FinanzBusinessMagazin
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Studie: Modularisierung<br />
wird den Finanzsektor<br />
revolutionieren<br />
Die Metamorphose der<br />
Assekuranz<br />
Deutscher Immobilienmarkt:<br />
Gute Stimmung<br />
mit Fragezeichen<br />
Regulierung:<br />
Versicherungsmanager erwarten strengere<br />
Offenlegungspflichten bei Provisionen<br />
Alternative Investments 2016 – Immobilien<br />
und erneuerbare Energien im Investorenfokus<br />
Neue Asset-Klasse für<br />
deutsche Investoren<br />
Thomas Backs<br />
Managing Partner CONCILIO CAPITAL GmbH<br />
Ernst Rohwedder<br />
Alternative Investment Manager MEDIAN INVEST AG<br />
"Umfragen für 2016 haben ergeben, dass<br />
der Investmentfocus eines Großteils der<br />
institutionellen Anlegern bezogen auf<br />
Immobilien im Wohnimmobilien-Segment<br />
liegen wird"<br />
Ausgabe 1/2016<br />
www.<strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de1
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LV - eJournal 2015/16<br />
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EDITORIAL I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
EDITORIAL<br />
Wird die Modularisierung den Finanzsektor revolutionieren?<br />
In einer modularen Finanzbranche gehört eine direkte Kundenbeziehung nicht mehr nur einem<br />
Produktanbieter, denn Kunden wählen beispielsweise mit Hilfe einfacher Online-Plattformen oder<br />
mobilen Apps zwischen einer Vielzahl von Anbietern aus. Auf der Angebotsseite wird die Wertschöpfungskette<br />
nicht mehr komplett innerhalb eines Unternehmens erarbeitet, stattdessen werden<br />
Teilschritte vermehrt an Drittanbieter ausgelagert. Zu diesen Ergebnis kommt eine aktuelle Oliver<br />
Wyman-Studie.<br />
Schwere Zeiten für Deutschlands Banken prognostiziert die Kreditmarktstudie 2015 der Prüfungsund<br />
Beratungsgesellschaft Ernst & Young, da neue Wettbewerber immer stärker in das klassische<br />
Bankgeschäft vorstoßen. Unter ihnen am meisten gefürchtet sind Google, Apple, Microsoft und<br />
Co. So sehen 42 Prozent der deutschen Banken in Internet-Konzernen mit Banklizenz eine große<br />
oder gar sehr große Gefahr für das eigene Geschäft.<br />
Eine neue Asset-Klasse für deutsche Investoren offeriert die amerikanische Milestone Group. Sind<br />
amerikanische Wohnimmobilien eine Alternative zu Fixed Income in einer zinsfreien Welt? Mehr<br />
dazu im Interview. Immobilien und erneuerbare Energien werden auch 2016 die bevorzugten<br />
Assetklassen für alternative Investitionen bleiben, denn die zunehmende Nachfrage asiatischer und<br />
nordamerikanischer Investoren werden die Immobilienpreise in Europa weiter treiben, ist sich das<br />
Ratingunternehmen Scope sicher. Für 2016 rechnet Scope mit einer Verschärfung des Wettbewerbs<br />
unter den Asset Managern alternativer Investmentfonds.<br />
Können trotz höherer Kosten durch die Regulierung, AIF-Produkte für Kunden günstiger werden?<br />
Alexander Schlichting von der auf Immobilien in Ballungsräumen spezialisierten PROJECT Investment<br />
Gruppe gibt die Antworten im Interview. Die verstärkte Fokussierung internationaler Investoren auf<br />
eigene Immobilienentwicklungen hat eine Studie von PwC als Anlagetrend identifiziert. Knapp<br />
80 Prozent der Befragten sehen diese als attraktive Top-Anlagemöglichkeit, da hochwertige Immobilien<br />
in Bestlagen weiter schwer verfügbar sind und als überteuert gelten.<br />
Mit welchen Garantiemodellen auch immer, die Versicherungsbranche wird weiterhin eine sehr große<br />
Rolle bei der Frage der Altersabsicherung, Altersvorsorge oder Sparen fürs Alter spielen, ist sich<br />
Peter Schneider vom Analysehaus Morgen & Morgen im Interview sicher und kündigt dabei<br />
den ersten Vergleich von Honorartarifen an. Dazu passt: Die große Mehrheit der Versicherungswirtschaft<br />
erwartet, dass der Gesetzgeber ab 2017 die Offenlegungspflichten hinsichtlich der Vermittlungsvergütung<br />
weiter verschärft, so eine Umfrage von INNOVALUE. Viele klassische Geschäftsmodelle<br />
haben ausgedient, neue Ansätze zur Kundenbindung müssen her. Auf diese knappe Formel bringt<br />
der „Branchenkompass Insurance 2015“ von Sopra Steria Consulting die aktuelle Stimmungslage<br />
der deutschen Assekuranz-Wirtschaft.<br />
Das Redaktionsteam<br />
Ausgabe 1/2016<br />
3
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INHALTSVERZEICHNIS<br />
BANKEN<br />
6 Oliver Wyman-Studie: Modularisierung wird den Finanzsektor revolutionieren<br />
7 IM Studie: FinTechs bleiben vorerst klein und trotzdem einflussreich<br />
10 Retail Banken könnten bis zu 30 Prozent ihrer Erträge an digitale Wettbewerber verlieren, wenn sie die eigene<br />
Digitalisierung nicht vorantreiben<br />
12 Deutsche Banken beschleunigen MiFID-II-Umsetzung<br />
13 Banken krempeln Kreditgeschäft um - Rentabilität steht auf dem Spiel<br />
16 In Deutschlands Banken klafft Ergebnislücke von 25 Milliarden Euro<br />
18 In den Banken wächst die Angst vor Cyber-Attacken<br />
20 Neue Asset-Klasse für deutsche Investoren: Amerikanische Wohnimmobilien/<br />
Multi Family der MILESTONE Group (5,5 Mrd. US-Dollar verwaltetes Immobilienvermögen)<br />
als Alternative zu Fixed Income in einer zinsfreien Welt<br />
Interview mit Ernst Rohwedder Alternative Investment Manager, MEDIAN INVEST AG<br />
und Thomas Backs Managing Partner CONCILIO CAPITAL GmbH<br />
INVESTMENTS<br />
24 Ausblick Alternative Investments 2016<br />
Immobilien und erneuerbare Energien im Investorenfokus<br />
26 Niedrige Zinsen drängen jede dritte Stiftung stärker ins Risiko<br />
31 Investitionen in deutsche Start-ups boomen<br />
Berlin beim Investitionsvolumen vor London, Stockholm, Paris und Hamburg<br />
34 Diamantenpreise im Weltmarkt unter Druck<br />
36 "Regulierung: Trotz höherer Kosten für PROJECT sind unsere Produkte für die Kunden günstiger geworden"<br />
Interview mit Alexander Schlichting, Geschäftsführer Gesellschafter, PROJECT Vermittlungs GmbH<br />
42 Deutscher Immobilienmarkt: Gute Stimmung mit Fragezeichen<br />
44 Immobilienmarkt Deutschland 2016: Spitzenrenditen mit Drei vor dem Komma werden zum Normalfall<br />
46 bulwiengesa-Immobilienindex: Immobilienpreise steigen etwas langsamer<br />
Aktuell längste positive Marktdynamik seit den 1970er Jahren<br />
48 Portfoliotransaktionen werden vom Einzelhandel und Unternehmensübernahmen bestimmt<br />
Drei Transaktionen toppen die Milliardenmarke<br />
49 Immobilienmärkte in Europa: Mega-Trend Urbanisierung sorgt für Wandel<br />
4 Ausgabe 1/2016
INHALTSVERZEICHNIS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
VERSICHERUNGEN<br />
52 "Analysehaus Morgen & Morgen offeriert in Kürze einen Vergleich für Honorartarife"<br />
Interview mit Peter Schneider, Geschäftsführer, Morgen & Morgen Group GmbH<br />
60 Regulierung: Versicherungsmanager erwarten strengere Offenlegungspflichten bei Provisionen<br />
60 Branchenkompass Insurance 2015: Versicherungswirtschaft am Scheideweg<br />
62 Die Metamorphose der Assekuranz<br />
66 Digitalisierung droht die Versicherungsbranche zu überrollen<br />
67 Solvency II<br />
Die Karten werden neu gemischt<br />
68 Terror, Cyber, Wetter: Deutschen Unternehmen drohen Höchstschäden<br />
69 Ruhe vor dem Sturm: Wie fortschrittlich ist die PKV?<br />
71 Roland Berger-Studie: Kfz-Versicherer müssen sich neu erfinden – deutliche Marktkonsolidierung bis 2030<br />
73 Gute Aussichten: Sechs Prognosen zur Entwicklung von Run-off in der Versicherungswirtschaft<br />
75 Arbeitgeberattraktivität: Versicherungen polieren ihr Image<br />
IMPRESSUM<br />
65 Impressum<br />
Ausgabe 1/2016<br />
5
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
Oliver Wyman-Studie:<br />
Modularisierung wird den Finanzsektor<br />
revolutionieren<br />
Finanzdienstleistungen werden modular.<br />
Es findet eine Fragmentierung des<br />
Produktangebotes und der Wertschöpfungsketten<br />
bei Banken und Versicherungen<br />
statt. Somit entsteht eine Vielzahl<br />
spezialisierter Anbieter und Produkte<br />
im Finanzsektor. Diese Veränderungen<br />
in der Branchenstruktur können zu einer<br />
Verschiebung von rund 1 Bio. US-Dollar<br />
an Erträgen im globalen Finanzgeschäft<br />
führen. Insgesamt generiert der Sektor<br />
5,7 Bio. US-Dollar Erträge. Von diesen<br />
heutigen Erträgen werden sich neue Kundenplattformen<br />
etwa<br />
50-150 Mrd. US-Dollar<br />
sichern können.<br />
Innovative Anbieter<br />
mit neuen Produkten<br />
können sich schätzungsweise<br />
Marktanteile<br />
im Wert von rund<br />
150-250 Mrd. US-Dollar<br />
erkämpfen. Dies ist<br />
das Ergebnis der Studie „Modular Financial<br />
Services: The New Shape of the Industry“<br />
der Managementberatung Oliver<br />
Wyman. Für den deutschen Markt bedeutet<br />
dies unter anderem, dass neue Kundenplattformen<br />
Ertragsmöglichkeiten von<br />
etwa 4-6 Mrd. Euro hätten und 7-10 Mrd.<br />
Euro an Umsatz sich hin zu innovativen<br />
Anbietern mit neuen Produkten verschieben<br />
können.<br />
In einer modularen Finanzbranche gehört<br />
eine direkte Kundenbeziehung nicht<br />
mehr nur einem Produktanbieter. Kunden<br />
wählen beispielsweise mit Hilfe einfacher<br />
Online-Plattformen oder mobilen Apps<br />
zwischen einer Vielzahl von Anbietern<br />
aus. Auf der Angebotsseite wird die Wertschöpfungskette<br />
nicht mehr komplett innerhalb<br />
eines Unternehmens erarbeitet.<br />
Stattdessen werden Teilschritte vermehrt<br />
an Drittanbieter ausgelagert. Die Modularisierung<br />
wird vor allem durch neue<br />
Technologien und regulatorische Veränderungen<br />
vorangetrieben. Das führt<br />
zu größerer Transparenz und Effizienz.<br />
„Nach der Krise haben sich die meisten<br />
Finanzinstitute auf die Optimierung der<br />
bestehenden integrierten Geschäftsmodelle<br />
konzentriert. Jetzt bewegt sich der<br />
Finanzsektor hin zu einer neuen, modularen<br />
Struktur“, sagt Finja Carolin Kütz,<br />
Partnerin und verantwortlich für das Beratungsgeschäft<br />
von Oliver Wyman in<br />
Deutschland und Österreich. „Modulare<br />
Finanzdienstleistungen entstehen jedoch<br />
unterschiedlich schnell in den jeweiligen<br />
Märkten. Aktuell ist der Bankensektor<br />
in den USA zum Beispiel modularer aufgestellt<br />
als die Sektoren in Europa und<br />
Asien. In Europa ist Spanien einer der<br />
Vorreiter, während sich Deutschland eher<br />
im hinteren Mittelfeld der Entwicklung<br />
bewegt.“<br />
Die Konsumenten werden am stärksten<br />
von modularen Finanzdienstleistungen<br />
profitieren. Sie werden aus einer größeren<br />
Bandbreite von Produktanbietern<br />
wählen können. Der stärkere Wettbewerb<br />
wird dabei den Druck auf die Margen<br />
erhöhen. Die 19. jährliche „Future<br />
of Financial Services“-Studie von Oliver<br />
Wyman schätzt, dass 150-300 Mrd. US-<br />
Dollar durch niedrigere Preise den Kunden<br />
zugutekommen werden. Doch trotz<br />
der Veränderungen in der Branche und<br />
obwohl der Wettbewerbsdruck steigt,<br />
haben integrierte Finanzdienstleister<br />
6 Ausgabe 1/2016
BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
noch immer eine gute Ausgangsbasis.<br />
Dazu gehören beispielsweise bestehende<br />
Kundenbeziehungen, sichere Skaleneffekte<br />
im Betrieb und die Erfüllung regulatorischer<br />
Anforderungen.<br />
Sie haben somit gute Voraussetzungen,<br />
um erfolgreich zu sein. Teure, alte und<br />
unflexible Infrastruktur wird zukünftig indes<br />
untragbar sein und der Wettbewerb<br />
wird Finanzinstitute zwingen, ihre Betriebsplattformen<br />
zu erneuern. Dafür stehen<br />
den weltweit größten Banken jedoch<br />
enorme Kosten bevor, die bei über 4 Mrd.<br />
US-Dollar pro Institut liegen können. Das<br />
ist mehr als die durchschnittliche Dividendenzahlung,<br />
von je 1,7 Mrd. US-Dollar,<br />
der 100 größten Universalbanken. Allerdings<br />
können die weltweit größten Banken<br />
laut Schätzungen der Studie durch<br />
Plattformerneuerungen auch bis zu 340<br />
Mrd. US-Dollar an Kosten einsparen. Die<br />
Modularisierung ist eine große Herausforderung<br />
für den Finanzsektor. Sie bietet<br />
aber auch vielfältige Chancen. Es entstehen<br />
neue Möglichkeiten, verbesserte Produkte<br />
und Dienstleistungen für Kunden<br />
zu entwickeln und neue Kundenzugänge<br />
zu schaffen. Durch kostengünstigere und<br />
flexiblere Back Office-Lösungen können<br />
die Betriebskosten gesenkt und Kapital<br />
effizienter in strategisch wichtigen Bereichen<br />
eingesetzt werden.<br />
Autor www.oliverwyman.de<br />
IM Studie:<br />
FinTechs bleiben vorerst klein und<br />
trotzdem einflussreich<br />
FinTechs werden in den kommenden<br />
Jahren stark wachsen, können<br />
allerdings von ihren Marktanteilen<br />
her noch keine Bedrohung für etablierte<br />
Finanzinstitute werden. Das ist die zentrale<br />
Aussage der IM-FinTech-Studie<br />
2016, die von der auf den Finanzmarkt<br />
spezialisierten Managementberatung Investors<br />
Marketing (IM) erstellt wurde.<br />
Demnach werden FinTechs im Jahr 2020<br />
im Bereich Konsumentenkredite rund 5,5<br />
Prozent des jährlichen Neugeschäftes für<br />
sich gewinnen können, bei der Geldanlage<br />
wird ihr Anteil der Studie zufolge auf etwa<br />
2,5 Prozent ansteigen. Zudem werden<br />
sie etwa 500.000 Girokonten zu sich ziehen<br />
können. Trotz dieser vergleichsweise<br />
niedrigen Anteile werden sie insbesondere<br />
auf das Privatkundengeschäft in den kommenden<br />
Jahren starken Einfluss haben.<br />
„Ihre einfachen und pfiffigen Angebote<br />
ändern die Kundenerwartungen und bereiten<br />
auf diese Weise branchenfremden<br />
Unternehmen wie Amazon oder Google<br />
den Markteintritt“, sagt Dr. Oliver Mihm,<br />
CEO von Investors Marketing.<br />
„Daher müssen sich die etablierten Banken<br />
mit den Angeboten FinTechs auseinander<br />
setzen.“ Eine Orientierung am Kundenbedarf<br />
vor allem in der Anwendung mit einfachen<br />
und intuitiven Abschlussprozessen<br />
ist ein Charakteristikum der neuen FinTech-<br />
Anbieter. Kennzeichnend ist ebenso, dass<br />
diese sich oft in Form von Cherry-Pickern<br />
auf spezifische Finanzangebote fokussieren.<br />
Aktuell zeichnen sich vor allem in drei<br />
Bereichen eine wachsende Bedeutung von<br />
Ausgabe 1/2016<br />
7
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
FinTechs ab: Bei der privaten Kreditversorgung<br />
mit dem Konzept des Peer-to-Peer-<br />
Crowdlendings, in der Geldanlage, wobei<br />
hier einfache Wertpapier-Anlageangebote<br />
für kleinere Anlagesummen im Zentrum<br />
stehen sowie Angebote zum Zahlungsverkehr,<br />
insbesondere digitale Girokontolösungen.<br />
Erwartete Marktanteile der FinTechs<br />
bis 2020<br />
Der Markt für Konsumentenkredite ist das<br />
mit Abstand beliebteste Geschäftsfeld für<br />
FinTechs in Deutschland: Mit rund 120<br />
Start-ups (Stand Sommer<br />
2015) machen<br />
neue Anbieter für Konsumentenkredite<br />
fast<br />
die Hälfte aller FinTechs<br />
aus. Sie agieren dabei<br />
als Vermittler zwischen<br />
potenziellen Kreditnehmern<br />
und -gebern<br />
(Crowdlending-Modell).<br />
Insgesamt belief sich<br />
das Volumen der im vergangenen<br />
Jahr neu ausgegeben<br />
Konsumentenkredite<br />
auf 80 Milliarden<br />
Euro. 36 Prozent davon<br />
wurden direkt bei Händlern<br />
abgeschlossen, ein<br />
Anteil, der sich künftig<br />
stabil bleiben wird.<br />
Von den verbleibenden<br />
Krediten werden nach<br />
IM-Berechnungen 73<br />
Prozent von Multikanal- oder reinen Filialkunden<br />
in Anspruch genommen. Es verbleiben<br />
Konsumentenkredite mit einem Volumen<br />
von rund 14 Milliarden Euro, die pro<br />
Jahr online vergeben werden. Hier haben<br />
FinTechs die Chance, einen Marktanteil von<br />
20 Prozent zu erringen, was einem Kreditvolumen<br />
von 2,8 Milliarden Euro entspricht.<br />
Darüber hinaus wurden im vergangenen<br />
Jahr Konsumentenkreditanfragen in Höhe<br />
von acht Milliarden Euro abgelehnt.<br />
Geht man davon aus, dass 20 Prozent aller<br />
von klassischen Banken abgelehnten Kreditanfragen<br />
im Jahr 2020 durch FinTechs<br />
vermittelt werden können, so ergibt sich<br />
ein zusätzliches Marktpotenzial von 1,6 Milliarden<br />
Euro pro Jahr. „Damit kämen FinTechs<br />
in diesem Segment auf einen Marktanteil<br />
von gut 5 Prozent“, sagt Oliver Mihm.<br />
„Das wäre rund das 20fache im Vergleich<br />
zu heute. Zudem ist ein Konsumentenkredit<br />
für die Hausbank nicht disruptiv,<br />
das heißt, die Beziehung<br />
zum Kunden besteht in der Regel<br />
weiter.“<br />
Nach dem Kreditmarkt ist der<br />
zweite wesentliche FinTech-Geschäftsbereich<br />
der private Anlagemarkt.<br />
Im Bereich Geldanlage<br />
sind aktuell rund 36 FinTech<br />
Start-ups in Deutschland tätig.<br />
Die innovativste Gruppe bilden<br />
dabei die Robo-Advisor. Sie adressieren<br />
dabei auch Anleger<br />
mit einem Vermögen von unter<br />
100.000 Euro, die bei Banken<br />
kaum Beratungsangebote<br />
erhalten. Die RoboAdvisors haben<br />
deutlich geringere Kosten<br />
durch die Automatisierung und<br />
den Wegfall persönlicher Beratungsleistungen<br />
und sie können<br />
durch die Einfachheit des<br />
Leistungsangebotes Zielgruppen<br />
ansprechen, denen eine<br />
Beratung bei einer Bank zu kompliziert und<br />
zeitaufwändig ist. Insgesamt addierten sich<br />
die Wertpapierbestände in Deutschland im<br />
Jahr 2014 auf knapp 950 Milliarden Euro.<br />
48 Prozent des Wertpapierbestands bestehen<br />
aus Aktien und kurzfristigen Schuldverschreibungen,<br />
dadurch reduziert sich<br />
8 Ausgabe 1/2016
BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
das Potenzial für die FinTech-Robo-Advisor<br />
auf 492 Milliarden Euro, die durchweg auf<br />
fondsbasierte Anlagen setzen. Analog zur<br />
Berechnung oben werden nur Online-affine<br />
Kundengruppen als mögliches Potenzial für<br />
Robo-Advisor mit einbezogen. Aufgrund<br />
des geringen Involvements von Kunden bei<br />
Geldangelegenheiten und des hohen Kundenaufwands<br />
beim Wechsel eines Depots<br />
wird eine aktive Wechselbereitschaft lediglich<br />
bei zehn Prozent der potenziellen Kunden<br />
angenommen. Daraus ergibt sich ein<br />
Potenzial für Robo-Advisor im Jahr 2020<br />
von 13,3 Mrd. Euro Wertpapiervolumen.<br />
Zudem verfügten die privaten Haushalte<br />
in Deutschland im vergangenen Jahr über<br />
Termin- und Spareinlagen von rund 880<br />
Milliarden Euro. Nach analoger Rechnung<br />
ergibt sich hier ein Potenzial für Robo-<br />
Advisor von knapp 12 Milliarden Euro.<br />
In Summe addiert sich das Marktpotenzial<br />
für das Jahr 2020 auf ein Anlagevolumen<br />
von gut 25 Milliarden Euro. „Dies<br />
entspricht einem Marktanteil von 2,5 Prozent“,<br />
sagt Oliver Mihm. „Allerdings ist<br />
der Disruptionscharakter hoch, was die<br />
Banken vor die Herausforderung stellt,<br />
ihr Einlagengeschäft inklusive Terminund<br />
Spareinlagen sowie das Wertpapiergeschäft<br />
abzusichern.“<br />
Die Angebotsbreite von FinTechs im Bereich<br />
des Zahlungsverkehrs ist sehr hoch.<br />
Schlagzeilen machen hier vor allem Mobile-<br />
Payment-Angebote von großen Online-Anbietern<br />
wie Apple Pay oder Android Pay und<br />
die Endkunden in Deutschland stehen den<br />
neuen Wettbewerbern für Zahlungsverkehrsangebote<br />
grundsätzlich aufgeschlossen<br />
gegenüber (siehe IM Privatkundenstudie<br />
2015). End-to-End-Banking-FinTechs<br />
als wichtigste Vertreter im Bereich des<br />
Zahlungsverkehrs positionieren sich bewusst<br />
als Alternative zu etablierten Kreditinstituten.<br />
Basis zur Potenzialberechnung<br />
im Jahr 2020 sind die aktuell 98,6 Millionen<br />
Girokonten in Deutschland. Da bei kostenlosen<br />
Girokontomodellen nur Erträge bei<br />
aktiver Kontonutzung entstehen, werden<br />
von diesem Bestand die girokontobasierten<br />
Mehrfachbankverbindungen abgezogen,<br />
was ein Potenzial von 70 Millionen<br />
Gehaltskonten ergibt. Zieht man auch hier<br />
nur Online-Kunden ein, liegt der Markt bei<br />
18,9 Millionen Kunden. Damit besteht ein<br />
realisierbares Potenzial von 0,5 Millionen<br />
Gehaltskonten bei den End-to-End-Banking-Anbietern<br />
bis 2020.<br />
„Geht man von einem durchschnittlichen<br />
Ertrag von 150 Euro pro Jahr pro Gehaltskonto<br />
aus, ergibt sich damit ein Umsatzvolumen<br />
von 75 Millionen Euro im Jahr<br />
2020“, sagt Oliver Mihm. „Das Gefahrenpotenzial<br />
für die klassischen Banken ist damit<br />
gering, allerdings ist der Disruptionscharakter<br />
sehr hoch.“ Insgesamt, so die<br />
Einschätzung von Investors Marketing, ist<br />
das das Marktpotenzial für FinTechs aktuell<br />
noch relativ begrenzt. „Dabei darf aber<br />
nicht übersehen werden, dass die neuen<br />
Angebote den Markt und das Kundenverhalten<br />
verändern werden, was großen<br />
Einfluss auf die Position der klassischen<br />
Banken haben wird“, sagt Oliver Mihm.<br />
„Sollten Großunternehmen wie PayPal,<br />
Google oder Amazon in einzelnen Marktsegmenten<br />
aktiv werden, so kann das die<br />
Voraussetzungen schnell verändern.“<br />
Autor www.investors-marketing.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
9
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
Retail Banken könnten<br />
bis zu 30 Prozent ihrer Erträge<br />
an digitale Wettbewerber verlieren,<br />
wenn sie die eigene Digitalisierung<br />
nicht vorantreiben<br />
Deutsche Banken bieten einfache<br />
Bankgeschäfte schon heute online<br />
oder mobil an. Schwieriger wird<br />
es bei der Abwicklung komplexer Finanzprodukte<br />
– hier hinken viele Banken noch<br />
hinterher. In ihrer neuen Retail Banking-<br />
Studie "Executive Retail Banking Survey:<br />
Digital Transformation" erklären die Roland<br />
Berger-Experten, warum deutsche<br />
Banken ihre Digitalisierung schnell vorantreiben<br />
müssen, wenn sie den Anschluss<br />
an die dynamischen digitalen Wettbewerber<br />
nicht verlieren wollen.<br />
Die Studie basiert auf einer Umfrage von<br />
65 europäischen Banken, darunter neun<br />
deutsche Finanzinstitute. "Wenn es um<br />
Kontoeröffnungen oder Kreditkartenanträge<br />
über Online- oder Mobile-Kanäle<br />
geht, haben deutsche Banken ein besseres<br />
Leistungsspektrum als europäische<br />
Banken", sagt Wolfgang Hach, Partner von<br />
Roland Berger. Hohe regulatorische Anforderungen,<br />
manuelle Prozesse und veraltete<br />
Systeme erschweren allerdings eine<br />
schnelle Abwicklung oder den Abschluss<br />
von komplexeren Finanzgeschäften, wie<br />
Versicherungsabschlüsse oder Kreditverträge.<br />
"Die Banken kommen unter Druck,<br />
denn Kunden erwarten die gleiche schnelle,<br />
flexible und zuverlässige Abwicklung<br />
ihrer Geschäfte wie bei Online-Händlern",<br />
ergänzt Co-Autor Sebastian Steger.<br />
Kundendaten nur unzureichend<br />
genutzt<br />
In der ersten Welle der Digitalisierung haben<br />
sich deutsche Banken vor allem auf<br />
einfache Produkte fokussiert. Allerdings<br />
nutzen sie die daraus gesammelten Kundendaten<br />
nur unzureichend, um ihre Produkte<br />
oder ihren Service weiter zu verbessern.<br />
So analysieren nur rund 45 Prozent<br />
der deutschen Banken permanent das<br />
Online-Verhalten ihrer Kunden. Wechselt<br />
ein Kunde von der Filiale zum Online-<br />
Banking, werden seine historischen Daten<br />
kaum weiterverwendet. "Der Zugang zu<br />
digitalen Technologien ist nicht das Problem.<br />
Die Banken kämpfen vielmehr mit<br />
Widerständen innerhalb der Organisation,<br />
Bestehendes zu verändern", sagt Hach.<br />
Deutsche Banken haben viel Nachholbedarf,<br />
wenn es darum geht, vorhandene<br />
Kundendaten systematisch auszuwerten<br />
und die Organisation für neue, digitale<br />
Produkte fit zu machen.<br />
Digitalisierung ist kein Umsatztreiber<br />
Um die Digitalisierung dennoch voranzutreiben,<br />
gründen Banken digitale Innovationszentren<br />
oder beteiligen sich an<br />
Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen.<br />
Deutsche Banken sind allerdings<br />
im Vergleich zu anderen europäischen<br />
Banken zurückhaltender und haben erst<br />
10 Ausgabe 1/2016
BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
spät mit solchen Initiativen begonnen. Sie<br />
können daher noch nicht einschätzen, ob<br />
sich solche Investitionen wirklich lohnen.<br />
Ein Drittel der befragten Banken investiert<br />
derzeit bis zu 20 Prozent ihres IT-Budgets<br />
in Digitalisierung. Verglichen mit anderen<br />
Branchen ist der Anteil noch gering. Dies<br />
liegt auch an den steigenden regulatorischen<br />
Anforderungen, die hohe Investitionen<br />
in bestehende oder neue IT-Systeme<br />
erforderlich machen. Zudem sehen die<br />
Studienteilnehmer in der Digitalisierung<br />
weniger einen zusätzlichen Umsatztreiber<br />
als vielmehr eine Ergänzung zum traditionellen<br />
Geschäft. Ein Drittel der befragten<br />
deutschen Banken rechnet mit Umsatzzuwächsen<br />
von weniger als zwei Prozent.<br />
"Ohne innovative Angebote geht es aber<br />
nicht. Die Kunden wandern früher oder<br />
später zu digitalen Wettbewerbern ab.<br />
Das zieht die Umsätze nach unten", erklärt<br />
Hach. Die befragten Banken sehen<br />
die Vorteile der Digitalisierung vielmehr<br />
auf der Ertragsseite. Denn im derzeitigen<br />
Niedrigzinsumfeld mit sinkenden Margen<br />
können durch Digitalisierung der Prozesse<br />
Kosten gesenkt und somit die Cost-Income-Ratio<br />
verbessert werden.<br />
Sieben Empfehlungen für<br />
eine erfolgreiche Transformation<br />
Die Banken stehen aber vor der Herausforderung,<br />
ihr Geschäftsmodell schnell<br />
anpassen zu müssen. Denn neue, branchenfremde<br />
Wettbewerber bieten innovative<br />
Angebote aus einer Hand. Das globale<br />
Investitionsvolumen in FinTech-Unternehmen<br />
lag Ende 2014 bei über 10 Milliarden<br />
Dollar und hat sich damit innerhalb eines<br />
Jahres fast verdreifacht. "Durch die digitalen<br />
Geschäftsmodelle der neuen Wettbewerber<br />
könnten europäische Banken<br />
zwischen 20 bis 30 Prozent ihrer Erträge<br />
sowie den Zugang zu online-affinene Kunden<br />
verlieren, wenn sie nicht reagieren",<br />
warnt Hach.<br />
Für eine erfolgreiche Transformation<br />
geben die Roland Berger-Experten<br />
sieben Empfehlungen:<br />
Gezieltere Kundenansprache: Durch<br />
Auswertung des Kundenverhaltens über<br />
alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können<br />
Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden<br />
und so der ideale Zeitpunkt für eine<br />
individuelle Kundenansprache identifiziert<br />
werden.<br />
Entwicklung alternativer Wege zur<br />
Kundengewinnung: Die Neukundengewinnung<br />
ist in den letzten Jahren sehr<br />
schwierig geworden. Banken müssen daher<br />
innovative Ideen entwickeln, um Neukunden<br />
mit einfachen und digitalisierten<br />
Produkten zu überzeugen.<br />
Identifikation neuer Umsatzquellen:<br />
Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle<br />
zu optimieren. Banken müssen auch ihr<br />
Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder<br />
erschließen.<br />
Aufbau eines digitalen Ökosystems:<br />
Durch Kooperationen mit branchenfremden<br />
digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen<br />
bekommen Banken direkten Zugang<br />
zu innovativen Ideen und lernen die<br />
Denkweise der "Digital Natives".<br />
Fehler als Chance begreifen: Fehler<br />
müssen erlaubt sein, denn nur so können<br />
sich Organisationen in dem sich ständig<br />
ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.<br />
Neudefinition des Kundenservice:<br />
Digitalisierung ermöglicht eine neue Art<br />
des Kundenservice. Um diese Chancen<br />
nutzen zu können, muss ein radikaler<br />
Kulturwandel in den Banken stattfinden.<br />
Digitalisierung aller Prozesse: Die<br />
Digitalisierung muss entlang der gesamten<br />
Wertschöpfungskette bis hin<br />
zum Back Office stattfinden, damit auch<br />
komplexe Finanzprodukte schnell und<br />
zuverlässig abgewickelt werden können.<br />
Autor www.rolandberger.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
11
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
Deutsche Banken beschleunigen<br />
MiFID-II-Umsetzung<br />
Die Banken in Deutschland starten<br />
bei der Umsetzung der MiFID<br />
II-Richtlinie (Markets in Financial<br />
Instruments Directive) durch. 70 Prozent<br />
der Institute haben bereits Projekte begonnen.<br />
Zum Vergleich: Im Frühjahr standen<br />
zwei von drei Instituten noch nicht<br />
mal in der Startlöchern. Dennoch läuft das<br />
Gros der Banken dem Zeitplan hinterher.<br />
Die aktuelle MiFID-II-Readiness liegt bei<br />
28 Prozent. Eigentlich sollten<br />
es Stand September 50 Prozent<br />
sein. Das zeigt die dritte<br />
Auflage der Bankenstudie<br />
„MiFID II Readiness Index“<br />
der Unternehmensberatung<br />
PPI AG.<br />
Die EU-Kommission steht<br />
aktuell ebenfalls unter Zeitdruck:<br />
Die Behörde überlegt<br />
deshalb, den Start der<br />
Finanzmarktreform um ein<br />
Jahr auf Januar 2018 zu verschieben. Das<br />
würde den Banken bei der Umsetzung<br />
gerade recht kommen. „Eine Verschiebung<br />
würde viele Banken mit Nachholbedarf<br />
entlasten. Die Institute erfahren im<br />
Frühjahr 2016 verbindlich, worauf sie sich<br />
einstellen müssen und müssten diese Anforderungen<br />
dann nicht innerhalb weniger<br />
Monate realisieren“, sagt Christian Appel,<br />
Experte für Banken-Compliance bei PPI.<br />
Viele Informationen liegen den Banken<br />
allerdings schon seit dem 29. Juni 2015<br />
vor und starten deshalb mit der Projektplanung.<br />
Die Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde<br />
ESMA hatte in ihrem finalen<br />
Bericht über technische Regulierungs- und<br />
Durchführungsstandards für mehr Klarheit<br />
gesorgt. Etwa drei Viertel der Banken<br />
und Sparkassen rechnen auf dieser<br />
mit Gesamtkosten von nicht mehr als<br />
einer halben Million Euro, um die MiFID-<br />
II-Auflagen zu erfüllen. 82 Prozent sehen<br />
zudem erheblichen Handlungsbedarf, ihre<br />
IT-Systeme MiFID-II-konform umzurüsten.<br />
Einer der Hauptaufwandstreiber ist<br />
die künftige Einhaltung der neuen Regeln<br />
zur Aufzeichnung von Telefongesprächen<br />
oder elektronischen Mitteilungen in Bezug<br />
auf Kundenaufträge. „Wie hoch der<br />
Anpassungsbedarf konkret ausfallen wird,<br />
wird sich erst zeigen, wenn MiFID II in nationales<br />
Recht umgesetzt worden ist. Es<br />
kann gut sein, dass Institute im Frühjahr<br />
ihre Budgetplanungen noch einmal korrigieren“,<br />
sagt Christian Appel. Die größten<br />
Erlösausfälle erwarten die Banken durch<br />
die Einschränkung der Zuwendungen.<br />
40 Prozent rechnen mit einem starken<br />
Einbruch in der Anlageberatung durch<br />
den Stopp von Vertriebsprovisionen. Für<br />
20 Prozent reißt das Verbot der Zuwendungen<br />
in der Portfolioverwaltung Löcher<br />
in die Erlöskasse. MiFID II bietet durchaus<br />
Spielräume, negative Auswirkungen auf<br />
das Geschäftsmodell zu verringern. Studienleiter<br />
Christian Appel empfiehlt, das<br />
Regelwerk auf Handlungsoptionen genau<br />
anzuschauen: „Das Zuwendungsverbot<br />
betrifft beispielsweise nur die „unabhängige“<br />
Beratung und die Vermögensverwaltung.<br />
Ein Finanzdienstleister ist allerdings<br />
nicht gezwungen, sich als „unabhängig“<br />
zu bezeichnen und sich dadurch zum Angebot<br />
einer eigenen breiten Produktpalette<br />
und zum Verzicht auf Provisionen von<br />
Produktlieferanten zu verpflichten.“<br />
Autor www.ppi.de<br />
12 Ausgabe 1/2016
BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Banken krempeln Kreditgeschäft um -<br />
Rentabilität steht auf dem Spiel<br />
Schwere Zeiten für Deutschlands<br />
Banken: Das Niedrigzinsumfeld,<br />
hohe und teilweise weiter steigende<br />
regulatorische Kosten und neue Wettbewerber<br />
setzen den Kreditinstituten zu. Vor<br />
allem die derzeitige Niedrigzinspolitik stellt<br />
sie vor Probleme: neun von zehn Geldhäusern<br />
bezeichnen dies als ihre größte<br />
Herausforderung. Die niedrigen Zinsen<br />
haben bereits massive Auswirkungen auf<br />
das laufende Geschäft der Banken: Die<br />
Zinsmargen sinken und der Wettbewerb<br />
um den Kunden wird stärker. Zusätzlichen<br />
Druck erhalten sie auf der Kostenseite<br />
durch die Umsetzung der umfangreichen<br />
regulatorischen Agenda. Als ob es damit<br />
nicht genug wäre, ziehen bereits weitere<br />
dunkle Wolken auf: neue Wettbewerber<br />
stoßen immer stärker in das klassische<br />
Bankgeschäft vor. Unter ihnen am meisten<br />
gefürchtet: Google, Apple, Microsoft und<br />
Co: 42 Prozent der deutschen Banken sehen<br />
in Internet-Konzernen mit Banklizenz<br />
eine große oder gar sehr große Gefahr für<br />
das eigene Geschäft. Das sind Ergebnisse<br />
der Kreditmarktstudie 2015 der Prüfungsund<br />
Beratungsgesellschaft EY (Ernst &<br />
Young), für die 120 Banken in Deutschland<br />
befragt wurden.<br />
„Der Druck im Kreditgeschäft wird zunehmen“,<br />
so EY-Partner Michael Berndt,<br />
der den Bereich Credit Business Services<br />
leitet. „Sinkende Zinsmargen, höhere<br />
Anforderungen in Regulatorik und Rechnungswesen,<br />
neue Wettbewerber – all<br />
das zwingt die Institute zu permanenten<br />
Anpassungen. Doch die Branche reagiert:<br />
Die Mehrheit der Banken hat die Zeichen<br />
der Zeit erkannt und wichtige Änderungen<br />
im Kreditgeschäft bereits initiiert, oder<br />
gar umgesetzt. Zudem ist die Digitalisierung<br />
für viele Banken zu einer der Topprioritäten<br />
geworden. Dennoch ist damit<br />
erst ein Teil der Wegstrecke beschritten.<br />
Erkenntnis und Umsetzung klaffen häufig<br />
noch auseinander.“ „Viele Banken scheuen<br />
sich derzeit noch, ihr Geschäftsmodell<br />
ebenfalls zu überprüfen und gegebenenfalls<br />
zu transformieren“, ergänzt Christoph<br />
Roessle, Executive Director im Bereich<br />
Transaction Advisory Services, verantwortlich<br />
für Strategic Portfolio Solutions.<br />
„Nicht zuletzt die robuste Konjunkturlage<br />
und niedrige Ausfälle lassen sie die Anpassungen<br />
an der einen oder anderen Stelle<br />
unterschätzen. Bei den Instituten ist jetzt<br />
ein grundlegender Kehraus angesagt, der<br />
nach vollbrachter Anpassung zu einer Fokussierung<br />
auf die eigenen Stärken und<br />
einer echten Innovationskultur im Unternehmen<br />
führen muss. Gewinner könnten<br />
am Ende die Kunden sein, die von neuen,<br />
innovativen Produkten profitieren – und<br />
das aufgrund des starken Wettbewerbs zu<br />
attraktiven Konditionen.“<br />
Banken reagieren vor allem<br />
mit Kostenreduktion<br />
Etwa drei von vier Geldhäusern nennen<br />
die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen<br />
und zwei von fünf die Innovationsfähigkeit<br />
ihres Institutes beziehungsweise<br />
die Digitalisierung als größte<br />
Herausforderung für die Zukunft. Gerade<br />
die verschärfte Regulierung durch die<br />
EZB hat weitere deutliche Auswirkungen<br />
auf die Banken: als Folge wollen 60 Prozent<br />
das Kosten- beziehungsweise Risikomanagement<br />
ausbauen. Personelle Umstrukturierungen<br />
plant genau die Hälfte<br />
der Institute ein – dass dabei auch weitere<br />
Stellenstreichungen zur Diskussion<br />
stehen, dürfte nicht ausgeschlossen sein.<br />
Allerdings planen gleichzeitig 72 Prozent<br />
der Institute eine Investition in die höhere<br />
Qualifikation der Mitarbeiter. „Das unterstreicht<br />
die Bedeutung der Mitarbeiter für<br />
einen funktionierenden Gesamtprozess<br />
und für die angemessene Umsetzung der<br />
fachlichen Vorgaben und ist kein Widerspruch<br />
zu den personellen Umstrukturierungen<br />
und Effizienzbemühungen, die<br />
Ausgabe 1/2016<br />
13
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
sich zeigen“, betont Roessle. Dazu kommen<br />
die neu auf den Markt drängenden<br />
Konkurrenten, die bereits jetzt große Auswirkungen<br />
auf die Branche haben: Zwei<br />
von drei Instituten (64 Prozent) wollen<br />
auf Grund neuer Wettbewerber die Kosten<br />
durch die Optimierung von Prozessen<br />
und Abläufen senken. Die Reaktion der<br />
Banken fällt somit „klassisch, aber auch<br />
konsequent“ aus, so Berndt: „Sie greifen<br />
zu Effizienzverbesserungen und Kosteneinsparungen.“<br />
Neue Vertriebsstrategien<br />
suchen sich etwa sechs von zehn Banken<br />
(58 Prozent) und 37,3 Prozent wollen ihre<br />
Konditionen ändern.<br />
Google & Co. werden als größte<br />
Gefahr im Wettbewerb gesehen<br />
Und das Problem dürfte sich in Zukunft<br />
noch verschärfen – spätestens dann, wenn<br />
Google, Facebook, Alibaba und andere Internetkonzerne<br />
mit neuen Produkten das<br />
klassische Bankgeschäft angreifen. Sie<br />
werden von 42 Prozent der Banken als Gefahr<br />
eingestuft – im Gegensatz zu anderen<br />
branchenfremden Wettbewerbern wie<br />
Versicherungen mit Banklizenz, Schattenbanken<br />
wie Hedgefonds oder Private-Equity-Firmen<br />
oder Industrieunternehmen mit<br />
Banklizenz. Der Anteil der Banken, die in<br />
ihnen eine Gefahr sehen, bewegt sich im<br />
einstelligen Prozentbereich. “Ob die Internet-Anbieter<br />
sich zu einer echten Gefahr<br />
für traditionelle Bankhäuser entwickeln,<br />
muss sich erst noch zeigen“ resümiert<br />
Berndt „Denn bisher geht es für sie überwiegend<br />
um den Zahlungsverkehr. Doch<br />
dies könnte die Eintrittskarte in den Markt<br />
des klassischen Kreditgeschäftes sein.“<br />
Banken geben mehr neue Kredite aus<br />
Das schwierige Umfeld für die Banken wirkt<br />
sich für die Kunden allerdings nicht negativ<br />
aus. Im Gegenteil: in keiner der bisherigen<br />
Kreditmarkt-Umfragen seit 2009 war die<br />
Bereitschaft, neue Kredite auszugeben, so<br />
hoch wie in diesem Jahr: 62 Prozent der<br />
Banken wollen in den nächsten 12 Monaten<br />
die Kreditvergabe leicht beziehungsweise<br />
stark steigern. 2013 lag der Anteil<br />
bei gerade einmal 39 Prozent. Ein Drittel<br />
will die Kreditvergabe unverändert lassen.<br />
Nur sieben Prozent wollen weniger Kredite<br />
ausgeben. Auch die Finanzierungskosten<br />
werden wohl nicht zunehmen.<br />
Lediglich 17 Prozent rechnen mit leicht steigenden<br />
Finanzierungskosten, 60 Prozent<br />
mit unveränderten und 23 Prozent sogar<br />
mit sinkenden Kosten. Gleichzeitig wollen<br />
jeweils weniger als die Hälfte der Institute<br />
die Anforderungen an die Bonität der<br />
Kunden erhöhen (47 Prozent) oder höhere<br />
Dokumentations- und Sicherheitsanforderungen<br />
(45 Prozent) stellen. 2013 lag der<br />
Anteil noch bei 61 beziehungsweise 63 Prozent.<br />
„Eine Kreditklemme wie noch in den<br />
Jahren nach der Finanzkrise dürfte derzeit<br />
für die Mehrzahl der Unternehmen im Land<br />
kaum noch ein Thema sein“, sagt Roessle.<br />
14 Ausgabe 1/2016
BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
„Die Banken sind tendenziell um einen behutsameren<br />
Umgang mit ihren Kreditkunden<br />
bemüht. Ein Grund dafür liegt sicherlich<br />
in der allgemein guten wirtschaftlichen<br />
Lage in Deutschland und den damit einhergehenden<br />
sinkenden Risiken der Bank. Aber<br />
auch der erhöhte Wettbewerb wird seinen<br />
Teil dazu beitragen.“<br />
Regulatorische Anforderungen<br />
beschäftigen Banken am meisten<br />
Statt auf den Kunden schauen die Banken<br />
vor allem auf sich selbst, um das Kreditgeschäft<br />
zu optimieren. Den größten Optimierungsbedarf<br />
sieht mit einem Anteil<br />
von 79 Prozent die überwiegende Mehrheit<br />
in der Umsetzung gesetzlicher und<br />
regulatorischer Vorgaben. Mit einigem<br />
Abstand folgen Prozessoptimierung und<br />
-steuerung (67 Prozent) und Risikomanagement<br />
(63 Prozent). „Die Finanzkrise<br />
hat zu harten Einschnitten im Bankensektor<br />
und strengen regulatorischen Vorgaben<br />
geführt.<br />
Zusammen mit technologischen Trends<br />
werden sie für eine Transparenz im Kreditgeschäft<br />
sorgen, die es so bisher noch<br />
nicht gegeben hat – und zwar gegenüber<br />
Kunden, Wettbewerbern, Eigentümern und<br />
Aufsehern. Die Banken sollten vor allem die<br />
Chancen sehen, die sich daraus ergeben“,<br />
rät Berndt. „Denn die große Mehrheit der<br />
Banken geht die aktuellen Herausforderungen<br />
energisch an, arbeitet dabei jedoch<br />
häufig zu isoliert an einzelnen Themen.<br />
Die Umsetzung der regulatorischen Vorgaben,<br />
die interne Optimierung von Prozessen<br />
und die Neupositionierung des Instituts am<br />
Markt können zusammen enorme Synergien<br />
bewirken. Diese Synergien nicht zu nutzen,<br />
wäre fahrlässig. Im Kampf um den Kunden<br />
bietet die vernetzte Betrachtung aller Herausforderungen<br />
die größte Chance, um optimal<br />
für die Zukunft aufgestellt zu sein.“<br />
Autor www.ey.com/DE<br />
Ausgabe 1/2016<br />
15
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
In Deutschlands Banken klafft<br />
Ergebnislücke von 25 Milliarden Euro<br />
Kluft zwischen rentabelsten<br />
und unrentabelsten Banken wächst<br />
Die Lage der Banken in Deutschland<br />
bleibt herausfordernd: Trotz leicht<br />
verbesserter Erträge verdienen<br />
nicht einmal sechs Prozent<br />
der Kreditinstitute<br />
ihre Eigenkapitalkosten.<br />
Zwischen der<br />
2014 durchschnittlich<br />
erzielten Eigenkapitalrendite<br />
von 2,1 Prozent<br />
und den Eigenkapitalkosten<br />
von 7,7<br />
Prozent klafft eine Lücke<br />
von 5,6 Prozentpunkten.<br />
Anders ausgedrückt:<br />
Den Banken fehlen<br />
25 Milliarden Euro<br />
Jahresüberschuss<br />
nach Steuern, um<br />
die Ansprüche ihrer<br />
Anteilseigner bedienen<br />
zu können.<br />
Zu diesem Schluss<br />
kommt die aktuelle<br />
Studie „Deutschlands<br />
Banken 2015: Die 25-Milliarden-Ergebnislücke“<br />
der internationalen Managementberatung<br />
Bain & Company. „Diese<br />
Ergebnislücke bei den deutschen Banken<br />
ist eklatant, und die Rahmenbedingungen<br />
werden sich nicht verbessern“,<br />
warnt Walter Sinn, Deutschlandchef von<br />
Bain & Company. „Banken, die in Zukunft<br />
erfolgreich sein wollen, müssen jetzt gegensteuern<br />
und ihr Geschäftsmodell anpassen.“<br />
Dies erfordert auch eine radikale Verringerung<br />
ihrer Kostenbasis von 84 Milliarden<br />
Euro in den nächsten zehn Jahren.<br />
Kostensenkungen von 30 Prozent sind<br />
möglich. „Die hiesigen Kreditinstitute<br />
müssen deutlich fokussierter, schlanker<br />
und profitabler werden“, so Dr. Wilhelm<br />
Schmundt, Partner bei Bain & Company<br />
und Bankenspezialist. „Und<br />
die Personalkosten sind der<br />
mit Abstand größte Hebel<br />
zur Kostensenkung.“ Dies<br />
bedeutet einen weiteren<br />
Abbau von Arbeitsplätzen,<br />
der durch Veränderung der<br />
Geschäftsmodelle, durch<br />
Automatisierung und Digitalisierung<br />
der Geschäftsprozesse<br />
sowie eine Reduktion<br />
der organisatorischen<br />
Komplexität und der Wertschöpfungstiefe<br />
erreicht<br />
werden muss. Die Altersstruktur<br />
der Bankmitarbeiter<br />
wird den notwendigen<br />
Personalabbau von<br />
125.000 Arbeitsplätzen bis<br />
2025 durch natürliche Fluktuation,<br />
Altersteilzeit und<br />
Vorruhestandsregelungen<br />
erleichtern. Bain-Schätzungen<br />
zufolge können<br />
bis zu 115.000 weitere Arbeitsplätze an<br />
Dienstleister und Servicegesellschaften<br />
ausgelagert werden.<br />
Quelle: © Dreaming Andy - Fotolia.com<br />
Vom eigenen Anspruch weit entfernt<br />
Wie wichtig Kostendisziplin ist, zeigen<br />
die gewaltigen Rentabilitätsunterschiede<br />
innerhalb des Bankwesens. Der Abstand<br />
zwischen den ertragsstarken und<br />
-schwachen Kreditinstituten hat sich<br />
weiter vergrößert. So erwirtschafteten<br />
die 360 rentabelsten Banken (die obersten<br />
20 Prozent) 2014 eine Eigenkapitalrendite<br />
von 4,9 Prozent, während die<br />
360 schwächsten Institute (die unteren<br />
20 Prozent) lediglich auf 1,7 Prozent ka-<br />
16 Ausgabe 1/2016
BANKEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
men. „Die renditestarken Häuser setzen<br />
sich immer weiter ab“, analysiert Bain-<br />
Deutschlandchef Sinn. „Die Auslese im<br />
Markt hat erkennbar begonnen.“<br />
Dies zeigt auch der Vergleich der Institutsgruppen.<br />
Die genossenschaftlichen<br />
Zentralbanken erzielten 2014 eine Eigenkapitalrendite<br />
nach Steuern von 10,0<br />
Prozent und bilden mit den Direktbanken<br />
(9,8 Prozent) sowie den Automobilbanken<br />
(8,1 Prozent) das Spitzentrio. Im<br />
Mittelfeld liegen Spezialfinanzierer, Kreditgenossenschaften,<br />
Großbanken, Banken<br />
mit Sonderaufgaben, Landesbanken,<br />
Realkreditinstitute und<br />
Sparkassen mit Eigenkapitalrenditen<br />
zwischen<br />
1,8 und 4,2 Prozent.<br />
Schlusslichter sind die<br />
Bausparkassen sowie die<br />
Privatbanken und Vermögensverwalter.<br />
Trotz<br />
der im vergangenen Jahr<br />
erstmals seit 2011 wieder<br />
gestiegenen Bilanzsumme<br />
– um drei Prozent auf<br />
7,64 Billionen Euro – fiel<br />
die Zahl der in Deutschland<br />
tätigen Banken auf<br />
einen neuen Tiefstand:<br />
Nach 1.843 im Jahr 2013<br />
sind es jetzt nur noch<br />
1.786. Dazu Bain-Experte<br />
Schmundt: „Setzt sich<br />
die Konsolidierung mit<br />
der gleichen Geschwindigkeit<br />
wie in den letzten<br />
20 Jahren fort, wird<br />
die Anzahl der Banken in<br />
zehn Jahren um weitere<br />
550 zurückgehen.“ 2014 wurden insgesamt<br />
1.100 Filialen geschlossen. Damit<br />
stehen bundesweit noch 30.800 Niederlassungen<br />
zur Verfügung. Laut Bain-Prognose<br />
werden insgesamt 11.000 Filialen<br />
der Anpassung der Geschäftsmodelle zum<br />
Opfer fallen. Die Zahl der Beschäftigten<br />
ging vergangenes Jahr um 5.000 auf<br />
625.000 zurück. In den letzten fünf Jahren<br />
wurden bereits 22.000 Arbeitsplätze<br />
im deutschen Bankwesen abgebaut.<br />
Mit radikaler Kostensenkung<br />
Eigenkapitalrendite verdoppeln<br />
Erstmals hat Bain zudem analysiert, wie<br />
sich die Profitabilität der deutschen Banken<br />
in den nächsten zehn Jahren entwickeln<br />
wird. Insbesondere höheres Eigenkapital,<br />
steigende Risikokosten und<br />
Kostenauftrieb durch Inflation werden<br />
zusätzlich negativ auf<br />
die Geschäftsergebnisse<br />
wirken. Gleichzeitig<br />
aber sorgen höhere<br />
Zinserträge und<br />
Provisionseinnahmen<br />
für Entlastung. Gelingt<br />
es den Banken außerdem,<br />
ihre Kosten radikal<br />
zu senken, ließe<br />
sich die für 2025 erwartete<br />
Ergebnislücke<br />
von 25 Milliarden Euro<br />
zumindest halbieren.<br />
Die Eigenkapitalrendite<br />
im deutschen Bankensektor<br />
würde sich<br />
mehr als verdoppeln<br />
– von heute 2,1 Prozent<br />
auf 4,9 Prozent.<br />
Betont Bain-Deutschlandchef<br />
Sinn: „Doch<br />
trotz aller Anstrengung<br />
bleibt die Rentabilität<br />
der Banken<br />
in Deutschland damit<br />
im Schnitt unter den Kapitalkosten. Die<br />
Konsequenz ist ein harter Verdrängungswettbewerb.<br />
Eine weitere Konsolidierung<br />
ist unausweichlich.“<br />
Autor www.bain.de<br />
Quelle: © kalafoto - Fotolia.com<br />
Ausgabe 1/2016<br />
17
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I BANKEN<br />
In den Banken wächst die Angst<br />
vor Cyber-Attacken<br />
In den Banken bekommt die Angst vor<br />
Cyber-Attacken eine völlig neue Qualität.<br />
Lange Zeit hielt die Branche die<br />
Bedrohung für mehr oder weniger händelbar.<br />
In den vergangenen Monaten hat<br />
sich diese Wahrnehmung jedoch komplett<br />
verändert, wie aus der Umfrage „Banking<br />
Banana Skins 2015“ von PwC und dem<br />
Centre for the Study of Financial Innovation<br />
(CSFI) hervorgeht. Demnach sehen die<br />
Banken in möglichen Angriffen von Kriminellen<br />
inzwischen die zweitgrößte Gefahr<br />
für das Geschäftsmodell überhaupt – weit<br />
vor „klassischen“ Branchenproblemen wie<br />
dem Zugang zu Kapital oder Liquidität.<br />
„Schon jetzt kosten die Angriffe<br />
Milliarden“<br />
PwC und das CSFI befragten für die Studie<br />
insgesamt 670 Banker, Regulierer und sonstige<br />
Branchenkenner aus 52 Ländern – darunter<br />
auch Deutschland. Was die Gefahr<br />
möglicher Angriffe aus dem Internet betrifft,<br />
klangen die Antworten teilweise dramatisch:<br />
„Es könnte der Punkt kommen, an<br />
dem Cyber-Attacken so wirkungsvoll werden,<br />
dass sie eine Bank in den Ruin treiben<br />
und eine staatliche Rettung erforderlich machen“,<br />
meinte ein Branchenconsultant. Das<br />
deckte sich mit den Einschätzungen eines<br />
Risikomanagers, der meinte: „Jedes Finanzinstitut<br />
ist verwundbar. Ein koordinierter<br />
Angriff könnte verheerende Auswirkungen<br />
haben.“<br />
Ein Banker aus Neuseeland wiederum sagte,<br />
schon jetzt würden die Angriffe die Branche<br />
jedes Jahr Milliardensummen kosten. Hinzu<br />
kommt, dass die Banken der Umfrage zufolge<br />
auch den „technologischen Risiken“ ein<br />
hohes Gewicht beimessen – dahinter verbergen<br />
sich etwa die Gefahr durch Fintechs<br />
oder die Tatsache, dass die IT-Systeme vieler<br />
Banken veraltet sind. „Dadurch entsteht<br />
gewissermaßen ein Klumpenrisiko“, sagt<br />
Burkhard Eckes, Leiter des Bereichs Banking<br />
& Capital Markets bei PwC in Deutschland.<br />
„Um den Angriff der digitalen Wettbewerber<br />
abzuwehren, experimentieren die Banken<br />
mit einer Vielzahl neuer Technologien. Genau<br />
das könnte die Branche aber wiederum<br />
anfälliger machen für Cyber-Angriffe und Finanzterrorismus.“<br />
Ein Wirtschaftseinbruch würde die<br />
Branche schwer treffen<br />
Auf Platz eins der Risiko-Rankings landete<br />
derweil die Angst vor einem globalen Wirtschaftseinbruch.<br />
In weiten Teilen der Welt<br />
seien die Schulden immer noch hoch, gaben<br />
die Befragten an. Zudem schwäche sich in<br />
vielen Schwellenländern das Wachstum ab,<br />
und völlig unklar sei auch, was mit den Zinsen<br />
passiert. Der Tenor: In Addition könnten<br />
diese Probleme dem immer noch sehr fragilen<br />
Bankensystem in den kommenden Monaten<br />
einen schmerzhaften Schlag versetzen.<br />
„Trotz der Fortschritte, die Regulierer<br />
und Banken erzielt haben, ist der Verschuldungsgrad<br />
in der Branche weiterhin hoch.<br />
Das macht die Institute im Falle ökonomischer<br />
Schocks verwundbar“, so Burkhard<br />
Eckes. Er kommt zu dem Schluss: „Die Ergebnisse<br />
zeigen, dass viele Leute fürchten,<br />
dass die konjunkturelle Erholung versandet<br />
und dem Finanzsystem erhebliche Schäden<br />
zufügt. Das ist eine beunruhigende Perspektive.“<br />
Angst vor Schmutzkampagnen<br />
im Internet<br />
Das Unbehagen über die Regulierung<br />
scheint hingegen langsam abzunehmen. So<br />
kam das Thema – nach Rang eins im Vorjahr<br />
– diesmal bloß auf den dritten Platz. Dazu<br />
passt, dass die Angst vor übertriebener politischer<br />
Einflussnahme nur mehr Rang fünf<br />
belegt; im Vorjahr war es noch Platz zwei<br />
gewesen. Einen bemerkenswerten Sprung,<br />
nämlich von Rang 19 auf Rang elf, machte<br />
das Thema Social Media. Offenbar wächst<br />
bei immer mehr Verantwortlichen in der<br />
Branche die Sorge, ihre Bank könne – auch<br />
ohne handfesten Grund – zum Opfer unkontrollierbarer<br />
Schmutzkampagnen werden.<br />
Autor www.pwc.de<br />
18 Ausgabe 03 I 2015
19
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
Neue Asset-Klasse<br />
für deutsche Investoren:<br />
Amerikanische Wohnimmobilien/<br />
Multi Family der MILESTONE Group<br />
(5,5 Mrd. US-Dollar verwaltetes Immobilienvermögen)<br />
als Alternative zu Fixed Income in einer zinsfreien Welt<br />
I N T E R V I E W<br />
FBM: Warum ist es für professionelle Investoren aus Ihrer Sicht interessant<br />
jetzt in Wohnimmobilien in den USA zu investieren? Droht nicht bereits die<br />
nächste US-Immobilienblase?<br />
Thomas Backs: Man hat ein besseres Chance/ Risikoverhältnis als in anderen<br />
Immobilienanlageklassen, durch eine höhere Diversifikation ohne Klumpen-<br />
Risiko oder Einzelmieterrisiko, in einer Volkswirtschaft einer Industrienation<br />
mit einem Wirtschaftswachstum von ca. 2,5 % mit einer Arbeitslosigkeit<br />
auf sehr niedrigem Niveau, aber vor allem einem konstantem Bevölkerungswachstum.<br />
Welche Industrienation hat sonst ein Bevölkerungswachstum? Fakt<br />
ist: die Asset Klasse Multi- Family ist nicht so stark von der Wirtschaft abhängig,<br />
sondern von der Demographie getrieben und es besteht eine günstige<br />
Konstellation zwischen Bevölkerungswachstum, Jobwachstum und Migration.<br />
Deswegen gibt es auch, nach unserer Ansicht, keine Blase in diesem Segment,<br />
im Gegenteil, die Nachfrage ist höher als das Angebot!<br />
FBM: Warum glauben Sie, dass dies bei deutschen institutionellen Anlegern<br />
auf Interesse stößt und wo liegt hier ihre Expertise?<br />
Thomas Backs: Umfragen für 2016 haben ergeben, dass der Investmentfocus<br />
eines Großteils der institutionellen Anlegern bezogen auf Immobilien<br />
im Wohnimmobilien-Segment liegen wird. Nun ist bekannter weise das Angebot<br />
von Wohnimmobilienportfolien im deutschen Raum sehr übersichtlich<br />
und daher preislich wenig attraktiv. Gleichzeitig will gemäß den Umfragen<br />
eine signifikante Mehrheit der Befragten ihr US-Dollar-Engagement erhöhen.<br />
Daher ist uns die Überlegung gekommen, beide Trends miteinander zu verbinden;<br />
zumal uns Produkte mit entsprechender Spezialisierung am deutschen<br />
Markt nicht bekannt sind. Überdies besteht im Hause der MEDIAN-GROUP<br />
eine entsprechend weitreichende Erfahrung in Bezug auf Immobilieninvestments<br />
in Nordamerika.<br />
Ernst Rohwedder: Durch meine langjährige Tätigkeit als Fonds- und Investmentmanager<br />
für Immobilieninvestments in den USA und Kanada bei<br />
namhaften banknahen Investmenthäusern, verfüge ich über ein entsprechendes<br />
Expertennetzwerk und eine relevante Marktübersicht. Daher ist<br />
es uns gelungen, einen renommierten US-Produktpartner mit belastbarem<br />
Track-Record im Wohnimmobilien-Bereich (Multi-Family), die MILESTONE<br />
Group, exklusiv für eine Zusammenarbeit zu gewinnen.<br />
20 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Interview mit Ernst Rohwedder,<br />
Alternative Investment Manager,<br />
MEDIAN INVEST AG<br />
Interview mit Thomas Backs,<br />
Managing Partner CONCILIO CAPITAL GmbH<br />
FBM: Welche Erfahrung hat der Initiator MILESTONE Group? In welchen Geschäftsfeldern<br />
ist das Unternehmen aktiv und welchen USP bietet die MILESTONE Group Investoren?<br />
Ernst Rohwedder: Die MILESTONE Group ist seit 2003 am Markt und zu 100% spezialisiert<br />
(USP) auf Mehrfamilien- Wohnanlagen (Multi-Family-Units). Geschäftsfelder bestehen<br />
aus einem börsennotierten REIT und Spezialfonds für institutionelle Investoren.<br />
FBM: Wie sieht der Track-Record der MILESTONE Group aus?<br />
Thomas Backs: Das verwaltete Immobilienvermögen beläuft sich Ende 2015 auf ca.<br />
$ 5,5 Mrd., aufgeteilt in ca. 37000 Einheiten in 118 Mehrfamilien Wohnanlagen. Die<br />
bisher, außerhalb des REIT, initiierten Spezialfonds können alle einen IRR im deutlich<br />
2- stelligen Prozentbereich vorweisen. Die für das Asset-Liability-Management wichtigen<br />
Planausschüttungen erfolgen halbjährlich.<br />
FBM: Wie ist der Fonds positioniert und was macht das Asset Management?<br />
Thomas Backs: Die Spezialfonds kaufen bestehende Wohnanlagen in den Wachstumszentren<br />
der USA ( Where America Lives! ), die modernisiert und dann wieder veräußert<br />
werden. Es handelt sich um eine Value Add Strategie mit stetigen Mieterträgen von Beginn an.<br />
Ernst Rohwedder: Im Asset Management der MILESTONE Group arbeiten ca. 100 Mitarbeiter<br />
in der Administration und ca. 900 Mitarbeiter vor Ort in den Wohnanlagen. Die Funktionen<br />
in der MILESTONE Group sind zu 100% vertikal integriert (alles aus einer Hand)!<br />
FBM: Sie offerieren Investments in den US-Multi Family Markt. Wo grenzt sich dieser zum<br />
normalen Residential Markt ab, was unterscheidet beide Märkte?<br />
Thomas Backs: Der normale Residential Markt ist Eigennutzern bzw. Eigentümer dominiert.<br />
Der Multi Family Markt besteht aus Mietwohnungen (1-, 2- oder 3-Bedrooms) in Wohnanlagen<br />
gehobener Qualität, die ihren Mietern weitereichende Servicepakete anbieten.<br />
Wichtig ist hier der in den USA zu beobachtende Megatrend einer stetig steigenden Mietneigung<br />
der jüngeren Jahrgänge (Echo Boomer Growth) und Besserverdienenden. Die<br />
Homeownership Rate ist seit 2004 kontinuierlich rückläufig<br />
FBM: Welche Kundengruppen hat die MILESTONE Group in den USA und sind sie auch in<br />
Co-Investments engagiert?<br />
Ausgabe 1/2016<br />
21
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
Thomas Backs: Die Kundengruppen in den USA bestehen aus Pensionsfonds und –kassen,<br />
Versorgungswerken, Versicherungen, Finanzinstitutionen und Corporates. Dazu zählen auch<br />
Kapitalbeteiligungen aus dem asiatischen Raum. Das Management der MILESTONE Group<br />
ist grundsätzlich an allen Investments selbst beteiligt ( Co- Investments ).<br />
FBM: Welche Kundengruppen wollen Sie in Deutschland ansprechen?<br />
Thomas Backs: Entsprechend dem bestehenden Investorenprofil in den USA, werden in<br />
Deutschland Kapitalsammelstellen wie Pensionskassen, Versorgungswerke und Versicherungen<br />
angesprochen. Ebenfalls richtet sich das Angebot an Family Offices, Stiftungen und<br />
Vermögensverwalter bzw. im Bankenbereich an das Wealth- und Depot A-Management.<br />
FBM: Wie soll die Struktur für deutsche Kunden aussehen?<br />
Ernst Rohwedder: Das Investment wird als offener Spezial AIF ausgestaltet und bietet<br />
die Option auf eine Anleiheemission.<br />
FBM: Gibt es bei einer Investition einen Unterschied zwischen amerikanischen und deutschen<br />
Kunden?<br />
Ernst Rohwedder: Nein, es gibt keinen Unterschied. Es war uns wichtig hier kein speziell<br />
„deutsches“ Produkt zu kreieren, daher sind alle Investoren im MILESTONE U.S. Real Estate<br />
IV gleichberechtigt.<br />
FBM: Wer macht die deutsche Struktur?<br />
Ernst Rohwedder: Die deutsche Struktur wird von der MEDIAN INVEST AG( München ),<br />
der KVG der MEDIAN GROUP (Deutschland, Luxemburg, Schweiz) aufgelegt.<br />
22 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
FBM: Wer ist die MEDIAN GROUP und CONCILIO CAPITAL?<br />
Ernst Rohwedder: Die MEDIAN GROUP ist ein internationaler, bankenunabhängiger<br />
Unternehmensverbund für administrative Finanzdienstleistungen. Wir strukturieren und<br />
administrieren regulierte Kapitalanlagevehikel in Deutschland und Luxemburg. Die MEDIAN<br />
GROUP verwaltet derzeit 26 Publikumsfonds, 9 Spezialfonds sowie 25 Verbriefungen. Dazu<br />
zählen u.a. auch<br />
a) ein US-Immobilienfonds, der für eine größere deutsche Versicherung strukturiert und<br />
verbrieft wurde.<br />
b) ein Investment in Erneuerbare Energien, das für zwei berufsständische Versorgungswerke<br />
als Fonds strukturiert wurde.<br />
c) mehrere Immobilieninvestments wurden als Fonds und Verbriefung (Doppelstöckigkeit)<br />
für eine deutsche Pensionskasse strukturiert.<br />
Thomas Backs: Mit meiner jahrelangen erfolgreichen Sales-Tätigkeit im institutionellen<br />
Bereich über verschiedene Assetklassen und Immobilien hinweg, vom Wertpapier-/<br />
Fondsbereich über Alternative Investments, übernehme ich mit der CONCILIO CAPITAL<br />
in München, ein Unternehmen der MEDIAN GROUP, die Marketing- und Vertriebskonzeption<br />
für die MEDIAN GROUP.<br />
FBM: Was sind die wesentlichen Kennzahlen ihres aktuellen Angebotes? Ab wann kann<br />
man wie investieren und welche Rendite erwarten Sie für die Investoren?<br />
Thomas Backs: Ab dem 1. Quartal 2016 kann über Capital Calls investiert werden. Die<br />
geplante Laufzeit des Milestone U.S. Real Estate IV beträgt 8 Jahre. Die geplante<br />
Basisausschüttung liegt bei 5,5% p.a. ( halbjährliche Auszahlung ) mit einer Zielrendite<br />
auf das eingesetzte Eigenkapital von durchschnittlich 7,5% p.a. ( IRR ) bei<br />
einem sehr realistischem Upside Potential.<br />
Das Interview wurde geführt von Friedrich Andreas Wanschka für <strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de.<br />
Ausgabe 1/2016<br />
23
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />
Ausblick Alternative Investments 2016<br />
Immobilien und erneuerbare Energien im Investorenfokus<br />
Immobilien und erneuerbare Energien<br />
werden auch 2016 die bevorzugte<br />
Assetklasse für alternative Investitionen<br />
bleiben. Die zunehmende Nachfrage<br />
asiatischer und nordamerikanischer Investoren<br />
werden die Immobilienpreise in<br />
Europa weiter treiben. Für 2016 rechnet<br />
Scope mit einer Verschärfung des Wettbewerbs<br />
unter den Asset Managern alternativer<br />
Investmentfonds (AIF). Dabei<br />
werden Assetexpertise und der Zugang zu<br />
attraktiven Anlagemöglichkeiten von immer<br />
größerer Bedeutung.<br />
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:<br />
• Immobilien und erneuerbare Energien<br />
werden auch 2016 die bevorzugte Assetklasse<br />
für alternative Investitionen<br />
bleiben. Die Erwartung stabiler Cashflows<br />
und eine zunehmende Nachfrage<br />
asiatischer und nordamerikanischer<br />
Investoren werden die Preise weiter<br />
treiben.<br />
• Investitionen in Flugzeuge werden<br />
weiter an Attraktivität und Nachfrage<br />
gewinnen. Diese Entwicklung wird<br />
durch das langfristige Wachstum der<br />
Luftfahrtbranche und den steigenden<br />
Kapitalbedarf der Fluggesellschaften<br />
getragen.<br />
• Die Anlageklasse Schiffe wird auch in<br />
2016 nicht aus ihrem Tief herausfinden.<br />
Lediglich in Fremdkapitalstrukturen<br />
mit hohen Marktwertabschlägen<br />
dürften sich einige Investoren wiederfinden.<br />
Vor dem Hintergrund sinkender Renditen<br />
steigt die Bereitschaft der Investoren,<br />
höhere Risiken zu akzeptieren. Gleichzeitig<br />
sind Asset Manager gefordert, innovative<br />
Strukturen zu entwickeln, um diese<br />
Risiken adäquat und für den Investor kapitaleffizient<br />
zu managen. Scope erwartet<br />
dabei unterschiedliche Trends in den<br />
einzelnen Assetklassen, die sich entsprechend<br />
auf die Performance der jeweiligen<br />
AIF auswirken. In seinem Ausblick für<br />
2016 teilt Scope neben seiner Einschätzung<br />
für die Assetklassen Immobilien, erneuerbare<br />
Energien und Transport auch<br />
seine Erwartungen für die AIF mit, die Investoren<br />
den Zugang zu diesen Anlagen<br />
ermöglichen.<br />
• Gestiegene Assetpreise stellen allgemein<br />
eine Herausforderung für die<br />
Renditen neuer Fonds dar. Dies führt<br />
zu einer steigenden Risikobereitschaft<br />
der Investoren und stellt noch höhere<br />
Anforderungen an die Kompetenz des<br />
Asset Managers.<br />
• Die sich fortsetzende Preiserhöhung<br />
von Immobilien wirkt sich positiv auf<br />
bestehende Fonds aus. Bei erneuerbaren<br />
Energien profitieren besonders<br />
Fonds, die über Anlagen mit fester<br />
Einspeisevergütung verfügen.<br />
• Offene Immobilienfonds profitieren<br />
von der Attraktivität der Assetklasse<br />
und ihrer Möglichkeit, Wertsteigerungen<br />
zu realisieren und selektiv zu<br />
reinvestieren. Sie werden deutliche<br />
Mittelzuflüsse von privaten und institutionellen<br />
Investoren sehen.<br />
24 Ausgabe 1/2016
INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
• Bei institutionellen Investoren spielen<br />
regulatorische Anforderungen eine<br />
immer größere Rolle. Insbesondere<br />
Versicherungen sind aufgrund der Anwendung<br />
von Solvency II ab Januar<br />
2016 verstärkt auf der Suche nach<br />
Fremdkapitalinvestitionen. Richtig positioniert<br />
sind hier Manager, die neben<br />
Assetexpertise auch über Strukturierungserfahrung<br />
und ausgereifte Reportingsysteme<br />
verfügen.<br />
Autor www.scoperatings.com<br />
Anlagekapital steigt weltweit<br />
auf Rekordvolumen<br />
Das Anlagekapital der weltweit 500<br />
größten Asset Manager ist 2014<br />
um 2,1 Prozent auf ein Rekordvolumen<br />
von 78,1 Billionen USD gestiegen.<br />
Seit 2004 haben ihre Fonds fast 30 Billionen<br />
USD zugelegt. Zu diesem Ergebnis<br />
kommt die Studie Pension & Investments<br />
/ Towers Watson World 500. „Zum<br />
ersten Mal beobachten wir einen Anstieg<br />
des Anlagekapitals am oberen und am unteren<br />
Ende des Spektrums, wohingegen<br />
die mittelgroßen Asset Manager weniger<br />
stark an Volumen zulegen konnten“, sagt<br />
Nigel Cresswell, Head of Investment Consulting<br />
Germany bei Towers Watson. Zu<br />
den Gewinnern am oberen Ende zählen<br />
die großen, auf passive Anlagestrategien<br />
ausgerichteten Investmenthäuser, so die<br />
Studie von Towers Watson und dem amerikanischen<br />
Finanz- und Wirtschaftsmagazin<br />
Pensions & Investments.<br />
Kleinere Asset Manager verzeichneten Zuwächse<br />
bei aktiv verwalteten Mandaten.<br />
In Nordamerika stiegen die Assets under<br />
Management um 5,8 Prozent auf 44,5 Billionen<br />
USD. Europäische Vermögensverwalter<br />
verzeichneten einen Rückgang um 1,5<br />
Prozent auf 25,9 Billionen USD – obwohl<br />
das Anlagekapital der in Großbritannien<br />
beheimateten Asset Manager um 18,6 Prozent<br />
auf 6,8 Billionen USD geklettert war.<br />
Allianz und Deutsche Bank unter den<br />
Top 10<br />
Ein Blick auf die Top 20 zeigt, dass sich<br />
die Zahl der unabhängigen Asset Manager<br />
über die letzten zehn Jahre mehr als<br />
verdoppelt hat. Rückläufig war die Tendenz<br />
hingegen für bank- und versicherungsgeführte<br />
Investmenthäuser. 2014<br />
kamen elf der zwanzig größten Asset Manager<br />
aus den USA, angeführt von Black-<br />
Rock, Vanguard und State Street. Zwei<br />
deutsche Adressen bleiben unter den Top<br />
10: Allianz (Platz 4) und Deutsche Bank<br />
(Platz 10). Von den 78,1 Billionen USD<br />
entfielen fast 80 Prozent auf traditionelle<br />
Assetklassen (45 Prozent Aktien, 34 Pro-<br />
Ausgabe 1/2016<br />
25
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />
zent Anleihen), was einem Zuwachs von<br />
12 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.<br />
Seit 2004 ist das Anlagekapital<br />
der großen, passiven Vermögensverwalter<br />
jährlich um fast 13 Prozent gestiegen.<br />
2014 erreichten sie das Rekordvolumen<br />
von 15 Billionen USD, ein Plus von rund<br />
zwölf Prozent. Cresswell: „Passive Anlagestrategien<br />
sind bei institutionellen Investoren<br />
sehr beliebt, was vor allem an<br />
den scheinbar kontinuierlich sinkenden<br />
Kapitalmarktrenditen liegt. Wir raten Investoren<br />
dennoch zur Vorsicht. Passive<br />
Produkte sind kein Ersatz für ausgewiesene<br />
Investmentexpertise und gutes aktives<br />
Management.“ Und weiter: „Um die<br />
angestrebten Renditeziele zu erreichen,<br />
sollten sich deutsche Investoren um die<br />
Governance, Diversifizierung und Risikobereitschaft<br />
ihrer Portfolios kümmern –<br />
ein Mix aus Renditetreibern ist nötig, um<br />
die aktuellen Marktherausforderungen zu<br />
meistern“, empfiehlt Cresswell.<br />
Autor www.towerswatson.com/de<br />
Niedrige Zinsen drängen jede dritte<br />
Stiftung stärker ins Risiko<br />
Um trotz der niedrigen Zinsen ihr<br />
Vermögen real zu erhalten, riskieren<br />
deutsche Stiftungen offenbar<br />
mehr als bislang bekannt. Dies zeigt eine<br />
Umfrage von PwC unter 208 der vermögensstärksten<br />
Stiftungen in Deutschland.<br />
Fast jede dritte Stiftung hat einen Teil<br />
ihres Vermögens in ertragreichere – und<br />
damit grundsätzlich auch riskantere – Anlageformen<br />
umgeschichtet. Mehr als jeder<br />
zweite Stiftungsverantwortliche rechnet<br />
zudem damit, dass dieser Sektor in den<br />
kommenden vier bis fünf Jahren höhere<br />
Risiken in Kauf nehmen wird, um bei angestrebtem<br />
Vermögenserhalt gemeinnützige<br />
Zwecke in gewohntem Umfang zu erfüllen.<br />
Die Umfrage zeigt allerdings auch:<br />
Im Grundsatz halten Stiftungen an einer<br />
eher konservativen Anlagepolitik fest.<br />
Der PwC-Untersuchung zufolge besteht ein<br />
Portfolio zurzeit im Durchschnitt zu 35 Prozent<br />
aus Anleihen – darunter viele Staatspapiere<br />
mit hoher Bonität. Zwar gelten diese<br />
als nahezu ausfallsicher, allerdings ist<br />
ihre Verzinsung in den vergangenen Jahren<br />
dramatisch gesunken – nahe der Nulllinie.<br />
Dasselbe gilt für Tages- und Termingeldkonten,<br />
die ein Viertel des Stiftungsvermögens<br />
ausmachen. Immerhin rund ein Fünftel<br />
des Stiftungsvermögens ist momentan<br />
in Sachwerten wie z. B. Immobilien investiert;<br />
vom Preisanstieg in diesem Anlagesegment<br />
dürften also zumindest einige<br />
Stiftungen profitiert haben. Dagegen ist<br />
der Anteil von Aktien und sonstigen unternehmerischen<br />
Beteiligungen nach wie vor<br />
vergleichsweise gering.<br />
Nur noch 60 Prozent streben<br />
den realen Kapitalerhalt an<br />
Wie sehr die niedrigen Zinsen die Stiftungen<br />
treffen, zeigt sich im Vergleich zu<br />
einer PwC-Umfrage aus dem Krisenjahr<br />
2009. Damals gaben gerade einmal sechs<br />
Prozent der Stiftungen an, die Folgen des<br />
Finanz- und Wirtschaftscrashs zu spüren.<br />
Dagegen zeigen sich vom Zinstief nun 38<br />
Prozent der Stiftungen betroffen – elf Pro-<br />
26 Ausgabe 1/2016
INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Quelle: © md3d-Fotolia.com<br />
zent sogar „stark“ oder „ausgesprochen<br />
stark“. „Es ist bemerkenswert, wie viel<br />
spürbarer die Stiftungen unter den niedrigen<br />
Zinsen leiden, als sie 2009 unter dem<br />
Börsensturz gelitten haben. Die Frage ist<br />
deshalb, was die Stiftungen in den kommenden<br />
Jahren tun können, um ihr Vermögen<br />
real zumindest zu erhalten“, sagt Prof.<br />
Dr. Norbert Winkeljohann, der Sprecher<br />
des Vorstands von PwC in Deutschland.<br />
Der Umfrage zufolge erzielte in den vergangenen<br />
drei Jahren nur noch jede fünfte<br />
Stiftung in Deutschland eine Durchschnittsrendite<br />
von fünf oder mehr Prozent.<br />
Bei manchen Stiftungen schrumpfte das<br />
Vermögen sogar – zumindest nach Abzug<br />
der Inflation. Entsprechend streben<br />
nur noch 60 Prozent der Befragten überhaupt<br />
an, das Stiftungsvermögen real zu<br />
erhalten. Und sogar nur jeder vierte von<br />
ihnen gibt sich „sicher“, dieses Ziel auch<br />
längerfristig zu erreichen. Ein Drittel der<br />
Verantwortlichen räumt dagegen ein, das<br />
Stiftungskapital nur noch nominal sichern<br />
zu wollen; de facto werden (Real-)Vermögensverluste<br />
also von vornherein in Kauf<br />
genommen.<br />
Manchen Stiftungen wird nur<br />
die Abwicklung bleiben<br />
„Unsere Umfrage lässt keinen Zweifel daran,<br />
dass die anhaltend niedrigen Zinsen<br />
die Stiftungslandschaft in Deutschland<br />
merklich verändern werden“, bestätigt<br />
Berthold Theuffel-Werhahn, Leiter des<br />
Bereiches Stiftungsberatung bei PwC. So<br />
gehen 95 Prozent der Umfrageteilnehmer<br />
davon aus, dass die Stiftungseinnahmen in<br />
den kommenden vier bis fünf Jahren sinken<br />
werden. 82 Prozent rechnen mit einem<br />
Rückgang der Fördermöglichkeiten. Zudem<br />
glaubt die Mehrheit der Verantwortlichen,<br />
dass Stiftungen in Zukunft vermehrt abgewickelt,<br />
beziehungsweise zusammengelegt<br />
werden. „Die jüngst erfolgte Anhebung des<br />
Leitzinses in den USA von 0,25 Prozent<br />
auf eine Obergrenze von 0,5 Prozent verbreitet<br />
Hoffnung auf steigende Renditen.<br />
Kurzfristige Auswirkungen auf den Anlagemarkt<br />
in Europa und damit auf die Anlagestrategien<br />
der Stiftungen sind jedoch unwahrscheinlich“,<br />
so Theuffel-Werhahn. Im<br />
Versuch, das Zinstief zumindest partiell zu<br />
kompensieren, setzen unterdessen immer<br />
mehr Stiftungen auf eine Verbreiterung der<br />
Einnahmebasis. So gaben 39 Prozent der<br />
Befragten an, sich stärker als bislang auf<br />
das Thema Fundraising konzentrieren zu<br />
wollen – also zum Beispiel auf das Einwerben<br />
von Spenden oder Zustiftungen.<br />
„Zugleich bleiben allerdings Chancen ungenutzt.<br />
So dürfen Stiftungen zum Beispiel<br />
bis zu einem Drittel des jährlichen Überschusses<br />
in die freie Rücklage einstellen;<br />
Gebrauch von dieser Möglichkeit macht<br />
aber nur jede vierte Einrichtung“, erläutert<br />
Theuffel-Werhahn. „Trotz der schwierigen<br />
Rahmenbedingungen lassen sich<br />
noch Freiräume für die Anlageoptimierung<br />
finden. Das darf zwar nicht so verstanden<br />
werden, dass Stiftungen unbeschränkt Risiken<br />
eingehen dürften. Auf mündelsichere<br />
Wertpapiere sind Stiftungen aber längst<br />
nicht mehr beschränkt. Denn wie die rein<br />
spekulative Vermögensanlage ist auch die<br />
ertraglose verboten“, so Norbert Winkeljohann.<br />
Dass in rund 25 Prozent der Stiftungen<br />
keine konkreten Vorgaben zu der<br />
Anlagestrategie bestehen, stimme dennoch<br />
nachdenklich. Und Vorgaben zu Konformität<br />
des Satzungszwecks gibt es nicht<br />
einmal in jeder zweiten.<br />
Autor www.pwc.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
27
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />
Asset Management in der Schweiz<br />
vor großen Herausforderungen<br />
Das Asset Management in der Schweiz<br />
steht trotz hoher Kompetenzzuschreibung,<br />
aussichtsreicher Marke und ansprechender<br />
Performance vor großen<br />
Herausforderungen. So sind Optimismus<br />
und Selbstbewusstsein der Anbieter zwar<br />
stark ausgeprägt. Andererseits schwindet<br />
das Vertrauen der Investoren in die Branche<br />
zunehmend, echte Alleinstellungsmerkmale/USP<br />
fehlen und das aktuelle<br />
Stärken-/Schwächen-Profil im Schweizer<br />
Asset Management entspricht nur eingeschränkt<br />
den Schlüsselerfordernissen der<br />
Branche. Dies sind die zentralen Ergebnisse<br />
der aktuellen „Asset Management<br />
Studie Schweiz 2015“, die zeb, spezialisiert<br />
auf die Beratung der europäischen<br />
Financial Services Industrie, und Swiss<br />
Finance Institute (SFI) am Dienstag gemeinsam<br />
in Zürich vorgestellt haben.<br />
Basis der „Asset Management Studie<br />
Schweiz 2015“ ist eine umfangreiche Online-Befragung<br />
mit über 500 Branchenteilnehmern.<br />
Abgefragt wurden die Einschätzungen<br />
zum gegenwärtigen sowie<br />
mittelfristig erwarteten Entwicklungsstand<br />
des eigenen Unternehmens sowie<br />
der Industrie insgesamt im internationalen<br />
Vergleich. Hintergrund der Untersuchung<br />
war der Anspruch wesentlicher<br />
nationaler Akteure, das Schweizer Asset<br />
Management angesichts eher mäßiger<br />
Wachstums- und Profitabilitätsaussichten<br />
insbesondere im Private und Investment<br />
Banking zu einer tragenden Säule des<br />
Finanzplatzes Schweiz auszubauen. Das<br />
Gesamtergebnis der Studie bietet zunächst<br />
ein relativ positives Selbstbild des<br />
Schweizer Asset Managements in Bezug<br />
auf seine Wettbewerbsfähigkeit und geht<br />
von wachsenden Vorsprüngen gegenüber<br />
der internationalen Konkurrenz aus.<br />
Dabei fällt aber zum einen auf, dass die<br />
Hauptstärke im Bereich der Infrastruktur<br />
gesehen wird, die vor dem Hintergrund<br />
der Globalisierung und Digitalisierung<br />
aus Sicht von zeb und SFI allerdings nicht<br />
anhalten dürfte und keinen zentralen Erfolgsfaktor<br />
darstellt. Zum anderen sind<br />
insbesondere die Investoren als Schlüsselgruppe<br />
nicht nachhaltig von den Zukunftsaussichten<br />
des Schweizer Asset<br />
Managements überzeugt.<br />
Die Innovationskraft bzgl. geeigneter AM<br />
Solutions und Produkte wird vom Gesamtmarkt<br />
eher kritisch eingeschätzt,<br />
die Qualität international akzeptierter<br />
Investmentlösungen nur als mittelmäßig<br />
beurteilt. Dagegen werden die Schweizer<br />
Asset Manager von der Gesamtheit<br />
der Teilnehmer aktuell als international<br />
überlegen bewertet, wobei sich dieser<br />
Vorsprung nach Ansicht der Studienteilnehmer<br />
noch weiter vergrößern dürfte.<br />
Das positivste Urteil zur Qualität der Asset<br />
Manager stammt bezeichnenderweise<br />
von diesen selbst – und liegt deutlich<br />
über den Einschätzungen anderer Teilnehmergruppen,<br />
insbesondere der Investoren.<br />
Bei der Analyse des Outsourcing-<br />
Verhaltens fällt auf, dass von niedriger<br />
Basis ausgehend eine deutliche Tendenz<br />
zur Auslagerung von Aktivitäten ins Ausland<br />
– auch in Bezug auf Kernfunktionen<br />
wie Produktentwicklung, Asset Allocation<br />
und Risikomanagement – gesehen wird.<br />
28 Ausgabe 1/2016
INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Quelle: © Rawpixel.com - Fotolia.com<br />
Dabei spielen nicht nur Kosten-, sondern<br />
auch aus Qualitätsüberlegungen eine Rolle.<br />
Dieses Phänomen ist insbesondere bei<br />
Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen<br />
von weniger als CHF 20 Mrd. zu<br />
beobachten. Die aktuelle Regulatorik für<br />
die Branche wird unisono als wenig hilfreich<br />
eingestuft. Die Branche fühlt sich<br />
durch die geltenden Vorschriften international<br />
deutlich benachteiligt.<br />
Erfreuliche Resultate fördern Fragen zum<br />
„Branding“ zutage. Die Investoren sind<br />
mit den Investmentergebnissen durchaus<br />
zufrieden, und die entstehende Markenwahrnehmung<br />
des „Swiss Asset Management“<br />
ist deutlich positiv. Auch im Hinblick<br />
auf die finanziellen Standortanreize<br />
für Investoren und Asset Management-<br />
Unternehmen sowie deren Belegschaft<br />
gibt es gute Nachrichten. Zwar schwindet<br />
die traditionell sehr hohe Attraktivität des<br />
Finanzplatzes Schweiz nach Meinung der<br />
Teilnehmer, aber auch mittelfristig sollte<br />
ein spürbarer Vorteil gegenüber konkurrierenden<br />
Märkten fortbestehen. Die technische<br />
und Service-Infrastruktur werden<br />
bereits heute deutlich überdurchschnittlich<br />
eingeschätzt – bei weiter steigender<br />
Tendenz. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung<br />
wurden die Teilnehmer auch um<br />
Einschätzungen der wichtigsten und dringlichsten<br />
Aspekte ihrer Branche gebeten.<br />
Hier wird deutlich, dass nach Betrachtung<br />
aller Einzelthemen das Stärken-/ Schwächen-Profil<br />
des Schweizer Asset Managements<br />
insgesamt nicht hinreichend den<br />
tatsächlichen Erfordernissen und Prioritäten<br />
der Branche entspricht.<br />
Zusammenfassend zeigen sich auf einem<br />
guten Fundament ernste Herausforderungen,<br />
die deutliche Anstrengungen für<br />
das Schweizer Asset Management nach<br />
sich ziehen. Obwohl Regulierer, Politik und<br />
Lobbyisten aufgefordert sind, zur Stärkung<br />
der internationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />
des Schweizer Asset Managements<br />
deutliche Unterstützung und Erleichterungen<br />
für die Branche zu erwirken, liegt<br />
die Hauptverantwortung bei den Asset<br />
Management-Unternehmen. Diese sind<br />
angehalten, echte Alleinstellungsmerkmale/USP<br />
auszuarbeiten und ihre Innovationskraft<br />
zu stärken, ihre Geschäfts- und<br />
Organisationsmodelle zu überprüfen und<br />
sich auf profitable Aktivitäten zu konzentrieren.<br />
Carsten Wittrock, Partner von<br />
zeb: "Oberflächlich betrachtet muten die<br />
Einschätzungen der Industrie hinsichtlich<br />
der Positionierung des Schweizer Asset<br />
Management positiv an. Der konstatierte<br />
Ausgabe 1/2016<br />
29
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />
gute Durchschnitt insbesondere aus der<br />
Sicht der Investoren reicht angesichts<br />
innovativer internationaler Wettbewerber<br />
und fortschreitender Digitalisierung<br />
zukünftig aber nicht mehr aus, um ein<br />
nachhaltig profitables Wachstum im Asset<br />
Management zu gewährleisten. Alleinstellungsmerkmale<br />
und eine starke Client<br />
Proposition sind mehr denn je gefragt, gerade<br />
auch für die bis dato eher in der Rolle<br />
als Produzent agierenden Asset Manager."<br />
Gabriela Maria Payer, Head Education<br />
SFI: "Die hohe Wertschätzung der Infrastruktur<br />
im Schweizer Asset Management<br />
könnte eine gefährliche "Scheinsicherheit"<br />
vermitteln, die nötige Wettbewerbsfähigkeit<br />
und Innovationskraft behindert."<br />
Heinz Rubin, Managing Partner von zeb:<br />
„Das Asset Management in der Schweiz<br />
steht vor grossen Herausforderungen,<br />
ein Umbruch deutet sich an. Treiber des<br />
Wandels sind die Investoren der Branche.<br />
Aus ihrer Sicht hat die Schweizer<br />
Asset Management-Industrie in den letzten<br />
Jahren an Attraktivität eingebüßt.<br />
Will man in den kommenden Jahren die<br />
passable Position halten, wird eine deutliche<br />
Frischzellenkur an Innovationen und<br />
neuen Ideen nötig sein. Unternehmen,<br />
die sich proaktiv diesem Wandel stellen,<br />
werden die Chance haben, nicht nur in<br />
der Schweiz sondern weltweit das Asset<br />
Management-Geschäft entscheidend zu<br />
gestalten.“<br />
Autor www.zeb.de<br />
Quelle: © everythingpossible - Fotolia.com<br />
30 Ausgabe 1/2016
INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Investitionen<br />
in deutsche Start-ups boomen<br />
Berlin beim Investitionsvolumen vor London, Stockholm,<br />
Paris und Hamburg<br />
Die Investitionen in deutsche Startups<br />
haben 2015 ein neues Rekordniveau<br />
erreicht. Insgesamt wurden<br />
knapp 3,1 Milliarden Euro in deutsche<br />
Start-ups investiert1, das ist fast doppelt<br />
so viel Geld wie im Vorjahr, als 1,6 Milliarden<br />
Euro investiert wurden und fast fünfmal<br />
so viel wie 2013. Das meiste Geld fließt<br />
nach Berlin: Investoren versorgten im<br />
vergangenen Jahr Berliner Start-ups mit<br />
insgesamt 2,1 Milliarden Euro an frischem<br />
Kapital – insgesamt<br />
wurden in<br />
Berlin 205 Finanzierungsrunden<br />
gezählt, von denen<br />
183 Berliner<br />
Unternehmen profitierten.<br />
Damit<br />
konnte die Berliner<br />
Start-up-Szene<br />
ihre Spitzenposition<br />
in Deutschland<br />
abermals ausbauen:<br />
Im Ranking<br />
der Bundesländer<br />
belegt Bayern<br />
mit 74 Transaktionen den zweiten Platz.<br />
Gemessen am Investitionsvolumen liegt<br />
Hamburg mit knapp 300 Millionen Euro<br />
hinter Berlin. Auch europaweit hatte Berlin<br />
im vergangenen Jahr die Nase vorn: Im<br />
europäischen Städte-Ranking belegt die<br />
Bundeshauptstadt vor London (1,7 Milliarden<br />
Euro), Stockholm (992 Millionen Euro)<br />
und Paris (687 Millionen Euro) den ersten<br />
Platz. Hamburg und München belegen mit<br />
296 und 206 Millionen Euro den fünften<br />
und sechsten Rang im Europa-Ranking.<br />
Europaweit wurden 2015 insgesamt knapp<br />
11,8 Milliarden Euro in Jungunternehmen<br />
investiert – ein Anstieg um 56 Prozent<br />
gegenüber dem Vorjahr und ein neuer<br />
Rekordwert. Dabei konnten deutsche<br />
Start-ups erstmals mehr Geld einwerben<br />
als britische Jungunternehmen: Britische<br />
Start-ups erhielten 2,6 Milliarden Euro –<br />
46 Prozent mehr als 2014. Auf dem dritten<br />
Platz rangiert Frankreich mit 1,5 Milliarden<br />
Euro – 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Das<br />
sind Ergebnisse des Start-up-Barometers<br />
der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft<br />
EY (Ernst & Young). Die Studie beruht<br />
auf einer Analyse der Risikokapitalinvestitionen<br />
in Europa in den Jahren 2013 bis<br />
2015. Trotz des Investitionsbooms<br />
in Deutschland:<br />
Längst nicht alle<br />
Firmenneugründungen<br />
haben etwas vom Geldregen.<br />
Insgesamt haben<br />
im vergangenen Jahr<br />
371 Jungunternehmen<br />
Risikokapital erhalten –<br />
nur 48 von ihnen konnten<br />
sich über eine zweistellige<br />
Millionensumme<br />
freuen, gerade einmal<br />
neun Unternehmen erhielten<br />
mehr als 50 Millionen<br />
Euro. Mit Abstand<br />
das meiste Kapital konnte der Lieferdienst<br />
Deliveryhero einwerben, der insgesamt<br />
fast 590 Millionen Euro erhielt. Peter<br />
Lennartz, Partner bei EY, kommentiert:<br />
„Deutsche und ausländische Investoren<br />
nehmen zunehmend deutsche Internetund<br />
Technologie-Start-ups ins Visier. Die<br />
Risikobereitschaft und der Anlagedruck<br />
sind so groß wie lange nicht mehr – und<br />
die starken Schwankungen an den Aktienmärkten,<br />
die anhaltende Niedrigzinsphase<br />
und die gleichzeitig immer deutlicher werdende<br />
enorme Bedeutung der Digitalisierung<br />
machen junge Technologieunternehmen<br />
zu reizvollen Investitionszielen“.<br />
Quelle: © Jakub Jirsák - Fotolia.com<br />
Der Investitionsboom wird zusätzlich befeuert<br />
durch zahlreiche erfolgreiche Exits,<br />
Ausgabe 1/2016<br />
31
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />
die zeigen, dass deutsche Start-ups attraktive<br />
und renditeträchtige Investitionsziele<br />
sein können. So konnte windeln.<br />
de, ein Onlineshop für Babybedarf, bei seinem<br />
Börsengang 183 Millionen Euro erlösen.<br />
Und 360T, eine Devisenhandelsplattform<br />
mit Sitz in Frankfurt, wurde für 725 Millionen<br />
Euro von der Deutschen Börse gekauft.<br />
Das Berliner Start-up 6Wunderkinder wurde<br />
von Microsoft übernommen – laut Marktgerüchten<br />
für einen dreistelligen Millionenbetrag.<br />
„Erfolgreiche und große Exits<br />
zeigen, dass sich das Investment auch für<br />
die Kapitalgeber lohnen kann – das schafft<br />
zum einen Vertrauen, zum anderen aber<br />
auch die unbedingt nötige internationale<br />
Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit für die<br />
deutsche Start-up Szene“, betont Lennartz.<br />
Allerdings: „Für die<br />
große Mehrheit der deutschen<br />
Start-ups bleibt es<br />
eine Herausforderung,<br />
die zur Expansion nötigen<br />
Finanzmittel zu erhalten“.<br />
Unternehmensneugründungen<br />
mit<br />
innovativen Geschäftsmodellen,<br />
einem überzeugende<br />
Gründerteam<br />
haben es dabei nicht<br />
mehr so schwer, an frisches<br />
Geld zu kommen,<br />
wie noch vor ein oder zwei Jahren. Business<br />
Angels, erfolgreiche Gründer nach einem<br />
Exit, kleineres VCs, Acceleratoren sowie<br />
staatliche Förderprogramme bieten inzwischen<br />
reichlich Gelegenheit zur Frühphasenfinanzierung.<br />
Die Probleme beginnen<br />
bei Finanzierungen im höheren einstelligen<br />
Millionenbereich: „Für die internationalen<br />
Investoren sind Investitionen unter zehn<br />
Millionen Euro einfach viel zu klein – für<br />
deutsche Fonds und Angels dagegen sind<br />
Finanzierungen von mehr als fünf Millionen<br />
Euro – noch – zu groß.“<br />
Berliner Start-ups<br />
legen besonders stark zu<br />
Innerhalb Deutschlands entwickelte sich<br />
vor allem der Standort Berlin extrem dynamisch:<br />
Die Zahl der Finanzierungsrunden<br />
stieg von 111 auf 205, das Investitionsvolumen<br />
hat sich sogar von 891 Millionen Euro<br />
auf 2,17 Milliarden Euro mehr als verdoppelt.<br />
In Bayern stieg die Zahl der Finanzierungsrunden<br />
von 50 auf 74, in Baden-Württemberg<br />
von 22 auf 29 und in Hamburg von<br />
17 auf 28. Nur leicht gestiegen ist die Zahl<br />
der Deals in Nordrhein-Westfalen – von 22<br />
auf 24. „Berlin hat sich in den vergangenen<br />
Jahren auch international als attraktiver<br />
Standort für Firmengründer etabliert,<br />
auch ausländische Investoren haben die<br />
Bundeshauptstadt inzwischen auf dem<br />
Quelle: © mariakraynova - Fotolia.com<br />
Schirm. In Berlin ist in den vergangenen<br />
Jahren ein funktionierendes und professionelles<br />
Ökosystem für Start-ups entstanden,<br />
das aktuell die höchsten Wachstumsraten<br />
weltweit vorweisen kann, damit<br />
international absolut wettbewerbsfähig<br />
und für Talente aus allen Teilen der Welt<br />
hoch attraktiv ist“, beobachtet Lennartz.<br />
„Andere Regionen Deutschlands haben es<br />
zunehmend schwer, in punkto Sichtbarkeit<br />
und Anziehungskraft mit Berlin mitzuhalten<br />
– obwohl auch dort hervorragende Start-ups<br />
in wachsenden Ökosystemen entstehen“.<br />
32 Ausgabe 1/2016
INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Das meiste Geld fließt<br />
in Online-Handel und FinTechs<br />
Fast 1,8 Milliarden Euro an Risikokapitalinvestitionen<br />
flossen 2015 in Start-ups<br />
aus dem Bereich Konsumentendienstleistungen/Handel<br />
– dazu zählen unter anderem<br />
Lieferdienste oder Online-Händler<br />
und Shopping Clubs. In diesem Segment<br />
wurden insgesamt 145 Finanzierungsrunden<br />
gezählt. Auf Rang zwei folgt die<br />
Branche Finanzdienstleistungen/Fin-<br />
Tech: Bei 45 Finanzierungsrunden wurden<br />
gut 600 Millionen Euro<br />
an Risikokapitalinvestitionen<br />
eingeworben. Anbieter von<br />
Unternehmenssoftware und<br />
Big-Data-Lösungen erhielten<br />
in 95 Fällen frisches Kapital –<br />
insgesamt 283 Millionen Euro<br />
kamen dabei zusammen.<br />
„E-Commerce, FinTech und Big Data sind<br />
derzeit aus Investorensicht die vielversprechendsten<br />
Segmente. Hier wird offenbar<br />
das größte Potenzial gesehen, hier wird<br />
das meiste Geld investiert und hier haben<br />
Jungunternehmen die besten Chancen,<br />
Risikokapital einzuwerben“, stellt Lennartz<br />
fest. Insgesamt ist festzustellen, dass<br />
Start-ups in immer mehr Bereichen der<br />
Wirtschaft neue, digitale Geschäftsmodelle<br />
entwickeln und die traditionellen Player<br />
herausfordern – z.B. in den Bereichen Energie,<br />
Gesundheit, Real Estate, Learning<br />
und Talent Development, Versicherungen,<br />
Smart-Home, Internet of Things, Mobility<br />
sowie in klassischen Dienstleistungsbranchen<br />
wie Umzugsunternehmen oder<br />
Rechtsanwälte.“<br />
Immer stärkeres Engagement von<br />
Großkonzernen in der Start-up Szene<br />
Wie ernst Start-ups inzwischen auch von<br />
den etablierten deutschen Konzernen genommen<br />
werden, lässt sich auch an der<br />
steigenden Zahl von Investment-Aktivitäten<br />
ablesen, die von Großkonzernen<br />
aufgelegt werden. Im vergangenen Jahr<br />
stieg ihre Zahl von 32 auf 40. Ob BMW,<br />
BASF, Deutsche Telekom oder Volkswagen<br />
– kaum ein namhafter deutscher Konzern<br />
ist inzwischen nicht im Start-up-Umfeld aktiv,<br />
entweder mit eigenen Venture Capital<br />
Fonds oder Acceleratoren.<br />
„Immer mehr junge deutsche Unternehmen<br />
treten den Beweis an, dass sie die<br />
mit der Digitalisierung verbundenen Umbrüche<br />
aktiv und erfolgreich<br />
mitgestalten können. Dieses<br />
Know-how und diese Dynamik<br />
möchten sich auch die Unternehmen<br />
der „Old Economy“<br />
sichern. Sie gründen eigene<br />
Risikokapital-Gesellschaften<br />
bzw. errichten neue „Acceleratoren-programme“<br />
und „Company<br />
Builder“, über die sie in Kontakt<br />
zu innovativen Start-ups treten“. Große<br />
Konzerne wie auch der deutsche Mittelstand<br />
müssten sicher gehen, rechtzeitig<br />
die Zeichen der Zeit zu erkennen – statt<br />
irgendwann mit ansehen zu müssen, wie<br />
ihnen die digitale Transformation ihr Geschäftsmodell<br />
raubt, betont Lennartz:<br />
„Die Old Economy verspricht sich von der<br />
Kooperation mit Start-ups also das nötige<br />
Plus an Innovationskraft, das ihnen helfen<br />
kann, die Herausforderungen der digitalen<br />
Transformation besser zu bewältigen“, so<br />
Lennartz.<br />
„Die Stärke gerade des Start-up-Standorts<br />
Berlin ist also auch eine große Chance für<br />
den Innovationsstandort Deutschland – und<br />
zwar dann, wenn es gelingt, die Finanzierungsmöglichkeiten<br />
weiter zu verbessern<br />
und eine fruchtbare Symbiose zwischen<br />
Old- und New Economy herbeizuführen“.<br />
1 Nur für basiert auf veröffentlichten Angaben<br />
zur Investitionssummen.<br />
Autor www.ey.com/DE<br />
Ausgabe 1/2016<br />
33
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INVESTMENTS<br />
Diamantenpreise<br />
im Weltmarkt unter Druck<br />
Die Preise für Diamanten sind im<br />
Weltmarkt massiv unter Druck geraten:<br />
Seit Mitte 2014 fielen sie<br />
um bis zu einem Viertel. Ursächlich dafür<br />
war vor allem die schwächelnde Konjunktur<br />
in China, die die Nachfrage deutlich<br />
drosselte. Dennoch kam der Diamantenmarkt<br />
2014 weltweit auf ein Wachstum<br />
von vier bis acht Prozent entlang der gesamten<br />
Wertschöpfungskette. Das geht<br />
aus dem aktuellen Branchenreport „The<br />
Global Diamond Industry 2015“ hervor,<br />
den die internationale Managementberatung<br />
Bain & Company jährlich zusammen<br />
mit dem Antwerp World Diamond Centre<br />
veröffentlicht.<br />
Die Schockwelle für den Diamantenmarkt<br />
wurde 2014 durch eine leicht rückläufige<br />
Nachfrage nach Diamantschmuck in China<br />
ausgelöst. Das rasante Wirtschaftswachstum<br />
der Vorjahre hatte sich abgeschwächt.<br />
Insgesamt wurde weniger<br />
Schmuck gekauft als erwartet, entsprechend<br />
sank der Bedarf sowohl an Rohdiamanten<br />
als auch an geschliffenen Diamanten.<br />
Die Turbulenzen erfassten die<br />
gesamte Wertschöpfungskette. Händler<br />
sahen sich gezwungen, ihre Bestellungen<br />
zu kürzen. Dadurch füllten sich in den<br />
ersten Monaten 2015 die Lager der Diamantenindustrie<br />
und der Händler. Das<br />
Überangebot ließ die Preise für Rohdiamanten<br />
fallen: um 23 Prozent seit Mai<br />
2014 und um 15 Prozent in den ersten<br />
neun Monaten 2015.<br />
USA treiben nach wie vor<br />
das Geschäft<br />
Dennoch war 2014 ein Wachstumsjahr für<br />
die Diamantenindustrie. Die Erlöse stiegen<br />
um bis zu acht Prozent entlang der<br />
gesamten Wertschöpfungskette. Befeuert<br />
wurde dieses Wachstum von der Nachfrage<br />
aus den Vereinigten Staaten. „Die<br />
USA waren schon immer der Haupttreiber<br />
des weltweiten Diamantengeschäfts,<br />
daran hat sich nichts geändert“, erklärt<br />
Dr. Klaus Neuhaus, Partner bei Bain &<br />
Company und Leiter der Praxisgruppe Industrie<br />
im deutschsprachigen Raum. „Die<br />
derzeitige Wachstumsdelle in China wird<br />
keinen anhaltenden Markteinbruch verursachen.“<br />
Die Umsätze mit Rohdiamanten<br />
stiegen 2014 um acht Prozent – trotz sinkenden<br />
Fördervolumens. Weltweit fiel die<br />
Rohdiamantenproduktion um vier Prozent<br />
auf rund 125 Millionen Karat. Die größten<br />
Produktionseinbrüche verzeichneten Australien<br />
und Afrika.<br />
Mittelgroße Unternehmen<br />
haben zu kämpfen<br />
Aus Sicht von Bain wird sich der Markt<br />
wieder beruhigen, sobald Industrie und<br />
Händler ihre Lager abgebaut haben.<br />
„Während der Wirtschaftsturbulenzen<br />
2001 und 2009 brauchten die Diamantenpreise<br />
bis zu zwei Jahre, um sich zu<br />
erholen“, so Neuhaus. „So lange wird es<br />
dieses Mal nicht dauern, denn der Markt<br />
hat noch Potenzial.“ Zugesetzt haben die<br />
aktuellen Unruhen vor allem mittelgroßen<br />
Unternehmen, die im Diamantengroßhandel<br />
tätig sind beziehungsweise diese<br />
Edelsteine verarbeiten. Vielen von ihnen<br />
fällt es schwer, die Nachfrageschwankungen<br />
abzufedern. Oftmals bereitet die<br />
Finanzierung Probleme. Angesichts der<br />
steigenden Kreditrisiken und der stärkeren<br />
Marktregulierung haben zahlreiche<br />
traditionelle Diamantenbanken ihre Expositionen<br />
für die Industrie zunehmend<br />
eingeschränkt.<br />
Weltweites Fördervolumen wird sinken<br />
In den nächsten 15 Jahren erwartet Bain,<br />
dass die Nachfrage nach Rohdiamanten<br />
jährlich um drei bis vier Prozent wächst.<br />
Gleichzeitig dürfte das weltweite Fördervolumen<br />
aufgrund alternder Minen und<br />
34 Ausgabe 1/2016
INVESTMENTS I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
des Wechsels zum Untertagebau bis 2030<br />
um ein bis zwei Prozent pro Jahr zurückgehen.<br />
Ab 2019, so die Prognose, wird die<br />
Nachfrage das Angebot an Rohdiamanten<br />
übersteigen. Betont Bain-Partner Neuhaus:<br />
„Tatsache ist, dass der Diamantenmarkt<br />
auch in Zukunft vor allem von der<br />
weltweiten Konjunktur abhängen wird.“<br />
Die Aussichten für China bleiben verhalten.<br />
Mittel- und Oberschicht des Landes<br />
wachsen langsamer und auch die Urbanisierung<br />
schreitet nicht mehr so rasant<br />
voran wie bisher. In der Folge schrumpft<br />
das Interesse an Diamanten in China weiter.<br />
Für 2016 ist laut Bain-Report mit einer<br />
Stagnation des chinesischen Markts<br />
zu rechnen. Erst ab 2017 wird er sich erholen<br />
und bis 2030 jährlich um 4 bis 5,5<br />
Prozent wachsen. Damit senkt Bain seine<br />
frühere Prognose von sieben Prozent<br />
deutlich.<br />
Autor www.bain.de<br />
Quelle: © Rozaliya - Fotolia.com<br />
Ausgabe 1/2016<br />
35
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
"Regulierung: Trotz höherer Kosten<br />
für PROJECT sind unsere Produkte für<br />
die Kunden günstiger geworden"<br />
Interview zur vertrieblichen Positionierung<br />
der auf Immobilien in Ballungsräumen spezialisierten PROJECT Investment Gruppe<br />
Alexander Schlichting, Geschäftsführer Gesellschafter,<br />
PROJECT Vermittlungs GmbH im Gespräch<br />
I N T E R V I E W<br />
FBM: Herr Schlichting, die Project Gruppe zählt zu den renommierten Anbietern<br />
in der alten und jetzt neuen Welt Geschlossener Fonds. Wie war für<br />
sie der Übergang auch in Bezug auf Ihren Vertrieb?<br />
Alexander Schlichting: Für uns war es im Sinne unserer Partner ganz wichtig,<br />
durchgängig qualitativ hochwertige Produkte im Angebot zu haben. Deshalb<br />
hatten wir uns frühzeitig bemüht, die KVG-Zulassung zu erreichen und auch<br />
unser Einmalanlageprodukt parat zu haben. Das hat optimal funktioniert.<br />
Zusätzlich konnten wir im letzten Jahr einen Teilzahlungs- und semiprofessionellen<br />
Fonds auf den Markt bringen. Insofern haben wir tatsächlich die<br />
gesamte Produktpalette, die man abbilden kann, auch für unsere Vertriebspartner<br />
vorrätig.<br />
FBM: Was hat sich denn für Ihre Kunden von der alten zur neuen Welt geändert?<br />
Ist das Produkt teurer geworden?<br />
Alexander Schlichting: Trotz höherer Kosten für PROJECT sind unsere<br />
Produkte für die Kunden günstiger geworden. Das kommt daher, dass wir<br />
durch das zusätzliche institutionelle Geschäft die Mehrkosten auffangen<br />
konnten. Grundsätzlich sind die Produkte durch die Regulierung unserer<br />
Einschätzung nach sicherer geworden, beispielsweise durch das Thema<br />
Verwahrstelle. Mit Caceis haben wir die größte und eine im Immobilienbereich<br />
sehr erfahrene Verwahrstelle gewählt. Wir gehen sogar über die<br />
gesetzliche Vorgabe hinaus, dass jede einzelne Zahlung, die das Konto<br />
verlässt, von der Bank freigegeben werden muss. Laut Gesetz wäre das<br />
nicht notwendig, denn da müssen nur die wesentlichen Zahlungsströme<br />
von der Depotbank freigegeben werden. Insofern ist die neue Welt für<br />
Anleger sicherer, weil mehr Basisvoraussetzungen vorhanden sein müssen.<br />
Dazu zählt auch eine fachlich geeignete Geschäftsführung, die entsprechend<br />
von der BaFin zugelassen sein muss. Das Gesamtkonzept ist für<br />
den Kunden auf jeden Fall transparenter als früher. Auch beim NAV, also<br />
dem Nettoinventarwert des Publikums-AIF, müssen wirklich Ross und Reiter<br />
genannt werden.<br />
FBM: Wie erfolgreich sind Sie bei institutionellen Anlegern?<br />
Alexander Schlichting: Wir konnten unseren ersten institutionellen Fonds<br />
in 2014 mit gut 85 Millionen Euro vollplatzieren. Das ging relativ schnell und<br />
36 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
wir haben den Fonds in 2015 nahezu voll investiert. So ist aktuell die zweite Tranche in<br />
Platzierung. Zusätzlich registrieren wir starke Nachfrage auch aus dem Bereich Family<br />
Office. Insofern sind wir erfolgreich gestartet und wollen das Thema natürlich weiter<br />
ausbauen, keine Frage.<br />
FBM: Institutionelle Anleger zeichnen nur zu deutlich niedrigeren Kosten als Privatanleger.<br />
Wie lukrativ sind denn diese Geschäfte für Ihr Unternehmen?<br />
Alexander Schlichting: Der wesentliche Unterschied sind die Vertriebskosten. Institutionelle<br />
Investoren zahlen keine Vertriebsgebühren. Deshalb wird das institutionelle Geschäft bei<br />
uns von einer eigenen Gesellschaft betreut. Für die Kapitalverwaltungsgesellschaft ergeben<br />
sich deutlich höhere Volumen. Insofern entsteht eine tragbare Gesamtsituation.<br />
FBM: Wie haben Ihre Fonds für Ihre Kunden bisher abgeschnitten? Über welchen Trackrecord<br />
verfügen die Project-Fonds?<br />
Alexander Schlichting: Wir haben im Strategiefonds I, also dem ersten Fonds, den<br />
wir im Bereich der Immobilienentwicklung 2003 aufgelegt haben, jetzt die ersten Kunden<br />
mit einer zehnjährigen Laufzeit abgerechnet. Dabei konnten wir für die Anleger eine<br />
Rendite von bis zu 6,5 Prozent p.a. vor Steuern realisieren. Im Vergleich zu unseren<br />
heutigen Fonds hatten wir in der Anfangszeit eine viel längere Spanne für die Einwerbung<br />
des Kapitals und auch für die Investitionen benötigt. Wir investieren heute unser Kapital<br />
Ausgabe 1/2016<br />
37
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
sehr schnell, was wir zur Zeit des ersten Fonds noch nicht konnten. Auf der Ebene der<br />
Objekte überschreiten wir die durchschnittlich geplanten Renditen seit Anbeginn und<br />
haben bei den bisher 41 erfolgten Objektabschlüssen noch nie ein Objekt negativ abgeschlossen.<br />
FBM: Gibt es denn Fonds die besser laufen als geplant?<br />
Alexander Schlichting: Einige unserer jüngeren Fonds laufen besser als geplant und<br />
interessant – auch ein Teil der Kunden, die monatlich einzahlen, werden wohl höhere<br />
Renditen als erwartet erzielen. Insgesamt laufen aufgrund unseres Sicherheitskonzeptes<br />
und der hohen Diversifizierung alle unsere Entwicklungsfonds stabil.<br />
FBM: Sie verkaufen Ihre Immobilien, z.B. Eigentumswohnungen selbst. Da kommt es<br />
schon mal auf die letzten Objekte an, ob ein Fonds Erfolg hat. Wie stellen Sie den totalen<br />
Abverkauf sicher?<br />
Alexander Schlichting: Das ist eine Kombination aus mehreren Themen. Das wichtigste<br />
ist sicherlich, dass wir ausschließlich mit festangestellten Immobilienverkäufern arbeiten.<br />
Mit gezielten Marketingaktionen, auch für die einzelnen Wohnungen, unterstützen wir<br />
unsere Immobilienverkäufer, die nur einen Teil der Provision sofort ausbezahlt bekommen.<br />
Den Rest gibt es erst, wenn zu 100 Prozent abverkauft wurde. So hat auch<br />
der Immobilienverkäufer ein eigenes starkes monitäres Interesse, erfolgreich bis zur<br />
letzten Wohnung zu verkaufen, was dazu führt, dass in der Praxis bisher keine Wohnung<br />
übrig bleibt.<br />
FBM: Wo sehen sie denn das größte Risiko an Ihrem Geschäftsmodell?<br />
Alexander Schlichting: Ein großes Risiko liegt in der Bauausführung. Es können sich<br />
am Bau Dinge ergeben, die man vorher nur bedingt kalkulieren kann. Da ist es uns wichtig,<br />
dass wir eigene regionale Verantwortliche vor Ort haben, festangestellte Bauingenieure,<br />
die nichts anderes machen als unsere Interessen zu vertreten. Das ist ein sehr wichtiger<br />
Punkt, denn das Thema Baukosten kann sich deutlich spürbar auf die Renditen auswirken<br />
und wenn man die Baukosten im Griff haben möchte, ist unsere Erfahrung, dass ein eigener<br />
festangestellter Bauleiter ein besseres Ergebnis erzielt.<br />
FBM: Was machen sie anders als Ihre Konkurrenten im Beteiligungsmarkt?<br />
Alexander Schlichting: Ich glaube, das Kernthema ist unsere Aussage 100 Prozent<br />
Eigenkapital. Und nicht nur in Form eines Lippenbekenntnisses, denn wir schreiben es<br />
auch so in den Prospekt. Es steht im Gesellschaftsvertrag und in den Anlagebedingungen.<br />
Wir schließen Fremdkapital kategorisch aus. Und ich denke auch das Thema Transparenz<br />
ist wichtig. Es gibt immer auch Objekte, die sich nicht so entwickeln wie geplant. Wir<br />
zeigen diese Objekte genauso wie die, die besser als erwartet laufen. Zaubern kann<br />
keiner und genau das überzeugt. Durch unser Stabilitätskonzept, sich nicht nur auf<br />
eine Investition zu konzentrieren, sondern innerhalb eines Fonds in 20 bis 30 Objekte<br />
zu streuen, wirken sich Abweichungen einzelner Objekte für die Investoren auch nur<br />
im geringen Maße aus.<br />
38 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
FBM: Wie sehen Sie denn jetzt den deutschen Immobilienmarkt für Ihre Projektentwicklungen?<br />
Alexander Schlichting: Hoch interessant, weil uns die Megatrends, die aktuell stattfinden,<br />
in die Karten spielen. Wir haben einen starken Zuzug in die Metropolregionen. Im Markt<br />
wurden gerade in Ballungszentren in der Vergangenheit viel zu wenige Immobilien gebaut,<br />
deshalb sehen wir für uns einen großen Vorteil durch diese Konzentration auf Immobilienentwicklungen<br />
in Metropolregionen.<br />
FBM: Wie sehen Sie sich derzeit positioniert und in welchen Bereichen wollen Sie noch<br />
wachsen?<br />
Alexander Schlichting: Wir wollen unsere Platzierungszahlen weiter ausbauen,<br />
Kernziel ist stabiles Wachstum. Durch unser Eigenkapital, auch in den eigenen<br />
Unternehmen, können<br />
wir stabil und<br />
organisch wachsen,<br />
stehen also nicht unter<br />
Druck. Auf der Seite<br />
des Asset Managers<br />
haben wir uns mit drei<br />
zusätzlichen Standorten<br />
– Wien, Düsseldorf<br />
und Köln – und<br />
Ausbau des Personals<br />
Quelle: © Rawpixel.com - Fotolia.com<br />
für weiteres Investorenkapital<br />
aufgestellt.<br />
Wir werden gerade im freien Finanzdienstleistungssektor, unserer Homebase, auch<br />
in Zukunft ein stabiler Partner sein. Wir tun alles, um das zu gewährleisten, auch mit<br />
intensiver Unterstützung unserer Vertriebspartner.<br />
FBM: Wenn man wächst steigt auch der Druck durch den Vertrieb auf den Einkauf. Ist<br />
das bei Ihnen im Einklang?<br />
Alexander Schlichting: Ja, und das betrifft alle unsere Unternehmensbereiche. Unsere<br />
Objektpipeline ist aktuell mit für Immobilienentwicklungen geeigneten und vorselektierten<br />
Grundstücken im Gesamtwert von derzeit über 3 Milliarden Euro Verkaufsvolumen sehr<br />
gut gefüllt. Wir sind zudem frühzeitig in die Entwicklung weiterer drei Standorte eingestiegen.<br />
Und wir haben im heiß umkämpften Immobilienmarkt in 2015 so viele Objekte angekauft<br />
wie noch nie in unserer 20-jährigen Unternehmensgeschichte.<br />
FBM: Wie ist derzeit Ihr Vertrieb strukturiert? Wie viele Berater arbeiten tatsächlich für Sie?<br />
Alexander Schlichting: Grundsätzlich gab es durch die Regulierung 34f eine Bereinigung<br />
in unserer Datenbank. Ich würde sagen, dass aktuell ungefähr 60 bis 70 Prozent unserer<br />
angebundenen Partner auch tatsächlich Geschäft bei uns einreichen. Das kommt sicherlich<br />
auch dadurch, dass die Kosten für den Berater in Verbindung mit dem 34f gestiegen<br />
Ausgabe 1/2016<br />
39
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
sind. Finanzberater müssen in diesem Bereich Geschäft machen, sonst rechnet sich die<br />
Gewerbegenehmigung nicht. Wir sind mit aktuell rund 450 produzierenden Partnern gut<br />
im freien Finanzdienstleistungssektor aufgestellt und bekommen immer wieder Anfragen<br />
von neuen Partnern. Und durch unsere breite Produktpipeline und durch unser Stabilitätskonzept<br />
stehen wir auch bei den bestehenden Partnern mehr im Fokus.<br />
FBM: Wie lange arbeiten Ihre Berater mit Ihnen oder sind es überwiegend neue Anbindungen?<br />
Alexander Schlichting: Wir sind aufgrund unserer Unternehmensphilosophie sehr auf<br />
Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt. Insofern haben wir viele Berater, die uns<br />
schon über viele Jahre begleiten. Seit der Regulierung haben wir zudem einen verstärkten<br />
Zulauf an neuen Partnern. Wir können sagen, dass rund 70 Prozent der Berater aus der<br />
alten Welt kommen und 30 Prozent aus der neuen Welt.<br />
FBM: Nun hat sich die Beteiligungsbranche in den letzten Jahren sehr gewandelt. Wie<br />
haben sie das denn wahrgenommen? Ist für den Anleger jetzt alles besser mit dem<br />
AIF und Betrügereien ausgeschlossen?<br />
Alexander Schlichting: Für den Anleger ist Vieles besser geworden. Das fängt bei der<br />
Eignung der KVG-Geschäftsleitung an, geht über Vorgaben im Risikomanagement und<br />
betrifft die Kontrolle durch die Verwahrstelle, das verstärkte Berichtswesen, festgelegte<br />
Prozesse, Compliance und Transparenz. Transparenz bedeutet auch Vergleichbarkeit –<br />
hier hat sich viel getan, aber in einigen Bereichen gibt es aus meiner Sicht noch Handlungsbedarf.<br />
Die Bewertungsverfahren zum Beispiel für die NAV-Wertmitteilung sind nicht<br />
für alle Assetklassen gleich. Und durch andere Bezugsgrößen wiederum führen gleiche<br />
Bewertungsverfahren bei Investmentfonds und alternativen Investmentfonds nicht zu<br />
realer Vergleichbarkeit. Es geht nun darum, Feinjustierungen vorzunehmen.<br />
FBM: Aber Betrügereien oder schlechte Investmentbeteiligungen sind Ihrer Meinung<br />
nach nicht ausgeschlossen?<br />
Alexander Schlichting: Schlechte Investmentbeteiligungen kann man mit gesetzlichen<br />
Vorgaben nicht ausschließen. Managementfehler oder Fehleinkäufe wird es auch in Zukunft<br />
geben, davor schützt kein Gesetz. Allerdings werden diese früher erkannt und das Management<br />
wird früher gegensteuern. Wenn man als Anleger schlechte Entwicklungen seiner Beteiligung<br />
vermeiden will, sollte man sich einen Spezialisten aussuchen, der das Thema beherrscht und<br />
auf langjährige Erfahrungen und Erfolge verweisen kann.<br />
Auch gegen kriminelle Energie kann man sich nie vollständig schützen, das wird auch<br />
der Gesetzgeber nicht erreichen können. Dennoch hat das Kapitalanlagegesetzbuch<br />
dazu geführt, dass viele Betrugsfälle aus der Vergangenheit so nicht mehr möglich<br />
sind. Alles in allem sehe ich eine echte Verbesserung für Investoren und manch einer<br />
hätte sich sicher gewünscht, dass das Gesetz einige Jahre früher in Kraft getreten wäre.<br />
FBM: Wie finden Anleger ein gutes AIF-Beteiligungsangebot? Auf welche Kriterien muss<br />
besonders geachtet werden?<br />
Alexander Schlichting: Der Anleger sollte für sich verstehen, wie das Investmentkonzept<br />
40 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
funktioniert bzw. wie die Gewinne realisiert werden. Entscheidend ist dabei die Erfahrung<br />
und der Track Rekord des Anbieters. Seit wie vielen Jahren ist der Anbieter am Markt,<br />
welche Erfahrung bringt er mit und welche Erfolge hat er erzielt? Ist er in diesem Bereich ein<br />
anerkannter Spezialist oder nicht? Und ebenso wichtig sind die Risiken, die für die Erzielung<br />
der Rendite eingegangen werden. Der Gesetzgeber fordert professionelles Risikomanagement,<br />
wichtiger ist professionelle Risikovermeidung. Ich würde mich als Anleger auch fragen, wie<br />
stabil ist das Marktumfeld und funktioniert meine Anlage auch ohne Subventionen. Reale<br />
Wertschöpfung entsteht über ein echtes, möglichst direktes Sachwertinvestment und nicht<br />
über komplexe Konzepte darum herum.<br />
FBM: Ist in Ihrem Haus ein Direktvertrieb geplant?<br />
Alexander Schlichting: Das ist für uns aktuell keine Option. Für uns ist es entscheident,<br />
unsere bestehenden Vertriebspartner zu stärken. Uns geht es nicht nur um den Abschluss,<br />
sondern auch um die Beratung und Betreuung nach dem Abschluss. Es ist uns zu kurz<br />
gesprungen, wenn der Initiator denkt, dass er das im Laufe der Jahre selbst genauso<br />
leisten kann. Deshalb setzen wir auf qualifizierte Vertriebspartner. Bereits 2009 hatten wir<br />
eine Bestandsprovision als auch eine Gewinnbeteiligung für unsere Partner eingeführt,<br />
um zu gewährleisten, dass sich der Berater innerhalb der Laufzeit wirklich aktiv um den<br />
Kunden kümmert.<br />
Das Interview wurde geführt von Friedrich Andreas Wanschka für <strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de.<br />
Quelle: © kasto - Fotolia.com<br />
Ausgabe 1/2016<br />
41
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />
Deutscher Immobilienmarkt:<br />
Gute Stimmung mit Fragezeichen<br />
Die Stimmung bei den professionellen<br />
Immobilienmarktteilnehmern<br />
in Deutschland ist seit Jahren<br />
gut – daran wird sich auch 2016 nichts<br />
ändern. In der jährlichen Trendumfrage<br />
von EY Real Estate bestätigen das beachtliche<br />
95 Prozent der Teilnehmer, die<br />
sich unter anderem aus den Bereichen<br />
Banken, Private-Equity-Fonds, Immobilienvehikel<br />
und Wohnungsgesellschaften<br />
zusammensetzen. „Wir denken dennoch,<br />
dass der Höhepunkt des Transaktionszyklus<br />
allmählich erreicht ist“, sagt Christian<br />
Schulz-Wulkow. Er ist Partner und Leiter<br />
des Immobiliensektors bei EY und hat die<br />
Trendumfrage konzipiert.<br />
Angebot als limitierender Faktor<br />
Seit 2009 ist das Transaktionsvolumen in<br />
Deutschland im Aufwärtstrend: Im Jahr<br />
2015 erreichte das Volumen der Immobilientransaktionen<br />
(Wohn- und Gewerbeimmobilien)<br />
in Deutschland mit 79 Milliarden<br />
Euro einen neuen Rekordwert. Für das<br />
Jahr 2016 rechnet EY allerdings mit einem<br />
Rückgang des Transaktionsvolumens auf<br />
62 bis 65 Milliarden Euro. „Viele Marktteilnehmer<br />
sehen einen weiteren Anstieg des<br />
Transaktionsvolumens. Auch wir gehen<br />
zwar davon aus, dass die Nachfrage weiter<br />
hoch bleiben wird“, so Schulz-Wulkow,<br />
„aber das Angebot wird ein limitierender<br />
Faktor sein.<br />
Lediglich Großübernahmen im Wohnimmobilienbereich<br />
hätten das Potenzial, das<br />
Transaktionsvolumen in ähnliche Größenordnungen<br />
wie im Jahr 2015 zu heben.“<br />
Rund 85 Prozent der Befragten rechnen<br />
damit, dass sich das Angebot verknappen<br />
wird, vor allem das Angebot an Immobilien,<br />
die ein vergleichsweise geringes<br />
Risiko aufweisen und zu angemessenen<br />
Preisen erworben werden können. Denn<br />
der Umfrage zufolge könnten die Preise in<br />
den stark nachgefragten zentralen Lagen<br />
(Core) in den Top-7-Städten überhitzen.<br />
Rund 80 Prozent der Befragten rechnen<br />
damit – bezogen auf alle Nutzungsklassen.<br />
Je nach Segment dürften die Kaufpreise<br />
nicht nur in Top-Lagen, sondern<br />
auch darüber hinaus steigen. Das Bürosegment<br />
ist ein Beispiel. Sowohl in A- (63<br />
Prozent) als auch in B-Lagen (57 Prozent)<br />
rechnet die Mehrheit der Befragten mit<br />
weiteren Preissteigerungen. Eine besondere<br />
Preisdynamik dürfen auch Hotelimmobilien<br />
in Bestlagen erwarten: Während<br />
hier im vergangenen Jahr nur 24 Prozent<br />
von steigenden Preisen ausgingen, sind es<br />
in diesem Jahr 56 Prozent.<br />
Mehr spekulative<br />
Projektentwicklungen erwartet<br />
Eine Folge könnten mehr Projektentwicklungen<br />
sein, auch spekulative im gewerblich<br />
genutzten Immobiliensegment. „In<br />
der aktuellen Marktphase ist eine nennenswerte<br />
Vermietung vor Fertigstellung<br />
oft nicht mehr erforderlich“, sagt<br />
Schulz-Wulkow. Beachtliche 81 Prozent<br />
der Befragten erwarten gar eine spürbare<br />
Zunahme spekulativer Projektentwicklungen.<br />
Im vergangenen Jahr waren es<br />
nur 62 Prozent.<br />
Der Markt scheint also offen für neue<br />
Projekte. Allerdings geben auch 77 Prozent<br />
der Befragten zu bedenken, dass<br />
die technische Inbetriebnahme von Bauleistungen<br />
ein zunehmender Risikofaktor<br />
der Projektentwicklung ist – zumindest für<br />
komplexe Großprojekte. Dennoch: „Die<br />
Nachfrage weitet sich von Core-Immobilien<br />
aus und umfasst immer häufiger auch<br />
Projektentwicklungen oder sonstige Investments<br />
mit Wertsteigerungspotenzial,<br />
das erst noch gehoben werden muss“, so<br />
Schulz-Wulkow. Mit der Nachfrage steige<br />
die Risikobereitschaft, wobei die meisten<br />
Marktteilnehmer nach wie vor mit Augenmaß<br />
agierten.<br />
42 Ausgabe 1/2016
IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Alternative im Niedrigzinsumfeld<br />
Die steigende Nachfrage erklärt sich über<br />
unterschiedliche Faktoren. „Die Immobilie<br />
ist eine der wenigen Alternativen zur<br />
festverzinslichen Anlage“, sagt Paul von<br />
Drygalski. Er ist Executive Director bei EY<br />
Real Estate und ebenfalls für die Studie<br />
verantwortlich. „Sie profitiert vom Niedrigzinsumfeld.“<br />
Daran dürfte sich in diesem<br />
Jahr wenig ändern. Eine spürbare<br />
Zinswende bleibt 2016 nach Meinung<br />
von fast allen Befragten (92 Prozent)<br />
aus. Darüber hinaus dürften aber auch<br />
die weltpolitischen Instabilitäten bei der<br />
Preisfindung eine Rolle spielen. Dieser<br />
Auffassung sind 56 Prozent der Befragten<br />
– im vergangenen Jahr waren es nur 44<br />
Prozent.<br />
„Natürlich gibt es auch in Deutschland<br />
Fragezeichen, aber das Land ist im internationalen<br />
Vergleich wirtschaftlich<br />
und politisch stabil.“ Das wiederum ziehe<br />
Immobilienkapital aus dem Ausland<br />
an (unter anderem aus Asien), wodurch<br />
die Nachfrage und damit die Preise weiter<br />
stiegen. „Umgekehrt zieht es deutsche<br />
Immobilienanleger aber auch schon länger<br />
wieder ins Ausland“, sagt von Drygalski.<br />
Rund acht von zehn Befragten bestätigten<br />
das Auslandsinteresse. Dabei seien<br />
auch Länder wie Italien und Spanien als<br />
Zielländer – zumindest partiell – wieder<br />
attraktiv.<br />
B-Standorte rücken in den Fokus<br />
Berlin ist für Investitionen in Büroimmobilien<br />
der attraktivste Standort. Nachdem<br />
sich im Vorjahr insgesamt 16 Prozent der<br />
Umfrageteilnehmer für die Hauptstadt<br />
ausgesprochen haben, hat sich dieser<br />
Wert im aktuellen Trendbarometer auf 17<br />
Prozent erhöht. Dicht dahinter folgt München<br />
mit 16 Prozent (2015: 17 Prozent).<br />
Auch bei den Wohnimmobilien bleibt die<br />
Hauptstadt trotz eines leichten Rückgangs<br />
des Anteils von 21 auf 16 Prozent<br />
deutlich im Investmentfokus der Umfrageteilnehmer.<br />
„Auffällig ist hierbei, dass<br />
Städte wie Leipzig und Dresden zunehmend<br />
als attraktive Standorte wahrgenommen<br />
werden und mit insgesamt elf<br />
Prozent teilweise über dem Anteil einiger<br />
Top-7-Standorte liegen“, sagt Schulz-<br />
Wulkow. Im Einzelhandelssegment dagegen<br />
steht im Jahr 2016 Hamburg an<br />
Ausgabe 1/2016<br />
43
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />
erster Stelle, wenngleich sich der Anteil<br />
der Investoren mit dem Fokus auf dortige<br />
Handelsimmobilien von 17 Prozent<br />
im letzten Jahr auf nunmehr 14 Prozent<br />
verringert hat. Mit Berlin, Düsseldorf und<br />
München stehen gleich drei Topstandorte<br />
auf dem zweiten Platz; Frankfurt folgt mit<br />
einem Anteil von zehn Prozent dahinter.<br />
Auswirkungen der Zuwanderung auf<br />
den Immobilienmarkt<br />
In der Wohnungswirtschaft spielen in diesem<br />
Jahr zwei Faktoren eine entscheidende<br />
Rolle: Da ist zum einen die Zuwanderung<br />
durch Flüchtlinge. Rund 83 Prozent<br />
der Befragten stellen fest, dass der Zuzug<br />
von Flüchtlingen die deutsche Immobilienwirtschaft<br />
wesentlich beeinflusst. So<br />
seien Containerdörfer teilweise teurer als<br />
langfristig nutzbare Neubauten. „Es muss<br />
nicht für die Ewigkeit gebaut werden, aber<br />
Container und Sporthallen können nur<br />
Übergangslösungen sein“, so von Drygalski.<br />
Das zweite große Thema der Wohnungswirtschaft<br />
ist die Mietpreisbremse.<br />
Sie habe ihren Zweck bislang verfehlt.<br />
„Die jeweiligen Berechnungsgrundlagen<br />
erscheinen mangelhaft“, bestätigen auch<br />
95 Prozent der Befragten. „Kommunen,<br />
die auf die Mietpreisbremse setzen wollen,<br />
sollten mit Klageverfahren rechnen“,<br />
meint von Drygalski. „Statt den Mangel<br />
zu regulieren, muss preisgünstiger Wohnraum<br />
geschaffen werden. Nach jüngsten<br />
Schätzungen und unter Berücksichtigung<br />
der Zuwanderung werden über 400.000<br />
Wohnungen jährlich benötigt.“<br />
Autor www.ey.com/DE<br />
Immobilienmarkt Deutschland 2016:<br />
Spitzenrenditen mit Drei vor<br />
dem Komma werden zum Normalfall<br />
Der Nachfrageüberhang am deutschen<br />
Immobilienmarkt nimmt im kommenden<br />
Jahr noch weiter zu. Das ist eines der wesentlichen<br />
Ergebnisse in der von Savills<br />
veröffentlichten Analyse „Ausblick Immobilienmarkt<br />
Deutschland 2016“. Aufgrund<br />
der weiterhin günstigen realwirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen steigt<br />
vor allem in den großen Städten und<br />
Ballungsräumen die Nachfrage nach Büros,<br />
Logistikflächen und Wohnungen. Gepaart<br />
mit weiterhin niedrigen Zinsen wird<br />
dies dazu führen, dass im nächsten Jahr<br />
noch mehr Geld für Immobilieninvestitionen<br />
bereit steht. „An der Asset-Klasse<br />
Immobilien führt auch im kommenden<br />
Jahr kein Weg vorbei und vor allem aus<br />
dem Ausland wird aufgrund des anhaltend<br />
günstigen Umfeldes noch mehr Geld<br />
in den deutschen Immobilienmarkt strömen“,<br />
ist sich Marcus Lemli, CEO Germany<br />
und Head of Investment Europe bei<br />
Savills, sicher.<br />
Für die großen deutschen Büromärkte<br />
rechnet Savills mit einem weiteren Anstieg<br />
des Flächenumsatzes bei zugleich<br />
unterdurchschnittlichem Flächenfertig-<br />
44 Ausgabe 1/2016
IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
stellungsvolumen. Die Leerstandsraten<br />
werden folglich weiter zurückgehen und<br />
die Mieten in den A- und B-Lagen werden<br />
steigen. „Bei größeren Flächengesuchen<br />
werden die Unternehmen feststellen<br />
müssen, dass sie aus immer weniger<br />
Alternativen wählen können, die zudem<br />
zunehmend teurer werden. In zentralen<br />
Lagen ist eine Projektanmietung sogar<br />
die einzige Option“, prognostiziert Marcus<br />
Mornhart, Managing Director und<br />
Head of Office Agency Germany bei Savills.<br />
Ein Nachfragezuwachs ist auch am<br />
Logistikflächenmarkt<br />
zu erwarten, der nicht<br />
nur durch konjunkturelle<br />
Impulse, sondern<br />
auch durch das anhaltende<br />
Wachstum des<br />
E-Commerce getrieben<br />
wird. Letzteres wiederum<br />
wird dazu führen,<br />
dass die Nachfrage am<br />
Markt für Einzelhandelsflächen<br />
stagniert.<br />
Lediglich in den Luxuslagen<br />
bleiben Flächen<br />
knapp, alle anderen<br />
Lagen der Einkaufsstraßen<br />
werden in zunehmend<br />
mehr Städten<br />
Mietrückgänge<br />
verzeichnen.<br />
Am Immobilieninvestmentmarkt<br />
sind erneut<br />
sehr hohe Umsätze zu<br />
erwarten. So kann am Gewerbeinvestmentmarkt<br />
die Marke von 50 Mrd. Euro<br />
als Untergrenze gelten. Auch der Wohninvestmentmarkt<br />
wird im nächsten Jahr<br />
ein Transaktionsvolumen im zweistelligen<br />
Milliardenbereich verzeichnen, wenngleich<br />
die in den letzten Jahren zu beobachtende<br />
Konsolidierungswelle zu ihrem<br />
Ende kommt. Sowohl am Wohn- als auch<br />
am Gewerbeinvestmentmarkt werden die<br />
Renditen rückläufig sein und die Risikoprämien<br />
für B-Lagen und/oder B-Objekte<br />
werden sich verringern. „In den besonders<br />
liquiden Marktsegmenten, also bei<br />
Büros, Geschäftshäusern und Wohnimmobilien,<br />
werden Spitzenrenditen mit einer<br />
Drei vor dem Komma zur Normalität“,<br />
so Andreas Wende, COO und Head of Investment<br />
Germany bei Savills.<br />
Weil der Investmentzyklus am deutschen<br />
Markt bereits weit fortgeschritten ist,<br />
wird es für Investoren zunehmend wichtiger,<br />
ihre Portfolios auf<br />
die Zeit nach dem Aufschwung<br />
vorzubereiten.<br />
Dazu eignen sich Investitionen<br />
in Immobilien, die<br />
möglichst unabhängig von<br />
konjunkturellen Schwankungen<br />
sind oder die von<br />
langfristigen Trends profitieren.<br />
„Die fortschreitende<br />
Verstädterung, die<br />
Alterung der Gesellschaft<br />
und die steigende Bedeutung<br />
des Bildungssektors<br />
sind langfristig wirksame<br />
Trends, die sich Immobilieninvestoren<br />
zunutze<br />
machen können, um zyklische<br />
Effekte abzufedern“,<br />
erläutert Matthias<br />
Pink, Director und Head of<br />
Research Germany bei Savills.<br />
Neben Senioren- und<br />
Studentenwohnanlagen<br />
kommen hierfür Pflegeheime und Hochschulgebäude<br />
als Zielobjekte in Frage.<br />
„Auch der Wohnungsmarkt bleibt unter<br />
dem Gesichtspunkt der Konjunkturunabhängigkeit<br />
trotz der bereits hohen Preise<br />
im nächsten Jahr für defensive Investoren<br />
attraktiv“, so Karsten Nemecek,<br />
Managing Director Corporate Finance –<br />
Valuation Germany bei Savills.<br />
Autor www.savills.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
45
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />
bulwiengesa-Immobilienindex:<br />
Immobilienpreise<br />
steigen etwas langsamer<br />
Aktuell längste positive Marktdynamik<br />
seit den 1970er Jahren<br />
Der neue bulwiengesa-Immobilienindex<br />
beschreibt zum 40. Mal in<br />
Folge die Immobilienpreisentwicklung.<br />
Die Methodik und die lange Reihe,<br />
in dem er erhoben wird, machen ihn zu<br />
einem wichtigen Gradmesser für nachhaltige<br />
Entscheidungen in Immobilienmarkt,<br />
Stadtentwicklung und Geldpolitik; die Daten<br />
fließen unter anderem in die Preisindizes<br />
der Deutschen Bundesbank ein. Die<br />
Ergebnisse aus den nun ergänzten Jahresdaten<br />
von 2015 zeichnen für den aktuellen<br />
Zyklus ein positives Bild. Nachdem von den<br />
1970er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre<br />
deutliche Wellenbewegungen mit hoher<br />
Dynamik im Immobilienzyklus zu sehen<br />
waren, folgte bis Mitte der 2000er Jahre<br />
eine Zeit mit kurzfristigerer Volatilität,<br />
welche zu Umsicht mahnte. Im aktuellen<br />
Immobilienzyklus hält das bemerkenswert<br />
konstante Wachstum deutlich länger an.<br />
Bereits seit elf aufeinanderfolgenden Jahren<br />
weist der bulwiengesa-Immobilienindex<br />
eine steigende Preisentwicklung auf.<br />
In der aktuellen Berechnung für das Jahr<br />
2015 können segmentübergreifend +3,7<br />
% Wachstum verzeichnet werden (Wohnungsmarkt<br />
+4,2 %; Gewerbemarkt +2,6<br />
%). Somit fallen die Steigerungen etwas<br />
geringer als im Vorjahr aus, bestätigen<br />
aber das Niveau der Jahre 2011 – 2013.<br />
Die Schere zwischen Immobilienpreiszuwachs<br />
und steigenden Lebenshaltungskosten<br />
(Inflationsrate: +0,3 %) hat sich<br />
vergrößert.<br />
Die Ausgangsbedingungen auf dem deutschen<br />
Immobilienmarkt haben sich im Vergleich<br />
zum Vorjahr nur wenig verändert.<br />
Dreh- und Angelpunkt bleibt die konjunkturbelebende<br />
Niedrigzinspolitik der EZB.<br />
bulwiengesa-Vorstand Thomas Voßkamp<br />
kommentiert dazu: „Anleger müssen bei<br />
den derzeit niedrigen Zinserwartungen<br />
rentable Investitionsgüter finden. Und das<br />
sind Immobilien.“ Ein Ende der Finanzpolitik,<br />
die den Immobilienmarkt befeuert, ist<br />
derzeit nicht in Sicht, der Leitzins bleibt<br />
trotz der FED-Erhöhung bei 0,05 % und der<br />
Strafzins für Bankeinlagen wurde mit Ende<br />
2015 noch einmal auf +0,3 % angehoben.<br />
Das bereits hohe Preis- und Mietniveau in<br />
A-Städten lässt die Marktakteure auf der<br />
Suche nach risikoadäquaten Investments<br />
immer häufiger auf kleinere Märkte ausweichen.<br />
Im Fokus stehen Standorte mit<br />
angemessener zentralörtlicher Funktion,<br />
Wirtschaftskraft und universitären Einrichtungen.<br />
Beschäftigtenwachstum und<br />
gestiegene Realeinkommen beleben die<br />
Immobiliennachfrage. Beleg hierfür ist der<br />
relativ konstante und homogene Anstieg<br />
des bulwiengesa-Immobilienindex in B-,<br />
C- und D-Städten (2011 – 2015: +10,0<br />
bis +13,0 %; A-Städte +17,0 %). Innerhalb<br />
dieser Stadtkategorien gibt es allerdings<br />
erhebliche Spannen.<br />
46 Ausgabe 1/2016
IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Auffallend in den Zahlen ist eine Entkopplung<br />
zwischen Kaufpreisen und Mieten. Die<br />
Resultate der aktuellen Erhebung spiegeln<br />
dabei die allgemeine Entwicklung der letzten<br />
fünf Jahre wider. So sind die Kaufpreise<br />
für Neubauwohnungen seit 2011 in einer<br />
Spanne von 24,6 % in D-Städten bis zu<br />
30,0 % in B-Städten massiv gestiegen. Im<br />
gleichen Zuge konnten die Neubaumieten<br />
„nur“ zwischen 15,8 % (D-Stadt) und 17,7<br />
% (B-Stadt) zulegen. Im Gegensatz zum<br />
europäischen Ausland ist Deutschland mit<br />
einer niedrigen Eigentumsquote von unter<br />
50 % weiterhin ein äußerst wichtiger<br />
Mietermarkt. Daher<br />
ist nachvollziehbar,<br />
dass die Politik angesichts<br />
des deutlichen<br />
Mietwachstums<br />
versucht, bei<br />
nicht ausreichend<br />
hohen Fertigstellungszahlen<br />
über<br />
die Mietpreisbremse<br />
regulierend einzugreifen.<br />
Der gewerbliche Immobilienmarkt entwickelt<br />
sich im bulwiengesa-Immobilienindex<br />
mit einem Plus von 2,6 % positiv.<br />
Im Gewerbeimmobilienmarkt ist die<br />
Differenzierung nach Städtekategorien<br />
und Assetklassen jedoch ausgeprägter<br />
als im Wohnimmobilienmarkt. Es sind<br />
die A-Standorte, die sehr stark nachgefragt<br />
sind. Die gute Konsumlaune treibt<br />
die Einzelhandelsmieten in 1a-Lagen<br />
deutlich an. Internationale Filialisten probieren<br />
ihre Konzepte in deutschen Top-<br />
Lagen aus. Auch der Büromarkt kann in<br />
den A-Städten von den gestiegenen Beschäftigungsverhältnissen<br />
profitieren. Ein<br />
deutlicher Leerstandsabbau unterstreicht<br />
den Trend. Auf der Kehrseite können<br />
insgesamt 37 Standorte im Teilindex Gewerbe<br />
die Inflationsrate von 0,3 % nicht<br />
übertreffen, davon weisen 17 Standorte<br />
gar eine leicht negative Preisentwicklung<br />
auf. Hier handelt es sich vorwiegend um<br />
D-Standorte oder auch Standorte, die<br />
weiterhin vom Strukturwandel betroffen<br />
sind.<br />
Ausblick<br />
Der deutsche Immobilienmarkt wird<br />
2016 ein weiteres Mal Preiswachstum<br />
zeigen. Denn obwohl der aktuelle Immobilienzyklus<br />
weit vorangeschritten ist,<br />
gibt es derzeit keine Hinweise auf konkrete<br />
Immobilienblasen oder ein Ende<br />
des Aufwärtstrends. 2016 werden ausländische<br />
Investoren noch stärker aktiv,<br />
um Niedrigzins und Währungseffekte zu<br />
nutzen. Folglich kann sich die zinsinduzierte<br />
Entkopplung von Investment- und<br />
Mietmärkten fortsetzen. Gute Eigenkapitalquoten,<br />
hohe Tilgungsraten und<br />
lange Kreditlaufzeiten minimieren Kreditausfallwahrscheinlichkeiten.<br />
Dennoch<br />
sollte stets bedacht werden, dass in<br />
Niedrigzinszeiten kleine absolute Zinsänderungen<br />
drastische Folgen auf die Finanzierungsbedingungen<br />
haben können.<br />
Da auch die Preisniveaus europäischer<br />
Nachbarstaaten noch nicht erreicht sind,<br />
liegt ein anhaltendes Wachstumspotenzial<br />
für Kauf- und Mietpreise sowie anhaltend<br />
hohe Immobilieninvestments<br />
vor.<br />
Autor www.bulwiengesa.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
47
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />
Portfoliotransaktionen werden vom<br />
Einzelhandel und Unternehmensübernahmen<br />
bestimmt<br />
Drei Transaktionen toppen die Milliardenmarke<br />
Zum sechsten Mal in Folge übertrafen<br />
Portfolioinvestments das jeweilige<br />
Transaktionsvolumen des Vorjahres.<br />
2015 wechselten über 140 Immobilienpakete<br />
für insgesamt 19,2 Mrd. Euro den<br />
Besitzer, gegenüber dem Vorjahr ein Plus<br />
von 59 %, der 5-Jahresschnitt wurde verzweieinhalbfacht.<br />
Es ist nach dem Allzeithoch<br />
in 2007 (34,3 Mrd. Euro) das zweithöchste<br />
Ergebnis, das im Portfoliobereich<br />
erzielt wurde.<br />
Im Vergleich mit dem Anstieg des Transaktionsvolumens<br />
auf dem gesamten Gewerbeimmobilien-Investmentmarkt<br />
(+ 38<br />
% auf 55,1 Mrd. Euro) entwickelte sich der<br />
Markt für Portfolioinvestments überdurchschnittlich.<br />
Bereits zum Halbjahr konnte<br />
ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum<br />
gleichen Zeitraum im Vorjahr festgestellt<br />
werden. „In der zweiten Jahreshälfte floss<br />
mit einem starken 4. Quartal noch mehr<br />
Kapital in Immobilien-Portfolios“, so Peter<br />
Birchinger, bei JLL Team Leader Portfolio<br />
Investment Germany. Immerhin drei Transaktionen<br />
toppten 2015 die Milliardenmarke<br />
(2014: 1, 2007: 7): Der Verkauf von über<br />
40 Kaufhof-Warenhäusern durch Hudson’s<br />
Bay, die Übernahme von Deutsche Office<br />
durch Alstria sowie die Übernahme von<br />
Corio durch Klépierre. Die Top 5 Portfoliotransaktionen<br />
machten 2015 mit 6,38 Mrd.<br />
Euro (2014: 2,94 Mrd. Euro, 2007: über<br />
8,5 Mrd. Euro) allein ein Drittel des gesamten<br />
Transaktionsvolumens aus. Alle Portfoliotransaktionen<br />
über 100 Mio. (knapp 50<br />
Transaktionen) summierten sich auf einen<br />
Anteil von über 80 % am Volumen, entsprechend<br />
15,6 Mrd. Euro. Insbesondere bei<br />
den Transaktionen in der Größenordnung<br />
zwischen 100 und 200 Mio. Euro konnte<br />
mit 25 Transaktionen im Vergleich zu 2014<br />
(15 Transaktionen) ein starker Anstieg der<br />
Transaktionszahlen registriert werden. Die<br />
durchschnittliche Transaktionsgröße legte<br />
von 115 auf 135 Mio. Euro zu.<br />
Fast die Hälfte des Portfoliotransaktionsvolumens<br />
geht auf das Konto von Einzelhandelsobjekten;<br />
gegenüber dem vergangenen<br />
Jahr fällt die Verteilung zwischen den<br />
Assetklassen damit deutlicher aus: Den<br />
47 % im Einzelhandelsbereich, die 2015<br />
mit über 9 Mrd. zu Buche schlagen (2014:<br />
3,08 Mrd. Euro) steht ein Anteil von 30 %<br />
bei Büroimmobilien gegenüber. Von allen<br />
Einzelhandelsobjekten, die 2015 den Besitzer<br />
wechselten, wurden 54% (des Volumens<br />
in Euro) im Rahmen von Portfolios<br />
gehandelt. Damit ist diese Nutzungsart<br />
diejenige, die den höchsten Portfolioanteil<br />
aufweist. Auf Platz zwei folgt Logistik, hier<br />
wurde 45% im Rahmen von Portfolios verkauft.<br />
Bei Büroimmobilien waren es 2015<br />
nur 25 %, drei Viertel des Volumens fließen<br />
hier in Einzelobjekte.<br />
Das Interesse ausländischer Investoren<br />
an Portfoliokäufen hat weiter zugelegt:<br />
zwei Drittel des Investitionsvolumens<br />
im Portfoliosegment entfielen auf ausländische<br />
Käufer. Das ist deutlich mehr<br />
als bei Einzeltransaktionen (ca. 45%).<br />
Der Großteil des ausländischen Kapitals<br />
auf dem Portfoliomarkt stammte im abgelaufenen<br />
Jahr aus den USA, Kanada,<br />
Großbritannien und Frankreich. „Dass<br />
ausländische Investoren eher Großtransaktionen<br />
bevorzugen, ist nichts Neues.<br />
Bei den zwölf größten Portfoliodeals 2015<br />
waren sie zehnmal auf Käuferseite vertreten“,<br />
so Birchinger. Ihr Fokus lag dabei<br />
stärker als bei den deutschen Investoren<br />
auf Einzelhandelsimmobilien (45%<br />
gegenüber 37%). Büroobjekte wiederum<br />
hatten bei deutschen Anlegern mit 42 %<br />
den höheren Anteil (gegenüber 29%).<br />
Allerdings waren ausländische Investoren<br />
48 Ausgabe 1/2016
IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
im Portfoliobereich mit 73% des Transaktionsvolumens<br />
auch als Verkäufer deutlich<br />
aktiver als deutsche Eigentümer.<br />
Die beiden stärksten Käufergruppen, die<br />
Immobilien AGs/REITs sowie die Asset/<br />
Fonds Manager, machten fast die Hälfte<br />
des Transaktionsvolumens aus, auf Verkäuferseite<br />
schieben sich die Corporates<br />
dazwischen, die immerhin Objekte in einer<br />
Größenordnung von zusammen über<br />
4,3 Mrd. Euro veräußerten. In Bezug auf<br />
den Ausblick für 2016 ist Peter Birchinger<br />
optimistisch: „Viele Eigentümer nutzen die<br />
anhaltend starke Nachfrage nach großen<br />
Deals und bringen Immobilienpakete<br />
auf den Markt. Wir werden weiterhin eine<br />
hohe Aktivität im Portfoliosegment sehen<br />
und erwarten, dass das Portfoliotransaktionsvolumen<br />
auch 2016 mit etwa 17 Mrd.<br />
Euro auf hohem Niveau bleiben wird."<br />
Autor www.jll.de<br />
Immobilienmärkte in Europa:<br />
Mega-Trend Urbanisierung<br />
sorgt für Wandel<br />
Die europäischen Immobilienmärkte<br />
stehen vor tiefgreifenden Veränderungen.<br />
Wie die Studie „Emerging<br />
Trends in Real Estate® Europe 2016“ der<br />
Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft<br />
PwC und des Urban Land Institute<br />
(ULI) ergab, reagieren internationale<br />
Investoren mit Strategiewechseln auf<br />
neue Mieterbedürfnisse und Marktentwicklungen<br />
wie die rasch fortschreitende<br />
Urbanisierung, technologische Innovationen<br />
und den demografischen<br />
Wandel. „Das<br />
Verhältnis zwischen Vermietern<br />
und Mietern hat<br />
sich grundlegend verändert.<br />
Aus Mietern sind<br />
sehr gut informierte<br />
Kunden mit individuellen<br />
Ansprüchen geworden“,<br />
erläutert Jochen Brücken, verantwortlicher<br />
Partner für den Bereich Real Estate<br />
bei PwC. „Die Immobilienbranche steht<br />
vor der Herausforderung, serviceorientierter<br />
zu arbeiten und neue Kundenwünsche<br />
zu erfüllen.“<br />
Aus Bürogebäuden werden<br />
Servicezentren<br />
Demnach legen Mieter von Büroimmobilien<br />
zunehmend Wert auf Effizienz und<br />
Produktivität bei der Nutzung eines Gebäudes.<br />
Aspekte wie Raumauslastung,<br />
Luftqualität oder Lichtverhältnisse<br />
können Mieter eigenhändig durch<br />
Apps überprüfen. Über Buchungssoftware<br />
kann die Auslastung der<br />
Arbeitsplätze ermittelt werden,<br />
während GPS-Geräte die Nutzung<br />
der Büroräume anzeigen. Wie die<br />
Befragung der 550 Marktexperten<br />
weiter ergab, sorgt die rasche Urbanisierung<br />
außerdem für eine verstärkte<br />
Nachfrage nach zentral gelegenen Bürogebäuden,<br />
in denen Konferenzsäle oder Fit-<br />
Ausgabe 1/2016<br />
49
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I IMMOBILIEN<br />
nesscenter von mehreren Mietern geteilt<br />
werden können. Viele Eigentümer statten<br />
ihre Gebäude mit WiFi-Cafés, Dachgärten<br />
oder Sportgeräten aus. Vor allem High-<br />
Tech-Firmen und jüngere Arbeitnehmer<br />
legen Wert darauf, dass das Arbeitsumfeld<br />
im Einklang zum eigenen Lebensstil<br />
und gesundheitlichen Ansprüchen steht.<br />
„Das alles wird den Immobilienmarkt verändern“,<br />
sagt Jürgen Fenk, Chairman ULI<br />
Germany.<br />
Bester Standort wird digital ermittelt<br />
Im Einzelhandel sorgen neue Technologien<br />
dafür, dass die Erwartungen der<br />
Kunden an Einkaufserlebnisse in den Geschäften<br />
und auf den Webseiten steigen.<br />
Immer mehr Onlinehändler und Retailer,<br />
die bislang ihre Waren über Großhändler<br />
vertrieben, eröffnen in Zeiten des rasch<br />
wachsenden Onlinehandels eigene Standorte<br />
in den Städten, um ihren Kunden<br />
mehr Service zu bieten und ihr eigenes<br />
Marketing zu stärken. Spitzenreiter unter<br />
den Anlage-Objekten bleiben laut der Studie<br />
Einzelhandelsimmobilien auf den Einkaufsstraßen<br />
der europäischen Städte.<br />
Auch die Standortwahl wird mittlerweile<br />
technologisch beeinflusst. Vermieter von<br />
Einkaufszentren können ihre Mieterauswahl<br />
überprüfen, indem sie die Frequentierung<br />
der Läden digital ermitteln. Gleichzeitig<br />
wird das Angebot von Speisen und<br />
Getränken in Geschäften und Einkaufszentren<br />
immer wichtiger.<br />
Immobilienprojektentwicklungen<br />
werden noch attraktiver<br />
Als weiteren neuen Anlagetrend nennt die<br />
Studie die verstärkte Fokussierung internationaler<br />
Investoren auf eigene Immobilienentwicklungen.<br />
Knapp 80 Prozent<br />
der Befragten sehen diese als attraktive<br />
Top-Anlagemöglichkeit, da hochwertige<br />
Immobilien in Bestlagen weiter schwer<br />
verfügbar sind und als überteuert gelten.<br />
Die Bandbreite reicht von ausbaufähigen<br />
Einzelobjekten bis hin zur Schaffung komplett<br />
neuer Stadtbezirke. „Dadurch entstehen<br />
zum einen neue Top-Immobilien in<br />
guten Lagen.<br />
Zum anderen kann der Investor das Projekt<br />
von Grund auf selbst mitgestalten“,<br />
erklärt Jürgen Fenk, Chairman ULI Germany.<br />
Spezial-Immobilen legen ebenfalls<br />
deutlich in der Gunst der Investoren zu.<br />
Laut der Erhebung erwägen mittlerweile<br />
41 Prozent (Vorjahr: 28 Prozent) der befragten<br />
Experten Investitionen in alternative<br />
Anlage-Objekte. Sie gehen davon<br />
aus, dass besonders Hotels, Gesundheitseinrichtungen<br />
wie Seniorenheime sowie<br />
50 Ausgabe 1/2016
IMMOBILIEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Studentenwohnheime und Rechenzentren<br />
von Trends wie der raschen Urbanisierung<br />
und langfristigen demografischen Entwicklungen<br />
profitieren werden.<br />
Berlin bleibt Spitzenreiter – Hamburg<br />
rückt auf<br />
Im Städte-Ranking verteidigt Berlin 2016<br />
im Vergleich zum Vorjahr seinen Spitzenplatz<br />
als europäischer Immobilienmarkt<br />
mit den besten Investitions- und Entwicklungschancen.<br />
Die deutsche Hauptstadt<br />
profitiert dabei von ihrem hohen Anteil an<br />
jungen Einwohnern und ihrem Ausbau als<br />
Technologiestandort. Gleichzeitig bietet<br />
Berlin auch langfristig genügend Potenzial<br />
für Projektentwicklungen, sagt Jochen<br />
Brücken von PwC. Hamburg mit seiner<br />
großen innerstädtischen Projektentwicklung<br />
HafenCity klettert um zwei Positionen<br />
auf Rang zwei, gefolgt von Dublin,<br />
Madrid und Kopenhagen. Die dänische<br />
Hauptstadt rangiert infolge eines wiedererwachten<br />
Interesses an skandinavischen<br />
Ländern erstmals unter den Top-5 der insgesamt<br />
28 europäischen Märkte, die im<br />
Rahmen der Studie analysiert wurden. Als<br />
dritte deutsche Stadt ist München 2016<br />
erstmals wieder unter den Top-10 vertreten,<br />
während London als größter, aber als<br />
überteuert geltender europäischer Markt<br />
auf Rang 15 fällt.<br />
Europas Immobilienmärkte 2016 im<br />
Aufschwung<br />
Insgesamt beurteilen die befragten Marktexperten<br />
die Geschäftsaussichten der<br />
Branche für das neue Jahr sehr optimistisch.<br />
Zwar rechnet mehr als 40 Prozent<br />
der Umfrageteilnehmer damit, dass sich<br />
der Wettbewerb um Top-Immobilien in Innenstadtlagen<br />
weiter verschärfen und deren<br />
Verfügbarkeit weiter abnehmen wird.<br />
Doch gelten diese für die meisten Investoren<br />
weltweit - darunter Pensionsfonds,<br />
große Versicherer, Vermögensverwalter<br />
und Privatinvestoren - nach wie vor als sicherer<br />
Hafen. „In der anhaltenden Niedrigzinsphase<br />
bieten Immobilien weiterhin<br />
attraktivere Renditeaussichten als Anleihen.<br />
Dieser Trend wird sich 2016 fortsetzen“,<br />
prognostiziert Jochen Brücken<br />
von PwC. Als mögliche Risiken der langfristigen<br />
Marktentwicklung nennen Umfrageteilnehmer<br />
unter anderem einen EU-<br />
Austritt Großbritanniens (Brexit), einen<br />
weiteren Ölpreisverfall sowie eine zunehmende<br />
Konjunkturabkühlung in China und<br />
weitere Terroranschläge. Solche Faktoren<br />
müssten genau beobachtet und abgewartet<br />
werden, um deren möglichen Einfluss<br />
auf die Immobilienmärkte Europas nach<br />
2016 absehen zu können, heißt es.<br />
Frisches Eigenkapital und bessere<br />
Fremdkapitalversorgung<br />
Die Finanzierungsbedingungen auf Europas<br />
Immobilienmärkten werden sich der<br />
Studie zufolge 2016 sehr positiv entwickeln,<br />
schätzt Jürgen Fenk vom ULI die<br />
Entwicklung ein. Die Liquidität wird nach<br />
Einschätzung der Befragten hoch bleiben,<br />
während sich die Konjunktur der meisten<br />
europäischen Länder weiter erholen dürfte.<br />
Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb.<br />
Die Preise für Prime-Immobilien<br />
erreichen mittlerweile Rekordhöhen,<br />
während die Immobilienpreise in den<br />
anderen Risikoklassen ebenfalls weiter<br />
zulegen. Rund 55 Prozent der Befragten<br />
rechnet für 2016 mit einem weiteren Zufluss<br />
von Kapital zur Refinanzierung von<br />
Bestandsimmobilien oder für Neuinvestitionen<br />
in die Märkte, vor allem aus Nordamerika<br />
und Asien. Ebenfalls gut die<br />
Hälfte der Umfrageteilnehmer erwartet<br />
eine Ausweitung der Kreditfinanzierung,<br />
obwohl viele Banken nach wie vor eher<br />
zurückhaltend bei der Kreditvergabe<br />
agieren.<br />
Autor www.pwc.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
51
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
"Analysehaus Morgen & Morgen<br />
offeriert in Kürze einen Vergleich für<br />
Honorartarife"<br />
Interview zur weiteren Entwicklung der Unternehmensgruppe<br />
Peter Schneider, Geschäftsführer<br />
Morgen & Morgen Group GmbH im Gespräch<br />
I N T E R V I E W<br />
FBM: Herr Schneider, Sie waren jahrelang als Versicherungsvorstand im<br />
Vertrieb tätig und sind jetzt zum Analysehaus Morgen & Morgen gewechselt.<br />
Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?<br />
Peter Schneider: Das war primär eine persönliche Sache: die Branche<br />
aus einem komplett anderen Blickwinkel wahrzunehmen- das war mein<br />
größter Antrieb. Vertrieb ist das, was ich gelernt habe. Ich verfüge über<br />
eine relativ lange MLP-Vergangenheit in den unterschiedlichen Positionen,<br />
auch operativ im Vertrieb. Dann war ich 14 Jahre Versicherungsvorstand.<br />
Von daher war es eigentlich, wenn man die Branche insgesamt kennenlernen<br />
will, der logische nächste Schritt. Morgen & Morgen wird in der Branche als<br />
Marktführer geschätzt. Das Unternehmen hat sich meiner Meinung nach<br />
bestens im Markt positioniert und steht sowohl für Qualität als auch für<br />
fachliche Tiefe. Das fühlt sich für mich richtig an und ich bin froh, Teil dieses<br />
Unternehmens zu sein.<br />
FBM: Was sind Ihre Ziele mit Morgen & Morgen?<br />
Peter Schneider: Als Vertriebler habe ich natürlich ein großes Interesse<br />
daran, M&M noch stärker zu machen. Wir sehen uns klar als Marktführer,<br />
wenn es darum geht, die Anbindungen an Einzelmakler zu messen. Da dürften<br />
wir mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich vorne stehen. Diese Position<br />
würde ich gerne weiter ausbauen. Ich sehe aber auch, dass wir bei M&M<br />
noch unser technisches Profil schärfen können. Da ist die Wahrnehmung<br />
im Markt noch nicht die, die ich mir wünsche. Ich glaube, dass wir deutlich<br />
mehr können, als das, was man heute von uns wahrnimmt. M&M ist<br />
durchaus auch in der Lage technologisch, Stichwort Digitalisierung, sehr<br />
hochwertige Lösungen anzubieten, aber man nimmt uns doch eher als die<br />
klassischen Analysten, bzw. als das Vergleichshaus wahr.<br />
FBM: Welche Dienstleistungen Ihres Hauses sind aktuell am meisten gefragt?<br />
Peter Schneider: Da würde ich gerne erst einmal erklären, dass das Geschäftsmodell<br />
von M&M auf zwei Säulen ruht und die sind nahezu gleich<br />
stark. Das eine sind die klassischen Vergleichsangebote, die wir am Markt<br />
haben, also unser Lizenzgeschäft mit den einzelnen Maklern. Unsere zweite<br />
Säule umfasst Intelligent Developments. Darunter verstehen wir intelligente<br />
Dienstleistungen und Vermarktungen unserer Kernkompetenzen. Hier geht es<br />
52 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
um Projekte, Datenlieferungen, um Analysen speziell für Produktentwicklungsabteilungen<br />
in der Versicherungsbranche etc. Mit diesen zwei Pfeilern wollen wir den Markt nachhaltig<br />
zufriedenstellen.<br />
FBM: Jetzt befindet sich die Finanzdienstleistungsbranche im Umbruch. Viele Vermittler<br />
verlassen nicht nur aus Altersgründen die Branche. Der Nachwuchs fehlt zunehmend.<br />
Unter diesem Eindruck, in welchen Bereichen gibt es für M&M noch Wachstumsfelder?<br />
Peter Schneider: Das eine Wachstumsfeld habe ich bereits angesprochen, die Schärfung<br />
des technologischen Profils. Es gibt sicherlich noch eine ganze Reihe von Marktteilnehmern,<br />
die gerne mit unserer qualitativ fachlich sehr guten Software arbeiten würden. Aktuell sehen<br />
sie uns aber noch nicht als den Partner, der auch technologisch die Leistung erbringt, die<br />
vielleicht bei einem größeren Vertrieb oder größeren Anbieter erwünscht wäre. Da sehe<br />
ich ein deutliches Wachstumsfeld. Und zum anderen sehe ich im Bereich Intelligent<br />
Developments großes Potential. Ich glaube, dass die Nachfrage auch vor dem Hintergrund<br />
der Digitalisierung und der Big Data, nach Analysen für die verschiedensten<br />
Marktteilnehmer, wie z. B. Versicherer und Großvertriebe, noch nicht gedeckt ist. Da<br />
haben wir sicherlich noch eine ganze Reihe von Anknüpfungspunkten.<br />
FBM: Sehen Sie die Produktsegmente bei M&M schon ausgereizt oder können da noch<br />
welche dazukommen, z.B. Gewerbeversicherungen?<br />
Peter Schneider: Ja, seit neuesten sind alle Experten in der Gewerbeversicherung.<br />
(lächelt) Aber bleiben wir mal bei unserer ersten Kernkompetenz: wir werden in Kürze<br />
einen Vergleich für Honorartarife an den Markt bringen. Aus unserer Sicht ist der Bedarf<br />
hier noch nicht gedeckt. Und wir denken über ein wiedererstarktes Feld nach, was<br />
seit einigen Jahren eine Renaissance erlebt. Einige mögen jetzt schmunzeln, aber es ist ein<br />
Ausgabe 1/2016<br />
53
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
großes Geschäftsfeld: die Sterbeversicherung gewinnt an Bedeutung. Wir beschäftigen uns<br />
auch mit dem Thema Gewerbeversicherung und Arbeitskraftsicherung. Wir werden im März<br />
unsere vorhandenen Module Leben und SHU um Arbeitskraftsicherungsangebote erweitern.<br />
Wachstumsfelder gibt es also zu Genüge. Auch die erst angelaufene Kooperation mit Defino,<br />
sprich standardisierte Beratung, halten wir auch für eine sehr sinnvolle Ergänzung unseres<br />
Angebots.<br />
FBM: Wie sieht denn konkret die Kooperation mit Defino aus? Haben Sie sich dort beteiligt?<br />
Peter Schneider: Nein. Es gibt keinerlei wie auch immer geartete Verpflichtungen<br />
auf wirtschaftlicher oder Gesellschaftsebene zwischen den beiden Unternehmen, es ist<br />
eine klassische Kooperation. Wir bieten unseren Maklern z.Zt. kostenfrei das Defino-<br />
Tool, das ja auch eine DIN-Spezifizierung hat, weil wir zutiefst davon überzeugt sind<br />
und erste Zahlen zeigen das ja auch, dass ein Makler, der standardisiert in der Beratung<br />
vorgeht, zunächst einmal weniger vergisst. Alle Untersuchungen zeigen, dass eine standardisierte<br />
Beratung zu einer höheren Abschlusszahl führt. Die Anzahl der verwalteten<br />
Verträge pro Kunde wird auch nachweislich deutlich höher. In Kombination mit unserer<br />
Vergleichssoftware bietet das Tool von Defino eine sinnvolle Ergänzung.<br />
FBM: Ist das ein neuer Schritt im Geschäftsmodell von M&M? Denn bisher hat man ja<br />
Wert darauf gelegt, dass man die ganzen Entwicklungen im eigenen Hause hält. Was<br />
hat sie dazu bewogen oder ist das der Vorläufer von weiteren Kooperationen in anderen<br />
Bereichen?<br />
Peter Schneider: Ja, ich würde das in der Tat eher so sehen, dass es ein Vorläufer sein<br />
kann. Wir glauben, dass es Sinn macht, das Knowhow und die Marktposition von M&M<br />
mit guten Angeboten des Marktes in anderen Bereichen zu kombinieren. Warum eine<br />
Defino-Software z.B. noch mal neu erfinden, nur damit man sagen kann, das ist jetzt<br />
von M&M, wenn da schon was Gutes da ist? Und ähnlich sehe ich es auch für andere<br />
Produkte im Markt.<br />
54 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
FBM: Heiß diskutiert wird derzeit ja auch von der Politik das Thema Provisionsverbot für<br />
Versicherungsmakler. Nun soll es künftig eine unabhängige Beratung nur noch gegen<br />
Honorar geben. Wie wird denn M&M darauf reagieren, sollte es in den kommenden Jahren<br />
soweit kommen?<br />
Peter Schneider: Zunächst mal<br />
vermute ich sehr stark, dass es<br />
kein Provisionsverbot geben wird.<br />
Nun könnte man mir ein stückweit<br />
unterstellen, dass das Pfeifen im<br />
dunklen Keller wäre. Auch sehe<br />
ich kein massenhaftes Maklersterben<br />
auf uns zukommen. Ich<br />
glaube, dass M&M im Gegensatz<br />
zu den meisten Anbietern in einer<br />
starken Position ist. Denn der<br />
M&M-Makler, der ja jeden Monat<br />
einen nicht unwesentlichen Preis<br />
für die Nutzung unserer Anwendungssoftware<br />
zahlt, eher der<br />
qualitativ stärkere Makler ist, als<br />
derjenige, der ab und zu einmal von der Wohnzimmercouch einen Antrag einreicht. Von<br />
daher sehe ich, dass wir besser aufgestellt sind wie manch andere und vor einer Konsolidierung<br />
des Maklermarkts lediglich Respekt haben sollten.<br />
FBM: Es bleiben dann ja auf alle Fälle noch die Honorarberater, wenn die einen Aufschwung<br />
bekommen. Aber beim Honorarberater wird nicht so schnell der Geldbeutel geöffnet. Wird<br />
das Geschäftsmodell oder das Pricing bei Ihnen dann ein bisschen anders laufen?<br />
Peter Schneider: Mit diesem Szenario haben wir uns noch nicht auseinandergesetzt.<br />
FBM: Versicherungsanbieter optimieren gerade in wichtigen Segment der Arbeitskraftabsicherung,<br />
also der BU, ihre Angebote immer mehr. Die Spitze ist extrem breit, wie es<br />
auch Analysen von Ihnen zeigen. Wie sehen Sie hier die weitere Entwicklung? Werden Sie<br />
in den ein oder anderen Produktsegmenten eine neue Höchstnote einführen um die Marktspitze<br />
zu verkleinern?<br />
Peter Schneider: In der Tat haben wir uns mit der Frage auseinander gesetzt. Allerdings<br />
sind wir hier noch nicht zu einem Ergebnis gekommen, ob es wirklich Sinn macht, noch<br />
einen sechsten Stern einzuführen. Auf der anderen Seite glaube ich schon noch, dass der<br />
Markt noch ein gutes Stück in Bewegung ist. Jetzt kann man sich immer die Frage stellen:<br />
Wer war zuerst da, Henne oder Ei? Also hat jetzt die Vergleichswelt die Produktgeber vor<br />
sich hergetrieben oder haben die Produktgeber zu lange nichts getan als das es dann eine<br />
Vergleichswelt gebraucht hätte. Diese Betrachtungsweise ist auch nicht zielführend. Aber<br />
insgesamt bin ich der Überzeugung, dass die Produktgestaltung noch einige Spielräume<br />
bietet. Wir sehen das ja an der einen oder anderen Entwicklung in der letzten Zeit, dass<br />
Ausgabe 1/2016<br />
55
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
die Versicherer durchaus gute Ideen haben, wenn es wieder<br />
darum geht, neue Leistungs-Features in irgendeiner Form<br />
einzuführen. Und ich könnte mir auch vorstellen, neben den<br />
Überlegungen, ob man die Spitze wieder etwas dünner machen<br />
muss, dass sich durch weitere Produktentwicklungen in<br />
dem Bereich von ganz alleine wieder eine Verdünnung der<br />
Spitze ergibt.<br />
FBM: Wird M&M in 2016 auch mit Neuerungen in der Produktpalette aufwarten?<br />
Peter Schneider: Ja, zwei hab ich ja schon genannt. Einmal das Arbeitskraftsicherungstool<br />
und einen Vergleichsrechner für Honorartarife; weitere sind angedacht.<br />
FBM: Jetzt gilt ja M&M als Dino für die Vergleichssoftware. Mittlerweile kommen immer mehr<br />
Anbieter auf den Markt, teilweise auch getrieben durch die technischen Entwicklungen, z.B.<br />
FinTechs. Ist es für Sie ein interessantes Geschäftsfeld mit dem einen oder anderen FinTech<br />
zu kooperieren?<br />
Peter Schneider: Also wenn Sie das Stichwort Dino mit einem Sympathiefaktor versehen,<br />
dann sind wir das gerne. Und wenn es für Nachhaltigkeit und Beständigkeit steht,<br />
dann auch. Ja, die Geschäftsmodelle des einen oder anderen FinTechs muss man sich<br />
genau anschauen. Das tun wir, wobei ich glaube, dass man da sehr stark differenzieren<br />
muss. Nur das zur Verfügung stellen eines elektronische Versicherungsordners, als Beispiel,<br />
ist noch nicht die Prozesskette, die ein gutes Geschäftsmodell ausmacht. Ich glaube,<br />
da muss noch mehr dahinter kommen. Da prüfen wir schon sehr genau, sind aber an der<br />
Stelle auch offen für mögliche Kooperationen.<br />
FBM: Können Sie sich auch vorstellen selber Produkte für die Versicherungswelt zu kreieren,<br />
also Beratungsleistungen die aus Ihrem Hause kommen können oder wird das schon gemacht?<br />
Peter Schneider: Nein, das wird nicht gemacht, weil wir uns ausdrücklich nicht als Beratungshaus<br />
sehen. Es gibt sicherlich Dienstleistungen, insbesondere zur Marktbeobachtung<br />
sowohl am Point of Sale als auch was die Positionierung einzelner Produkte der Versicherer<br />
angeht, wo das etwas verschwimmt und wo allein das Vorhalten von unserer Dienstleistung<br />
auch ein stückweit Beratungselemente enthält. Aber als klassisches Beratungshaus<br />
sehen wir uns mitnichten.<br />
FBM: Gibt es denn signifikante Dienstleistungen die einzigartig sind von Ihnen hin zu den<br />
Versicherungsunternehmen?<br />
Peter Schneider: Ganz klar unser Analysetool Inswot. Inswot betrachtet den Markt<br />
aus zwei Sichtweisen. Einmal das Anwenderverhalten am Point of Sale. Hier machen<br />
wir eine sehr detailierte Point of Sale Analyse, wo der Versicherer genau sehen kann<br />
was wird gefragt, was wird am häufigsten gerechnet, welche Berufe, welches Eintrittsalter,<br />
welche Kombinationen werden am häufigsten gerechnet und wie schneidet er da ab?<br />
Oder warum wird er überhaupt ab und zu einmal gar nicht berücksichtigt bei einer Berechnung?<br />
Welche Gründe könnte es dafür geben? Und auf der anderen Seite können wir mit<br />
56 Ausgabe 1/2016
INTERVIEW I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
dem Inswot-Tool den Markt innerhalb einer festgelegten Peergroup analysieren, sodass<br />
er praktisch auf einem Blick sehen kann, bei welchen Berufen ist er besonders stark,<br />
bei welchen Konstellationen steht er ganz weit vorne? Sind das überhaupt die von ihm<br />
gewünschten Berufsgruppen? Inswot halte ich für das wichtigste Analysetool für Versicherer.<br />
Und was schon fast wieder zur täglichen Routine geworden ist, ist die elektronische<br />
Risikoprüfung am Point of Sale, wo wir mit noch ein bis zwei anderen Systemen durchaus<br />
am Markt konkurrieren. Wobei wir eben den Vorteil sehen, dass wir dem Makler die<br />
Möglichkeit geben, direkt auf das Risikoprüfungstool des Versicherers zuzugreifen und<br />
nahezu in Echtzeit das Originalergebnis des Versicherers zu bekommen. Da haben wir<br />
einige Versicherer mit denen wir das jetzt umgesetzt haben und von einigen haben wir<br />
schon die Zusage das 2016 zu tun. Also das ist auch eine Dienstleistung, die sowohl für<br />
den Makler als auch für den Versicherer große Zeitersparnisse bringt und eine große Hilfeleistung<br />
darstellt. Der Makler hat die Chance am Point of Sale dem Kunden qualifiziert<br />
zu sagen, wie er versicherbar ist. Der Versicherer hat schlicht und ergreifend weniger<br />
Aufwände mit Risikovoranfragen oder Risikoprüfungsprozessen.<br />
FBM: Wie sehen sie denn die Thematik mit den Apps? Zur DKM war auffallend, dass viele<br />
Versicherer, auch die großen Pools um ihre Mitglieder/Vermittler mit neuen App-Lösungen<br />
inklusive Kundendaten werben. Die Hälfte der Deutschen ist deutlich über 40 Jahre alt<br />
und wenn man sich da vorstellt, dass man ein Gespräch führt und sagt: Lieber Kunde,<br />
ich gehe kurz auf eine App auf meinem Smartphone und schauen sie, hier habe ich ihre<br />
ganzen Versicherungsdaten. Wie würden Sie sich dann fühlen? Glauben Sie wirklich, dass<br />
das vertrauensfördernd ist, wenn man da in einem Smartphone die ganzen Daten in einem<br />
Verkaufsgespräch präsentiert?<br />
Quelle: © sdecoret - Fotolia.com<br />
Ausgabe 1/2016<br />
57
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I INTERVIEW<br />
Peter Schneider: Das Thema ist ziemlich vielschichtig. Wenn man sich erstmal diese App-<br />
Schwämme anschaut, dann haben viele dieser Apps aus meiner Sicht noch den Nachteil<br />
oder sind insofern fehlerbehaftet, weil sie aus der Denke eines Anbieters entstanden sind,<br />
der in seinen Prozessen verhaftet ist und überlegt hat, wie bekomme ich jetzt diese Prozesse<br />
in einer sichtbaren App zum Kunden? Erfolgreiche Modelle gehen meiner Meinung nach<br />
umgekehrt vor. Und diese sind noch deutlich in der Minderheit. Im Fokus sollte zunächst<br />
die Überlegung stehen, was der Kunde auf seinem mobilen Endgerät sehen möchte und<br />
dann im nächsten Schritt die Entwicklung des Abwicklungsprozesses. Ich glaube, erfolgreich<br />
werden die, die das Kundendenken in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellen.<br />
Was ihre zweite Frage angeht, da wäre ich was die Altersgruppe angeht relativ entspannt.<br />
Mittlerweile wird es wahrscheinlich die Hälfte der Internetnutzer sein, die nur noch mit<br />
mobilen Endgeräten arbeiten und gar keinen Rechner mehr zu Hause stehen haben oder<br />
ihn nur noch sehr selten nutzen. Und es ist auch ziemlich klar nachvollziehbar, aus verschiedensten<br />
Untersuchungen, dass die Menschen, die bereit sind ohne Beratung über<br />
Internet einen Versicherungsvertrag abzuschließen, auch Ü40 und nicht nur U30 sind. Was<br />
auch einfach nachvollziehbar ist. Ein jüngerer Mensch hat einen größeren Bedarf an Beratung<br />
und an Wissen, als jemand der vielleicht Ende 40 ist und bereits schon den 38. Versicherungsvertrag<br />
abgeschlossen hat und auch wieder gekündigt hat. Dieser Versicherungsnehmer ist<br />
einfach sicherer in der Vorgehensweise. Der Bedarf an persönlicher Beratung ist also<br />
weiterhin da. Die Kunst besteht in der intelligenten Verknüpfung beider Welten.<br />
FBM: Ist es eine Option, dass ein Endkunde bei Ihnen dann auch selber rechnen könnte?<br />
Peter Schneider: Das ist keine Option Stand heute. Unser Geschäftsmodell sieht nicht<br />
vor, uns direkt an den Endkunden zu wenden.<br />
FBM: Man sagt ja die LV sei tot. Was kommt danach? Es gibt die fondsgebundene Variante,<br />
es gibt die verschiedensten Garantiemodelle. Aber die Vertragstreue der Leute ist auch nicht<br />
mehr so wie es früher einmal war. Wie sehen Sie den Markt? Ist es weiterhin interessant für<br />
Sie oder haben sie mehr die biometrischen Risiken im Fokus?<br />
Peter Schneider: Wir sind bei M&M ziemlich davon überzeugt, dass mit welchen Garantiemodellen<br />
jetzt auch immer, die Versicherungsbranche weiterhin eine sehr große Rolle bei der<br />
Frage der Altersabsicherung, Altersvorsorge oder Sparen fürs Alter, spielen wird. Schließlich<br />
sind z. B. Rentenversicherungen keine Investmentprodukte, sondern bieten als einzige<br />
Form des Vorsorgesparens für das Alter die Garantie einer lebenslangen Rente, auch wenn<br />
der Versicherte über 90 oder 100 wird. Also wird die berühmte Schicht 3 auch weiterhin<br />
große Bedeutung haben.<br />
FBM: Sie sehen also noch großen Bedarf an Entwicklungsmöglichkeiten für eine moderne<br />
Altersvorsorge 2.0 sozusagen?<br />
Peter Schneider: Ja, wenn man sich mit den Vorständen oder Leitern der Produktentwicklung<br />
in den verschiedenen Versicherungsunternehmen unterhält, dann weiß man,<br />
dass Altersvorsorgeprodukte nach wie vor neu kalkuliert werden und neu entstehen. Ich<br />
bin ganz fest der Überzeugung, dass die Branche insgesamt da noch einen draufsetzt.<br />
Das Interview wurde geführt von Friedrich Andreas Wanschka für <strong>FinanzBusinessMagazin</strong>.de.<br />
58 Ausgabe 1/2016
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
Regulierung:<br />
Versicherungsmanager erwarten<br />
strengere Offenlegungspflichten bei<br />
Provisionen<br />
Die große Mehrheit der Versicherungswirtschaft<br />
erwartet, dass der<br />
Gesetzgeber ab 2017 die Offenlegungspflichten<br />
hinsichtlich der Vermittlungsvergütung<br />
weiter verschärft. Dies<br />
ergab eine Umfrage unter mehr als 60<br />
Führungskräften der Assekuranz im Rahmen<br />
des 14. INNOVALUE Versicherungs-<br />
Roundtable 2015. Demnach rechnen rund<br />
90 Prozent der Manager mit strengeren<br />
Offenlegungspflichten. „Das LVRG hat bereits<br />
zu deutlichen Anpassungen der Vermittlungsvergütung<br />
geführt und sollte aus<br />
Kundensicht auch die Transparenz erhöhen.<br />
Der Gesetzgeber verfolgt die Entwicklung<br />
weiterhin aufmerksam und wird<br />
nachlegen, wenn die Umsetzung hinter den<br />
Erwartungen zurück bleibt“, sagt Christian<br />
Mylius, Managing Partner von INNOVALUE.<br />
Rund 70 Prozent der befragten Manager<br />
rechnen damit, dass neben der Sparte Leben<br />
auch die Vermittlung von Krankenversicherungen<br />
und Kapitalanlagen von Verschärfungen<br />
betroffen sein wird. Während<br />
nur jeder Fünfte ein vollständiges Provisionsverbot<br />
in der Lebensversicherung<br />
erwartet, ist für mehr als die Hälfte der<br />
Befragten eine Provisionsdeckelung durchaus<br />
wahrscheinlich. „Der Regulierungstrend<br />
ist eindeutig. Die Branche sollte<br />
sich darauf einstellen, dass an der Regulierungsschraube<br />
noch mal gedreht wird<br />
und entsprechende vertriebsstrategische<br />
Maßnahmen vorbereiten, um dann handlungsfähig<br />
zu bleiben.“, erklärt Mylius.<br />
Die meisten Führungskräfte erwarten entsprechende<br />
Eingriffe des Gesetzgebers<br />
nicht vor 2017. Rund 40 Prozent von ihnen<br />
glauben sogar, dass erst ab 2019 mit<br />
weiteren Verschärfungen zu rechnen ist.<br />
Autor www.innovalue.de<br />
Branchenkompass Insurance 2015:<br />
Versicherungswirtschaft am Scheideweg<br />
Viele klassische Geschäftsmodelle haben<br />
ausgedient – neue Ansätze zur<br />
Kundenbindung müssen her. Auf<br />
diese knappe Formel bringt der „Branchenkompass<br />
Insurance 2015“ von Sopra Steria<br />
Consulting die aktuelle Stimmungslage<br />
der deutschen Assekuranz-Wirtschaft. Als<br />
Antwort auf wachsende Compliance-Anforderungen,<br />
das anhaltende Zins-Tief und<br />
den verschärften Wettbewerb wollen die<br />
meisten Versicherer ihre Digitalisierungsbemühungen<br />
in den nächsten zwei Jahren<br />
verstärken.<br />
Trotz der positiven gesamtwirtschaftlichen<br />
Wachstumserwartung blickt die<br />
deutsche Versicherungsbranche derzeit<br />
nicht besonders optimistisch in die Zukunft.<br />
Wie der aktuelle Branchenkompass<br />
„Insurance“ von Sopra Steria Consulting<br />
zeigt, beurteilen viele Führungskräfte die<br />
aktuelle Lage heute noch kritischer als im<br />
Krisenjahr 2008: 29 Prozent der befragten<br />
Versicherungsentscheider erwarten bis<br />
2018 eine insgesamt schlechtere Entwicklung<br />
als in der übrigen Volkswirtschaft; im<br />
Maklersegment sind es sogar 31 Prozent.<br />
Als Belastungen für neues Wachstum gelten<br />
laut Umfrage vor allem die neuen Regulierungsvorschriften,<br />
insbesondere die<br />
Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie<br />
sowie verschärfte Eigenkapitalvorschriften<br />
gemäß Solvency II. Das anhaltende<br />
Niedrigzinsniveau spielt in diesem Punkt<br />
60 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Quelle: © Rawpixel.com - Fotolia.com<br />
eine geringere Rolle als noch 2013. Drei<br />
von vier Entscheidern empfinden es derzeit<br />
als besondere Herausforderung für<br />
das eigene Unternehmen. Vor zwei Jahren<br />
lag dieser Wert noch bei 82 Prozent.<br />
Kaum noch Wachstumsperspektiven sieht<br />
die Branche für die klassische Lebensversicherung.<br />
Hoffnungsträger sind dagegen<br />
sowohl die betriebliche Altersvorsorge als<br />
auch Komposit-Versicherungen.<br />
Als größte Herausforderung für ihr Unternehmen<br />
nannten 86 Prozent der<br />
Entscheider das Thema Compliance<br />
und 83 Prozent die Optimierung ihrer<br />
IT-Landschaft. Bei vier von fünf Befragten<br />
gewinnt die Digitalisierung von<br />
Geschäftsprozessen weiter an Bedeutung<br />
– wobei die Digitalisierungswelle<br />
auch vor Vertriebsabteilungen nicht<br />
haltmacht. Im Gegenteil: Vor dem Hintergrund<br />
massiver Marktveränderungen<br />
stufen Dreiviertel der Studienteilnehmer<br />
aus der Versicherungswirtschaft und 83<br />
Prozent aus der Maklerbranche das Thema<br />
Kundenbindung beziehungsweise<br />
Kundenwertentwicklung als „sehr bedeutend“<br />
ein. Fast alle der Befragten (97 Prozent)<br />
investieren derzeit in den Ausbau<br />
ihrer Kundenberatung. Außerdem wollen<br />
89 Prozent ihre Kundenkommunikation<br />
über sämtliche Zugangskanäle hinweg<br />
besser mit den Erwartungen der Kunden<br />
synchronisieren. Folgerichtig rangieren<br />
Ausgaben für mobile Anwendungen mit<br />
77 Prozent weit oben in der Investitionsplanung<br />
der befragten Unternehmen. Bereits<br />
2015 war der Anteil des IT-Etats am<br />
Gesamtbudget deutlich höher als zwei<br />
Jahre zuvor – ein Trend, der sich auch in<br />
Zukunft fortsetzen wird: Bei Versicherern<br />
fließen bis 2018 rund ein Viertel aller Investitionen<br />
in die IT. Bei den Großen der<br />
Versicherungsbranche werden es sogar<br />
29 Prozent und bei Maklern 18 Prozent<br />
sein. Offenbar hat sich in der Versicherungswirtschaft<br />
die Erkenntnis durchgesetzt,<br />
dass die Optimierung der IT-Landschaft<br />
die notwendigen Voraussetzungen<br />
schafft für die erfolgreiche Digitalisierung<br />
– und damit auch für den langfristigen<br />
Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.<br />
„Die Automatisierung, Virtualisierung<br />
und Digitalisierung von Prozessen hat<br />
in der Versicherungsbranche seit Jahren<br />
eine hohe Relevanz, denn die Assekuranzen<br />
haben gemerkt, dass sich<br />
durch Digitalisierung enorme Summen<br />
und Zeit einsparen lassen“, bewertet Petra<br />
Weber, Manager Insurance Business<br />
Consulting bei Sopra Steria Consulting<br />
die Ergebnisse der Untersuchung. „Der<br />
Branchenkompass bestätigt dies nachhaltig.<br />
Die Versicherungswirtschaft investiert<br />
in die Themen Prozessautomation,<br />
Portale und Kundenbindung – Faktoren,<br />
die die Branche einen Schritt weiter in<br />
Richtung digitaler Exzellenz bringen.“<br />
Autor www.soprasteria.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
61
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
Die Metamorphose der Assekuranz<br />
Die Digitalisierung eröffnet den<br />
Versicherern vielfältige Chancen.<br />
Durch situative Produkte und als<br />
vorausschauender Ratgeber in Sicherheitsfragen<br />
können sie Kundenherzen (zurück-)erobern.<br />
Dafür notwendig ist eine<br />
flexible IT-Architektur und die Bereitschaft<br />
neue Wege zu gehen.<br />
Die digitale Metamorphose ist<br />
alternativlos - und chancenreich<br />
Sie sind Führungskraft eines Versicherers?<br />
Sie Glücklicher! Der Assekuranz<br />
steht eine große Zukunft bevor – wenngleich<br />
diese anders aussieht als die<br />
Vergangenheit. Die Digitalisierung bietet<br />
jeder Versicherungsgesellschaft die<br />
Chance, parallel zum niedergehenden<br />
klassischen Geschäft, neue Ansätze zu<br />
entwickeln und damit Schritt für Schritt<br />
mehr Erlöse zu generieren, als im etablierten<br />
Geschäft.<br />
Damit einher geht eine Metamorphose<br />
von einem reinen Kostenerstatter zu<br />
einem Dienstleister rund um das Thema<br />
Sicherheit. Nicht mehr das Produkt steht<br />
am Anfang eines Geschäfts, sondern der<br />
einzelne Kunde und seine individuellen<br />
Bedürfnisse. Dessen Wert bestimmt sich<br />
auf lange Sicht. Im Idealfall wird der Versicherer<br />
zum Vertrauten jedes einzelnen<br />
Kunden, zu seinem Lebensbegleiter.<br />
Wann immer ein Kunde in die Situation<br />
kommt, eine Risikoabsicherung oder einen<br />
Ratschlag zur Risikovermeidung zu<br />
benötigen, ist der Versicherer der Zukunft<br />
an seiner Seite.<br />
Technologische Anpassung<br />
Damit der Übergang in die neue Zeit gelingt,<br />
müssen die Versicherer jetzt freilich<br />
die notwendigen technologischen und organisatorischen<br />
Anpassungen einleiten.<br />
Das ist kein Hexenwerk. Die Technik ist<br />
vorhanden; ebenso die Spezialisten für<br />
ihre Implementierung. Das größte Hemmnis<br />
liegt bei den Versicherern selbst. Seit<br />
Jahrzehnten etablierte Strukturen, Entscheidungswege<br />
sowie die Denkweise in<br />
Hierarchien und Sparten erschwert die digitale<br />
Metamorphose. Diese Kompliziertheit<br />
lähmt. Sie muss auf das notwendige<br />
Maß reduziert werden. Erst dann ist ein<br />
Denken von außen nach innen möglich,<br />
also vom Kunden zum Versicherer. Die<br />
Anpassung an eine sich digitalisierende<br />
Umwelt wird die Assekuranz noch viele<br />
Jahre beschäftigen.<br />
Aber: Sie ist alternativlos – und chancenreich.<br />
Der Kunde gibt die Richtung und<br />
das Tempo der Veränderung vor. Mit dem<br />
Smartphone in der Hand kaufen insbesondere<br />
junge Menschen viele Produkte<br />
im Internet. Ihre dabei gemachten Erfahrungen<br />
werden in sozialen Online-<br />
Medien veröffentlicht und beeinflussen<br />
62 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
die Kaufentscheidung anderer Personen.<br />
Versicherer, die mit der Generation Digital<br />
Natives und ihren Kindern im Geschäft<br />
bleiben wollen, müssen hierauf reagieren.<br />
Aber nicht nur der Vertrieb verschiebt<br />
sich weg vom Callcenter und dem persönlichen<br />
Gespräch in Richtung digitale<br />
Kanäle. Auch in anderen Wertschöpfungsstufen<br />
wie Service und Schadensabwicklung<br />
nimmt die Nutzung neuer Medien zu.<br />
Daraus ergibt sich für die Unternehmen<br />
eine Koordinationsaufgabe: Sie müssen<br />
die Kommunikation mit den Kunden über<br />
alle Kanäle, Sparten und über alle Phasen<br />
der so genannten Kundenreise (Kontakt,<br />
Information, Kauf, Kundendienst) aufeinander<br />
abstimmen und – im Idealfall –<br />
auf eine Plattform integrieren.<br />
Kanäle verschmelzen zur Marke<br />
Diese Koordinationsaufgabe wird als Omnichannel-Management<br />
bezeichnet. Es<br />
rückt den Kunden auf neue Weise in das<br />
Zentrum des Dialogs und des gesamten<br />
Geschäftsmodells. Wer zukünftig nah<br />
am Kunden sein will, muss mehrere Vertriebs-<br />
und Kommunikationskanäle anbieten<br />
und orchestrieren. Ganz wichtig<br />
dabei: Der Kunde selbst denkt nicht in<br />
Kanälen. Für ihn zählt in einer Situation<br />
nur die jeweils gemachte Erfahrung mit<br />
dem Produkt oder Unternehmen. Beim<br />
Omnichannel-Management verschmelzen<br />
daher letztlich die Offline-, Online- und<br />
Mobile-Kanäle zu einem Markenauftritt.<br />
Zweifellos werden die digitalen Kundenkontaktepunkte<br />
immer wichtiger werden.<br />
Mehr noch: Sie nehmen auch in ihrer<br />
Anzahl in rasantem Tempo zu. Neben<br />
Smartphone und Tablet gibt es in Zukunft<br />
sehr wahrscheinlich iCar, iMirror, iDress,<br />
iShop-Window, iWallpaper, i-ICE-Sitz und<br />
so weiter. Theoretisch lassen sich alle<br />
Gegenstände mit dem Internet verbinden.<br />
Und jedes Gerät hat eine IP-Adresse.<br />
Sensoren übernehmen einen Teil der<br />
Kommunikation zwischen den Maschinen.<br />
Das Ergebnis ist das „Internet der Dinge“.<br />
Mit den so generierten Datenströmen eröffnen<br />
sich für Versicherer völlig neue<br />
Möglichkeiten der Zeichnung von Risiken,<br />
Preisgestaltung, Antragserstellung, Betrugsaufdeckung<br />
und Produktgestaltung.<br />
In wenigen Jahren wird das Internet permanent<br />
und überall verfügbar sein. Damit<br />
wird jeder Kundenkontaktpunkt zum<br />
Verkaufsort.<br />
Telematik-Tarife auf dem Vormarsch<br />
Die aktuell auf den Markt kommenden<br />
Telematik-Tarife in der Kfz-Versicherung<br />
sind die Vorboten der neuen Zeit. Bereits<br />
2016 folgen auch im Bereich der privaten<br />
Krankenversicherung Produkte, welche<br />
die Risikomerkmale objektiver erfassen.<br />
Das Werkzeug dafür sind am Körper getragene<br />
Computer (Wearables). Wer gesundheitsbewusst<br />
lebt, ist für Versicherer<br />
ein „gutes Risiko“. Das honorieren sie in<br />
Form von Bonuspunkten und Rabatt auf<br />
die Prämie. Theoretisch könnten eines<br />
Tages auch andere Bereiche hinzukommen<br />
wie etwa Hausrat- und Wohngebäudeversicherung.<br />
Auch das „Smart Home“<br />
bietet der Assekuranz etliche Chancen.<br />
Ausgabe 1/2016<br />
63
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
In Zukunft sind Versicherer mit Gebäuden<br />
vernetzt. Sobald ein Sturm aufzieht,<br />
senden sie automatisch ein Signal, um<br />
die Markise einzuziehen und die Rollläden<br />
zu schließen. Kunden, die dem zustimmen,<br />
zahlen eine geringere Prämie.<br />
Auf weitere Beispiele für neue Geschäftsmöglichkeiten<br />
weisen die Wissenschaftler<br />
der Denkfabrik 2b Ahead ThinkTank in<br />
einer Trendstudie<br />
hin: Versicherungen<br />
mit<br />
kurzer Laufzeit,<br />
die an eine<br />
bestimmte Lebenssituation<br />
gekoppelt sind,<br />
etwa wenn<br />
der Nachbar<br />
sich das Auto<br />
ausleiht oder<br />
ein Fremder<br />
bei jemandem übernachten will und der<br />
Vermieter oder Mieter sich für diesen<br />
Zeitraum absichern möchten. Oder Auslandreisekrankenversicherungen,<br />
die sich<br />
automatisch „ein- und ausschalten“, sobald<br />
der Versicherungsnehmer Deutschland<br />
verlässt beziehungsweise betritt.<br />
Oder Policen gegen Zugverspätungen,<br />
wobei sich der Preis in Echtzeit auf Grundlage<br />
der verfügbaren Daten im Moment<br />
des Abschlusses bestimmt. Neben diesen<br />
situativen Absicherungslösungen ist vorausschauender<br />
Schutz denkbar. Die automatische<br />
Auswertung von Daten wird<br />
es Versicherern ermöglichen, einen individuellen<br />
Bedarf des Kunden zu erkennen<br />
und entsprechende Produkte zu entwickeln<br />
und anzubieten, bevor der Kunde<br />
selbst diesen Bedarf erkennt.<br />
Richtige Ansprache schafft Vertrauen<br />
Der Omnichannel-Ansatz wird dazu führen,<br />
dass der Kunde individuelle Angebote<br />
zu relevanten Zeitpunkten erhält.<br />
Quelle: © Picture-Factory - Fotolia.com<br />
Voraussetzung ist, dass der Versicherer<br />
die Kommunikationswege vernetzt, damit<br />
Kunden jederzeit am Kontaktpunkt ihrer<br />
Wahl mit ihm in den Dialog treten können.<br />
Zugleich wächst das Vertrauen zwischen<br />
Kunde und Versicherer, je mehr sich der<br />
Kunde richtig angesprochen fühlt. Das<br />
freilich setzt voraus, dass nicht nur der<br />
Kunde dem Versicherer bekannt ist, sondern<br />
zudem alle involvierten Abteilungen<br />
zentriert auf qualifizierte Daten zugreifen<br />
können, also Customer Relationship-<br />
Management-Projekte (CRM-Projekte) im<br />
Einsatz sind – entweder im Haus oder in<br />
der Datenwolke –, die technisch die entsprechenden<br />
Kanäle und Kundenkontaktpunkte<br />
abbilden können.<br />
Um die Chancen der Digitalisierung zu<br />
nutzen, sollten Versicherer in eine IT-Architektur<br />
investieren, die CRM-Systeme,<br />
Datenhaltung und Datenanalytik sowie<br />
Personaleinsatzplanungssoftware bündelt.<br />
Der Anspruch sollte sein: Jeder Mitarbeiter<br />
(und Vermittler, Makler) arbeitet<br />
am selben Datensatz, auf jedem Gerät,<br />
bei jedem Vorgang, an jedem Ort, über<br />
die gesamte Kundenbeziehung hinweg.<br />
Dabei sollte die IT-Architektur so flexibel<br />
sein, dass der Versicherer jederzeit neue<br />
Wege des Dialogs integrieren kann, denn<br />
neue Kanäle kommen hinzu, manche gehen<br />
auch wieder. Um die anfallende Datenmenge<br />
verwalten und analysieren zu<br />
64 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
können ist eine Big-Data-Infrastruktur<br />
erforderlich. Auch hier entscheidet sich,<br />
ob ein Versicherer in der Lage ist, die Bedürfnisse<br />
einzelner Kunden in Echtzeit zu<br />
identifizieren und mit bedarfsgerechten<br />
Angeboten anzusprechen.<br />
Fazit: Nutzen Sie die Chancen!<br />
Die Digitalisierung eröffnet neue Produktchancen<br />
für die Assekuranz. Um das Potenzial<br />
zu nutzen, bedarf es einer flexiblen<br />
IT-Architektur und einer leistungsfähigen<br />
Big-Data-Infrastruktur. Entsprechende<br />
technische Lösungen stehen bereit. Was<br />
die digitale Transformation von Versicherern<br />
derzeit bremst, sind über Jahrzehnte<br />
gewachsene Organisationsstrukturen<br />
und starre Abläufe. Gelingt es dem Management<br />
an den entscheidenden Stellen<br />
unnötige Kompliziertheit zu vermeiden,<br />
steht einer großen Zukunft des Versicherers<br />
als Lebensbegleiter seiner Kunden<br />
nichts im Wege.<br />
Autor www.convista.de<br />
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Ausgabe 1/2016<br />
65
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
Digitalisierung droht<br />
die Versicherungsbranche<br />
zu überrollen<br />
Weltweit kämpfen Versicherer<br />
mit Ausmaß und Geschwindigkeit<br />
der Digitalisierung. Laut<br />
dem „Global Digital Insurance Benchmarking<br />
Report 2015“ der internationalen<br />
Managementberatung Bain & Company<br />
fehlen noch rund 60 Prozent der Unternehmen<br />
zentrale Elemente für eine erfolgreiche<br />
digitale Transformation. Dazu<br />
gehören ein klares digitales Zielbild inklusive<br />
Fahrplan oder ein umfassendes<br />
Verständnis der Risiken.<br />
Der rasante Wandel im Kundenverhalten<br />
gibt den Takt für die Digitalisierung an.<br />
In der letztjährigen Bain-Kundenstudie,<br />
für die 160.000 Versicherungsnehmer<br />
in 18 Ländern befragt wurden, erklärten<br />
79 Prozent, dass sie in den kommenden<br />
fünf Jahren digitale Kanäle für Interaktionen<br />
mit ihrem Versicherer nutzen wollen<br />
– von der Informationsbeschaffung über<br />
Service bis hin zur Schadensmeldung.<br />
Heute liegt der Wert bei 44 Prozent. In<br />
Deutschland wird ein Anstieg von 50 auf<br />
78 Prozent erwartet.<br />
Darauf sind viele Versicherer nur bedingt<br />
vorbereitet. Anders als im Handel<br />
oder Retail-Banking wirken diese Veränderungen<br />
im langfristig angelegten<br />
Versicherungsgeschäft zeitverzögert.<br />
Der aktuellen Studie zufolge, für die<br />
Bain mehr als 70 Versicherer befragt<br />
hat, soll der Anteil der online verkauften<br />
Policen von 8 Prozent in Leben und<br />
10 Prozent in Sach in den nächsten fünf<br />
Jahren auf 15 beziehungsweise 23 Prozent<br />
steigen. Noch deutlicher verändern<br />
sich die anderen Wertschöpfungsstufen.<br />
So erwarten die Unternehmen, dass die<br />
Nutzung digitaler Medien in der Schadensabwicklung<br />
um 31 und im Service<br />
um 26 Prozentpunkte zunimmt – zulasten<br />
traditioneller Wege über Agenturen<br />
oder Servicecenter.<br />
Nahezu die Hälfte der Versicherungsunternehmen<br />
hat jedoch nach eigenem Bekunden<br />
keine Digitalisierungsstrategie.<br />
„Viele Versicherer schaffen es kaum, mit<br />
ihren Kunden mitzuhalten, geschweige<br />
denn ihre Strategie für das digitale Zeitalter<br />
zu entwickeln“, erklärt Dr. Henrik<br />
Naujoks, Leiter der europäischen Praxisgruppe<br />
Finanzdienstleistungen bei Bain<br />
& Company und Autor der Studie. „Das<br />
öffnet einer neuen Generation technologieaffiner<br />
Unternehmen Tür und Tor, in<br />
diesen über Jahrzehnte abgeschotteten<br />
Markt einzudringen.“ Gerade in den angelsächsischen<br />
Ländern greifen Start-ups immer<br />
häufiger in die lukrativen Bereiche der<br />
Assekuranz-Wertschöpfungskette ein oder<br />
besetzen die Schnittstelle zum Kunden.<br />
Digitalisierungsindex deckt<br />
Rückstände auf<br />
Die Defizite der etablierten Häuser deckt<br />
der eigens für die Studie entwickelte Index<br />
auf, der die Fortschritte bei der Digitalisierung<br />
misst. Sach- wie Lebensversicherer<br />
erreichten im Durchschnitt<br />
weniger als 50 von 100 möglichen Punkten.<br />
Der Nachholbedarf ist demzufolge<br />
groß. Nur bei 40 Prozent der Sach- und<br />
66 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
einem Drittel der Lebensversicherer lassen<br />
sich Transaktionen in einem Kanal<br />
beginnen und in einem anderen abschließen.<br />
Diese Barrieren resultieren aus der<br />
vielerorts fehlenden Automatisierung<br />
und dem Silodenken der Vergangenheit.<br />
Selbst das Ausstellen und Verlängern von<br />
Policen geschieht bei vielen Versicherern<br />
noch händisch, und Papierdokumente<br />
müssen erst einmal elektronisch erfasst<br />
werden.<br />
Autor www.bain.de<br />
Solvency II<br />
Die Karten werden neu gemischt<br />
Die Versicherer haben ihre Hausaufgaben<br />
gemacht. Zum 1.1.2016 greift die mehrmals<br />
verschobene, europäische Mammutreform<br />
"Solvency II". Die Branche folgt<br />
damit den Banken, die ihre Lehren aus den<br />
Finanzkrisen der letzten Jahre gezogen<br />
haben. Ziel ist ein besserer Verbraucherschutz.<br />
Viele erwarten eine Marktbereinigung<br />
- und höhere Preise. Das EU-Projekt<br />
Solvency II zwingt alle Versicherer, ihr Risikokapital<br />
nach modernen Verfahren neu<br />
zu ermitteln, ein verbessertes Risikomanagement<br />
einzurichten und eine Vielzahl<br />
zusätzlicher Berichte zu erstellen. Künftig<br />
bestimmt eine europaweit gültige "Standardformel"<br />
die Höhe des mindestens<br />
vorzuhaltenden Risikokapitals. Dabei steigen<br />
die Beiträge für einzelne Versicherungssparten<br />
zum Teil erheblich, da die<br />
Standardformel das Risiko der Unternehmen<br />
adäquater als bisher bemisst. "Als<br />
Folge können Verbraucherpreise z.B. bei<br />
Produkten mit Naturgefahrdeckungen wie<br />
der Wohngebäudeversicherung anziehen",<br />
sagt der Mathematiker und Aktuar Dietmar<br />
Kohlruss von der Beratungsgesellschaft<br />
Meyerthole Siems Kohlruss aus Köln.<br />
Durch Solvency II müssen die Versicherer<br />
ihre Kapitalverhältnisse nicht nur der Aufsichtsbehörde<br />
BaFin offenlegen, manche<br />
Informationen werden künftig auch öffentlich<br />
zugänglich sein. "Dadurch werden die<br />
Karten auch bei der Bewertung von Unternehmen<br />
in Ratings oder Produktvergleichen<br />
neu gemischt.“ Die Folge kann eine Veränderung<br />
in der bisherigen Versicherungslandschaft<br />
von ca. 400 Unternehmen in<br />
Deutschland sein. "Vom Markt verschwinden<br />
werden aber nur wenige Versicherer<br />
aufgrund von Solvency II. Die Reform legt<br />
aber bereits bestehende Schwachstellen<br />
auf. Es ist wie bei brüchigen Bäumen,<br />
von denen ein Fachmann bereits vor dem<br />
Sturm absehen kann, dass er fallen wird",<br />
sagt Kohlruss. Die Versicherungsunternehmen<br />
stöhnen unter dem immensen Aufwand,<br />
den ihnen der „Sturm“ Solvency II<br />
jetzt schon seit Jahren beschert hat.<br />
Diverse Umstellungen und teilweise überzogene<br />
Nachweispflichten sind nötig. Der<br />
Aufbau von Kompetenz für die neuen Berechnungen<br />
wird zur Pflicht. "Die Branche<br />
wird ein Stück weit mathematischer."<br />
Einige sehen die Reform als eine weitere<br />
Front im Papierkrieg, andere als "Zwang<br />
zum Glück" - zumal die Berechnungen<br />
auch dem Unternehmen eine neue Klarheit<br />
bringen. Den Verbrauchern gibt Solvency<br />
II ein Stück weit mehr Transparenz, wie<br />
Versicherer für Krisenzeiten ausgestattet<br />
sind. "Auch wenn dies in einigen Fällen für<br />
den Einzelnen höhere Preise bedeutet - am<br />
Ende kann es ein Gewinn für alle sein", sagt<br />
Dietmar Kohlruss. Autor www.aktuare.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
67
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
Terror, Cyber, Wetter:<br />
Deutschen Unternehmen drohen<br />
Höchstschäden<br />
Versicherungsmakler Aon Risk Solutions veröffentlicht<br />
Marktprognose für 2016<br />
Deutschen Unternehmen drohen in<br />
diesem Jahr Höchstschäden. „Islamistischer<br />
Terror, Cyber-Angriffe<br />
und Wetter-Katastrophen – das Problem<br />
bei all diesen Bedrohungen ist: Wenn ein<br />
Schadenfall eintritt, wird er in der Regel<br />
sehr teuer“, sagt Hartmuth Kremer-Jensen,<br />
Mitglied der Geschäftsführung bei<br />
Aon in Deutschland. Der Versicherungsmakler<br />
legte jetzt eine Marktprognose für<br />
das Jahr 2016 vor.<br />
Danach wird der islamistische<br />
Terrorismus<br />
in diesem Jahr<br />
staatliche Institutionen<br />
und Unternehmen<br />
in Deutschland<br />
vor große Herausforderungen<br />
stellen.<br />
„In den vergangenen<br />
Jahren war es<br />
häufig der Wachsamkeit<br />
der Sicherheitsbehörden<br />
oder<br />
glücklichen Umständen<br />
zu verdanken,<br />
dass Deutschland<br />
von großen Terroranschlägen<br />
verschont<br />
blieb. Doch<br />
die Ziele der Terroristen<br />
sind hierzulande<br />
die gleichen wie in Frankreich, in<br />
der Türkei und in Indien: Ereignisse mit<br />
großen Menschenansammlungen, Verkehrsknotenpunkte,<br />
sensible Infrastrukturen“,<br />
sagt Kremer-Jensen. Laut Aon<br />
müssen Behörden und Unternehmen<br />
daher vor allem in deutschen Großstädten<br />
wie Berlin als Hauptstadt, Hamburg,<br />
München und Frankfurt als Finanzdienstleistungsstandort<br />
ein besonderes Augenmerk<br />
auf das Thema Sicherheit legen.<br />
„Aber in diesem anspruchsvollen Absicherungssegment<br />
wird auch die Versicherungswirtschaft<br />
besonders gefordert<br />
sein. Innovative Ansätze zum Terrorismus-Risikomanagement,<br />
Gefährdungseinschätzungen<br />
sowie Risikomodelle mit<br />
Höchstschaden- und Schwachstellenanalysen<br />
bilden dann die Basis<br />
für Versicherungskonzepte,<br />
die der Bedrohung gerecht<br />
werden müssen“, sagt Kremer-Jensen.<br />
Auch die Cyber-Risiken der<br />
Unternehmen werden laut<br />
Aon-Prognose in diesem<br />
Jahr steigen – aufgrund des<br />
Trends zu Industrie 4.0. „Die<br />
Nutzung von miteinander<br />
kommunizierenden Maschinen<br />
in betrieblichen Produktions-<br />
und Bestellprozessen<br />
nimmt zu. Das stellt eine<br />
besondere Herausforderung<br />
für die Datensicherheit dar“,<br />
sagt Kremer-Jensen. Denn<br />
durch die fortschreitende<br />
Vernetzung würde die Verletzlichkeit<br />
der Unternehmen<br />
erhöht. Einen hundertprozentigen<br />
technischen Schutz gegen professionelle<br />
Hacker werde es aber nicht<br />
geben können. Die Versicherungsbranche<br />
sei somit gefordert, den Unternehmen ein<br />
effektives Risikomanagement kombiniert<br />
mit passenden Versicherungslösungen anzubieten.<br />
Wetter-Risiken stellen, so die<br />
Aon-Prognose, die dritte große Gefahr für<br />
68 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Unternehmen dar. „Überschwemmungen<br />
und Stürme werden auch im Jahr 2016<br />
schwere Schäden anrichten und die Firmen<br />
vor große Herausforderungen stellen.<br />
Denn die Versicherer sind nur begrenzt<br />
bereit, Versicherungsschutz zu gewähren.<br />
Und wenn sie dazu bereit sind, lassen sie<br />
es sich teuer bezahlen. Unternehmen werden<br />
daher bei der Suche nach Deckungsschutz<br />
sehr strategisch und zielorientiert<br />
vorgehen müssen“, sagt Kremer-Jensen.<br />
Die entscheidende Frage werde oft sein,<br />
ob bei besonders hoher Gefahrenlage –<br />
also großen wahrscheinlichen Höchstschäden<br />
– Zusatzabdeckungen sinnvoll seien.<br />
Autor www.aon.com/germany<br />
Ruhe vor dem Sturm:<br />
Wie fortschrittlich ist die PKV?<br />
Die Krankenversicherer müssen ihr<br />
Geschäftsmodell überarbeiten, und<br />
gerade jetzt ist die Zeit für wichtige<br />
interne Weichenstellungen. Gefühlt ist etwas<br />
Ruhe in die PKV-Branche eingekehrt.<br />
Die Politik hat das Thema Gesundheitspolitik<br />
und insbesondere die PKV im Jahr<br />
2015 quasi ausgeklammert. Kurzfristig<br />
sind aus gesetzlicher Richtung also weder<br />
zusätzliche Belastungen noch sinnvolle<br />
Weiterentwicklungen zu erwarten. Ebenso<br />
in der Presse haben die Negativschlagzeilen<br />
zur PKV deutlich abgenommen. Doch<br />
auch wenn die Branche heute einmal nicht<br />
im Rampenlicht steht, mangelt es nicht an<br />
Herausforderungen.<br />
Die größten Herausforderungen<br />
-Das Neugeschäft: Der jüngste Towers<br />
Watson Vertriebswege-Survey zeigt: Das<br />
Neugeschäft in der PKV ist 2014 erneut um<br />
10 Prozent gesunken. Unisex-Tarife und die<br />
gleichzeitige Senkung des Rechnungszinses<br />
haben die Beiträge sowohl für Männer als<br />
auch für Frauen deutlich ansteigen lassen.<br />
Damit ist das früher wichtige Verkaufsargument<br />
eines Beitragsvorteils gegenüber<br />
der GKV de facto verschwunden. Zugleich<br />
fehlen Ansätze für Produktinnovationen,<br />
die das Neugeschäft beflügeln könnten.<br />
• Der Bestand: Von 2010 bis 2014 betrug<br />
der Ausgabenanstieg je Versichertem<br />
in Deutschland etwa 15 Prozent. Das<br />
erzeugt Beitragssteigerungen für viele<br />
Privatversicherte, die deutlich über den<br />
Lohnsteigerungen liegen dürften.<br />
• Das Niedrigzinsumfeld: Was in der Lebensversicherung<br />
schon stärker sichtbar<br />
ist, wird auch die PKV auf breiter<br />
Front treffen: Es wird stärkere Rechnungszinsabsenkungen<br />
geben als bisher<br />
– zum Problem wird das für ältere<br />
Bestandskunden, die mit spürbaren<br />
Beitragsanpassungen rechnen müssen.<br />
Für jüngere Versicherte fehlen<br />
dagegen Zinsgewinne, die bisher zum<br />
Aufbau von individuellen Reserven für<br />
das Alter angespart wurden.<br />
Ausgabe 1/2016<br />
69
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
Die optimale Weichenstellung?<br />
In vielen kleinen Schritten!<br />
In erster Linie müssen sich die PKV-Unternehmen<br />
also fragen, wie sie die notwendigen<br />
Beitragsanpassungen für Bestandskunden<br />
in einem erträglichen Rahmen<br />
halten können. Ein Blick auf das kränkelnde<br />
Neugeschäft zeigt außerdem, dass sie<br />
potenziellen Neukunden bislang kein attraktives<br />
und zukunftssicheres Versicherungsprodukt<br />
zu bieten haben. An beiden<br />
Punkten lässt sich arbeiten.<br />
1.Kapitalanlagestrategien im Niedrigzinsumfeld:<br />
Eine Senkung des Rechnungszinses<br />
wird sich mittelfristig bei allen<br />
Krankenversicherern ergeben – je nach<br />
bestehender Kapitalanlage und Neuanlagevolumen<br />
wird dies bei einigen früher<br />
und stärker der Fall sein als bei anderen.<br />
Diese Entwicklung lässt sich nur mit mittel-<br />
und langfristigen Kapitalanlagestrategien<br />
beeinflussen: Die ideale Gewichtung<br />
von Aktien? Alternative Investments?<br />
Oder Kapitalanlagen in Infrastruktur? Um<br />
solche Überlegungen fundiert analysieren<br />
zu können, sind detaillierte Asset-Libility-Management<br />
(ALM) -Berechnungen<br />
notwendig. Diese Ansätze sind in der Lebensversicherung<br />
– nicht aber in der Krankenversicherung<br />
– schon lange Standard.<br />
Aber: Immer mehr Unternehmen haben<br />
sich in den letzten Jahren intensiv mit<br />
ALM-Berechnungen beschäftigt und sind<br />
bereits in der Lage, obige Fragestellungen<br />
für sich zu bewerten.<br />
2. Neugeschäft – Transparenz über<br />
Qualität und Stabilität: Bis auf wenige<br />
Ausnahmen ist insbesondere das Neugeschäft<br />
in der Vollversicherung bei fast<br />
allen Gesellschaften eingebrochen. Transparenz<br />
und die Abgrenzung von der breiten<br />
Masse werden immer wichtiger, um<br />
Neukunden zu gewinnen. Im Fokus einer<br />
transparenten Kommunikation sollten die<br />
Beitragsstabilität in der PKV sowie die<br />
Qualität ihrer Leistungen stehen. Dies<br />
macht aber auch angepasste Vertriebsansätze<br />
notwendig: Möglichkeiten, etwa die<br />
konsequente Ausrichtung auf eine spezielle<br />
Zielgruppe oder die stärkere Ausrichtung<br />
auf Zusatzversicherungen, sind vorhanden<br />
– der Vertrieb muss dementsprechend gesteuert<br />
werden.<br />
3. Einheitliches Leistungsmanagement:<br />
Es mag gute Gründe geben, warum in einzelnen<br />
Tarifen oder im Kulanzfall Zahlungen<br />
geleistet werden, die tariflich gar nicht zugesichert<br />
sind. Dennoch sollte genau analysiert<br />
und abgewogen werden, was dabei<br />
noch im Sinne des Versichertenkollektivs<br />
ist. Insbesondere für Gesellschaften mit<br />
einer Vielzahl von unterschiedlichen Tarifwerken<br />
ist ein einheitliches Leistungsmanagement<br />
schwierig, aber wichtig!<br />
Leistungsabteilungen müssen regelmäßig<br />
prüfen, ob das aktuelle Vorgehen in allen<br />
Tarifen richtig ist und dann eine Anpassung<br />
an die gesamte Strategie des Unternehmens<br />
vornehmen. Nur so können sie<br />
„die optimale Regulierung“ ermitteln und<br />
die Kosten im Sinne aller Versicherten gering<br />
halten. Der nächste Sturm in der PKV<br />
kommt bestimmt – wie gut ist die Branche<br />
darauf vorbereitet?<br />
Autor www.towerswatson.com/de<br />
Quelle: © yurolaitsalbert - Fotolia.com<br />
70 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Roland Berger-Studie: Kfz-Versicherer<br />
müssen sich neu erfinden –<br />
deutliche Marktkonsolidierung bis 2030<br />
Deutsche Kfz-Versicherer stehen<br />
vor einer großen Herausforderung.<br />
Denn Vergleichsportale, neue Geschäftsmodelle<br />
wie Carsharing, das vernetzte<br />
Fahrzeug und die zunehmende Verbreitung<br />
von Fahrzeugassistenzsystemen<br />
bis hin zum teilautonomen Fahren verändern<br />
schrittweise die traditionellen Marktregeln<br />
der eher konservativen Branche.<br />
Einige Autoversicherer haben zwar bereits<br />
begonnen, mit Einzelinitiativen ihr Geschäftsmodell<br />
digitaler und stärker kundenorientiert<br />
auszurichten.<br />
Dem Großteil fehlt aber noch eine strategische<br />
Zielvorstellung für<br />
ihr künftiges Geschäftsmodell<br />
unter den veränderten<br />
Marktbedingungen.<br />
In ihrer neuen<br />
Studie "Geschäftsmodell<br />
der Kfz-Versicherung im<br />
Umbruch" analysieren die<br />
Versicherungsexperten<br />
von Roland Berger, Jürgen<br />
Thiele und Dr. Carsten<br />
Schmidt-Jochmann, die<br />
Treiber des künftigen Kfz-<br />
Versicherungsmarkts und<br />
deren Auswirkungen auf<br />
das Geschäftsmodell. Zudem<br />
geben sie Empfehlungen,<br />
wie Versicherer<br />
darauf reagieren sollten,<br />
um weiterhin erfolgreich<br />
zu sein. Die Studie basiert<br />
auf Gesprächen mit rund<br />
30 Top-Entscheidern aus<br />
dem deutschen Kfz-Versicherungsmarkt.<br />
Quelle: © DragonImages - Fotolia.com<br />
"Veränderte Kundenpräferenzen und die<br />
zunehmende Digitalisierung rund um das<br />
Thema Mobilität werden die Versicherungslandschaft<br />
deutlich verändern", sagt Jürgen<br />
Thiele, Partner von Roland Berger. "Unter<br />
dem Druck, neue innovative Geschäftsmodelle<br />
zu entwickeln und effizienter zu werden,<br />
werden einige deutsche Versicherer<br />
in Zukunft vom Markt ausscheiden." Diese<br />
Einschätzung bestätigt auch die Roland<br />
Berger-Befragung: Knapp 60 Prozent der<br />
Entscheider rechnen bis 2030 mit einer<br />
starken Marktkonsolidierung. 1997 haben<br />
noch 132 Versicherungsunternehmen in<br />
Deutschland Kfz-Versicherungen angeboten,<br />
2013 waren es nur noch 96 und bis<br />
2030 wird diese Zahl nochmals spürbar<br />
sinken.<br />
Kooperationsfähigkeit<br />
wird zur Schlüsselkompetenz<br />
Durch die zunehmende Vernetzung<br />
von Fahrzeugen<br />
werden Automobilhersteller<br />
(OEMs) künftig zahlreiche<br />
Daten zu Fahrverhalten<br />
oder Defekten sammeln und<br />
neue Produkte sowie Dienstleistungen<br />
auf den Markt<br />
bringen können. Für Kfz-<br />
Versicherer sind solche Informationen<br />
etwa über Schadenereignisse<br />
oder Pannen<br />
ebenfalls wettbewerbsrelevant,<br />
zumal die zunehmende<br />
Ausstattung mit Sensoren<br />
oder Assistenzsystemen in<br />
den kommenden Jahren<br />
die Anzahl an Unfällen und<br />
Schäden reduzieren und in<br />
der Folge zu rückläufigen<br />
Prämieneinnahmen bei den<br />
Versicherern führen wird.<br />
"Der Wettlauf um Kunden und Daten wird<br />
durch attraktive Angebote für den Kunden<br />
entschieden", sagt Dr. Carsten Schmidt-<br />
Jochmann, Principal bei Roland Berger.<br />
"Doch beim vernetzten Kfz sitzen die Automobilhersteller<br />
im Fahrersitz." Versicherer<br />
müssen daher attraktive Angebote<br />
entwickeln, damit Kunden bereit sind, ihre<br />
Daten zu teilen. Ansonsten laufen sie Ge-<br />
Ausgabe 1/2016<br />
71
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
fahr, in eine permanente Abhängigkeit von<br />
OEMs oder anderen branchenfremden Akteuren<br />
zu geraten. Bis 2030 erwarten die<br />
befragten Branchenexperten für Telematikbasierte<br />
Kfz-Versicherungen einen Marktanteil<br />
von über 20 Prozent – davon ein großer<br />
Teil von branchenfremden Anbietern.<br />
Insbesondere der zunehmende Abschluss<br />
von Policen über Vergleichsportale setzt die<br />
Kfz-Versicherer unter Druck.<br />
Darüber hinaus stellt das wachsende Angebot<br />
von FinTech-Unternehmen ein noch<br />
schwer einzuschätzendes Bedrohungspotential<br />
für die Versicherungsbranche<br />
dar. Versicherer werden künftig stärker<br />
auf Kundenwünsche eingehen müssen und<br />
dabei verstärkt mit Kooperationspartnern<br />
zusammenarbeiten müssen, um Produkte<br />
und Dienstleistungen schnell und einfach<br />
on- und offline verfügbar zu machen.<br />
Innovationsmanagement als Teil des<br />
Geschäftsmodells<br />
Um auf neue Wettbewerber und deren innovative<br />
Geschäftsmodelle reagieren zu<br />
können, müssen Versicherer aktives und<br />
dauerhaftes Innovationsmanagement betreiben.<br />
Mehr als die Hälfte der für die Roland<br />
Berger-Studie Befragten ist der Meinung,<br />
dass zukünftig ein fester Anteil von<br />
zwei bis drei Prozent der Kfz-Prämieneinnahmen<br />
in Forschung & Entwicklung investiert<br />
werden wird. Den digitalen Wandel<br />
verfolgen deutsche Versicherer aktuell mit<br />
unterschiedlichen Ansätzen: Etwa 30 Prozent<br />
der Befragten haben bereits Gesellschaften<br />
für Innovationsmanagement gegründet.<br />
Rund zehn Prozent kooperieren<br />
oder betreiben eigene Inkubatoren oder<br />
Innovationslabs, um das eigene Geschäftsmodell<br />
mit neuen Ideen und Ansätzen weiterzuentwickeln.<br />
Darüber hinaus sollten<br />
die Unternehmen einen kulturellen Wandel<br />
vollziehen. "Eine Kultur des 'ausgesteuerten<br />
Scheiterns' ist nötig", sagt Jürgen Thiele.<br />
Das heißt, es werden gezielt mehrere Innovationsansätze<br />
gestartet und ausprobiert.<br />
Die, die funktionieren, werden fortgeführt,<br />
die anderen werden wieder 'ausgesteuert',<br />
also gestoppt. Das steigert die Agilität, um<br />
im digitalen Wettbewerbsumfeld künftig<br />
erfolgreich zu bestehen.<br />
"Gewinner werden die Versicherer sein,<br />
die bereits heute bereit sind, in die erforderlichen<br />
Innovationen und Anpassungen<br />
ihres Geschäftsmodells zu investieren",<br />
fasst Thiele zusammen. "Die Erschließung<br />
neuer Umsatzquellen in angrenzenden Geschäftsfeldern<br />
wird sich fortsetzen. Kooperationen<br />
und Partnerschaften mit Firmen<br />
außerhalb der Versicherungsbranche sind<br />
deshalb ein entscheidender Erfolgsfaktor."<br />
Autor www.rolandberger.de<br />
72 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Gute Aussichten:<br />
Sechs Prognosen zur Entwicklung von<br />
Run-off in der Versicherungswirtschaft<br />
Arndt Gossmann, Vorsitzender des<br />
Vorstands von Run-off-Versicherer<br />
DARAG, erwartet eine dynamische<br />
Entwicklung von Run-off in diesem Jahr.<br />
Seine Prognose: Das Transaktionsvolumen<br />
steigt 2016 erstmals auf über 4 Milliarden<br />
Euro und die ersten Einzel-Deals<br />
überspringen die 1-Milliarde-Euro-Marke.<br />
Das Jahr 2015 war kein Spaziergang für<br />
die europäischen Versicherer: Zunehmender<br />
Wettbewerbsdruck, zahlreiche<br />
M&A-Transaktionen und die Einführung<br />
von Solvency II haben die Branche in<br />
Atem gehalten. Insbesondere der Umgang<br />
mit eingestelltem Versicherungsgeschäft,<br />
auch Legacy oder Run-off genannt, wurde<br />
im Rahmen der Vorbereitung auf Solvency<br />
II zu einem Schlüsselthema für die Versicherer<br />
in Europa. Denn gemäß der neuen<br />
Regulierung müssen seit dem 1. Januar<br />
2016 auch Run-off-Bestände mit Eigenkapital<br />
hinterlegt werden. Arndt Gossmann,<br />
Vorsitzender des Vorstands der DARAG,<br />
erwartet jedoch nicht, dass der Run-off-<br />
Boom mit der Einführung von Solvency II<br />
ein Ende findet. Er wagt sechs Prognosen<br />
zur Entwicklung des Run-off-Sektors im<br />
Jahr 2016.<br />
Prognose 1:<br />
Gesamtvolumen der Deals überspringt<br />
2016 die 4-Milliarden-Euro-Marke<br />
„Wir glauben, dass der Run-off-Markt seinen<br />
Peak noch nicht erreicht hat, sondern<br />
weiter wachsen wird. 2016 könnte das<br />
Transaktionsvolumen erstmals auf über 4<br />
Milliarden Euro steigen“, sagt Gossmann.<br />
Der Run-off-Markt wuchs zwischen 2013<br />
und 2014 um das Achtfache auf 1,7 Milliarden<br />
Euro. Auch 2015 setzte sich der rasante<br />
Anstieg fort, als Grund nennt Gossmann<br />
die Vorbereitungen der Branche auf<br />
Solvency II. In der Folge wuchsen die Legacy-Bestände<br />
in den Büchern der europäischen<br />
Versicherer. Eine 2015 veröffentlichte<br />
Studie der Unternehmensberatung PwC<br />
zeigt, dass das Run-off-Volumen seit 2008<br />
um über 20 Prozent auf 247 Milliarden Euro<br />
angestiegen ist. Diese Trends werden sich<br />
auch 2016 fortsetzen, denn Run-off-Transaktionen<br />
haben sich als schneller und flexibler<br />
Weg zur Freisetzung von Eigenkapital<br />
bewährt.<br />
Prognose 2:<br />
Serie von Supertransaktionen – die<br />
ersten Run-off-Deals überschreiten<br />
die Grenze von einer Milliarde Euro<br />
„Auch nach der Einführung von Solvency II<br />
bleibt das Thema Eigenkapital-Effizienz auf<br />
der Agenda international agierender Versicherer.<br />
2016 könnte es den ersten Deal im<br />
Wert von einer Milliarde Euro geben, und<br />
das wird kein Einzelfall bleiben“, sagt Gossmann.<br />
Der Verkauf von Legacy-Beständen<br />
hat sich in den letzten Jahren als strategisches<br />
Instrument für das Eigenkapitalmanagement<br />
etabliert. „Aber um in der Bilanz<br />
eines global agierenden Versicherers<br />
überhaupt Wirkung zu entfalten, muss eine<br />
Transaktion eine gewisse Größe haben.<br />
Schon in den letzten Jahren sind die Transaktionsvolumina<br />
stetig gewachsen. Dieser<br />
Trend wird sich in den kommenden Jahren<br />
weiter fortsetzen“, so Gossmann.<br />
Prognose 3:<br />
Run-off als Best Practice im Versicherungswesen<br />
„Die Themen, die 2015 die Agenda der<br />
Versicherer bestimmt haben, werden uns<br />
auch 2016 weiter begleiten: fragmentierte<br />
Märkte, ein niedriges Zinsniveau sowie<br />
stagnierende Prämieneinnahmen. Und dieser<br />
Druck wird eher noch zunehmen. In<br />
diesem Umfeld hat sich die Abgabe von<br />
Run-off-Beständen als sinnvolles Instrument<br />
bewährt, mit dem Unternehmen<br />
ihre Konsolidierung vorantreiben können“,<br />
sagt Gossmann. Um die Eigenkapitalrendite<br />
zu verbessern, werden die Versicherer<br />
Ausgabe 1/2016<br />
73
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
immer öfter ihre Run-off-Bestände ins Visier<br />
nehmen. Die DARAG schätzt, dass in<br />
Europa etwa 80 bis 90 Milliarden Euro an<br />
Run-off für einen Transfer mittels Portfoliooder<br />
Unternehmensverkauf geeignet sind.<br />
„Schon 2015 hatten zahlreiche M&A-Transaktionen<br />
einen Run-off-Bestandteil. Diese<br />
Entwicklung wird sich eher noch verstärken,<br />
da gerade internationale Versicherer<br />
bei der Restrukturierung nicht nur einzelne<br />
Portfolios, sondern ganze Regionen oder<br />
Geschäftszweige auf den Prüfstand stellen“,<br />
sagt Gossmann.<br />
Prognose 4:<br />
Institutionelle Investoren entdecken<br />
Run-off<br />
„Im aktuellen Niedrigzins-Umfeld suchen<br />
immer mehr branchenfremde Anleger<br />
nach Möglichkeiten, in Versicherungsrisiken<br />
zu investieren“, beobachtet Gossmann.<br />
Insbesondere Private-Equity-Fonds<br />
investieren zunehmend in dieses Segment,<br />
das sich unabhängig von der Weltwirtschaft<br />
entwickelt und nicht mit traditionellen<br />
Assetklassen wie Aktien oder<br />
Rentenpapieren korreliert. Damit sind<br />
Versicherungsrisiken perfekt zur Diversifikation<br />
eines Portfolios<br />
geeignet. Gleichzeitig<br />
bieten sie eine attraktive,<br />
mit Qualitätsaktien<br />
vergleichbare Rendite<br />
– bei niedrigerer<br />
Volatilität und höherer<br />
Planbarkeit der Erträge.<br />
Laut einer Studie des<br />
Instituts für Versicherungswirtschaft<br />
an der<br />
Universität St. Gallen<br />
aus dem Jahr 2015 wollen<br />
institutionelle Investoren<br />
ihr Engagement<br />
in Versicherungsrisiken,<br />
den Insurance Linked<br />
Securities (ILS), in den<br />
nächsten fünf Jahren von 44,7 Milliarden<br />
US-Dollar auf 88,7 Milliarden US-Dollar<br />
verdoppeln.<br />
Prognose 5:<br />
Innovative und intelligente Lösungen<br />
für den Transfer<br />
„Die Versicherungswirtschaft sucht nach<br />
innovativen Lösungen, um Risiken abzugeben<br />
und die Eigenkapitalstruktur weiter<br />
zu verbessern. Run-off-Vehikel wie die<br />
neue EU-Plattform Run-off-Pad (R-pad) der<br />
DARAG bieten solche schlüsselfertigen Lösungen.<br />
Davon profitieren nicht nur die abgebenden<br />
Versicherer, sondern auch institutionelle<br />
Investoren. Versicherer können<br />
die Abgabe ihrer Run-off-Portfolios erheblich<br />
beschleunigen, während Investoren<br />
schneller, effizienter und einfacher in Versicherungsrisiken<br />
investieren können“, so<br />
Gossmann.<br />
Prognose 6:<br />
Sicherheit für Versicherungen<br />
„Die Konsolidierung im Versicherungsmarkt<br />
prägt auch den Wertekanon der<br />
Branche. Ohne gegenseitiges Vertrauen<br />
geht auch 2016 nichts“,<br />
so Gossmann. Gerade weil<br />
das Marktumfeld schwierig<br />
ist, bleibt der Reputationsschutz<br />
ein Grundpfeiler für<br />
den Erfolg. Auch die positive<br />
Entwicklung des noch<br />
jungen Run-off-Segments<br />
beruht nicht nur auf der erfolgreichen<br />
Regulierung der<br />
Branche, sondern auch auf<br />
dem professionellen und<br />
verlässlichen Umgang der<br />
Run-off-Spezialisten mit den<br />
übernommenen Risiken und<br />
Ansprüchen.<br />
74 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
Fazit<br />
Im Jahr 2009 hat sich die DARAG als erster<br />
Versicherer und Rückversicherer in<br />
Kontinentaleuropa auf die Übernahme von<br />
Run-off spezialisiert. Seitdem hat sich der<br />
Umgang der Branche mit eingestelltem<br />
Altgeschäft spürbar professionalisiert.<br />
Zwar stehen gerade die mittleren und<br />
kleinen Versicherer bei der Optimierung<br />
ihres Legacy-Geschäfts noch eher am Anfang.<br />
Dafür stehen ihnen heute bewährte<br />
Verfahren und Vehikel für den Umgang<br />
mit Run-off zur Verfügung. Gossmann ist<br />
daher zuversichtlich, dass sich der Markt<br />
auch in den kommenden Jahren weiter<br />
dynamisch entwickelt.<br />
Autor www.darag.de<br />
Arbeitgeberattraktivität:<br />
Versicherungen polieren ihr Image<br />
Der demografische Wandel erreicht die<br />
deutschen Versicherungsunternehmen und<br />
wird hier zunehmend als wesentliche Herausforderung<br />
erkannt. Der Wettbewerb<br />
um junge Talente und erfahrene Fachkräfte<br />
intensiviert sich, die Anstrengungen<br />
zur Steigerung der Arbeitsgeberattraktivität<br />
in der Branche nehmen deutlich zu.<br />
67rockwell Consulting stellt die aktuelle<br />
Studie „Arbeitgeberattraktivität von Versicherungen<br />
2015-2020“ vor, welche die Ergebnisse<br />
einer Online-Befragung unter den<br />
führenden deutschen und schweizerischen<br />
Versicherungen analysiert und zeigt die<br />
wesentlichen Handlungsfelder auf.<br />
Das Top-Thema „Arbeitgeberattraktivität“<br />
ist, wie in anderen Branchen<br />
auch, in der Versicherungsbranche<br />
angekommen<br />
Der demografische Wandel führt zu erheblichen<br />
Neubestzungen wichtiger Positionen<br />
in den nächsten Jahren, außerdem<br />
befinden sich die meisten Versicherer in<br />
tiefgreifenden Veränderungsprozessen.<br />
Dies führt dazu, dass mehr als 90 Prozent<br />
der Teilnehmer die Arbeit an einer attraktiven<br />
Arbeitgebermarke als wichtig einstufen.<br />
55 Prozent der Versicherungsunternehmen<br />
arbeiten derzeit an der Verbesserung<br />
ihres Images als Arbeitgeber, weitere 30<br />
Prozent planen zukünftig ihre Attraktivität<br />
als Arbeitgeber deutlicher in den Mittelpunkt<br />
der Rekrutierungsmaßnahmen zu<br />
stellen. Welche Eigenschaften werden von<br />
zukünftigen Mitarbeitern erwartet? Welche<br />
Leistungen stellen Versicherungen derzeit<br />
und zukünftig in den Fokus, um qualifizierte<br />
Mitarbeiter zu rekrutieren?<br />
Ausgabe 1/2016<br />
75
<strong>FinanzBusinessMagazin</strong> I VERSICHERUNGEN<br />
Talente werden nur innerhalb der<br />
Versicherungsbranche gesucht<br />
Nicht nur der Wettbewerb um Kunden,<br />
sondern auch um junge Talente und erfahrene<br />
Experten findet aktuell primär<br />
in der Branche statt. Dabei machen die<br />
zahlreichen Herausforderungen die Versicherungsbranche<br />
auch für Quereinsteiger<br />
anderer Branchen attraktiv. Insbesondere<br />
die fortschreitende Digitalisierung treffen<br />
die Versicherungsbranche in besonderer<br />
Weise: zum einen wird eine klare Positionierung<br />
der Unternehmen im Multi Channel<br />
Rekrutierung notwendig, zum anderen<br />
müssen Bewerber und Mitarbeiter ein<br />
ausgeprägtes IT-Verständnis mitbringen,<br />
um den gewachsenen technischen Anforderungen<br />
der digitalisierten Arbeitswelt<br />
besser gerecht zu werden. Innovative<br />
Ansätze im Recruiting, die identifizierten<br />
Zielgruppen zu erreichen, sind aktuell wenig<br />
verbreitet. Apps spielen kaum eine<br />
Rolle. Die Präsenz auf Xing und LinkedIn<br />
wird derzeit kaum für die aktive Ansprache<br />
von Kandidaten genutzt.<br />
„Berufseinsteiger, die eine Ausbildung als<br />
Versicherungskauffrau oder -kaufmann<br />
anstreben, können sowohl heute, als auch<br />
in kommenden Jahren mit sehr guten Einstiegschancen<br />
bei Versicherern rechnen<br />
– insbesondere bei einer ausgewiesenen<br />
Affinität zur Mathematik und Informatik.<br />
Dies gilt auch für Akademiker mit Bachelor<br />
oder Master sowie für erfahrene Fachexperten“,<br />
so Roland Krüger, Manager<br />
bei 67rockwell Consulting und Leiter der<br />
Studie. „Das Versprechen spannende Aufgaben,<br />
ein wettbewerbsfähiges Gehalt,<br />
interessante Personalentwicklungsmaßnahmen<br />
sowie eine zunehmende Flexibilität<br />
hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsplatz<br />
zu gewährleisten, reicht nicht mehr aus<br />
um in dem Wettbewerb um qualifiziertes<br />
Personal zu bestehen“, bewertet Krüger<br />
ein wesentliches Ergebnis.<br />
Quelle: © Christian Schwier - Fotolia.com<br />
Sind die großen Veränderungsprozesse<br />
allein mit Fachkräften und Auszubildenden<br />
umzusetzen?<br />
Hoher Personalbedarf besteht nach Einschätzungen<br />
der Experten insbesondere<br />
bei Versicherungs-experten/erfahrenen<br />
Fachkräften sowie Auszubildenden. Der<br />
vielzitierte Fachkräftemangel zeigt sich<br />
auch in der Versicherungsindustrie. Erfahrene<br />
Kollegen scheiden aus Altersgründen<br />
aus, fachlich hinreichend qualifizierte<br />
Führungskräfte aus den eigenen Häusern<br />
stehen nicht ausreichend zur Verfügung.<br />
Vor dem Hintergrund der tiefgreifenden<br />
Veränderungsprozesse in denen sich die<br />
Versicherungsindustrie befindet, ist nicht<br />
nachvollziehbar, warum das „Suchradar“<br />
der Versicherer auf Fachexperten und<br />
Auszubildende ausgerichtet ist und nicht<br />
auf Generalisten mit MBA-Abschlüssen.<br />
„In den Bereichen Vertrieb und IT wird<br />
der jetzt schon hohe Personalbedarf bis<br />
2020 deutlich ansteigen. Hier sind entsprechend<br />
attraktive Angebote für die Bewerber<br />
notwendig und zu erwarten“, stellt<br />
Dr. Michael Reich, Geschäftsführender<br />
Gesellschafter von 67rockwell Consulting<br />
76 Ausgabe 1/2016
VERSICHERUNGEN I <strong>FinanzBusinessMagazin</strong><br />
fest. Dagegen erwarten die Personaler der<br />
befragten Versicherungsunternehmen einen<br />
Rückgang des Personalbedarfes im<br />
Versicherungsbetrieb, dem Kundenservice<br />
sowie im Marketing. „Hier sind die Unternehmen<br />
zuversichtlich, dass die eingeleiteten<br />
Digitalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen<br />
den gewünschten<br />
Umsetzungserfolg bringen“, so Reich.<br />
Mathematiker sind trotz<br />
digitalem Wandel sehr begehrt<br />
Digitalisierung stellt aktuell in der Versicherungsbranche<br />
die zentrale Herausforderung<br />
dar, deshalb ist es nachvollziehbar,<br />
dass die am stärksten gesuchte<br />
Berufsgruppe heute und in den kommenden<br />
Jahren die Experten für Informationstechnologie<br />
sind. Auch Experten der<br />
Versicherungsmathematik sind sehr gefragt,<br />
hier ist jedoch fraglich, inwieweit<br />
der Bedarf zukünftig zurückgehen wird,<br />
infolge direkter Einflüsse aus der Digitalisierung<br />
auf die Produktentwicklung. Es<br />
ist davon auszugehen, dass dieser Bedarf<br />
in absehbarer Zeit signifikant schrumpfen<br />
wird, infolge einfacher, direktabsatzfähiger<br />
Produkte. Kurzfristig ist aus der<br />
Sicht von 67rockwell Consulting eher<br />
ein Aufbau von Kompetenzen in den Bereichen<br />
IT, Unternehmensentwicklung sowie<br />
Projektmanagement notwendig.<br />
Einsatz und Veränderungsbereitschaft<br />
sind gefragter als Führungskompetenz<br />
Die Versicherungsbranche verändert<br />
sich sehr stark, so dass es folgerichtig<br />
erscheint, Kompetenzen wie die Veränderungsbereitschaft,<br />
Flexibilität sowie<br />
Agilität zu suchen. Nicht nachvollziehbar<br />
dagegen ist, dass wenig Mitarbeiter mit<br />
Umsetzungsstärke sowie Prozess- und<br />
Projektmanagementskills gesucht werden.<br />
Da derzeit im Schwerpunkt Auszubildende<br />
und junge Akademiker gesucht<br />
werden, lassen sich schon heute erhebliche<br />
Anforderungen für Personalentwicklungsabteilungen<br />
prognostizieren.<br />
Da die Personalentwicklungsbereiche<br />
der Versicherer, ähnlich wie alle anderen<br />
„Backoffice-Funktionen“ des Unternehmens,<br />
den Kostensenkungsmaßnahmen<br />
unterliegen, dürften sich hier nach Einschätzung<br />
von 67rockwell Consulting,<br />
größere Probleme in der Qualifizierung<br />
junger Mitarbeiter ergeben.<br />
Autor www.67rockwell.de<br />
Ausgabe 1/2016<br />
77
+ Substanzkraft + Produktqualität + Service +<br />
DFSI-STUDIE<br />
2015/16<br />
Qualitätsrating der<br />
Privaten Krankenversicherung<br />
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