen Group GmbH im Gespräch<br />

I N T E R V I E W<br />

FBM: Herr Schneider, Sie waren jahrelang als Versicherungsvorstand im<br />

Vertrieb tätig und sind jetzt zum Analysehaus Morgen & Morgen gewechselt.<br />

Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?<br />

Peter Schneider: Das war primär eine persönliche Sache: die Branche<br />

aus einem komplett anderen Blickwinkel wahrzunehmen- das war mein<br />

größter Antrieb. Vertrieb ist das, was ich gelernt habe. Ich verfüge über<br />

eine relativ lange MLP-Vergangenheit in den unterschiedlichen Positionen,<br />

auch operativ im Vertrieb. Dann war ich 14 Jahre Versicherungsvorstand.<br />

Von daher war es eigentlich, wenn man die Branche insgesamt kennenlernen<br />

will, der logische nächste Schritt. Morgen & Morgen wird in der Branche als<br />

Marktführer geschätzt. Das Unternehmen hat sich meiner Meinung nach<br />

bestens im Markt positioniert und steht sowohl für Qualität als auch für<br />

fachliche Tiefe. Das fühlt sich für mich richtig an und ich bin froh, Teil dieses<br />

Unternehmens zu sein.<br />

FBM: Was sind Ihre Ziele mit Morgen & Morgen?<br />

Peter Schneider: Als Vertriebler habe ich natürlich ein großes Interesse<br />

daran, M&M noch stärker zu machen. Wir sehen uns klar als Marktführer,<br />

wenn es darum geht, die Anbindungen an Einzelmakler zu messen. Da dürften<br />

wir mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich vorne stehen. Diese Position<br />

würde ich gerne weiter ausbauen. Ich sehe aber auch, dass wir bei M&M<br />

noch unser technisches Profil schärfen können. Da ist die Wahrnehmung<br />

im Markt noch nicht die, die ich mir wünsche. Ich glaube, dass wir deutlich<br />

mehr können, als das, was man heute von uns wahrnimmt. M&M ist<br />

durchaus auch in der Lage technologisch, Stichwort Digitalisierung, sehr<br />

hochwertige Lösungen anzubieten, aber man nimmt uns doch eher als die<br />

klassischen Analysten, bzw. als das Vergleichshaus wahr.<br />

FBM: Welche Dienstleistungen Ihres Hauses sind aktuell am meisten gefragt?<br />

Peter Schneider: Da würde ich gerne erst einmal erklären, dass das Geschäftsmodell<br />

von M&M auf zwei Säulen ruht und die sind nahezu gleich<br />

stark. Das eine sind die klassischen Vergleichsangebote, die wir am Markt<br />

haben, also unser Lizenzgeschäft mit den einzelnen Maklern. Unsere zweite<br />

Säule umfasst Intelligent Developments. Darunter verstehen wir intelligente<br />

Dienstleistungen und Vermarktungen unserer Kernkompetenzen. Hier geht es<br />

52 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

um Projekte, Datenlieferungen, um Analysen speziell für Produktentwicklungsabteilungen<br />

in der Versicherungsbranche etc. Mit diesen zwei Pfeilern wollen wir den Markt nachhaltig<br />

zufriedenstellen.<br />

FBM: Jetzt befindet sich die Finanzdienstleistungsbranche im Umbruch. Viele Vermittler<br />

verlassen nicht nur aus Altersgründen die Branche. Der Nachwuchs fehlt zunehmend.<br />

Unter diesem Eindruck, in welchen Bereichen gibt es für M&M noch Wachstumsfelder?<br />

Peter Schneider: Das eine Wachstumsfeld habe ich bereits angesprochen, die Schärfung<br />

des technologischen Profils. Es gibt sicherlich noch eine ganze Reihe von Marktteilnehmern,<br />

die gerne mit unserer qualitativ fachlich sehr guten Software arbeiten würden. Aktuell sehen<br />

sie uns aber noch nicht als den Partner, der auch technologisch die Leistung erbringt, die<br />

vielleicht bei einem größeren Vertrieb oder größeren Anbieter erwünscht wäre. Da sehe<br />

ich ein deutliches Wachstumsfeld. Und zum anderen sehe ich im Bereich Intelligent<br />

Developments großes Potential. Ich glaube, dass die Nachfrage auch vor dem Hintergrund<br />

der Digitalisierung und der Big Data, nach Analysen für die verschiedensten<br />

Marktteilnehmer, wie z. B. Versicherer und Großvertriebe, noch nicht gedeckt ist. Da<br />

haben wir sicherlich noch eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten.<br />

FBM: Sehen Sie die Produktsegmente bei M&M schon ausgereizt oder können da noch<br />

welche dazukommen, z.B. Gewerbeversicherungen?<br />

Peter Schneider: Ja, seit neuesten sind alle Experten in der Gewerbeversicherung.<br />

(lächelt) Aber bleiben wir mal bei unserer ersten Kernkompetenz: wir werden in Kürze<br />

einen Vergleich für Honorartarife an den Markt bringen. Aus unserer Sicht ist der Bedarf<br />

hier noch nicht gedeckt. Und wir denken über ein wiedererstarktes Feld nach, was<br />

seit einigen Jahren eine Renaissance erlebt. Einige mögen jetzt schmunzeln, aber es ist ein<br />

Ausgabe 1/2016<br />

53


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

großes Geschäftsfeld: die Sterbeversicherung gewinnt an Bedeutung. Wir beschäftigen uns<br />

auch mit dem Thema Gewerbeversicherung und Arbeitskraftsicherung. Wir werden im März<br />

unsere vorhandenen Module Leben und SHU um Arbeitskraftsicherungsangebote erweitern.<br />

Wachstumsfelder gibt es also zu Genüge. Auch die erst angelaufene Kooperation mit Defino,<br />

sprich standardisierte Beratung, halten wir auch für eine sehr sinnvolle Ergänzung unseres<br />

Angebots.<br />

FBM: Wie sieht denn konkret die Kooperation mit Defino aus? Haben Sie sich dort beteiligt?<br />

Peter Schneider: Nein. Es gibt keinerlei wie auch immer geartete Verpflichtungen<br />

auf wirtschaftlicher oder Gesellschaftsebene zwischen den beiden Unternehmen, es ist<br />

eine klassische Kooperation. Wir bieten unseren Maklern z.Zt. kostenfrei das Defino-<br />

Tool, das ja auch eine DIN-Spezifizierung hat, weil wir zutiefst davon überzeugt sind<br />

und erste Zahlen zeigen das ja auch, dass ein Makler, der standardisiert in der Beratung<br />

vorgeht, zunächst einmal weniger vergisst. Alle Untersuchungen zeigen, dass eine standardisierte<br />

Beratung zu einer höheren Abschlusszahl führt. Die Anzahl der verwalteten<br />

Verträge pro Kunde wird auch nachweislich deutlich höher. In Kombination mit unserer<br />

Vergleichssoftware bietet das Tool von Defino eine sinnvolle Ergänzung.<br />

FBM: Ist das ein neuer Schritt im Geschäftsmodell von M&M? Denn bisher hat man ja<br />

Wert darauf gelegt, dass man die ganzen Entwicklungen im eigenen Hause hält. Was<br />

hat sie dazu bewogen oder ist das der Vorläufer von weiteren Kooperationen in anderen<br />

Bereichen?<br />

Peter Schneider: Ja, ich würde das in der Tat eher so sehen, dass es ein Vorläufer sein<br />

kann. Wir glauben, dass es Sinn macht, das Knowhow und die Marktposition von M&M<br />

mit guten Angeboten des Marktes in anderen Bereichen zu kombinieren. Warum eine<br />

Defino-Software z.B. noch mal neu erfinden, nur damit man sagen kann, das ist jetzt<br />

von M&M, wenn da schon was Gutes da ist? Und ähnlich sehe ich es auch für andere<br />

Produkte im Markt.<br />

54 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

FBM: Heiß diskutiert wird derzeit ja auch von der Politik das Thema Provisionsverbot für<br />

Versicherungsmakler. Nun soll es künftig eine unabhängige Beratung nur noch gegen<br />

Honorar geben. Wie wird denn M&M darauf reagieren, sollte es in den kommenden Jahren<br />

soweit kommen?<br />

Peter Schneider: Zunächst mal<br />

vermute ich sehr stark, dass es<br />

kein Provisionsverbot geben wird.<br />

Nun könnte man mir ein stückweit<br />

unterstellen, dass das Pfeifen im<br />

dunklen Keller wäre. Auch sehe<br />

ich kein massenhaftes Maklersterben<br />

auf uns zukommen. Ich<br />

glaube, dass M&M im Gegensatz<br />

zu den meisten Anbietern in einer<br />

starken Position ist. Denn der<br />

M&M-Makler, der ja jeden Monat<br />

einen nicht unwesentlichen Preis<br />

für die Nutzung unserer Anwendungssoftware<br />

zahlt, eher der<br />

qualitativ stärkere Makler ist, als<br />

derjenige, der ab und zu einmal von der Wohnzimmercouch einen Antrag einreicht. Von<br />

daher sehe ich, dass wir besser aufgestellt sind wie manch andere und vor einer Konsolidierung<br />

des Maklermarkts lediglich Respekt haben sollten.<br />

FBM: Es bleiben dann ja auf alle Fälle noch die Honorarberater, wenn die einen Aufschwung<br />

bekommen. Aber beim Honorarberater wird nicht so schnell der Geldbeutel geöffnet. Wird<br />

das Geschäftsmodell oder das Pricing bei Ihnen dann ein bisschen anders laufen?<br />

Peter Schneider: Mit diesem Szenario haben wir uns noch nicht auseinandergesetzt.<br />

FBM: Versicherungsanbieter optimieren gerade in wichtigen Segment der Arbeitskraftabsicherung,<br />

also der BU, ihre Angebote immer mehr. Die Spitze ist extrem breit, wie es<br />

auch Analysen von Ihnen zeigen. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung? Werden Sie<br />

in den ein oder anderen Produktsegmenten eine neue Höchstnote einführen um die Marktspitze<br />

zu verkleinern?<br />

Peter Schneider: In der Tat haben wir uns mit der Frage auseinander gesetzt. Allerdings<br />

sind wir hier noch nicht zu einem Ergebnis gekommen, ob es wirklich Sinn macht, noch<br />

einen sechsten Stern einzuführen. Auf der anderen Seite glaube ich schon noch, dass der<br />

Markt noch ein gutes Stück in Bewegung ist. Jetzt kann man sich immer die Frage stellen:<br />

Wer war zuerst da, Henne oder Ei? Also hat jetzt die Vergleichswelt die Produktgeber vor<br />

sich hergetrieben oder haben die Produktgeber zu lange nichts getan als das es dann eine<br />

Vergleichswelt gebraucht hätte. Diese Betrachtungsweise ist auch nicht zielführend. Aber<br />

insgesamt bin ich der Überzeugung, dass die Produktgestaltung noch einige Spielräume<br />

bietet. Wir sehen das ja an der einen oder anderen Entwicklung in der letzten Zeit, dass<br />

Ausgabe 1/2016<br />

55


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

die Versicherer durchaus gute Ideen haben, wenn es wieder<br />

darum geht, neue Leistungs-Features in irgendeiner Form<br />

einzuführen. Und ich könnte mir auch vorstellen, neben den<br />

Überlegungen, ob man die Spitze wieder etwas dünner machen<br />

muss, dass sich durch weitere Produktentwicklungen in<br />

dem Bereich von ganz alleine wieder eine Verdünnung der<br />

Spitze ergibt.<br />

FBM: Wird M&M in 2016 auch mit Neuerungen in der Produktpalette aufwarten?<br />

Peter Schneider: Ja, zwei hab ich ja schon genannt. Einmal das Arbeitskraftsicherungstool<br />

und einen Vergleichsrechner für Honorartarife; weitere sind angedacht.<br />

FBM: Jetzt gilt ja M&M als Dino für die Vergleichssoftware. Mittlerweile kommen immer mehr<br />

Anbieter auf den Markt, teilweise auch getrieben durch die technischen Entwicklungen, z.B.<br />

FinTechs. Ist es für Sie ein interessantes Geschäftsfeld mit dem einen oder anderen FinTech<br />

zu kooperieren?<br />

Peter Schneider: Also wenn Sie das Stichwort Dino mit einem Sympathiefaktor versehen,<br />

dann sind wir das gerne. Und wenn es für Nachhaltigkeit und Beständigkeit steht,<br />

dann auch. Ja, die Geschäftsmodelle des einen oder anderen FinTechs muss man sich<br />

genau anschauen. Das tun wir, wobei ich glaube, dass man da sehr stark differenzieren<br />

muss. Nur das zur Verfügung stellen eines elektronische Versicherungsordners, als Beispiel,<br />

ist noch nicht die Prozesskette, die ein gutes Geschäftsmodell ausmacht. Ich glaube,<br />

da muss noch mehr dahinter kommen. Da prüfen wir schon sehr genau, sind aber an der<br />

Stelle auch offen für mögliche Kooperationen.<br />

FBM: Können Sie sich auch vorstellen selber Produkte für die Versicherungswelt zu kreieren,<br />

also Beratungsleistungen die aus Ihrem Hause kommen können oder wird das schon gemacht?<br />

Peter Schneider: Nein, das wird nicht gemacht, weil wir uns ausdrücklich nicht als Beratungshaus<br />

sehen. Es gibt sicherlich Dienstleistungen, insbesondere zur Marktbeobachtung<br />

sowohl am Point of Sale als auch was die Positionierung einzelner Produkte der Versicherer<br />

angeht, wo das etwas verschwimmt und wo allein das Vorhalten von unserer Dienstleistung<br />

auch ein stückweit Beratungselemente enthält. Aber als klassisches Beratungshaus<br />

sehen wir uns mitnichten.<br />

FBM: Gibt es denn signifikante Dienstleistungen die einzigartig sind von Ihnen hin zu den<br />

Versicherungsunternehmen?<br />

Peter Schneider: Ganz klar unser Analysetool Inswot. Inswot betrachtet den Markt<br />

aus zwei Sichtweisen. Einmal das Anwenderverhalten am Point of Sale. Hier machen<br />

wir eine sehr detailierte Point of Sale Analyse, wo der Versicherer genau sehen kann<br />

was wird gefragt, was wird am häufigsten gerechnet, welche Berufe, welches Eintrittsalter,<br />

welche Kombinationen werden am häufigsten gerechnet und wie schneidet er da ab?<br />

Oder warum wird er überhaupt ab und zu einmal gar nicht berücksichtigt bei einer Berechnung?<br />

Welche Gründe könnte es dafür geben? Und auf der anderen Seite können wir mit<br />

56 Ausgabe 1/2016


INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

dem Inswot-Tool den Markt innerhalb einer festgelegten Peergroup analysieren, sodass<br />

er praktisch auf einem Blick sehen kann, bei welchen Berufen ist er besonders stark,<br />

bei welchen Konstellationen steht er ganz weit vorne? Sind das überhaupt die von ihm<br />

gewünschten Berufsgruppen? Inswot halte ich für das wichtigste Analysetool für Versicherer.<br />

Und was schon fast wieder zur täglichen Routine geworden ist, ist die elektronische<br />

Risikoprüfung am Point of Sale, wo wir mit noch ein bis zwei anderen Systemen durchaus<br />

am Markt konkurrieren. Wobei wir eben den Vorteil sehen, dass wir dem Makler die<br />

Möglichkeit geben, direkt auf das Risikoprüfungstool des Versicherers zuzugreifen und<br />

nahezu in Echtzeit das Originalergebnis des Versicherers zu bekommen. Da haben wir<br />

einige Versicherer mit denen wir das jetzt umgesetzt haben und von einigen haben wir<br />

schon die Zusage das 2016 zu tun. Also das ist auch eine Dienstleistung, die sowohl für<br />

den Makler als auch für den Versicherer große Zeitersparnisse bringt und eine große Hilfeleistung<br />

darstellt. Der Makler hat die Chance am Point of Sale dem Kunden qualifiziert<br />

zu sagen, wie er versicherbar ist. Der Versicherer hat schlicht und ergreifend weniger<br />

Aufwände mit Risikovoranfragen oder Risikoprüfungsprozessen.<br />

FBM: Wie sehen sie denn die Thematik mit den Apps? Zur DKM war auffallend, dass viele<br />

Versicherer, auch die großen Pools um ihre Mitglieder/Vermittler mit neuen App-Lösungen<br />

inklusive Kundendaten werben. Die Hälfte der Deutschen ist deutlich über 40 Jahre alt<br />

und wenn man sich da vorstellt, dass man ein Gespräch führt und sagt: Lieber Kunde,<br />

ich gehe kurz auf eine App auf meinem Smartphone und schauen sie, hier habe ich ihre<br />

ganzen Versicherungsdaten. Wie würden Sie sich dann fühlen? Glauben Sie wirklich, dass<br />

das vertrauensfördernd ist, wenn man da in einem Smartphone die ganzen Daten in einem<br />

Verkaufsgespräch präsentiert?<br />

Quelle: © sdecoret - Fotolia.com<br />

Ausgabe 1/2016<br />

57


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />

Peter Schneider: Das Thema ist ziemlich vielschichtig. Wenn man sich erstmal diese App-<br />

Schwämme anschaut, dann haben viele dieser Apps aus meiner Sicht noch den Nachteil<br />

oder sind insofern fehlerbehaftet, weil sie aus der Denke eines Anbieters entstanden sind,<br />

der in seinen Prozessen verhaftet ist und überlegt hat, wie bekomme ich jetzt diese Prozesse<br />

in einer sichtbaren App zum Kunden? Erfolgreiche Modelle gehen meiner Meinung nach<br />

umgekehrt vor. Und diese sind noch deutlich in der Minderheit. Im Fokus sollte zunächst<br />

die Überlegung stehen, was der Kunde auf seinem mobilen Endgerät sehen möchte und<br />

dann im nächsten Schritt die Entwicklung des Abwicklungsprozesses. Ich glaube, erfolgreich<br />

werden die, die das Kundendenken in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen.<br />

Was ihre zweite Frage angeht, da wäre ich was die Altersgruppe angeht relativ entspannt.<br />

Mittlerweile wird es wahrscheinlich die Hälfte der Internetnutzer sein, die nur noch mit<br />

mobilen Endgeräten arbeiten und gar keinen Rechner mehr zu Hause stehen haben oder<br />

ihn nur noch sehr selten nutzen. Und es ist auch ziemlich klar nachvollziehbar, aus verschiedensten<br />

Untersuchungen, dass die Menschen, die bereit sind ohne Beratung über<br />

Internet einen Versicherungsvertrag abzuschließen, auch Ü40 und nicht nur U30 sind. Was<br />

auch einfach nachvollziehbar ist. Ein jüngerer Mensch hat einen größeren Bedarf an Beratung<br />

und an Wissen, als jemand der vielleicht Ende 40 ist und bereits schon den 38. Versicherungsvertrag<br />

abgeschlossen hat und auch wieder gekündigt hat. Dieser Versicherungsnehmer ist<br />

einfach sicherer in der Vorgehensweise. Der Bedarf an persönlicher Beratung ist also<br />

weiterhin da. Die Kunst besteht in der intelligenten Verknüpfung beider Welten.<br />

FBM: Ist es eine Option, dass ein Endkunde bei Ihnen dann auch selber rechnen könnte?<br />

Peter Schneider: Das ist keine Option Stand heute. Unser Geschäftsmodell sieht nicht<br />

vor, uns direkt an den Endkunden zu wenden.<br />

FBM: Man sagt ja die LV sei tot. Was kommt danach? Es gibt die fondsgebundene Variante,<br />

es gibt die verschiedensten Garantiemodelle. Aber die Vertragstreue der Leute ist auch nicht<br />

mehr so wie es früher einmal war. Wie sehen Sie den Markt? Ist es weiterhin interessant für<br />

Sie oder haben sie mehr die biometrischen Risiken im Fokus?<br />

Peter Schneider: Wir sind bei M&M ziemlich davon überzeugt, dass mit welchen Garantiemodellen<br />

jetzt auch immer, die Versicherungsbranche weiterhin eine sehr große Rolle bei der<br />

Frage der Altersabsicherung, Altersvorsorge oder Sparen fürs Alter, spielen wird. Schließlich<br />

sind z. B. Rentenversicherungen keine Investmentprodukte, sondern bieten als einzige<br />

Form des Vorsorgesparens für das Alter die Garantie einer lebenslangen Rente, auch wenn<br />

der Versicherte über 90 oder 100 wird. Also wird die berühmte Schicht 3 auch weiterhin<br />

große Bedeutung haben.<br />

FBM: Sie sehen also noch großen Bedarf an Entwicklungsmöglichkeiten für eine moderne<br />

Altersvorsorge 2.0 sozusagen?<br />

Peter Schneider: Ja, wenn man sich mit den Vorständen oder Leitern der Produktentwicklung<br />

in den verschiedenen Versicherungsunternehmen unterhält, dann weiß man,<br />

dass Altersvorsorgeprodukte nach wie vor neu kalkuliert werden und neu entstehen. Ich<br />

bin ganz fest der Überzeugung, dass die Branche insgesamt da noch einen draufsetzt.<br />

Das Interview wurde geführt von Friedrich Andreas Wanschka für <strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de.<br />

58 Ausgabe 1/2016


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

Regulierung:<br />

Versicherungsmanager erwarten<br />

strengere Offenlegungspflichten bei<br />

Provisionen<br />

Die große Mehrheit der Versicherungswirtschaft<br />

erwartet, dass der<br />

Gesetzgeber ab 2017 die Offenlegungspflichten<br />

hinsichtlich der Vermittlungsvergütung<br />

weiter verschärft. Dies<br />

ergab eine Umfrage unter mehr als 60<br />

Führungskräften der Assekuranz im Rahmen<br />

des 14. INNOVALUE Versicherungs-<br />

Roundtable 2015. Demnach rechnen rund<br />

90 Prozent der Manager mit strengeren<br />

Offenlegungspflichten. „Das LVRG hat bereits<br />

zu deutlichen Anpassungen der Vermittlungsvergütung<br />

geführt und sollte aus<br />

Kundensicht auch die Transparenz erhöhen.<br />

Der Gesetzgeber verfolgt die Entwicklung<br />

weiterhin aufmerksam und wird<br />

nachlegen, wenn die Umsetzung hinter den<br />

Erwartungen zurück bleibt“, sagt Christian<br />

Mylius, Managing Partner von INNOVALUE.<br />

Rund 70 Prozent der befragten Manager<br />

rechnen damit, dass neben der Sparte Leben<br />

auch die Vermittlung von Krankenversicherungen<br />

und Kapitalanlagen von Verschärfungen<br />

betroffen sein wird. Während<br />

nur jeder Fünfte ein vollständiges Provisionsverbot<br />

in der Lebensversicherung<br />

erwartet, ist für mehr als die Hälfte der<br />

Befragten eine Provisionsdeckelung durchaus<br />

wahrscheinlich. „Der Regulierungstrend<br />

ist eindeutig. Die Branche sollte<br />

sich darauf einstellen, dass an der Regulierungsschraube<br />

noch mal gedreht wird<br />

und entsprechende vertriebsstrategische<br />

Maßnahmen vorbereiten, um dann handlungsfähig<br />

zu bleiben.“, erklärt Mylius.<br />

Die meisten Führungskräfte erwarten entsprechende<br />

Eingriffe des Gesetzgebers<br />

nicht vor 2017. Rund 40 Prozent von ihnen<br />

glauben sogar, dass erst ab 2019 mit<br />

weiteren Verschärfungen zu rechnen ist.<br />

Autor www.innovalue.de<br />

Branchenkompass Insurance 2015:<br />

Versicherungswirtschaft am Scheideweg<br />

Viele klassische Geschäftsmodelle haben<br />

ausgedient – neue Ansätze zur<br />

Kundenbindung müssen her. Auf<br />

diese knappe Formel bringt der „Branchenkompass<br />

Insurance 2015“ von Sopra Steria<br />

Consulting die aktuelle Stimmungslage<br />

der deutschen Assekuranz-Wirtschaft. Als<br />

Antwort auf wachsende Compliance-Anforderungen,<br />

das anhaltende Zins-Tief und<br />

den verschärften Wettbewerb wollen die<br />

meisten Versicherer ihre Digitalisierungsbemühungen<br />

in den nächsten zwei Jahren<br />

verstärken.<br />

Trotz der positiven gesamtwirtschaftlichen<br />

Wachstumserwartung blickt die<br />

deutsche Versicherungsbranche derzeit<br />

nicht besonders optimistisch in die Zukunft.<br />

Wie der aktuelle Branchenkompass<br />

„Insurance“ von Sopra Steria Consulting<br />

zeigt, beurteilen viele Führungskräfte die<br />

aktuelle Lage heute noch kritischer als im<br />

Krisenjahr 2008: 29 Prozent der befragten<br />

Versicherungsentscheider erwarten bis<br />

2018 eine insgesamt schlechtere Entwicklung<br />

als in der übrigen Volkswirtschaft; im<br />

Maklersegment sind es sogar 31 Prozent.<br />

Als Belastungen für neues Wachstum gelten<br />

laut Umfrage vor allem die neuen Regulierungsvorschriften,<br />

insbesondere die<br />

Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie<br />

sowie verschärfte Eigenkapitalvorschriften<br />

gemäß Solvency II. Das anhaltende<br />

Niedrigzinsniveau spielt in diesem Punkt<br />

60 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Quelle: © Rawpixel.com - Fotolia.com<br />

eine geringere Rolle als noch 2013. Drei<br />

von vier Entscheidern empfinden es derzeit<br />

als besondere Herausforderung für<br />

das eigene Unternehmen. Vor zwei Jahren<br />

lag dieser Wert noch bei 82 Prozent.<br />

Kaum noch Wachstumsperspektiven sieht<br />

die Branche für die klassische Lebensversicherung.<br />

Hoffnungsträger sind dagegen<br />

sowohl die betriebliche Altersvorsorge als<br />

auch Komposit-Versicherungen.<br />

Als größte Herausforderung für ihr Unternehmen<br />

nannten 86 Prozent der<br />

Entscheider das Thema Compliance<br />

und 83 Prozent die Optimierung ihrer<br />

IT-Landschaft. Bei vier von fünf Befragten<br />

gewinnt die Digitalisierung von<br />

Geschäftsprozessen weiter an Bedeutung<br />

– wobei die Digitalisierungswelle<br />

auch vor Vertriebsabteilungen nicht<br />

haltmacht. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund<br />

massiver Marktveränderungen<br />

stufen Dreiviertel der Studienteilnehmer<br />

aus der Versicherungswirtschaft und 83<br />

Prozent aus der Maklerbranche das Thema<br />

Kundenbindung beziehungsweise<br />

Kundenwertentwicklung als „sehr bedeutend“<br />

ein. Fast alle der Befragten (97 Prozent)<br />

investieren derzeit in den Ausbau<br />

ihrer Kundenberatung. Außerdem wollen<br />

89 Prozent ihre Kundenkommunikation<br />

über sämtliche Zugangskanäle hinweg<br />

besser mit den Erwartungen der Kunden<br />

synchronisieren. Folgerichtig rangieren<br />

Ausgaben für mobile Anwendungen mit<br />

77 Prozent weit oben in der Investitionsplanung<br />

der befragten Unternehmen. Bereits<br />

2015 war der Anteil des IT-Etats am<br />

Gesamtbudget deutlich höher als zwei<br />

Jahre zuvor – ein Trend, der sich auch in<br />

Zukunft fortsetzen wird: Bei Versicherern<br />

fließen bis 2018 rund ein Viertel aller Investitionen<br />

in die IT. Bei den Großen der<br />

Versicherungsbranche werden es sogar<br />

29 Prozent und bei Maklern 18 Prozent<br />

sein. Offenbar hat sich in der Versicherungswirtschaft<br />

die Erkenntnis durchgesetzt,<br />

dass die Optimierung der IT-Landschaft<br />

die notwendigen Voraussetzungen<br />

schafft für die erfolgreiche Digitalisierung<br />

– und damit auch für den langfristigen<br />

Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.<br />

„Die Automatisierung, Virtualisierung<br />

und Digitalisierung von Prozessen hat<br />

in der Versicherungsbranche seit Jahren<br />

eine hohe Relevanz, denn die Assekuranzen<br />

haben gemerkt, dass sich<br />

durch Digitalisierung enorme Summen<br />

und Zeit einsparen lassen“, bewertet Petra<br />

Weber, Manager Insurance Business<br />

Consulting bei Sopra Steria Consulting<br />

die Ergebnisse der Untersuchung. „Der<br />

Branchenkompass bestätigt dies nachhaltig.<br />

Die Versicherungswirtschaft investiert<br />

in die Themen Prozessautomation,<br />

Portale und Kundenbindung – Faktoren,<br />

die die Branche einen Schritt weiter in<br />

Richtung digitaler Exzellenz bringen.“<br />

Autor www.soprasteria.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

61


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

Die Metamorphose der Assekuranz<br />

Die Digitalisierung eröffnet den<br />

Versicherern vielfältige Chancen.<br />

Durch situative Produkte und als<br />

vorausschauender Ratgeber in Sicherheitsfragen<br />

können sie Kundenherzen (zurück-)erobern.<br />

Dafür notwendig ist eine<br />

flexible IT-Architektur und die Bereitschaft<br />

neue Wege zu gehen.<br />

Die digitale Metamorphose ist<br />

alternativlos - und chancenreich<br />

Sie sind Führungskraft eines Versicherers?<br />

Sie Glücklicher! Der Assekuranz<br />

steht eine große Zukunft bevor – wenngleich<br />

diese anders aussieht als die<br />

Vergangenheit. Die Digitalisierung bietet<br />

jeder Versicherungsgesellschaft die<br />

Chance, parallel zum niedergehenden<br />

klassischen Geschäft, neue Ansätze zu<br />

entwickeln und damit Schritt für Schritt<br />

mehr Erlöse zu generieren, als im etablierten<br />

Geschäft.<br />

Damit einher geht eine Metamorphose<br />

von einem reinen Kostenerstatter zu<br />

einem Dienstleister rund um das Thema<br />

Sicherheit. Nicht mehr das Produkt steht<br />

am Anfang eines Geschäfts, sondern der<br />

einzelne Kunde und seine individuellen<br />

Bedürfnisse. Dessen Wert bestimmt sich<br />

auf lange Sicht. Im Idealfall wird der Versicherer<br />

zum Vertrauten jedes einzelnen<br />

Kunden, zu seinem Lebensbegleiter.<br />

Wann immer ein Kunde in die Situation<br />

kommt, eine Risikoabsicherung oder einen<br />

Ratschlag zur Risikovermeidung zu<br />

benötigen, ist der Versicherer der Zukunft<br />

an seiner Seite.<br />

Technologische Anpassung<br />

Damit der Übergang in die neue Zeit gelingt,<br />

müssen die Versicherer jetzt freilich<br />

die notwendigen technologischen und organisatorischen<br />

Anpassungen einleiten.<br />

Das ist kein Hexenwerk. Die Technik ist<br />

vorhanden; ebenso die Spezialisten für<br />

ihre Implementierung. Das größte Hemmnis<br />

liegt bei den Versicherern selbst. Seit<br />

Jahrzehnten etablierte Strukturen, Entscheidungswege<br />

sowie die Denkweise in<br />

Hierarchien und Sparten erschwert die digitale<br />

Metamorphose. Diese Kompliziertheit<br />

lähmt. Sie muss auf das notwendige<br />

Maß reduziert werden. Erst dann ist ein<br />

Denken von außen nach innen möglich,<br />

also vom Kunden zum Versicherer. Die<br />

Anpassung an eine sich digitalisierende<br />

Umwelt wird die Assekuranz noch viele<br />

Jahre beschäftigen.<br />

Aber: Sie ist alternativlos – und chancenreich.<br />

Der Kunde gibt die Richtung und<br />

das Tempo der Veränderung vor. Mit dem<br />

Smartphone in der Hand kaufen insbesondere<br />

junge Menschen viele Produkte<br />

im Internet. Ihre dabei gemachten Erfahrungen<br />

werden in sozialen Online-<br />

Medien veröffentlicht und beeinflussen<br />

62 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

die Kaufentscheidung anderer Personen.<br />

Versicherer, die mit der Generation Digital<br />

Natives und ihren Kindern im Geschäft<br />

bleiben wollen, müssen hierauf reagieren.<br />

Aber nicht nur der Vertrieb verschiebt<br />

sich weg vom Callcenter und dem persönlichen<br />

Gespräch in Richtung digitale<br />

Kanäle. Auch in anderen Wertschöpfungsstufen<br />

wie Service und Schadensabwicklung<br />

nimmt die Nutzung neuer Medien zu.<br />

Daraus ergibt sich für die Unternehmen<br />

eine Koordinationsaufgabe: Sie müssen<br />

die Kommunikation mit den Kunden über<br />

alle Kanäle, Sparten und über alle Phasen<br />

der so genannten Kundenreise (Kontakt,<br />

Information, Kauf, Kundendienst) aufeinander<br />

abstimmen und – im Idealfall –<br />

auf eine Plattform integrieren.<br />

Kanäle verschmelzen zur Marke<br />

Diese Koordinationsaufgabe wird als Omnichannel-Management<br />

bezeichnet. Es<br />

rückt den Kunden auf neue Weise in das<br />

Zentrum des Dialogs und des gesamten<br />

Geschäftsmodells. Wer zukünftig nah<br />

am Kunden sein will, muss mehrere Vertriebs-<br />

und Kommunikationskanäle anbieten<br />

und orchestrieren. Ganz wichtig<br />

dabei: Der Kunde selbst denkt nicht in<br />

Kanälen. Für ihn zählt in einer Situation<br />

nur die jeweils gemachte Erfahrung mit<br />

dem Produkt oder Unternehmen. Beim<br />

Omnichannel-Management verschmelzen<br />

daher letztlich die Offline-, Online- und<br />

Mobile-Kanäle zu einem Markenauftritt.<br />

Zweifellos werden die digitalen Kundenkontaktepunkte<br />

immer wichtiger werden.<br />

Mehr noch: Sie nehmen auch in ihrer<br />

Anzahl in rasantem Tempo zu. Neben<br />

Smartphone und Tablet gibt es in Zukunft<br />

sehr wahrscheinlich iCar, iMirror, iDress,<br />

iShop-Window, iWallpaper, i-ICE-Sitz und<br />

so weiter. Theoretisch lassen sich alle<br />

Gegenstände mit dem Internet verbinden.<br />

Und jedes Gerät hat eine IP-Adresse.<br />

Sensoren übernehmen einen Teil der<br />

Kommunikation zwischen den Maschinen.<br />

Das Ergebnis ist das „Internet der Dinge“.<br />

Mit den so generierten Datenströmen eröffnen<br />

sich für Versicherer völlig neue<br />

Möglichkeiten der Zeichnung von Risiken,<br />

Preisgestaltung, Antragserstellung, Betrugsaufdeckung<br />

und Produktgestaltung.<br />

In wenigen Jahren wird das Internet permanent<br />

und überall verfügbar sein. Damit<br />

wird jeder Kundenkontaktpunkt zum<br />

Verkaufsort.<br />

Telematik-Tarife auf dem Vormarsch<br />

Die aktuell auf den Markt kommenden<br />

Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung<br />

sind die Vorboten der neuen Zeit. Bereits<br />

2016 folgen auch im Bereich der privaten<br />

Krankenversicherung Produkte, welche<br />

die Risikomerkmale objektiver erfassen.<br />

Das Werkzeug dafür sind am Körper getragene<br />

Computer (Wearables). Wer gesundheitsbewusst<br />

lebt, ist für Versicherer<br />

ein „gutes Risiko“. Das honorieren sie in<br />

Form von Bonuspunkten und Rabatt auf<br />

die Prämie. Theoretisch könnten eines<br />

Tages auch andere Bereiche hinzukommen<br />

wie etwa Hausrat- und Wohngebäudeversicherung.<br />

Auch das „Smart Home“<br />

bietet der Assekuranz etliche Chancen.<br />

Ausgabe 1/2016<br />

63


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

In Zukunft sind Versicherer mit Gebäuden<br />

vernetzt. Sobald ein Sturm aufzieht,<br />

senden sie automatisch ein Signal, um<br />

die Markise einzuziehen und die Rollläden<br />

zu schließen. Kunden, die dem zustimmen,<br />

zahlen eine geringere Prämie.<br />

Auf weitere Beispiele für neue Geschäftsmöglichkeiten<br />

weisen die Wissenschaftler<br />

der Denkfabrik 2b Ahead ThinkTank in<br />

einer Trendstudie<br />

hin: Versicherungen<br />

mit<br />

kurzer Laufzeit,<br />

die an eine<br />

bestimmte Lebenssituation<br />

gekoppelt sind,<br />

etwa wenn<br />

der Nachbar<br />

sich das Auto<br />

ausleiht oder<br />

ein Fremder<br />

bei jemandem übernachten will und der<br />

Vermieter oder Mieter sich für diesen<br />

Zeitraum absichern möchten. Oder Auslandreisekrankenversicherungen,<br />

die sich<br />

automatisch „ein- und ausschalten“, sobald<br />

der Versicherungsnehmer Deutschland<br />

verlässt beziehungsweise betritt.<br />

Oder Policen gegen Zugverspätungen,<br />

wobei sich der Preis in Echtzeit auf Grundlage<br />

der verfügbaren Daten im Moment<br />

des Abschlusses bestimmt. Neben diesen<br />

situativen Absicherungslösungen ist vorausschauender<br />

Schutz denkbar. Die automatische<br />

Auswertung von Daten wird<br />

es Versicherern ermöglichen, einen individuellen<br />

Bedarf des Kunden zu erkennen<br />

und entsprechende Produkte zu entwickeln<br />

und anzubieten, bevor der Kunde<br />

selbst diesen Bedarf erkennt.<br />

Richtige Ansprache schafft Vertrauen<br />

Der Omnichannel-Ansatz wird dazu führen,<br />

dass der Kunde individuelle Angebote<br />

zu relevanten Zeitpunkten erhält.<br />

Quelle: © Picture-Factory - Fotolia.com<br />

Voraussetzung ist, dass der Versicherer<br />

die Kommunikationswege vernetzt, damit<br />

Kunden jederzeit am Kontaktpunkt ihrer<br />

Wahl mit ihm in den Dialog treten können.<br />

Zugleich wächst das Vertrauen zwischen<br />

Kunde und Versicherer, je mehr sich der<br />

Kunde richtig angesprochen fühlt. Das<br />

freilich setzt voraus, dass nicht nur der<br />

Kunde dem Versicherer bekannt ist, sondern<br />

zudem alle involvierten Abteilungen<br />

zentriert auf qualifizierte Daten zugreifen<br />

können, also Customer Relationship-<br />

Management-Projekte (CRM-Projekte) im<br />

Einsatz sind – entweder im Haus oder in<br />

der Datenwolke –, die technisch die entsprechenden<br />

Kanäle und Kundenkontaktpunkte<br />

abbilden können.<br />

Um die Chancen der Digitalisierung zu<br />

nutzen, sollten Versicherer in eine IT-Architektur<br />

investieren, die CRM-Systeme,<br />

Datenhaltung und Datenanalytik sowie<br />

Personaleinsatzplanungssoftware bündelt.<br />

Der Anspruch sollte sein: Jeder Mitarbeiter<br />

(und Vermittler, Makler) arbeitet<br />

am selben Datensatz, auf jedem Gerät,<br />

bei jedem Vorgang, an jedem Ort, über<br />

die gesamte Kundenbeziehung hinweg.<br />

Dabei sollte die IT-Architektur so flexibel<br />

sein, dass der Versicherer jederzeit neue<br />

Wege des Dialogs integrieren kann, denn<br />

neue Kanäle kommen hinzu, manche gehen<br />

auch wieder. Um die anfallende Datenmenge<br />

verwalten und analysieren zu<br />

64 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

können ist eine Big-Data-Infrastruktur<br />

erforderlich. Auch hier entscheidet sich,<br />

ob ein Versicherer in der Lage ist, die Bedürfnisse<br />

einzelner Kunden in Echtzeit zu<br />

identifizieren und mit bedarfsgerechten<br />

Angeboten anzusprechen.<br />

Fazit: Nutzen Sie die Chancen!<br />

Die Digitalisierung eröffnet neue Produktchancen<br />

für die Assekuranz. Um das Potenzial<br />

zu nutzen, bedarf es einer flexiblen<br />

IT-Architektur und einer leistungsfähigen<br />

Big-Data-Infrastruktur. Entsprechende<br />

technische Lösungen stehen bereit. Was<br />

die digitale Transformation von Versicherern<br />

derzeit bremst, sind über Jahrzehnte<br />

gewachsene Organisationsstrukturen<br />

und starre Abläufe. Gelingt es dem Management<br />

an den entscheidenden Stellen<br />

unnötige Kompliziertheit zu vermeiden,<br />

steht einer großen Zukunft des Versicherers<br />

als Lebensbegleiter seiner Kunden<br />

nichts im Wege.<br />

Autor www.convista.de<br />

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Herausgeber / Verlag:<br />

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83684 Tegernsee<br />

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Ausgabe 1/2016<br />

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<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

Digitalisierung droht<br />

die Versicherungsbranche<br />

zu überrollen<br />

Weltweit kämpfen Versicherer<br />

mit Ausmaß und Geschwindigkeit<br />

der Digitalisierung. Laut<br />

dem „Global Digital Insurance Benchmarking<br />

Report 2015“ der internationalen<br />

Managementberatung Bain & Company<br />

fehlen noch rund 60 Prozent der Unternehmen<br />

zentrale Elemente für eine erfolgreiche<br />

digitale Transformation. Dazu<br />

gehören ein klares digitales Zielbild inklusive<br />

Fahrplan oder ein umfassendes<br />

Verständnis der Risiken.<br />

Der rasante Wandel im Kundenverhalten<br />

gibt den Takt für die Digitalisierung an.<br />

In der letztjährigen Bain-Kundenstudie,<br />

für die 160.000 Versicherungsnehmer<br />

in 18 Ländern befragt wurden, erklärten<br />

79 Prozent, dass sie in den kommenden<br />

fünf Jahren digitale Kanäle für Interaktionen<br />

mit ihrem Versicherer nutzen wollen<br />

– von der Informationsbeschaffung über<br />

Service bis hin zur Schadensmeldung.<br />

Heute liegt der Wert bei 44 Prozent. In<br />

Deutschland wird ein Anstieg von 50 auf<br />

78 Prozent erwartet.<br />

Darauf sind viele Versicherer nur bedingt<br />

vorbereitet. Anders als im Handel<br />

oder Retail-Banking wirken diese Veränderungen<br />

im langfristig angelegten<br />

Versicherungsgeschäft zeitverzögert.<br />

Der aktuellen Studie zufolge, für die<br />

Bain mehr als 70 Versicherer befragt<br />

hat, soll der Anteil der online verkauften<br />

Policen von 8 Prozent in Leben und<br />

10 Prozent in Sach in den nächsten fünf<br />

Jahren auf 15 beziehungsweise 23 Prozent<br />

steigen. Noch deutlicher verändern<br />

sich die anderen Wertschöpfungsstufen.<br />

So erwarten die Unternehmen, dass die<br />

Nutzung digitaler Medien in der Schadensabwicklung<br />

um 31 und im Service<br />

um 26 Prozentpunkte zunimmt – zulasten<br />

traditioneller Wege über Agenturen<br />

oder Servicecenter.<br />

Nahezu die Hälfte der Versicherungsunternehmen<br />

hat jedoch nach eigenem Bekunden<br />

keine Digitalisierungsstrategie.<br />

„Viele Versicherer schaffen es kaum, mit<br />

ihren Kunden mitzuhalten, geschweige<br />

denn ihre Strategie für das digitale Zeitalter<br />

zu entwickeln“, erklärt Dr. Henrik<br />

Naujoks, Leiter der europäischen Praxisgruppe<br />

Finanzdienstleistungen bei Bain<br />

& Company und Autor der Studie. „Das<br />

öffnet einer neuen Generation technologieaffiner<br />

Unternehmen Tür und Tor, in<br />

diesen über Jahrzehnte abgeschotteten<br />

Markt einzudringen.“ Gerade in den angelsächsischen<br />

Ländern greifen Start-ups immer<br />

häufiger in die lukrativen Bereiche der<br />

Assekuranz-Wertschöpfungskette ein oder<br />

besetzen die Schnittstelle zum Kunden.<br />

Digitalisierungsindex deckt<br />

Rückstände auf<br />

Die Defizite der etablierten Häuser deckt<br />

der eigens für die Studie entwickelte Index<br />

auf, der die Fortschritte bei der Digitalisierung<br />

misst. Sach- wie Lebensversicherer<br />

erreichten im Durchschnitt<br />

weniger als 50 von 100 möglichen Punkten.<br />

Der Nachholbedarf ist demzufolge<br />

groß. Nur bei 40 Prozent der Sach- und<br />

66 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

einem Drittel der Lebensversicherer lassen<br />

sich Transaktionen in einem Kanal<br />

beginnen und in einem anderen abschließen.<br />

Diese Barrieren resultieren aus der<br />

vielerorts fehlenden Automatisierung<br />

und dem Silodenken der Vergangenheit.<br />

Selbst das Ausstellen und Verlängern von<br />

Policen geschieht bei vielen Versicherern<br />

noch händisch, und Papierdokumente<br />

müssen erst einmal elektronisch erfasst<br />

werden.<br />

Autor www.bain.de<br />

Solvency II<br />

Die Karten werden neu gemischt<br />

Die Versicherer haben ihre Hausaufgaben<br />

gemacht. Zum 1.1.2016 greift die mehrmals<br />

verschobene, europäische Mammutreform<br />

"Solvency II". Die Branche folgt<br />

damit den Banken, die ihre Lehren aus den<br />

Finanzkrisen der letzten Jahre gezogen<br />

haben. Ziel ist ein besserer Verbraucherschutz.<br />

Viele erwarten eine Marktbereinigung<br />

- und höhere Preise. Das EU-Projekt<br />

Solvency II zwingt alle Versicherer, ihr Risikokapital<br />

nach modernen Verfahren neu<br />

zu ermitteln, ein verbessertes Risikomanagement<br />

einzurichten und eine Vielzahl<br />

zusätzlicher Berichte zu erstellen. Künftig<br />

bestimmt eine europaweit gültige "Standardformel"<br />

die Höhe des mindestens<br />

vorzuhaltenden Risikokapitals. Dabei steigen<br />

die Beiträge für einzelne Versicherungssparten<br />

zum Teil erheblich, da die<br />

Standardformel das Risiko der Unternehmen<br />

adäquater als bisher bemisst. "Als<br />

Folge können Verbraucherpreise z.B. bei<br />

Produkten mit Naturgefahrdeckungen wie<br />

der Wohngebäudeversicherung anziehen",<br />

sagt der Mathematiker und Aktuar Dietmar<br />

Kohlruss von der Beratungsgesellschaft<br />

Meyerthole Siems Kohlruss aus Köln.<br />

Durch Solvency II müssen die Versicherer<br />

ihre Kapitalverhältnisse nicht nur der Aufsichtsbehörde<br />

BaFin offenlegen, manche<br />

Informationen werden künftig auch öffentlich<br />

zugänglich sein. "Dadurch werden die<br />

Karten auch bei der Bewertung von Unternehmen<br />

in Ratings oder Produktvergleichen<br />

neu gemischt.“ Die Folge kann eine Veränderung<br />

in der bisherigen Versicherungslandschaft<br />

von ca. 400 Unternehmen in<br />

Deutschland sein. "Vom Markt verschwinden<br />

werden aber nur wenige Versicherer<br />

aufgrund von Solvency II. Die Reform legt<br />

aber bereits bestehende Schwachstellen<br />

auf. Es ist wie bei brüchigen Bäumen,<br />

von denen ein Fachmann bereits vor dem<br />

Sturm absehen kann, dass er fallen wird",<br />

sagt Kohlruss. Die Versicherungsunternehmen<br />

stöhnen unter dem immensen Aufwand,<br />

den ihnen der „Sturm“ Solvency II<br />

jetzt schon seit Jahren beschert hat.<br />

Diverse Umstellungen und teilweise überzogene<br />

Nachweispflichten sind nötig. Der<br />

Aufbau von Kompetenz für die neuen Berechnungen<br />

wird zur Pflicht. "Die Branche<br />

wird ein Stück weit mathematischer."<br />

Einige sehen die Reform als eine weitere<br />

Front im Papierkrieg, andere als "Zwang<br />

zum Glück" - zumal die Berechnungen<br />

auch dem Unternehmen eine neue Klarheit<br />

bringen. Den Verbrauchern gibt Solvency<br />

II ein Stück weit mehr Transparenz, wie<br />

Versicherer für Krisenzeiten ausgestattet<br />

sind. "Auch wenn dies in einigen Fällen für<br />

den Einzelnen höhere Preise bedeutet - am<br />

Ende kann es ein Gewinn für alle sein", sagt<br />

Dietmar Kohlruss. Autor www.aktuare.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

67


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

Terror, Cyber, Wetter:<br />

Deutschen Unternehmen drohen<br />

Höchstschäden<br />

Versicherungsmakler Aon Risk Solutions veröffentlicht<br />

Marktprognose für 2016<br />

Deutschen Unternehmen drohen in<br />

diesem Jahr Höchstschäden. „Islamistischer<br />

Terror, Cyber-Angriffe<br />

und Wetter-Katastrophen – das Problem<br />

bei all diesen Bedrohungen ist: Wenn ein<br />

Schadenfall eintritt, wird er in der Regel<br />

sehr teuer“, sagt Hartmuth Kremer-Jensen,<br />

Mitglied der Geschäftsführung bei<br />

Aon in Deutschland. Der Versicherungsmakler<br />

legte jetzt eine Marktprognose für<br />

das Jahr 2016 vor.<br />

Danach wird der islamistische<br />

Terrorismus<br />

in diesem Jahr<br />

staatliche Institutionen<br />

und Unternehmen<br />

in Deutschland<br />

vor große Herausforderungen<br />

stellen.<br />

„In den vergangenen<br />

Jahren war es<br />

häufig der Wachsamkeit<br />

der Sicherheitsbehörden<br />

oder<br />

glücklichen Umständen<br />

zu verdanken,<br />

dass Deutschland<br />

von großen Terroranschlägen<br />

verschont<br />

blieb. Doch<br />

die Ziele der Terroristen<br />

sind hierzulande<br />

die gleichen wie in Frankreich, in<br />

der Türkei und in Indien: Ereignisse mit<br />

großen Menschenansammlungen, Verkehrsknotenpunkte,<br />

sensible Infrastrukturen“,<br />

sagt Kremer-Jensen. Laut Aon<br />

müssen Behörden und Unternehmen<br />

daher vor allem in deutschen Großstädten<br />

wie Berlin als Hauptstadt, Hamburg,<br />

München und Frankfurt als Finanzdienstleistungsstandort<br />

ein besonderes Augenmerk<br />

auf das Thema Sicherheit legen.<br />

„Aber in diesem anspruchsvollen Absicherungssegment<br />

wird auch die Versicherungswirtschaft<br />

besonders gefordert<br />

sein. Innovative Ansätze zum Terrorismus-Risikomanagement,<br />

Gefährdungseinschätzungen<br />

sowie Risikomodelle mit<br />

Höchstschaden- und Schwachstellenanalysen<br />

bilden dann die Basis<br />

für Versicherungskonzepte,<br />

die der Bedrohung gerecht<br />

werden müssen“, sagt Kremer-Jensen.<br />

Auch die Cyber-Risiken der<br />

Unternehmen werden laut<br />

Aon-Prognose in diesem<br />

Jahr steigen – aufgrund des<br />

Trends zu Industrie 4.0. „Die<br />

Nutzung von miteinander<br />

kommunizierenden Maschinen<br />

in betrieblichen Produktions-<br />

und Bestellprozessen<br />

nimmt zu. Das stellt eine<br />

besondere Herausforderung<br />

für die Datensicherheit dar“,<br />

sagt Kremer-Jensen. Denn<br />

durch die fortschreitende<br />

Vernetzung würde die Verletzlichkeit<br />

der Unternehmen<br />

erhöht. Einen hundertprozentigen<br />

technischen Schutz gegen professionelle<br />

Hacker werde es aber nicht<br />

geben können. Die Versicherungsbranche<br />

sei somit gefordert, den Unternehmen ein<br />

effektives Risikomanagement kombiniert<br />

mit passenden Versicherungslösungen anzubieten.<br />

Wetter-Risiken stellen, so die<br />

Aon-Prognose, die dritte große Gefahr für<br />

68 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Unternehmen dar. „Überschwemmungen<br />

und Stürme werden auch im Jahr 2016<br />

schwere Schäden anrichten und die Firmen<br />

vor große Herausforderungen stellen.<br />

Denn die Versicherer sind nur begrenzt<br />

bereit, Versicherungsschutz zu gewähren.<br />

Und wenn sie dazu bereit sind, lassen sie<br />

es sich teuer bezahlen. Unternehmen werden<br />

daher bei der Suche nach Deckungsschutz<br />

sehr strategisch und zielorientiert<br />

vorgehen müssen“, sagt Kremer-Jensen.<br />

Die entscheidende Frage werde oft sein,<br />

ob bei besonders hoher Gefahrenlage –<br />

also großen wahrscheinlichen Höchstschäden<br />

– Zusatzabdeckungen sinnvoll seien.<br />

Autor www.aon.com/germany<br />

Ruhe vor dem Sturm:<br />

Wie fortschrittlich ist die PKV?<br />

Die Krankenversicherer müssen ihr<br />

Geschäftsmodell überarbeiten, und<br />

gerade jetzt ist die Zeit für wichtige<br />

interne Weichenstellungen. Gefühlt ist etwas<br />

Ruhe in die PKV-Branche eingekehrt.<br />

Die Politik hat das Thema Gesundheitspolitik<br />

und insbesondere die PKV im Jahr<br />

2015 quasi ausgeklammert. Kurzfristig<br />

sind aus gesetzlicher Richtung also weder<br />

zusätzliche Belastungen noch sinnvolle<br />

Weiterentwicklungen zu erwarten. Ebenso<br />

in der Presse haben die Negativschlagzeilen<br />

zur PKV deutlich abgenommen. Doch<br />

auch wenn die Branche heute einmal nicht<br />

im Rampenlicht steht, mangelt es nicht an<br />

Herausforderungen.<br />

Die größten Herausforderungen<br />

-Das Neugeschäft: Der jüngste Towers<br />

Watson Vertriebswege-Survey zeigt: Das<br />

Neugeschäft in der PKV ist 2014 erneut um<br />

10 Prozent gesunken. Unisex-Tarife und die<br />

gleichzeitige Senkung des Rechnungszinses<br />

haben die Beiträge sowohl für Männer als<br />

auch für Frauen deutlich ansteigen lassen.<br />

Damit ist das früher wichtige Verkaufsargument<br />

eines Beitragsvorteils gegenüber<br />

der GKV de facto verschwunden. Zugleich<br />

fehlen Ansätze für Produktinnovationen,<br />

die das Neugeschäft beflügeln könnten.<br />

• Der Bestand: Von 2010 bis 2014 betrug<br />

der Ausgabenanstieg je Versichertem<br />

in Deutschland etwa 15 Prozent. Das<br />

erzeugt Beitragssteigerungen für viele<br />

Privatversicherte, die deutlich über den<br />

Lohnsteigerungen liegen dürften.<br />

• Das Niedrigzinsumfeld: Was in der Lebensversicherung<br />

schon stärker sichtbar<br />

ist, wird auch die PKV auf breiter<br />

Front treffen: Es wird stärkere Rechnungszinsabsenkungen<br />

geben als bisher<br />

– zum Problem wird das für ältere<br />

Bestandskunden, die mit spürbaren<br />

Beitragsanpassungen rechnen müssen.<br />

Für jüngere Versicherte fehlen<br />

dagegen Zinsgewinne, die bisher zum<br />

Aufbau von individuellen Reserven für<br />

das Alter angespart wurden.<br />

Ausgabe 1/2016<br />

69


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

Die optimale Weichenstellung?<br />

In vielen kleinen Schritten!<br />

In erster Linie müssen sich die PKV-Unternehmen<br />

also fragen, wie sie die notwendigen<br />

Beitragsanpassungen für Bestandskunden<br />

in einem erträglichen Rahmen<br />

halten können. Ein Blick auf das kränkelnde<br />

Neugeschäft zeigt außerdem, dass sie<br />

potenziellen Neukunden bislang kein attraktives<br />

und zukunftssicheres Versicherungsprodukt<br />

zu bieten haben. An beiden<br />

Punkten lässt sich arbeiten.<br />

1.Kapitalanlagestrategien im Niedrigzinsumfeld:<br />

Eine Senkung des Rechnungszinses<br />

wird sich mittelfristig bei allen<br />

Krankenversicherern ergeben – je nach<br />

bestehender Kapitalanlage und Neuanlagevolumen<br />

wird dies bei einigen früher<br />

und stärker der Fall sein als bei anderen.<br />

Diese Entwicklung lässt sich nur mit mittel-<br />

und langfristigen Kapitalanlagestrategien<br />

beeinflussen: Die ideale Gewichtung<br />

von Aktien? Alternative Investments?<br />

Oder Kapitalanlagen in Infrastruktur? Um<br />

solche Überlegungen fundiert analysieren<br />

zu können, sind detaillierte Asset-Libility-Management<br />

(ALM) -Berechnungen<br />

notwendig. Diese Ansätze sind in der Lebensversicherung<br />

– nicht aber in der Krankenversicherung<br />

– schon lange Standard.<br />

Aber: Immer mehr Unternehmen haben<br />

sich in den letzten Jahren intensiv mit<br />

ALM-Berechnungen beschäftigt und sind<br />

bereits in der Lage, obige Fragestellungen<br />

für sich zu bewerten.<br />

2. Neugeschäft – Transparenz über<br />

Qualität und Stabilität: Bis auf wenige<br />

Ausnahmen ist insbesondere das Neugeschäft<br />

in der Vollversicherung bei fast<br />

allen Gesellschaften eingebrochen. Transparenz<br />

und die Abgrenzung von der breiten<br />

Masse werden immer wichtiger, um<br />

Neukunden zu gewinnen. Im Fokus einer<br />

transparenten Kommunikation sollten die<br />

Beitragsstabilität in der PKV sowie die<br />

Qualität ihrer Leistungen stehen. Dies<br />

macht aber auch angepasste Vertriebsansätze<br />

notwendig: Möglichkeiten, etwa die<br />

konsequente Ausrichtung auf eine spezielle<br />

Zielgruppe oder die stärkere Ausrichtung<br />

auf Zusatzversicherungen, sind vorhanden<br />

– der Vertrieb muss dementsprechend gesteuert<br />

werden.<br />

3. Einheitliches Leistungsmanagement:<br />

Es mag gute Gründe geben, warum in einzelnen<br />

Tarifen oder im Kulanzfall Zahlungen<br />

geleistet werden, die tariflich gar nicht zugesichert<br />

sind. Dennoch sollte genau analysiert<br />

und abgewogen werden, was dabei<br />

noch im Sinne des Versichertenkollektivs<br />

ist. Insbesondere für Gesellschaften mit<br />

einer Vielzahl von unterschiedlichen Tarifwerken<br />

ist ein einheitliches Leistungsmanagement<br />

schwierig, aber wichtig!<br />

Leistungsabteilungen müssen regelmäßig<br />

prüfen, ob das aktuelle Vorgehen in allen<br />

Tarifen richtig ist und dann eine Anpassung<br />

an die gesamte Strategie des Unternehmens<br />

vornehmen. Nur so können sie<br />

„die optimale Regulierung“ ermitteln und<br />

die Kosten im Sinne aller Versicherten gering<br />

halten. Der nächste Sturm in der PKV<br />

kommt bestimmt – wie gut ist die Branche<br />

darauf vorbereitet?<br />

Autor www.towerswatson.com/de<br />

Quelle: © yurolaitsalbert - Fotolia.com<br />

70 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Roland Berger-Studie: Kfz-Versicherer<br />

müssen sich neu erfinden –<br />

deutliche Marktkonsolidierung bis 2030<br />

Deutsche Kfz-Versicherer stehen<br />

vor einer großen Herausforderung.<br />

Denn Vergleichsportale, neue Geschäftsmodelle<br />

wie Carsharing, das vernetzte<br />

Fahrzeug und die zunehmende Verbreitung<br />

von Fahrzeugassistenzsystemen<br />

bis hin zum teilautonomen Fahren verändern<br />

schrittweise die traditionellen Marktregeln<br />

der eher konservativen Branche.<br />

Einige Autoversicherer haben zwar bereits<br />

begonnen, mit Einzelinitiativen ihr Geschäftsmodell<br />

digitaler und stärker kundenorientiert<br />

auszurichten.<br />

Dem Großteil fehlt aber noch eine strategische<br />

Zielvorstellung für<br />

ihr künftiges Geschäftsmodell<br />

unter den veränderten<br />

Marktbedingungen.<br />

In ihrer neuen<br />

Studie "Geschäftsmodell<br />

der Kfz-Versicherung im<br />

Umbruch" analysieren die<br />

Versicherungsexperten<br />

von Roland Berger, Jürgen<br />

Thiele und Dr. Carsten<br />

Schmidt-Jochmann, die<br />

Treiber des künftigen Kfz-<br />

Versicherungsmarkts und<br />

deren Auswirkungen auf<br />

das Geschäftsmodell. Zudem<br />

geben sie Empfehlungen,<br />

wie Versicherer<br />

darauf reagieren sollten,<br />

um weiterhin erfolgreich<br />

zu sein. Die Studie basiert<br />

auf Gesprächen mit rund<br />

30 Top-Entscheidern aus<br />

dem deutschen Kfz-Versicherungsmarkt.<br />

Quelle: © DragonImages - Fotolia.com<br />

"Veränderte Kundenpräferenzen und die<br />

zunehmende Digitalisierung rund um das<br />

Thema Mobilität werden die Versicherungslandschaft<br />

deutlich verändern", sagt Jürgen<br />

Thiele, Partner von Roland Berger. "Unter<br />

dem Druck, neue innovative Geschäftsmodelle<br />

zu entwickeln und effizienter zu werden,<br />

werden einige deutsche Versicherer<br />

in Zukunft vom Markt ausscheiden." Diese<br />

Einschätzung bestätigt auch die Roland<br />

Berger-Befragung: Knapp 60 Prozent der<br />

Entscheider rechnen bis 2030 mit einer<br />

starken Marktkonsolidierung. 1997 haben<br />

noch 132 Versicherungsunternehmen in<br />

Deutschland Kfz-Versicherungen angeboten,<br />

2013 waren es nur noch 96 und bis<br />

2030 wird diese Zahl nochmals spürbar<br />

sinken.<br />

Kooperationsfähigkeit<br />

wird zur Schlüsselkompetenz<br />

Durch die zunehmende Vernetzung<br />

von Fahrzeugen<br />

werden Automobilhersteller<br />

(OEMs) künftig zahlreiche<br />

Daten zu Fahrverhalten<br />

oder Defekten sammeln und<br />

neue Produkte sowie Dienstleistungen<br />

auf den Markt<br />

bringen können. Für Kfz-<br />

Versicherer sind solche Informationen<br />

etwa über Schadenereignisse<br />

oder Pannen<br />

ebenfalls wettbewerbsrelevant,<br />

zumal die zunehmende<br />

Ausstattung mit Sensoren<br />

oder Assistenzsystemen in<br />

den kommenden Jahren<br />

die Anzahl an Unfällen und<br />

Schäden reduzieren und in<br />

der Folge zu rückläufigen<br />

Prämieneinnahmen bei den<br />

Versicherern führen wird.<br />

"Der Wettlauf um Kunden und Daten wird<br />

durch attraktive Angebote für den Kunden<br />

entschieden", sagt Dr. Carsten Schmidt-<br />

Jochmann, Principal bei Roland Berger.<br />

"Doch beim vernetzten Kfz sitzen die Automobilhersteller<br />

im Fahrersitz." Versicherer<br />

müssen daher attraktive Angebote<br />

entwickeln, damit Kunden bereit sind, ihre<br />

Daten zu teilen. Ansonsten laufen sie Ge-<br />

Ausgabe 1/2016<br />

71


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

fahr, in eine permanente Abhängigkeit von<br />

OEMs oder anderen branchenfremden Akteuren<br />

zu geraten. Bis 2030 erwarten die<br />

befragten Branchenexperten für Telematikbasierte<br />

Kfz-Versicherungen einen Marktanteil<br />

von über 20 Prozent – davon ein großer<br />

Teil von branchenfremden Anbietern.<br />

Insbesondere der zunehmende Abschluss<br />

von Policen über Vergleichsportale setzt die<br />

Kfz-Versicherer unter Druck.<br />

Darüber hinaus stellt das wachsende Angebot<br />

von FinTech-Unternehmen ein noch<br />

schwer einzuschätzendes Bedrohungspotential<br />

für die Versicherungsbranche<br />

dar. Versicherer werden künftig stärker<br />

auf Kundenwünsche eingehen müssen und<br />

dabei verstärkt mit Kooperationspartnern<br />

zusammenarbeiten müssen, um Produkte<br />

und Dienstleistungen schnell und einfach<br />

on- und offline verfügbar zu machen.<br />

Innovationsmanagement als Teil des<br />

Geschäftsmodells<br />

Um auf neue Wettbewerber und deren innovative<br />

Geschäftsmodelle reagieren zu<br />

können, müssen Versicherer aktives und<br />

dauerhaftes Innovationsmanagement betreiben.<br />

Mehr als die Hälfte der für die Roland<br />

Berger-Studie Befragten ist der Meinung,<br />

dass zukünftig ein fester Anteil von<br />

zwei bis drei Prozent der Kfz-Prämieneinnahmen<br />

in Forschung & Entwicklung investiert<br />

werden wird. Den digitalen Wandel<br />

verfolgen deutsche Versicherer aktuell mit<br />

unterschiedlichen Ansätzen: Etwa 30 Prozent<br />

der Befragten haben bereits Gesellschaften<br />

für Innovationsmanagement gegründet.<br />

Rund zehn Prozent kooperieren<br />

oder betreiben eigene Inkubatoren oder<br />

Innovationslabs, um das eigene Geschäftsmodell<br />

mit neuen Ideen und Ansätzen weiterzuentwickeln.<br />

Darüber hinaus sollten<br />

die Unternehmen einen kulturellen Wandel<br />

vollziehen. "Eine Kultur des 'ausgesteuerten<br />

Scheiterns' ist nötig", sagt Jürgen Thiele.<br />

Das heißt, es werden gezielt mehrere Innovationsansätze<br />

gestartet und ausprobiert.<br />

Die, die funktionieren, werden fortgeführt,<br />

die anderen werden wieder 'ausgesteuert',<br />

also gestoppt. Das steigert die Agilität, um<br />

im digitalen Wettbewerbsumfeld künftig<br />

erfolgreich zu bestehen.<br />

"Gewinner werden die Versicherer sein,<br />

die bereits heute bereit sind, in die erforderlichen<br />

Innovationen und Anpassungen<br />

ihres Geschäftsmodells zu investieren",<br />

fasst Thiele zusammen. "Die Erschließung<br />

neuer Umsatzquellen in angrenzenden Geschäftsfeldern<br />

wird sich fortsetzen. Kooperationen<br />

und Partnerschaften mit Firmen<br />

außerhalb der Versicherungsbranche sind<br />

deshalb ein entscheidender Erfolgsfaktor."<br />

Autor www.rolandberger.de<br />

72 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Gute Aussichten:<br />

Sechs Prognosen zur Entwicklung von<br />

Run-off in der Versicherungswirtschaft<br />

Arndt Gossmann, Vorsitzender des<br />

Vorstands von Run-off-Versicherer<br />

DARAG, erwartet eine dynamische<br />

Entwicklung von Run-off in diesem Jahr.<br />

Seine Prognose: Das Transaktionsvolumen<br />

steigt 2016 erstmals auf über 4 Milliarden<br />

Euro und die ersten Einzel-Deals<br />

überspringen die 1-Milliarde-Euro-Marke.<br />

Das Jahr 2015 war kein Spaziergang für<br />

die europäischen Versicherer: Zunehmender<br />

Wettbewerbsdruck, zahlreiche<br />

M&A-Transaktionen und die Einführung<br />

von Solvency II haben die Branche in<br />

Atem gehalten. Insbesondere der Umgang<br />

mit eingestelltem Versicherungsgeschäft,<br />

auch Legacy oder Run-off genannt, wurde<br />

im Rahmen der Vorbereitung auf Solvency<br />

II zu einem Schlüsselthema für die Versicherer<br />

in Europa. Denn gemäß der neuen<br />

Regulierung müssen seit dem 1. Januar<br />

2016 auch Run-off-Bestände mit Eigenkapital<br />

hinterlegt werden. Arndt Gossmann,<br />

Vorsitzender des Vorstands der DARAG,<br />

erwartet jedoch nicht, dass der Run-off-<br />

Boom mit der Einführung von Solvency II<br />

ein Ende findet. Er wagt sechs Prognosen<br />

zur Entwicklung des Run-off-Sektors im<br />

Jahr 2016.<br />

Prognose 1:<br />

Gesamtvolumen der Deals überspringt<br />

2016 die 4-Milliarden-Euro-Marke<br />

„Wir glauben, dass der Run-off-Markt seinen<br />

Peak noch nicht erreicht hat, sondern<br />

weiter wachsen wird. 2016 könnte das<br />

Transaktionsvolumen erstmals auf über 4<br />

Milliarden Euro steigen“, sagt Gossmann.<br />

Der Run-off-Markt wuchs zwischen 2013<br />

und 2014 um das Achtfache auf 1,7 Milliarden<br />

Euro. Auch 2015 setzte sich der rasante<br />

Anstieg fort, als Grund nennt Gossmann<br />

die Vorbereitungen der Branche auf<br />

Solvency II. In der Folge wuchsen die Legacy-Bestände<br />

in den Büchern der europäischen<br />

Versicherer. Eine 2015 veröffentlichte<br />

Studie der Unternehmensberatung PwC<br />

zeigt, dass das Run-off-Volumen seit 2008<br />

um über 20 Prozent auf 247 Milliarden Euro<br />

angestiegen ist. Diese Trends werden sich<br />

auch 2016 fortsetzen, denn Run-off-Transaktionen<br />

haben sich als schneller und flexibler<br />

Weg zur Freisetzung von Eigenkapital<br />

bewährt.<br />

Prognose 2:<br />

Serie von Supertransaktionen – die<br />

ersten Run-off-Deals überschreiten<br />

die Grenze von einer Milliarde Euro<br />

„Auch nach der Einführung von Solvency II<br />

bleibt das Thema Eigenkapital-Effizienz auf<br />

der Agenda international agierender Versicherer.<br />

2016 könnte es den ersten Deal im<br />

Wert von einer Milliarde Euro geben, und<br />

das wird kein Einzelfall bleiben“, sagt Gossmann.<br />

Der Verkauf von Legacy-Beständen<br />

hat sich in den letzten Jahren als strategisches<br />

Instrument für das Eigenkapitalmanagement<br />

etabliert. „Aber um in der Bilanz<br />

eines global agierenden Versicherers<br />

überhaupt Wirkung zu entfalten, muss eine<br />

Transaktion eine gewisse Größe haben.<br />

Schon in den letzten Jahren sind die Transaktionsvolumina<br />

stetig gewachsen. Dieser<br />

Trend wird sich in den kommenden Jahren<br />

weiter fortsetzen“, so Gossmann.<br />

Prognose 3:<br />

Run-off als Best Practice im Versicherungswesen<br />

„Die Themen, die 2015 die Agenda der<br />

Versicherer bestimmt haben, werden uns<br />

auch 2016 weiter begleiten: fragmentierte<br />

Märkte, ein niedriges Zinsniveau sowie<br />

stagnierende Prämieneinnahmen. Und dieser<br />

Druck wird eher noch zunehmen. In<br />

diesem Umfeld hat sich die Abgabe von<br />

Run-off-Beständen als sinnvolles Instrument<br />

bewährt, mit dem Unternehmen<br />

ihre Konsolidierung vorantreiben können“,<br />

sagt Gossmann. Um die Eigenkapitalrendite<br />

zu verbessern, werden die Versicherer<br />

Ausgabe 1/2016<br />

73


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

immer öfter ihre Run-off-Bestände ins Visier<br />

nehmen. Die DARAG schätzt, dass in<br />

Europa etwa 80 bis 90 Milliarden Euro an<br />

Run-off für einen Transfer mittels Portfoliooder<br />

Unternehmensverkauf geeignet sind.<br />

„Schon 2015 hatten zahlreiche M&A-Transaktionen<br />

einen Run-off-Bestandteil. Diese<br />

Entwicklung wird sich eher noch verstärken,<br />

da gerade internationale Versicherer<br />

bei der Restrukturierung nicht nur einzelne<br />

Portfolios, sondern ganze Regionen oder<br />

Geschäftszweige auf den Prüfstand stellen“,<br />

sagt Gossmann.<br />

Prognose 4:<br />

Institutionelle Investoren entdecken<br />

Run-off<br />

„Im aktuellen Niedrigzins-Umfeld suchen<br />

immer mehr branchenfremde Anleger<br />

nach Möglichkeiten, in Versicherungsrisiken<br />

zu investieren“, beobachtet Gossmann.<br />

Insbesondere Private-Equity-Fonds<br />

investieren zunehmend in dieses Segment,<br />

das sich unabhängig von der Weltwirtschaft<br />

entwickelt und nicht mit traditionellen<br />

Assetklassen wie Aktien oder<br />

Rentenpapieren korreliert. Damit sind<br />

Versicherungsrisiken perfekt zur Diversifikation<br />

eines Portfolios<br />

geeignet. Gleichzeitig<br />

bieten sie eine attraktive,<br />

mit Qualitätsaktien<br />

vergleichbare Rendite<br />

– bei niedrigerer<br />

Volatilität und höherer<br />

Planbarkeit der Erträge.<br />

Laut einer Studie des<br />

Instituts für Versicherungswirtschaft<br />

an der<br />

Universität St. Gallen<br />

aus dem Jahr 2015 wollen<br />

institutionelle Investoren<br />

ihr Engagement<br />

in Versicherungsrisiken,<br />

den Insurance Linked<br />

Securities (ILS), in den<br />

nächsten fünf Jahren von 44,7 Milliarden<br />

US-Dollar auf 88,7 Milliarden US-Dollar<br />

verdoppeln.<br />

Prognose 5:<br />

Innovative und intelligente Lösungen<br />

für den Transfer<br />

„Die Versicherungswirtschaft sucht nach<br />

innovativen Lösungen, um Risiken abzugeben<br />

und die Eigenkapitalstruktur weiter<br />

zu verbessern. Run-off-Vehikel wie die<br />

neue EU-Plattform Run-off-Pad (R-pad) der<br />

DARAG bieten solche schlüsselfertigen Lösungen.<br />

Davon profitieren nicht nur die abgebenden<br />

Versicherer, sondern auch institutionelle<br />

Investoren. Versicherer können<br />

die Abgabe ihrer Run-off-Portfolios erheblich<br />

beschleunigen, während Investoren<br />

schneller, effizienter und einfacher in Versicherungsrisiken<br />

investieren können“, so<br />

Gossmann.<br />

Prognose 6:<br />

Sicherheit für Versicherungen<br />

„Die Konsolidierung im Versicherungsmarkt<br />

prägt auch den Wertekanon der<br />

Branche. Ohne gegenseitiges Vertrauen<br />

geht auch 2016 nichts“,<br />

so Gossmann. Gerade weil<br />

das Marktumfeld schwierig<br />

ist, bleibt der Reputationsschutz<br />

ein Grundpfeiler für<br />

den Erfolg. Auch die positive<br />

Entwicklung des noch<br />

jungen Run-off-Segments<br />

beruht nicht nur auf der erfolgreichen<br />

Regulierung der<br />

Branche, sondern auch auf<br />

dem professionellen und<br />

verlässlichen Umgang der<br />

Run-off-Spezialisten mit den<br />

übernommenen Risiken und<br />

Ansprüchen.<br />

74 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

Fazit<br />

Im Jahr 2009 hat sich die DARAG als erster<br />

Versicherer und Rückversicherer in<br />

Kontinentaleuropa auf die Übernahme von<br />

Run-off spezialisiert. Seitdem hat sich der<br />

Umgang der Branche mit eingestelltem<br />

Altgeschäft spürbar professionalisiert.<br />

Zwar stehen gerade die mittleren und<br />

kleinen Versicherer bei der Optimierung<br />

ihres Legacy-Geschäfts noch eher am Anfang.<br />

Dafür stehen ihnen heute bewährte<br />

Verfahren und Vehikel für den Umgang<br />

mit Run-off zur Verfügung. Gossmann ist<br />

daher zuversichtlich, dass sich der Markt<br />

auch in den kommenden Jahren weiter<br />

dynamisch entwickelt.<br />

Autor www.darag.de<br />

Arbeitgeberattraktivität:<br />

Versicherungen polieren ihr Image<br />

Der demografische Wandel erreicht die<br />

deutschen Versicherungsunternehmen und<br />

wird hier zunehmend als wesentliche Herausforderung<br />

erkannt. Der Wettbewerb<br />

um junge Talente und erfahrene Fachkräfte<br />

intensiviert sich, die Anstrengungen<br />

zur Steigerung der Arbeitsgeberattraktivität<br />

in der Branche nehmen deutlich zu.<br />

67rockwell Consulting stellt die aktuelle<br />

Studie „Arbeitgeberattraktivität von Versicherungen<br />

2015-2020“ vor, welche die Ergebnisse<br />

einer Online-Befragung unter den<br />

führenden deutschen und schweizerischen<br />

Versicherungen analysiert und zeigt die<br />

wesentlichen Handlungsfelder auf.<br />

Das Top-Thema „Arbeitgeberattraktivität“<br />

ist, wie in anderen Branchen<br />

auch, in der Versicherungsbranche<br />

angekommen<br />

Der demografische Wandel führt zu erheblichen<br />

Neubestzungen wichtiger Positionen<br />

in den nächsten Jahren, außerdem<br />

befinden sich die meisten Versicherer in<br />

tiefgreifenden Veränderungsprozessen.<br />

Dies führt dazu, dass mehr als 90 Prozent<br />

der Teilnehmer die Arbeit an einer attraktiven<br />

Arbeitgebermarke als wichtig einstufen.<br />

55 Prozent der Versicherungsunternehmen<br />

arbeiten derzeit an der Verbesserung<br />

ihres Images als Arbeitgeber, weitere 30<br />

Prozent planen zukünftig ihre Attraktivität<br />

als Arbeitgeber deutlicher in den Mittelpunkt<br />

der Rekrutierungsmaßnahmen zu<br />

stellen. Welche Eigenschaften werden von<br />

zukünftigen Mitarbeitern erwartet? Welche<br />

Leistungen stellen Versicherungen derzeit<br />

und zukünftig in den Fokus, um qualifizierte<br />

Mitarbeiter zu rekrutieren?<br />

Ausgabe 1/2016<br />

75


<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />

Talente werden nur innerhalb der<br />

Versicherungsbranche gesucht<br />

Nicht nur der Wettbewerb um Kunden,<br />

sondern auch um junge Talente und erfahrene<br />

Experten findet aktuell primär<br />

in der Branche statt. Dabei machen die<br />

zahlreichen Herausforderungen die Versicherungsbranche<br />

auch für Quereinsteiger<br />

anderer Branchen attraktiv. Insbesondere<br />

die fortschreitende Digitalisierung treffen<br />

die Versicherungsbranche in besonderer<br />

Weise: zum einen wird eine klare Positionierung<br />

der Unternehmen im Multi Channel<br />

Rekrutierung notwendig, zum anderen<br />

müssen Bewerber und Mitarbeiter ein<br />

ausgeprägtes IT-Verständnis mitbringen,<br />

um den gewachsenen technischen Anforderungen<br />

der digitalisierten Arbeitswelt<br />

besser gerecht zu werden. Innovative<br />

Ansätze im Recruiting, die identifizierten<br />

Zielgruppen zu erreichen, sind aktuell wenig<br />

verbreitet. Apps spielen kaum eine<br />

Rolle. Die Präsenz auf Xing und LinkedIn<br />

wird derzeit kaum für die aktive Ansprache<br />

von Kandidaten genutzt.<br />

„Berufseinsteiger, die eine Ausbildung als<br />

Versicherungskauffrau oder -kaufmann<br />

anstreben, können sowohl heute, als auch<br />

in kommenden Jahren mit sehr guten Einstiegschancen<br />

bei Versicherern rechnen<br />

– insbesondere bei einer ausgewiesenen<br />

Affinität zur Mathematik und Informatik.<br />

Dies gilt auch für Akademiker mit Bachelor<br />

oder Master sowie für erfahrene Fachexperten“,<br />

so Roland Krüger, Manager<br />

bei 67rockwell Consulting und Leiter der<br />

Studie. „Das Versprechen spannende Aufgaben,<br />

ein wettbewerbsfähiges Gehalt,<br />

interessante Personalentwicklungsmaßnahmen<br />

sowie eine zunehmende Flexibilität<br />

hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsplatz<br />

zu gewährleisten, reicht nicht mehr aus<br />

um in dem Wettbewerb um qualifiziertes<br />

Personal zu bestehen“, bewertet Krüger<br />

ein wesentliches Ergebnis.<br />

Quelle: © Christian Schwier - Fotolia.com<br />

Sind die großen Veränderungsprozesse<br />

allein mit Fachkräften und Auszubildenden<br />

umzusetzen?<br />

Hoher Personalbedarf besteht nach Einschätzungen<br />

der Experten insbesondere<br />

bei Versicherungs-experten/erfahrenen<br />

Fachkräften sowie Auszubildenden. Der<br />

vielzitierte Fachkräftemangel zeigt sich<br />

auch in der Versicherungsindustrie. Erfahrene<br />

Kollegen scheiden aus Altersgründen<br />

aus, fachlich hinreichend qualifizierte<br />

Führungskräfte aus den eigenen Häusern<br />

stehen nicht ausreichend zur Verfügung.<br />

Vor dem Hintergrund der tiefgreifenden<br />

Veränderungsprozesse in denen sich die<br />

Versicherungsindustrie befindet, ist nicht<br />

nachvollziehbar, warum das „Suchradar“<br />

der Versicherer auf Fachexperten und<br />

Auszubildende ausgerichtet ist und nicht<br />

auf Generalisten mit MBA-Abschlüssen.<br />

„In den Bereichen Vertrieb und IT wird<br />

der jetzt schon hohe Personalbedarf bis<br />

2020 deutlich ansteigen. Hier sind entsprechend<br />

attraktive Angebote für die Bewerber<br />

notwendig und zu erwarten“, stellt<br />

Dr. Michael Reich, Geschäftsführender<br />

Gesellschafter von 67rockwell Consulting<br />

76 Ausgabe 1/2016


VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />

fest. Dagegen erwarten die Personaler der<br />

befragten Versicherungsunternehmen einen<br />

Rückgang des Personalbedarfes im<br />

Versicherungsbetrieb, dem Kundenservice<br />

sowie im Marketing. „Hier sind die Unternehmen<br />

zuversichtlich, dass die eingeleiteten<br />

Digitalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen<br />

den gewünschten<br />

Umsetzungserfolg bringen“, so Reich.<br />

Mathematiker sind trotz<br />

digitalem Wandel sehr begehrt<br />

Digitalisierung stellt aktuell in der Versicherungsbranche<br />

die zentrale Herausforderung<br />

dar, deshalb ist es nachvollziehbar,<br />

dass die am stärksten gesuchte<br />

Berufsgruppe heute und in den kommenden<br />

Jahren die Experten für Informationstechnologie<br />

sind. Auch Experten der<br />

Versicherungsmathematik sind sehr gefragt,<br />

hier ist jedoch fraglich, inwieweit<br />

der Bedarf zukünftig zurückgehen wird,<br />

infolge direkter Einflüsse aus der Digitalisierung<br />

auf die Produktentwicklung. Es<br />

ist davon auszugehen, dass dieser Bedarf<br />

in absehbarer Zeit signifikant schrumpfen<br />

wird, infolge einfacher, direktabsatzfähiger<br />

Produkte. Kurzfristig ist aus der<br />

Sicht von 67rockwell Consulting eher<br />

ein Aufbau von Kompetenzen in den Bereichen<br />

IT, Unternehmensentwicklung sowie<br />

Projektmanagement notwendig.<br />

Einsatz und Veränderungsbereitschaft<br />

sind gefragter als Führungskompetenz<br />

Die Versicherungsbranche verändert<br />

sich sehr stark, so dass es folgerichtig<br />

erscheint, Kompetenzen wie die Veränderungsbereitschaft,<br />

Flexibilität sowie<br />

Agilität zu suchen. Nicht nachvollziehbar<br />

dagegen ist, dass wenig Mitarbeiter mit<br />

Umsetzungsstärke sowie Prozess- und<br />

Projektmanagementskills gesucht werden.<br />

Da derzeit im Schwerpunkt Auszubildende<br />

und junge Akademiker gesucht<br />

werden, lassen sich schon heute erhebliche<br />

Anforderungen für Personalentwicklungsabteilungen<br />

prognostizieren.<br />

Da die Personalentwicklungsbereiche<br />

der Versicherer, ähnlich wie alle anderen<br />

„Backoffice-Funktionen“ des Unternehmens,<br />

den Kostensenkungsmaßnahmen<br />

unterliegen, dürften sich hier nach Einschätzung<br />

von 67rockwell Consulting,<br />

größere Probleme in der Qualifizierung<br />

junger Mitarbeiter ergeben.<br />

Autor www.67rockwell.de<br />

Ausgabe 1/2016<br />

77


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Bildquelle: © Syda Productions - Fotolia.com

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