WIRTSCHAFT+MARKT 2/2016
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27. Jahrgang | Heft 2 | März/April <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
OSTPRODUKTE<br />
DIE UNHEIMLICHE<br />
RENAISSANCE<br />
mit<br />
Motorenwerk Kölleda:<br />
Herz einer Region<br />
W+M<br />
Sachsen-Anhalt<br />
WindNODE:<br />
Energie aus dem Norden<br />
Bilanz vor der Wahl:<br />
Reiner Haseloff<br />
Davos in Bad Saarow:<br />
Ostdeutsches Wirtschaftsforum<br />
Management:<br />
Der Honecker-Effekt<br />
Travel:<br />
Tipps für Geschäftsreisen
WACHSTUM<br />
WIR SPRECHEN<br />
VON ZUKUNFT!<br />
SAVE<br />
THE<br />
DATE<br />
20./21. OKTOBER <strong>2016</strong><br />
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum zum Thema Wirtschaftsstrategien für die Zukunft<br />
findet am 20. und 21. Oktober <strong>2016</strong> in Bad Saarow statt. Teilnahme nur auf Einladung.<br />
Bei Interesse senden Sie eine Nachricht an einladung@OWF<strong>2016</strong>.de.<br />
www.OstdeutschesWirtschaftsForum.dewww.OWF<strong>2016</strong>.de
EDITORIAL | 3<br />
Zukunft mit<br />
Clustern und<br />
Ostprodukten<br />
Foto: Torsten George, Titelfotos: Hako-Gruppe (oben), Rotkäppchen (Mitte links), Werder Feinkost (Logo Mitte rechts), Mara Zemgaliete/fotolia.com (Mitte rechts), Mika (unten links), Halloren Schokoladenfabrik AG (unten Mitte), Meissen (unten rechts)<br />
Karsten Hintzmann<br />
Chefredakteur<br />
KH@WundM.info<br />
Neben all den internationalen Turbulenzen,<br />
die sich in den vergangenen<br />
Monaten direkt auch auf<br />
die wirtschaftliche Entwicklung in den<br />
neuen Bundesländern ausgewirkt haben,<br />
standen vielerorts Rückblicke auf<br />
das Erreichte nach 25 Jahren deutscher<br />
Einheit auf der Tagesordnung. Auch unser<br />
Magazin widmete sich umfassend<br />
diesem Thema in der sechsteiligen Serie<br />
„Land der Wunder“. Doch jetzt, im<br />
Jahr <strong>2016</strong>, richten wir den Blick wieder<br />
klar nach vorn. Wir befassen uns<br />
schwerpunktmäßig mit den Zukunftschancen<br />
des Wirtschaftsstandortes<br />
Ostdeutschland. Beginnend mit Sachsen-Anhalt<br />
beleuchten wir in den kommenden<br />
Ausgaben perspektivreiche<br />
Cluster und Branchen in den einzelnen<br />
Ländern und analysieren den Einsatz<br />
spezifischer Förderinstrumente durch<br />
die zuständigen Akteure auf landespolitischer<br />
Ebene.<br />
Es ist wirklich erstaunlich, wie zukunftsorientiert<br />
der Mittelstand in Sachsen-<br />
Anhalt aufgestellt ist. Das betrifft bei<br />
weitem nicht nur die traditionell starke<br />
chemische Industrie, die Land- und Ernährungswirtschaft<br />
oder den Maschinen-<br />
und Anlagenbau. Bei den Recherchen,<br />
die wir in dem Land zwischen<br />
Salzwedel und Naumburg durchgeführt<br />
haben, überraschte besonders, wie eng<br />
der eher kleinteilige Mittelstand inzwischen<br />
mit den über 20 Forschungseinrichtungen<br />
kooperiert. Hier geht es<br />
nicht nur um qualifizierten Fachkräftenachschub,<br />
sondern um die Entwicklung<br />
von Produkten, mit denen selbst kleine<br />
Firmen zu Weltmarktführern werden.<br />
Da ist beispielsweise das Unternehmen<br />
„f/glass“ aus Osterweddingen, das eisenarmes<br />
Spezialglas für die Fassade<br />
des neuen One World Trade Centers in<br />
New York hergestellt hat und Hochhäuser<br />
in aller Welt ausstattet. Oder die Firma<br />
Aimess Service GmbH in Burg, die<br />
die Welt der industriellen Messtechnik<br />
revolutioniert hat. Nicht zu vergessen<br />
die Wiederauferstehung der Marke<br />
ORWO. Der nach der deutschen Einheit<br />
zunächst untergegangene frühere DDR-<br />
Farbfilmmonopolist ist heute der zweitgrößte<br />
Fotodienstleister in Deutschland.<br />
Apropos ORWO – unsere Titelgeschichte<br />
befasst sich mit der Renaissance der<br />
Ostprodukte. Wie passt dieses Thema<br />
mit der oben angekündigten Zukunftsausrichtung<br />
zusammen? Ideal. Denn<br />
wir haben festgestellt, dass viele der<br />
unter dem weiten Begriff Ostprodukte<br />
gefassten Erzeugnisse nicht deshalb<br />
heute noch auf dem Markt sind, weil es<br />
besonders viele Nostalgiker unter den<br />
Kunden gibt. Nein, die meisten dieser<br />
Produkte haben sich weiterentwickelt,<br />
eine neue und höhere Qualität erreicht<br />
und sich damit im harten Wettbewerb<br />
durchgesetzt. Beispiellos ist etwa die<br />
Entwicklung, die sich in der sächsischen<br />
Kleinstadt Glashütte vollzogen hat. Dort<br />
wird mehr als nur an 170 Jahre Uhrmachertradition<br />
angeknüpft. Glashütte ist<br />
heute einer der international führenden<br />
Standorte für die Produktion meisterlicher<br />
Luxusuhren.<br />
W+M<br />
www.WundM.info
4 | W+M INHALT<br />
W+M TITELTHEMA<br />
Ostprodukte –<br />
die unheimliche Renaissance...........26<br />
W+M AKTUELL<br />
Köpfe......................................................................... 6<br />
Nachrichten............................................................... 8<br />
W+M SCHWERPUNKT SACHSEN-ANHALT<br />
Report: Vernetzung von<br />
Wirtschaft und Wissenschaft..................................10<br />
Cluster mit Perspektive:<br />
Chemie, Maschinenbau, Forschung........................11<br />
Bilanz: Interview mit<br />
Ministerpräsident Reiner Haseloff...........................14<br />
Management<br />
Der Honecker-Effekt<br />
54<br />
W+M LÄNDERREPORTS<br />
Thüringen: Daimler-Motorenwerk<br />
als Herz einer ganzen Region...................................18<br />
Brandenburg: Nahverkehr<br />
auf unsicherem Fundament.................................... 20<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Saure Zeiten für Käse... 22<br />
Ostdeutschland: Frischer Wind mit WindNODE.... 24<br />
W+M TITELTHEMA<br />
Report: Die unheimliche Renaissance.................... 26<br />
Aus dem Norden: Rügener Badejunge<br />
und Grabower Schokokuss..................................... 28<br />
Exportschlager: Ostdeutsche Biere........................ 29<br />
Tradition: Spreewälder Gurken<br />
und Ketchup aus Werder..........................................30<br />
Unverwüstlich: Mifa-Räder und Multicar...................32<br />
42<br />
Davos in Bad Saarow<br />
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum<br />
Impressum<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />
Ausgabe 2/<strong>2016</strong><br />
Redaktionsschluss: 12.02.<strong>2016</strong><br />
Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH<br />
Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />
Tel.: 030 479071-27<br />
Fax: 030 479071-22<br />
www.WundM.info<br />
Herausgeber/Geschäftsführer:<br />
Frank Nehring, Tel.: 030 479071-11<br />
FN@WundM.info (Alleiniger Inhaber und<br />
Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />
Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />
Tel.: 030 479071-21, KH@WundM.info<br />
Redaktion: Janine Pirk-Schenker, Tel.: 030 479071-21,<br />
JP@WundM.info, Anja Strebe, 030 479071-27,<br />
AS@WundM.info, Adrian M. Darr, Tel.: 030 479071-24,<br />
AD@WundM.info<br />
Autoren: Dr. Ulrich Conrad, Harald Lachmann, Rudolf<br />
Miethig, Tomas Morgenstern, Matthias Salm,<br />
Thomas Schwandt<br />
Abo- und Anzeigenverwaltung: Janine Pirk-Schenker,<br />
Tel.: 030 479071-21, JP@WundM.info<br />
Marketing/Vertrieb: Kerstin Will, Tel.: 030 479071-24<br />
KW@WundM.info<br />
Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und<br />
Abonnementpreis:<br />
Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint<br />
zweimonatlich. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />
der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />
und Berlin sowie die Mitglieder des Vereins Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler (VBIW)<br />
erhalten diese Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />
Einzelpreis: 5 €, Jahresabonnement (Inland):<br />
30 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement<br />
(Ausland): 30 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />
Layout & Design: Möller Medienagentur GmbH,<br />
www.moeller-mediengruppe.de<br />
Druck: Möller Druck und Verlag GmbH, ISSN 0863-5323<br />
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur<br />
mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />
Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen<br />
nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />
Für unverlangt eingesandte Manuskripte und<br />
Fotos übernehmen wir keine Haftung.<br />
Fotos: Rolf Wenkel/pixelio.de (oben), A-Rosa (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
W+M INHALT | 5<br />
Hier lebt die Zeit: Uhren aus Glashütte......................33<br />
Luxus und Alltag: Porzellan aus Meißen und Kahla...34<br />
Halle schmeckt: Kathi und Halloren...........................35<br />
Exportschlager: Suhler Jagdwaffen<br />
und Rotkäppchen.......................................................36<br />
14<br />
Bilanz-Interview vor der Wahl<br />
Ministerpräsident Reiner Haseloff<br />
W+M POLITIK<br />
ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland.......... 38<br />
Pro und Contra: Braucht Deutschland<br />
eine Reform der Leiharbeit und Werkverträge?..... 39<br />
Vor den Landtagswahlen:<br />
Bleibt das große Stühlerücken aus?........................ 40<br />
Davos in Bad Saarow:<br />
Die Zukunft der ostdeutschen Wirtschaft.............. 42<br />
Kommentar: 25 Jahre Aufbau Ost – wie weiter?.... 43<br />
Kommunale Finanzen:<br />
Aktuelle Probleme und Lösungsansätze................ 44<br />
26<br />
Titel Ostprodukte<br />
Keine Feier ohne Rotkäppchen<br />
W+M RATGEBER<br />
Travelmanagement: Tipps und Trends.................... 46<br />
Recht: Urteile für Unternehmer.............................. 50<br />
Management:<br />
Wissenswertes für Führungskräfte........................ 52<br />
Personalmanagement: Der Honecker-Effekt.......... 54<br />
Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste<br />
für Wirtschaftsliteratur............................................ 56<br />
Mobilität: Das Auto und seine Zukunft................... 58<br />
W+M NETZWERK<br />
VBIW: Aktuelles aus dem Verein............................ 60<br />
Neues aus den Unternehmerverbänden................. 62<br />
W+M PORTRÄTS<br />
Fotos: W+M (oben), Harald Krieg (Mitte), Dow Wolff Cellulosics (unten)<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Erfolgreiche Cluster<br />
10<br />
Mike Fischer: Passionierter Querdenker................. 64<br />
Markus Lukasson: Ambitionierter Gründer............. 65<br />
W+M DIE LETZTE SEITE<br />
Ausblick und Personenregister............................... 66<br />
W+M WEITERE BEITRÄGE<br />
Editorial...................................................................... 3<br />
Impressum................................................................ 4<br />
Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt die Regionalausgabe<br />
W+M Sachsen-Anhalt bei. Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
6 | W+M KÖPFE<br />
K<br />
Ö<br />
P<br />
F<br />
E<br />
Jörg Brückner (57)<br />
Präsident aus Dresden<br />
Der geschäftsführende Gesellschafter<br />
und Sprecher der Geschäftsführung der<br />
KWD Kupplungswerk Dresden GmbH trat<br />
im Januar die Präsidentschaft in der Vereinigung<br />
der Sächsischen Wirtschaft e. V.<br />
(VSW) an. Deren Mitgliederversammlung<br />
hatte ihn im November in geheimer Wahl<br />
einstimmig zum Nachfolger von Bodo<br />
Finger gewählt. Brückner, von Haus aus<br />
Maschinenbauingenieur, steht seit 2014<br />
auch als Präsident dem Unternehmerverband<br />
SachsenMetall vor, der die Interessen<br />
der Arbeitgeber des mit 172.000 Beschäftigten<br />
größten sächsischen Industriezweiges<br />
vertritt. Die KWD Kupplungswerk<br />
Dresden GmbH beschäftigt rund<br />
190 Mitarbeiter und bietet eine komplette<br />
Produktpalette für alle mechanischen<br />
und hydrodynamischen Kupplungen sowie<br />
Antriebslösungen für den Schienenfahrzeugbau.<br />
Karen Kiffner (43)<br />
Weißbacher Pferdeexpertin<br />
Seit die Thüringerin neun Jahre jung war,<br />
verging kaum ein Tag, da sie nicht mit<br />
Pferden zu tun hatte. Das prägte auch<br />
ihren beruflichen Werdegang. Sie lernte<br />
Sattlerin bei einem Hufschmied, absolvierte<br />
eine Ausbildung zur Physiotherapeutin,<br />
was ihr heute bevorzugt auch bei<br />
ihrer selbstständigen therapeutischen Arbeit<br />
etwa mit Kindern nutzt – und sie entdeckte<br />
vor einigen Jahren noch ein weiteres<br />
unternehmerisches Metier für sich<br />
und ihre Rösslein: Als Holzrückerin in Thüringer<br />
Forsten transportiert sie gefällte<br />
Stämme umweltschonend und flexibel<br />
so zu den Waldwegen, dass sie hier dann<br />
von Lkw-Kranen aufgenommen werden<br />
können. Mit insgesamt sechs Pferden<br />
lebt die Reiterin, die man bundesweit<br />
auch als verwegene Amazonen- und<br />
Trickreiterin kennt, heute auf dem früheren<br />
Rittergut Rothvorwerk in Weißbach<br />
bei Stadtroda. Von hier aus möchte sie<br />
diesen forstlichen Erwerbszweig nun<br />
spürbar ausbauen.<br />
Manfred Anders (52)<br />
Leipziger Buchretter<br />
Es gibt den Feuerwehrnotruf, die Polizei-Hotline,<br />
den medizinischen Notfalldienst<br />
– und es gibt den Notruf des<br />
Zentrums für Bucherhaltung (ZfB). Sieben<br />
Tage die Woche und rund um die<br />
Uhr sind dort der promovierte Chemiker<br />
Manfred Anders und sein 35-köpfiges<br />
Team für meist hochbetagte „Patienten“<br />
erreichbar. Denn sie beherrschen<br />
alles, was dem Erhalt bibliophiler<br />
Schätze dient: Entsäuerung, Schimmelbeseitigung,<br />
Papierrestaurierung, Tintenfraßbehandlung.<br />
Ohne ihren Rund-umdie-Uhr-Einsatz<br />
wären etwa nach dem<br />
verheerenden Brand 2004 in der Anna-<br />
Amalia-Bibliothek Weimar zehntausende<br />
einzigartige Bände unrettbar verloren gewesen.<br />
Da zudem zwei Drittel der historischen<br />
Buchbestände in Deutschland<br />
papiertechnisch bedingt „versäuert“,<br />
also zerfallsgefährdet sind, entwickelten<br />
die Leipziger ein bezahlbares Verfahren<br />
zur Massenentsäuerung, das auch international<br />
gut nachgefragt ist.<br />
Hubert Wolf (46)<br />
IT-Spezialist aus Meuselwitz<br />
Der kreative Gründer und Kopf eines der<br />
führenden ostdeutschen Unternehmen in<br />
der Informationstechnologie wurde im<br />
Januar als „Mitteldeutscher Familienunternehmer<br />
des Jahres“ geehrt. Der<br />
gelernte Elektronikfacharbeiter hatte<br />
1991 sein Studium an der Technischen<br />
Universität Chemnitz abgebrochen, um<br />
den Sprung in die Selbstständigkeit zu<br />
wagen. Und er hatte Erfolg. Auf einem<br />
hart umkämpften Markt fertigten seine<br />
338 Mitarbeiter im zurückliegenden Geschäftsjahr<br />
85.400 Computer, Laptops<br />
und Tablets, die Wolf bei bundesweit 300<br />
Händlern platzieren konnte. Für das neue<br />
Geschäftsjahr avisiert der Thüringer, der<br />
auch Präsident des Fußballregionalligisten<br />
ZFC Meuselwitz ist, eine Umsatzsteigerung<br />
von 149 auf nunmehr 178 Millionen<br />
Euro. Zudem will er in das Geschäft<br />
mit Cloud Computing einsteigen.<br />
Fotos: VSW/ Steffen Füssel (links), Harald Lachmann (Mitte), Foto-Studio Hirsch Zeitz (rechts)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
W+M KÖPFE | 7<br />
Fotos: SPD-Bundestagsfraktion (links), Berliner Volksbank (Mitte), Torsten George (rechts)<br />
Wolfgang Tiefensee (61)<br />
Thüringens Wirtschaftsminister<br />
Der gebürtige Geraer, der lange in Sachsen<br />
lebte und von 1998 bis 2005 Oberbürgermeister<br />
in Leipzig war, ehe er als Verkehrsminister<br />
und Bundesbeauftragter für die<br />
neuen Länder (2005–2009) im ersten Merkel-Kabinett<br />
diente, scheint endgültig zu seinen<br />
Thüringer Wurzeln zurückgekehrt. Thüringen<br />
stehe besser da, als sein Ruf sei –<br />
und auch „viel besser als Sachsen“, sagt er<br />
ein Jahr nach Start der rot-rot-grünen Landesregierung<br />
in Erfurt. Inzwischen höre er<br />
auch von vielen Unternehmern, dass man<br />
„wesentlich wirtschaftsfreundlicher ist als<br />
die CDU-geführte Regierung unter Christine<br />
Lieberknecht“. Für Tiefensee ist Thüringen<br />
der Industriemotor Ostdeutschlands. Man<br />
habe bundesweit den höchsten Anteil an<br />
Industriearbeitsplätzen je tausend Einwohner<br />
und liege auch beim Anteil der Industrie<br />
an der wirtschaftlichen Wertschöpfung, bei<br />
der Erwerbstätigenquote und den Patentanmeldungen<br />
bundesweit mit an der Spitze.<br />
Daniel Keller (40)<br />
Berliner Banker<br />
Daniel Keller ist seit 1. Januar <strong>2016</strong> stellvertretendes<br />
Vorstandsmitglied der Berliner<br />
Volksbank. Er verantwortet die Bereiche<br />
Recht/Gesetzliche Kontrollen<br />
und Compliance und übernahm planmäßig<br />
das Ressort Finanzen von Stefan<br />
Gerdsmeier (57), der die Genossenschaftsbank<br />
zum Jahreswechsel verlassen<br />
hat. Daniel Keller ist seit 1995 für<br />
die Berliner Volksbank in verschiedenen<br />
Vertriebs- und Führungspositionen tätig.<br />
Unter der Führung des ausscheidenden<br />
Vorstandsmitglieds Gerdsmeier verantwortete<br />
Daniel Keller von 2009 bis 2013<br />
den Bereich Finanzen und richtete in dieser<br />
Zeit den Bereich als integrierte Finanzfunktion<br />
aus. Bis Ende September<br />
2015 leitete er den Bereich Betriebsorganisation.<br />
Dort verantwortete er unter<br />
anderem die Ausrichtung der Geschäftsprozesse<br />
auf die Anforderungen der digitalisierten<br />
Welt.<br />
IN MEMORIAM<br />
Edgar Most (75)<br />
Der letzte Vizepräsident der DDR-<br />
Staatsbank, Mitbegründer der Deutschen<br />
Kreditbank und ranghöchster<br />
Manager der Deutschen Bank mit<br />
ostdeutscher Biografie starb bereits<br />
am 12. Dezember 2015. Edgar Most,<br />
der 1940 als Sohn einer thüringischen<br />
Bergarbeiterfamilie in Tiefenort<br />
zur Welt kam, galt aufgrund seiner<br />
Führungserfahrungen in Banken<br />
zweier Gesellschaftssysteme sowie<br />
seines exzellenten Netzwerks bis zuletzt<br />
als wichtiger politischer Ratgeber.<br />
Nach seiner Pensionierung bei<br />
der Deutschen Bank im Jahr 2004<br />
setzte er sich mit ganzer Kraft für<br />
die Verbesserung der deutsch-russischen<br />
Wirtschaftsbeziehungen ein.<br />
12. – 13. April <strong>2016</strong> An zwei Tagen Fachmesse und Kongress erwartet Sie ein spannendes<br />
Programm u.a. mit folgenden Themen:<br />
Verkehr, Kommunikation & Energie<br />
Infrastrukturen für urbane Räume der Zukunft – zukünftige<br />
Verkehrssysteme & Infrastrukturen<br />
Szenarien & Prognosen: Mobilität 2035<br />
Realität der Fahrzeugautomatisierung <strong>2016</strong> – aktueller Stand<br />
der Technik<br />
Podiumsdiskussion: Vernetzung und Automatisierung – Wachstumsmaschine<br />
oder „Herausforderung“ für die Automobilindustrie?<br />
Weiterhin bietet ein offenes Forum und eine Start up – Area jede<br />
Menge Ideen und Impulse zur zukünftigen Mobilität.<br />
Frühbucherpreise bis 23. März <strong>2016</strong> –<br />
Buchen Sie online: www.new-mobility-leipzig.de<br />
Parallel zur AMI 9. bis 17. April <strong>2016</strong>
8 | W+M NACHRICHTEN<br />
ENDE DER<br />
„GLÄSERNEN“<br />
PRODUKTION<br />
Blick über die Dächer Leipzigs bei Nacht.<br />
IMMOBILIENPREISE STEIGEN WEITER<br />
Leipzig/Dresden. Grundstücke und<br />
Wohneigentum in Leipzig und Dresden<br />
werden zunehmend teurer. Dagegen<br />
stagnieren die Preise vorerst noch<br />
in Chemnitz und in vielen Landkreisen<br />
oder gehen infolge demografischer Ursachen<br />
sogar zurück – so ein Fazit aus<br />
dem ersten sächsischen Grundstücksmarktbericht,<br />
den das Innenministerium<br />
zum Jahresende vorgestellt hatte.<br />
So kostete eine Eigentumswohnung<br />
2015 in Leipzig pro Quadratmeter<br />
2.985 Euro, in Dresden 2.879 Euro.<br />
MEHR GRÜNDER<br />
– WENIGER INVESTITIONEN<br />
Potsdam. Eine verstärkte Gründeraktivität,<br />
eine wachsende Zahl von Unternehmensnachfolgen<br />
und ein investitionsfreudiges<br />
Handwerk haben der Bürgschaftsbank<br />
Brandenburg zum dritten Mal in Folge<br />
das beste Neugeschäft aller Bürgschaftsbanken<br />
in Ostdeutschland beschert. 288<br />
Bürgschaften und damit verbundene Kredite<br />
und Beteiligungen in Höhe von 71,3 Millionen<br />
Euro verbuchte das Institut im Geschäftsjahr<br />
2015. Gleichzeitig registrierte<br />
die Bürgschaftsbank 2015 eine sinkende<br />
Nachfrage nach gewerblichen Krediten und<br />
die Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen.<br />
„Bei der anhaltend wirtschaftlich<br />
guten Lage im Land finanzieren Unternehmen<br />
ihre Investitionen aus eigenen Mitteln“,<br />
erklärt Miloš Stefanović, Geschäftsführer<br />
der Bürgschaftsbank, den Trend.<br />
Vor allem in Innenstadtnähe schießen in<br />
den beiden – nach Berlin – größten ostdeutschen<br />
Metropolen die Grundstückspreise<br />
nach oben. Dagegen sinken teils<br />
sogar im Umland der beiden Großstädte<br />
die Quadratmeterpreise für Ein- und<br />
Zweifamilienhäuser. Im Landkreis Nordsachsen<br />
betragen sie derzeit im Schnitt<br />
nur noch 726 Euro (2013: 806 Euro). Für<br />
den Bericht hatte das Land gut 45.000<br />
notariell beurkundete Kaufverträge mit<br />
einem Gesamtumsatz von sechs Milliarden<br />
Euro auswerten lassen.<br />
AUTOZULIEFERER MITEC<br />
GEWINNT PROZESS<br />
Eisenach. Der Thüringer Autozulieferer<br />
Mitec AG hat einen wichtigen Erfolg errungen.<br />
Auch in zweiter Instanz siegte das<br />
Eisenacher Unternehmen in einem bereits<br />
sechs Jahre dauernden Rechtsstreit gegen<br />
den Weltkonzern Ford, weil dieser<br />
Geschäftsgeheimnisse an einen Konkurrenten<br />
weitergegeben hatte. Nach einem<br />
Urteil des Oberlandesgerichts Jena haftet<br />
Ford dafür, dass Unterlagen und Zeichnungen<br />
für ein Motorenteil, das Mitec ab<br />
2001 an Ford geliefert hatte, später an<br />
einen anderen Zulieferer weitergereicht<br />
wurden – der das Original dann kopierte.<br />
Die Rechte an den Zeichnungen des Mittelständlers<br />
hatte Ford jedoch nie erworben.<br />
Damit steht Mitec Schadenersatz zu,<br />
wobei über die Höhe noch nicht entschieden<br />
wurde.<br />
Dresden. Dass ein Ende der Nobellimousine<br />
Phaeton in Sicht kommt,<br />
war in Dresden lange klar. Schon<br />
eine Weile schwächelte die Nachfrage<br />
nach dem Modell, das zuletzt<br />
nur noch in China Käufer in nennenswerter<br />
Zahl fand. Doch zumindest<br />
die 500 Beschäftigten der Gläsernen<br />
Manufaktur in Dresden können nun<br />
aufatmen, denn ihre berufliche Zukunft<br />
ist gesichert. Auch nach dem<br />
Produktionsende für den Phaeton<br />
Ende März <strong>2016</strong> bleiben sie beim<br />
VW-Konzern in Lohn und Brot. Rund<br />
400 von ihnen werden auf andere<br />
Unternehmensstandorte aufgeteilt<br />
– vor allem Zwickau und Chemnitz.<br />
Die anderen werden weiter in Dresden<br />
benötigt, wo die einstige Vorzeigeinvestition<br />
dann auch künftig<br />
für Fahrzeugauslieferungen, Besucherführungen<br />
und diverse Veranstaltungen<br />
genutzt werden soll. Ab<br />
2019 könnte es in Dresden dann sogar<br />
ein Nachfolgemodell geben – einen<br />
voll elektrischen Phaeton. Insgesamt<br />
sind bei VW in Sachsen derzeit<br />
10.250 Mitarbeiter mit festen Verträgen<br />
beschäftigt. Hinzu kamen bisher<br />
600 Leiharbeiter. Wegen der jüngsten<br />
Turbulenzen im Konzern laufen<br />
deren Kontrakte indes aus.<br />
Die Produktion des Phaeton läuft im<br />
März aus.<br />
Fotos: luutze78/pixelio.de (oben), VW (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
W+M NACHRICHTEN | 9<br />
START-UP ENTWICKELT<br />
DIGITALES FAHRTENBUCH<br />
Die Preisträger des 19. Unternehmer-Preises auf dem Unternehmer-Konvent des<br />
Ostdeutschen Sparkassenverbandes.<br />
OSV VERGIBT AUSZEICHNUNGEN<br />
Berlin. Das Berliner Start-up VimCar hat<br />
ein digitales Fahrtenbuch vorgestellt, das<br />
mit Hilfe von Internet und Satellitentechnik<br />
automatisch jede Fahrt erfasst. Das Gerät<br />
wird auf die Diagnose-Schnittstelle gesteckt.<br />
Es liest die Kilometerdaten aus und<br />
synchronisiert diese sowie die ortsbasierten<br />
Daten über Start und Ende der Dienstfahrt<br />
mit dem Server von VimCar. Die Fahrten<br />
lassen sich mit einem einfachen Klick<br />
zuordnen und abrechnen.<br />
MODELLBAHNSPEZIALIST<br />
PIKO BAUT CHINESISCHE LOK<br />
Potsdam. Ende des letzten Jahres hat<br />
der Ostdeutsche Sparkassenverband<br />
(OSV) in Potsdam zum 19. Mal den Unternehmer-Preis<br />
vergeben. Geehrt wurden<br />
gute Ideen, überzeugende Konzepte,<br />
Engagement und Erfolgsstories. Der Geschäftsführende<br />
OSV-Präsident Dr. Michael<br />
Ermrich zeichnete je einen Preisträger<br />
aus Brandenburg, Mecklenburg-<br />
Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt<br />
in den Kategorien „Unternehmen des<br />
Jahres“, „Verein des Jahres“ und „Kommune<br />
des Jahres“ aus. Unternehmen<br />
des Jahres wurden die Fiagon AG aus<br />
Hennigsdorf in Brandenburg, die Tischlerei<br />
Eigenstetter aus Rehna in Mecklenburg-Vorpommern,<br />
die Warwick GmbH &<br />
Co. Music Equipment KG aus Markneukirchen<br />
in Sachsen und die AV-test GmbH<br />
aus Magdeburg in Sachsen-Anhalt.<br />
Sonneberg. Mehr als 350 Neuheiten hat<br />
der Modellbahnbauer Piko für <strong>2016</strong> angekündigt.<br />
Erstmals wird es eine chinesische<br />
Diesellok im Modell geben – Indiz<br />
für einen neuen Vertriebsschwerpunkt in<br />
Asien. Im vergangenen Jahr konnte Piko<br />
den Umsatz um acht Prozent steigern<br />
und schrieb schwarze Zahlen. Das Unternehmen<br />
hat 550 Mitarbeiter in Sonneberg<br />
und Chashan.<br />
GOLFEN IN MOTZEN <strong>2016</strong><br />
TERMINE <strong>2016</strong><br />
• 21. März <strong>2016</strong><br />
VIII. Berlin Capital Club Fun Indoor<br />
Golf Turnier<br />
• 15. April <strong>2016</strong><br />
XXVI. Berlin Capital Club & VBKI Golf<br />
Cup<br />
• 9. Mai <strong>2016</strong><br />
XIV. Berlin Capital Club Ladies Golf<br />
Cup, mit freundlicher Unterstützung<br />
von BritCars Riller & Schnauck<br />
• 13. Juni <strong>2016</strong><br />
XV. Berlin Capital Club Golf Cup<br />
• 4. Juli <strong>2016</strong><br />
XII. Berlin Capital Club De Saint Gall<br />
Champagner Golf Cup<br />
• 12. September <strong>2016</strong><br />
XIII. Berlin Capital Club De Saint Gall<br />
Champagner Golf Cup<br />
• 10. Oktober <strong>2016</strong><br />
XXVII. Berlin Capital Club & VBKI Golf<br />
Cup<br />
Fotos: Thomas Koehler/OSV (oben), Berliner Golf & Country Club Motzener See (unten)<br />
Der von Designer Kurt Rossknecht gestaltete<br />
Berliner Golf & Country Club Motzener<br />
See, der Schwesterclub des Berlin<br />
Capital Club, ist Austragungsort zahlreicher<br />
Turniere in diesem Jahr. Die idyllische<br />
27-Loch-Anlage im Süden von Berlin<br />
liegt mit seinen 150 Hektarn eingebettet<br />
in eine hügelige Landschaft, umgeben von<br />
viel Wald, Bächen und Seen. Der 2013 um<br />
neun Golfbahnen erweiterte Championship<br />
Course wartet mit vielen strategisch<br />
gut platzierten Bunkern auf und ermöglicht<br />
das Golfspiel (in drei verschiedenen<br />
18-Loch-Varianten) auf 6.500 Metern. Neben<br />
dem 27-Loch-Championship-Course<br />
steht den Mitgliedern und Gästen zusätzlich<br />
ein 9-Loch-Executive-Course zur Verfügung.<br />
Dessen Gesamtlänge von 2.640<br />
Metern bietet die Gelegenheit für ein Training<br />
des kurzen Spiels. Sowohl der Berlin<br />
Capital Club als auch der Golf & Country<br />
Club Motzener See sind Mitglied im globalen<br />
Netzwerk der International Associate<br />
Clubs (IAC), welches seinen Clubmitgliedern<br />
Zugang zu fast 250 exklusiven Clubs<br />
weltweit ermöglicht.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
10 | W+M SCHWERPUNKT<br />
Die japanisch-deutsche Firma Hi-Bis stellt in<br />
Bitterfeld-Wolfen Spezial-Bisphenole her.<br />
Zunehmende Vernetzung von<br />
Wirtschaft und Wissenschaft<br />
Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt hat sich in der zu Ende gehenden<br />
Legislaturperiode weiter stabilisiert. Die Folgen der internationalen<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 sind weitgehend überwunden.<br />
Die Arbeitsproduktivität steigt, die Investitionen ziehen an, die<br />
Beschäftigung wächst. Mittelstand und Handwerk sind Säulen des<br />
Aufschwungs. Von Karsten Hintzmann<br />
Die Wirtschafts- und Branchenstrukturen<br />
in Sachsen-Anhalt knüpfen<br />
bis heute in weiten Teilen an die<br />
Traditionen vergangener Jahrzehnte an.<br />
Das trifft sowohl auf die großen Chemiestandorte<br />
als auch auf den Maschinen- und<br />
Anlagenbau zu. Eine im Vergleich mit anderen<br />
Regionen starke landwirtschaftliche<br />
Produktion ist die Basis für eine der wichtigsten<br />
Industriebranchen im Land – das<br />
Ernährungsgewerbe. Aufgrund der räumlichen<br />
Nähe zu bedeutenden Automobilherstellern<br />
in Niedersachsen und Sachsen<br />
hat sich im Land ein neuer Zweig etabliert<br />
– die Zulieferindustrie für die Fahrzeugfertigung,<br />
von der auch wichtige Impulse für<br />
andere Branchen und Bereiche ausgehen.<br />
Unabhängig von den Branchenstrukturen<br />
ist die Wirtschaft Sachsen-Anhalts mit<br />
Blick auf die Unternehmensgrößen aktuell<br />
durch einen zwar kleinteiligen,<br />
aber dennoch innovativen<br />
Mittelstand geprägt.<br />
Der Mittelstand beschäftigt<br />
in Sachsen-<br />
Anhalt rund 575.000<br />
Arbeitnehmer. Er ist<br />
nicht nur der größte<br />
Arbeitgeber, sondern<br />
auch der größte<br />
Ausbilder im Land. In<br />
2013 wurden drei Viertel<br />
der Auszubildenden in mittelständischen<br />
Unternehmen und Handwerksbetrieben<br />
qualifiziert.<br />
Obgleich der Wirtschaftsmotor nach der<br />
letzten schweren Krise auch in Sachsen-Anhalt<br />
wieder angesprungen ist und<br />
Wachstumszahlen verkündet werden können,<br />
stehen im Vergleich zu den alten Bundesländern<br />
noch diverse Herausforderungen<br />
an: Bei der Produktivität, dem Innovationsgeschehen,<br />
der Exportorientierung<br />
sowie im Lohnniveau gibt es unverändert<br />
Nachholbedarf. Die Ursachen hierfür liegen<br />
in den Branchenstrukturen und den<br />
oft kleinen Betriebsgrößen. Die Kleinteiligkeit<br />
erschwert es vielen Firmen noch,<br />
ihre Produktpaletten früh an Zukunftserfordernisse<br />
anzupassen. Die Ausgaben<br />
der heimischen Wirtschaft für Forschung<br />
und Entwicklung liegen in Sachsen-Anhalt<br />
bei rund 95 Euro pro Einwohner des Landes.<br />
Im Vergleich dazu werden<br />
in Thüringen 225 Euro pro<br />
Kopf ausgegeben, in Baden-Württemberg<br />
sind<br />
es gar 1.500 Euro.<br />
Sachsen-Anhalts<br />
Wirtschaftsminister<br />
Hartmut Möllring.<br />
Die Landesregierung<br />
hat unter Federführung<br />
des Wirtschaftsressorts in der zu<br />
Ende gehenden Legislaturperiode eine<br />
„Mittelstandsoffensive“ gestartet, mit der<br />
durch passgenaue Förderprogramme die<br />
Rahmenbedingungen so verbessert werden,<br />
dass Aufschwung und Aufholprozess<br />
im Land der selbsternannten Frühaufsteher<br />
weiter fortgesetzt werden. Im Zentrum<br />
stehen dabei folgende Leit- und Wachstumsmärkte:<br />
Energie, Maschinen- und Anlagenbau,<br />
Gesundheit und Medizin, Mobilität<br />
und Logistik, Chemie und Bioökonomie,<br />
Ernährungs- und Landwirtschaft<br />
sowie die IT- und Kreativwirtschaft als innovationsfördernde<br />
Querschnittsbereiche.<br />
Die seit rund zehn Jahren praktizierte Förderung<br />
der Bildung von Clustern und Netzwerken<br />
wird die Landesregierung auch<br />
über das Wahljahr <strong>2016</strong> hinaus fortsetzen.<br />
Wirtschaftsminister Hartmut Möllring<br />
(CDU): „Die Cluster und Netzwerke<br />
haben sich inzwischen zu Kompetenzzentren<br />
und damit zu Wachstums- und Beschäftigungsmotoren<br />
im Land entwickelt.<br />
Durch die hier vollzogene Konzentration<br />
und Vernetzung von Wissenschaft und<br />
Wirtschaft werden typische Nachteile der<br />
kleinen und mittleren Unternehmen ausgeglichen<br />
und gleichzeitig die Möglichkeit<br />
geschaffen, unterschiedliche Kapazitäten<br />
in einem Innovationsfeld zu bündeln. Der<br />
Wissenschaft bieten die Netze Praxisnähe<br />
auf höchstem Niveau.“ W+M<br />
Fotos: Hi-Bis GmbH (oben), W+M (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
SACHSEN-ANHALT | 11<br />
Cluster Chemie<br />
Zwischen Tradition und Zukunft<br />
Chemie und Bioökonomie zählen zu<br />
den Leitmärkten in Sachsen-Anhalt.<br />
Während die chemische Industrie im<br />
mitteldeutschen Chemiedreieck auf eine<br />
lange Tradition zurückblicken kann, sucht<br />
die Bioökonomie nach Lösungen für die<br />
Rohstoffversorgung der Zukunft.<br />
Seit 100 Jahren produzieren chemische<br />
Unternehmen in Leuna. Im Jubiläumsjahr<br />
kann sich der Standort rühmen, seinen festen<br />
Platz in der Riege der modernsten Produktionsstandorte<br />
in Europa einzunehmen.<br />
Mehr als sechs Milliarden Euro an öffentlichen<br />
und privaten Investitionen haben seit<br />
1990 geholfen, das Erbe der chemischen<br />
Industrie in Leuna für die Zukunft zu rüsten.<br />
Das Konzept des Chemie-Parks trug hier<br />
erstmals Früchte und wurde anschließend<br />
zum Erfolgsrezept. Mittlerweile gewähren<br />
fünf leistungsfähige Chemieparks in Sachsen-Anhalt<br />
mit ihren Cluster-Strukturen Investoren<br />
ideale Ansiedlungsbedingungen.<br />
9.000 Angestellte allein am Standort Leuna<br />
zeugen von der Bedeutung der Chemieindustrie<br />
als Jobmotor in Sachsen-Anhalt.<br />
Die Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt erreicht<br />
höhere Exportquoten als die restlichen<br />
Industriezweige. 45,1 Prozent des<br />
Umsatzes der chemischen Industrie wurden<br />
im Zeitraum Januar bis September<br />
2015 im Ausland erzielt. Damit übersteigt<br />
die Exportquote den Durchschnittswert<br />
der Industrie des Landes Sachsen-Anhalt<br />
um fast 16 Prozentpunkte. Des Weiteren<br />
gehört die Chemieindustrie zu den produktivsten<br />
Branchen – ihre hohe Umsatzproduktivität<br />
hält auch dem deutschlandweiten<br />
Vergleich stand.<br />
Sachsen-Anhalt setzt mit der Förderung<br />
der Bioökonomie aber auch auf zukunftsweisende<br />
Entwicklungen in der Nutzung<br />
nachwachsender Materialien. Ziel der<br />
Bioökonomie ist es, fossile durch nachwachsende<br />
Rohstoffe zu ersetzen. Sachsen-Anhalts<br />
Wirtschaftsminister Hartmut<br />
Möllring ist sich sicher: „Der stofflichen<br />
Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie<br />
etwa Holz gehört die Zukunft, auch in der<br />
für unser Land so wichtigen Chemieindustrie.“<br />
Das BioEconomy-Cluster in Sachsen-Anhalt<br />
arbeitet mit mehr als 100 Partnern<br />
aus Industrie und Forschung und verbindet<br />
Holz- und Forstwirtschaft, chemische<br />
Industrie, Kunststoffindustrie und Anlagenbau.<br />
Das Ziel: die Entwicklung einer<br />
alternativen Rohstoffbasis für die Chemieindustrie,<br />
um die Abhängigkeit von Erdöl<br />
und Erdgas zu verringern und so dem<br />
Chemiestandort Sachsen-Anhalt Wettbewerbsvorteile<br />
zu verschaffen.<br />
Matthias Salm<br />
Im Kernland der ostdeutschen Chemieindustrie<br />
reihen sich die Produktionsstätten<br />
führender Chemiekonzerne dicht aneinander.<br />
Lanxess betreibt im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen<br />
die modernste Anlage für<br />
monodisperse Ionenaustauscherharze.<br />
Die Puralube Deutschland GmbH produziert<br />
im Chemie- und Industriepark Zeitz<br />
hochwertige Basisöle auf Grundlage recycelten<br />
Altöls. Die Linde Group hat im Chemiepark<br />
Leuna ihren weltweit größten Gase-Standort<br />
aufgebaut.<br />
Foto: Dow Wolff Cellulosics<br />
Der US-Konzern Dow Chemical Company<br />
schließlich liefert von Schkopau, Leuna<br />
und Teutschenthal aus chemische Grundstoffe<br />
und Basischemikalien. Der Chlorproduzent<br />
AkzoNobel nahm 2015 seine<br />
Entbromungsanlage in Bitterfeld-Wolfen<br />
in Betrieb. Die TOTAL Raffinerie unterhält<br />
in Leuna eine der modernsten Raffinerien<br />
Europas.<br />
Methylcelluloseproduktion der Dow Wolff Cellulosics GmbH in Bitterfeld.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
12 | W+M SCHWERPUNKT<br />
Cluster Maschinenbau<br />
Marktführer in der Nische<br />
Seit mehr als 150 Jahren ist der Maschinen-<br />
und Anlagenbau in Sachsen-Anhalt<br />
beheimatet. Wo einst<br />
der Schwermaschinenbau dominierte, produzieren<br />
heute hoch spezialisierte Firmen<br />
für den Weltmarkt.<br />
Mit Präzisions- und Werkzeugmaschinen,<br />
Hebezeugen und Fördermitteln, Pumpen<br />
und Kompressoren, Komponenten und Anlagen<br />
für die Photovoltaik- und Windkraftindustrie,<br />
aber auch als Zulieferer der Automobilbranche<br />
treten Sachsen-Anhalts Maschinen-<br />
und Anlagenbauer heute international<br />
auf. Die Exportquote der 77 Betriebe<br />
mit mehr als 50 Mitarbeitern lag nach Angaben<br />
des Branchenverbands VDMA im<br />
Jahr 2014 bei 45,8 Prozent. Regional konzentriert<br />
sich die Branche auf die Landeshauptstadt<br />
Magdeburg und die Harzregion.<br />
Mehr als ein Drittel aller Betriebe im<br />
verarbeitenden Gewerbe in Sachsen-Anhalt<br />
sind auf dem Gebiet des Maschinenbaus<br />
sowie der Herstellung und Erzeugung<br />
von Metallerzeugnissen und in der<br />
Metallbearbeitung tätig. Gemeinsam mit<br />
den Themen Energie und Ressourceneffizienz<br />
wurde der Maschinen- und Anlagenbau<br />
deshalb in der regionalen Innovationsstrategie<br />
des Landes als förderungswürdiger<br />
Leitmarkt klassifiziert.<br />
Die Liste erfolgreicher Unternehmen an<br />
Elbe und Saale umfasst beispielsweise die<br />
Laempe Mössner Sinto GmbH aus Barleben,<br />
die Anlagen zur Herstellung von Formen<br />
für den Fahrzeugbau fertigt. Damit<br />
hat sich das Unternehmen zu einem gefragten<br />
Partner für die Automobilindustrie,<br />
den Waggonbau, aber ebenso für die<br />
Hersteller von Schiffsmotoren, Pumpen<br />
und Armaturen entwickelt. Auf eine lange<br />
Tradition kann auch die Kranbau Köthen<br />
GmbH verweisen. Das mittelständische<br />
Unternehmen hat sich auf Sonder-, Prozess-<br />
und Automatikkrane von rund 150<br />
bis 650 Tonnen Hubkraft spezialisiert. Die<br />
IFA-Rotorion-Gruppe ist europaweit führend<br />
in der Produktion von Kardanwellen.<br />
In Aschersleben wurde bereits 1857 die<br />
„Maschinenbauanstalt Aschersleben“ gegründet,<br />
Vorläufer der heutigen SCHIESS<br />
GmbH, mit deren Bearbeitungszentren<br />
weltweit Bauteile für Windkrafträder, Turbinen<br />
oder Schiffsaggregate bearbeitet<br />
werden.<br />
Bei der Entwicklung innovativer Produkte<br />
findet der mittelständische Maschinenbau<br />
des Landes Unterstützung in einer maschinenbaunahen<br />
Forschungslandschaft. Das<br />
Institut für Kompetenz in AutoMobilität –<br />
IKAM GmbH in Barleben etwa wurde zur<br />
wirtschaftsorientierten Forschungseinrichtung<br />
im Branchenschwerpunkt Automotive<br />
ausgebaut. Das Fraunhofer-Institut für<br />
Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in<br />
Magdeburg unterstützt Entwicklungen zur<br />
sicheren Mensch-Roboter-Kollaboration<br />
und der Assistenzrobotik in Unternehmen.<br />
Krane der Kranbau Köthen GmbH gehören zu den erfolgreichen Produkten aus Sachsen-Anhalt.<br />
Für den Aufbau von Clusterstrukturen und<br />
die Vernetzung der Branche setzt sich das<br />
Cluster Sondermaschinen- und Anlagenbau<br />
(SMAB) ein, das Kooperationen zwischen<br />
den Betrieben und den Technologietransfer<br />
aus der Wissenschaft in die<br />
Unternehmen unterstützt. Das Cluster ermöglicht<br />
eine enge Anbindung der Maschinenbauunternehmen<br />
an die Forschungseinrichtungen<br />
des Landes. Der Zweckverband<br />
zur Förderung des Maschinen- und<br />
Anlagenbaus Sachsen-Anhalt (FASA) forciert<br />
ebenfalls die Zusammenarbeit zwischen<br />
Wissenschaft und Wirtschaft und<br />
beschleunigt den Innovationsprozess und<br />
-transfer in die Unternehmen.<br />
Matthias Salm<br />
Foto: Kranbau Köthen GmbH<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
SACHSEN-ANHALT | 13<br />
Herausragende Forschung:<br />
das IPK in Gatersleben.<br />
Foto: IPK/Sam Rey<br />
Cluster Forschungsexzellenz<br />
Innovationen für Industrie<br />
und Mittelstand<br />
In Sachsen-Anhalt bilden 22 universitäre<br />
und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen<br />
die wissenschaftliche Infrastruktur<br />
des Landes. Die Forschungsszene<br />
genießt sowohl in der Grundlagen- als<br />
auch in der angewandten Forschung nationales<br />
und internationales Renommee.<br />
Das Auto der Zukunft – es entsteht jenseits<br />
der großen Automobilwerke auch<br />
in Schkopau. Denn im dortigen Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum<br />
(PAZ) suchen<br />
Autoindustrie und Forscher gemeinsam<br />
nach Wegen, die Karosserien durch die<br />
Verwendung von Kunststoff leichter und<br />
damit verbrauchsarmer zu konzipieren.<br />
2005 durch eine Kooperation des Potsdamer<br />
Fraunhofer-Instituts für Angewandte<br />
Polymerforschung IAP mit dem<br />
Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von<br />
Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle<br />
(Saale) gegründet, bietet das Fraunhofer<br />
PAZ als eine europaweit einzigartige<br />
Einrichtung ideale Forschungsbedingungen<br />
rund um die Polymersynthese und<br />
-verarbeitung.<br />
Sei es die Entwicklung von Synthesekautschuken<br />
für Fahrzeugreifen oder von<br />
Leichtbau-Komponenten sowohl für die<br />
Automobilindustrie als auch für die Luftfahrt<br />
– die Forschungsprojekte orientieren<br />
sich stark an den aktuellen Problemstellungen<br />
der Industriekunden. Das zeigt<br />
sich nicht zuletzt an der Tatsache, dass die<br />
Schkopauer ihre Forschungsarbeiten vor<br />
allem über Drittmittel finanzieren.<br />
Die Polymerforschung in Schkopau liefert<br />
Grundlagen für innovative Produkte<br />
im Fahrzeugbau. Der Forschungscampus<br />
STIMULATE für minimalinvasive bildgeführte<br />
operative Eingriffe lockt erste<br />
Medizintechnik-Unternehmen in die<br />
Landeshauptstadt Magdeburg. Und das<br />
Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und<br />
Kulturpflanzenforschung (IPK) in Seeland-<br />
Gatersleben als eine der international führenden<br />
wissenschaftlichen Einrichtungen<br />
auf den Gebieten der Pflanzengenetik und<br />
Kulturpflanzenforschung profiliert sich als<br />
Partner der Agrarwirtschaft – nur drei Beispiele,<br />
wie Forschungseinrichtungen in<br />
Sachsen-Anhalt wichtige Beiträge für innovative<br />
Produkte und Verfahren für die<br />
Wirtschaft liefern.<br />
In Forschungsschwerpunkten wie den<br />
Neurowissenschaften, der Biosystemund<br />
Verfahrenstechnik, den Materialwissenschaften<br />
und Biowissenschaften sowie<br />
in den Bereichen Automotive und Medizintechnik<br />
verortet Sachsen-Anhalt seine<br />
besonderen Stärken. Insbesondere kleine<br />
und mittlere Unternehmen sollen künftig<br />
noch stärker von den Forschungsergebnissen<br />
profitieren. Rund 423 Millionen Euro<br />
aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds<br />
sowie weitere 106 Millionen<br />
Euro nationale Mittel stehen dafür bereit.<br />
An den Hochschulen des Landes sorgt das<br />
Kompetenznetzwerk für Angewandte und<br />
Transferorientierte Forschung KAT für eine<br />
stärkere Vernetzung von Wissenschaft und<br />
heimischem Mittelstand. Allein zwischen<br />
2008 und 2014 haben die vier Fachhochschulen<br />
– Hochschule Anhalt, Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal, Hochschule Harz<br />
und Hochschule Merseburg – in den durch<br />
das KAT geförderten wissenschaftlichen<br />
Schwerpunkten rund 52,5 Millionen Euro<br />
an Drittmitteln eingeworben – 938 Kooperationsprojekte<br />
mit Unternehmen führten<br />
die Hochschulen in diesem Zeitraum durch.<br />
Matthias Salm<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
14 | W+M SCHWERPUNKT<br />
„Wir setzen auf Forschungsexzellenz und<br />
Unternehmergeist“<br />
Interview mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)<br />
W+M: Herr Dr. Haseloff, in wenigen Wochen<br />
geht Ihre erste Amtszeit als Ministerpräsident<br />
von Sachsen-Anhalt zu<br />
Ende. Welche wirtschaftspolitische Bilanz<br />
ziehen Sie nach fünf Jahren?<br />
Reiner Haseloff: Wir haben unsere Wirtschaft<br />
nach der schweren internationalen<br />
Finanz- und Wirtschaftskrise konsolidiert.<br />
Inzwischen gibt es wieder Wachstum.<br />
Die Arbeitsproduktivität konnte gesteigert<br />
werden, die Arbeitslosenquote ist<br />
bei uns überdurchschnittlich stark gesunken<br />
und die Bruttolöhne sind überproportional<br />
gestiegen. Hinter dieser Entwicklung<br />
steht ein starker Mittelstand. Mittelstand<br />
und Handwerk sind der größte Arbeitgeber<br />
und Ausbilder unseres Landes,<br />
das Rückgrat unserer Wirtschaft. Daher<br />
hat die Wirtschaftspolitik des Landes den<br />
Mittelstand ins Zentrum gerückt. Sachsen-Anhalt<br />
hat sich zu einem attraktiven<br />
Wirtschaftsstandort mit enormem Potenzial<br />
entwickelt – darauf sind wir stolz.<br />
Insgesamt konnten mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe<br />
„Verbesserung der<br />
regionalen Wirtschaftsstruktur"<br />
von 2011 bis<br />
zum September<br />
2015 exakt<br />
102 Firmenansiedlungen,<br />
439<br />
Betriebserweiterungen<br />
und 125 Diversifizierungsprojekte finanziell<br />
unterstützt werden. Dahinter stehen<br />
eine Investitionssumme von 3,1 Milliarden<br />
Euro und 9.655 neue und hochwertige<br />
Arbeitsplätze. 37.361 attraktive<br />
Arbeitsplätze wurden dadurch gesichert.<br />
Darüber hinaus möchte ich noch einen<br />
Punkt erwähnen: Die jetzt zu Ende gehende<br />
Legislaturperiode ist die erste in<br />
Sachsen-Anhalt, in der es gelungen ist,<br />
nicht nur ohne neue Schulden auszukommen,<br />
sondern auch mit dem Schuldenabbau<br />
zu beginnen.<br />
W+M: Gibt es Projekte, Leuchttürme<br />
oder Ansiedlungen, die sich speziell seit<br />
2011 entwickelt haben und auf die Sie daher<br />
besonders stolz sind?<br />
Reiner Haseloff: Wir haben unverändert<br />
die Spitzenposition<br />
unter<br />
den neuen Ländern,<br />
was ausländische<br />
Direktinvestitio-<br />
nen betrifft. Unser Chemiedreieck etwa<br />
ist bekannt und nachgefragt als hervorragend<br />
erschlossener Produktionsstandort.<br />
Dazu kommt die IT-Branche. Die Telekom-Tochter<br />
T-Systems investiert massiv<br />
in Biere bei Magdeburg, so dass wir<br />
hier die größte Cloud in Europa haben<br />
werden. Auf 32.000 Quadratmetern entsteht<br />
das weit und breit größte Rechenzentrum.<br />
Insbesondere die unmittelbare Nähe zu<br />
Universitäten und Fachhochschulen mit<br />
technischer Ausrichtung und die zentrale<br />
Verkehrslage haben den amerikanischen<br />
IT-Riesen IBM veranlasst, sich in Magdeburg<br />
anzusiedeln. Von hier aus sollen bis<br />
zu 300 hochqualifizierte Mitarbeiter die<br />
Entwicklung und Wartung von IT-Anwendungen<br />
sowie Beratung und Systemintegration<br />
für Kunden weltweit anbieten.<br />
W+M: Die Landesregierung, der Sie seit<br />
2006 angehören, hat vor einigen Jahren<br />
eine Mittelstandsoffensive gestartet.<br />
Welche Ergebnisse hat sie konkret<br />
gebracht?<br />
Reiner Haseloff: Die mittelständischen<br />
Betriebe hierzulande<br />
sollen weiter<br />
Ministerpräsident<br />
Dr. Reiner Haseloff.<br />
Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.<br />
Foto: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
SACHSEN-ANHALT | 15<br />
Ministerpräsident Haseloff im Gespräch mit W+M-Herausgeber Frank Nehring (r.) und<br />
Chefredakteur Karsten Hintzmann (l.).<br />
wachsen, ihr Innovationspotenzial in<br />
Kooperation mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />
voll ausschöpfen<br />
und mehr exportieren. Das gelingt zunehmend<br />
mehr Unternehmen. Für die Stärkung<br />
des Mittelstands stellt das Land bis<br />
zum Jahr 2020 Fördergelder von bis zu<br />
900 Millionen Euro bereit, hauptsächlich<br />
aus Mitteln der EU-Strukturfonds. Die Ergebnisse<br />
einer solchen Strategie stellen<br />
sich nicht von heute auf morgen ein. Etwas<br />
Geduld werden wir brauchen. Das<br />
ist die Natur einer Strategie, die per Definition<br />
langfristig ausgerichtet ist. Aber<br />
wir haben mit der Mittelstandsoffensive<br />
wichtige Weichen gestellt.<br />
W+M: Ihr Land hat mit schweren Folgen<br />
durch den demografischen Wandel<br />
zu rechnen. Experten gehen davon aus,<br />
dass die Bevölkerung Sachsen-Anhalts<br />
zwischen 2008 und 2025 um gut 18 Prozent<br />
zurückgeht. Was tun Sie gegen den<br />
massiv drohenden Fachkräftemangel?<br />
Reiner Haseloff: Es gibt da mehrere<br />
Linien. Zum einen darf uns schon bei<br />
der schulischen Ausbildung kein junger<br />
Mensch mehr durchrutschen. Darüber hinaus<br />
hat Sachsen-Anhalt in den vergangenen<br />
Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen<br />
und zieht verstärkt Zuwanderer<br />
an, darunter auch viele Rückkehrer sowie<br />
Menschen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten.<br />
Im Jahr 2014 hatten wir erstmals einen<br />
positiven Wanderungssaldo. Es sind<br />
also mehr Menschen zu uns gekommen<br />
als abgewandert sind. Insofern sind frühere<br />
Bevölkerungsprognosen, die uns bei<br />
der Einwohnerzahl im Jahr 2015 deutlich<br />
unter zwei Millionen einstuften, inzwischen<br />
hinfällig. Nach neuesten Schätzungen<br />
gehen wir davon aus, dass wir im Jahr<br />
2015 rund 175.000 Einwohner mehr haben<br />
werden, als uns in vorangegangenen<br />
Prognosen vorausgesagt wurde.<br />
W+M: Sehen Sie eine reale Chance, dass<br />
die schwierige Fachkräftesituation durch<br />
Asylbewerber mit Aufenthaltstitel entspannt<br />
werden könnte?<br />
Reiner Haseloff: Hier muss man zunächst<br />
berücksichtigen, dass das Qualifikationsspektrum<br />
sehr weit auseinandergeht.<br />
Es reicht von gut ausgebildeten<br />
Akademikern, die wir gut und schnell integrieren<br />
können, bis hin zu Menschen,<br />
die über keinerlei berufliche Ausbildung<br />
verfügen. Man muss auch klar sehen,<br />
dass die Menschen, die auf der Basis<br />
der Genfer Flüchtlingskonvention zu uns<br />
kommen, zeitlich befristet bei uns sind.<br />
Diese Menschen erhalten bei uns eine<br />
Grundsicherung. Wir müssen aber auch<br />
dafür sorgen, dass sie dann wieder in ihre<br />
Heimat zurückkehren. Es gibt allerdings<br />
auch eine ganze Reihe von Personen,<br />
die eine gute Bleibeperspektive haben,<br />
auch was die eigene Lebensplanung anbelangt,<br />
und da muss man im Jahr <strong>2016</strong><br />
schnell vom Notaufnahmemodus in den<br />
Integrationsmodus umstellen.<br />
W+M: Der Mittelstand in Sachsen-Anhalt<br />
ist – wie in den anderen neuen Ländern<br />
auch – häufig nicht in der Lage, selbst<br />
Forschung und Entwicklung zu betreiben.<br />
Welche Rolle spielt da die institutionelle<br />
Forschungslandschaft zwischen Stendal<br />
und Merseburg?<br />
Reiner Haseloff: Es ist richtig, dass die<br />
privaten Ausgaben für Forschung und<br />
Entwicklung niedrig sind. Das belegen<br />
die Zahlen: Die Ausgaben der heimischen<br />
Wirtschaft für Forschung und Entwicklung<br />
liegen in Sachsen-Anhalt bei rund<br />
95 Euro pro Einwohner. Im Vergleich dazu<br />
werden in Thüringen 225 Euro pro Kopf<br />
Fotos: W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
16 | W+M SCHWERPUNKT SACHSEN-ANHALT<br />
Parteien, die mit uns als Pflock in der<br />
Mitte der Gesellschaft koalieren wollen,<br />
Schnittmengen finden werden. Die bisherige<br />
Koalition mit der SPD ist die von mir<br />
präferierte Konstellation auch nach der<br />
Wahl, zumal sie mit dem auf bundespolitischer<br />
Ebene praktizierten Modell korrespondiert.<br />
In Zeiten so großer Herausforderungen<br />
halte ich es für sinnvoll, dass<br />
die beiden Volksparteien in der Mitte das<br />
Heft des Handelns in der Hand halten und<br />
für einen breiten Konsens sorgen.<br />
ausgegeben und in Baden-Württemberg<br />
sind es sogar 1.500 Euro. Das heißt aber<br />
nicht, dass unsere Unternehmen nicht innovativ<br />
sind oder es nicht sein wollen. Wir<br />
wissen, dass in den kleinen und mittleren<br />
Betrieben viele innovative Ideen schlummern.<br />
Studien zeigen, dass sie sogar eine<br />
ausgesprochen hohe Innovationsneigung<br />
haben. Leider fehlt es neben dem AIItagsgeschäft<br />
oftmals an den personellen und<br />
finanziellen Kapazitäten, diese Ideen auch<br />
umzusetzen. Daher tun wir viel dafür, mittelständische<br />
Unternehmen enger untereinander<br />
zu vernetzen und sie darüber hinaus<br />
mit starken Partnern für Forschung<br />
und Entwicklung zusammenzubringen.<br />
Allen voran mit unseren Hochschulen und<br />
Forschungseinrichtungen. Forschungsexzellenz<br />
und Unternehmergeist – diese<br />
Verbindung soll Sachsen-Anhalt künftig<br />
noch stärker machen.<br />
W+M: Sie befinden sich mitten im Wahlkampf.<br />
Was versprechen Sie den Unternehmen<br />
für den Fall, dass Sie ab März<br />
<strong>2016</strong> weiterhin Ministerpräsident sein<br />
sollten?<br />
Reiner Haseloff: Organisatorisch werden<br />
wir unsere Unternehmen – in enger<br />
Zusammenarbeit mit den Kammern und<br />
Verbänden – maßgeblich bei den Themen<br />
Fachkräftesicherung und Unternehmensübergabe<br />
unterstützen. Das sind zentrale<br />
Fragen, die jetzt nach rund 25 Jahren Aufbau<br />
eines starken Mittelstands bei uns<br />
anstehen. Von der politischen Schwerpunktsetzung<br />
geht es uns um die Fortschreibung<br />
und Verstärkung der Effekte,<br />
die wir mit der Zusammenführung von<br />
Wirtschaft und Wissenschaft im Land erzeugt<br />
haben. Wir haben hier schon viele<br />
positive Transferaktivitäten von der Forschung<br />
in die Unternehmenspraxis. Das<br />
wollen wir weiter ausbauen, um die technologischen<br />
Standards bei unserem Mittelstand<br />
zu erhöhen.<br />
W+M: Wie schätzen Sie persönlich Ihre<br />
Chancen für eine Wiederwahl ein?<br />
Reiner Haseloff: Mein Ziel ist es, dass<br />
die CDU bei der Wahl so stark abschneidet,<br />
dass bei der anschließenden Regierungsbildung<br />
niemand an uns vorbeikommt.<br />
Momentan ist die Situation nur<br />
schwer einzuschätzen. Vor allem, weil<br />
Menschen, die in normalen Zeiten eher<br />
zu den Nichtwählern gehörten, bei der<br />
Wahl möglicherweise ein Zeichen setzen<br />
wollen zu Themen, die aus der internationalen<br />
Konfliktlage herrühren. Da<br />
müssen wir klar dafür werben, dass wir<br />
diese Probleme am besten aus der Mitte<br />
der Gesellschaft heraus lösen können<br />
und nicht durch extreme Positionen. Ich<br />
bin optimistisch, dass das klappt.<br />
W+M: In den Umfragen führt die CDU<br />
deutlich vor den Linken und der SPD.<br />
Welche möglichen Koalitionspartner<br />
könnten Sie sich vorstellen? Machen Sie<br />
vor der Wahl eine Koalitionsaussage?<br />
Reiner Haseloff: Ich habe immer wieder<br />
gesagt, dass wir mit demokratischen<br />
W+M: Verraten Sie uns Ihren persönlichen<br />
„Plan B“, falls Ihre Partei nach der<br />
Wahl keinen Regierungsauftrag mehr erhalten<br />
sollte?<br />
Reiner Haseloff: Wir werden, wenn man<br />
den Umfragen glauben darf, wohl stärkste<br />
Partei werden und somit auch einen<br />
Regierungsauftrag erhalten. Inwieweit<br />
dieser Regierungsauftrag dann auch umgesetzt<br />
werden kann, muss man sehen.<br />
Ich bin optimistisch, dass wir durch ruhiges<br />
und besonnenes Regieren gemeinsam<br />
mit unserem bisherigen Koalitionspartner<br />
ausreichend Gesprächsmöglichkeiten<br />
haben werden, um einen neuen<br />
Koalitionsvertrag zu schmieden.<br />
Interview: Karsten Hintzmann<br />
und Frank Nehring<br />
ZUR PERSON<br />
Reiner Haseloff wurde am 19. Februar<br />
1954 in Bülzig (Kreis Wittenberg)<br />
geboren. Zwischen 1973 und 1978<br />
studierte er an der Technischen Universität<br />
Dresden und der Humboldt-<br />
Universität Berlin Physik. Anschließend<br />
arbeitete er bis zum Ende der<br />
DDR als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />
am Institut für Umweltschutz<br />
in Wittenberg.<br />
Von 1992 bis 2002 war Haseloff Direktor<br />
des Arbeitsamtes Wittenberg.<br />
Danach wechselte er in die sachsenanhaltische<br />
Politik – zunächst als<br />
Staatssekretär im Ministerium für<br />
Wirtschaft und Arbeit. 2006 wurde<br />
er zum Wirtschaftsminister berufen.<br />
Seit 2011 ist Reiner Haseloff Ministerpräsident<br />
in Sachsen-Anhalt.<br />
Der Katholik Haseloff ist verheiratet<br />
und Vater zweier Kinder.<br />
Foto: W+M<br />
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<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
1<br />
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18 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Die Motorenfertigungsstraße bei MDC<br />
Power in Kölleda ist 600 Meter lang.<br />
Power und Herz<br />
einer Region<br />
Das hochmoderne Motorenwerk der Daimler AG in Kölleda<br />
erwies sich als ein Glücksfall für Nordthüringen. Der Weltkonzern<br />
investierte bereits Millionen, verfolgt weitere große Pläne und<br />
befördert durch sein Engagement zugleich den Ausbau der<br />
Infrastruktur sowie so genannter weicher Standortfaktoren.<br />
In einigen Jahren könnte die MDC Power GmbH Thüringens<br />
größter Industriebetrieb sein. Von Harald Lachmann<br />
Nicht weniger als 49 Kommunen<br />
warfen ihren Hut in den Ring, als<br />
der Daimler-Konzern einen Standort<br />
für seine neue Motorenfertigung suchte.<br />
Den Zuschlag erhielt 2002 ein ländlich<br />
geprägtes 6.100-Seelen-Städtchen in Thüringen,<br />
von dem man zuvor in weiten Teilen<br />
Deutschlands noch nie gehört hatte<br />
– und wenn, dann eher als „Pfefferminzstadt“.<br />
Denn ein Großteil der Einwohner<br />
arbeitete lange im Kräuter- und Gewürzpflanzenmetier.<br />
Doch jene Entscheidung<br />
für Kölleda sollte sich schnell als großer<br />
Glücksfall für den gesamten nordthüringischen<br />
Raum um Sömmerda erweisen.<br />
So erfolgten hier schon bald erste große<br />
Investitionen in die Infrastruktur, um die<br />
Region für den erwarteten Schwerlastverkehr<br />
an die neu entstehende Autobahn<br />
A71 anzuschließen. Zudem wurden neue<br />
Bahngleise verlegt und für das Industriegebiet<br />
ein Umspannwerk errichtet.<br />
Und auch jenes Motorenwerk, das inzwischen<br />
unter MDC Power GmbH firmiert<br />
und im Dezember 2003 seine Fertigung<br />
startete, wächst seither unaufhörlich.<br />
Schon jetzt entstehen hier Motoren für nahezu<br />
alle Mercedes-Benz-Pkw- und Transporter-Baureihen:<br />
von der A- bis zur S-Klasse,<br />
von den High-Performance-Serienmodellen<br />
der Marke AMG bis zum Sprinter,<br />
von 95 bis 360 PS. Beliefert werden damit<br />
gut 20 Fahrzeugwerke auf allen fünf<br />
Kontinenten.<br />
Im vergangenen Sommer erfolgte zudem<br />
der erste Spatenstich für eine 35.000 Quadratmeter<br />
große neue Produktionshalle. Zusammen<br />
mit einer zweiten Halle, die bereits<br />
im Herbst eingeweiht wurde, verdoppelte<br />
sich damit die Fertigungsfläche in der<br />
Motorenschmiede auf 160.000 Quadratmeter.<br />
Und das aus gutem Grund: Die Produktpalette<br />
in Kölleda wächst weiter. So verließ<br />
im Oktober der erste Motor einer neuen<br />
Generation von Vierzylinder-Dieselmotoren<br />
die 600 Meter lange Montagelinie, auf der<br />
sie erstmals als Komplettumfang aus über<br />
200 Teilen montiert werden. Und spätestens<br />
in zwei Jahren folgt ein neues Modell<br />
von Viertakt-Ottomotoren. Die Gesamtinvestitionen<br />
für die Produktion der neuen<br />
Foto: MDC Power/Dirk Wächter<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
THÜRINGEN | 19<br />
Motorengeneration am Standort Kölleda<br />
belaufen sich damit nach Firmenangaben<br />
inzwischen auf über 200 Millionen Euro.<br />
In den Augen von Andreas Engling – seit<br />
Mitte 2014 Geschäftsführer der MDC<br />
Power GmbH Kölleda – sind das weitere<br />
handfeste Belege für die hohe Qualität<br />
made in Thüringen. Immerhin war das<br />
hochmoderne Werk 2014 mit dem Prädikat<br />
„Beste Fabrik“ dekoriert worden. Ausgelobt<br />
wird dieser Preis, der zu den wichtigsten<br />
internationalen<br />
Benchmark-<br />
Wettbewerben für<br />
den Industrie- und<br />
Dienstleistungssektor<br />
zählt, durch<br />
Juroren der privaten<br />
Wirtschaftshochschule<br />
WHU<br />
– Otto Beisheim<br />
School of Management<br />
in Vallendar bei Koblenz sowie der<br />
Zeitschrift Wirtschaftswoche. Der Zwei-<br />
Liter-Vierzylinder-Turbomotor wird in Kölleda<br />
beispielsweise in reiner Handarbeit<br />
nach der traditionellen Philosophie „one<br />
man, one engine“ gefertigt.<br />
Ähnlich wie Porsche in Leipzig hat auch<br />
die Daimler AG als hundertprozentiger Eigentümer<br />
von MDC Power allerhand mehr<br />
Land bei Kölleda erworben, als bisher bebaut<br />
wurde. Das lässt nicht nur Raum für<br />
mögliche weitere Spatenstiche sondern<br />
auch für diverse Spekulationen. Doch noch<br />
hält sich der Geschäftsführer bedeckt. Sicher,<br />
man könne schon „noch einige Spatenstiche<br />
machen“, so Engling letztes Jahr<br />
bei einem Pressetermin. Denn natürlich<br />
sei man „hier in Kölleda grundsätzlich ein<br />
Wachstumswerk“.<br />
Kölleda<br />
einer Million Motoren im Jahr erhöht sich<br />
damit auf das Zweifache. Treffen diese<br />
Prognosen zu, stiege das Motorenwerk<br />
in Kölleda dann sogar zum größten Industriebetrieb<br />
Thüringens auf. Selbst Opel in<br />
Eisenach bringt nicht so viele Menschen<br />
in Lohn und Brot.<br />
Um angesichts dieser Dimensionen auch<br />
künftig auf ausreichend qualifizierten und<br />
motivierten Fachkräftenachwuchs zugreifen<br />
zu können, startete MDC Power letztes<br />
Jahr auch eine<br />
neue Arbeitgeberkampgane<br />
unter<br />
dem etwas blumigen<br />
Titel „Wir<br />
sind der Motor –<br />
Du bist das Herz“.<br />
Über diese sollen<br />
von Schülern über<br />
Studenten und Berufseinsteiger<br />
bis<br />
hin zu Berufserfahrenen alle Interessenten<br />
angesprochen werden, die sich „für<br />
Hightech, effiziente Fertigungsabläufe und<br />
Spitzenqualität begeistern“, heißt es dazu<br />
im Unternehmen. Denn immerhin produziere<br />
man in Kölleda „mit Hightech-Motoren<br />
das Herzstück von Premiumfahrzeugen“<br />
und das Herzstück von MDC Power<br />
seien „die Menschen, die diese exzellenten<br />
Motoren bauen – unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter“, so Engling.<br />
Mittlerweile rollen die Beschäftigten von<br />
MDC Power schon aus einem Umkreis von<br />
30 bis 40 Kilometern in Kölleda an. Doch<br />
mit dieser neuen Kampagne wirbt man<br />
selbst in weiter entfernten Teilen Thüringens<br />
und Sachsen-Anhalts mit Print- und<br />
Online-Anzeigen, auf Großwerbeflächen<br />
sowie auch mit einem Kinospot.<br />
Im Gegenzug wachsen damit aber auch<br />
die Erwartungen der Daimler-Tochter an<br />
das Umland. So drängte Geschäftsführer<br />
Engling den Sömmerdaer Landrat Harald<br />
Henning (CDU) wiederholt, das Kölledaer<br />
Gewerbegebiet besser an das Netz des<br />
öffentlichen Personennahverkehrs anzubinden.<br />
Daneben unterstützt der Landkreis<br />
das Motorenwerk aber auch durch<br />
den Ausbau sogenannter sanfter Standortfaktoren,<br />
etwa durch die Einrichtung einer<br />
Kindertagesstätte im Gewerbegebiet.<br />
Für das gegenseitige Geben und Nehmen<br />
zwischen Industriebetrieb und Region<br />
steht auch das soziale Engagement der<br />
MDC-Belegschaft. Diese schob bereits<br />
mehrfach Sonderschichten, um das damit<br />
erwirtschaftete Geld Vereinen und sozialen<br />
Einrichtungen in Nordthüringen zur<br />
Verfügung zu stellen. Hierzu gehören beispielsweise<br />
Volkssportevents sowie Initiativen,<br />
mit denen es Vereinen ermöglicht<br />
wird, auch sozial benachteiligte Menschen<br />
in ihre Strukturen zu integrieren. W+M<br />
Foto: MDC Power/Dirk Wächter<br />
Mittlerweile sind bei MDC Power sowie<br />
den vor Ort ansässigen Dienstleistungsunternehmen<br />
bereits über 1.700 Mitarbeiter<br />
beschäftigt. Doch durch die neuen Investitionen<br />
erwartet man in der Region –<br />
etwa im Landratsamt Sömmerda und bei<br />
der IG Metall – inzwischen Neueinstellungen<br />
von weiteren 1.800 bis 2.200 Beschäftigten<br />
bis Mitte 2017. Damit würde sich<br />
nicht nur die Belegschaft mehr als verdoppeln,<br />
auch die Fertigung von bisher knapp<br />
Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (2. v. r.) besuchte die Dieselmotoren-Produktion.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
20 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Die Niederbarnimer Eisenbahn bedient<br />
elf Linien.<br />
Brandenburgs Nahverkehr<br />
auf unsicherem Fundament<br />
Brandenburg und Berlin bräuchten mehr Geld, um einen flächendeckenden<br />
öffentlichen Nahverkehr sicherzustellen, der modernen<br />
Anforderungen genügt und ein weiteres Auseinanderdriften des<br />
gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraums beider Länder<br />
verhindert. Die bislang vom Bund zugebilligten Mittel reichen<br />
bestenfalls aus, um die bestehende Infrastruktur des Öffentlichen<br />
Personennahverkehrs (ÖPNV) zu erhalten. Von Tomas Morgenstern<br />
Fast sechs Millionen Menschen leben<br />
in Berlin-Brandenburg. Die Region<br />
ist verkehrstechnisch gut erschlossen,<br />
im öffentlichen Personennahverkehr<br />
(ÖPNV) verbinden Bahn- und Buslinien<br />
Städte und Gemeinden, Wirtschafts- und<br />
Behördenzentren mit der Landeshauptstadt<br />
Potsdam und Berlin. Doch noch<br />
immer ist viel zu tun – so die Verbesserung<br />
von Pünktlichkeit und Sicherheit der<br />
Züge, die Herstellung der Barrierefreiheit<br />
der Stationen, der Ausbau des grenzüberschreitenden<br />
Verkehrs nach Polen. Seit<br />
langem appellieren die Landesregierung<br />
in Potsdam und der Berliner Senat an den<br />
Bund, dass für einen modernen, flächendeckenden<br />
ÖPNV die Mittel nicht ausreichen.<br />
Auf ihrer Ministerpräsidentenkonferenz<br />
im Oktober 2014 in Potsdam hatten<br />
die Regierungschefs der Länder vom Bundesverkehrsminister<br />
gefordert, die Regionalisierungsmittel<br />
für den Schienennahverkehr<br />
aufzustocken. Die nun im neuen<br />
Finanzierungskonzept für den Zeitraum<br />
<strong>2016</strong> bis 2030 vorgesehene jährliche Erhöhung<br />
der Mittel ist sehr umstritten. Über<br />
die Jahre kommen insgesamt zwölf Milliarden<br />
Euro mehr zusammen. Aber nach<br />
25 Jahren Einheit erheben jetzt die bevölkerungsreichen<br />
Bundesländer im Westen<br />
Anspruch auf einen deutlich größeren Anteil<br />
und die Umverteilung der Regionalisierungsmittel.<br />
Am Ende stünde der Osten<br />
sehr viel schlechter da.<br />
Nach der Bahnreform war 1996 die Zuständigkeit<br />
für die wichtigste Komponente<br />
im ÖPNV, den Schienenpersonennahverkehr<br />
(SPNV), vom Bund auf die Länder<br />
übergegangen, um seine Finanzierung auf<br />
eine solide Basis zu stellen. Die Regionalisierungsmittel,<br />
mit denen seither die von<br />
den Ländern bestellten Verkehrsleistungen<br />
bezuschusst und Investitionen in den<br />
„allgemeinen ÖPNV“ (Busse, Straßenbahnen)<br />
gefördert werden, stammen aus der<br />
vom Bund erhobenen Mineralölsteuer. Die<br />
Verteilung regelte das Regionalisierungsgesetz<br />
bislang auf der Grundlage der gemeldeten<br />
Zugkilometer. 2014 standen den<br />
16 Bundesländern daraus 7,3 Milliarden<br />
Euro zur Verfügung. Nach Angaben des<br />
Potsdamer Infrastrukturministeriums erhielt<br />
Brandenburg rund 417 Millionen Euro<br />
– 344 Millionen Euro für den SPNV, 73 Millionen<br />
Euro gingen an die Kommunen.<br />
Foto: NEB, Frank Noack<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
BRANDENBURG | 21<br />
VERKEHRSVERBUND<br />
BERLIN BRANDENBURG (VBB)<br />
• Gegründet 1994<br />
• Mitgliedsunternehmen: 43<br />
• Linien im VBB (Stand 11/2014):<br />
Bus 892, Straßenbahn 47, Regionalbahn<br />
46, S-Bahn 15, U-Bahn 10,<br />
Oberleitungsbus 2, Fähren 7<br />
• Beschäftigte Mitarbeiter insgesamt:<br />
23.104<br />
• Fläche VBB-Gebiet:<br />
30.546 Quadratkilometer<br />
• Einwohnerzahl im Verbundgebiet<br />
(Stand 11/2014): 5,924 Millionen<br />
• Beförderte Fahrgäste (im Jahr 2014):<br />
1,365 Milliarden<br />
Vorfahrt für den Regionalexpress der Line RE1 in Richtung Frankfurt (Oder) bei Fürstenwalde.<br />
Fotos: Deutsche Bahn AG (oben), NEB, Frank Noack (unten)<br />
2014 stand eine Revision des Regionalisierungsgesetzes<br />
an. Ein von den Ländern<br />
in Auftrag gegebenes Gutachten ermittelte<br />
damals einen Jahresbedarf von<br />
8,5 Milliarden Euro, der in den folgenden<br />
15 Jahren mit zwei Prozent jährlich dynamisiert<br />
werden müsste, um einen leistungsfähigen<br />
ÖPNV auch im Osten zu sichern.<br />
Denn im Gegenzug sollte ein künftiger<br />
Verteilerschlüssel an die Einwohnerzahl<br />
der Länder gekoppelt werden. Die im<br />
Oktober 2015 erzielte Vereinbarung fällt<br />
deutlich magerer aus: Der Bund akzeptierte<br />
als Obergrenze für <strong>2016</strong> lediglich<br />
acht Milliarden Euro, die geforderte jährliche<br />
Dynamisierung bis 2030 wurde bei<br />
1,8 Prozent gedeckelt. Aus diesem Grund<br />
drohen den ostdeutschen Ländern, deren<br />
Bevölkerung seit Jahren schrumpft,<br />
mittelfristig hohe Einbußen, die sich am<br />
Ende jeweils auf mehrere hundert Millionen<br />
Euro summieren. Damit es nicht zur<br />
massenhaften Streichung von ÖPNV-Angeboten<br />
kommt, müsse der Bund per Gesetz<br />
ein Absinken der Mittel für die neuen<br />
Länder unter das derzeitige Niveau verhindern.<br />
Eine für Dezember 2015 angekündigte<br />
Rechtsverordnung des Bundes ist<br />
noch immer nicht mit den Ländern abgestimmt.<br />
Auch zur Forderung, die Trassenund<br />
Stationspreise zu deckeln, gibt es nur<br />
eine Protokollerklärung.<br />
Die Region Berlin-Brandenburg erlebt einen<br />
demografischen Umbruch. Es gibt<br />
immer mehr alte Menschen, und Experten<br />
rechnen bis 2030 mit einem Bevölkerungsrückgang<br />
vor allem an der Peripherie<br />
Brandenburgs. Gleichzeitig wächst die<br />
Einwohnerzahl von Berlin und im „Speckgürtel“.<br />
Bis zu 300.000 berufstätige Berliner<br />
und Brandenburger sollen täglich zu<br />
ihren Jobs in die Hauptstadt oder ins Umland<br />
pendeln. Wie viele von ihnen öffentliche<br />
Verkehrsmittel nutzen, ist unklar.<br />
Schon jetzt stoßen manche Bahn- und<br />
Buslinien am Stadtrand allerdings an ihre<br />
Kapazitätsgrenzen.<br />
Der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg<br />
(VBB) ist mit 30.500 Quadratkilometern<br />
einer der größten in Europa. 43 öffentliche<br />
und private Verkehrsunternehmen mit<br />
23.000 Beschäftigten sind in ihm zusammengeschlossen,<br />
darunter die Deutsche<br />
Bahn AG (DB), die Berliner Verkehrsbetriebe<br />
(BVG) und die S-Bahn<br />
Berlin GmbH. Rund 1,365 Milliarden<br />
Fahrgäste hat der VBB 2014 transportiert,<br />
44 Millionen mehr als im Jahr<br />
zuvor. Auch 2015 wird Wachstum<br />
erwartet. Doch inzwischen hat die Aufnahme<br />
der vielen Flüchtlinge in der Region<br />
alle bisherigen Berechnungen in Frage<br />
gestellt.<br />
Das Rückgrat des VBB-Netzes ist der<br />
Bahnverkehr mit 46 Regionallinien auf rund<br />
2.500 Schienenkilometern. Größter Akteur<br />
ist die Bahn-Tochter DB Regio, die derzeit<br />
elf Regionalexpress- und zwölf Regionalbahnlinien<br />
im VBB betreibt. Auf elf Regionalbahnlinien<br />
vor allem in Ostbrandenburg<br />
verkehrt die Niederbarnimer Eisenbahn<br />
(NEB). Ihre Vorgängerin hatte 1901<br />
den Linienbetrieb von Berlin-Wilhelmsruh<br />
in Richtung Schorfheide aufgenommen.<br />
Als RB27 fährt die „Heidekrautbahn“ auf<br />
der Traditionslinie zwischen Berlin-Karow<br />
und Groß Schönebeck (seit 2011 auch ab<br />
Berlin-Gesundbrunnen). Im Frühjahr 2015<br />
wurde die bei Ausflüglern und Pendlern<br />
beliebte „Heidekrautbahn“ von der Allianz<br />
pro Schiene unter die 15 erfolgreichsten<br />
Bahnen im Nahverkehr gewählt. Gewürdigt<br />
wurde damit vor allem ihr wirtschaftlicher<br />
Erfolg, denn die „Heidekrautbahn“<br />
hat zwischen 1998 und 2013 die Zahl ihrer<br />
täglichen Fahrgäste um 134 Prozent – von<br />
1884 auf 4417 – gesteigert. Wenn die alte,<br />
1961 durch die DDR gekappte Stammstrecke<br />
der „Heidekrautbahn“ über Berlin-Wilhelmsruh<br />
nach Berlin-Gesundbrunnen<br />
wiederhergestellt würde, würde das<br />
nochmals einen Schub bringen. Doch die<br />
Pläne liegen auf Eis, auch <strong>2016</strong> wird kein<br />
öffentliches Geld fließen. W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
22 | W+M LÄNDERREPORT<br />
Saure Zeiten<br />
für Käse und Butter<br />
Die Ernährungsindustrie in Mecklenburg-Vorpommern ist mit vier<br />
Milliarden Euro Umsatz wichtigster Wirtschaftszweig des Landes.<br />
Die Branche ist zuletzt markt- und wirtschaftspolitisch zwischen<br />
die Mühlensteine geraten. Sie leidet unter Preisverfall und den<br />
EU-Sanktionen gegen Russland. Der Export dorthin sank um<br />
37 Prozent. Von Thomas Schwandt<br />
Käse-Produktion bei Rücker.<br />
So ein Käse! Diese landläufige Floskel<br />
umreißt umgangssprachlich,<br />
was der Ernährungsindustrie in<br />
Mecklenburg-Vorpommern seit Beginn<br />
der gegenseitigen Sanktionen zwischen<br />
Europäischer Union (EU) und Russland im<br />
Sommer 2014 widerfahren ist. Nach Angaben<br />
der Staatskanzlei in Schwerin, in<br />
deren Zuständigkeit die Außenwirtschaft<br />
des Landes fällt, sind im ersten Halbjahr<br />
2015 die Exporte der Ernährungsindustrie<br />
drastisch um insgesamt 37 Prozent<br />
zurückgegangen. Der von russischer Seite<br />
verfügte Einfuhrstopp insbesondere<br />
von Molkereiprodukten aus dem EU-<br />
Raum führte bei der Ausfuhr von Käse<br />
made in Mecklenburg-Vorpommern zu<br />
einem totalen Rückgang um volle 100<br />
Prozent.<br />
Zu den Käseproduzenten im Nordosten gehört<br />
Deutschlands größtes Molkerei- Unternehmen<br />
DMK Deutsches Milchkontor.<br />
Der Konzern verarbeitet nach eigener<br />
Auskunft jährlich 6,8 Milliarden Kilogramm<br />
Milch an 17 Produktionsstandorten. Ein Anteil<br />
von mehr als einer Milliarde Kilogramm<br />
verarbeiteter Milch entfällt auf die vier<br />
DMK-Standorte in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Die Molkerei Bergen auf der Insel<br />
Rügen produziert den bundesweit bekannten<br />
Camembert „Rügener Badejunge“ in<br />
einem breiten Sortiment. Andere vielfältige<br />
Käsespezialitäten, von Edamer über Gouda<br />
bis Butterkäse, werden in den Produktionsstätten<br />
in Altentreptow, Dargun und Waren<br />
(Müritz) hergestellt. Das russische Embargo<br />
auf Molkereiprodukte, welches erlassen<br />
wurde als unmittelbare Gegenreaktion auf<br />
die wirtschaftspolitischen Sanktionen der<br />
EU, wird in der Bremer DMK-Zentrale indes<br />
mit norddeutscher Gelassenheit betrachtet.<br />
Das Unternehmen sei zwar ebenso<br />
wie zahlreiche andere Firmen in Deutschland<br />
und Europa betroffen, doch „wechselnde<br />
Absatzmärkte gehören zu den alltäglichen<br />
Herausforderungen in einem globalisierten<br />
Markt“, hieß es auf Anfrage von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>. DMK hätte in den<br />
zurückliegenden Jahren eine solide Grundlage<br />
dafür geschaffen, „dass der Absatz<br />
einzelner Produkte nicht von einzelnen Abnehmern<br />
und Märkten abhängig ist“. Jedoch<br />
verwies der Konzern auf gravierende<br />
Auswirkungen, die der russische Importstopp<br />
auf die gesamte Marktentwicklung<br />
gehabt habe, „die auch DMK spürt“. Große<br />
Warenströme, vor allem von Käse, Butter<br />
und Milchpulver, wurden umgelenkt, was<br />
die Märkte massiv beeinflusst hat.<br />
Käse produziert in Mecklenburg-Vorpommern<br />
neben DMK auch die im niedersächsischen<br />
Aurich ansässige Rücker GmbH.<br />
In der Hansestadt Wismar betreibt der<br />
traditionsreiche Familienbetrieb die Ostsee-Molkerei.<br />
Rücker gehört mit 850 Millionen<br />
Kilogramm verarbeiteter Milch pro<br />
Jahr zu den bundesweit größten Privatmolkereien.<br />
In der Ostsee-Molkerei werden<br />
unter anderem die regionalen Käsemarken<br />
„Alter Schwede“ und „Alt-Mecklenburger“<br />
produziert. Das Wegbrechen<br />
des Russland-Geschäfts hat laut Klaus<br />
Rücker, geschäftsführender Gesellschafter<br />
der Rücker GmbH, das Unternehmen<br />
„hart getroffen“. Zudem werde mit einer<br />
„längeren Phase des Ausfalls“ gerech-<br />
Foto: Rücker<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
MECKLENBURG-VORPOMMERN | 23<br />
net. „Wir konzentrieren uns deshalb auf<br />
unsere Kernmärkte in Europa, insbesondere<br />
in Deutschland, und bearbeiten intensiv<br />
neue internationale Märkte“, kündigte<br />
der Firmenchef an.<br />
Auf eine über die milchverarbeitende Ernährungsindustrie<br />
hinausgehende negative<br />
Begleiterscheinung des russischen Einfuhrstopps<br />
hat Gerd Göldnitz, Vizepräsident<br />
des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern,<br />
aufmerksam gemacht.<br />
Nach seiner Ansicht seien den Sanktionen<br />
ein Drittel des aktuellen dramatischen<br />
Milchpreisverfalls zuzuschreiben. Hatten<br />
im Jahr 2014 die Milchbauern im Land<br />
noch 37,5 Cent pro Kilogramm Milch erlöst,<br />
so ist der Kilopreis inzwischen auf 25 Cent<br />
abgesackt. „Davon gehen vier Cent auf<br />
das fehlende Russland-Geschäft“, meinte<br />
Göldnitz. Der Preissturz, der hauptsächlich<br />
auf ein weltweites Überangebot und<br />
einen stark abgeschwächten Markt in China<br />
zurückzuführen ist, hat in Mecklenburg-<br />
Vorpommerns Landwirtschaft zahlreiche<br />
kleinere Bauern gezwungen, die Produktion<br />
von Milch aufzugeben, wie das Agrarministerium<br />
des Landes bestätigte. Die<br />
Tiere würden verkauft oder geschlachtet.<br />
Neben dem Preisverfall bei Milch sieht<br />
der Deutsche Bauernverband (DBV) auch<br />
die Verbilligung von Fleisch und Getreide<br />
mitverursacht durch das Importverbot<br />
auf russischer Seite. DBV-Präsident Joachim<br />
Rukwied forderte deshalb in einem<br />
Zeitungsinterview, „die Bemühungen hinsichtlich<br />
einer Aufhebung des Embargos“<br />
zu intensivieren. Er bezifferte den jährlichen<br />
Verlust, der den deutschen Bauern<br />
durch den Boykott seitens Russlands entsteht,<br />
auf fast eine Milliarde Euro.<br />
EU-SANKTIONEN GEGEN RUSSLAND<br />
In Reaktion auf den Ukraine-Konflikt<br />
verhängte die Europäische Union Ende<br />
Juli 2014 erstmals Wirtschaftssanktionen<br />
gegen Russland, die im September<br />
des gleichen Jahres verschärft wurden.<br />
Betroffen davon sind in erster Linie<br />
russische Staatsbanken, der Im- und<br />
Export von Rüstungsgütern sowie die<br />
Öl- und Gasindustrie Russlands. Im Gegenzug<br />
belegte Russland eine Reihe<br />
von Agrarprodukten aus den EU-Staaten<br />
mit einem Einfuhrverbot, darunter<br />
Obst und Gemüse, Milch, Butter, Käse<br />
und Fleischerzeugnisse. Die EU hat<br />
Ende vergangenen Jahres beschlossen,<br />
die Sanktionen bis mindestens 31. Juli<br />
<strong>2016</strong> aufrechtzuerhalten.<br />
Die Schweriner Staatskanzlei verweist<br />
mit Blick auf die Halbjahreszahlen 2015<br />
für den Export von Nahrungsmitteln auch<br />
auf einige Lichtblicke in dem Dilemma<br />
der Ernährungsindustrie. In Teilbereichen<br />
sind die Ausfuhren nach Russland<br />
sogar deutlich angestiegen. So verzeichneten<br />
die Produzenten von Pflanzkartoffeln<br />
ein kräftiges Plus von 30 Prozent. Zudem<br />
wurde mehr Kaffee exportiert (plus<br />
zehn Prozent). Aufgrund des hohen gesamtwirtschaftlichen<br />
Stellenwertes der<br />
Ernährungsindustrie für Mecklenburg-<br />
Vorpommern im Allgemeinen und des<br />
russischen Marktes im Besonderen –<br />
der Gesamtexport nach Russland legte<br />
in den ersten sechs Monaten des Vorjahres<br />
um 13,8 Prozent zu – ist die Landesregierung<br />
trotz der angespannten Situation<br />
auf vielen Ebenen darum bemüht,<br />
die guten und traditionellen Wirtschaftsbeziehungen<br />
zwischen Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Russland nicht abreißen zu<br />
lassen und in den nächsten Jahren weiter<br />
auszubauen, wie es hieß. In Nachfolge<br />
des im Frühjahr vergangenen Jahres<br />
durchgeführten und deutschlandweit beachteten<br />
wie umstrittenen ersten Russland-Tages<br />
plant die Große Koalition im<br />
Schweriner Schloss, am 25. Mai dieses<br />
Jahres ein erneutes Treffen von Unternehmern<br />
aus Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Russland zu veranstalten. W+M<br />
Foto: Thomas Schwandt<br />
Camembert-Produktion in der Molkerei Bergen.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
24 | W+M LÄNDERREPORT OSTDEUTSCHLAND<br />
WindNODE erforscht neue Technologien für<br />
das Stromnetz.<br />
ihre spezifischen energiewirtschaftlichen<br />
Stärken einbringen. Beispiel Sachsen: „Viele<br />
sächsische Unternehmen aus den unterschiedlichsten<br />
Branchen beteiligen sich an<br />
WindNODE, von der Mikroelektronik bis<br />
zur Automobilwirtschaft“, beschreibt etwa<br />
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig<br />
(SPD) den Beitrag des Freistaats.<br />
Frischer Wind<br />
aus dem Osten<br />
Mit der Initiative „WindNODE – Wind in Nordostdeutschland“<br />
wollen die ostdeutschen Bundesländer ihre führende Rolle in der<br />
Nutzung Erneuerbarer Energien weiter ausbauen. Das Projekt startet<br />
voraussichtlich Mitte des Jahres. Von Matthias Salm<br />
Auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister<br />
Hartmut Möllring (CDU) weiß um die<br />
Stärken seines Landes im Energiesektor:<br />
„Insbesondere bei intelligenten Stromnetzen<br />
und beim Lastmanagement haben wir<br />
im neuen Schaufenster viel zu zeigen.“<br />
Sachsen-Anhalt sieht seine Kompetenzen<br />
beispielsweise beim flexiblen Lastmanagement<br />
an großen Industriestandorten.<br />
Projektpartner aus Sachsen-Anhalt<br />
sind unter anderem die InfraLeuna GmbH,<br />
die als Eigentümer und Betreiber der Infrastruktureinrichtungen<br />
am Chemiestandort<br />
Leuna fungiert, die Otto-von-Guericke-<br />
Universität Magdeburg, das Fraunhofer-Institut<br />
für Fabrikbetrieb und -automatisierung<br />
IFF und das Zentrum für Regenerative<br />
Energien Sachsen-Anhalt (ZERE e. V.).<br />
Ostdeutschland zählt damit zu den<br />
fünf Modellregionen, die vom Bundesministerium<br />
für Wirtschaft und<br />
Energie im Rahmen des Wettbewerbs<br />
„Schaufenster intelligente Energie – Digitale<br />
Agenda für die Energiewende (SINTEG)“<br />
gefördert werden. Das Ziel von WindNO-<br />
DE: mit Hilfe intelligenter Netze und innovativer<br />
Netztechnologien eine sichere und<br />
effiziente Stromversorgung zu entwickeln,<br />
mittels derer die Erneuerbaren Energien<br />
in das deutsche Strom-, Wärme- und Mobilitätssystem<br />
integriert werden können.<br />
Das Projekt WindNODE vereint die Energiewirtschaft<br />
aller sechs ostdeutschen<br />
Bundesländer. Die zentrale Rolle kommt<br />
dabei der Berliner 50Hertz Transmission<br />
GmbH zu, die das Höchstspannungsnetz<br />
in Ostdeutschland betreibt. Das Unternehmen<br />
wirkt bei WindNODE als Konsortialführer.<br />
Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
der 50Hertz Transmission<br />
GmbH, sieht in WindNODE deshalb auch<br />
„eine Exportschmiede für intelligente Lösungen<br />
in einem von Erneuerbaren dominierten<br />
elektrischen System.“<br />
Zu den Mitgliedern des Konsortiums gehören<br />
innovative Unternehmen aus der Erneuerbare-Energien-Branche,<br />
IT-Spezialisten,<br />
Energieerzeuger sowie Netzbetreiber<br />
und Forscher. Des Weiteren auch Stadtwerke,<br />
Quartiersbetreiber, Unternehmen<br />
der Wohnungswirtschaft und Energieanwender<br />
in Schlüsselindustrien wie der Automobilwirtschaft.<br />
Das Bundeswirtschaftsministerium fördert<br />
die fünf ausgewählten Schaufensterregionen<br />
in Deutschland mit 230 Millionen Euro<br />
über einen Projektzeitraum von vier Jahren.<br />
Die einzelnen an WindNODE beteiligten<br />
ostdeutschen Bundesländer sollen dabei<br />
In Mecklenburg-Vorpommern beteiligt<br />
sich beispielsweise der kommunale Energieversorger<br />
WEMAG an WindNODE. Das<br />
Unternehmen widmet sich unter anderem<br />
der Frage, inwieweit Nachtspeicherheizungen<br />
ein Baustein bei der Energiewende<br />
sein können und welche Auswirkungen<br />
stark belastete Stromnetze auf der Hochspannungsebene<br />
nach sich ziehen.<br />
Konkrete Projekte sind gegenwärtig in allen<br />
Bundesländern noch in der Planung.<br />
In Berlin ist beispielsweise die EUREF AG<br />
mit ihrer Expertise im Bereich nachhaltiger<br />
Stadtentwicklung als assoziierter Partner<br />
Teil der WindNODE-Initiative. So konnte<br />
auf Betreiben der EUREF-Consulting die<br />
Schwarz-Gruppe gewonnen werden, ausgewählte<br />
Lidl- und Kaufland-Märkte zu<br />
„Schaufenster-Filialen" auszurüsten, um<br />
Kunden für die Themen der Energiewende<br />
zu sensibilisieren.<br />
W+M<br />
Foto: 50 Hertz Transmission GmbH<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
ADVERTORIAL | 25<br />
Mittelstand 4.0 – Vorsprung durch Integration<br />
Die Digitalisierung erfasst Unternehmen quer durch alle Branchen.<br />
Warum der Mittelstand sich jetzt wandelt, erläutert der Vorstand der<br />
Scopevisio AG Michael Rosbach im Interview.<br />
wird die interne Zusammenarbeit optimiert<br />
und der Geschäftsführer hat jederzeit einen<br />
Rundum-Blick auf das Unternehmen.<br />
Warum ist Ihnen der Aspekt der<br />
Integration so wichtig?<br />
Fotos: Scopevisio AG<br />
Scopevisio bietet eine kaufmännische Komplettlösung aus der Cloud an.<br />
Ihr diesjähriges CeBIT-Motto lautet:<br />
Mittelstand 4.0 – Vorsprung durch<br />
Integration. Was meinen Sie damit?<br />
Michael Rosbach: Von der Digitalisierung<br />
ist der gesamte Mittelstand betroffen<br />
– nicht nur die Industrie. Zwar wird die<br />
smarte Fabrik der Zukunft, in der die Maschinen<br />
miteinander kommunizieren, gerne<br />
als Paradebeispiel herangezogen. Es<br />
sind aber gerade die administrativen Abläufe,<br />
in denen enormes Digitalisierungsund<br />
Automatisierungspotenzial steckt.<br />
Inwiefern? Können Sie Beispiele<br />
nennen?<br />
Michael Rosbach: Nach wie vor gibt es<br />
in Unternehmen zahlreiche papiergebundene<br />
Abläufe, die mit hohem manuellen<br />
Aufwand verbunden sind. Denken Sie nur<br />
an die Unterschriftenmappe, die durchs<br />
Unternehmen wandert oder an Rechnungen,<br />
die handschriftlich freigegeben werden.<br />
Hinzu kommt das Problem der Medienbrüche,<br />
die dann entstehen, wenn unterschiedliche<br />
Systeme im Einsatz sind,<br />
die nicht miteinander kommunizieren. Vereinfacht<br />
gesagt: Wenn das CRM-System<br />
die ERP-Software nicht kennt, entstehen<br />
Informationssilos, die redundant gepflegt<br />
werden. Heutzutage können sich Unternehmen<br />
solch ineffiziente Geschäftsabläufe<br />
nicht mehr leisten. Dagegen verschaffen<br />
sich Unternehmen, die ihre Prozesse<br />
digitalisieren, einen Wettbewerbsvorteil.<br />
Wie können Sie als Software-<br />
Hersteller unterstützen?<br />
Michael Rosbach: Cloud Unternehmenssoftware<br />
von Scopevisio strafft Geschäftsprozesse<br />
und beschleunigt sie. Von Kunden<br />
erfahren wir, dass sie dadurch bis zu 30<br />
Prozent an Administrationsaufwand einsparen.<br />
Wir setzen bei den betrieblichen Abläufen<br />
an, die es in fast allen Unternehmen<br />
gibt: bei Marketing und Vertrieb, Angebotserstellung,<br />
Projektsteuerung, Rechnungserstellung<br />
und Finanzbuchhaltung. All diese<br />
Prozesse integrieren wir in einem einzigen<br />
System. Das bedeutet in der Praxis:<br />
Anwender können vom Kontakt zum Angebot,<br />
vom Projekt zum Dokument und vom<br />
Dokument zurück zum Kontakt navigieren.<br />
Jeder Mitarbeiter hat stets Zugriff auf dieselben<br />
aktuellen Daten wie der Kollege –<br />
auch unterwegs oder im Home-Office. So<br />
Michael Rosbach: Geschäftsprozesse<br />
zu digitalisieren ist der notwendige erste<br />
Schritt, sie zu vernetzen und zu automatisieren<br />
ist hingegen der entscheidende Hebel.<br />
Am besten funktioniert das in einer integrierten<br />
Lösung, die alle Daten aus Marketing,<br />
Vertrieb, Abrechnung, Buchhaltung,<br />
Projekt- und Dokumentenmanagement<br />
bündelt. Nehmen Sie das konkrete Beispiel<br />
der Eingangsrechnung: In Scopevisio wird<br />
sie nach dem Scannen automatisch kontiert,<br />
danach werden Buchung und Banküberweisung<br />
mit einem Klick angestoßen.<br />
Regelassistenten ermöglichen die Automatisierung<br />
von Prozessen. Genau hier spielt<br />
eine integrierte Lösung ihre Vorteile aus –<br />
alles andere ist Stückwerk.<br />
Michael Rosbach ist Vorstand der Scopevisio AG.<br />
KONTAKT<br />
Scopevisio AG<br />
Rheinwerkallee 3, 53227 Bonn<br />
Tel.: 0228 4334-3000<br />
info@scopevisio.com<br />
www.scopevisio.com<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
26 | W+M TITEL<br />
Ostprodukte:<br />
Die unheimliche Renaissance<br />
Sie waren schon häufig totgesagt und viele von ihnen verschwanden<br />
tatsächlich bereits zeitweise vom Markt – die noch aus DDR-Zeiten<br />
bekannten sogenannten Ostprodukte. Doch auch gut 25 Jahre nach<br />
der Deutschen Einheit feiern sie Markterfolge, welche die meisten<br />
Experten nicht für möglich gehalten haben. Es ist eine fast schon<br />
unheimliche Renaissance, die im 26. Jahr nach dem Ende der DDR<br />
zu beobachten ist. Von Karsten Hintzmann<br />
Am 11. März ist es wieder soweit:<br />
Die OSTPRO – die größte Verkaufsmesse<br />
für Ostprodukte in Deutschland<br />
– öffnet für drei Tage ihre Pforten in<br />
Berlin. Man braucht kein Prophet zu sein,<br />
um vorherzusagen, dass sich schon weit<br />
vor 10 Uhr, wenn der offizielle Startschuss<br />
fällt, hunderte Menschen vor den Türen<br />
drängeln werden. So war es immer in den<br />
vergangenen Jahren und so wird es auch<br />
in diesem Jahr sein.<br />
Das bereits 1991 gegründete Messeformat<br />
findet zwei Mal jährlich in Berlin<br />
statt, darüber hinaus auch in anderen ostdeutschen<br />
Großstädten. Erklärtes Ziel<br />
der Messe-Organisatoren von der SCOT<br />
Messen und Marketing GmbH ist es, „in<br />
Vergessenheit geratenen Produkten aus<br />
der ehemaligen DDR eine neue Präsentations-<br />
und Marketingplattform zu bieten“.<br />
In der Tat haben es in den vergangenen<br />
zwei Jahrzehnten etliche Produkte zurück<br />
in die Ladenregale geschafft. Nicht ohne<br />
Stolz verweisen die OSTPRO-Veranstalter<br />
darauf, dass es ihnen darüber hinaus gelungen<br />
sei, „ein Bewusstsein für regionale<br />
Produkte“ zu schaffen und die Nachfrage<br />
nach „kultigen Ostprodukten“ hoch zu<br />
halten. Somit sei die OSTPRO „ein Mekka<br />
für alle, die immer wieder Gefallen an<br />
den Ostprodukten“ finden. Für die März-<br />
Messe am Berliner Ostbahnhof haben sich<br />
mehr als 100 Firmen angesagt, die ihre<br />
Produkte und Spezialitäten aus den neuen<br />
Bundesländern unter dem Motto „Schauen,<br />
kosten, kaufen“ feilbieten werden.<br />
Dass sich so viele Produkte und Marken<br />
aus Zeiten der DDR-Planwirtschaft auch<br />
unter den Bedingungen der Marktwirtschaft<br />
etablieren konnten, war in den ersten<br />
Jahren nach der Einheit alles andere<br />
als vorhersehbar. Schließlich waren nahezu<br />
alle Kombinate und Großbetriebe abge-<br />
Fotos: Werder Feinkost (links oben), Meissen (links unten), Rotkäppchen (Mitte), Hako-Gruppe (rechts oben), Halloren Schokoladenfabrik AG (rechts unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
OSTPRODUKTE | 27<br />
Foto: W+M<br />
wickelt worden und die ostdeutsche Bevölkerung<br />
lechzte nach den bunt verpackten<br />
Waren aus westdeutscher und internationaler<br />
Produktion. Am Konsumerbe<br />
der vergangenen sozialistischen Epoche<br />
bestand zunächst kein großes Interesse.<br />
Das änderte sich ab Mitte der<br />
1990er Jahre. Damals entdeckten<br />
Firmen und Konzerne aus<br />
den alten Bundesländern<br />
dümpelnde „Ostmarken“,<br />
kauften sie auf und positionierten<br />
sie mit nicht unerheblichem Marketingaufwand<br />
neu am Markt. Darüber<br />
hinaus stabilisierten sich mittelständische<br />
Unternehmen in den neuen<br />
Ländern, die sich ganz bewusst der<br />
Pflege alter Marken annahmen und diese<br />
auf regionalen Verkaufsausstellungen<br />
und der OSTPRO an die Käufer brachten.<br />
Für Ethnologen ist der anhaltende Ostprodukte-Hype<br />
nicht überraschend. Professor<br />
Wolfgang Kaschuba, der bis zum Vorjahr<br />
das Institut für Europäische Ethnologie an<br />
der Berliner Humboldt-Universität leitete,<br />
sagt: „Noch immer ist die Mehrheit der in<br />
den neuen Ländern lebenden Menschen<br />
in der DDR aufgewachsen. Und die haben<br />
zu Dingen des Alltags oft eine sehr enge<br />
Bindung, in emotionaler wie ästhetischer<br />
Hinsicht.“ Darüber hinaus habe die ostdeutsche<br />
Bevölkerung inzwischen zu ihrem<br />
Heimatgefühl zurückgefunden, das<br />
sich im Revival der Ostprodukte widerspiegelt.<br />
Der Wirtschaftsexperte und stellvertretende<br />
Geschäftsführer des ifo-Instituts<br />
Dresden Professor Joachim Ragnitz hält<br />
indes die Fokussierung auf den Begriff<br />
„Ostprodukt“ auch 25 Jahre nach der<br />
deutschen Wiedervereinigung für einen<br />
Anachronismus: „Anderswo käme kaum<br />
jemand auf die Idee, dass die Herkunft<br />
eines Produkts irgendeinen Hinweis auf<br />
Qualität oder auch nur Attraktivität geben<br />
würde. Insoweit werden auch nirgendwo<br />
‚Westprodukte‘ oder ‚NRW-Produkte‘ offensiv<br />
beworben. In Ostdeutschland hingegen<br />
kann die Herkunftsangabe ‚Osten‘<br />
immer noch dazu dienen, bestimmte Käuferschichten<br />
anzusprechen, nämlich Personen,<br />
die eher auf der ‚Ostalgiewelle‘<br />
mitschwimmen oder solche, denen es darum<br />
geht, Arbeitsplätze in Ostdeutschland<br />
zu sichern.“ Allerdings gebe, so Ragnitz,<br />
die Herkunftsbezeichnung „Ostprodukt“<br />
hierzu nicht immer eindeutig Auskunft:<br />
„Es gibt Ost-Marken, die inzwischen in<br />
Westdeutschland<br />
hergestellt werden,<br />
und<br />
REGIONAL<br />
QUALITÄT<br />
OSTPRODUKT<br />
viele ostdeutsche<br />
Produktionsstätten<br />
der<br />
Konsumgüterindustrie gehören ja ohnehin<br />
zu westdeutschen Konzernen. ‚Ostprodukte‘<br />
oder ‚Ostmarken‘ sind insoweit<br />
vor allem ein marketingtechnisches Instrument,<br />
um bestimmte Käuferschichten<br />
gezielt anzusprechen und damit eine Steigerung<br />
des eigenen Marktanteils zu erreichen.<br />
Gleichzeitig gibt es viele in Ostdeutschland<br />
hergestellte Produkte, die<br />
gerade nicht als ‚Ostprodukte‘ beworben,<br />
sondern als ‚typische‘ Westprodukte angesehen<br />
werden.“<br />
So verwundert es nicht, dass so etablierte<br />
Marken wie etwa Radeberger Pilsner, Florena<br />
Kosmetik, Nudossi<br />
Brotaufstrich oder Rotkäppchen-Sekt,<br />
die bei<br />
etlichen Discountern<br />
und Einzelhändlern gelistet<br />
sind, längst darauf<br />
verzichten, sich als<br />
Ostprodukte in Szene<br />
zu setzen und an Ost-<br />
Messen teilzunehmen.<br />
Luxusprodukte, wie<br />
edle Uhren aus den noblen<br />
Manufakturen im<br />
sächsischen Glashütte<br />
oder Meissner Porzellan,<br />
haben sich noch nie<br />
vom Ostprodukte-Fähnchen<br />
umwehen lassen.<br />
Sie spielen seit jeher in<br />
einer anderen Liga.<br />
Um neben den gereiften Stammkunden<br />
auch jüngere Käuferschichten anzusprechen,<br />
hat sich in den letzten Jahren ein<br />
florierender Online-Handel entwickelt. Etliche<br />
Anbieter werben im Internet mit Ostprodukten<br />
aller Art. Ob das ausreicht, den<br />
„Ostprodukte“-Boom aufrecht zu erhalten,<br />
bleibt abzuwarten. Das Erfurter Institut für<br />
angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung<br />
(IMK) attestierte den Herstellern<br />
von Ostprodukten bereits vor einigen<br />
Jahren in einer vom Mitteldeutschen<br />
Rundfunk initiierten Studie einen mangelnden<br />
Einsatz für die Erschließung neuer<br />
Käuferschichten. Es fehle, so heißt es<br />
in der Studie, an der gezielten Ansprache<br />
nachrückender Zielgruppen.<br />
Der Dresdner Wirtschaftsexperte Ragnitz<br />
kommt daher zu dem Schluss, dass<br />
die „Ostprodukte“-Bewegung ihren Zenit<br />
mittlerweile überschritten hat: „Die Bewerbung<br />
eines Produkts als ‚Ostprodukt‘<br />
wird vermutlich immer weniger erfolgversprechend<br />
sein, denn Käufer, die mit einer<br />
Marke vertraut sind, die noch aus der<br />
DDR stammt, wird es künftig immer weniger<br />
geben. Insoweit ist die Markenbezeichnung<br />
‚Ostprodukt‘ sicherlich ein Auslaufmodell.<br />
Hinzu kommt, dass eine Unternehmensstrategie,<br />
die nur auf einen<br />
möglichen ‚Ost-Bonus‘ setzt, sich ganz offensichtlich<br />
auf einen Nischenmarkt beschränkt<br />
– große Wachstumssprünge sind<br />
da jedoch nicht erreichbar.“ W+M<br />
Mit Badusan-Schaumbad sind viele Generationen zu DDR-Zeiten<br />
aufgewachsen.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
28 | W+M TITEL<br />
Rügener Badejunge<br />
Deutschlands Marktführer bei Camembert<br />
Das Markenlogo von Deutschlands<br />
Camembert Nummer eins weckt<br />
Erinnerungen – an Ostseestrand,<br />
Sonne und Meer. Der „Rügener Badejunge“<br />
trägt ein Segelschiff unterm linken<br />
Arm. Der auf Deutschlands größter<br />
Insel gereifte Camembert ist besonders<br />
bei Sachsen und Thüringern<br />
beliebt, die es im Sommer in<br />
Scharen an die Küste zieht.<br />
Vor allem überzeugt der Camembert<br />
mit seinem ostseefrischen<br />
Geschmack. „Das<br />
handwerkliche Know-how<br />
dafür war in den Wirren des<br />
Zweiten Weltkrieges auf der<br />
Insel gelandet“, sagt Wolfgang<br />
Lüth, Werkleiter der<br />
Molkerei Bergen auf Rügen,<br />
wo jährlich über 3.500 Tonnen<br />
Camembert produziert werden. Einige<br />
Käse-Fachleute aus dem pommerschen<br />
Stolp blieben nach der Flucht aus dem Osten<br />
auf der Insel Rügen. Sie hatten in Stolp<br />
(heute das polnische Slupsk) den Camembert<br />
„Stolper Jungchen“ hergestellt. In Bergen<br />
wurde das Jungchen zu Beginn der<br />
Der einzige runde „Rügener Badejunge“ im 250-Gramm-Pack.<br />
1950er Jahre zum „Rügener Badejungen“.<br />
Sieben Rügener Molkerei-Genossenschaften<br />
entschlossen sich damals, gemeinsam<br />
eine Molkerei zu betreiben und vornehmlich<br />
auf Camembert zu setzen.<br />
Seit 2011 gehört die Molkerei Bergen zum<br />
Branchenkonzern Deutsches Milchkontor<br />
(DMK) in Bremen. Der Camembert von<br />
Rügen fällt auf durch sein ovales Format.<br />
Ein Alleinstellungsmerkmal des „Rügener<br />
Badejungen“ in Deutschland (bundesweiter<br />
Marktanteil 14 Prozent). Als einziger<br />
heimischer Camembert-Hersteller bieten<br />
die Bergener den Käse in dieser eigenwilligen<br />
Form (150 Gramm) an. Im Standardsortiment<br />
gibt es ihn in drei Fettstufen (30,<br />
45 und 60 Prozent). Nur das 250-Gramm-<br />
Stück (45 Prozent Fett) ist rund.<br />
Thomas Schwandt<br />
Grabower Süsswaren<br />
Traditionsreiche Leckerei aus dem Norden<br />
Das Rezept für den Original-Schokokuss<br />
aus Grabow ist einfach<br />
und zeitlos. Aus Ei geschlagener<br />
Schaum auf Waffelboden mit knackigem<br />
Schokoladenüberzug. Darin liegt<br />
vermutlich begründet, warum sich die<br />
leichte Leckerei seit vielen Jahrzehnten<br />
ungebrochener Beliebtheit bei Jung und<br />
Alt erfreut. Pro Jahr werden heutzutage<br />
in dem 6.000-Einwohner-Städtchen Grabow,<br />
südlich von Schwerin an der Elde gelegen,<br />
bis zu zwei Milliarden Schaumküsse<br />
in verschiedenen Varianten produziert,<br />
wie Simone Koltzau, Werkmanagerin der<br />
Grabower Süsswaren GmbH, informiert.<br />
Der Ursprung der Firma geht auf die Gründung<br />
einer Backstube im Jahr 1835 in<br />
Grabow zurück. Zu DDR-Zeiten war das<br />
Unternehmen 1951 zu Volkseigentum<br />
deklariert worden und erlangte vor allem<br />
durch die Produktion handgemachter<br />
Schaumküsse eine große<br />
Popularität weit über<br />
den Norden der Republik<br />
hinaus. Mit nachhaltiger<br />
Wirkung. In Deutschland<br />
sind heute „Schaumküsse<br />
mit deutlichem Hinweis<br />
auf ,Grabower‘ besonders<br />
gefragt“, sagt<br />
Simone Koltzau.<br />
Neben dem Klassiker-<br />
Schokokuss hat Grabower<br />
Süsswaren in den<br />
mehr als zwei Jahrzehnten<br />
seit der Privatisierung 1991 mit neuen<br />
Produkten die Schaumkuss-Palette erweitert.<br />
Dazu gehören Küsschen mit Zipfel,<br />
Mini-Schokoküsse und saisonale Innovationen.<br />
Der Hersteller in Grabow wurde<br />
2010 von Continental Bakeries übernommen,<br />
einem europaweit agierenden<br />
Die Krönung: Der Ei-Schaum wird mit Schokolade überzogen.<br />
Backwaren-Konzern mit Hauptsitz im niederländischen<br />
Dordrecht. Der wichtigste<br />
Markt für Grabower Schokoküsse ist<br />
Deutschland, sie werden jedoch weltweit<br />
vertrieben, besonders stark in Europa.<br />
Thomas Schwandt<br />
Fotos: Thomas Schwandt (oben), Continental Bakeries (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
OSTPRODUKTE | 29<br />
Ostdeutsche Biere<br />
Vom Ladenhüter zum Exportschlager<br />
Dank finanzkräftiger Mutterkonzerne<br />
und massiver TV-Präsenz genießen<br />
ostdeutsche Biermarken<br />
heute bundesweite Popularität. Zu den<br />
zehn in Deutschland bekanntesten Ostmarken<br />
zählen gleich vier Biere.<br />
Foto: Radeberger Gruppe KG, Frankfurt<br />
Dabei musste gerade die Brauereiwirtschaft<br />
im Osten Deutschlands nach der<br />
Wiedervereinigung erhebliche Einbußen<br />
hinnehmen. In Sachsen etwa hatte sich<br />
die Zahl der Brauereien bis Mitte der 90er<br />
Jahre nahezu halbiert – der Run auf die<br />
zuvor unerreichbaren Westbiere kostete<br />
vielen lokalen Brauereien die Existenz.<br />
Zudem waren die Biermarken zwischen<br />
Ostsee und Erzgebirge oftmals schlecht<br />
beleumundet – geschuldet war dies allerdings<br />
selten mangelnder Braukunst, sondern<br />
meist veralteter Technik und fehlender<br />
Qualität der Rohstoffe.<br />
Doch mittlerweile trinken die Ostdeutschen<br />
gerne wieder das Bier aus der Heimat.<br />
So werden heute nach Angaben des<br />
Sächsischen Brauerbundes drei Viertel<br />
des im Freistaat konsumierten Bieres<br />
auch vor Ort produziert. Das Brauereisterben<br />
in Sachsen ist so Geschichte. Mit 57<br />
hat die Zahl der Braustätten wieder das<br />
Vorwendeniveau erreicht, wenn auch die<br />
Hälfte davon nur als kleine Hausbrauereien<br />
produzieren.<br />
Zu den Gewinnern auf dem gesamtdeutschen<br />
Biermarkt zählt zweifelsohne das<br />
Schwarzbier aus dem thüringischen Bad<br />
Köstritz. Dank der Übernahme durch die<br />
rheinland-pfälzische Bitburger-Braugruppe<br />
1991 konnte die Köstritzer Schwarzbierbrauerei<br />
GmbH frühzeitig in die Modernisierung<br />
der Brautechnik investieren.<br />
Ab 1993 konzentrierten sich die Thüringer<br />
auf Schwarzbiere, im Westen zu dieser<br />
Zeit ein Nischenprodukt.<br />
Mehr als die Hälfte ihres Bierausstoßes<br />
liefern die Thüringer heute in den Westen.<br />
Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen<br />
in 13 von 16 Bundesländern<br />
Ostdeutscher Markenerfolg: Radeberger Bier.<br />
die Marktführerschaft beim Schwarzbier<br />
übernommen. Und dank der Vertriebsstrukturen<br />
des Mutterkonzerns wird das<br />
Bier aus der Kleinstadt an der Weißen<br />
Elster in 60 Länder exportiert. So gilt<br />
Köstritzer laut der aktuellen West-Ost-<br />
Markenstudie von MDR-Werbung im<br />
Westen der Republik als bekannteste<br />
Thüringer Marke noch vor Vita-Cola und<br />
Nordhäuser Doppelkorn.<br />
Eine noch eindrucksvollere Erfolgsgeschichte<br />
schrieb die Radeberger Exportbierbrauerei<br />
GmbH. Das konsequent<br />
als Premium-Pils vermarktete Bier hat<br />
sich 2002 sogar zum Namensgeber der<br />
größten deutschen Brauereigruppe aufgeschwungen.<br />
Zu der zum Oetker-Konzern<br />
gehörenden Radeberger-Gruppe<br />
zählen etwa Biermarken wie Jever Pilsner<br />
oder Dortmunder Union. Auch wenn<br />
der Firmensitz weiterhin in Frankfurt/<br />
Main residiert – die Namensgebung signalisiert,<br />
welch guten Ruf die sächsische<br />
Traditionsmarke deutschlandweit<br />
genießt. Radeberger kennen laut MDR-<br />
Studie 88 Prozent der Ost- und 77 Prozent<br />
der Westdeutschen. Beim Bierausstoß<br />
lag Radeberger laut Branchendienst<br />
INSIDE-Getränke 2015 bundesweit an<br />
neunter Stelle.<br />
In dieser Hitliste der deutschen Biere findet<br />
sich das laut Eigenwerbung „Bier der<br />
Kanzler und Könige“ in ostdeutscher Gesellschaft.<br />
Denn auf Platz acht beim Bierausstoß<br />
rangiert Hasseröder mit einem –<br />
allerdings rückläufigen – Produktionsvolumen<br />
von 2,25 Millionen Hektolitern. Die<br />
Harzer Biermarke mit dem charakteristischen<br />
Auerhahn auf dem Etikett wurde<br />
nach 1990 von der hannoverschen Gilde-<br />
Brauerei übernommen.<br />
Das Bier aus Wernigerode, einst in der<br />
DDR nur regional erhältlich, profilierte sich<br />
bundesweit durch konsequentes öffentlichkeitswirksames<br />
Sport-Sponsoring, vor<br />
allem im Profiboxen. Heute ist der Marktführer<br />
in Ostdeutschland eine von vielen<br />
Marken im Portfolio des in Belgien ansässigen<br />
Weltmarktführers Anheuser-Busch<br />
InBev und muss sich angesichts der Fusion<br />
des Biergiganten mit der weltweiten<br />
Nummer zwei SABMiller in dem internationalen<br />
Mega-Konzern neu bewähren.<br />
Matthias Salm<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
30 | W+M TITEL OSTPRODUKTE<br />
Spreewälder Gurken<br />
Auch in China geschätzt<br />
Eine Story aus den 90ern: Einzeln in<br />
Dosen verpackt wurden Spreewaldgurken<br />
beim Besuch einer Wirtschaftsdelegation<br />
arabischen Scheichs<br />
überreicht. Ein Marketinggag, der Export<br />
in die arabische Welt ist überschaubar geblieben.<br />
Zu Hause jedoch erfreuen sich<br />
die Erzeugnisse aus dem Spreewald großer<br />
Beliebtheit.<br />
Seit 1999 gilt der Schutzstatus der EU<br />
für Spreewälder Gurken und Spreewälder<br />
Meerrettich. Dieser verlangt, dass im<br />
verarbeiteten Erzeugnis mehr als 70 Prozent<br />
Gurken aus kontrolliert-integriertem<br />
Anbau im Spreewald enthalten sind. Zahlreiche<br />
Firmen produzieren das Markenzeichen<br />
der Region, darunter die RABE<br />
Spreewälder Konserven GmbH & Co.<br />
KG in Boblitz, einem Ortsteil von Lübbenau.<br />
Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr<br />
1898 zurück. 1979 übernahm Rainer Belaschk<br />
die Leitung der Konservenfabrik,<br />
1992 wurde sie als GmbH mit dem Kürzel<br />
RA(iner) BE(laschk) umbenannt. Inzwischen<br />
hält Sohn Markus Belaschk die Geschicke<br />
der Firma mit rund 60 Mitarbeitern<br />
in der Hand.<br />
RABE-Erzeugnisse finden die Kunden<br />
heute deutschlandweit in den Regalen<br />
großer Handelseinrichtungen, ein Teil der<br />
rund 2.000 Tonnen Jahresproduktion geht<br />
nach Belgien, China und Japan. „Im Laufe<br />
der Generationen sind die Rezepturen<br />
ständig weiterentwickelt und verfeinert<br />
worden“, unterstreicht Geschäftsführer<br />
Markus Belaschk. „Dabei orientieren wir<br />
uns auf möglichst wenige Zusätze bei der<br />
Gemüseverarbeitung und nutzen frische<br />
Spreewaldgurken kommen in die Dose.<br />
Kräuter aus eigenem Anbau. Bei neuen<br />
Produkten, wie unseren Sweet-Chili-Gurken<br />
und Curry-Gurken, verwenden wir die<br />
wertvolle Thermal-Sole aus den Tiefen<br />
des Spreewaldes für den Aufguss.“ <br />
Dr. Ulrich Conrad<br />
Werder Ketchup<br />
Die Tradition lebt<br />
Abfüllung von Werder-Ketchup.<br />
Natürlich ließen sich auf der Grünen<br />
Woche Ende Januar in Berlin wieder<br />
tausende Besucher Ketchup<br />
von Werder Feinkost schmecken. Bereits<br />
seit 1958 sind die Werderaner auf Tomatenketchup<br />
spezialisiert. Die Werder Feinkost<br />
GmbH setzt auf eine über 140-jährige<br />
Firmentradition mit modernen Produktionsanlagen<br />
und zahlreichen neuen<br />
Produkten.<br />
Das inhabergeführte Unternehmen<br />
ist absoluter Marktführer<br />
in Berlin, Brandenburg,<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
und Sachsen-Anhalt und zählt<br />
zu den Top vier der Ketchup-<br />
Hersteller in der Bundesrepublik.<br />
Zunehmend kommen<br />
auch West- und Süddeutsche<br />
auf den Geschmack. „Die Basis<br />
unseres Erfolgs ist das<br />
Team aus 57 erfahrenen und<br />
qualifizierten Mitarbeitern“,<br />
sagt Prokurist Tim Walter.<br />
„Wir verarbeiten ausschließlich<br />
hochwertige, nicht genmanipulierte<br />
Rohstoffe und<br />
Zutaten. So werden wir dem gestiegenen<br />
Umwelt- und Qualitätsbewusstsein<br />
der Verbraucher gerecht.“ Ketchup von<br />
Werder Feinkost ist lactose- und glutenfrei,<br />
ohne Farb- und Konservierungsstoffe<br />
sowie Geschmacksverstärker.<br />
Ein lückenloses Kontroll- und Dokumentationssystem<br />
entlang der gesamten Produktionskette<br />
stellt sicher, dass jeder Schritt<br />
transparent nachvollziehbar ist. Das Unternehmen<br />
ist nach dem International Food<br />
Standard, Version 6 zertifiziert und besitzt<br />
das Bio-Siegel. Auf der Grünen Woche<br />
wurden wieder Neuentwicklungen vorgestellt:<br />
„Mediterrano Sensation“, „Asia<br />
Thai Sensation“ sowie „Veggie Bolognese“<br />
und „Paprika Sauce“. Sie bringen neue<br />
Geschmacksnuancen in die Produktpalette<br />
und liegen im Trend der Zeit von veganer<br />
und vegetarischer Ernährung.<br />
Dr. Ulrich Conrad<br />
Fotos: RABE (oben), Werder Feinkost (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
UNSERE REGION.<br />
UNSERE VERANTWORTUNG.<br />
UNSERE ENERGIE.<br />
enviaM und MITGAS gestalten gemeinsam<br />
die EnergieZukunft für Ostdeutschland.
32 | W+M TITEL<br />
Mifa<br />
Fahrradschmiede startet durch<br />
Die Legende kennt kein Ende. Seit<br />
1907 werden in Sangerhausen Fahrräder<br />
gebaut. Ab 1990 folgte jedoch<br />
ein Auf und Ab mit wechselnden Investoren.<br />
Dennoch blieb Mifa Deutschlands<br />
größter Fahrradhersteller. Allein 2004 liefen<br />
737.000 Drahtesel vom Band. Doch als<br />
sich 2014 ein avisierter indischer Großaktionär<br />
zurückzog, wurde die Zahlungsunfähigkeit<br />
unausweichlich.<br />
Doch die Hoffnung stirbt zuletzt – und<br />
diesmal kam sie nicht von außen. So betrieb<br />
die Fahrradschmiede die Insolvenz in<br />
Eigenverwaltung, was deutlich die Chancen<br />
erhöhte. Und zudem stand bald ein<br />
Retter bereit, der auch in Sachsen-Anhalt<br />
verwurzelt ist: Heinrich von Nathusius, der<br />
mit seiner Familie bereits in Haldensleben<br />
den Automobilzulieferer IFA Rotorion erfolgreich<br />
sanierte. Er<br />
übernahm Mifa Ende<br />
2014 und treibt seither<br />
große Pläne voran.<br />
Derzeit entsteht<br />
am Rande von Sangerhausen<br />
ein modernes<br />
Fahrradwerk, das<br />
ganz auf Zukunft gestrickt<br />
ist – am alten<br />
Standort in der Innenstadt sah der Investor<br />
kein Wachstumspotenzial mehr.<br />
Mifa: Deutschlands größter Fahrradhersteller im sachsenanhaltischen<br />
Sangerhausen.<br />
Im September beginnt im neuen Werk die<br />
Montage der Bikes. So wurde auch keiner<br />
der 550 Mitarbeiter entlassen. Denn wer<br />
sich selbst hilft, dem hilft – nicht nur – der<br />
Himmel. So beteiligt sich das Land an der<br />
19 Millionen teuren Gesamtinvestition mit<br />
2,85 Millionen Euro, die Stadt Sangerhausen<br />
erweiterte zuvor das entsprechende<br />
Gewerbegebiet – und nun konnte Mifa sogar<br />
einen ersten Großinvestor an Land ziehen:<br />
Peugeot lässt hier bald 100.000 Bikes<br />
pro Jahr fertigen. „Bisher wird ein Großteil<br />
der Räder für den deutschen Markt in<br />
Asien gefertigt, diese Hersteller wollen wir<br />
ablösen“, so von Nathusius zuversichtlich.<br />
Harald Lachmann<br />
Multicar<br />
Der kompakte Alleskönner<br />
Die Letzten werden die Ersten sein,<br />
dachte mancher vielleicht 1990 in<br />
Waltershausen. Denn unter den<br />
Marken des IFA-Fahrzeugkombinates<br />
wurde vor der Wende wohl keiner milder<br />
belächelt als der angejahrte Multicar.<br />
Der neue Multicar M31 aus Waltershausen.<br />
Doch überlebt hat bekanntlich nur der<br />
seit 1959 hier gebaute Kommunaltransporter.<br />
Denn er konnte schon damals viel<br />
– und heute beherrscht er praktisch alles:<br />
räumen, wässern, streuen, saugen,<br />
bürsten, mähen, schneiden, putzen, hämmern,<br />
bohren, pumpen oder<br />
schleppen.<br />
Dank einer ausgeklügelten<br />
Systemplattform können<br />
die vier Baureihen – Tremo,<br />
Fumo mit Doppelkabine,<br />
M27 und M31 – mehr als<br />
300 Geräte und Aufbauten<br />
schultern. Der im Thüringer<br />
Unternehmen gern benutzte<br />
Slogan „Ein Fahrzeug –<br />
ein ganzer Fuhrpark“ übertreibt<br />
offenkundig nicht. Und<br />
auf keinem der multifunktionalen<br />
Fahrzeuge, die die<br />
knapp 200 Mitarbeiter in einem<br />
Mix aus Serienbetrieb und Manufaktur<br />
fertigen, bleibt man sitzen. Denn jedes<br />
der kompakten Universalmobile entsteht<br />
auf speziellen Kundenwunsch. In etwa acht<br />
bis zehn Wochen sei praktisch alles individuell<br />
lieferbar, heißt es im Werk in Waltershausen,<br />
das seit 1998 zur Hako GmbH in<br />
Bad Oldesloe gehört. Die Norddeutschen<br />
bauten den Thüringer Standort seinerzeit<br />
zum Kompetenzzentrum für Geräteträger<br />
und Kleintransporter aus.<br />
Dass Multicar auch in der Marktwirtschaft<br />
schnell Boden unter die Räder bekam, war<br />
maßgeblich dem hohen persönlichen Engagement<br />
sehr vieler Mitarbeiter zu verdanken,<br />
allen voran den späteren Geschäftsführern<br />
Walter Botschatzki und Manfred<br />
Windus. Sie hatten nicht abgewartet, bis<br />
sie jemand kauft, sondern sofort selbst die<br />
Privatisierungsinitiative ergriffen.<br />
Harald Lachmann<br />
Fotos: Mifa (oben), Hako-Gruppe (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
OSTPRODUKTE | 33<br />
Uhren aus Glashütte<br />
Hier lebt die Zeit<br />
Fotos: KittyKat/fotolia.com (oben), Stadtverwaltung Glashütte (unten)<br />
Die edlen Uhren aus dem Erzgebirgsstädtchen<br />
Glashütte sind natürlich<br />
keine Dinge, die in die Kategorie der<br />
klassischen Ostprodukte passen. Sie sind<br />
vielmehr Premium- und Luxusprodukte,<br />
die von zahlungskräftiger Kundschaft in aller<br />
Welt erworben werden. Allerdings ist<br />
die Kleinstadt Glashütte seit 170 Jahren<br />
international bekannt für meisterlich gefertigte<br />
Uhren. Eine Tradition, die auch zu<br />
DDR-Zeiten gepflegt fortgesetzt wurde.<br />
Die Erfolgsgeschichte der Uhrmacherstadt<br />
begann im Jahr 1845, als sich der<br />
sächsische Uhrmachermeister Ferdinand<br />
Adolph Lange in Glashütte niederließ. Er<br />
war einem Aufruf der königlich-sächsischen<br />
Regierung gefolgt, von der er 7.000<br />
Taler Anschubfinanzierung erhalten hatte.<br />
Zunächst wählte er feinmotorisch talentierte<br />
Bergarbeiter und Strohflechter<br />
aus und schulte sie zu Uhrmachern um.<br />
Ab 1875 bildete die Uhren- und feinmechanische<br />
Industrie das wirtschaftliche<br />
Rückgrat des Ortes. Auch, weil<br />
die Deutsche Uhrmacherschule<br />
Glashütte, die von<br />
1878 bis 1956 existierte,<br />
Jahr für Jahr qualifizierten<br />
Nachwuchs<br />
entwickelte. Zu den<br />
bekanntesten Firmen<br />
gehörten A. Lange &<br />
Bürgermeister von Glashütte:<br />
Markus Dreßler.<br />
Söhne, Union Glashütte und J. Assmann<br />
Deutsche Anker-Uhren-Fabrik Glashütte.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die<br />
Uhrenhersteller enteignet und die Uhrenfertigung<br />
im VEB Glashütter Uhrenbetriebe<br />
zusammengefasst. Das Staatsunternehmen<br />
hatte die Aufgabe, nicht nur die<br />
DDR-Bürger, sondern den gesamten Ostblock<br />
mit (preiswerten) Uhren verschiedenster<br />
Art zu beliefern. Einzelne Armbanduhrkollektionen<br />
wurden auch in die<br />
Bundesrepublik exportiert.<br />
Erst nach der deutschen Einheit erlebten<br />
dann die bekannten Uhrenmarken eine Renaissance.<br />
Ein wichtiger Meilenstein war<br />
1990 die Neugründung der Firma Lange<br />
durch den Urenkel von Ferdinand Adolph<br />
Lange, Walther Lange. Seit 1991 fertigt<br />
Nomos Glashütte mechanische Uhren vor<br />
Ort. Zu den weiteren Uhrenmarken zählen<br />
Union Glashütte, das Bruno Söhnle<br />
Uhrenatelier, Tutima, Moritz Grossmann<br />
sowie der Hamburger Edel-Juwelier<br />
Wempe. Die Glashütter<br />
Uhrenbetrieb GmbH,<br />
die 1990 aus dem VEB<br />
Glashütter Uhrenbetriebe<br />
hervorgegangen<br />
war, wurde im<br />
Jahr 2002 von der<br />
Swatch Group AG<br />
übernommen, die am<br />
Standort die exklusive<br />
Marke Glashütte Original<br />
herstellt.<br />
Für die im Müglitztal gelegene Stadt mit<br />
ihren knapp 7.000 Einwohnern sind die Uhrenmanufakturen<br />
ein Segen. Daher wirbt<br />
die Kommune launig mit dem Spruch:<br />
„Glashütte – hier lebt die Zeit“. Bürgermeister<br />
Dreßler: „Viele Unternehmen sind<br />
in den vergangenen Jahren gewachsen,<br />
neue haben sich angesiedelt, es wurde<br />
1<br />
viel investiert. Davon profitieren wir natürlich<br />
auch als Stadt – die Steuereinnahmen<br />
haben Rekordniveau.“ Die Finanzen der<br />
Gemeinde sind geordnet, die Infrastruktur<br />
ist intakt, Schulen und Kindergärten saniert<br />
10<br />
und die Feuerwehr ist modern ausgestattet.<br />
1.700 Arbeitskräfte stehen bei den<br />
Uhrenfirmen direkt in Lohn und Brot. Darüber<br />
hinaus wirkt sich der boomende Industriezweig<br />
auch auf andere Handwerksbetriebe<br />
und Dienstleister in der Region<br />
aus, 9ganz zu schweigen von Gastronomie<br />
und Hotels, die vom Touristenansturm auf<br />
die Uhrenmetropole im Erzgebirge profitieren.<br />
Aktuell suchen die Stadtväter händeringend<br />
nach einem Investor, der in Glashütte<br />
ein neues Hotel errichtet.<br />
Erst jüngst wurde Glashütte vom Ostdeutschen<br />
Sparkassenverband mit dem<br />
7<br />
Titel „Kommune des Jahres 2015“ ausgezeichnet.<br />
Dieser Preis wird Städten und<br />
Gemeinden verliehen, die durch ihre kommunale<br />
Wirtschaftsförderung die Standortattraktivität<br />
steigern konnten und die<br />
Ansiedlung von Unternehmen unterstützt<br />
haben.<br />
Karsten Hintzmann<br />
4<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
34 | W+M TITEL<br />
Porzellan aus Meißen und Kahla<br />
Geschirr zwischen Luxus<br />
und Alltag<br />
Kahlas Dîner-Kollektion in schlichtem Design.<br />
Modernes Kaffee-Set aus Meissen: das Royal Palace.<br />
In ihrer mehr als dreihundertjährigen<br />
Geschichte gelangte die Porzellanherstellung<br />
in Deutschland weltweit zu<br />
Ruhm. Nachdem 1708 das erste europäische<br />
Hartporzellan in Dresden erzeugt<br />
wurde, entwickelten sich im Laufe der<br />
Zeit mehrere Erfolgsgeschichten.<br />
Die Porzellanmanufaktur in Meißen –<br />
die erste Europas – musste, seit ihrer<br />
Gründung 1710, viele Wechselfälle der<br />
Geschichte miterleben: Kriege, Wirtschaftskrisen,<br />
politische Veränderungen.<br />
Trotz aller Hürden bewahrte sich<br />
das Meissner Porzellan seine hohe Qualität.<br />
An das Material sind ebenso hohe<br />
Ansprüche gerichtet wie an die auszubildenden<br />
Maler und Bossierer. War die<br />
Zahl der Mitarbeiter zu Beginn im 18.<br />
Jahrhundert noch sehr klein, um das Geheimnis<br />
des Porzellans zu bewahren, so<br />
beschäftigte die Manufaktur als Volkseigener<br />
Betrieb in der DDR etwa 1.800<br />
Angestellte.<br />
Auch die Wirren der Wendezeit hat die<br />
Porzellanmanufaktur überstanden. Seit<br />
1991 ist der Freistaat Sachsen Gesellschafter<br />
der Staatlichen Porzellanmanufaktur<br />
Meissen GmbH und beschäftigt<br />
heute rund 640 Mitarbeiter. Inzwischen<br />
wird nicht mehr nur Porzellan hergestellt,<br />
sondern beispielsweise auch<br />
Kleidung, Uhren, Schmuck und Inneneinrichtung.<br />
Ziel war es, ein internationales<br />
Luxus- und Lifestyle-Unternehmen<br />
aus der Porzellanmanufaktur zu machen.<br />
In den letzten Jahren hat Meissen<br />
mit einem starken Umsatzrückgang zu<br />
kämpfen. Tillmann Blaschke, seit 2015<br />
Geschäftsführer, sieht sich vor der großen<br />
Aufgabe, das Unternehmen aus<br />
den roten Zahlen zu holen. Deshalb stehen<br />
nun alle Geschäftsbereiche auf dem<br />
Prüfstand. Trotz dieser Krise ist die ehemals<br />
„Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische<br />
Porzellan-Manufaktur“<br />
eine so traditionsreiche Marke, dass das<br />
Land Sachsen sie auf keinen Fall aufgeben<br />
will und kann.<br />
Im Jahre 1844 wurde in Thüringen<br />
die Porzellanfabrik Kahla gegründet.<br />
Schnell stieg sie zur größten Porzellanfabrik<br />
Thüringens auf und setzte sich<br />
am Markt mit dem in vielen Haushalten<br />
benutzten Seriengeschirr durch. In<br />
der DDR lag in Kahla die zentrale Porzellanherstellung.<br />
Nach der Wende wurde<br />
das Unternehmen von der Treuhand privatisiert<br />
und musste bereits 1993 Konkurs<br />
anmelden. Im Jahr darauf wurde<br />
vom ehemaligen Rosenthal-Vorstand<br />
Günther Raithel als mehrheitlichem Gesellschafter<br />
– 49 Prozent lagen bei der<br />
Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft<br />
– die KAHLA/Thüringen Porzellan<br />
GmbH gegründet. Raithel modernisierte<br />
und baute das Unternehmen um<br />
– von den Fertigungsanlagen über Produktionsprozesse<br />
bis hin zur Produktpalette.<br />
Im Jahr 2000 konnte die Familie<br />
Raithel die restlichen Anteile übernehmen.<br />
Seitdem ist es ein reines Familienunternehmen.<br />
Heute ist Kahla mit<br />
seinen rund 300 Mitarbeitern und einem<br />
starken Umsatzwachstum von 36<br />
Prozent sowie einem Exportanteil von<br />
rund 40 Prozent einer der erfolgreichsten<br />
deutschen Porzellanhersteller.<br />
Adrian M. Darr<br />
Fotos: Kahla (oben), Meissen (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
OSTPRODUKTE | 35<br />
Halloren<br />
Die „Volkspraline“ schmeckt noch immer<br />
Die Halloren Schokoladenfabrik AG in<br />
Halle stellt mit ihren rund 650 Beschäftigten<br />
120 verschiedene Produkte<br />
her und erwirtschaftet einen Jahresumsatz<br />
von rund 122 Millionen Euro<br />
(2013). Ein Viertel des Umsatzes wird im<br />
Ausland – vorrangig in Dänemark, Kanada<br />
und Rumänien – generiert. Doch das<br />
Flaggschiff ist unverändert ein Erzeugnis,<br />
das schon die Konsumenten in der DDR<br />
verzauberte – die legendären Hallorenkugeln.<br />
Die rundlichen braunen Pralinen<br />
erhielten ihren Namen, so besagt es der<br />
Volksmund, in Anlehnung an die in Vorzeiten<br />
in der Saalestadt tätigen Salzwirker,<br />
seinerzeit Halloren genannt. Weil die aus<br />
Sahne und Schokolade gefertigten Pralinen<br />
in ihrer Form an die Silberknöpfe an<br />
den Jacken der Halloren erinnern sollen.<br />
Das von Friedrich August Miethe als Kakao-<br />
und Schokoladenfabrik in Halle gegründete<br />
Unternehmen wurde 1804 zum<br />
ersten Mal erwähnt. Zu DDR-Zeiten wurde<br />
die Fabrik in das Süßwarenkombinat Halle<br />
eingegliedert und erhielt 1952 den Namen<br />
„Halloren“, angelehnt an die alte Bruderschaft<br />
der Salzwirker. Nach der Wende<br />
verkaufte die Treuhandanstalt das Unternehmen<br />
an die Halloren Beteiligungsgesellschaft<br />
Hannover. Im Jahr 2007 wurde<br />
das Unternehmen in die Halloren Schokoladenfabrik<br />
AG umgewandelt.<br />
Aus dem einstigen „Volkspralinenhersteller“<br />
ist im Laufe der Jahre ein innovativer<br />
und international aufgestellter Süßwarenkonzern<br />
geworden, der sein Portfolio durch<br />
interessante Unternehmenszukäufe, wie<br />
etwa die 1880 gegründete Confiserie Dreher<br />
aus München (Mozartkugeln) oder die<br />
Weibler Confiserie & Chocolaterie GmbH in<br />
Cremlingen, qualitativ erweitert hat.<br />
Unverändert hoch im Kurs:<br />
Halloren-Kugeln.<br />
Karsten Hintzmann<br />
Kathi<br />
Tortenmehl mit Kultstatus<br />
Fotos: Halloren Schokoladenfabrik AG (oben), Kathi (unten)<br />
Als 1953 die erste Packung „Tortenmehl“<br />
im Hallenser Kathi Nährmittelwerk<br />
vom Band lief, konnten die<br />
Unternehmensgründer Kaethe und Kurt<br />
Thiele nicht ahnen, dass dieses Produkt<br />
auch gut 60 Jahre später im Sortiment sein<br />
würde und bis heute Kultstatus genießt.<br />
Marco Thiele leitet das Unternehmen in dritter Generation.<br />
Zu DDR-Zeiten brachten es die diversen<br />
Kuchenmehl-Variationen zu republikweiter<br />
Bekanntheit. Ganze Generationen wuchsen<br />
mit den unkompliziert handhabbaren<br />
Backmischungen auf. Nicht nur in der DDR<br />
– schon damals exportierte man ins europäische<br />
Ausland.<br />
Die findigen Unternehmensgründer<br />
selbst durften ihre<br />
Firma indes nur<br />
zwei Jahrzehnte<br />
leiten. Im Jahr 1972<br />
ereilte die Familie<br />
Thiele ein Schicksal,<br />
das sie mit vielen<br />
DDR-Unternehmern<br />
teilte – sie<br />
wurde vom Staat<br />
enteignet, der Betrieb<br />
verstaatlicht.<br />
Allerdings blieb der Markenname Kathi<br />
geschützt.<br />
Im Jahr 1992 gelang Rainer Thiele, dem<br />
Sohn der Firmengründer, die Reprivatisierung.<br />
Es wurde investiert, umgebaut und<br />
umgezogen. Und Kathi begab sich erneut<br />
auf Siegeszug. 90 Mitarbeiter stellen heute<br />
rund 70 verschiedene Produkte her und<br />
erwirtschaften damit einen Jahresumsatz<br />
von rund 29 Millionen Euro – längst nicht<br />
nur in den neuen Ländern, sondern weltweit.<br />
Rainer Thiele wurde für seine Leistungen<br />
vielfach ausgezeichnet – etwa mit<br />
dem Innovationspreis Ost (1998), dem<br />
Bundesverdienstkreuz am Bande (1999),<br />
den Titeln „Unternehmer des Jahres“<br />
(2006) und „Optimist des Jahres“ (2006).<br />
Inzwischen wird Kathi in dritter Generation<br />
geführt, von Marco Thiele.<br />
Karsten Hintzmann<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
36 | W+M TITEL OSTPRODUKTE<br />
Suhler Jagd- und Sportwaffen<br />
Thüringer Präzision<br />
Eine Waffe, die ausgerechnet in den<br />
USA zur „Gun of the Year“ gekürt<br />
wird, zum Jagdgewehr des Jahres,<br />
muss schon einiges zwischen Schaft und<br />
Lauf zu bieten haben. Die Repetierbüchse<br />
Helix aus der Merkel Jagd- und Sportwaffen<br />
GmbH hat dies offenbar. Experten<br />
loben die schlanke Thüringerin, die<br />
sich gegen reichlich Konkurrenz durchsetzte,<br />
für ihr lineares Repetieren, eine<br />
hohe Sicherheit, Führigkeit und Präzision.<br />
Die Suhler haben es nicht verlernt. Bereits<br />
seit dem 15. Jahrhundert werden<br />
hier Waffen geschmiedet – und bis heute<br />
lebt diese einzigartige Tradition fort.<br />
Nicht ohne Grund nahm hier nach der Einheit<br />
auch der Bundesinnungsverband der<br />
deutschen Büchsenbauer seinen Sitz –<br />
und ein Suhler ist auch hier Bundesinnungsmeister:<br />
Helmut Adamy, Büchsenmacher<br />
in siebter Generation.<br />
Die Repetierbüchse Merkel RX Helix der<br />
Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH.<br />
Allein in Suhl und dem engeren Südthüringer<br />
Umland fertigt ein halbes Dutzend<br />
Meisterbetriebe weltweit gefragte Jagdund<br />
Sportwaffen. Der größte unter ihnen<br />
ist die Firma Merkel – auch sie bereits<br />
1898 entstanden, zu DDR-Zeiten in über<br />
70 Ländern präsent und 1994 unter dem<br />
alten Namen Merkel neugegründet. Die<br />
gut 160 Mitarbeiter der Manufaktur fertigen<br />
sage und schreibe 126 verschiedene<br />
Produkte, vom Bergstutzen über Kipplaufbüchse<br />
und Bockdoppelflinte bis zu<br />
14 verschiedenen Drillingen. Beachtlich<br />
ist auch die hohe Fertigungstiefe für traditionelle<br />
Jagdwaffen, die Schäfte, Schlosse,<br />
Systeme, Läufe und Gravuren aus eigener<br />
Herstellung umfasst. Ihr Handwerk<br />
lernen die Mitarbeiter bis heute in der einzigen<br />
deutschen Schule für Büchsenmacher,<br />
die natürlich auch in Suhl lehrt. Derzeit<br />
bildet sie rund 90 angehende Büchsenmacher<br />
und Graveure aus.<br />
Harald Lachmann<br />
Keine Feier ohne Rotkäppchen<br />
Blick in die Rotkäppchen-Produktion.<br />
Rotkäppchen-Sekt war zu DDR-Zeiten<br />
zwischen Wismar und Suhl die<br />
bekannteste Sektmarke – sie durfte<br />
auf keiner Familien- oder Firmenfeier<br />
fehlen. Im Gegensatz zu unzähligen anderen<br />
Genussmitteln aus einst volkseigener<br />
Produktion überlebte Rotkäppchen nicht<br />
nur die Wende, sondern setzte sich auch<br />
unter den Regeln der Marktwirtschaft<br />
kraftvoll durch. Das Unternehmen aus<br />
dem sachsen-anhaltischen<br />
Freyburg an der<br />
Unstrut ist heute Platzhirsch<br />
auf dem deutschen<br />
Sektmarkt.<br />
Doch der Weg nach<br />
oben war lang und<br />
steinig. Die bereits<br />
1856 unter dem Namen<br />
„Kloss & Foerster“<br />
gegründete Firma<br />
produzierte zu DDR-<br />
Zeiten staatlich festgelegte<br />
15 Millionen<br />
Flaschen Sekt. Nach<br />
der deutschen Einheit<br />
brach der Rotkäppchen-Sekt-Konsum<br />
zunächst<br />
dramatisch ein,<br />
1991 gingen nur noch 2,9 Millionen Flaschen<br />
über die Ladentische. Zwei Jahre<br />
später übernahm der damalige technische<br />
Leiter Gunter Heise in einem Management-Buy-out<br />
– gemeinsam mit<br />
vier Kollegen – den maroden Staatsbetrieb<br />
von der Treuhandgesellschaft. Den<br />
größten Anteil des Kaufpreises zahlten<br />
der Unternehmer Harald Eckes-Chantré<br />
und seine Familie. Den Rest übernahmen<br />
die beteiligten fünf Geschäftsführer.<br />
Ab 1994 ging es für Rotkäppchen dann<br />
bergauf. Im Jahr 2000 wurden über 50<br />
Millionen Flaschen Sekt verkauft, damit<br />
war die Marktführerschaft in Deutschland<br />
erreicht. Im Jahr 2002 übernahmen<br />
die Freyburger den Konkurrenten Mumm<br />
und ein Jahr darauf die Edelmarke Geldermann.<br />
2014 wurden weltweit rund 116<br />
Millionen Flaschen Rotkäppchen-Sekt in<br />
sechs Varianten verkauft, der Umsatz belief<br />
sich auf mehr als 820 Millionen Euro.<br />
Karsten Hintzmann<br />
Fotos: Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH (oben), Harald Krieg (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
001_Titel_0315 1 23.04.2015 14:44:45<br />
Titel_WuM_0615.indd 1<br />
21.10.15 11:32 Uhr<br />
Titel_WuM_0415.indd 1<br />
18.06.15 13:16 Uhr<br />
Titel_WuM_0515.indd 1 18.08.15 22:27<br />
W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 5/2014<br />
25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
26. Jahrgang | Heft 1-2 | März/April 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
Wende<br />
SACHSEN-ANHALT<br />
Aufbruch<br />
Blühende Landschaften?<br />
BERLIN<br />
RÜCKKEHR ZUR<br />
INDUSTRIE<br />
BRAUNKOHLE<br />
UNVERZICHTBAR<br />
FÜR DEN OSTEN<br />
RATGEBER<br />
DAS BÜRO ZUM<br />
MITNEHMEN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
26. Jahrgang | Heft 3 | Mai/Juni 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft 5 | September/Oktober Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
BRANDENBURG<br />
ENERGIE<br />
ELEKTRISIERT<br />
MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Dietmar Woidke<br />
SACHSEN<br />
STUDIE<br />
IM INTERVIEW<br />
Ministerpräsident<br />
Erwin Sellering<br />
UNTERNEHMEN<br />
ORWO – eine<br />
Tradition lebt auf<br />
RATGEBER<br />
Tagungen und<br />
Geschäftsreisen<br />
Mittelstand im<br />
digitalen Wandel<br />
UMFRAGE<br />
Welches Auto<br />
passt zu Ihnen?<br />
Kraftakt<br />
Firmenübergabe<br />
EXKLUSIVE INTERVIEWS<br />
Bundeswirtschaftsminister<br />
Sigmar Gabriel<br />
Ministerpräsident<br />
Stanislaw Tillich<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
27. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft | Heft 1 | Januar/Februar 4 | Juli/August <strong>2016</strong> 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
WIRTSCHAFT+<br />
MARKT<br />
27. Jahrgang | Heft 2 | März/April <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />
DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />
DIE<br />
WIRTSCHAFT<br />
GRÜNT<br />
THÜRINGEN<br />
BERLIN<br />
GESUNDHEITSWIRTSCHAFT<br />
EIN GESCHÄFT<br />
FÜR VIELE<br />
BRANCHEN<br />
OSTPRODUKTE<br />
DIE UNHEIMLICHE<br />
RENAISSANCE<br />
Motorenwerk Kölleda:<br />
Herz einer Region<br />
W+M<br />
mit<br />
Sachsen-Anhalt<br />
IM INTERVIEW<br />
WindNODE:<br />
Energie aus dem Norden<br />
Ministerpräsident<br />
Bodo Ramelow<br />
REPORT<br />
Rivalität auf<br />
der Ostsee<br />
RATGEBER<br />
Betriebliche<br />
Altersvorsorge<br />
IM INTERVIEW<br />
Berlins Regierender<br />
Michael Müller<br />
REPORT<br />
Eberswalder<br />
Metall-Gen<br />
RATGEBER<br />
Gutschein<br />
statt Geld<br />
Bilanz vor der Wahl:<br />
Reiner Haseloff<br />
Davos in Bad Saarow:<br />
Ostdeutsches Wirtschaftsforum<br />
Management:<br />
Der Honecker-Effekt<br />
Travel:<br />
Tipps für Geschäftsreisen<br />
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38 | W+M POLITIK<br />
ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im Januar 2015<br />
Die Skepsis nimmt zu<br />
INDEX<br />
Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft* der<br />
ostdeutschen Bundesländer ist zu Jahresbeginn geringfügig<br />
gestiegen. In allen Bereichen verbesserte sich die<br />
Beurteilung der gegenwärtigen Geschäftslage. Zugleich korrigierten<br />
die Befragungsteilnehmer aller Bereiche aber ihre Geschäftserwartungen<br />
für die kommenden sechs Monate nach<br />
unten, zum Teil sogar kräftig. Die ostdeutsche Wirtschaft zeigt<br />
sich zunehmend skeptischer bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung<br />
im ersten Halbjahr <strong>2016</strong>.<br />
Entsprechend deutlich eingetrübt haben sich die Aussichten für<br />
den ostdeutschen Arbeitsmarkt. Das ifo Beschäftigungsbarometer<br />
für Ostdeutschland drehte wieder in den negativen Bereich.<br />
Insbesondere in der Industrie und im Bau, aber auch im<br />
Einzelhandel planen die Befragungsteilnehmer in den kommenden<br />
drei Monaten eine Reduzierung ihres Personalbestands. Lediglich<br />
die ostdeutschen Großhändler gaben an, per Saldo ihre<br />
Beschäftigung ausweiten zu wollen.<br />
Dessen ungeachtet zeigten sich die ostdeutschen Baufirmen<br />
mit ihrer momentanen Geschäftssituation so zufrieden wie noch<br />
nie; das ifo Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe hellte sich<br />
spürbar auf. Auch im Handel stieg der Klimaindikator merklich.<br />
Im Verarbeitenden Gewerbe verharrte er dagegen in etwa auf<br />
dem Dezember-Niveau.<br />
Michael Weber und<br />
Prof. Joachim Ragnitz<br />
Verarbeitendes Gewerbe<br />
JANUAR 15,7<br />
VORMONAT 15,9<br />
Bauhauptgewerbe<br />
JANUAR 4,4<br />
VORMONAT 0,1<br />
Groß- und Einzelhandel<br />
JANUAR 4,6<br />
VORMONAT 1,8<br />
ifo Geschäftsklima<br />
ifo Beschäftigungsbarometer<br />
VOR-<br />
MONAT<br />
9,21<br />
JANUAR<br />
10,56<br />
VOR-<br />
MONAT<br />
* Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe sowie Groß- und Einzelhandel verstanden.<br />
1,35<br />
JANUAR<br />
- 1,97<br />
Foto: industrieblick/Fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
POLITIK | 39<br />
Braucht Deutschland eine Reform der Leiharbeit und Werkverträge?<br />
Annelie Buntenbach,<br />
Mitglied im Vorstand des Deutschen<br />
Gewerkschaftsbunds (DGB)<br />
Prof. Dr. Roland Wöller,<br />
Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes<br />
mittelständischer Wirtschaft (BVMW)<br />
Fotos: Foto: XXX DGB/Simone M. Neumann (links), Steffen Höft (rechts)<br />
„Ja” „Nein”<br />
Ein Arbeitnehmer wird um<br />
„Mit uns zieht die neue Zeit“,<br />
seinen Lohn geprellt, weil der<br />
singen SPD-Genossen gern<br />
siebte Subunternehmer in der<br />
bei feierlichen Anlässen.<br />
Produktionskette nicht zahlt. Eine Arbeitnehmerin<br />
baut die gleiche Autotür zusammen wie<br />
Leiharbeit und Werkverträgen. Nach dem staat-<br />
Im Widerspruch dazu steht der Gesetzentwurf zu<br />
ihre Kollegen und ist genauso in den Betriebsablauf<br />
eingebunden – allerdings zum Dumpinglohn unternehmerische Freiheit weiter einschränken<br />
lichen Lohndiktat will Andrea Nahles (SPD) die<br />
und unter schlechteren Bedingungen. Solche Fälle – Regulierung statt Reform. Ihr Bild vom Unternehmertum<br />
ist von vorgestern. Das zeigt bereits<br />
gehören zum Arbeitsalltag in Deutschland. In fast<br />
allen Branchen – von der Fleischwirtschaft über die der Begriff Leiharbeit. Er impliziert, dass Zeitarbeit<br />
schlechtere Arbeit ist. Und verkennt, dass in<br />
Automobilindustrie bis hin zur Pflege in Krankenhäusern<br />
– überall werden immer mehr Werkverträge<br />
eingesetzt und oft auch missbraucht. Sie die-<br />
Arbeitsformen die Regel sein werden. Frau Nah-<br />
der digitalisierten Arbeitswelt von morgen flexible<br />
nen längst nicht immer einer vernünftigen Arbeitsteilung<br />
– gegen die niemand etwas hat – sondern staltung des Arbeitsrechts nachdenken. Stattdesles<br />
sollte deshalb über eine zukunftsfähige Ausge-<br />
dem Ziel, Menschen auszubeuten und Betriebsräte<br />
zu verhindern. Diesen Teil der Arbeitswirklichschaften<br />
ab. Die strikten Regelungen treffen vor<br />
sen arbeitet sie den Wunschzettel der Gewerkkeit<br />
weigern sich Arbeitgeberverbände zur Kenntnis allem mittelständische Unternehmen. Ausnahmen<br />
sind nur für tarifgebundene Betriebe vorge-<br />
zu nehmen. Doch wer nicht hinschauen will, leistet<br />
unseriösen Praktiken weiter Vorschub. Damit sehen. Das soll Mittelständler in die Tarifbindung<br />
muss Schluss sein. Der Gesetzgeber soll definieren,<br />
wann ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Bisher war Vertragspartner plötzlich als Arbeitnehmer gel-<br />
zwingen. Für sie besteht zudem das Risiko, dass<br />
das nur Gegenstand der Rechtsprechung. Die dort ten. Aufträge können nicht mehr vergeben werden.<br />
Das Einsatzverbot für Zeitarbeitnehmer bei<br />
entwickelten Kriterien sollen gesetzlich verankert<br />
werden, um besser zwischen ordnungsgemäßem Streiks könnte sogar mit dem Verfassungsrecht<br />
und missbräuchlichem Einsatz von Fremdpersonal,<br />
also auch von Werkverträgen, unterscheiden tätigen Zeitarbeiter müssten ausgenommen wer-<br />
kollidieren. Zumindest die zuvor schon im Betrieb<br />
zu können. So wird das Dickicht des Richterrechts<br />
den. Sonst finanzieren demnächst die Unternehmen<br />
den Gewerkschaften ihre Streiks. Nicht zu-<br />
gelichtet und es entsteht mehr Rechtsklarheit.<br />
Das schützt übrigens auch seriöse Arbeitgeber<br />
letzt brauchen wir für die Arbeitsmarktintegration<br />
vor Konkurrenten, denen nichts Besseres einfällt<br />
als den Wettbewerb auf dem Rücken der<br />
ger. Das sehen selbst die Grünen so. Deshalb mein<br />
der Flüchtlinge mehr flexible Arbeit und nicht weni-<br />
Beschäftigten auszutragen.<br />
Fazit: Reformen ja, Rückschritt nein.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
40 | W+M POLITIK<br />
Bleibt das große<br />
Stühlerücken aus?<br />
In drei der sechs neuen Bundesländer werden in diesem Jahr die<br />
politischen Karten neu gemischt. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-<br />
Vorpommern und Berlin stehen Landtagswahlen an. Die derzeit<br />
amtierenden Ministerpräsidenten haben durchaus Chancen, ihre<br />
Spitzenämter fünf weitere Jahre ausüben zu können. Eine Garantie<br />
dafür gibt es jedoch nicht, vor allem, weil niemand vorhersehen kann,<br />
wie die Alternative für Deutschland (AfD) am Ende abschneiden<br />
wird. Von Karsten Hintzmann<br />
Sachsen-Anhalt<br />
Am 13. März sind in Sachsen-Anhalt<br />
knapp zwei Millionen Wahlberechtige aufgerufen,<br />
den 7. Landtag seit Gründung des<br />
Bundeslandes vor gut 25 Jahren zu wählen.<br />
Mitentscheidend für den Ausgang der<br />
Wahl wird sein, ob es den etablierten Parteien<br />
gelingt, die fast schon traditionelle<br />
Wahlmüdigkeit unter den Bürgern rechtzeitig<br />
zu vertreiben. Vor fünf Jahren zog es<br />
rund 51 Prozent aller Wahlberechtigten in<br />
die Stimmlokale, 2006 nutzten nicht einmal<br />
45 Prozent der Bürger ihr Wahlrecht.<br />
LANDTAGSWAHLEN <strong>2016</strong><br />
Sachsen-Anhalt13.03.<strong>2016</strong><br />
Baden-Württemberg13.03.<strong>2016</strong><br />
Rheinland-Pfalz13.03.<strong>2016</strong><br />
Mecklenburg-Vorpommern04.09.<strong>2016</strong><br />
Berlin18.09.<strong>2016</strong><br />
Der amtierende Ministerpräsident Reiner<br />
Haseloff kann darauf hoffen, dass seine<br />
Partei, die CDU, wieder die mit Abstand<br />
stärkste politische Kraft im Land wird.<br />
Jüngste Umfragen sehen die CDU zwischen<br />
33 und 35 Prozent. Bei der letzten<br />
Wahl im Jahr 2011 holten die Christdemokraten<br />
32,5 Prozent der Stimmen. Seither<br />
regieren sie gemeinsam mit der Juniorpartnerin<br />
SPD, die seinerzeit auf 21,5<br />
Prozent der Stimmen kam. Ministerpräsident<br />
Haseloff würde die schwarz-rote Koalition<br />
gern fortsetzen, eine entsprechende<br />
Präferenz äußerte er im Wahlkampf<br />
mehrfach. Doch die SPD liebäugelt eher<br />
mit einem rot-rot-grünen Bündnis. Allerdings<br />
haben die Träume von SPD-Spitzenkandidatin<br />
Katrin Budde, das Land künftig<br />
als Ministerpräsidentin zu regieren, eine<br />
Schwachstelle – die SPD kommt auch<br />
in den aktuellen Umfragen nicht an den<br />
Linken vorbei. Während den Linken um<br />
Spitzenkandidat Wulf Gallert ein Ergebnis<br />
zwischen 19 und 23 Prozent vorhergesagt<br />
wird, trauen die Demoskopen der SPD lediglich<br />
15 bis 19 Prozent zu. Unsicher ist,<br />
ob die Grünen (Wahl 2011: 7,1 Prozent)<br />
im nächsten Landtag vertreten sein werden.<br />
Die Umfragen sehen die Ökopartei<br />
aktuell zwischen fünf und sechs Prozent.<br />
Die große Unbekannte in der Rechnung<br />
ist die AfD. Wenn sich die Umfragen, die<br />
im Dezember 2015 vom Forschungsinstitut<br />
INSA und im Januar <strong>2016</strong> von der<br />
Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt<br />
wurden, bewahrheiten, können die Europa-<br />
und Asylkritiker mit 13,5 bis 15 Prozent<br />
der Wählerstimmen rechnen. Alle bisher<br />
im Magdeburger Landtag vertretenen<br />
Parteien haben eine Koalition mit der AfD<br />
ausgeschlossen. Aus heutiger Sicht deutet<br />
alles darauf hin, dass eine politische<br />
Mehrheit jenseits der CDU nicht zustande<br />
kommt. Insofern steigen die Chancen von<br />
Reiner Haseloff – auch dank der AfD – die<br />
Geschicke des Landes weiterhin als Ministerpräsident<br />
gestalten zu können. Interessiert<br />
verfolgen politische Beobachter, ob<br />
Haseloffs jüngste Distanzierung von Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel (CDU) in der<br />
Frage der Einführung einer Obergrenze für<br />
die Aufnahme von Flüchtlingen am Wahl-<br />
Foto: Carola Vahldiek/fotolia.com<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
POLITIK | 41<br />
Regierender Bürgermeister: Michael Müller.<br />
Fotos: SenInnSport/Lengemann (oben rechts), Sven Teschke/Creative Commons CC-by-sa-3.0 de (Mitte rechts), Mirko Runge/Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (unten rechts), W+M (links)<br />
tag dazu führt, dass Wähler ihr<br />
Kreuz nicht bei der AfD, sondern<br />
bei der CDU machen.<br />
Mecklenburg-Vorpommern<br />
Seit vielen Jahren ist das Land an der<br />
Ostseeküste fest in der Hand der Sozialdemokraten.<br />
Bei der Wahl vor fünf Jahren<br />
verbuchte die SPD 35,6 Prozent<br />
der Stimmen für sich, die CDU<br />
kam auf 23 Prozent, die Linke auf<br />
18,4 Prozent. Die Grünen erzielten<br />
8,7 und die NPD sechs Prozent.<br />
Seither regiert Ministerpräsident<br />
Erwin Sellering (SPD) unaufgeregt<br />
und mit ruhiger Hand<br />
eine rot-schwarze Koalition.<br />
Bis vor einigen Wochen gab es wohl<br />
niemanden im Nordosten, der den Fortbestand<br />
der SPD-Vormachtstellung in Zweifel<br />
zog. Für etwas Aufregung sorgte<br />
indes eine Umfrage vom Marktforschungsservice<br />
Dukath, die die<br />
Ostseezeitung im Januar <strong>2016</strong><br />
veröffentlichte. Danach liegen<br />
SPD und CDU nunmehr fast<br />
Kopf an Kopf. Den Sozialdemokraten<br />
werden 28,4 Prozent<br />
der Stimmen und den Christdemokraten<br />
27,2 Prozent vorhergesagt.<br />
Glaubt man den Demoskopen,<br />
so könnte die FDP mit acht Prozent<br />
(Wahl 2011: 2,8 Prozent) ihre Wiederauferstehung<br />
feiern, wenn am 4. September<br />
rund 1,4 Millionen Wahlberechtigte zu den<br />
Wahlurnen gerufen werden. Nach derzeitigem<br />
Stand würde die NPD mit nur noch<br />
1,3 Prozent in der Bedeutungslosigkeit<br />
versinken, dafür jedoch die AfD mit 5,5<br />
Prozent in den Schweriner Landtag einziehen.<br />
Doch auch wenn sich der Abstand zwischen<br />
den Sozialdemokraten und der von<br />
Parteichef und Innenminister Lorenz Caffier<br />
geführten CDU verringert hat, dürfte<br />
Ministerpräsident Sellering auch nach<br />
dem Urnengang am längeren Hebel sitzen.<br />
Schließlich hat er gleich mehrere Regierungsoptionen:<br />
Er könnte das Bündnis<br />
mit der CDU fortsetzen oder aber eine Koalition<br />
mit der Linken schmieden. Für den<br />
Ernstfall gäbe es auch die Möglichkeit einer<br />
rot-rot-grünen Konstellation. Caffier<br />
Ministerpräsident Reiner Haseloff.<br />
Ministerpräsident Erwin Sellering.<br />
dagegen bleibt nur<br />
die Option, weiter<br />
mit der SPD zu regieren.<br />
Berlin<br />
Die offiziellen Planungen sehen<br />
vor, dass Berlin den diesjährigen<br />
Reigen der Landtagswahlen mit der Abgeordnetenhauswahl<br />
am 18. September<br />
abschließt. Es scheint aber durchaus<br />
möglich, dass die rund 2,5 Millionen<br />
Wahlberechtigten schon eher ihre Stimme<br />
abgeben können. Denn die Stimmung<br />
in der vom Regierenden Bürgermeister<br />
Michael Müller (SPD) geführten<br />
großen Koalition ist derart schlecht,<br />
dass es bereits im Dezember 2015 fast<br />
zum Bruch zwischen SPD und CDU gekommen<br />
wäre. Zankapfel war und ist das<br />
Vorgehen in der Flüchtlingskrise, von der<br />
CDU-Herausforderer Frank Henkel.<br />
das Land Berlin durch den überdurchschnittlich<br />
starken Zustrom<br />
von Asylbewerbern<br />
in beispielloser Weise<br />
betroffen ist.<br />
Kaum ein politischer<br />
Beobachter zweifelt<br />
daran, dass Michael<br />
Müller, der das Spitzenamt<br />
im Roten Rathaus<br />
erst im Dezember 2014 von<br />
seinem Vorgänger Klaus Wowereit<br />
übernommen hatte, auch<br />
der künftige Regierende Bürgermeister<br />
in der Bundeshauptstadt<br />
sein wird. Seine<br />
persönlichen Umfragewerte<br />
sind konstant<br />
gut und auch die<br />
SPD liegt unangefochten<br />
vorn. Wahlforscher<br />
trauen den Sozialdemokraten<br />
27 bis 30 Prozent<br />
bei der Wahl zu. Die CDU<br />
um Parteichef Frank Henkel,<br />
der zugleich Innensenator<br />
ist, verharrt dagegen bei 22 bis<br />
23 Prozent. Die Grünen sind<br />
in Berlin traditionell stark<br />
und können mit 16 bis<br />
18 Prozent rechnen,<br />
die Linken mit 14 bis<br />
17 Prozent. Das Gastspiel<br />
der Piraten (Wahl<br />
2011: 8,9 Prozent) dürfte<br />
bereits nach einer Legislaturperiode<br />
zu Ende<br />
sein, die Partei liegt aktuell<br />
bei drei Prozent. Dafür wird<br />
jedoch der AfD der Einzug in den<br />
Preußischen Landtag zugetraut, die Demoskopen<br />
sahen die AfD Ende 2015 bei<br />
fünf bis neun Prozent.<br />
Linken-Herausforderer Wulf Gallert.<br />
CDU-Herausforderer Lorenz Caffier.<br />
Angesichts der inhaltlichen und zwischenmenschlichen<br />
Abnutzungserscheinungen<br />
innerhalb der rot-schwarzen Koalition<br />
deutet einiges darauf hin, dass Michael<br />
Müller nach der Wahl eher auf Rot-<br />
Grün, Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün setzt.<br />
Es sei denn, die AfD kommt noch so stark<br />
auf, dass eine Neuauflage der großen Koalition<br />
zum Gebot der Stunde wird.<br />
<br />
W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
42 | W+M POLITIK<br />
Davos in Bad Saarow<br />
Die Zukunft der<br />
ostdeutschen Wirtschaft<br />
Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum findet<br />
im A-Rosa-Resort Scharmützelsee statt.<br />
Im Jahr 2015 wurde das 25-jährige Bestehen<br />
der neuen Bundesländer begangen.<br />
Parallel dazu gab es viele regionale<br />
Jubiläen zu feiern, da die Deutsche Einheit<br />
und der damit verbundene Übergang zu einer<br />
sozialen Marktwirtschaft auf dem Territorium<br />
der untergegangenen DDR eine<br />
Vielzahl von Gründungen mit sich brachte.<br />
Die öffentliche Debatte um diese Jubiläen<br />
war maßgeblich vom Stolz auf das<br />
Erreichte geprägt.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>, das einzige Wirtschafts-<br />
und Unternehmermagazin, das<br />
vorrangig auf die Reflektion der ökonomischen<br />
Entwicklung der neuen Bundesländer<br />
fokussiert ist, hat den zweifellos beachtlichen<br />
Aufschwung in Ostdeutschland<br />
als objektiver und fairer Chronist über die<br />
gesamten 25 Jahre begleitet.<br />
Daher scheint es nunmehr an<br />
der Zeit, den Blick stärker<br />
nach vorn – auf Zukunftsthemen<br />
– zu<br />
richten und Visionen<br />
für das künftige Ostdeutschland<br />
zu entwickeln.<br />
Das ist eine<br />
Aufgabe, an der Politik,<br />
Wissenschaft,<br />
Wirtschaft und Medien<br />
gemeinsam arbeiten<br />
sollten. Es gibt unendlich<br />
viele Fragestellungen: Wird der Angleichungsprozess<br />
an die alten Länder je<br />
gelingen? Wird Ostdeutschland auf Dauer<br />
nur eine verlängerte Werkbank sein?<br />
Wie viel Potenzial steckt im eher kleinteiligen<br />
ostdeutschen Mittelstand – wird er<br />
langfristig nur Nischen besetzen oder ist er<br />
Schmelztiegel für künftige Großkonzerne?<br />
Kann der Osten im Wettbewerb um qualifizierte<br />
Fachkräfte angesichts niedrigerer<br />
Produktivität und geringerer Einkommen<br />
überhaupt mithalten? Nach 25 Jahren hat<br />
sich das ostdeutsche Selbstverständnis<br />
eher verstärkt als abgeschwächt. Wird sich<br />
der ostdeutsche Zusammenhalt perspektivisch<br />
auflösen oder weiter verstärken?<br />
Diese Fragen, Ideen und Visionen zur<br />
Zukunft des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland<br />
sollen mit dem Ostdeutschen<br />
Wirtschaftsforum OWF auf die öffentliche<br />
Agenda gebracht werden.<br />
Namhafte Referenten<br />
und strategisch denkende<br />
Teilnehmer aus dem<br />
In- und Ausland werden<br />
sich auf dem Treffen<br />
am 20. und 21. Oktober<br />
<strong>2016</strong> in Bad Saarow<br />
miteinander austauschen.<br />
Initiator des OWF: W+M-<br />
Herausgeber Frank Nehring.<br />
W+M freut sich darüber, dass bereits im<br />
Vorfeld das Thema und damit der Kongress<br />
eine breite Unterstützung bei Politik, Wirtschaft<br />
und Wissenschaft finden. Die Zusage<br />
von Bundeswirtschaftsminister Sigmar<br />
Gabriel (SPD) für einen Keynote-Vortrag<br />
liegt bereits vor. Mit der Anwesenheit aller<br />
Ministerpräsidenten der neuen Länder und<br />
Berlins wird fest gerechnet. Die Unterstützung<br />
durch die ostdeutschen Unternehmerverbände<br />
und den Verein Berliner Kaufleute<br />
und Industrieller (VBKI) ist gesichert, ebenso<br />
wie die der Handelshochschule Leipzig<br />
(hhl), des ifo-Instituts Dresden und der Strategieberatung<br />
Egon Zehnder.<br />
Die inhaltliche Debatte soll über Parteigrenzen<br />
und Wahlzyklen hinweg angestoßen<br />
und vorangebracht werden. Ostdeutschland<br />
braucht realistische Visionen,<br />
die aus aktuellen und künftigen Potenzialen<br />
abgeleitet werden. Dazu wird die<br />
Denkfabrik, das Ostdeutsche Wirtschaftsforum,<br />
initiiert. <br />
W+M<br />
DAS OSTDEUTSCHE<br />
WIRTSCHAFTSFORUM<br />
zum Thema Wirtschaftsstrategien<br />
für die Zukunft findet am 20. und<br />
21. Oktober <strong>2016</strong> in Bad Saarow statt.<br />
Teilnahme nur auf Einladung.<br />
Bei Interesse senden Sie eine Nachricht<br />
an einladung@OWF<strong>2016</strong>.de.<br />
Fotos: A-Rosa (oben), W+M (unten)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
POLITIK | 43<br />
DER KOMMENTAR<br />
Foto: ifo Dresden<br />
25 Jahre Aufbau Ost –<br />
wie weiter?<br />
Von Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />
25 Jahre nach der Einführung der Marktwirtschaft<br />
und der deutschen Vereinigung<br />
hat sich vieles, wenn nicht alles in<br />
Ostdeutschland zum Besseren gewendet:<br />
die materiellen Einkommensverhältnisse<br />
der Bevölkerung, die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der<br />
Unternehmen, der Ausbauzustand<br />
der Infrastrukturen,<br />
die Zukunftsperspektiven<br />
der Menschen. Auch<br />
die Situation am Arbeitsmarkt<br />
entwickelt<br />
sich seit einiger Zeit<br />
positiv. Aber dennoch<br />
kann man mit dem Erreichten<br />
noch nicht<br />
zufrieden sein: Andere<br />
Regionen entwickeln<br />
sich deutlich<br />
dynamischer als der Osten Deutschlands,<br />
die fortbestehende Lücke bei wichtigen<br />
gesamtwirtschaftlichen Indikatoren<br />
schließt sich, wenn überhaupt, nur sehr<br />
langsam. Der Aufbau Ost muss daher weitergehen,<br />
wenn auch nicht notwendigerweise<br />
unter diesem Namen, denn es geht<br />
nicht mehr um die Überwindung eines<br />
„transformationsbedingten“ Rückstands,<br />
sondern vielmehr darum, eine neuerliche<br />
Spaltung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />
zu verhindern. Diese Gefahr ist nicht nur<br />
hypothetisch, sondern durchaus real, denn<br />
insbesondere der demografische Wandel<br />
wie auch die technologische Modernisierung<br />
der Wirtschaft stellt gerade die ostdeutschen<br />
Länder vor besondere Herausforderungen.<br />
Deutlich wird dies insbesondere, wenn<br />
man die aggregierte Ebene verlässt und<br />
Joachim Ragnitz ist Stellvertretender<br />
Leiter des ifo-Instituts Dresden.<br />
sich auf einzelne Regionen konzentriert:<br />
Kaum sorgen muss man sich um wirtschaftliche<br />
Zentren wie Dresden, Leipzig<br />
oder Jena; auch eine Reihe kleinerer Städte<br />
haben sich im Standortwettbewerb<br />
gut etabliert. In der Fläche aber<br />
herrschen oftmals desolate<br />
Zustände. Hier besteht<br />
die Gefahr, dass<br />
sich negative Teufelskreise<br />
fortbestehender<br />
wirtschaftlicher<br />
Schwäche und fortgesetzter<br />
Abwanderung<br />
herausbilden.<br />
Mit dem Postulat<br />
der „Gleichwertigkeit<br />
der Lebensverhältnisse“<br />
ist das<br />
nicht vereinbar.<br />
Die Politik kann unterstützend wirken (zum<br />
Beispiel durch die angekündigte Neuordnung<br />
der regionalen Wirtschaftsförderung),<br />
sie kann aber „Konvergenzprozesse“<br />
weder in Gang setzen<br />
noch dauerhaft am Laufen halten.<br />
Letzten Endes kommt es dabei<br />
vielmehr auf das Handeln aller Akteure<br />
des Wirtschaftslebens an: Unternehmen<br />
müssen in die Produktivität ihrer Betriebsstätten<br />
investieren, Arbeitnehmer<br />
durch „lebenslanges Lernen“ ihre Beschäftigungschancen<br />
sichern, kommunale<br />
Verwaltungen als Anbieter öffentlicher<br />
Dienstleistungen das lokale Umfeld<br />
für Wachstumsprozesse verbessern. Auch<br />
Hochschulen und Forschungseinrichtungen,<br />
gefördert mit öffentlichem Geld, haben<br />
insoweit eine „Bringschuld“ für ihre<br />
Region, sei es über die Ausbildungsleistung<br />
oder über den Technologietransfer.<br />
Auch wenn man kaum erwarten kann,<br />
dass es zwischen all diesen Gruppen zu<br />
koordiniertem Handeln kommt: Schon<br />
wenn es gelänge, die Kommunikation zwischen<br />
den verschiedenen Akteursgruppen<br />
(beziehungsweise ihren Vertretern) zu verbessern,<br />
lassen sich aller Erfahrung nach<br />
positive Effekte für das Gemeinwesen im<br />
Ganzen erzielen. Und, wenn es gelingt,<br />
Rückkopplungen auch zur Politik herzustellen,<br />
besteht auch die Hoffnung, dass die<br />
von der Wirtschaftspolitik zu setzenden<br />
Rahmenbedingungen stärker auf regionale<br />
Problemlagen hin ausgerichtet werden.<br />
Genau hierauf zielt das geplante „Ostdeutsche<br />
Wirtschaftsforum“ ab. Die Vision:<br />
Durch eine unvoreingenommene und<br />
deshalb realistische Bestandsaufnahme<br />
sollen die Herausforderungen benannt<br />
werden, vor denen Ostdeutschland in Zukunft<br />
steht und hieraus Handlungsempfehlungen<br />
für Wirtschaft, Zivilgesellschaft<br />
und Politik abgeleitet und breit kommuniziert<br />
werden. Damit verbindet sich die<br />
Hoffnung, dass nicht nur die bestehenden<br />
Probleme, sondern vor allem auch<br />
erfolgversprechende Handlungsansätze<br />
stärker in das Bewusstsein der breiten<br />
Öffentlichkeit gerufen werden und deswegen<br />
eine Chance auf Realisierung<br />
haben. Ein erster Schritt nur<br />
– aber nichts wäre schlimmer,<br />
als sich mit dem Status quo abzufinden<br />
und zu glauben, gesellschaftlicher<br />
und wirtschaftlicher<br />
Fortschritt wäre ein Automatismus,<br />
der auch ohne eigenes<br />
Zutun stattfinden würde. Insoweit<br />
kann man den Initiatoren<br />
des Ostdeutschen<br />
Wirtschaftsforums nur<br />
Erfolg für ihr Vorhaben<br />
wünschen. W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
44 | W+M POLITIK<br />
Kommunale Investitionen auf Sparflamme<br />
Auf rund 132 Milliarden Euro belief sich 2014 laut Schätzungen<br />
von Experten der Investitionsrückstand in Deutschlands Städten,<br />
Gemeinden und Landkreisen. Deutschlands Kommunen zehren von<br />
der Substanz – auch in Ostdeutschland. Von Matthias Salm<br />
Für den Chefvolkswirt der KfW-Bankengruppe<br />
Dr. Jörg Zeuner, dessen<br />
Institut das Investitionsverhalten<br />
deutscher Kommunen im Rahmen<br />
des jährlichen KfW-Kommunalpanels erhebt,<br />
ist kaum Besserung in Sicht, auch<br />
wenn sich der Bund stärker an den Sozialausgaben<br />
beteiligt. „In den Kommunen<br />
steigt das Bewusstsein für die aufgestauten<br />
Infrastrukturdefizite und gleichzeitig<br />
wachsen die Bedarfe weiter“, warnt<br />
der oberste Volkswirt der KfW angesichts<br />
steigender kommunaler Aufgaben. Die Unterbringung<br />
und Eingliederung der Flüchtlinge<br />
etwa – bisher kaum in den Kalkulationen<br />
enthalten. Auch die Anforderungen<br />
der Energiewende, die Inklusion an Schulen<br />
oder die Folgen der demografischen<br />
Entwicklung bereiten den Kämmerern<br />
Kopfzerbrechen.<br />
Und den Städten und Gemeinden droht<br />
auch von Seiten der Banken Ungemach.<br />
Denn diese schauen zunehmend kritisch<br />
auf das Geschäft mit den kommunalen<br />
Krediten. Die Finanzierung der Städte<br />
und Gemeinden gilt nicht mehr uneingeschränkt<br />
als risikolos und steht angesichts<br />
geringer Margen und großer Volumina<br />
auch seitens der verschärften Anforderungen<br />
an die Kreditvergabe der Banken<br />
unter Druck.<br />
Vor allem in der Verkehrsinfrastruktur kommen<br />
die Kommunen mit den Investitionen<br />
nicht nach. Marode Brücken und Schlaglöcher<br />
in den Straßen – ein Investitionsstau<br />
von 34,3 Milliarden Euro bremst den Verkehr<br />
in Städten und Gemeinden aus. Bei<br />
den Schulen und Bildungseinrichtungen,<br />
die in den letzten Jahren ganz oben auf<br />
der Ausgabenliste der Kämmerer standen,<br />
wuchs der Rückstand laut KfW mit 31,7<br />
Milliarden Euro sogar wieder an.<br />
Der differenzierte Blick auf die Finanzen<br />
zeigt zudem, dass der Abstand zwischen finanziell<br />
gesunden und hoch verschuldeten<br />
Kommunen weiter ansteigt. Dies bestätigen<br />
auch die Ergebnisse einer Studie, die<br />
die Forscher des Deutschen Instituts für<br />
Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) Ende<br />
2015 veröffentlichten.<br />
Alternative Finanzierungsmodelle prüfen<br />
Nikola Köller, Leiterin Kompetenzcenter Öffentlicher Sektor<br />
Deutschland bei der Commerzbank AG, über künftige<br />
Herausforderungen bei der Finanzierung von Kommunen.<br />
W+M: Frau Köller, die Commerzbank gehört<br />
zu den traditionellen Finanzierern von<br />
Kommunen und kommunalen Unternehmen<br />
in Deutschland. Welche Rolle spielt<br />
die Kommunalfinanzierung innerhalb der<br />
Commerzbank?<br />
Nikola Köller: Die Commerzbank versteht<br />
sich als Finanzierungspartner für<br />
den gesamten „Konzern Kommune“.<br />
Also sowohl für Städte, Gemeinden und<br />
Landkreise als auch für ihre Gesellschaften<br />
in den Bereichen Versorgung, Abwasser<br />
und Abfall, Wohnungsbau, Krankenhäuser,<br />
Öffentlicher Personennahverkehr<br />
bis hin zu den kommunalen<br />
Stiftungen. Unser<br />
Ziel ist es, unseren<br />
Marktanteil im<br />
öffentlichen Sektor<br />
zu verdoppeln.<br />
Dazu dient auch die<br />
2014 vorgenommene<br />
Neuausrichtung<br />
unseres Vertriebs: Wir<br />
haben dabei unsere kommunale<br />
Finanz-Expertise in<br />
einem eigenen Bereich „Öffentlicher<br />
Sektor“ gebündelt und seitdem<br />
stark ausgebaut.<br />
Nikola Köller.<br />
W+M: Wie stark ist die Commerzbank im<br />
ostdeutschen Markt präsent?<br />
Nikola Köller: Wir sind in der Kommunalfinanzierung<br />
in Ostdeutschland<br />
stark verankert,<br />
da wir uns bereits<br />
direkt nach der Wiedervereinigung<br />
noch<br />
vor anderen Banken<br />
in der Finanzierung<br />
der ostdeutschen<br />
Städte und Gemeinden<br />
engagiert haben.<br />
Unser Bereich „Öffentlicher<br />
Sektor“ unterhält<br />
Niederlassungen in Berlin und<br />
Dresden. Leipzig ist der Sitz unseres<br />
Kompetenzcenters Öffentlicher Sektor<br />
Deutschland. Wir finanzieren in Ost-<br />
Foto: Commerzbank AG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
W+M POLITIK | 45<br />
So konnten im Süden der Republik, in den<br />
Ländern Bayern und Baden-Württemberg,<br />
mit 469 beziehungsweise 371 Euro pro Einwohner<br />
im Jahr 2013 die höchsten Investitionsausgaben<br />
getätigt werden. Im Osten<br />
hingegen müssten die Kommunen hingegen<br />
rund 2,8 Milliarden zusätzliche Euro<br />
aufbringen, um ein vergleichbares Investitionsniveau<br />
pro Einwohner wie in Bayern<br />
zu erreichen.<br />
Das rückläufige Volumen der Mittel aus<br />
dem Solidarpakt II drückt die Investitionslust<br />
ostdeutscher Städte und Gemeinden<br />
ohnehin. In Mecklenburg-Vorpommern<br />
beispielsweise fielen die Investitionen<br />
von 393 Euro pro Kopf im Jahr 2000 auf<br />
nur noch 148 Euro im Jahr 2013. So findet<br />
sich unter den zehn deutschen Kommunen<br />
mit den höchsten Investitionsausgaben<br />
in den Kernhaushalten keine zwischen<br />
Ostsee und Erzgebirge. Als Spitzenreiter in<br />
der DIW-Untersuchung gingen die Landkreise<br />
Teltow-Fläming (Brandenburg), Vorpommern-Rügen<br />
(Mecklenburg-Vorpommern),<br />
Sächsische Schweiz – Osterzgebirge<br />
(Sachsen), Wittenberg (Sachsen-Anhalt)<br />
INVESTITIONSRÜCKSTAND IN DEUTSCHEN KOMMUNEN IN PROZENT<br />
Gesamter Investitionsstau: 132 Milliarden Euro<br />
Insgesamt<br />
132 Mrd. Euro<br />
Straßen-/Verkehrsinfrastruktur26<br />
Schulen, Erwachsenenbildung 24<br />
Öffentliche Verwaltungsgebäude 8<br />
Sportstätten und Bäder 8<br />
Wasserver- und -entsorgung 7<br />
Informationsinfrastruktur 4<br />
Kultur 4<br />
Kinderbetreuung 4<br />
Gesundheitsinfrastruktur 3<br />
Wohnungswirtschaft 2<br />
Öffentlicher Personennahverkehr 1<br />
Energieerzeugung/-versorgung0,3<br />
Abfallwirtschaft 0,1<br />
Sonstiges 9<br />
und Schmalkalden-Meiningen (Thüringen).<br />
Lediglich 25 Prozent der Kreise und kreisfreien<br />
Städte im Osten können überdurchschnittlich<br />
investieren.<br />
W+M<br />
Quelle Schaubild: KfW-Kommunalpanel<br />
deutschland die gesamte Palette der<br />
kommunalen Investitionen, beispielsweise<br />
von der Anschaffung neuer Fahrzeuge<br />
bei der Barnimer Busgesellschaft mbH<br />
bis hin zur Errichtung eines Windparks<br />
durch die Technische Werke Schwedt<br />
GmbH.<br />
W+M: Auch in vielen ostdeutschen Kommunen<br />
geht Schuldenabbau vor Investitionen,<br />
der kommunale Investitionsrückstand<br />
beträgt bundesweit rund 132 Milliarden<br />
Euro. Wird er sich in naher Zukunft<br />
auflösen?<br />
Nikola Köller: Aus den Gesprächen, die<br />
wir mit den Kämmerern in den Kommunen<br />
führen, lässt sich dies nicht erkennen.<br />
Das gilt auch für die Gebietskörperschaften<br />
im Osten, die in der Regel im<br />
Vergleich zu vielen westdeutschen Städten<br />
und Gemeinden ja weniger stark verschuldet<br />
sind. Es ist natürlich fraglich, ob<br />
die Fortführung des Sparkurses angesichts<br />
des hohen Investitionsrückstands<br />
immer noch berechtigt ist.<br />
W+M: Wo sehen Sie einen besonderen<br />
Investitionsbedarf?<br />
Nikola Köller: Dieser betrifft die gesamte<br />
kommunale Infrastruktur, ein hoher<br />
Investitionsbedarf besteht zum Beispiel<br />
auch im Bereich der kommunalen<br />
Kliniken.<br />
W+M: Welche Finanzierungsrisiken drohen<br />
den Kommunen aus Ihrer Sicht in den<br />
kommenden Jahren?<br />
Nikola Köller: Für die Banken ist die<br />
Kommunalfinanzierung ein Geschäft<br />
mit hohen Kreditvolumina und geringen<br />
Margen. Solche Geschäfte geraten unter<br />
dem Eindruck der Regulierungsvorschriften<br />
von Basel III, also beispielsweise<br />
der notwendigen Eigenkapitalunterlegung<br />
der Kredite, weiter unter Druck.<br />
Vielen Verantwortlichen in den Kommunen<br />
ist nicht bewusst, dass dies die Möglichkeiten<br />
zur Kreditaufnahme einschränken<br />
wird.<br />
W+M: Welche Alternativen bieten sich<br />
den Kämmerern in diesem Fall?<br />
Nikola Köller: Die Kommunen sollten<br />
alternative Finanzierungsmodelle in Betracht<br />
ziehen. Ein aktueller Trend geht<br />
beispielsweise zur einzelnen oder gemeinsamen<br />
Ausgabe von Schuldscheindarlehen<br />
als ersten Schritt an den Kapitalmarkt,<br />
aber auch Anleihen in größeren<br />
Volumina werden wir deutlich öfter sehen.<br />
In anderen Kommunen bündelt die<br />
Stadt im Sinne eines Cash Poolings mittlerweile<br />
wieder die Liquidität, indem sie<br />
die gesamte Kreditaufnahme übernimmt<br />
und die Mittel dann innerhalb des „Konzerns<br />
Kommune“ verteilt.<br />
Interview: Matthias Salm<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
46 | W+M RATGEBER<br />
Ausgaben im Griff<br />
Checkliste für wirksame Reisekostenrichtlinien<br />
Laut Concur, einem Anbieter von Reisemanagementlösungen,<br />
überschreiten 40 Prozent der Firmen ihr geplantes Reisebudget.<br />
Um das zu vermeiden, sollte es in jedem Unternehmen eine<br />
durchdachte Reisekostenrichtlinie geben. Concur gibt folgende<br />
Tipps zur Einführung und Umsetzung.<br />
Mit klaren Reisekostenrichtlinien wird die<br />
Dienstreise entspannt – und bleibt im Budget.<br />
1. Klar und deutlich<br />
Eine Reisekostenrichtlinie sollte einfach<br />
sein und sich an Mitarbeiter aller Ebenen<br />
richten. Je verständlicher sie ist, desto einfacher<br />
fällt es Geschäftsreisenden, sich<br />
damit zu identifizieren.<br />
2. Offene Kommunikation<br />
Selbst die fairsten Regeln werden nicht<br />
eingehalten, wenn die Mitarbeiter nicht<br />
wissen, dass diese existieren. Deshalb<br />
sollte die Richtlinie an alle Angestellten<br />
kommuniziert werden. Auch<br />
Schulungen und Workshops<br />
tragen dazu bei, die Richtlinien<br />
zu verstehen und erfolgreich<br />
umzusetzen.<br />
mit hohen Lebenshaltungskosten auch<br />
höher ausfallen.<br />
4. Mitarbeiter einbeziehen<br />
Mitarbeiter sollten bei der Ausarbeitung<br />
der Reiserichtlinie miteinbezogen werden.<br />
So werden ihre Bedürfnisse gewahrt, sie<br />
können sich einbringen und mit der Richtlinie<br />
ihres Unternehmens identifizieren.<br />
5. Überzeugen durch Vorteile<br />
Die Einführung einer Reisekostenrichtlinie<br />
ist für Mitarbeiter oft mit Aufwand verbunden.<br />
Deshalb ist es wichtig, die Mitarbeiter<br />
im Vorfeld von den Vorteilen zu<br />
überzeugen.<br />
6. Briefing des Teams<br />
Reisekostenabrechnungen enthalten immer<br />
wieder Einträge, die nicht der Richtlinie<br />
entsprechen. Häufig werden diese<br />
jedoch nicht als solche entdeckt. Führungskräfte<br />
sollten deshalb ausreichend<br />
geschult werden.<br />
7. Optimierung durch Software<br />
Wenn die Reisekostenabrechnung anhand<br />
einer Software automatisiert wird, kann<br />
dabei auch die Reisekostenrichtlinie hinterlegt<br />
werden, sodass diese beim Buchungsprozess<br />
automatisch eingehalten<br />
wird. Wer Reisen buchen möchte, die außerhalb<br />
des vorgegebenen Rahmens liegen,<br />
erhält dann eine Warnung beziehungsweise<br />
benötigt<br />
eine zusätzliche Freigabe<br />
des Vorgesetzten.<br />
3. Regionale<br />
Besonderheiten<br />
Reisekosten können<br />
je nach Ort variieren,<br />
deshalb sollten zusätzlich<br />
zu den internen<br />
Standards regionale<br />
Maximalkosten<br />
für einzelne Bereiche<br />
der Reisekostenrichtlinie<br />
eingeführt werden.<br />
Zum Beispiel dürfen die<br />
Hotelkosten in Städten<br />
Foto: Concur (oben)<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
TRAVELMANAGEMENT & TOURISMUS | 47<br />
Tipps, Trends und Tools<br />
Neues für Geschäftsreisen und Firmenevents<br />
Foto: Deutsche Bahn AG/Uwe Miethe (unten)<br />
Fluggastrechte gestärkt<br />
Nicht nur bei Annullierungen und erheblichen<br />
Verspätungen haben Fluggäste<br />
einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung,<br />
sondern auch bei einer Vorverlegung.<br />
Der Bundesgerichtshof erklärte<br />
nach Angaben der D.A.S. Rechtsschutz,<br />
dass auch in einer erheblichen Vorverlegung<br />
eine Annullierung des Fluges liegen<br />
könne. Eine Annullierung erkenne man<br />
daran, dass die Fluggesellschaft ihre<br />
bisherigen Flugpläne endgültig aufgebe,<br />
auch wenn die Passagiere auf einen Ersatzflug<br />
umgebucht würden.<br />
Kosten im Blick<br />
Um zu sparen, buchten 41 Prozent der<br />
deutschen Geschäftsreisenden im ersten<br />
Quartal 2015 ihre Flüge mehr als<br />
14 Tage im Voraus. Dies zeigt das Geschäftsreisebarometer<br />
von Carlson Wagonlit<br />
Travel. Bei Hotels wählten sie öfter<br />
die Kategorien „Economy“ (plus elf<br />
Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum)<br />
und „Standard“ (plus 16 Prozent).<br />
Trotz höherer Preise für Flüge (plus 0,4<br />
Prozent), Hotels (plus 2,8 Prozent) und<br />
Mietwagen (plus 1,8 Prozent) blieben so<br />
die Kosten pro Reise mit 420 Euro praktisch<br />
gleich.<br />
Inspirationen für Firmenevents<br />
Zahlreiche tolle Ideen für Firmenfeste liefert<br />
Veranstaltungsplanern die erste Ausgabe<br />
des Magazins „Eventmoods“. Zusammengestellt<br />
wurde sie von den Eventprofis<br />
des memo-media-Verlags. Sie stellt<br />
Künstler oder Dienstleister für Sommerfeste<br />
und ausgefallene Teambuilding-Aktivitäten<br />
vor. So lassen sich Feste organisieren,<br />
über die man noch lange spricht.<br />
Das Magazin kann kostenfrei angefordert<br />
werden unter info@memo-media.de.<br />
Besondere Orte leichter buchen<br />
Veranstaltungsplanern, die einen außergewöhnlichen<br />
Ort suchen, wird es<br />
jetzt leichter gemacht. Das Onlineportal<br />
www.mice-best-places.de filtert aus dem<br />
umfangreichen Angebot der Hotels, die<br />
auf ihren Webseiten unterschiedliche Zielgruppen<br />
adressieren, die relevanten Faktoren<br />
heraus. Die Plattform startet mit der<br />
Repräsentanz von Hotels im Vier- bis Fünf-<br />
Sterne-Segment. Mittelfristig sollen auch<br />
Special Locations in das Angebot aufgenommen<br />
werden.<br />
Von Auto bis Zug<br />
Das Tool Qixxit (www.qixxit.de)<br />
ermittelt für jeden Nutzer eine<br />
optimale Reisekette, die alle Verkehrsmittel<br />
einbezieht und kombiniert:<br />
Zug, Fernbus, Flugzeug,<br />
Straßenbahn, Mietwagen, Taxi,<br />
Carsharing und Leihfahrrad. Was<br />
bisher über die Portale der einzelnen<br />
Verkehrsträger zusammengesucht<br />
werden musste, stellt<br />
Qixxit im Browser oder als App<br />
auf einen Blick dar. Der Nutzer kann ein<br />
persönliches Profil erstellen, in dem er<br />
Routen anlegt, Favoriten registriert oder<br />
individuelle Informationen hinterlegt.<br />
Reisen im eigenen ICE<br />
Businessreisende, die komfortabel zu<br />
Kongress, Messe oder Tagung anreisen<br />
möchten, können bei der Deutschen<br />
Bahn einen kompletten Wagen<br />
in einem planmäßigen ICE, IC oder EC<br />
reservieren. Die Reisezeit kann man<br />
so effektiv und ungestört zur Vorbereitung<br />
oder für ein Meeting nutzen. Für<br />
Incentive-Reisen oder Workshops lassen<br />
sich sogar ganze Züge chartern<br />
(www.bahn.de/charterzuege). Reiseziel<br />
und Fahrplan können dann selbst bestimmt<br />
werden.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
48 | W+M XXX<br />
Tourismusförderung in Sachsen-Anhalt<br />
„Edelsteine“ zu neuem Glanz<br />
und höherer regionaler Attraktivität<br />
In die Tourismusbranche Sachsen-Anhalts<br />
ist in den vergangenen Jahren<br />
nachhaltig investiert worden. Gemeinsam<br />
haben Landespolitik, Kommunen, regionale<br />
Verbände, Partner und Unternehmen<br />
vorhandenen „Edelsteinen“ zu mehr<br />
Glanz verholfen und vielerorts für neue Angebote<br />
gesorgt. Jahrhunderte alte Traditionen<br />
sowie regional und überregional<br />
bedeutende Marksteine wurden neu entdeckt<br />
und zugängig gemacht. Innovative<br />
und moderne Angebote erhöhen die touristische<br />
Attraktivität. Der Kultur- und Städtetourismus<br />
ist eine wichtige Säule. Naturund<br />
Aktivurlaubsangebote entfalten eigene<br />
Anziehungskraft.<br />
Zwischen Arendsee und Zeitz sowie vom<br />
Harz bis Wittenberg finden sich zahlreiche<br />
touristische Farbtupfer mit eigenem<br />
Charme und dem gewissen Etwas. Die<br />
Palette reicht von den UNESCO-Welterbe-Stätten<br />
(Eisleben und Wittenberg,<br />
Bauhaus Dessau, Gartenreich Dessau-<br />
Wörlitz, Altstadt Quedlinburg, Himmelsscheibe<br />
Nebra) über das Saale-Unstrut-<br />
Gebiet mit Weinkultur und Wassertouristik<br />
bis hin zum Reittourismus in der<br />
Altmark, dem Elberadweg und den breit<br />
gefächerten Angeboten im Harz.<br />
Auf diesem Weg wurden viele Konzepte<br />
zum Aufbau touristischer Unternehmen<br />
und touristischer Infrastruktur erfolgreich<br />
umgesetzt. Die gezielte Förderung<br />
im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<br />
zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“<br />
(GRW) hat dazu maßgeblich<br />
beigetragen. Von 2007 bis Ende<br />
2015 investierten Unternehmen, Land<br />
und Kommunen in 135 Projekte der gewerblichen<br />
Wirtschaft und touristischen<br />
Infrastruktur rund 263 Millionen Euro. Davon<br />
bewilligte die Investitionsbank Sachsen-Anhalt<br />
(IB) fast 136 Millionen Euro als<br />
Zuschüsse. Mit weiteren rund vier Millionen<br />
Euro (davon drei Millionen Euro Zuschüsse)<br />
wurden regionale Tourismusverbände<br />
gefördert.<br />
Auch in der aktuellen EU-Strukturfondsperiode<br />
setzt das Land GRW-Zuschüsse<br />
weiter gezielt ein. Die IB sorgt als zentrale<br />
Fördereinrichtung mit ihrem fachlichen<br />
und technischen Know-how weiterhin<br />
für die punktgenaue Umsetzung der<br />
entsprechenden Programme. Durch effizienten<br />
Mitteleinsatz soll in marktfähige<br />
Strukturen, Projekte und Produkte investiert<br />
werden. Die im letzten Jahr geänder-<br />
Foto: Blende2/Harzdrenalin<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
Die „Megazipline“, Europas größte<br />
Doppelseilrutsche, lässt das Adrenalin von<br />
Abenteuertouristen nach oben schießen –<br />
mitten im Harz an der Rappbodetalsperre.<br />
ten GRW-Landesregelungen sind dabei<br />
speziell für kleine Unternehmen der Tourismusbranche<br />
eine Investitionserleichterung.<br />
Gefördert werden jetzt auch Investitionen,<br />
durch die nur bestehende<br />
Arbeitsplätze gesichert werden. Zudem<br />
wurde das Mindestinvestitionsvolumen<br />
von 70.000 auf 50.000 Euro gesenkt.<br />
RATGEBER TRAVELMANAGEMENT & TOURISMUS | 49<br />
Viele Aktivitäten konzentrieren sich zu<br />
Recht auf den Harz-Tourismus. Denn<br />
seine strukturelle Bedeutung wirkt sich<br />
auch positiv auf die touristische Nachfrage<br />
in ganz Sachsen-Anhalt aus, etwa weil<br />
für Übernachtungsgäste in anderen Tourismusregionen<br />
ein Ausflug in den Harz<br />
interessant ist. Zwei Förderbeispiele sollen<br />
das unterstreichen:<br />
Durch in der Harzregion<br />
eingesetzte Fördermittel<br />
wurden beispielsweise<br />
viele<br />
touristische Impulse<br />
ausgelöst,<br />
wie die<br />
Ferienregion<br />
Thale zeigt.<br />
Die Stadt Thale<br />
hatte nach<br />
2008 die touristische<br />
Infrastruktur<br />
im Bodetal mit<br />
6,8 Millionen Euro<br />
(davon vier Millionen<br />
Euro Zuschüsse) auf Vordermann<br />
gebracht. Die Seilbahnen<br />
Thale GmbH investierte insgesamt<br />
6,2 Millionen Euro, davon 2,2 Millionen mit<br />
GRW-Fördermitteln. Heute ist die „Seilbahnen<br />
Thale Erlebniswelt“ bei Urlaubsgästen<br />
und Familien genauso gefragt wie<br />
die moderne Bodetaltherme.<br />
Den Start des 2011 gegründeten und erfolgreichen<br />
Unternehmens „Harzdrenalin“<br />
mit seinen verschiedenen Abenteuerangeboten<br />
zum Beispiel hat die IB mit<br />
180.000 Euro aus dem GRW-Topf für gewerbliche<br />
Infrastruktur gefördert. Weitere<br />
130.000 Euro wurden aus dem KMU-<br />
Darlehensfonds als Förderdarlehen bewilligt.<br />
Inzwischen sind der 1.000-Meter-Seilflug<br />
an der Rappbodetalsperre<br />
und das Wallrunning – 43 Meter die Staumauer<br />
hinunter – eine echte Attraktion für<br />
Abenteuertouristen.<br />
INFORMATIONEN ZU<br />
FÖRDERMÖGLICHKEITEN<br />
Dr. Joachim Weschke<br />
Die Investitionsbank Sachsen-Anhalt<br />
bietet Informationen zu Fördermöglichkeiten<br />
(wie beispielsweise auch für<br />
Tourismusverbände das Programm<br />
„Sachsen-Anhalt ERLEBEN“) unter<br />
www.ib-sachsen-anhalt.de<br />
oder unter der kostenfreien Hotline<br />
0800 56 007 57.<br />
Fotos: Möller Mediengruppe (oben), IB (unten)<br />
Kleinere Unternehmen können so maßvolle<br />
Erweiterungen vornehmen und<br />
mit Vorhaben zur Qualitätsverbesserung<br />
kombinieren. Die Wettbewerbsfähigkeit<br />
wird verbessert, neue Zielgruppen<br />
erschlossen und die wirtschaftliche Situation<br />
der Unternehmen gestärkt. Der<br />
mögliche Höchstfördersatz für kommunale<br />
touristische Infrastrukturprojekte im<br />
Landesinteresse (bis zu 90 Prozent der Investitionssumme)<br />
setzt besondere Anreize.<br />
Angesichts mitunter zurückhaltender<br />
Finanzierungsbereitschaft bei Tourismusprojekten<br />
kann die IB mit entsprechenden<br />
Darlehensprodukten aufwarten und<br />
Finanzierungslücken schließen.<br />
Das Land Sachsen-Anhalt förderte im Oktober 2015 die Erweiterung des Vier-Sterne-Hotels<br />
Schlossmühle in Quedlinburg.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
50 | W+M RATGEBER<br />
Urteile für<br />
Unternehmer<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hat wichtige Urteile<br />
für Sie zusammengestellt<br />
Diebstahl<br />
Keine Haftung für untypische<br />
Wertsachen des Arbeitnehmers<br />
Ein Arbeitgeber haftet bei Diebstahl am<br />
Arbeitsplatz nur für typische Wertgegenstände<br />
des Arbeitnehmers. Obhutsund<br />
Verwahrungspflichten bestehen nur<br />
bei unmittelbar oder mittelbar für die Arbeitsleistung<br />
benötigten Gegenständen.<br />
Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG)<br />
Hamm entschieden.<br />
Ein Mitarbeiter einer Klinik behauptet,<br />
Schmuck und Uhren im Wert von rund<br />
20.000 Euro in den Rollcontainer seines<br />
Schreibtisches in seinem Büro gelegt und<br />
diesen verschlossen zu haben. Eigentlich<br />
wollte er die Wertsachen am Abend zum<br />
Schließfach seiner Bank bringen, kam aber<br />
durch hohe Arbeitsbelastung davon ab.<br />
Wenige Tage später stellte er fest, dass<br />
die Tür zu seinem Büro offen stand, der<br />
Rollcontainer aufgebrochen und die Wertgegenstände<br />
gestohlen wurden. Der Generalschlüssel,<br />
mit dem das Büro geöffnet<br />
werden konnte, wurde von einer Mitarbeiterin<br />
leichtfertigt in deren ebenfalls aufgebrochenen<br />
Spint verwahrt und auch gestohlen.<br />
Der Mitarbeiter verklagte nun den<br />
Arbeitgeber auf Schadensersatz, da dieser<br />
es unterlassen habe, die sichere Aufbewahrung<br />
des Generalschlüssels durch<br />
klare Anweisungen und Vorkehrungen zu<br />
gewährleisten. Das LAG Hamm berief sich<br />
im Berufungsverfahren auf die Rechtsprechung<br />
des Bundesarbeitsgerichts, der Kläger<br />
zog daraufhin seine Klage zurück.<br />
LAG Hamm 18 Sa 1409/15<br />
Zuschläge<br />
Anspruch auf Zuschlag in Höhe von<br />
30 Prozent bei Dauernachtarbeit<br />
Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen,<br />
haben Nachtarbeitnehmer<br />
nach § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes<br />
(ArbZG) einen gesetzlichen Anspruch<br />
auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag<br />
oder auf eine angemessene<br />
Anzahl bezahlter freier Tage. Bei Dauernachtarbeit<br />
liegt der Anspruch regelmäßig<br />
bei 30 Prozent, betonte das Bundesarbeitsgericht<br />
(BAG) in einem Urteil.<br />
Ein im Paketlinientransportdienst tätiger<br />
Lkw-Fahrer verklagte seinen Arbeitgeber,<br />
da dieser nur unzureichende Nachtarbeitszuschläge<br />
zahlte. Die Arbeitszeit<br />
des Fahrers beginnt regelmäßig um 20<br />
Uhr und endet inklusive der Pausenzeiten<br />
am nächsten Morgen um 6 Uhr. Der<br />
Arbeitgeber ist nicht tarifgebunden und<br />
zahlte dem Arbeitnehmer anfangs elf Prozent<br />
Nachtzuschläge auf seinen Stundenlohn,<br />
später dann 20 Prozent. Der Fahrer<br />
verlangte von seinem Arbeitgeber, ihm<br />
einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von<br />
30 Prozent vom Stundenlohn zu zahlen<br />
oder einen Freizeitausgleich von zwei<br />
Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden<br />
zu gewähren. Das Bundesarbeitsgericht<br />
stellte fest, dass nach § 6<br />
Abs. 5 ArbZG ein gesetzlicher Anspruch<br />
auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag<br />
besteht, sofern – wie in diesem<br />
Fall – keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen<br />
bestehen. Bei besonderen<br />
Belastungen, wie der hier vorliegenden<br />
Dauernachtarbeit, erhöht sich der<br />
Anspruch auf regelmäßig 30 Prozent beziehungsweise<br />
entsprechenden Freizeitausgleich.<br />
BAG 10 AZR 423/14<br />
Werbung<br />
Automatische Eingangsbestätigung<br />
mit Werbung unzulässig<br />
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden,<br />
dass gegen den erklärten Willen<br />
eines Verbrauchers übersandte E-<br />
Mails mit werblichem Inhalt, so genannte<br />
No-Reply-Bestätigungsmails, eine<br />
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />
darstellen.<br />
Der Kläger des zugrunde liegenden<br />
Rechtstreits ist Verbraucher. Er wandte<br />
sich mit der Bitte um Bestätigung einer<br />
von ihm ausgesprochenen Kündigung<br />
per E-Mail an das beklagte Unternehmen.<br />
Dieses bestätigte unter dem Betreff "Automatische<br />
Antwort auf Ihre Mail [...]"den<br />
Eingang der Nachricht des Klägers. Die<br />
Antwort enthielt neben der Bestätigung<br />
über den Eingang auch vom Kunden nicht<br />
gewollte Werbung. Dieser wandte sich<br />
daraufhin erneut an das Unternehmen<br />
und rügte die automatisierte Antwort<br />
mit der enthaltenen Werbung, woraufhin<br />
er erneut besagte Bestätigungsnachricht<br />
mit Werbung erhielt. Der BGH entschied<br />
nun, dass die gegen den erklärten<br />
Willen des Klägers übersandte Werbe-E-<br />
Mail einen Verstoß gegen das allgemeine<br />
Persönlichkeitsrecht darstellt.<br />
BGH VI ZR 134/15<br />
Foto: AllebaziB/Fotolia.com, Quelle: www.kostenlose-urteile.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
RECHT | 51<br />
Foto: AllebaziB/Fotolia.com, Quelle: www.kostenlose-urteile.de<br />
Urheberrecht<br />
Schadensersatz für Fotograf bei<br />
unerlaubter Bildveröffentlichung<br />
Wer ein Foto ohne Zustimmung des Fotografen<br />
auf seiner Homepage veröffentlicht,<br />
schuldet dem Fotografen als Inhaber<br />
des Urheberrechts Schadensersatz<br />
in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.<br />
Die lizenzfreie Weitergabe von Bildern<br />
an Vertriebspartner des Auftraggebers<br />
verletzt ebenfalls Urheberrechte<br />
des Fotografen. Dies geht aus einer Entscheidung<br />
des Oberlandesgerichts (OLG)<br />
Hamm hervor.<br />
Ein international erfolgreicher Modefotograf<br />
aus Österreich erstellte im Auftrag<br />
eines Unternehmens für Bade- und<br />
Strandbekleidung mehrere tausend Modefotografien.<br />
Er überließ diese dem Auftraggeber<br />
zur Verwendung auf dessen<br />
Homepage, eine Vereinbarung über die<br />
Weitergabe der Fotos an Vertriebspartner<br />
des Auftraggebers fand nicht statt.<br />
Ein solcher Vertriebspartner nutzte die<br />
Fotos für seine Homepage. Nach einer<br />
mit der unbefugten Benutzung der Fotos<br />
begründeten Abmahnung des Fotografen<br />
gab der Vertriebspartner ihm gegenüber<br />
eine strafbewehrte Unterlassungserklärung<br />
ab. Vor Gericht stritten beide<br />
Parteien über die Höhe des Schadensersatzes<br />
für die Benutzung der Fotos. Das<br />
OLG Hamm sprach dem Fotografen nun<br />
Schadensersatz in Höhe von zehn Euro<br />
pro Bild zu.<br />
OLG Hamm 4 U 34/15<br />
Haftung<br />
Geschäftsführer haftet für<br />
Steuerschuld einer UG<br />
Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz<br />
hat entschieden, dass der Geschäftsführer<br />
einer Unternehmergesellschaft (UG)<br />
für Gewerbesteuerschulden der Gesellschaft<br />
haften muss.<br />
Der Geschäftsführer einer UG hatte während<br />
seiner Zeit als Alleingeschäftsführer<br />
der von ihm geführten Firma weder Steuererklärungen<br />
abgegeben, noch Steuern<br />
gezahlt. Auch die auf der Grundlage von<br />
Steuerschätzungen seitens der beklagten<br />
Ortsgemeinde festgesetzten Gewerbesteuern<br />
wurden nicht entrichtet. Mahnungen<br />
und Vollstreckungsversuche blieben<br />
fruchtlos. Deshalb nahm die Gemeinde<br />
den Geschäftsführer schließlich persönlich<br />
für die Gewerbesteuern der UG in<br />
Haftung. Nach erfolglosem Widerspruch<br />
erhob dieser dagegen Klage und gab an,<br />
es sei kein Schaden entstanden, da die<br />
Steuerschätzungen unrealistisch gewesen<br />
seien und das Unternehmen lediglich<br />
Verluste erwirtschaftetet hätte. Außerdem<br />
berichtete er, keinerlei Erfahrungen<br />
mit geschäftlichen Dingen zu besitzen<br />
und dadurch mit der Situation überfordert<br />
gewesen zu sein. Das Verwaltungsgericht<br />
entschied für die Gemeinde und<br />
legte fest, dass der Geschäftsführer nach<br />
einschlägigen steuerrechtlichen Bestimmungen<br />
für die Steuerschulden der UG<br />
haften müsse.<br />
<br />
VG Köln 5 K 526/15.KO<br />
Kündigung<br />
Keine fristlose Kündigung bei<br />
wochenlanger Krankheit<br />
Zu erwartende krankheitsbedingte Fehlzeiten<br />
von knapp 18 Wochen pro Jahr<br />
rechtfertigen keine fristlose Kündigung<br />
eines Arbeitsverhältnisses, jährliche Entgeltfortzahlungen<br />
für diesen Zeitraum<br />
stellen keine unzumutbaren wirtschaftlichen<br />
Belastungen für den Arbeitgeber<br />
dar. Das entschied jüngst das Landesarbeitsgericht<br />
(LAG) Berlin-Brandenburg.<br />
Im vorliegenden Fall wurde einem Arbeitnehmer<br />
im Oktober 2011 fristlos gekündigt,<br />
da er seit dem Jahr 2000 wiederholt<br />
arbeitsunfähig erkrankte. Da der<br />
Arbeitgeber befürchtete, dass sich das<br />
durchschnittliche Fehlen von etwa 18<br />
Wochen jährlich auch in Zukunft fortsetzen<br />
werde und ihm dies wirtschaftlich<br />
nicht zumutbar sei, kündigte er den<br />
Arbeitnehmer fristlos. Dieser erhob daraufhin<br />
Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht<br />
Cottbus wies die Klage zunächst<br />
ab, das LAG Berlin-Brandenburg<br />
entschied aber in der Berufung zugunsten<br />
des Arbeitnehmers. Jährliche Entgeltfortzahlungskosten<br />
in einem derartigen<br />
Umfang stellten keine unzumutbare<br />
wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers<br />
dar. Zudem waren die gesetzlichen<br />
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung<br />
aufgrund von Arbeitsunfähigkeit<br />
nicht gegeben. Die krankheitsbedingte<br />
fristlose Kündigung sei somit unwirksam<br />
gewesen.<br />
LAG Berlin-Brandenburg 15 Sa 825/13<br />
Steuern<br />
Keine Absetzung von häuslichem<br />
Arbeitszimmer bei Mischnutzung<br />
Wird ein häusliches Arbeitszimmer innerhalb<br />
der Wohnung auch privat genutzt,<br />
so ist dieses nicht steuerlich absetzbar,<br />
da der Umfang der jeweiligen Nutzung<br />
des Zimmers innerhalb der Wohnung des<br />
Steuerpflichtigen nicht objektiv überprüfbar<br />
ist. Das hat jüngst der Bundesfinanzhof<br />
(BFH) entschieden.<br />
Ein häusliches Arbeitszimmer setzt neben<br />
einem büromäßig eingerichteten<br />
Raum voraus, dass es ausschließlich<br />
oder nahezu ausschließlich für betriebliche<br />
oder berufliche Zwecke genutzt wird.<br />
Fehlt es hieran, sind die Aufwendungen<br />
hierfür insgesamt nicht abziehbar. Damit<br />
scheidet eine Aufteilung und anteilige Berücksichtigung<br />
im Umfang der betrieblichen<br />
oder beruflichen Verwendung aus.<br />
Im vorliegenden Verfahren war streitig,<br />
ob Kosten für einen Wohnraum, der zu<br />
60 Prozent zur Erzielung von Einnahmen<br />
aus Vermietung und Verpachtung und zu<br />
40 Prozent privat genutzt wird, anteilig als<br />
Werbungskosten bei den Einkünften aus<br />
Vermietung und Verpachtung abziehbar<br />
sind. Der BFH begründet seine Entscheidung<br />
damit, dass der Gesetzgeber seit<br />
jeher voraussetzt, dass das sogenannte<br />
„häusliche Arbeitszimmer“ wie ein Büro<br />
eingerichtet ist und ausschließlich oder<br />
nahezu ausschließlich zur Erzielung von<br />
Einnahmen genutzt wird.<br />
BFH GrS 1/14<br />
W+M<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
52 | W+M RATGEBER<br />
Flüssig bleiben<br />
Wenn Kunden nicht zahlen, kann das schnell zu<br />
Liquiditätsengpässen führen. Fünf Tipps, wie<br />
Sie es schaffen, dass es gar nicht erst soweit<br />
kommt.<br />
1. Kunden überprüfen<br />
Vor Vertragsabschluss sollten Bonität<br />
und Unternehmensdaten überprüft werden.<br />
Auskünfte erhält man zum Beispiel<br />
beim Online-Bundesanzeiger, bei der zuständigen<br />
IHK oder im Handelsregister.<br />
2. Zügig Rechnung stellen<br />
Erstellen Sie Rechnungen zügig und<br />
kontrollieren sie die Zahlungseingänge.<br />
Die Forderung muss prüffähig sein,<br />
denn jeder Fehler kann dazu genutzt<br />
werden, die Zahlung aufzuschieben.<br />
Prüfen Sie Zahlungseingänge nach Fristablauf<br />
und reagieren Sie frühzeitig auf<br />
Zahlungsverzug.<br />
3. Konsequent<br />
fordern<br />
Mahnen Sie konsequent,<br />
wenn<br />
der Kunde in Zahlungsverzug ist. Eine<br />
Mahnung ist erforderlich, damit der<br />
Schuldner in Verzug kommt. In der ersten<br />
Mahnung ist ein freundlicher Zahlungshinweis<br />
ohne monetäre Folgen<br />
sinnvoll.<br />
4. Absichern<br />
Versichern Sie sich gegen Forderungsausfall<br />
mit einer Warenkreditversicherung,<br />
wie beispielsweise einer Forderungsausfallversicherung.<br />
Ist der Kunde<br />
zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig,<br />
greift die Versicherung.<br />
5. Factoring prüfen<br />
Ein konsequentes Forderungsmanagement<br />
nimmt viel Zeit in Anspruch. Beim<br />
Factoring verkauft der Unternehmer<br />
fortlaufend seine Rechnungen an ein<br />
Factoring-Unternehmen und erhält innerhalb<br />
von zwei Werktagen sofortige<br />
Liquidität. Der Factor übernimmt dann<br />
das komplette Forderungsmanagement.<br />
Projekte leiten<br />
Zeit für Strategie<br />
Veränderungen meistern<br />
Projektleiter werden meistens wegen<br />
ihrer fachlichen Leistungen ausgewählt.<br />
Neben dieser benötigen sie aber auch<br />
andere Fähigkeiten. Zum Beispiel Management-Know-how,<br />
wie man Pläne<br />
entwirft, Risiko managt und Kosten kalkuliert.<br />
Projektleiter sind auch Führungskräfte.<br />
Sie müssen ein Team führen und<br />
in der Lage sein, die sich teils widersprechenden<br />
Interessen von Kunden, Vorgesetzten,<br />
involvierten Abteilungen und den<br />
eigenen Projektmitarbeitern zu managen.<br />
Außerdem sind Projektleiter Unternehmer.<br />
Für eine begrenzte Zeit sind sie Geschäftsführer<br />
eines Projekts. Sie müssen<br />
Handlungsstrategien entwickeln und sollten<br />
mit „Marketing-Aktivitäten“ innerhalb<br />
und gegebenenfalls außerhalb des Unternehmens<br />
ihr Projekt „verkaufen“ können.<br />
Finanzabteilungen sind heutzutage immer<br />
öfter für die Geschäfts- und Finanzstrategie<br />
verantwortlich. Deutsche Chief<br />
Financial Officers (CFOs) beschäftigen<br />
sich laut einer Studie nur circa fünf Stunden<br />
pro Woche, also etwas weniger als<br />
einem Fünftel ihrer Arbeitszeit, mit unternehmensstrategischen<br />
Aufgaben.<br />
Knapp die Hälfte ihrer Zeit verbringen<br />
sie mit operativen Aufgaben wie Teamführung<br />
und Zusammenarbeit mit dem<br />
Management und anderen Abteilungen.<br />
Dabei können gerade sie durch ihre strategischen<br />
Finanzeinblicke einen wichtigen<br />
Beitrag zum Unternehmenswachstum<br />
und zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen.<br />
Um als Führungskraft gut funktionieren<br />
zu können, brauchen CFOs daher<br />
mehr Zeit für übergeordnete Aufgaben.<br />
Menschen verhalten sich bei Veränderungen<br />
unterschiedlich. Dies bedeutet<br />
für Führungskräfte besondere Schwierigkeiten.<br />
Sie müssen sich selbst durch<br />
die Veränderung führen und sich dabei<br />
häufig selbst reflektieren. Beziehen Sie<br />
daher auch die Mitarbeiter frühzeitig in<br />
die Umstrukturierung mit ein, damit diese<br />
rechtezeitig die Möglichkeit erhalten,<br />
zu reflektieren und auch zu akzeptieren,<br />
alte Routinen abzulegen. Fordern Sie<br />
für die nötigen Veränderungen die Unterstützung<br />
ihrer Vorgesetzten ein und<br />
wertschätzen und loben Sie ebenso möglichst<br />
Ihre Mitarbeiter bei Erfolg. Befürworter<br />
der Veränderung unter den Mitarbeitern<br />
sollten Sie als Zugpferde einsetzen.<br />
Aber seien Sie auch für die Bedenken<br />
der Mitarbeiter offen.<br />
Quelle: www.business-wissen.de, www.dashoefer.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
MANAGEMENT | 53<br />
Zeiterfassung schadet<br />
Von genauer Zeiterfassung versprechen<br />
sich Unternehmen eine höhere Zuverlässigkeit<br />
ihrer Projekte. Sie soll herausfinden,<br />
ob sich ein Projekt gelohnt hat, helfen,<br />
zukünftige Projekte zu verbessern<br />
und Ressourcen-Effektivität sicherzustellen.<br />
Doch es kommt zu schädlichen Nebenwirkungen<br />
wie Multitasking, Demotivation<br />
und Defokussierung der Mitarbeiter.<br />
Den Zeitverbrauch für Projekte bis<br />
ins kleinste Detail festzulegen, vernachlässigt<br />
den Zufall. Die kleinste Änderung<br />
kann dazu führen, dass das ganze Projekt<br />
aus den Fugen gerät. Die Mitarbeiter an<br />
Hand von Kennzahlen aus Zeiterfassung<br />
zu beurteilen, hat sich zudem als wenig<br />
effizient erwiesen.<br />
Talente fördern<br />
Talentmanagement ist ein strategisches<br />
Instrument, um die für den Fortbestand<br />
und den Erfolg des Unternehmens relevanten<br />
Führungspositionen zu besetzen.<br />
Um Talente zu identifizieren, sollten<br />
Mitglieder der Geschäftsleitung und<br />
der Personalabteilung ihre persönlichen<br />
Einschätzungen untereinander abstimmen.<br />
Auch Schulungen helfen, differenzierter<br />
zu urteilen beziehungsweise belastbare<br />
Kategorien für eine Beurteilung<br />
zu finden. Hat man Talente identifiziert,<br />
sollte man einen Entwicklungsplan erarbeiten<br />
und folgende Fragen beantworten:<br />
Wer kommt für welche Rolle in Zukunft<br />
in Frage? Wer kann die wenigen<br />
Schlüsselpositionen mit Vision und Umsetzungskraft<br />
ausfüllen? Wer hat das Potenzial,<br />
die Geschäftsleitung in Zukunft zu<br />
übernehmen? Welche Erfahrungen und<br />
Kompetenzen braucht derjenige bis dahin?<br />
Auch Risiken sollte man im Blick behalten.<br />
Sieht sich jemand bei der Konkurrenz<br />
um? Wer geht in den Ruhestand?<br />
Werden noch andere Stellen frei? Den Talenten<br />
sollten vor allem auch Erfahrungen<br />
außerhalb ihrer gewohnten Funktion ermöglicht<br />
werden. Für eine Geschäftsleitung<br />
ist eine Karriere nur innerhalb eines<br />
Bereiches zu einseitig. Wer für sein Unternehmen<br />
langfristig planen will, sollte<br />
jemanden nicht nur für eine Position einstellen,<br />
sondern für einen Karriereweg.<br />
Sponsoren gewinnen<br />
Häufig scheitert die Sponsorensuche am<br />
fehlenden Verständnis für die Interessen<br />
des möglichen Sponsors. Zum Einschätzen<br />
des Werbewertes sind für diesen die Leistungskennzahlen<br />
einer Werbefläche wichtig,<br />
zum Beispiel (Medien-)Reichweite, erreichbare<br />
Zielgruppe oder welches Image<br />
ein Sponsoring-Projekt verkörpert. Ein Konzept<br />
von hoher Qualität ist für das Gewinnen<br />
eines Sponsors unerlässlich: professionelles<br />
Layout, nur relevante Informationen,<br />
orthografisch und grammatikalisch<br />
einwandfrei und mit persönlicher Anrede<br />
des entsprechenden Ansprechpartners. Ist<br />
der Kontakt zu einem interessierten Sponsoren<br />
hergestellt, sollte man einen Termin<br />
vereinbaren, um persönlich sein Sponsoring-Projekt<br />
vorzustellen. Dabei kann man<br />
die Interessen und Ziele des potenziellen<br />
Sponsors in Erfahrung bringen, um diesem<br />
ein passendes Angebot zu machen.<br />
Quelle: www.business-wissen.de, www.dashoefer.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
54 | W+M RATGEBER<br />
Der Honecker-Effekt<br />
Warum Chefs selten ehrliche Rückmeldungen erhalten<br />
Sie glauben, Sie wissen als Chef, was Ihre Mitarbeiter bewegt? Weil<br />
Sie diese ja regelmäßig um Feedback bitten? Die Chance, dass Sie<br />
hier einem Irrtum zum Opfer fallen, ist beträchtlich. Der Grund dafür<br />
liegt in der hierarchischen Gravität. Von Chris Wolf, Diplom-Psychologin<br />
Foto: Rolf Wenkel/pixelio.de<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
PERSONALMANAGEMENT | 55<br />
Das Bild eines Vorgesetzten davon,<br />
was seine Mitarbeiter wohl denken,<br />
entsteht wesentlich durch Feedbacks,<br />
die er erhält. Und dabei kommt es<br />
eben darauf an, wie ausgeprägt das hierarchische<br />
Gefälle in einem Unternehmen<br />
ist. Feedback und seine Wucht und Wirkung<br />
sind nicht nur an Formulierung, Tonfall,<br />
Gestik oder Inhalt gebunden, sondern<br />
ganz zentral an die Frage, wer da wem etwas<br />
sagt. Feedback findet im Kontext von<br />
Macht statt. Hierarchie erzeugt kommunikative<br />
Gravität.<br />
Je steiler das Gefälle …<br />
Das Feedback des Vorgesetzten wird<br />
durch die hierarchische Gravität beschleunigt<br />
und steigert seine Wucht, bis es den<br />
Mitarbeiter erreicht. Umgekehrt muss der<br />
Mitarbeiter viel Kraft aufwenden, um sein<br />
Feedback an den Chef gegen die hierarchische<br />
Gravität nach oben zu befördern.<br />
Je steiler das hierarchische Gefälle, desto<br />
größer wird folgerichtig die hierarchische<br />
Gravität. Wenn der Mitarbeiter zum Beispiel<br />
seinem Vorgesetzten mitteilen möchte,<br />
dass die halbe Belegschaft in schlechter<br />
Stimmung lebt, weil das Management<br />
widersprüchliche Botschaften bezüglich<br />
Arbeitsaufträgen und Bewertungen verbreitet,<br />
dann wird von dieser Botschaft<br />
oben nur wenig ankommen.<br />
Verpackte Botschaften<br />
Man muss als Mitarbeiter das Feedback<br />
strategisch geschickt verpacken, alle möglichen<br />
Befindlichkeiten und Gefahren für<br />
die Bewertung der eigenen Person beachten<br />
– und so ganz deutlich möchte es der<br />
Chef wahrscheinlich eben auch gar nicht<br />
hören. Wie groß ist doch die Chance, dass<br />
er bei Erhalt dieser Information den Überbringer<br />
abwertet, im Sinne von: „Man<br />
weiß ja, von wem es kommt!“<br />
Potemkinsche Dörfer<br />
Wer also die Wirkung des Machtfaktors<br />
minimieren will, der muss das hierarchische<br />
Gefälle reduzieren. Macht macht<br />
klare Feedbacks nach oben schwierig.<br />
Von Erich Honecker wird gesagt, er meinte<br />
selbst, dass er im besten aller Staaten<br />
lebte. Seine Mitarbeiter gestalteten diese<br />
Illusion für ihn sorgfältig im Sinne der Potemkinschen<br />
Dörfer. Diese Form der Illusion<br />
nennt die Psychologie mittlerweile sogar<br />
Honecker-Effekt. Übertrieben für normale<br />
Vorgesetzte? Keineswegs.<br />
Witzig – oder nur Chef?<br />
Umgekehrt gilt dies genauso. Es ist für<br />
Vorgesetzte schwer zu unterscheiden,<br />
ob nur ihre Macht wirkt oder der Inhalt<br />
dessen, was sie sagen. Oft wiegen sie<br />
sich daher in der Illusion ihrer argumentativen<br />
Überzeugungskraft und haben doch<br />
nur ein Machtspiel gewonnen. Wer „ja“<br />
sagt, muss nicht „ja“ meinen. Wer nickt,<br />
stimmt nicht unbedingt zu. Wenn der CEO<br />
bei der Betriebsversammlung einen Witz<br />
macht und alle lachen, dann heißt das keineswegs,<br />
dass der Witz gut war. Es kann<br />
genauso gut sein, dass es sich einfach gehört,<br />
über die Scherze des Chefs zu lachen.<br />
Das Ergebnis eines Feedbacks aber<br />
hängt nicht von dem nach außen sichtbaren<br />
Gestus ab, sondern von der nicht direkt<br />
offenkundigen Akzeptanz. Es hängt<br />
davon ab, ob man den anderen zu bewegen<br />
vermag.<br />
Gefilterte Botschaften<br />
Der Hierarch als Feedbackgeber müsste<br />
also genau hinhören oder gar nachfragen,<br />
wenn er ermessen möchte, wie seine Vorstellungen<br />
ankommen. Und selbst dann<br />
wäre es fraglich, in welchem Grad er die<br />
Chris Wolf/<br />
Heinz<br />
Jiranek:<br />
„Feedback.<br />
Nur was<br />
erreicht, kann<br />
auch bewegen“,<br />
BusinessVillage<br />
2014, 240 S.,<br />
24,80 €.<br />
Wahrheit erführe. Denn Kommunikation<br />
gegen das Gefälle der Macht wird zensiert,<br />
getreu dem Motto: „Das können wir unserem<br />
Chef nicht sagen, niemals.“ Wer also<br />
weiter oben ist, bekommt gefilterte Botschaften.<br />
Was kann man unternehmen,<br />
um das hierarchische Gefälle sinnvoll zu<br />
reduzieren? Ich schlage hier vor, Reversibilität<br />
als Ideal zu nutzen.<br />
Klappt es auch umgekehrt?<br />
Stellen wir uns folgendes Szenario vor. Ein<br />
Mitarbeiter sagt zu seinem Chef: „Bitte<br />
kommen Sie heute um 15 Uhr zu mir. Ich<br />
möchte Ihnen dann ein paar Punkte zurückmelden,<br />
die mir in letzter Zeit aufgefallen<br />
sind. Ich werde natürlich alles mit<br />
Ihnen diskutieren, solange Sie konstruktiv<br />
bleiben.“ Das kann der Chef zum Mitarbeiter<br />
sagen, aber umgekehrt? Die Sozialpsychologie<br />
nennt dies den Reversibilitätstest:<br />
Kann das, was A zu B sagt, auch<br />
B sanktionsfrei zu A sagen? So zeigen sich<br />
Machtstrukturen schnell und einfach.<br />
Der Tipp<br />
Um den Honecker-Effekt zu minimieren<br />
oder auszuschalten, gilt es, Feedbackstrukturen<br />
zu etablieren, die der Machtkontamination<br />
entgegenwirken, die das hierarchische<br />
Gefälle berücksichtigen und<br />
falls möglich, reduzieren.<br />
In Kooperation mit dem Magazin OFFIXX.<br />
Chris Wolf ist Diplom-Psychologin<br />
und Buchautorin.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
56 | W+M RATGEBER LITERATUR<br />
Wirtschaftsliteratur<br />
Die ostdeutsche<br />
Bestsellerliste<br />
1<br />
2<br />
3<br />
6<br />
Dirk Müller<br />
CASHKURS<br />
So machen Sie das Beste aus Ihrem Geld:<br />
Aktien, Versicherungen, Immobilien<br />
7<br />
5<br />
8<br />
4<br />
9<br />
10<br />
Die ostdeutsche Bestsellerliste für<br />
Wirtschaftsliteratur wird exklusiv von<br />
W+M aus den Verkaufszahlen großer<br />
Buchhandlungen in Brandenburg,<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,<br />
Sachsen-Anhalt und Thüringen erstellt.<br />
Beteiligt haben sich:<br />
• Hugendubel Cottbus,<br />
Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />
• Hugendubel Erfurt,<br />
Anger 62, 99084 Erfurt<br />
• Hugendubel Greifswald,<br />
Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />
• Hugendubel Leipzig,<br />
Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />
• Hugendubel Potsdam,<br />
Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />
• Hugendubel Schwerin,<br />
Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />
• Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung,<br />
Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/Oder<br />
Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen<br />
jederzeit offen. Schreiben Sie bei<br />
Interesse eine E-Mail an JP@WundM.info.<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
OFFICE-ROXX.DE<br />
D e r a m t l i c h e B ü r o B l o g<br />
DER BLOG, DER ROCKT!
58 | W+M RATGEBER<br />
Vorbote einer Mobilitätsrevolution:<br />
der autonom fahrende Mercedes-Benz F 015.<br />
Das Auto und seine Zukunft<br />
Wenn es um das Auto der Zukunft<br />
geht, gibt es allerhand<br />
Ideen, viele Perspektiven und<br />
noch mehr Interessenlagen. Die Automagazine<br />
mit ihren Prognosen haben da einen<br />
entspannten Blickwinkel. Hier findet<br />
die Zukunft in der nächsten Zeit statt und<br />
da gelten dann Aussagen wie „Die neuen<br />
Roadster künden von mehr Sportlichkeit“<br />
oder „Der Trend zu robusten SUV ist<br />
ungebrochen und hält auch künftig an“.<br />
Doch immer mehr geht es bei dem Thema<br />
um Grundsätzlicheres. Die einen beschäftigt<br />
das künftige Nutzungsverhalten<br />
der Autofahrer, andere schauen interessiert<br />
oder besorgt auf das Silicon Valley,<br />
das sich aufmacht, die Automobilbranche<br />
aufzumischen.<br />
Aktuell gibt es in Deutschland etwa 53<br />
Millionen zugelassene Fahrzeuge, davon<br />
44 Millionen Pkw. Diese Zahl wird nach<br />
einer Shell-Studie aus dem Jahr 2014<br />
noch bis 2020 ansteigen, dann aber rückläufig<br />
sein. Das hängt vermutlich an dem<br />
zu erwartenden Bevölkerungsrückgang,<br />
aber auch an greifenden Trends wie Carsharing<br />
und ähnlichem.<br />
Und dann gibt es da noch die E-Mobilitiy. In<br />
der Umfrage von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />
von 2015 zur Nutzung von Firmen-Pkws<br />
haben bereits im letzten Jahr fast 60 Prozent<br />
der befragten Unternehmer angegeben,<br />
dass sie sich vorstellen können, in<br />
fünf Jahren ein Elektro-Auto zu nutzen.<br />
Als gesichert gilt, dass für die Automobilindustrie<br />
eine Zeitenwende begonnen<br />
hat. Noch gibt es keinen Grund zur Panik,<br />
denn in Deutschland liegt die Zahl der<br />
zugelassenen Elektromobile derzeit bei<br />
knapp zwei Prozent, Tendenz allerdings<br />
steigend.<br />
Das Innere des F 015 wirkt wie ein fahrendes Wohnzimmer.<br />
Das ambitionierte Ziel der Bundesregierung,<br />
bis 2020 eine Million Elektroautos<br />
auf deutsche Straßen zu bringen, liegt<br />
noch in weiter Ferne. Dennoch heißen die<br />
eigentlichen Zukunftsthemen der Branche<br />
Elektromobilität, Vernetzung und autonomes<br />
Fahren. Die Fahrzeuge und ihre<br />
Umgebung sollen auch ohne Eingriff des<br />
Fahrers miteinander kommunizieren und<br />
so für mehr Sicherheit sorgen. Das selbst-<br />
Fotos: Daimler AG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
MOBILITÄT | 59<br />
Der BMW i8 mit Hybridantrieb erzielt Leistungen eines Sportwagens.<br />
Der BMW i3 besitzt einen reinen Elektroantrieb.<br />
ständig rückwärts einparkende Auto<br />
kennt man ja, künftig sollen sich aber die<br />
Fahrzeuge gegenseitig vor Gefahrensituationen<br />
warnen und vieles mehr. Und<br />
dann sind da die Hersteller selbstfahrender<br />
Autos, deren Tests mit immer weniger<br />
Skepsis betrachtetet werden. Und<br />
hier mischen plötzlich auch Google oder<br />
Apple kräftig mit. Es ist jetzt schon spannend,<br />
aber das ist erst der Anfang.<br />
Die Automobilität der Zukunft ist ein rundum<br />
spannendes Thema und deshalb ist es<br />
nur folgerichtig, dass die AMI Auto Mobil<br />
International, die <strong>2016</strong> ihr 25-jähriges<br />
Jubiläum begeht, das Thema<br />
zu einem ihrer Schwerpunkte gewählt<br />
hat. Die AMI, die vom 9. bis<br />
17. April <strong>2016</strong> auf dem Leipziger<br />
Messegelände stattfindet,<br />
greift Themen<br />
wie automatisiertes<br />
Fahren, alternative<br />
Antriebe und Fahrerassistenzsysteme<br />
verständlich<br />
und aufmerksamkeitsstark<br />
auf. Innovative<br />
Mobilitätskonzepte<br />
werden hautnah erlebbar<br />
gemacht. Die Besucher können sich auf<br />
ein umfangreiches Rahmenprogramm<br />
zum Mitmachen freuen: Dazu zählen auch<br />
AMI-Spritsparstunden und Probefahrten<br />
im Straßenverkehr sowie der Off-Road-<br />
Parcours auf dem Freigelände. Veran-<br />
stalter ist die Leipziger Messe GmbH,<br />
ideeller Träger der Verband der Internationalen<br />
Kraftfahrzeughersteller (VDIK e. V.).<br />
Der VW XL 1 mit Hybridantrieb.<br />
Frank Nehring<br />
AMI-Messeschwerpunkt<br />
„AUTO-Mobilität der Zukunft“<br />
Fotos: BMW AG (oben), Volkswagen AG (unten)<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
Ohne schädliche Abgase: das Brennstoffzellenauto.<br />
Wasserstoff als Energiespeicher der Zukunft<br />
Auf dem Energieforum 2015 der Fachhochschule Brandenburg, an dem auch Experten des VBIW<br />
teilnahmen, drehte sich alles um den Wasserstoff. Durch die zeitweise auftretenden Überschüsse bei der<br />
Gewinnung von Windstrom wird die Elektrolyse immer bedeutender. Wasserstoff kann überschüssige<br />
Energie speichern oder für klimaneutrale Mobilität sorgen. Von Rudolf Miethig (VBIW)<br />
Die Teilnehmer des Energieforums<br />
2015 wurden von der Präsidentin<br />
der Fachhochschule Brandenburg<br />
Prof. Dr.-Ing. Burghilde Wieneke-Toutaoui<br />
und Jos van Winsen von der PCK<br />
Raffinerie Schwedt GmbH begrüßt. Moderiert<br />
wurde das Forum von Prof. Dr.<br />
Reiner Malessa.<br />
Referentin Verena Leschke, ebenfalls von<br />
der PCK Raffinerie Schwedt, sprach über<br />
die in ihrem Unternehmen angewandten<br />
konventionellen Methoden zur Herstellung<br />
von Wasserstoff. Die Raffinerie setzt<br />
Erdgas mit Wasserdampf zu Synthesegas<br />
und Wasserstoff um. Sie benötigt den<br />
Wasserstoff kontinuierlich, um Schwefel<br />
aus Diesel und Benzin zu binden.<br />
Dr. Oliver Ehret von der NOW GmbH<br />
kam aus Berlin mit einem Brennstoffzellenauto<br />
und lud zu einer Probefahrt ein.<br />
Brennstoffzellen wandeln die chemische<br />
Energie von Wasserstoff und Sauerstoff<br />
in Strom um, und zwar kontinuierlich,<br />
ohne den berühmten Knall im Chemieunterricht.<br />
Der Strom bewegt den Elektromotor<br />
für den Fahrantrieb und wird zudem<br />
auch in einer Lithium-Ionen-Batterie<br />
gespeichert. Diese wird auch beim<br />
Bremsen geladen, wenn der Elektromotor<br />
als Generator wirkt. Die Brennstoffzelle<br />
ist lokal emissionsfrei, sie erzeugt<br />
nur Wasserdampf als Abprodukt. Die Probefahrt<br />
war beeindruckend: geräuschlos<br />
und mit der für den Elektromotor charakteristischen<br />
hohen Beschleunigung von<br />
Beginn an – und das ohne Schaltgetriebe.<br />
Das Fahrzeug stammte aus einer Vorserie<br />
eines deutschen Herstellers. Serienmäßig<br />
bieten seit Ende 2015 erstmalig Hyundai<br />
und Toyota Brennstoffzellenautos an.<br />
Prof. Dr. Thomas Klassen vom Helmholtz-<br />
Zentrum Geesthacht berichtete über Forschungen<br />
zur foto-elektrochemischen<br />
Herstellung von Wasserstoff, ein industriell<br />
noch nicht verwertbares Verfahren.<br />
Wasserstoff soll dabei direkt aus Wasser<br />
mit Hilfe von Sonnenenergie fotokatalytisch<br />
gewonnen werden. Prof. Klassen<br />
wies auch auf die Bedeutung einer<br />
sicheren, kompakten und kostengünstigen<br />
Speicherung von Wasserstoff hin. Im<br />
Helmholtz-Zentrum wird Wasserstoff an<br />
die Kristallstruktur von Leichtmetall gebunden,<br />
was im Vergleich zur derzeit in<br />
Fahrzeugen angewandten Hochdruckspeicherung<br />
bei 700 bar eine Speicherung<br />
bei niedrigerem Druck ermöglicht.<br />
Metallhydridtanks werden großtechnisch<br />
bereits in U-Booten angewandt, die über<br />
einen außenluftunabhängigen, auf Brennstoffzellen<br />
basierten Antrieb verfügen.<br />
Das abschließende Referat hielt Thomas<br />
Götze von der EWE AG. Er stellte das<br />
Audi-e-gas-Projekt in Werlte (Emsland)<br />
vor. Das von Audi angebotene e-gas ist<br />
ein synthetisches Erdgas, das CO 2<br />
-neutral<br />
hergestellt wird. Mit Windstrom wird<br />
durch Elektrolyse Wasserstoff hergestellt.<br />
Kohlendioxid (CO 2<br />
) aus einer Biogasanlage<br />
wird dem Wasserstoff zugeführt.<br />
Es entsteht künstliches Methan,<br />
das von Audi „e-gas“ genannt wird. Die<br />
Menge an CO 2<br />
, die den Pflanzen entnommen<br />
wurde, wird vom Erdgasauto wieder<br />
ausgeschieden. Dazu muss der Käufer<br />
eines Audi g-tron zum Tanken nicht<br />
ins Emsland fahren. Mit einer speziellen<br />
Tankkarte tankt er an beliebigen Orten in<br />
Deutschland. Audi erfasst die getankten<br />
Mengen und speist dieselbe Menge e-<br />
gas ins Erdgasnetz bei Werlte ein.W+M<br />
Foto: Daimler AG<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
NETZWERK VBIW | 61<br />
Systematisches Erfinden<br />
Kann man eine Erfindung planen oder<br />
methodisch erarbeiten? Schon die<br />
Vorläuferorganisation des VBIW,<br />
die Kammer der Technik (KDT), beschäftigte<br />
sich mit planmäßigem Erfinden und<br />
betrieb sogenannte Erfinderschulen. An<br />
die Tradition anknüpfend hatte Ende 2015<br />
der VBIW gemeinsam mit seinem sächsischen<br />
Partnerverein VITW an der Technischen<br />
Hochschule (TH) Wildau eine Vortragsreihe<br />
zum Thema systematisches<br />
Erfinden veranstaltet, an der neben namhaften<br />
Hochschulprofessoren auch Patentanwälte<br />
als Referenten auftraten. Alle<br />
Referenten waren sich einig, dass es Methoden<br />
des systematischen Erfindens<br />
gibt. Wiederkehrendes Element aller vorgestellten<br />
Methoden war die Kombinationen<br />
von Varianten und Lösungsansätzen,<br />
dargestellt in Tabellen und Matrizen. So<br />
erläuterte Dr. Dietmar Zobel die vom russischen<br />
Ingenieur Altschuller entwickelte<br />
und inzwischen weltweit angewandte,<br />
aber auch bereits<br />
überarbeitete<br />
Methode TRIZ.<br />
Altschuller fand,<br />
dass den meisten<br />
Patenten nur<br />
40 wiederkehrende<br />
Lösungsprinzipien<br />
zugrunde liegen.<br />
Diese ordnet<br />
er in einer Widerspruchsmatrix<br />
sich<br />
verbessernder und<br />
verschlechternder<br />
Parameter an. An<br />
den Schnittstellen der Matrix verweisen<br />
Nummern auf die Lösungsprinzipien der<br />
40-er Tabelle, die geeignet sind, die Widersprüche<br />
grundsätzlich zu überwinden.<br />
Natürlich liefert Altschullers Tabelle nicht<br />
die direkte Lösung – sie gibt Anregungen,<br />
um kreativ noch der Lösung zu suchen.<br />
Abschließend beleuchtete Prof. Dana<br />
Gedankenaustausch im kollaborativen Labor.<br />
Mietzner die Arbeitsweise eines kollaborativen<br />
kreativen Labors, wie beispielsweise<br />
das FabLab amerikanischer<br />
Hochschulen oder das ViNN:Lab der TH<br />
Wildau. Hier entstehen Innovationen in<br />
offenem Gedankenaustausch.<br />
Rudolf Miethig (VBIW)<br />
Neu im VBIW: Zukunftswerkstatt<br />
Fotos: TH Wildau (oben), Fritz Letsch (unten)<br />
Mit dem Arbeitskreis Zukunftswerkstatt<br />
hat der VBIW seit 2015 ein<br />
ständiges Diskussionsforum, das<br />
eine neue, umwelt- und sozialverträgliche<br />
sowie ökonomisch wesentlich erfolgreichere<br />
Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />
anregen möchte. Denn die produktiven<br />
Bedürfnisse der Menschen als der natürliche<br />
Antrieb einer gesunden Arbeitswelt<br />
sind zwar in Biologie und Psychologie bekannt,<br />
müssen von der Allgemeinheit und<br />
VBIW – Verein Brandenburgischer<br />
Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />
Landesgeschäftsstelle:<br />
Fürstenwalder Str. 46,<br />
15234 Frankfurt (Oder),<br />
Tel.: 0335 8692151<br />
E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />
Internet: www.vbiw-ev.de<br />
der Wirtschaftswissenschaft<br />
aber noch entdeckt werden.<br />
Grundlage ist die Annahme,<br />
dass durch die Erkenntnis<br />
des verhaltensökologischen<br />
Gleichgewichts von produktiven<br />
und konsumtiven Bedürfnissen<br />
auch die sozialen Zwänge<br />
zur Arbeit ebenso entfallen<br />
würden wie die Kämpfe um<br />
die Verteilung der in Arbeitsteilung<br />
erwirtschafteten Güter.<br />
Weiterhin wird angenommen,<br />
dass durch das bessere Verständnis<br />
der menschlichen Natur<br />
überhaupt die zunehmend verhängnisvolle<br />
Tradition der gegenseitigen Bekämpfung<br />
entfallen und damit auch die Zerstörung<br />
der natürlichen Lebensgrundlagen der<br />
Menschheit entfallen würde. Zu dieser Diskussion<br />
trug auch der Berliner Zukunftsforscher<br />
Prof. Rolf Kreibich mit einem Vortrag<br />
Die Seebrücke in Großräschen entstand zur Internationalen<br />
Bauausstellung (IBA) 2010.<br />
im Juni 2015 in Strausberg bei. Im Mai dieses<br />
Jahres wird der Arbeitskreis am Jahrestreffen<br />
der Zukunftswerkstättenmoderatoren<br />
aus Deutschland, Österreich und<br />
der Schweiz in Großräschen teilnehmen.<br />
Lutz von Grünhagen (VBIW)<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
62 | W+M NETZWERK<br />
UV Sachsen<br />
GEMEINSAM FÜR DIE REGION<br />
Ende Januar luden die Industrie- und Handelskammer<br />
(IHK) zu Leipzig, die Handwerkskammer<br />
zu Leipzig, der Unternehmerverband<br />
Sachsen sowie der Marketing<br />
Club Leipzig zum 13. Neujahrsempfang<br />
der Leipziger Wirtschaft. Unter<br />
dem Motto „Gemeinsam für die Region“<br />
sprach der sächsische Ministerpräsident<br />
Stanislaw Tillich über die Talente<br />
und Leistungen der Unternehmer in Sachsen,<br />
dank derer sich die sächsische Wirtschaft<br />
sehr gut entwickelt hat. Er ging<br />
aber auch auf die anstehenden Herausforderungen<br />
ein, wie beispielsweise die Integration<br />
einer großen Zahl von Flüchtlingen.<br />
IHK-Präsident Wolfgang Topf dankte<br />
der sächsischen Landesregierung für die<br />
konstruktive, wirkungsvolle Zusammenarbeit.<br />
In der Frage der Flüchtlingsintegration<br />
verwies er auf die grundsätzliche Bereitschaft<br />
der hiesigen Unternehmen zur<br />
Ausbildung und Einstellung von Flüchtlingen,<br />
wenn diese über gute Deutschkenntnisse,<br />
einen nachgewiesenen Bildungsabschluss<br />
sowie einen gesicherten Aufenthaltsstatus<br />
verfügen.<br />
UV Brandenburg-Berlin<br />
MIT ZUVERSICHT<br />
GESTARTET<br />
Dr. Georg Donat, Wolfgang Topf, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Claus Gröhn<br />
und Hartmut Bunsen (v. l.).<br />
UV Ostdeutschlands und Berlin<br />
PARLAMENTARISCHER ABEND GEPLANT<br />
Im Rahmen ihrer länderübergreifenden<br />
Kooperation und Zusammenarbeit in der<br />
Interessengemeinschaft (IG) der Unternehmerverbände<br />
Ostdeutschlands und<br />
Berlin trafen sich Präsidenten und Geschäftsführer<br />
aus Brandenburg, Berlin,<br />
Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen<br />
und Sachsen-Anhalt zur ersten Beratung<br />
in diesem Jahr. Auf der umfangreichen Tagesordnung<br />
standen gemeinsame Aktivitäten<br />
im laufenden Jahr <strong>2016</strong> und ein intensiver<br />
Austausch zu zahlreichen Fragen<br />
der aktuellen Politik und des Wirtschaftsgeschehens.<br />
Im Terminkalender der IG<br />
steht der Parlamentarische Abend am 28.<br />
April in den Landesvertretungen von Brandenburg<br />
und Mecklenburg-Vorpommern<br />
beim Bund ganz oben auf der Agenda.<br />
Unter dem Motto „Potsdamer Gespräche<br />
meets TelTalk“ trafen sich im Dezember<br />
2015 Potsdamer Unternehmer mit ihren<br />
„Kollegen“ aus der Industrieregion<br />
zum Glühweinabend. Die Bürgermeister<br />
von Kleinmachnow und Teltow berichteten<br />
über die für die wirtschaftliche Entwicklung<br />
wichtigen kommunalen Aktivitäten<br />
im Jahr <strong>2016</strong>: Die Kommunen Teltow,<br />
Kleinmachnow und Stahnsdorf werden<br />
weiter die S-Bahn-Verlängerung nach<br />
Stahnsdorf unterstützen sowie die durch<br />
die Instandsetzung der Rammrath-Brücke<br />
notwendige Vollsperrung durch den Bau<br />
einer Behelfsbrücke versuchen zu verhindern.<br />
Durch die <strong>2016</strong> beginnende Sanierung<br />
der vielbefahrenen Ruhlsdorfer Straße<br />
ist ein Verkehrschaos absehbar. Die<br />
Unternehmer der Region starten dennoch<br />
mit Zuversicht ins Jahr <strong>2016</strong>.<br />
Foto: Andreas Koslowski<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
UNTERNEHMERVERBÄNDE | 63<br />
UV Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin<br />
AKTIE FÜR DEMOKRATIE<br />
Gemeinsam mit der<br />
Präsidentin des Landtags<br />
Mecklenburg-<br />
Vorpommerns Sylvia<br />
Bretschneider überreichte<br />
der Hauptgeschäftsführer<br />
des UV<br />
Schwerins Wolfgang<br />
Schröder den Vertretern<br />
des Medienhauses<br />
Nord und der<br />
Schweriner Volkszeitung<br />
(SVZ) eine Demokratieaktie,<br />
welche<br />
die SVZ im Wert<br />
von 1.000 Euro erwarb.<br />
Das Geld fließt zu 100 Prozent in<br />
die Förderung von Aktivitäten und Veranstaltungen<br />
mit demokratieförderndem<br />
Hintergrund. Schröder, der ehrenamtlich<br />
dem Regionalen Aktionsgremium in Westmecklenburg<br />
vorsteht, bedankte sich bei<br />
UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />
SELLERING ZU GAST<br />
Wolfgang Schröder, Sylvia Bretschneider; Andreas Gruczek und Max-<br />
Stefan Koslik (v. l.).<br />
der SVZ für dieses klare Signal. Die Beteiligten<br />
waren sich in der Bewertung der<br />
gegenwärtigen Herausforderungen einig<br />
und sehen die dringende Notwendigkeit,<br />
unser demokratisches Miteinander mit allem<br />
Nachdruck zu fördern.<br />
GESCHÄFTSSTELLEN<br />
Unternehmerverband Berlin e. V.<br />
Präsident: Armin Pempe<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: N. N.<br />
Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />
Tel.: +49 30 9818500<br />
Fax: +49 30 9827239<br />
E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />
Internet: www.uv-berlin.de<br />
Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />
Präsident: Dr. Burkhardt Greiff<br />
Geschäftsführer: Steffen Heller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />
Tel.: +49 331 810306<br />
Fax: +49 331 8170835<br />
E-Mail: potsdam@uv-bb.de<br />
Internet: www.uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Berlin<br />
Charlottenstraße 80, 10117 Berlin<br />
Tel.: +49 30 2045990<br />
Fax: +49 30 20959999<br />
E-Mail: berlin@uv-bb.de<br />
Geschäftsstelle Cottbus<br />
Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />
Tel.: +49 355 22658<br />
Fax: +49 355 22659<br />
E-Mail: cottbus@uv-bb.de<br />
Unternehmerverband Norddeutschland<br />
Mecklenburg-Schwerin e. V.<br />
Präsident: Rolf Paukstat<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />
Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin<br />
Tel.: +49 385 569333<br />
Fax: +49 385 568501<br />
E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />
Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Rostock-Mittleres<br />
Mecklenburg e. V.<br />
Präsident: Frank Haacker<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />
Wilhelm-Külz-Platz 4<br />
18055 Rostock<br />
Tel.: +49 381 242580<br />
Fax: +49 381 2425818<br />
E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />
Internet: www.uv-mv.de<br />
Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />
Präsident: Hartmut Bunsen<br />
Geschäftsführer: Lars Schaller<br />
Hauptgeschäftsstelle<br />
Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />
Tel.: +49 341 52625844<br />
Fax: +49 341 52625833<br />
E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />
Internet: www.uv-sachsen.de<br />
Geschäftsstelle Chemnitz<br />
Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />
Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />
Tel.: +49 371 49512912<br />
Fax: +49 371 49512916<br />
E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />
Geschäftsstelle Dresden<br />
Semperstraße 2b, 01069 Dresden<br />
Tel.: +49 351 8996467<br />
Fax: +49 351 8996749<br />
E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (3. v. r.) in der Diskussion.<br />
Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />
Präsident: Jürgen Sperlich<br />
Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />
Geschäftsstelle Halle/Saale<br />
Berliner Straße 130, 06258 Schkopau<br />
Tel.: +49 345 78230924<br />
Fax: +49 345 7823467<br />
Fotos: Reinhard Klawitter (oben), UV Rostock (unten)<br />
Zum Thema „25 Jahre Wirtschaftsentwicklung<br />
in Mecklenburg-Vorpommern“<br />
luden Ende Januar die Unternehmerverbände<br />
in Mecklenburg-Vorpommern und<br />
die Landtagsfraktion der SPD zu einer Diskussionsrunde<br />
nach Rostock. Dabei ging<br />
es nicht nur um einen Rückblick auf die<br />
vergangenen Jahre, sondern auch um aktuelle<br />
Herausforderungen. Die Unternehmer<br />
sprachen aktuelle Probleme, mögliche<br />
Chancen und Perspektiven aus ihrer<br />
Sicht an. Äußerten aber auch Vorstellungen,<br />
Ideen und Wünsche für die wirtschaftliche<br />
Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern.<br />
In der anschließenden<br />
Diskussionsrunde wurden die genannten<br />
Themen gemeinsam erörtert. Mit einem<br />
Get-together, was die Teilnehmer für intensive<br />
Gespräche nutzten, klang der<br />
Abend aus.<br />
Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />
Präsident: Jens Wenzke<br />
c/o IHK Erfurt - Abteilung Standortpolitik<br />
Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />
Tel.: +49 361 4930811<br />
Fax: +49 361 4930826<br />
E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />
Internet: www.uv-thueringen.de<br />
Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />
Präsident: Gerold Jürgens<br />
Geschäftsführer: N. N.<br />
Geschäftsstelle<br />
Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />
Tel.: +49 3834 835823<br />
Fax: +49 3834 835825<br />
E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />
Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
64 | W+M PORTRÄTS<br />
Mike Fischer<br />
Passionierter Querdenker<br />
VISIONÄRE<br />
STECKBRIEF<br />
Mike Fischer ist 1963 in Neustadt an der<br />
Orla in Thüringen geboren und behütet<br />
aufgewachsen. Nach der Wende im<br />
Jahr 1990 gründete er mit seinem Vater,<br />
der Bauingenieur war, ein Bauunternehmen,<br />
eröffnet die erste Fahrschule in<br />
Gera, ein Jahr später die zweite. Und so<br />
ging es rasant weiter. Unternehmensgründungen<br />
scheinbar ohne Ende: 1993<br />
eine Zeitarbeitsfirma, dann ein Friseurgeschäft.<br />
Einstieg als Franchisepartner<br />
bei einem Pizzabäcker, Gründung von<br />
Pizzastores in Jena und Plauen. Zahlreiche<br />
Auszeichnungen folgen: 2007 Umsatzstärkster<br />
Pizzastore Deutschlands,<br />
TOP-Arbeitgeber TOP JOB 2011, 2014<br />
TOP 100 innovativster Unternehmen<br />
Deutschlands. Seit 2010 ist Mike Fischer<br />
auch als Redner und Berater unterwegs.<br />
2014 erschien sein Buch „Erfolg hat,<br />
wer Regeln bricht“. Er ist verheiratet und<br />
hat zwei Söhne.<br />
Der Thüringer Mike Fischer ist ein<br />
sympathischer Typ, er wirkt offen<br />
und ist es auch. Allerdings kann<br />
man mit ihm nur Klartext reden. Schnell<br />
wird er ungeduldig, aber was er sagt, hat<br />
Hand und Fuß und klingt bei allem Enthusiasmus<br />
glaubwürdig. Vieles von dem, was<br />
er heute ist, verdankt er seiner Familie,<br />
vor allem seinem Vater. Wenn er von ihm<br />
spricht, spricht er wie von einem großem<br />
Freund. „Es war geil, mit ihm zu DDR-Zeiten<br />
auf Baustellen ‚zu jobben‘ oder in der<br />
Wendezeit gemeinsam zu Seminaren zu<br />
gehen, gemeinsam die Grundlagen der<br />
Marktwirtschaft und solche Themen wie<br />
Umsatzsteuer verstehen zu lernen. Die<br />
Krankheit meines Vaters führte dann dazu,<br />
dass ich auch das gemeinsame Bauunternehmen<br />
allein fortführte.<br />
Wir waren beide Verrückte,<br />
aber mit Maß.“<br />
Fischer spricht viel und<br />
oft von seinen neuen Ideen<br />
und denen seiner Mitarbeiter,<br />
auf die er richtig stolz<br />
ist. Wenn er sich so in Rage<br />
geredet hat, verweist er immer<br />
mal wieder für die Zuhörer und vielleicht<br />
auch für sich selbst darauf, dass<br />
er ja eigentlich nur Inhaber einer Pizzabäckerei<br />
und einer Fahrschule ist.<br />
Auf die Frage, ob er nun mehr Pizzabäcker<br />
oder Fahrschul-Chef ist, antwortet<br />
er: „Ich bin leidenschaftlicher Unternehmer,<br />
der das Querdenken liebt. Ich hasse<br />
es, Dinge zu tun, die alle tun.“ Ob das<br />
schon immer so war, weiß er nicht genau,<br />
aber in der Kindheit hat er Schwimmen<br />
als Leistungssport betrieben. „Ich<br />
wollte kämpfen und gewinnen und hatte<br />
Spaß daran. Da kommt das vermutlich<br />
her.“<br />
Letztlich ist er in vielen Jobs unterwegs.<br />
Aktuell ist das Thema Wachstum<br />
sein persönlicher Treiber. „Unser größtes<br />
Wachstum bei der Fahrschule hatten<br />
wir 2009, darauf könnte man sich<br />
heute eigentlich ausruhen, da der Wettbewerb<br />
uns noch nicht eingeholt hat.“<br />
Aber Fischer sagt nein, „jetzt müssen wir<br />
noch eins drauf legen, um den Abstand<br />
noch größer werden zu lassen“. Konkret<br />
macht er das an seiner Fahrschule fest,<br />
wo er gerade mal wieder etwas anders<br />
machen will als andere. Fahrschule 4.0<br />
– Das Fahrschulfernsehen, das will er installieren.<br />
Der Erste sein ist wichtiger, als<br />
die Angst vor fehlendem TV-Know-how.<br />
Die neuen Ideen und<br />
Projekte, die immer anspruchsvoller<br />
und größer werden, lassen einen Spieler<br />
vermuten, der einfach mal so loslegt.<br />
Das Gegenteil ist der Fall. „Das Thema<br />
Wachstum hat erst einmal nichts mit<br />
Geld zu tun und schon gar nichts mit<br />
Bankkrediten.“ Den Wachstumsverlockungen<br />
mit Krediten zu begegnen, das<br />
will er mit seinen 52 Jahren nicht mehr.<br />
„Da bin ich konservativ. Wachsen aus<br />
dem Cashflow. Und wenn es mal, wie<br />
zum Beispiel beim Fahrschul-Fernsehen,<br />
wirklich fremdes Geld braucht, sehe ich<br />
weniger den Bankkredit als vielleicht ein<br />
Crowdfunding oder ähnliches.“<br />
Mike Fischer ist wirklich ein leidenschaftlicher<br />
Unternehmer. In seinen Vorträgen<br />
stellt er dies eindrucksvoll unter Beweis.<br />
Vorträge zu halten, findet er wichtig und<br />
empfiehlt es auch anderen Unternehmern.<br />
Auch wenn es sich für Fremde<br />
manchmal etwas eigentümlich anhört,<br />
was Fischer so tut, es sind alles Dinge, für<br />
die er brennt. „Mein Antreiber ist Freude.“<br />
Frank Nehring<br />
Foto: Privat<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
MACHER<br />
W+M PORTRÄTS | 65<br />
Markus Lukasson<br />
Ambitionierter Gründer<br />
Foto: W+M<br />
Markus Lukasson ist mit seinen 39<br />
Jahren ein jugendlicher Typ. So erfüllt<br />
er zwar ein erstes formales<br />
Klischee der Start-up-Unternehmer, aber<br />
damit hat es sich dann auch. Mit ruhiger<br />
Stimme, nachdenklich, immer mal nach den<br />
richtigen Worten suchend, erzählt er von<br />
seinem Werdegang und seinen Idealen.<br />
Dabei klingt immer die Gewissheit durch,<br />
dass bei den Zielen und Erfahrungen nichts<br />
in Beton gegossen, sondern alles in Veränderung<br />
ist. Lukasson fühlt sich als Unternehmer,<br />
weil er selbstständig sein will, seine<br />
Ideen umsetzen möchte und darauf vertraut,<br />
dass sie ihm nie ausgehen werden.<br />
Während seiner ersten freiberuflichen Tätigkeit<br />
als E-Commerce-Berater merkte<br />
er schnell, dass er selbst aktiv sein will,<br />
anstatt nur zu beraten. Deshalb gründete<br />
er eine E-Commerce-Plattform und suchte<br />
sich ein interessantes Produkt. So entstand<br />
MINGA BERLIN, eine Internetplattform<br />
für farbige Socken, die modisch, von<br />
hoher Qualität und zudem noch fair produziert<br />
sind. Das Unternehmen gehört ihm<br />
und seiner Schwester zu 100 Prozent. Es<br />
wächst und gedeiht.<br />
Das aktuelle Projekt heißt<br />
WunderCart und ist einige<br />
Nummern größer. Die<br />
Idee: Heute bietet jeder<br />
Händler online einen Warenkorb<br />
für Käufer, morgen<br />
hat jeder Käufer seinen persönlichen<br />
Warenkorb (WunderCart)<br />
und wird über sein<br />
Smartphone direkt kaufen. Schlechte<br />
Nachricht für Online-Händler mit klassischem<br />
Background, aber eine interessante<br />
Idee, die sich in fünf Jahren durchaus<br />
etablieren könnte. Allerdings braucht<br />
die Umsetzung mehr und an eine Eigenfinanzierung<br />
wie noch bei MINGA BERLIN<br />
ist hier nicht zu denken.<br />
Und da sind sie plötzlich, die Unterschiede<br />
zwischen dem klassischen und dem<br />
Start-up-Unternehmer. Auch er folgt einer<br />
Unternehmensidee, schreibt einen<br />
Businessplan mit Angaben, die verständlich<br />
und plausibel sein müssen. Ein Businessplan<br />
für ein Projekt, das in fünf Jahren<br />
vielleicht sehr erfolgreich ist, verlangt<br />
viel Phantasie und Mut, groß zu denken.<br />
Auch auf Seiten der Investoren. Hier geht<br />
es um persönliche Überzeugungskraft<br />
und ein gutes Team, auf das man vertrauen<br />
kann.<br />
Gefragt nach Vorbildern kommen die Giganten<br />
der IT-Branche schnell zur Sprache.<br />
Gerade seine Zeit bei Amazon hat<br />
ihn stark geprägt. Ein Unternehmen, ohne<br />
alte Strukturen, wo alles neu entwickelt<br />
wurde, wo er lernte, dass Entscheidungen<br />
zu 95 Prozent zahlenbasiert getroffen<br />
werden können und nur fünf Prozent<br />
„Bauchgefühl“ sind. Aber eben diese fünf<br />
Prozent sind es, die ein gründer- oder in-<br />
habergeführtes Unternehmen erfolgreicher<br />
machen, als andere Unternehmen.<br />
Nichts gegen ein milliardenschweres Übernahmeangebot,<br />
den sogenannten Exit,<br />
aber es ist nicht sein Ziel. Sicher würde<br />
er dann ein neues Unternehmen gründen<br />
oder andere Projekte finanzieren. Lukasson<br />
fühlt sich als Unternehmer eines Start-ups<br />
und glaubt nicht an die vielen Unterschiede<br />
im Vergleich zu den etablierten Unternehmern.<br />
„Vielleicht nehmen wir uns nicht so<br />
viel Zeit, um zu starten und haben deshalb<br />
auch keine Angst vor Irrtümern. Man kann<br />
es ja dann besser machen.“<br />
Frank Nehring<br />
STECKBRIEF<br />
Markus Lukasson ist 39 Jahre alt und<br />
wuchs in Borken/Westfalen auf. Ob<br />
die Eltern – der Vater Bauingenieur, die<br />
Mutter Bankkauffrau – die Gene übertrugen,<br />
die Lukasson heute antreiben,<br />
kann er nicht sagen. Aber die zwei Jahre<br />
ältere Schwester ist bis heute die<br />
wichtigste Bezugsperson. Hat sie ihm<br />
nach dem Abitur die Recherche für den<br />
Studienweg Metallurgie und Werkstofftechnik<br />
in Aachen abgenommen, steht<br />
sie ihm heute bei allen Projekten hilfreich,<br />
ergänzend und gleichberechtigt<br />
zur Seite. Schon zu Studienzeiten entwickelte<br />
sich sein Interesse an der IT,<br />
damals 1999 noch eine echte Quälerei.<br />
Den zwei Jahren bei der Süd Chemie<br />
AG nach dem Studium, folgte dann im<br />
dritten Anlauf Amazon, das Unternehmen,<br />
das ihn faszinierte. Der Wunsch<br />
nach mehr Selbstständigkeit gewann<br />
dann 2009 Überhand und bestimmt nun<br />
sein Leben als Unternehmer.<br />
www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
66 | W+M DIE LETZTE SEITE<br />
Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />
Ferien daheim<br />
Der Tourismus ist in allen neuen Bundesländern<br />
nach Startproblemen in<br />
den 1990er Jahren inzwischen ein<br />
wichtiger Wirtschaftspfeiler. Seit geraumer<br />
Zeit vermelden Hotels, Pensionen und regionale<br />
Fremdenverkehrsverbände steigende<br />
Besucherzahlen und wachsende Umsätze.<br />
Dieser Trend wird aktuell noch verstärkt, da<br />
viele bislang beliebte Urlaubsziele der Deutschen<br />
rund um das Mittelmeer nach Terrorattacken<br />
als unsicher gelten. In unserer Titelgeschichte<br />
beleuchten wir die wirtschaftlichen<br />
Effekte, die der Tourismusboom auch<br />
für andere Branchen mit sich bringt. Dazu<br />
stellen wir zauberhafte Schlosshotels zwischen<br />
Ostsee und Erzgebirge vor, die für<br />
kürzere oder auch längere Urlaube eine einmalige<br />
Kombination aus Historie, aktiver Erholung<br />
und Wellness bieten.<br />
In unserer neuen Serie über die Zukunft<br />
des Wirtschaftsstandortes Ostdeutschland<br />
machen wir Halt in Mecklenburg-Vorpommern.<br />
Dort haben sich – neben dem<br />
bereits erwähnten Tourismus – die maritime<br />
Wirtschaft und der Bereich der Erneuerbaren<br />
Energien, die Gesundheitsbranche<br />
sowie die Ernährungswirtschaft besonders<br />
erfreulich entwickelt. Im W+M-Interview<br />
erläutert Energie- und Infrastrukturminister<br />
Christian Pegel (SPD) seine Vision von<br />
Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2025.<br />
Darüber hinaus lesen Sie wie gewohnt interessante<br />
Beiträge über neue Entwicklungen<br />
in den ostdeutschen Bundesländern<br />
sowie einen vielseitigen Ratgeberteil.<br />
Die nächste Ausgabe von<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />
28. April <strong>2016</strong>.<br />
PERSONENREGISTER<br />
Adamy, Helmut 36<br />
Anders, Manfred 6<br />
Baumeister, Roy 56<br />
Belaschk, Markus 30<br />
Belaschk, Rainer 30<br />
Blaschke, Tillmann 34<br />
Botschatzki, Walter 32<br />
Bretschneider, Sylvia 63<br />
Brückner, Jörg 6<br />
Budde, Katrin 40<br />
Bunsen, Hartmut 62<br />
Buntenbach, Annelie 39<br />
Caffier, Lorenz 41<br />
Donat, Georg 62<br />
Dreßler, Markus 33<br />
Dulig, Martin 24<br />
Eckes-Chantré, Harald 36<br />
Ehret, Oliver 60<br />
Engling, Andreas 19<br />
Ermrich, Michael 9<br />
Ferriss, Timothy 56<br />
Finger, Bodo 6<br />
Fischer, Mike 64<br />
Friedrich, Marc 56<br />
Gabriel, Sigmar 42<br />
Gallert, Wulf 40, 41<br />
Gerdsmeier, Stefan 7<br />
Göldnitz, Gerd 23<br />
Götze, Thomas 60<br />
Gröhn, Claus 62<br />
Gruczek, Andreas 63<br />
Haseloff, Reiner 14-16, 40/41<br />
Heise, Gunter 36<br />
Henkel, Frank 41<br />
Henning, Harald 19<br />
Jiranek, Heinz 55<br />
Kahneman, Daniel 56<br />
Kahnemann, Daniel 56<br />
Kaschuba, Wolfgang 27<br />
Keese, Christoph 56<br />
Keller, Daniel 7<br />
Kiffner, Karen 6<br />
Klassen, Thomas 60<br />
Köller, Nikola 44/45<br />
Koltzau, Simone 28<br />
Koslik, Max-Stefan 63<br />
Kreibich, Rolf 61<br />
Lange, Walther 33<br />
Leschke, Verena 60<br />
Lieberknecht, Christine 7<br />
Lukasson, Markus 65<br />
Lüth, Wolfgang 28<br />
Malessa, Reiner 60<br />
Merkel, Angela 40<br />
Mietzner, Dana 61<br />
Möllring, Hartmut 10, 11, 24<br />
Most, Edgar 7<br />
Müller, Dirk 56<br />
Müller, Michael 41<br />
Nahles, Andrea 39<br />
Pegel, Christian 66<br />
Piketty, Thomas 56<br />
Ragnitz, Joachim 27, 38, 43<br />
Raithel, Günther 34<br />
Rossknecht, Kurt 9<br />
Rücker, Klaus 22/23<br />
Rukwied, Joachim 23<br />
Schröder, Wolfgang 63<br />
Schucht, Boris 24<br />
Schulz, Thomas 56<br />
Sellering, Erwin 41, 63<br />
Stefanović, Miloš 8<br />
Thiele, Marco 35<br />
Thiele, Rainer 35<br />
Tiefensee, Wolfgang 7, 19<br />
Tierney John 56<br />
Tillich, Stanislaw 62<br />
Topf, Wolfgang 62<br />
van Winsen, Jos 60<br />
Vance, Ashlee 56<br />
von Nathusius, Heinrich 32<br />
Walter, Tim 30<br />
Weber, Michael 38<br />
Weik, Matthias 56<br />
Wieneke-Toutaoui, Burghilde 60<br />
Windus, Manfred 32<br />
Wolf, Chris 54/55<br />
Wolf, Hubert 6<br />
Wöller, Roland 39<br />
Wowereit, Klaus 41<br />
Zeuner, Jörg 44<br />
Zobel, Dietmar 61<br />
Foto: Möller Mediengruppe<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>
W+M<br />
SAVE THE<br />
DATE<br />
// LOUNGE<br />
in Berlin, Berlin Capital Club<br />
10.03.<strong>2016</strong>, 18:30 Uhr<br />
11.05.<strong>2016</strong>, 18:30 Uhr<br />
www.WundM.info/Club<br />
// KOOPERATION<br />
in Berlin, Tagesseminar<br />
15.05.<strong>2016</strong><br />
Heiko Schneider<br />
Web 3.0 – Wie kleine und<br />
mittelständische Unternehmen<br />
im Web wirklich erfolgreich sind<br />
www.SchmidtColleg.de<br />
// EVENT<br />
A-ROSA Golf Resort Scharmützelsee<br />
09.05.<strong>2016</strong><br />
Turnier „Golfen für Freunde ...“<br />
www.WundM.info/Golfturnier<br />
A-ROSA Hotel Bad Saarow<br />
20./21.10.<strong>2016</strong><br />
www.OWF<strong>2016</strong>.de
Netze für<br />
neue Energie<br />
E.DIS investiert seit vielen Jahren in moderne<br />
und leistungsstarke Energienetze in Brandenburg<br />
und Mecklenburg-Vorpommern. So sichern wir<br />
eine zuverlässige und umweltfreundliche<br />
Energieversorgung in der Region. Der Anteil<br />
an grünem Strom im E.DIS-Netz beträgt bereits<br />
mehr als 90 Prozent.<br />
www.e-dis.de