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WIRTSCHAFT+MARKT 2/2016

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27. Jahrgang | Heft 2 | März/April <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

OSTPRODUKTE<br />

DIE UNHEIMLICHE<br />

RENAISSANCE<br />

mit<br />

Motorenwerk Kölleda:<br />

Herz einer Region<br />

W+M<br />

Sachsen-Anhalt<br />

WindNODE:<br />

Energie aus dem Norden<br />

Bilanz vor der Wahl:<br />

Reiner Haseloff<br />

Davos in Bad Saarow:<br />

Ostdeutsches Wirtschaftsforum<br />

Management:<br />

Der Honecker-Effekt<br />

Travel:<br />

Tipps für Geschäftsreisen


WACHSTUM<br />

WIR SPRECHEN<br />

VON ZUKUNFT!<br />

SAVE<br />

THE<br />

DATE<br />

20./21. OKTOBER <strong>2016</strong><br />

Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum zum Thema Wirtschaftsstrategien für die Zukunft<br />

findet am 20. und 21. Oktober <strong>2016</strong> in Bad Saarow statt. Teilnahme nur auf Einladung.<br />

Bei Interesse senden Sie eine Nachricht an einladung@OWF<strong>2016</strong>.de.<br />

www.OstdeutschesWirtschaftsForum.dewww.OWF<strong>2016</strong>.de


EDITORIAL | 3<br />

Zukunft mit<br />

Clustern und<br />

Ostprodukten<br />

Foto: Torsten George, Titelfotos: Hako-Gruppe (oben), Rotkäppchen (Mitte links), Werder Feinkost (Logo Mitte rechts), Mara Zemgaliete/fotolia.com (Mitte rechts), Mika (unten links), Halloren Schokoladenfabrik AG (unten Mitte), Meissen (unten rechts)<br />

Karsten Hintzmann<br />

Chefredakteur<br />

KH@WundM.info<br />

Neben all den internationalen Turbulenzen,<br />

die sich in den vergangenen<br />

Monaten direkt auch auf<br />

die wirtschaftliche Entwicklung in den<br />

neuen Bundesländern ausgewirkt haben,<br />

standen vielerorts Rückblicke auf<br />

das Erreichte nach 25 Jahren deutscher<br />

Einheit auf der Tagesordnung. Auch unser<br />

Magazin widmete sich umfassend<br />

diesem Thema in der sechsteiligen Serie<br />

„Land der Wunder“. Doch jetzt, im<br />

Jahr <strong>2016</strong>, richten wir den Blick wieder<br />

klar nach vorn. Wir befassen uns<br />

schwerpunktmäßig mit den Zukunftschancen<br />

des Wirtschaftsstandortes<br />

Ostdeutschland. Beginnend mit Sachsen-Anhalt<br />

beleuchten wir in den kommenden<br />

Ausgaben perspektivreiche<br />

Cluster und Branchen in den einzelnen<br />

Ländern und analysieren den Einsatz<br />

spezifischer Förderinstrumente durch<br />

die zuständigen Akteure auf landespolitischer<br />

Ebene.<br />

Es ist wirklich erstaunlich, wie zukunftsorientiert<br />

der Mittelstand in Sachsen-<br />

Anhalt aufgestellt ist. Das betrifft bei<br />

weitem nicht nur die traditionell starke<br />

chemische Industrie, die Land- und Ernährungswirtschaft<br />

oder den Maschinen-<br />

und Anlagenbau. Bei den Recherchen,<br />

die wir in dem Land zwischen<br />

Salzwedel und Naumburg durchgeführt<br />

haben, überraschte besonders, wie eng<br />

der eher kleinteilige Mittelstand inzwischen<br />

mit den über 20 Forschungseinrichtungen<br />

kooperiert. Hier geht es<br />

nicht nur um qualifizierten Fachkräftenachschub,<br />

sondern um die Entwicklung<br />

von Produkten, mit denen selbst kleine<br />

Firmen zu Weltmarktführern werden.<br />

Da ist beispielsweise das Unternehmen<br />

„f/glass“ aus Osterweddingen, das eisenarmes<br />

Spezialglas für die Fassade<br />

des neuen One World Trade Centers in<br />

New York hergestellt hat und Hochhäuser<br />

in aller Welt ausstattet. Oder die Firma<br />

Aimess Service GmbH in Burg, die<br />

die Welt der industriellen Messtechnik<br />

revolutioniert hat. Nicht zu vergessen<br />

die Wiederauferstehung der Marke<br />

ORWO. Der nach der deutschen Einheit<br />

zunächst untergegangene frühere DDR-<br />

Farbfilmmonopolist ist heute der zweitgrößte<br />

Fotodienstleister in Deutschland.<br />

Apropos ORWO – unsere Titelgeschichte<br />

befasst sich mit der Renaissance der<br />

Ostprodukte. Wie passt dieses Thema<br />

mit der oben angekündigten Zukunftsausrichtung<br />

zusammen? Ideal. Denn<br />

wir haben festgestellt, dass viele der<br />

unter dem weiten Begriff Ostprodukte<br />

gefassten Erzeugnisse nicht deshalb<br />

heute noch auf dem Markt sind, weil es<br />

besonders viele Nostalgiker unter den<br />

Kunden gibt. Nein, die meisten dieser<br />

Produkte haben sich weiterentwickelt,<br />

eine neue und höhere Qualität erreicht<br />

und sich damit im harten Wettbewerb<br />

durchgesetzt. Beispiellos ist etwa die<br />

Entwicklung, die sich in der sächsischen<br />

Kleinstadt Glashütte vollzogen hat. Dort<br />

wird mehr als nur an 170 Jahre Uhrmachertradition<br />

angeknüpft. Glashütte ist<br />

heute einer der international führenden<br />

Standorte für die Produktion meisterlicher<br />

Luxusuhren.<br />

W+M<br />

www.WundM.info


4 | W+M INHALT<br />

W+M TITELTHEMA<br />

Ostprodukte –<br />

die unheimliche Renaissance...........26<br />

W+M AKTUELL<br />

Köpfe......................................................................... 6<br />

Nachrichten............................................................... 8<br />

W+M SCHWERPUNKT SACHSEN-ANHALT<br />

Report: Vernetzung von<br />

Wirtschaft und Wissenschaft..................................10<br />

Cluster mit Perspektive:<br />

Chemie, Maschinenbau, Forschung........................11<br />

Bilanz: Interview mit<br />

Ministerpräsident Reiner Haseloff...........................14<br />

Management<br />

Der Honecker-Effekt<br />

54<br />

W+M LÄNDERREPORTS<br />

Thüringen: Daimler-Motorenwerk<br />

als Herz einer ganzen Region...................................18<br />

Brandenburg: Nahverkehr<br />

auf unsicherem Fundament.................................... 20<br />

Mecklenburg-Vorpommern: Saure Zeiten für Käse... 22<br />

Ostdeutschland: Frischer Wind mit WindNODE.... 24<br />

W+M TITELTHEMA<br />

Report: Die unheimliche Renaissance.................... 26<br />

Aus dem Norden: Rügener Badejunge<br />

und Grabower Schokokuss..................................... 28<br />

Exportschlager: Ostdeutsche Biere........................ 29<br />

Tradition: Spreewälder Gurken<br />

und Ketchup aus Werder..........................................30<br />

Unverwüstlich: Mifa-Räder und Multicar...................32<br />

42<br />

Davos in Bad Saarow<br />

Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum<br />

Impressum<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />

Das ostdeutsche Unternehmermagazin<br />

Ausgabe 2/<strong>2016</strong><br />

Redaktionsschluss: 12.02.<strong>2016</strong><br />

Verlag: W+M Wirtschaft und Markt GmbH<br />

Zimmerstraße 56, 10117 Berlin<br />

Tel.: 030 479071-27<br />

Fax: 030 479071-22<br />

www.WundM.info<br />

Herausgeber/Geschäftsführer:<br />

Frank Nehring, Tel.: 030 479071-11<br />

FN@WundM.info (Alleiniger Inhaber und<br />

Gesellschafter, Wohnort Berlin)<br />

Chefredakteur: Karsten Hintzmann<br />

Tel.: 030 479071-21, KH@WundM.info<br />

Redaktion: Janine Pirk-Schenker, Tel.: 030 479071-21,<br />

JP@WundM.info, Anja Strebe, 030 479071-27,<br />

AS@WundM.info, Adrian M. Darr, Tel.: 030 479071-24,<br />

AD@WundM.info<br />

Autoren: Dr. Ulrich Conrad, Harald Lachmann, Rudolf<br />

Miethig, Tomas Morgenstern, Matthias Salm,<br />

Thomas Schwandt<br />

Abo- und Anzeigenverwaltung: Janine Pirk-Schenker,<br />

Tel.: 030 479071-21, JP@WundM.info<br />

Marketing/Vertrieb: Kerstin Will, Tel.: 030 479071-24<br />

KW@WundM.info<br />

Erscheinungsweise, Einzelverkaufs- und<br />

Abonnementpreis:<br />

Die Zeitschrift <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint<br />

zweimonatlich. Die Mitglieder der Interessengemeinschaft<br />

der Unternehmerverbände Ostdeutschlands<br />

und Berlin sowie die Mitglieder des Vereins Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler (VBIW)<br />

erhalten diese Zeitschrift im Rahmen ihrer Mitgliedschaft.<br />

Einzelpreis: 5 €, Jahresabonnement (Inland):<br />

30 € inkl. MwSt. und Versand, Jahresabonnement<br />

(Ausland): 30 € inkl. MwSt. zzgl. Versand.<br />

Layout & Design: Möller Medienagentur GmbH,<br />

www.moeller-mediengruppe.de<br />

Druck: Möller Druck und Verlag GmbH, ISSN 0863-5323<br />

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Kopien nur<br />

mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Verlages.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen<br />

nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.<br />

Für unverlangt eingesandte Manuskripte und<br />

Fotos übernehmen wir keine Haftung.<br />

Fotos: Rolf Wenkel/pixelio.de (oben), A-Rosa (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


W+M INHALT | 5<br />

Hier lebt die Zeit: Uhren aus Glashütte......................33<br />

Luxus und Alltag: Porzellan aus Meißen und Kahla...34<br />

Halle schmeckt: Kathi und Halloren...........................35<br />

Exportschlager: Suhler Jagdwaffen<br />

und Rotkäppchen.......................................................36<br />

14<br />

Bilanz-Interview vor der Wahl<br />

Ministerpräsident Reiner Haseloff<br />

W+M POLITIK<br />

ifo-Geschäftsklimaindex für Ostdeutschland.......... 38<br />

Pro und Contra: Braucht Deutschland<br />

eine Reform der Leiharbeit und Werkverträge?..... 39<br />

Vor den Landtagswahlen:<br />

Bleibt das große Stühlerücken aus?........................ 40<br />

Davos in Bad Saarow:<br />

Die Zukunft der ostdeutschen Wirtschaft.............. 42<br />

Kommentar: 25 Jahre Aufbau Ost – wie weiter?.... 43<br />

Kommunale Finanzen:<br />

Aktuelle Probleme und Lösungsansätze................ 44<br />

26<br />

Titel Ostprodukte<br />

Keine Feier ohne Rotkäppchen<br />

W+M RATGEBER<br />

Travelmanagement: Tipps und Trends.................... 46<br />

Recht: Urteile für Unternehmer.............................. 50<br />

Management:<br />

Wissenswertes für Führungskräfte........................ 52<br />

Personalmanagement: Der Honecker-Effekt.......... 54<br />

Literatur: Die ostdeutsche Bestsellerliste<br />

für Wirtschaftsliteratur............................................ 56<br />

Mobilität: Das Auto und seine Zukunft................... 58<br />

W+M NETZWERK<br />

VBIW: Aktuelles aus dem Verein............................ 60<br />

Neues aus den Unternehmerverbänden................. 62<br />

W+M PORTRÄTS<br />

Fotos: W+M (oben), Harald Krieg (Mitte), Dow Wolff Cellulosics (unten)<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Erfolgreiche Cluster<br />

10<br />

Mike Fischer: Passionierter Querdenker................. 64<br />

Markus Lukasson: Ambitionierter Gründer............. 65<br />

W+M DIE LETZTE SEITE<br />

Ausblick und Personenregister............................... 66<br />

W+M WEITERE BEITRÄGE<br />

Editorial...................................................................... 3<br />

Impressum................................................................ 4<br />

Beilagenhinweis: Dieser Ausgabe liegt die Regionalausgabe<br />

W+M Sachsen-Anhalt bei. Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


6 | W+M KÖPFE<br />

K<br />

Ö<br />

P<br />

F<br />

E<br />

Jörg Brückner (57)<br />

Präsident aus Dresden<br />

Der geschäftsführende Gesellschafter<br />

und Sprecher der Geschäftsführung der<br />

KWD Kupplungswerk Dresden GmbH trat<br />

im Januar die Präsidentschaft in der Vereinigung<br />

der Sächsischen Wirtschaft e. V.<br />

(VSW) an. Deren Mitgliederversammlung<br />

hatte ihn im November in geheimer Wahl<br />

einstimmig zum Nachfolger von Bodo<br />

Finger gewählt. Brückner, von Haus aus<br />

Maschinenbauingenieur, steht seit 2014<br />

auch als Präsident dem Unternehmerverband<br />

SachsenMetall vor, der die Interessen<br />

der Arbeitgeber des mit 172.000 Beschäftigten<br />

größten sächsischen Industriezweiges<br />

vertritt. Die KWD Kupplungswerk<br />

Dresden GmbH beschäftigt rund<br />

190 Mitarbeiter und bietet eine komplette<br />

Produktpalette für alle mechanischen<br />

und hydrodynamischen Kupplungen sowie<br />

Antriebslösungen für den Schienenfahrzeugbau.<br />

Karen Kiffner (43)<br />

Weißbacher Pferdeexpertin<br />

Seit die Thüringerin neun Jahre jung war,<br />

verging kaum ein Tag, da sie nicht mit<br />

Pferden zu tun hatte. Das prägte auch<br />

ihren beruflichen Werdegang. Sie lernte<br />

Sattlerin bei einem Hufschmied, absolvierte<br />

eine Ausbildung zur Physiotherapeutin,<br />

was ihr heute bevorzugt auch bei<br />

ihrer selbstständigen therapeutischen Arbeit<br />

etwa mit Kindern nutzt – und sie entdeckte<br />

vor einigen Jahren noch ein weiteres<br />

unternehmerisches Metier für sich<br />

und ihre Rösslein: Als Holzrückerin in Thüringer<br />

Forsten transportiert sie gefällte<br />

Stämme umweltschonend und flexibel<br />

so zu den Waldwegen, dass sie hier dann<br />

von Lkw-Kranen aufgenommen werden<br />

können. Mit insgesamt sechs Pferden<br />

lebt die Reiterin, die man bundesweit<br />

auch als verwegene Amazonen- und<br />

Trickreiterin kennt, heute auf dem früheren<br />

Rittergut Rothvorwerk in Weißbach<br />

bei Stadtroda. Von hier aus möchte sie<br />

diesen forstlichen Erwerbszweig nun<br />

spürbar ausbauen.<br />

Manfred Anders (52)<br />

Leipziger Buchretter<br />

Es gibt den Feuerwehrnotruf, die Polizei-Hotline,<br />

den medizinischen Notfalldienst<br />

– und es gibt den Notruf des<br />

Zentrums für Bucherhaltung (ZfB). Sieben<br />

Tage die Woche und rund um die<br />

Uhr sind dort der promovierte Chemiker<br />

Manfred Anders und sein 35-köpfiges<br />

Team für meist hochbetagte „Patienten“<br />

erreichbar. Denn sie beherrschen<br />

alles, was dem Erhalt bibliophiler<br />

Schätze dient: Entsäuerung, Schimmelbeseitigung,<br />

Papierrestaurierung, Tintenfraßbehandlung.<br />

Ohne ihren Rund-umdie-Uhr-Einsatz<br />

wären etwa nach dem<br />

verheerenden Brand 2004 in der Anna-<br />

Amalia-Bibliothek Weimar zehntausende<br />

einzigartige Bände unrettbar verloren gewesen.<br />

Da zudem zwei Drittel der historischen<br />

Buchbestände in Deutschland<br />

papiertechnisch bedingt „versäuert“,<br />

also zerfallsgefährdet sind, entwickelten<br />

die Leipziger ein bezahlbares Verfahren<br />

zur Massenentsäuerung, das auch international<br />

gut nachgefragt ist.<br />

Hubert Wolf (46)<br />

IT-Spezialist aus Meuselwitz<br />

Der kreative Gründer und Kopf eines der<br />

führenden ostdeutschen Unternehmen in<br />

der Informationstechnologie wurde im<br />

Januar als „Mitteldeutscher Familienunternehmer<br />

des Jahres“ geehrt. Der<br />

gelernte Elektronikfacharbeiter hatte<br />

1991 sein Studium an der Technischen<br />

Universität Chemnitz abgebrochen, um<br />

den Sprung in die Selbstständigkeit zu<br />

wagen. Und er hatte Erfolg. Auf einem<br />

hart umkämpften Markt fertigten seine<br />

338 Mitarbeiter im zurückliegenden Geschäftsjahr<br />

85.400 Computer, Laptops<br />

und Tablets, die Wolf bei bundesweit 300<br />

Händlern platzieren konnte. Für das neue<br />

Geschäftsjahr avisiert der Thüringer, der<br />

auch Präsident des Fußballregionalligisten<br />

ZFC Meuselwitz ist, eine Umsatzsteigerung<br />

von 149 auf nunmehr 178 Millionen<br />

Euro. Zudem will er in das Geschäft<br />

mit Cloud Computing einsteigen.<br />

Fotos: VSW/ Steffen Füssel (links), Harald Lachmann (Mitte), Foto-Studio Hirsch Zeitz (rechts)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


W+M KÖPFE | 7<br />

Fotos: SPD-Bundestagsfraktion (links), Berliner Volksbank (Mitte), Torsten George (rechts)<br />

Wolfgang Tiefensee (61)<br />

Thüringens Wirtschaftsminister<br />

Der gebürtige Geraer, der lange in Sachsen<br />

lebte und von 1998 bis 2005 Oberbürgermeister<br />

in Leipzig war, ehe er als Verkehrsminister<br />

und Bundesbeauftragter für die<br />

neuen Länder (2005–2009) im ersten Merkel-Kabinett<br />

diente, scheint endgültig zu seinen<br />

Thüringer Wurzeln zurückgekehrt. Thüringen<br />

stehe besser da, als sein Ruf sei –<br />

und auch „viel besser als Sachsen“, sagt er<br />

ein Jahr nach Start der rot-rot-grünen Landesregierung<br />

in Erfurt. Inzwischen höre er<br />

auch von vielen Unternehmern, dass man<br />

„wesentlich wirtschaftsfreundlicher ist als<br />

die CDU-geführte Regierung unter Christine<br />

Lieberknecht“. Für Tiefensee ist Thüringen<br />

der Industriemotor Ostdeutschlands. Man<br />

habe bundesweit den höchsten Anteil an<br />

Industriearbeitsplätzen je tausend Einwohner<br />

und liege auch beim Anteil der Industrie<br />

an der wirtschaftlichen Wertschöpfung, bei<br />

der Erwerbstätigenquote und den Patentanmeldungen<br />

bundesweit mit an der Spitze.<br />

Daniel Keller (40)<br />

Berliner Banker<br />

Daniel Keller ist seit 1. Januar <strong>2016</strong> stellvertretendes<br />

Vorstandsmitglied der Berliner<br />

Volksbank. Er verantwortet die Bereiche<br />

Recht/Gesetzliche Kontrollen<br />

und Compliance und übernahm planmäßig<br />

das Ressort Finanzen von Stefan<br />

Gerdsmeier (57), der die Genossenschaftsbank<br />

zum Jahreswechsel verlassen<br />

hat. Daniel Keller ist seit 1995 für<br />

die Berliner Volksbank in verschiedenen<br />

Vertriebs- und Führungspositionen tätig.<br />

Unter der Führung des ausscheidenden<br />

Vorstandsmitglieds Gerdsmeier verantwortete<br />

Daniel Keller von 2009 bis 2013<br />

den Bereich Finanzen und richtete in dieser<br />

Zeit den Bereich als integrierte Finanzfunktion<br />

aus. Bis Ende September<br />

2015 leitete er den Bereich Betriebsorganisation.<br />

Dort verantwortete er unter<br />

anderem die Ausrichtung der Geschäftsprozesse<br />

auf die Anforderungen der digitalisierten<br />

Welt.<br />

IN MEMORIAM<br />

Edgar Most (75)<br />

Der letzte Vizepräsident der DDR-<br />

Staatsbank, Mitbegründer der Deutschen<br />

Kreditbank und ranghöchster<br />

Manager der Deutschen Bank mit<br />

ostdeutscher Biografie starb bereits<br />

am 12. Dezember 2015. Edgar Most,<br />

der 1940 als Sohn einer thüringischen<br />

Bergarbeiterfamilie in Tiefenort<br />

zur Welt kam, galt aufgrund seiner<br />

Führungserfahrungen in Banken<br />

zweier Gesellschaftssysteme sowie<br />

seines exzellenten Netzwerks bis zuletzt<br />

als wichtiger politischer Ratgeber.<br />

Nach seiner Pensionierung bei<br />

der Deutschen Bank im Jahr 2004<br />

setzte er sich mit ganzer Kraft für<br />

die Verbesserung der deutsch-russischen<br />

Wirtschaftsbeziehungen ein.<br />

12. – 13. April <strong>2016</strong> An zwei Tagen Fachmesse und Kongress erwartet Sie ein spannendes<br />

Programm u.a. mit folgenden Themen:<br />

Verkehr, Kommunikation & Energie<br />

Infrastrukturen für urbane Räume der Zukunft – zukünftige<br />

Verkehrssysteme & Infrastrukturen<br />

Szenarien & Prognosen: Mobilität 2035<br />

Realität der Fahrzeugautomatisierung <strong>2016</strong> – aktueller Stand<br />

der Technik<br />

Podiumsdiskussion: Vernetzung und Automatisierung – Wachstumsmaschine<br />

oder „Herausforderung“ für die Automobilindustrie?<br />

Weiterhin bietet ein offenes Forum und eine Start up – Area jede<br />

Menge Ideen und Impulse zur zukünftigen Mobilität.<br />

Frühbucherpreise bis 23. März <strong>2016</strong> –<br />

Buchen Sie online: www.new-mobility-leipzig.de<br />

Parallel zur AMI 9. bis 17. April <strong>2016</strong>


8 | W+M NACHRICHTEN<br />

ENDE DER<br />

„GLÄSERNEN“<br />

PRODUKTION<br />

Blick über die Dächer Leipzigs bei Nacht.<br />

IMMOBILIENPREISE STEIGEN WEITER<br />

Leipzig/Dresden. Grundstücke und<br />

Wohneigentum in Leipzig und Dresden<br />

werden zunehmend teurer. Dagegen<br />

stagnieren die Preise vorerst noch<br />

in Chemnitz und in vielen Landkreisen<br />

oder gehen infolge demografischer Ursachen<br />

sogar zurück – so ein Fazit aus<br />

dem ersten sächsischen Grundstücksmarktbericht,<br />

den das Innenministerium<br />

zum Jahresende vorgestellt hatte.<br />

So kostete eine Eigentumswohnung<br />

2015 in Leipzig pro Quadratmeter<br />

2.985 Euro, in Dresden 2.879 Euro.<br />

MEHR GRÜNDER<br />

– WENIGER INVESTITIONEN<br />

Potsdam. Eine verstärkte Gründeraktivität,<br />

eine wachsende Zahl von Unternehmensnachfolgen<br />

und ein investitionsfreudiges<br />

Handwerk haben der Bürgschaftsbank<br />

Brandenburg zum dritten Mal in Folge<br />

das beste Neugeschäft aller Bürgschaftsbanken<br />

in Ostdeutschland beschert. 288<br />

Bürgschaften und damit verbundene Kredite<br />

und Beteiligungen in Höhe von 71,3 Millionen<br />

Euro verbuchte das Institut im Geschäftsjahr<br />

2015. Gleichzeitig registrierte<br />

die Bürgschaftsbank 2015 eine sinkende<br />

Nachfrage nach gewerblichen Krediten und<br />

die Zurückhaltung der Unternehmen bei Investitionen.<br />

„Bei der anhaltend wirtschaftlich<br />

guten Lage im Land finanzieren Unternehmen<br />

ihre Investitionen aus eigenen Mitteln“,<br />

erklärt Miloš Stefanović, Geschäftsführer<br />

der Bürgschaftsbank, den Trend.<br />

Vor allem in Innenstadtnähe schießen in<br />

den beiden – nach Berlin – größten ostdeutschen<br />

Metropolen die Grundstückspreise<br />

nach oben. Dagegen sinken teils<br />

sogar im Umland der beiden Großstädte<br />

die Quadratmeterpreise für Ein- und<br />

Zweifamilienhäuser. Im Landkreis Nordsachsen<br />

betragen sie derzeit im Schnitt<br />

nur noch 726 Euro (2013: 806 Euro). Für<br />

den Bericht hatte das Land gut 45.000<br />

notariell beurkundete Kaufverträge mit<br />

einem Gesamtumsatz von sechs Milliarden<br />

Euro auswerten lassen.<br />

AUTOZULIEFERER MITEC<br />

GEWINNT PROZESS<br />

Eisenach. Der Thüringer Autozulieferer<br />

Mitec AG hat einen wichtigen Erfolg errungen.<br />

Auch in zweiter Instanz siegte das<br />

Eisenacher Unternehmen in einem bereits<br />

sechs Jahre dauernden Rechtsstreit gegen<br />

den Weltkonzern Ford, weil dieser<br />

Geschäftsgeheimnisse an einen Konkurrenten<br />

weitergegeben hatte. Nach einem<br />

Urteil des Oberlandesgerichts Jena haftet<br />

Ford dafür, dass Unterlagen und Zeichnungen<br />

für ein Motorenteil, das Mitec ab<br />

2001 an Ford geliefert hatte, später an<br />

einen anderen Zulieferer weitergereicht<br />

wurden – der das Original dann kopierte.<br />

Die Rechte an den Zeichnungen des Mittelständlers<br />

hatte Ford jedoch nie erworben.<br />

Damit steht Mitec Schadenersatz zu,<br />

wobei über die Höhe noch nicht entschieden<br />

wurde.<br />

Dresden. Dass ein Ende der Nobellimousine<br />

Phaeton in Sicht kommt,<br />

war in Dresden lange klar. Schon<br />

eine Weile schwächelte die Nachfrage<br />

nach dem Modell, das zuletzt<br />

nur noch in China Käufer in nennenswerter<br />

Zahl fand. Doch zumindest<br />

die 500 Beschäftigten der Gläsernen<br />

Manufaktur in Dresden können nun<br />

aufatmen, denn ihre berufliche Zukunft<br />

ist gesichert. Auch nach dem<br />

Produktionsende für den Phaeton<br />

Ende März <strong>2016</strong> bleiben sie beim<br />

VW-Konzern in Lohn und Brot. Rund<br />

400 von ihnen werden auf andere<br />

Unternehmensstandorte aufgeteilt<br />

– vor allem Zwickau und Chemnitz.<br />

Die anderen werden weiter in Dresden<br />

benötigt, wo die einstige Vorzeigeinvestition<br />

dann auch künftig<br />

für Fahrzeugauslieferungen, Besucherführungen<br />

und diverse Veranstaltungen<br />

genutzt werden soll. Ab<br />

2019 könnte es in Dresden dann sogar<br />

ein Nachfolgemodell geben – einen<br />

voll elektrischen Phaeton. Insgesamt<br />

sind bei VW in Sachsen derzeit<br />

10.250 Mitarbeiter mit festen Verträgen<br />

beschäftigt. Hinzu kamen bisher<br />

600 Leiharbeiter. Wegen der jüngsten<br />

Turbulenzen im Konzern laufen<br />

deren Kontrakte indes aus.<br />

Die Produktion des Phaeton läuft im<br />

März aus.<br />

Fotos: luutze78/pixelio.de (oben), VW (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


W+M NACHRICHTEN | 9<br />

START-UP ENTWICKELT<br />

DIGITALES FAHRTENBUCH<br />

Die Preisträger des 19. Unternehmer-Preises auf dem Unternehmer-Konvent des<br />

Ostdeutschen Sparkassenverbandes.<br />

OSV VERGIBT AUSZEICHNUNGEN<br />

Berlin. Das Berliner Start-up VimCar hat<br />

ein digitales Fahrtenbuch vorgestellt, das<br />

mit Hilfe von Internet und Satellitentechnik<br />

automatisch jede Fahrt erfasst. Das Gerät<br />

wird auf die Diagnose-Schnittstelle gesteckt.<br />

Es liest die Kilometerdaten aus und<br />

synchronisiert diese sowie die ortsbasierten<br />

Daten über Start und Ende der Dienstfahrt<br />

mit dem Server von VimCar. Die Fahrten<br />

lassen sich mit einem einfachen Klick<br />

zuordnen und abrechnen.<br />

MODELLBAHNSPEZIALIST<br />

PIKO BAUT CHINESISCHE LOK<br />

Potsdam. Ende des letzten Jahres hat<br />

der Ostdeutsche Sparkassenverband<br />

(OSV) in Potsdam zum 19. Mal den Unternehmer-Preis<br />

vergeben. Geehrt wurden<br />

gute Ideen, überzeugende Konzepte,<br />

Engagement und Erfolgsstories. Der Geschäftsführende<br />

OSV-Präsident Dr. Michael<br />

Ermrich zeichnete je einen Preisträger<br />

aus Brandenburg, Mecklenburg-<br />

Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt<br />

in den Kategorien „Unternehmen des<br />

Jahres“, „Verein des Jahres“ und „Kommune<br />

des Jahres“ aus. Unternehmen<br />

des Jahres wurden die Fiagon AG aus<br />

Hennigsdorf in Brandenburg, die Tischlerei<br />

Eigenstetter aus Rehna in Mecklenburg-Vorpommern,<br />

die Warwick GmbH &<br />

Co. Music Equipment KG aus Markneukirchen<br />

in Sachsen und die AV-test GmbH<br />

aus Magdeburg in Sachsen-Anhalt.<br />

Sonneberg. Mehr als 350 Neuheiten hat<br />

der Modellbahnbauer Piko für <strong>2016</strong> angekündigt.<br />

Erstmals wird es eine chinesische<br />

Diesellok im Modell geben – Indiz<br />

für einen neuen Vertriebsschwerpunkt in<br />

Asien. Im vergangenen Jahr konnte Piko<br />

den Umsatz um acht Prozent steigern<br />

und schrieb schwarze Zahlen. Das Unternehmen<br />

hat 550 Mitarbeiter in Sonneberg<br />

und Chashan.<br />

GOLFEN IN MOTZEN <strong>2016</strong><br />

TERMINE <strong>2016</strong><br />

• 21. März <strong>2016</strong><br />

VIII. Berlin Capital Club Fun Indoor<br />

Golf Turnier<br />

• 15. April <strong>2016</strong><br />

XXVI. Berlin Capital Club & VBKI Golf<br />

Cup<br />

• 9. Mai <strong>2016</strong><br />

XIV. Berlin Capital Club Ladies Golf<br />

Cup, mit freundlicher Unterstützung<br />

von BritCars Riller & Schnauck<br />

• 13. Juni <strong>2016</strong><br />

XV. Berlin Capital Club Golf Cup<br />

• 4. Juli <strong>2016</strong><br />

XII. Berlin Capital Club De Saint Gall<br />

Champagner Golf Cup<br />

• 12. September <strong>2016</strong><br />

XIII. Berlin Capital Club De Saint Gall<br />

Champagner Golf Cup<br />

• 10. Oktober <strong>2016</strong><br />

XXVII. Berlin Capital Club & VBKI Golf<br />

Cup<br />

Fotos: Thomas Koehler/OSV (oben), Berliner Golf & Country Club Motzener See (unten)<br />

Der von Designer Kurt Rossknecht gestaltete<br />

Berliner Golf & Country Club Motzener<br />

See, der Schwesterclub des Berlin<br />

Capital Club, ist Austragungsort zahlreicher<br />

Turniere in diesem Jahr. Die idyllische<br />

27-Loch-Anlage im Süden von Berlin<br />

liegt mit seinen 150 Hektarn eingebettet<br />

in eine hügelige Landschaft, umgeben von<br />

viel Wald, Bächen und Seen. Der 2013 um<br />

neun Golfbahnen erweiterte Championship<br />

Course wartet mit vielen strategisch<br />

gut platzierten Bunkern auf und ermöglicht<br />

das Golfspiel (in drei verschiedenen<br />

18-Loch-Varianten) auf 6.500 Metern. Neben<br />

dem 27-Loch-Championship-Course<br />

steht den Mitgliedern und Gästen zusätzlich<br />

ein 9-Loch-Executive-Course zur Verfügung.<br />

Dessen Gesamtlänge von 2.640<br />

Metern bietet die Gelegenheit für ein Training<br />

des kurzen Spiels. Sowohl der Berlin<br />

Capital Club als auch der Golf & Country<br />

Club Motzener See sind Mitglied im globalen<br />

Netzwerk der International Associate<br />

Clubs (IAC), welches seinen Clubmitgliedern<br />

Zugang zu fast 250 exklusiven Clubs<br />

weltweit ermöglicht.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


10 | W+M SCHWERPUNKT<br />

Die japanisch-deutsche Firma Hi-Bis stellt in<br />

Bitterfeld-Wolfen Spezial-Bisphenole her.<br />

Zunehmende Vernetzung von<br />

Wirtschaft und Wissenschaft<br />

Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt hat sich in der zu Ende gehenden<br />

Legislaturperiode weiter stabilisiert. Die Folgen der internationalen<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 sind weitgehend überwunden.<br />

Die Arbeitsproduktivität steigt, die Investitionen ziehen an, die<br />

Beschäftigung wächst. Mittelstand und Handwerk sind Säulen des<br />

Aufschwungs. Von Karsten Hintzmann<br />

Die Wirtschafts- und Branchenstrukturen<br />

in Sachsen-Anhalt knüpfen<br />

bis heute in weiten Teilen an die<br />

Traditionen vergangener Jahrzehnte an.<br />

Das trifft sowohl auf die großen Chemiestandorte<br />

als auch auf den Maschinen- und<br />

Anlagenbau zu. Eine im Vergleich mit anderen<br />

Regionen starke landwirtschaftliche<br />

Produktion ist die Basis für eine der wichtigsten<br />

Industriebranchen im Land – das<br />

Ernährungsgewerbe. Aufgrund der räumlichen<br />

Nähe zu bedeutenden Automobilherstellern<br />

in Niedersachsen und Sachsen<br />

hat sich im Land ein neuer Zweig etabliert<br />

– die Zulieferindustrie für die Fahrzeugfertigung,<br />

von der auch wichtige Impulse für<br />

andere Branchen und Bereiche ausgehen.<br />

Unabhängig von den Branchenstrukturen<br />

ist die Wirtschaft Sachsen-Anhalts mit<br />

Blick auf die Unternehmensgrößen aktuell<br />

durch einen zwar kleinteiligen,<br />

aber dennoch innovativen<br />

Mittelstand geprägt.<br />

Der Mittelstand beschäftigt<br />

in Sachsen-<br />

Anhalt rund 575.000<br />

Arbeitnehmer. Er ist<br />

nicht nur der größte<br />

Arbeitgeber, sondern<br />

auch der größte<br />

Ausbilder im Land. In<br />

2013 wurden drei Viertel<br />

der Auszubildenden in mittelständischen<br />

Unternehmen und Handwerksbetrieben<br />

qualifiziert.<br />

Obgleich der Wirtschaftsmotor nach der<br />

letzten schweren Krise auch in Sachsen-Anhalt<br />

wieder angesprungen ist und<br />

Wachstumszahlen verkündet werden können,<br />

stehen im Vergleich zu den alten Bundesländern<br />

noch diverse Herausforderungen<br />

an: Bei der Produktivität, dem Innovationsgeschehen,<br />

der Exportorientierung<br />

sowie im Lohnniveau gibt es unverändert<br />

Nachholbedarf. Die Ursachen hierfür liegen<br />

in den Branchenstrukturen und den<br />

oft kleinen Betriebsgrößen. Die Kleinteiligkeit<br />

erschwert es vielen Firmen noch,<br />

ihre Produktpaletten früh an Zukunftserfordernisse<br />

anzupassen. Die Ausgaben<br />

der heimischen Wirtschaft für Forschung<br />

und Entwicklung liegen in Sachsen-Anhalt<br />

bei rund 95 Euro pro Einwohner des Landes.<br />

Im Vergleich dazu werden<br />

in Thüringen 225 Euro pro<br />

Kopf ausgegeben, in Baden-Württemberg<br />

sind<br />

es gar 1.500 Euro.<br />

Sachsen-Anhalts<br />

Wirtschaftsminister<br />

Hartmut Möllring.<br />

Die Landesregierung<br />

hat unter Federführung<br />

des Wirtschaftsressorts in der zu<br />

Ende gehenden Legislaturperiode eine<br />

„Mittelstandsoffensive“ gestartet, mit der<br />

durch passgenaue Förderprogramme die<br />

Rahmenbedingungen so verbessert werden,<br />

dass Aufschwung und Aufholprozess<br />

im Land der selbsternannten Frühaufsteher<br />

weiter fortgesetzt werden. Im Zentrum<br />

stehen dabei folgende Leit- und Wachstumsmärkte:<br />

Energie, Maschinen- und Anlagenbau,<br />

Gesundheit und Medizin, Mobilität<br />

und Logistik, Chemie und Bioökonomie,<br />

Ernährungs- und Landwirtschaft<br />

sowie die IT- und Kreativwirtschaft als innovationsfördernde<br />

Querschnittsbereiche.<br />

Die seit rund zehn Jahren praktizierte Förderung<br />

der Bildung von Clustern und Netzwerken<br />

wird die Landesregierung auch<br />

über das Wahljahr <strong>2016</strong> hinaus fortsetzen.<br />

Wirtschaftsminister Hartmut Möllring<br />

(CDU): „Die Cluster und Netzwerke<br />

haben sich inzwischen zu Kompetenzzentren<br />

und damit zu Wachstums- und Beschäftigungsmotoren<br />

im Land entwickelt.<br />

Durch die hier vollzogene Konzentration<br />

und Vernetzung von Wissenschaft und<br />

Wirtschaft werden typische Nachteile der<br />

kleinen und mittleren Unternehmen ausgeglichen<br />

und gleichzeitig die Möglichkeit<br />

geschaffen, unterschiedliche Kapazitäten<br />

in einem Innovationsfeld zu bündeln. Der<br />

Wissenschaft bieten die Netze Praxisnähe<br />

auf höchstem Niveau.“ W+M<br />

Fotos: Hi-Bis GmbH (oben), W+M (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


SACHSEN-ANHALT | 11<br />

Cluster Chemie<br />

Zwischen Tradition und Zukunft<br />

Chemie und Bioökonomie zählen zu<br />

den Leitmärkten in Sachsen-Anhalt.<br />

Während die chemische Industrie im<br />

mitteldeutschen Chemiedreieck auf eine<br />

lange Tradition zurückblicken kann, sucht<br />

die Bioökonomie nach Lösungen für die<br />

Rohstoffversorgung der Zukunft.<br />

Seit 100 Jahren produzieren chemische<br />

Unternehmen in Leuna. Im Jubiläumsjahr<br />

kann sich der Standort rühmen, seinen festen<br />

Platz in der Riege der modernsten Produktionsstandorte<br />

in Europa einzunehmen.<br />

Mehr als sechs Milliarden Euro an öffentlichen<br />

und privaten Investitionen haben seit<br />

1990 geholfen, das Erbe der chemischen<br />

Industrie in Leuna für die Zukunft zu rüsten.<br />

Das Konzept des Chemie-Parks trug hier<br />

erstmals Früchte und wurde anschließend<br />

zum Erfolgsrezept. Mittlerweile gewähren<br />

fünf leistungsfähige Chemieparks in Sachsen-Anhalt<br />

mit ihren Cluster-Strukturen Investoren<br />

ideale Ansiedlungsbedingungen.<br />

9.000 Angestellte allein am Standort Leuna<br />

zeugen von der Bedeutung der Chemieindustrie<br />

als Jobmotor in Sachsen-Anhalt.<br />

Die Chemieindustrie in Sachsen-Anhalt erreicht<br />

höhere Exportquoten als die restlichen<br />

Industriezweige. 45,1 Prozent des<br />

Umsatzes der chemischen Industrie wurden<br />

im Zeitraum Januar bis September<br />

2015 im Ausland erzielt. Damit übersteigt<br />

die Exportquote den Durchschnittswert<br />

der Industrie des Landes Sachsen-Anhalt<br />

um fast 16 Prozentpunkte. Des Weiteren<br />

gehört die Chemieindustrie zu den produktivsten<br />

Branchen – ihre hohe Umsatzproduktivität<br />

hält auch dem deutschlandweiten<br />

Vergleich stand.<br />

Sachsen-Anhalt setzt mit der Förderung<br />

der Bioökonomie aber auch auf zukunftsweisende<br />

Entwicklungen in der Nutzung<br />

nachwachsender Materialien. Ziel der<br />

Bioökonomie ist es, fossile durch nachwachsende<br />

Rohstoffe zu ersetzen. Sachsen-Anhalts<br />

Wirtschaftsminister Hartmut<br />

Möllring ist sich sicher: „Der stofflichen<br />

Nutzung nachwachsender Rohstoffe wie<br />

etwa Holz gehört die Zukunft, auch in der<br />

für unser Land so wichtigen Chemieindustrie.“<br />

Das BioEconomy-Cluster in Sachsen-Anhalt<br />

arbeitet mit mehr als 100 Partnern<br />

aus Industrie und Forschung und verbindet<br />

Holz- und Forstwirtschaft, chemische<br />

Industrie, Kunststoffindustrie und Anlagenbau.<br />

Das Ziel: die Entwicklung einer<br />

alternativen Rohstoffbasis für die Chemieindustrie,<br />

um die Abhängigkeit von Erdöl<br />

und Erdgas zu verringern und so dem<br />

Chemiestandort Sachsen-Anhalt Wettbewerbsvorteile<br />

zu verschaffen.<br />

Matthias Salm<br />

Im Kernland der ostdeutschen Chemieindustrie<br />

reihen sich die Produktionsstätten<br />

führender Chemiekonzerne dicht aneinander.<br />

Lanxess betreibt im ChemiePark Bitterfeld-Wolfen<br />

die modernste Anlage für<br />

monodisperse Ionenaustauscherharze.<br />

Die Puralube Deutschland GmbH produziert<br />

im Chemie- und Industriepark Zeitz<br />

hochwertige Basisöle auf Grundlage recycelten<br />

Altöls. Die Linde Group hat im Chemiepark<br />

Leuna ihren weltweit größten Gase-Standort<br />

aufgebaut.<br />

Foto: Dow Wolff Cellulosics<br />

Der US-Konzern Dow Chemical Company<br />

schließlich liefert von Schkopau, Leuna<br />

und Teutschenthal aus chemische Grundstoffe<br />

und Basischemikalien. Der Chlorproduzent<br />

AkzoNobel nahm 2015 seine<br />

Entbromungsanlage in Bitterfeld-Wolfen<br />

in Betrieb. Die TOTAL Raffinerie unterhält<br />

in Leuna eine der modernsten Raffinerien<br />

Europas.<br />

Methylcelluloseproduktion der Dow Wolff Cellulosics GmbH in Bitterfeld.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


12 | W+M SCHWERPUNKT<br />

Cluster Maschinenbau<br />

Marktführer in der Nische<br />

Seit mehr als 150 Jahren ist der Maschinen-<br />

und Anlagenbau in Sachsen-Anhalt<br />

beheimatet. Wo einst<br />

der Schwermaschinenbau dominierte, produzieren<br />

heute hoch spezialisierte Firmen<br />

für den Weltmarkt.<br />

Mit Präzisions- und Werkzeugmaschinen,<br />

Hebezeugen und Fördermitteln, Pumpen<br />

und Kompressoren, Komponenten und Anlagen<br />

für die Photovoltaik- und Windkraftindustrie,<br />

aber auch als Zulieferer der Automobilbranche<br />

treten Sachsen-Anhalts Maschinen-<br />

und Anlagenbauer heute international<br />

auf. Die Exportquote der 77 Betriebe<br />

mit mehr als 50 Mitarbeitern lag nach Angaben<br />

des Branchenverbands VDMA im<br />

Jahr 2014 bei 45,8 Prozent. Regional konzentriert<br />

sich die Branche auf die Landeshauptstadt<br />

Magdeburg und die Harzregion.<br />

Mehr als ein Drittel aller Betriebe im<br />

verarbeitenden Gewerbe in Sachsen-Anhalt<br />

sind auf dem Gebiet des Maschinenbaus<br />

sowie der Herstellung und Erzeugung<br />

von Metallerzeugnissen und in der<br />

Metallbearbeitung tätig. Gemeinsam mit<br />

den Themen Energie und Ressourceneffizienz<br />

wurde der Maschinen- und Anlagenbau<br />

deshalb in der regionalen Innovationsstrategie<br />

des Landes als förderungswürdiger<br />

Leitmarkt klassifiziert.<br />

Die Liste erfolgreicher Unternehmen an<br />

Elbe und Saale umfasst beispielsweise die<br />

Laempe Mössner Sinto GmbH aus Barleben,<br />

die Anlagen zur Herstellung von Formen<br />

für den Fahrzeugbau fertigt. Damit<br />

hat sich das Unternehmen zu einem gefragten<br />

Partner für die Automobilindustrie,<br />

den Waggonbau, aber ebenso für die<br />

Hersteller von Schiffsmotoren, Pumpen<br />

und Armaturen entwickelt. Auf eine lange<br />

Tradition kann auch die Kranbau Köthen<br />

GmbH verweisen. Das mittelständische<br />

Unternehmen hat sich auf Sonder-, Prozess-<br />

und Automatikkrane von rund 150<br />

bis 650 Tonnen Hubkraft spezialisiert. Die<br />

IFA-Rotorion-Gruppe ist europaweit führend<br />

in der Produktion von Kardanwellen.<br />

In Aschersleben wurde bereits 1857 die<br />

„Maschinenbauanstalt Aschersleben“ gegründet,<br />

Vorläufer der heutigen SCHIESS<br />

GmbH, mit deren Bearbeitungszentren<br />

weltweit Bauteile für Windkrafträder, Turbinen<br />

oder Schiffsaggregate bearbeitet<br />

werden.<br />

Bei der Entwicklung innovativer Produkte<br />

findet der mittelständische Maschinenbau<br />

des Landes Unterstützung in einer maschinenbaunahen<br />

Forschungslandschaft. Das<br />

Institut für Kompetenz in AutoMobilität –<br />

IKAM GmbH in Barleben etwa wurde zur<br />

wirtschaftsorientierten Forschungseinrichtung<br />

im Branchenschwerpunkt Automotive<br />

ausgebaut. Das Fraunhofer-Institut für<br />

Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in<br />

Magdeburg unterstützt Entwicklungen zur<br />

sicheren Mensch-Roboter-Kollaboration<br />

und der Assistenzrobotik in Unternehmen.<br />

Krane der Kranbau Köthen GmbH gehören zu den erfolgreichen Produkten aus Sachsen-Anhalt.<br />

Für den Aufbau von Clusterstrukturen und<br />

die Vernetzung der Branche setzt sich das<br />

Cluster Sondermaschinen- und Anlagenbau<br />

(SMAB) ein, das Kooperationen zwischen<br />

den Betrieben und den Technologietransfer<br />

aus der Wissenschaft in die<br />

Unternehmen unterstützt. Das Cluster ermöglicht<br />

eine enge Anbindung der Maschinenbauunternehmen<br />

an die Forschungseinrichtungen<br />

des Landes. Der Zweckverband<br />

zur Förderung des Maschinen- und<br />

Anlagenbaus Sachsen-Anhalt (FASA) forciert<br />

ebenfalls die Zusammenarbeit zwischen<br />

Wissenschaft und Wirtschaft und<br />

beschleunigt den Innovationsprozess und<br />

-transfer in die Unternehmen.<br />

Matthias Salm<br />

Foto: Kranbau Köthen GmbH<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


SACHSEN-ANHALT | 13<br />

Herausragende Forschung:<br />

das IPK in Gatersleben.<br />

Foto: IPK/Sam Rey<br />

Cluster Forschungsexzellenz<br />

Innovationen für Industrie<br />

und Mittelstand<br />

In Sachsen-Anhalt bilden 22 universitäre<br />

und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen<br />

die wissenschaftliche Infrastruktur<br />

des Landes. Die Forschungsszene<br />

genießt sowohl in der Grundlagen- als<br />

auch in der angewandten Forschung nationales<br />

und internationales Renommee.<br />

Das Auto der Zukunft – es entsteht jenseits<br />

der großen Automobilwerke auch<br />

in Schkopau. Denn im dortigen Fraunhofer-Pilotanlagenzentrum<br />

(PAZ) suchen<br />

Autoindustrie und Forscher gemeinsam<br />

nach Wegen, die Karosserien durch die<br />

Verwendung von Kunststoff leichter und<br />

damit verbrauchsarmer zu konzipieren.<br />

2005 durch eine Kooperation des Potsdamer<br />

Fraunhofer-Instituts für Angewandte<br />

Polymerforschung IAP mit dem<br />

Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von<br />

Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle<br />

(Saale) gegründet, bietet das Fraunhofer<br />

PAZ als eine europaweit einzigartige<br />

Einrichtung ideale Forschungsbedingungen<br />

rund um die Polymersynthese und<br />

-verarbeitung.<br />

Sei es die Entwicklung von Synthesekautschuken<br />

für Fahrzeugreifen oder von<br />

Leichtbau-Komponenten sowohl für die<br />

Automobilindustrie als auch für die Luftfahrt<br />

– die Forschungsprojekte orientieren<br />

sich stark an den aktuellen Problemstellungen<br />

der Industriekunden. Das zeigt<br />

sich nicht zuletzt an der Tatsache, dass die<br />

Schkopauer ihre Forschungsarbeiten vor<br />

allem über Drittmittel finanzieren.<br />

Die Polymerforschung in Schkopau liefert<br />

Grundlagen für innovative Produkte<br />

im Fahrzeugbau. Der Forschungscampus<br />

STIMULATE für minimalinvasive bildgeführte<br />

operative Eingriffe lockt erste<br />

Medizintechnik-Unternehmen in die<br />

Landeshauptstadt Magdeburg. Und das<br />

Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und<br />

Kulturpflanzenforschung (IPK) in Seeland-<br />

Gatersleben als eine der international führenden<br />

wissenschaftlichen Einrichtungen<br />

auf den Gebieten der Pflanzengenetik und<br />

Kulturpflanzenforschung profiliert sich als<br />

Partner der Agrarwirtschaft – nur drei Beispiele,<br />

wie Forschungseinrichtungen in<br />

Sachsen-Anhalt wichtige Beiträge für innovative<br />

Produkte und Verfahren für die<br />

Wirtschaft liefern.<br />

In Forschungsschwerpunkten wie den<br />

Neurowissenschaften, der Biosystemund<br />

Verfahrenstechnik, den Materialwissenschaften<br />

und Biowissenschaften sowie<br />

in den Bereichen Automotive und Medizintechnik<br />

verortet Sachsen-Anhalt seine<br />

besonderen Stärken. Insbesondere kleine<br />

und mittlere Unternehmen sollen künftig<br />

noch stärker von den Forschungsergebnissen<br />

profitieren. Rund 423 Millionen Euro<br />

aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds<br />

sowie weitere 106 Millionen<br />

Euro nationale Mittel stehen dafür bereit.<br />

An den Hochschulen des Landes sorgt das<br />

Kompetenznetzwerk für Angewandte und<br />

Transferorientierte Forschung KAT für eine<br />

stärkere Vernetzung von Wissenschaft und<br />

heimischem Mittelstand. Allein zwischen<br />

2008 und 2014 haben die vier Fachhochschulen<br />

– Hochschule Anhalt, Hochschule<br />

Magdeburg-Stendal, Hochschule Harz<br />

und Hochschule Merseburg – in den durch<br />

das KAT geförderten wissenschaftlichen<br />

Schwerpunkten rund 52,5 Millionen Euro<br />

an Drittmitteln eingeworben – 938 Kooperationsprojekte<br />

mit Unternehmen führten<br />

die Hochschulen in diesem Zeitraum durch.<br />

Matthias Salm<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


14 | W+M SCHWERPUNKT<br />

„Wir setzen auf Forschungsexzellenz und<br />

Unternehmergeist“<br />

Interview mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU)<br />

W+M: Herr Dr. Haseloff, in wenigen Wochen<br />

geht Ihre erste Amtszeit als Ministerpräsident<br />

von Sachsen-Anhalt zu<br />

Ende. Welche wirtschaftspolitische Bilanz<br />

ziehen Sie nach fünf Jahren?<br />

Reiner Haseloff: Wir haben unsere Wirtschaft<br />

nach der schweren internationalen<br />

Finanz- und Wirtschaftskrise konsolidiert.<br />

Inzwischen gibt es wieder Wachstum.<br />

Die Arbeitsproduktivität konnte gesteigert<br />

werden, die Arbeitslosenquote ist<br />

bei uns überdurchschnittlich stark gesunken<br />

und die Bruttolöhne sind überproportional<br />

gestiegen. Hinter dieser Entwicklung<br />

steht ein starker Mittelstand. Mittelstand<br />

und Handwerk sind der größte Arbeitgeber<br />

und Ausbilder unseres Landes,<br />

das Rückgrat unserer Wirtschaft. Daher<br />

hat die Wirtschaftspolitik des Landes den<br />

Mittelstand ins Zentrum gerückt. Sachsen-Anhalt<br />

hat sich zu einem attraktiven<br />

Wirtschaftsstandort mit enormem Potenzial<br />

entwickelt – darauf sind wir stolz.<br />

Insgesamt konnten mit Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe<br />

„Verbesserung der<br />

regionalen Wirtschaftsstruktur"<br />

von 2011 bis<br />

zum September<br />

2015 exakt<br />

102 Firmenansiedlungen,<br />

439<br />

Betriebserweiterungen<br />

und 125 Diversifizierungsprojekte finanziell<br />

unterstützt werden. Dahinter stehen<br />

eine Investitionssumme von 3,1 Milliarden<br />

Euro und 9.655 neue und hochwertige<br />

Arbeitsplätze. 37.361 attraktive<br />

Arbeitsplätze wurden dadurch gesichert.<br />

Darüber hinaus möchte ich noch einen<br />

Punkt erwähnen: Die jetzt zu Ende gehende<br />

Legislaturperiode ist die erste in<br />

Sachsen-Anhalt, in der es gelungen ist,<br />

nicht nur ohne neue Schulden auszukommen,<br />

sondern auch mit dem Schuldenabbau<br />

zu beginnen.<br />

W+M: Gibt es Projekte, Leuchttürme<br />

oder Ansiedlungen, die sich speziell seit<br />

2011 entwickelt haben und auf die Sie daher<br />

besonders stolz sind?<br />

Reiner Haseloff: Wir haben unverändert<br />

die Spitzenposition<br />

unter<br />

den neuen Ländern,<br />

was ausländische<br />

Direktinvestitio-<br />

nen betrifft. Unser Chemiedreieck etwa<br />

ist bekannt und nachgefragt als hervorragend<br />

erschlossener Produktionsstandort.<br />

Dazu kommt die IT-Branche. Die Telekom-Tochter<br />

T-Systems investiert massiv<br />

in Biere bei Magdeburg, so dass wir<br />

hier die größte Cloud in Europa haben<br />

werden. Auf 32.000 Quadratmetern entsteht<br />

das weit und breit größte Rechenzentrum.<br />

Insbesondere die unmittelbare Nähe zu<br />

Universitäten und Fachhochschulen mit<br />

technischer Ausrichtung und die zentrale<br />

Verkehrslage haben den amerikanischen<br />

IT-Riesen IBM veranlasst, sich in Magdeburg<br />

anzusiedeln. Von hier aus sollen bis<br />

zu 300 hochqualifizierte Mitarbeiter die<br />

Entwicklung und Wartung von IT-Anwendungen<br />

sowie Beratung und Systemintegration<br />

für Kunden weltweit anbieten.<br />

W+M: Die Landesregierung, der Sie seit<br />

2006 angehören, hat vor einigen Jahren<br />

eine Mittelstandsoffensive gestartet.<br />

Welche Ergebnisse hat sie konkret<br />

gebracht?<br />

Reiner Haseloff: Die mittelständischen<br />

Betriebe hierzulande<br />

sollen weiter<br />

Ministerpräsident<br />

Dr. Reiner Haseloff.<br />

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.<br />

Foto: W+M<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


SACHSEN-ANHALT | 15<br />

Ministerpräsident Haseloff im Gespräch mit W+M-Herausgeber Frank Nehring (r.) und<br />

Chefredakteur Karsten Hintzmann (l.).<br />

wachsen, ihr Innovationspotenzial in<br />

Kooperation mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen<br />

voll ausschöpfen<br />

und mehr exportieren. Das gelingt zunehmend<br />

mehr Unternehmen. Für die Stärkung<br />

des Mittelstands stellt das Land bis<br />

zum Jahr 2020 Fördergelder von bis zu<br />

900 Millionen Euro bereit, hauptsächlich<br />

aus Mitteln der EU-Strukturfonds. Die Ergebnisse<br />

einer solchen Strategie stellen<br />

sich nicht von heute auf morgen ein. Etwas<br />

Geduld werden wir brauchen. Das<br />

ist die Natur einer Strategie, die per Definition<br />

langfristig ausgerichtet ist. Aber<br />

wir haben mit der Mittelstandsoffensive<br />

wichtige Weichen gestellt.<br />

W+M: Ihr Land hat mit schweren Folgen<br />

durch den demografischen Wandel<br />

zu rechnen. Experten gehen davon aus,<br />

dass die Bevölkerung Sachsen-Anhalts<br />

zwischen 2008 und 2025 um gut 18 Prozent<br />

zurückgeht. Was tun Sie gegen den<br />

massiv drohenden Fachkräftemangel?<br />

Reiner Haseloff: Es gibt da mehrere<br />

Linien. Zum einen darf uns schon bei<br />

der schulischen Ausbildung kein junger<br />

Mensch mehr durchrutschen. Darüber hinaus<br />

hat Sachsen-Anhalt in den vergangenen<br />

Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen<br />

und zieht verstärkt Zuwanderer<br />

an, darunter auch viele Rückkehrer sowie<br />

Menschen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten.<br />

Im Jahr 2014 hatten wir erstmals einen<br />

positiven Wanderungssaldo. Es sind<br />

also mehr Menschen zu uns gekommen<br />

als abgewandert sind. Insofern sind frühere<br />

Bevölkerungsprognosen, die uns bei<br />

der Einwohnerzahl im Jahr 2015 deutlich<br />

unter zwei Millionen einstuften, inzwischen<br />

hinfällig. Nach neuesten Schätzungen<br />

gehen wir davon aus, dass wir im Jahr<br />

2015 rund 175.000 Einwohner mehr haben<br />

werden, als uns in vorangegangenen<br />

Prognosen vorausgesagt wurde.<br />

W+M: Sehen Sie eine reale Chance, dass<br />

die schwierige Fachkräftesituation durch<br />

Asylbewerber mit Aufenthaltstitel entspannt<br />

werden könnte?<br />

Reiner Haseloff: Hier muss man zunächst<br />

berücksichtigen, dass das Qualifikationsspektrum<br />

sehr weit auseinandergeht.<br />

Es reicht von gut ausgebildeten<br />

Akademikern, die wir gut und schnell integrieren<br />

können, bis hin zu Menschen,<br />

die über keinerlei berufliche Ausbildung<br />

verfügen. Man muss auch klar sehen,<br />

dass die Menschen, die auf der Basis<br />

der Genfer Flüchtlingskonvention zu uns<br />

kommen, zeitlich befristet bei uns sind.<br />

Diese Menschen erhalten bei uns eine<br />

Grundsicherung. Wir müssen aber auch<br />

dafür sorgen, dass sie dann wieder in ihre<br />

Heimat zurückkehren. Es gibt allerdings<br />

auch eine ganze Reihe von Personen,<br />

die eine gute Bleibeperspektive haben,<br />

auch was die eigene Lebensplanung anbelangt,<br />

und da muss man im Jahr <strong>2016</strong><br />

schnell vom Notaufnahmemodus in den<br />

Integrationsmodus umstellen.<br />

W+M: Der Mittelstand in Sachsen-Anhalt<br />

ist – wie in den anderen neuen Ländern<br />

auch – häufig nicht in der Lage, selbst<br />

Forschung und Entwicklung zu betreiben.<br />

Welche Rolle spielt da die institutionelle<br />

Forschungslandschaft zwischen Stendal<br />

und Merseburg?<br />

Reiner Haseloff: Es ist richtig, dass die<br />

privaten Ausgaben für Forschung und<br />

Entwicklung niedrig sind. Das belegen<br />

die Zahlen: Die Ausgaben der heimischen<br />

Wirtschaft für Forschung und Entwicklung<br />

liegen in Sachsen-Anhalt bei rund<br />

95 Euro pro Einwohner. Im Vergleich dazu<br />

werden in Thüringen 225 Euro pro Kopf<br />

Fotos: W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


16 | W+M SCHWERPUNKT SACHSEN-ANHALT<br />

Parteien, die mit uns als Pflock in der<br />

Mitte der Gesellschaft koalieren wollen,<br />

Schnittmengen finden werden. Die bisherige<br />

Koalition mit der SPD ist die von mir<br />

präferierte Konstellation auch nach der<br />

Wahl, zumal sie mit dem auf bundespolitischer<br />

Ebene praktizierten Modell korrespondiert.<br />

In Zeiten so großer Herausforderungen<br />

halte ich es für sinnvoll, dass<br />

die beiden Volksparteien in der Mitte das<br />

Heft des Handelns in der Hand halten und<br />

für einen breiten Konsens sorgen.<br />

ausgegeben und in Baden-Württemberg<br />

sind es sogar 1.500 Euro. Das heißt aber<br />

nicht, dass unsere Unternehmen nicht innovativ<br />

sind oder es nicht sein wollen. Wir<br />

wissen, dass in den kleinen und mittleren<br />

Betrieben viele innovative Ideen schlummern.<br />

Studien zeigen, dass sie sogar eine<br />

ausgesprochen hohe Innovationsneigung<br />

haben. Leider fehlt es neben dem AIItagsgeschäft<br />

oftmals an den personellen und<br />

finanziellen Kapazitäten, diese Ideen auch<br />

umzusetzen. Daher tun wir viel dafür, mittelständische<br />

Unternehmen enger untereinander<br />

zu vernetzen und sie darüber hinaus<br />

mit starken Partnern für Forschung<br />

und Entwicklung zusammenzubringen.<br />

Allen voran mit unseren Hochschulen und<br />

Forschungseinrichtungen. Forschungsexzellenz<br />

und Unternehmergeist – diese<br />

Verbindung soll Sachsen-Anhalt künftig<br />

noch stärker machen.<br />

W+M: Sie befinden sich mitten im Wahlkampf.<br />

Was versprechen Sie den Unternehmen<br />

für den Fall, dass Sie ab März<br />

<strong>2016</strong> weiterhin Ministerpräsident sein<br />

sollten?<br />

Reiner Haseloff: Organisatorisch werden<br />

wir unsere Unternehmen – in enger<br />

Zusammenarbeit mit den Kammern und<br />

Verbänden – maßgeblich bei den Themen<br />

Fachkräftesicherung und Unternehmensübergabe<br />

unterstützen. Das sind zentrale<br />

Fragen, die jetzt nach rund 25 Jahren Aufbau<br />

eines starken Mittelstands bei uns<br />

anstehen. Von der politischen Schwerpunktsetzung<br />

geht es uns um die Fortschreibung<br />

und Verstärkung der Effekte,<br />

die wir mit der Zusammenführung von<br />

Wirtschaft und Wissenschaft im Land erzeugt<br />

haben. Wir haben hier schon viele<br />

positive Transferaktivitäten von der Forschung<br />

in die Unternehmenspraxis. Das<br />

wollen wir weiter ausbauen, um die technologischen<br />

Standards bei unserem Mittelstand<br />

zu erhöhen.<br />

W+M: Wie schätzen Sie persönlich Ihre<br />

Chancen für eine Wiederwahl ein?<br />

Reiner Haseloff: Mein Ziel ist es, dass<br />

die CDU bei der Wahl so stark abschneidet,<br />

dass bei der anschließenden Regierungsbildung<br />

niemand an uns vorbeikommt.<br />

Momentan ist die Situation nur<br />

schwer einzuschätzen. Vor allem, weil<br />

Menschen, die in normalen Zeiten eher<br />

zu den Nichtwählern gehörten, bei der<br />

Wahl möglicherweise ein Zeichen setzen<br />

wollen zu Themen, die aus der internationalen<br />

Konfliktlage herrühren. Da<br />

müssen wir klar dafür werben, dass wir<br />

diese Probleme am besten aus der Mitte<br />

der Gesellschaft heraus lösen können<br />

und nicht durch extreme Positionen. Ich<br />

bin optimistisch, dass das klappt.<br />

W+M: In den Umfragen führt die CDU<br />

deutlich vor den Linken und der SPD.<br />

Welche möglichen Koalitionspartner<br />

könnten Sie sich vorstellen? Machen Sie<br />

vor der Wahl eine Koalitionsaussage?<br />

Reiner Haseloff: Ich habe immer wieder<br />

gesagt, dass wir mit demokratischen<br />

W+M: Verraten Sie uns Ihren persönlichen<br />

„Plan B“, falls Ihre Partei nach der<br />

Wahl keinen Regierungsauftrag mehr erhalten<br />

sollte?<br />

Reiner Haseloff: Wir werden, wenn man<br />

den Umfragen glauben darf, wohl stärkste<br />

Partei werden und somit auch einen<br />

Regierungsauftrag erhalten. Inwieweit<br />

dieser Regierungsauftrag dann auch umgesetzt<br />

werden kann, muss man sehen.<br />

Ich bin optimistisch, dass wir durch ruhiges<br />

und besonnenes Regieren gemeinsam<br />

mit unserem bisherigen Koalitionspartner<br />

ausreichend Gesprächsmöglichkeiten<br />

haben werden, um einen neuen<br />

Koalitionsvertrag zu schmieden.<br />

Interview: Karsten Hintzmann<br />

und Frank Nehring<br />

ZUR PERSON<br />

Reiner Haseloff wurde am 19. Februar<br />

1954 in Bülzig (Kreis Wittenberg)<br />

geboren. Zwischen 1973 und 1978<br />

studierte er an der Technischen Universität<br />

Dresden und der Humboldt-<br />

Universität Berlin Physik. Anschließend<br />

arbeitete er bis zum Ende der<br />

DDR als wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Institut für Umweltschutz<br />

in Wittenberg.<br />

Von 1992 bis 2002 war Haseloff Direktor<br />

des Arbeitsamtes Wittenberg.<br />

Danach wechselte er in die sachsenanhaltische<br />

Politik – zunächst als<br />

Staatssekretär im Ministerium für<br />

Wirtschaft und Arbeit. 2006 wurde<br />

er zum Wirtschaftsminister berufen.<br />

Seit 2011 ist Reiner Haseloff Ministerpräsident<br />

in Sachsen-Anhalt.<br />

Der Katholik Haseloff ist verheiratet<br />

und Vater zweier Kinder.<br />

Foto: W+M<br />

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<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


1<br />

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Leipzig, 9. bis 17. April <strong>2016</strong><br />

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18 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Die Motorenfertigungsstraße bei MDC<br />

Power in Kölleda ist 600 Meter lang.<br />

Power und Herz<br />

einer Region<br />

Das hochmoderne Motorenwerk der Daimler AG in Kölleda<br />

erwies sich als ein Glücksfall für Nordthüringen. Der Weltkonzern<br />

investierte bereits Millionen, verfolgt weitere große Pläne und<br />

befördert durch sein Engagement zugleich den Ausbau der<br />

Infrastruktur sowie so genannter weicher Standortfaktoren.<br />

In einigen Jahren könnte die MDC Power GmbH Thüringens<br />

größter Industriebetrieb sein. Von Harald Lachmann<br />

Nicht weniger als 49 Kommunen<br />

warfen ihren Hut in den Ring, als<br />

der Daimler-Konzern einen Standort<br />

für seine neue Motorenfertigung suchte.<br />

Den Zuschlag erhielt 2002 ein ländlich<br />

geprägtes 6.100-Seelen-Städtchen in Thüringen,<br />

von dem man zuvor in weiten Teilen<br />

Deutschlands noch nie gehört hatte<br />

– und wenn, dann eher als „Pfefferminzstadt“.<br />

Denn ein Großteil der Einwohner<br />

arbeitete lange im Kräuter- und Gewürzpflanzenmetier.<br />

Doch jene Entscheidung<br />

für Kölleda sollte sich schnell als großer<br />

Glücksfall für den gesamten nordthüringischen<br />

Raum um Sömmerda erweisen.<br />

So erfolgten hier schon bald erste große<br />

Investitionen in die Infrastruktur, um die<br />

Region für den erwarteten Schwerlastverkehr<br />

an die neu entstehende Autobahn<br />

A71 anzuschließen. Zudem wurden neue<br />

Bahngleise verlegt und für das Industriegebiet<br />

ein Umspannwerk errichtet.<br />

Und auch jenes Motorenwerk, das inzwischen<br />

unter MDC Power GmbH firmiert<br />

und im Dezember 2003 seine Fertigung<br />

startete, wächst seither unaufhörlich.<br />

Schon jetzt entstehen hier Motoren für nahezu<br />

alle Mercedes-Benz-Pkw- und Transporter-Baureihen:<br />

von der A- bis zur S-Klasse,<br />

von den High-Performance-Serienmodellen<br />

der Marke AMG bis zum Sprinter,<br />

von 95 bis 360 PS. Beliefert werden damit<br />

gut 20 Fahrzeugwerke auf allen fünf<br />

Kontinenten.<br />

Im vergangenen Sommer erfolgte zudem<br />

der erste Spatenstich für eine 35.000 Quadratmeter<br />

große neue Produktionshalle. Zusammen<br />

mit einer zweiten Halle, die bereits<br />

im Herbst eingeweiht wurde, verdoppelte<br />

sich damit die Fertigungsfläche in der<br />

Motorenschmiede auf 160.000 Quadratmeter.<br />

Und das aus gutem Grund: Die Produktpalette<br />

in Kölleda wächst weiter. So verließ<br />

im Oktober der erste Motor einer neuen<br />

Generation von Vierzylinder-Dieselmotoren<br />

die 600 Meter lange Montagelinie, auf der<br />

sie erstmals als Komplettumfang aus über<br />

200 Teilen montiert werden. Und spätestens<br />

in zwei Jahren folgt ein neues Modell<br />

von Viertakt-Ottomotoren. Die Gesamtinvestitionen<br />

für die Produktion der neuen<br />

Foto: MDC Power/Dirk Wächter<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


THÜRINGEN | 19<br />

Motorengeneration am Standort Kölleda<br />

belaufen sich damit nach Firmenangaben<br />

inzwischen auf über 200 Millionen Euro.<br />

In den Augen von Andreas Engling – seit<br />

Mitte 2014 Geschäftsführer der MDC<br />

Power GmbH Kölleda – sind das weitere<br />

handfeste Belege für die hohe Qualität<br />

made in Thüringen. Immerhin war das<br />

hochmoderne Werk 2014 mit dem Prädikat<br />

„Beste Fabrik“ dekoriert worden. Ausgelobt<br />

wird dieser Preis, der zu den wichtigsten<br />

internationalen<br />

Benchmark-<br />

Wettbewerben für<br />

den Industrie- und<br />

Dienstleistungssektor<br />

zählt, durch<br />

Juroren der privaten<br />

Wirtschaftshochschule<br />

WHU<br />

– Otto Beisheim<br />

School of Management<br />

in Vallendar bei Koblenz sowie der<br />

Zeitschrift Wirtschaftswoche. Der Zwei-<br />

Liter-Vierzylinder-Turbomotor wird in Kölleda<br />

beispielsweise in reiner Handarbeit<br />

nach der traditionellen Philosophie „one<br />

man, one engine“ gefertigt.<br />

Ähnlich wie Porsche in Leipzig hat auch<br />

die Daimler AG als hundertprozentiger Eigentümer<br />

von MDC Power allerhand mehr<br />

Land bei Kölleda erworben, als bisher bebaut<br />

wurde. Das lässt nicht nur Raum für<br />

mögliche weitere Spatenstiche sondern<br />

auch für diverse Spekulationen. Doch noch<br />

hält sich der Geschäftsführer bedeckt. Sicher,<br />

man könne schon „noch einige Spatenstiche<br />

machen“, so Engling letztes Jahr<br />

bei einem Pressetermin. Denn natürlich<br />

sei man „hier in Kölleda grundsätzlich ein<br />

Wachstumswerk“.<br />

Kölleda<br />

einer Million Motoren im Jahr erhöht sich<br />

damit auf das Zweifache. Treffen diese<br />

Prognosen zu, stiege das Motorenwerk<br />

in Kölleda dann sogar zum größten Industriebetrieb<br />

Thüringens auf. Selbst Opel in<br />

Eisenach bringt nicht so viele Menschen<br />

in Lohn und Brot.<br />

Um angesichts dieser Dimensionen auch<br />

künftig auf ausreichend qualifizierten und<br />

motivierten Fachkräftenachwuchs zugreifen<br />

zu können, startete MDC Power letztes<br />

Jahr auch eine<br />

neue Arbeitgeberkampgane<br />

unter<br />

dem etwas blumigen<br />

Titel „Wir<br />

sind der Motor –<br />

Du bist das Herz“.<br />

Über diese sollen<br />

von Schülern über<br />

Studenten und Berufseinsteiger<br />

bis<br />

hin zu Berufserfahrenen alle Interessenten<br />

angesprochen werden, die sich „für<br />

Hightech, effiziente Fertigungsabläufe und<br />

Spitzenqualität begeistern“, heißt es dazu<br />

im Unternehmen. Denn immerhin produziere<br />

man in Kölleda „mit Hightech-Motoren<br />

das Herzstück von Premiumfahrzeugen“<br />

und das Herzstück von MDC Power<br />

seien „die Menschen, die diese exzellenten<br />

Motoren bauen – unsere Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter“, so Engling.<br />

Mittlerweile rollen die Beschäftigten von<br />

MDC Power schon aus einem Umkreis von<br />

30 bis 40 Kilometern in Kölleda an. Doch<br />

mit dieser neuen Kampagne wirbt man<br />

selbst in weiter entfernten Teilen Thüringens<br />

und Sachsen-Anhalts mit Print- und<br />

Online-Anzeigen, auf Großwerbeflächen<br />

sowie auch mit einem Kinospot.<br />

Im Gegenzug wachsen damit aber auch<br />

die Erwartungen der Daimler-Tochter an<br />

das Umland. So drängte Geschäftsführer<br />

Engling den Sömmerdaer Landrat Harald<br />

Henning (CDU) wiederholt, das Kölledaer<br />

Gewerbegebiet besser an das Netz des<br />

öffentlichen Personennahverkehrs anzubinden.<br />

Daneben unterstützt der Landkreis<br />

das Motorenwerk aber auch durch<br />

den Ausbau sogenannter sanfter Standortfaktoren,<br />

etwa durch die Einrichtung einer<br />

Kindertagesstätte im Gewerbegebiet.<br />

Für das gegenseitige Geben und Nehmen<br />

zwischen Industriebetrieb und Region<br />

steht auch das soziale Engagement der<br />

MDC-Belegschaft. Diese schob bereits<br />

mehrfach Sonderschichten, um das damit<br />

erwirtschaftete Geld Vereinen und sozialen<br />

Einrichtungen in Nordthüringen zur<br />

Verfügung zu stellen. Hierzu gehören beispielsweise<br />

Volkssportevents sowie Initiativen,<br />

mit denen es Vereinen ermöglicht<br />

wird, auch sozial benachteiligte Menschen<br />

in ihre Strukturen zu integrieren. W+M<br />

Foto: MDC Power/Dirk Wächter<br />

Mittlerweile sind bei MDC Power sowie<br />

den vor Ort ansässigen Dienstleistungsunternehmen<br />

bereits über 1.700 Mitarbeiter<br />

beschäftigt. Doch durch die neuen Investitionen<br />

erwartet man in der Region –<br />

etwa im Landratsamt Sömmerda und bei<br />

der IG Metall – inzwischen Neueinstellungen<br />

von weiteren 1.800 bis 2.200 Beschäftigten<br />

bis Mitte 2017. Damit würde sich<br />

nicht nur die Belegschaft mehr als verdoppeln,<br />

auch die Fertigung von bisher knapp<br />

Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (2. v. r.) besuchte die Dieselmotoren-Produktion.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


20 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Die Niederbarnimer Eisenbahn bedient<br />

elf Linien.<br />

Brandenburgs Nahverkehr<br />

auf unsicherem Fundament<br />

Brandenburg und Berlin bräuchten mehr Geld, um einen flächendeckenden<br />

öffentlichen Nahverkehr sicherzustellen, der modernen<br />

Anforderungen genügt und ein weiteres Auseinanderdriften des<br />

gemeinsamen Lebens- und Wirtschaftsraums beider Länder<br />

verhindert. Die bislang vom Bund zugebilligten Mittel reichen<br />

bestenfalls aus, um die bestehende Infrastruktur des Öffentlichen<br />

Personennahverkehrs (ÖPNV) zu erhalten. Von Tomas Morgenstern<br />

Fast sechs Millionen Menschen leben<br />

in Berlin-Brandenburg. Die Region<br />

ist verkehrstechnisch gut erschlossen,<br />

im öffentlichen Personennahverkehr<br />

(ÖPNV) verbinden Bahn- und Buslinien<br />

Städte und Gemeinden, Wirtschafts- und<br />

Behördenzentren mit der Landeshauptstadt<br />

Potsdam und Berlin. Doch noch<br />

immer ist viel zu tun – so die Verbesserung<br />

von Pünktlichkeit und Sicherheit der<br />

Züge, die Herstellung der Barrierefreiheit<br />

der Stationen, der Ausbau des grenzüberschreitenden<br />

Verkehrs nach Polen. Seit<br />

langem appellieren die Landesregierung<br />

in Potsdam und der Berliner Senat an den<br />

Bund, dass für einen modernen, flächendeckenden<br />

ÖPNV die Mittel nicht ausreichen.<br />

Auf ihrer Ministerpräsidentenkonferenz<br />

im Oktober 2014 in Potsdam hatten<br />

die Regierungschefs der Länder vom Bundesverkehrsminister<br />

gefordert, die Regionalisierungsmittel<br />

für den Schienennahverkehr<br />

aufzustocken. Die nun im neuen<br />

Finanzierungskonzept für den Zeitraum<br />

<strong>2016</strong> bis 2030 vorgesehene jährliche Erhöhung<br />

der Mittel ist sehr umstritten. Über<br />

die Jahre kommen insgesamt zwölf Milliarden<br />

Euro mehr zusammen. Aber nach<br />

25 Jahren Einheit erheben jetzt die bevölkerungsreichen<br />

Bundesländer im Westen<br />

Anspruch auf einen deutlich größeren Anteil<br />

und die Umverteilung der Regionalisierungsmittel.<br />

Am Ende stünde der Osten<br />

sehr viel schlechter da.<br />

Nach der Bahnreform war 1996 die Zuständigkeit<br />

für die wichtigste Komponente<br />

im ÖPNV, den Schienenpersonennahverkehr<br />

(SPNV), vom Bund auf die Länder<br />

übergegangen, um seine Finanzierung auf<br />

eine solide Basis zu stellen. Die Regionalisierungsmittel,<br />

mit denen seither die von<br />

den Ländern bestellten Verkehrsleistungen<br />

bezuschusst und Investitionen in den<br />

„allgemeinen ÖPNV“ (Busse, Straßenbahnen)<br />

gefördert werden, stammen aus der<br />

vom Bund erhobenen Mineralölsteuer. Die<br />

Verteilung regelte das Regionalisierungsgesetz<br />

bislang auf der Grundlage der gemeldeten<br />

Zugkilometer. 2014 standen den<br />

16 Bundesländern daraus 7,3 Milliarden<br />

Euro zur Verfügung. Nach Angaben des<br />

Potsdamer Infrastrukturministeriums erhielt<br />

Brandenburg rund 417 Millionen Euro<br />

– 344 Millionen Euro für den SPNV, 73 Millionen<br />

Euro gingen an die Kommunen.<br />

Foto: NEB, Frank Noack<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


BRANDENBURG | 21<br />

VERKEHRSVERBUND<br />

BERLIN BRANDENBURG (VBB)<br />

• Gegründet 1994<br />

• Mitgliedsunternehmen: 43<br />

• Linien im VBB (Stand 11/2014):<br />

Bus 892, Straßenbahn 47, Regionalbahn<br />

46, S-Bahn 15, U-Bahn 10,<br />

Oberleitungsbus 2, Fähren 7<br />

• Beschäftigte Mitarbeiter insgesamt:<br />

23.104<br />

• Fläche VBB-Gebiet:<br />

30.546 Quadratkilometer<br />

• Einwohnerzahl im Verbundgebiet<br />

(Stand 11/2014): 5,924 Millionen<br />

• Beförderte Fahrgäste (im Jahr 2014):<br />

1,365 Milliarden<br />

Vorfahrt für den Regionalexpress der Line RE1 in Richtung Frankfurt (Oder) bei Fürstenwalde.<br />

Fotos: Deutsche Bahn AG (oben), NEB, Frank Noack (unten)<br />

2014 stand eine Revision des Regionalisierungsgesetzes<br />

an. Ein von den Ländern<br />

in Auftrag gegebenes Gutachten ermittelte<br />

damals einen Jahresbedarf von<br />

8,5 Milliarden Euro, der in den folgenden<br />

15 Jahren mit zwei Prozent jährlich dynamisiert<br />

werden müsste, um einen leistungsfähigen<br />

ÖPNV auch im Osten zu sichern.<br />

Denn im Gegenzug sollte ein künftiger<br />

Verteilerschlüssel an die Einwohnerzahl<br />

der Länder gekoppelt werden. Die im<br />

Oktober 2015 erzielte Vereinbarung fällt<br />

deutlich magerer aus: Der Bund akzeptierte<br />

als Obergrenze für <strong>2016</strong> lediglich<br />

acht Milliarden Euro, die geforderte jährliche<br />

Dynamisierung bis 2030 wurde bei<br />

1,8 Prozent gedeckelt. Aus diesem Grund<br />

drohen den ostdeutschen Ländern, deren<br />

Bevölkerung seit Jahren schrumpft,<br />

mittelfristig hohe Einbußen, die sich am<br />

Ende jeweils auf mehrere hundert Millionen<br />

Euro summieren. Damit es nicht zur<br />

massenhaften Streichung von ÖPNV-Angeboten<br />

kommt, müsse der Bund per Gesetz<br />

ein Absinken der Mittel für die neuen<br />

Länder unter das derzeitige Niveau verhindern.<br />

Eine für Dezember 2015 angekündigte<br />

Rechtsverordnung des Bundes ist<br />

noch immer nicht mit den Ländern abgestimmt.<br />

Auch zur Forderung, die Trassenund<br />

Stationspreise zu deckeln, gibt es nur<br />

eine Protokollerklärung.<br />

Die Region Berlin-Brandenburg erlebt einen<br />

demografischen Umbruch. Es gibt<br />

immer mehr alte Menschen, und Experten<br />

rechnen bis 2030 mit einem Bevölkerungsrückgang<br />

vor allem an der Peripherie<br />

Brandenburgs. Gleichzeitig wächst die<br />

Einwohnerzahl von Berlin und im „Speckgürtel“.<br />

Bis zu 300.000 berufstätige Berliner<br />

und Brandenburger sollen täglich zu<br />

ihren Jobs in die Hauptstadt oder ins Umland<br />

pendeln. Wie viele von ihnen öffentliche<br />

Verkehrsmittel nutzen, ist unklar.<br />

Schon jetzt stoßen manche Bahn- und<br />

Buslinien am Stadtrand allerdings an ihre<br />

Kapazitätsgrenzen.<br />

Der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg<br />

(VBB) ist mit 30.500 Quadratkilometern<br />

einer der größten in Europa. 43 öffentliche<br />

und private Verkehrsunternehmen mit<br />

23.000 Beschäftigten sind in ihm zusammengeschlossen,<br />

darunter die Deutsche<br />

Bahn AG (DB), die Berliner Verkehrsbetriebe<br />

(BVG) und die S-Bahn<br />

Berlin GmbH. Rund 1,365 Milliarden<br />

Fahrgäste hat der VBB 2014 transportiert,<br />

44 Millionen mehr als im Jahr<br />

zuvor. Auch 2015 wird Wachstum<br />

erwartet. Doch inzwischen hat die Aufnahme<br />

der vielen Flüchtlinge in der Region<br />

alle bisherigen Berechnungen in Frage<br />

gestellt.<br />

Das Rückgrat des VBB-Netzes ist der<br />

Bahnverkehr mit 46 Regionallinien auf rund<br />

2.500 Schienenkilometern. Größter Akteur<br />

ist die Bahn-Tochter DB Regio, die derzeit<br />

elf Regionalexpress- und zwölf Regionalbahnlinien<br />

im VBB betreibt. Auf elf Regionalbahnlinien<br />

vor allem in Ostbrandenburg<br />

verkehrt die Niederbarnimer Eisenbahn<br />

(NEB). Ihre Vorgängerin hatte 1901<br />

den Linienbetrieb von Berlin-Wilhelmsruh<br />

in Richtung Schorfheide aufgenommen.<br />

Als RB27 fährt die „Heidekrautbahn“ auf<br />

der Traditionslinie zwischen Berlin-Karow<br />

und Groß Schönebeck (seit 2011 auch ab<br />

Berlin-Gesundbrunnen). Im Frühjahr 2015<br />

wurde die bei Ausflüglern und Pendlern<br />

beliebte „Heidekrautbahn“ von der Allianz<br />

pro Schiene unter die 15 erfolgreichsten<br />

Bahnen im Nahverkehr gewählt. Gewürdigt<br />

wurde damit vor allem ihr wirtschaftlicher<br />

Erfolg, denn die „Heidekrautbahn“<br />

hat zwischen 1998 und 2013 die Zahl ihrer<br />

täglichen Fahrgäste um 134 Prozent – von<br />

1884 auf 4417 – gesteigert. Wenn die alte,<br />

1961 durch die DDR gekappte Stammstrecke<br />

der „Heidekrautbahn“ über Berlin-Wilhelmsruh<br />

nach Berlin-Gesundbrunnen<br />

wiederhergestellt würde, würde das<br />

nochmals einen Schub bringen. Doch die<br />

Pläne liegen auf Eis, auch <strong>2016</strong> wird kein<br />

öffentliches Geld fließen. W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


22 | W+M LÄNDERREPORT<br />

Saure Zeiten<br />

für Käse und Butter<br />

Die Ernährungsindustrie in Mecklenburg-Vorpommern ist mit vier<br />

Milliarden Euro Umsatz wichtigster Wirtschaftszweig des Landes.<br />

Die Branche ist zuletzt markt- und wirtschaftspolitisch zwischen<br />

die Mühlensteine geraten. Sie leidet unter Preisverfall und den<br />

EU-Sanktionen gegen Russland. Der Export dorthin sank um<br />

37 Prozent. Von Thomas Schwandt<br />

Käse-Produktion bei Rücker.<br />

So ein Käse! Diese landläufige Floskel<br />

umreißt umgangssprachlich,<br />

was der Ernährungsindustrie in<br />

Mecklenburg-Vorpommern seit Beginn<br />

der gegenseitigen Sanktionen zwischen<br />

Europäischer Union (EU) und Russland im<br />

Sommer 2014 widerfahren ist. Nach Angaben<br />

der Staatskanzlei in Schwerin, in<br />

deren Zuständigkeit die Außenwirtschaft<br />

des Landes fällt, sind im ersten Halbjahr<br />

2015 die Exporte der Ernährungsindustrie<br />

drastisch um insgesamt 37 Prozent<br />

zurückgegangen. Der von russischer Seite<br />

verfügte Einfuhrstopp insbesondere<br />

von Molkereiprodukten aus dem EU-<br />

Raum führte bei der Ausfuhr von Käse<br />

made in Mecklenburg-Vorpommern zu<br />

einem totalen Rückgang um volle 100<br />

Prozent.<br />

Zu den Käseproduzenten im Nordosten gehört<br />

Deutschlands größtes Molkerei- Unternehmen<br />

DMK Deutsches Milchkontor.<br />

Der Konzern verarbeitet nach eigener<br />

Auskunft jährlich 6,8 Milliarden Kilogramm<br />

Milch an 17 Produktionsstandorten. Ein Anteil<br />

von mehr als einer Milliarde Kilogramm<br />

verarbeiteter Milch entfällt auf die vier<br />

DMK-Standorte in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Die Molkerei Bergen auf der Insel<br />

Rügen produziert den bundesweit bekannten<br />

Camembert „Rügener Badejunge“ in<br />

einem breiten Sortiment. Andere vielfältige<br />

Käsespezialitäten, von Edamer über Gouda<br />

bis Butterkäse, werden in den Produktionsstätten<br />

in Altentreptow, Dargun und Waren<br />

(Müritz) hergestellt. Das russische Embargo<br />

auf Molkereiprodukte, welches erlassen<br />

wurde als unmittelbare Gegenreaktion auf<br />

die wirtschaftspolitischen Sanktionen der<br />

EU, wird in der Bremer DMK-Zentrale indes<br />

mit norddeutscher Gelassenheit betrachtet.<br />

Das Unternehmen sei zwar ebenso<br />

wie zahlreiche andere Firmen in Deutschland<br />

und Europa betroffen, doch „wechselnde<br />

Absatzmärkte gehören zu den alltäglichen<br />

Herausforderungen in einem globalisierten<br />

Markt“, hieß es auf Anfrage von<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>. DMK hätte in den<br />

zurückliegenden Jahren eine solide Grundlage<br />

dafür geschaffen, „dass der Absatz<br />

einzelner Produkte nicht von einzelnen Abnehmern<br />

und Märkten abhängig ist“. Jedoch<br />

verwies der Konzern auf gravierende<br />

Auswirkungen, die der russische Importstopp<br />

auf die gesamte Marktentwicklung<br />

gehabt habe, „die auch DMK spürt“. Große<br />

Warenströme, vor allem von Käse, Butter<br />

und Milchpulver, wurden umgelenkt, was<br />

die Märkte massiv beeinflusst hat.<br />

Käse produziert in Mecklenburg-Vorpommern<br />

neben DMK auch die im niedersächsischen<br />

Aurich ansässige Rücker GmbH.<br />

In der Hansestadt Wismar betreibt der<br />

traditionsreiche Familienbetrieb die Ostsee-Molkerei.<br />

Rücker gehört mit 850 Millionen<br />

Kilogramm verarbeiteter Milch pro<br />

Jahr zu den bundesweit größten Privatmolkereien.<br />

In der Ostsee-Molkerei werden<br />

unter anderem die regionalen Käsemarken<br />

„Alter Schwede“ und „Alt-Mecklenburger“<br />

produziert. Das Wegbrechen<br />

des Russland-Geschäfts hat laut Klaus<br />

Rücker, geschäftsführender Gesellschafter<br />

der Rücker GmbH, das Unternehmen<br />

„hart getroffen“. Zudem werde mit einer<br />

„längeren Phase des Ausfalls“ gerech-<br />

Foto: Rücker<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


MECKLENBURG-VORPOMMERN | 23<br />

net. „Wir konzentrieren uns deshalb auf<br />

unsere Kernmärkte in Europa, insbesondere<br />

in Deutschland, und bearbeiten intensiv<br />

neue internationale Märkte“, kündigte<br />

der Firmenchef an.<br />

Auf eine über die milchverarbeitende Ernährungsindustrie<br />

hinausgehende negative<br />

Begleiterscheinung des russischen Einfuhrstopps<br />

hat Gerd Göldnitz, Vizepräsident<br />

des Landesbauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern,<br />

aufmerksam gemacht.<br />

Nach seiner Ansicht seien den Sanktionen<br />

ein Drittel des aktuellen dramatischen<br />

Milchpreisverfalls zuzuschreiben. Hatten<br />

im Jahr 2014 die Milchbauern im Land<br />

noch 37,5 Cent pro Kilogramm Milch erlöst,<br />

so ist der Kilopreis inzwischen auf 25 Cent<br />

abgesackt. „Davon gehen vier Cent auf<br />

das fehlende Russland-Geschäft“, meinte<br />

Göldnitz. Der Preissturz, der hauptsächlich<br />

auf ein weltweites Überangebot und<br />

einen stark abgeschwächten Markt in China<br />

zurückzuführen ist, hat in Mecklenburg-<br />

Vorpommerns Landwirtschaft zahlreiche<br />

kleinere Bauern gezwungen, die Produktion<br />

von Milch aufzugeben, wie das Agrarministerium<br />

des Landes bestätigte. Die<br />

Tiere würden verkauft oder geschlachtet.<br />

Neben dem Preisverfall bei Milch sieht<br />

der Deutsche Bauernverband (DBV) auch<br />

die Verbilligung von Fleisch und Getreide<br />

mitverursacht durch das Importverbot<br />

auf russischer Seite. DBV-Präsident Joachim<br />

Rukwied forderte deshalb in einem<br />

Zeitungsinterview, „die Bemühungen hinsichtlich<br />

einer Aufhebung des Embargos“<br />

zu intensivieren. Er bezifferte den jährlichen<br />

Verlust, der den deutschen Bauern<br />

durch den Boykott seitens Russlands entsteht,<br />

auf fast eine Milliarde Euro.<br />

EU-SANKTIONEN GEGEN RUSSLAND<br />

In Reaktion auf den Ukraine-Konflikt<br />

verhängte die Europäische Union Ende<br />

Juli 2014 erstmals Wirtschaftssanktionen<br />

gegen Russland, die im September<br />

des gleichen Jahres verschärft wurden.<br />

Betroffen davon sind in erster Linie<br />

russische Staatsbanken, der Im- und<br />

Export von Rüstungsgütern sowie die<br />

Öl- und Gasindustrie Russlands. Im Gegenzug<br />

belegte Russland eine Reihe<br />

von Agrarprodukten aus den EU-Staaten<br />

mit einem Einfuhrverbot, darunter<br />

Obst und Gemüse, Milch, Butter, Käse<br />

und Fleischerzeugnisse. Die EU hat<br />

Ende vergangenen Jahres beschlossen,<br />

die Sanktionen bis mindestens 31. Juli<br />

<strong>2016</strong> aufrechtzuerhalten.<br />

Die Schweriner Staatskanzlei verweist<br />

mit Blick auf die Halbjahreszahlen 2015<br />

für den Export von Nahrungsmitteln auch<br />

auf einige Lichtblicke in dem Dilemma<br />

der Ernährungsindustrie. In Teilbereichen<br />

sind die Ausfuhren nach Russland<br />

sogar deutlich angestiegen. So verzeichneten<br />

die Produzenten von Pflanzkartoffeln<br />

ein kräftiges Plus von 30 Prozent. Zudem<br />

wurde mehr Kaffee exportiert (plus<br />

zehn Prozent). Aufgrund des hohen gesamtwirtschaftlichen<br />

Stellenwertes der<br />

Ernährungsindustrie für Mecklenburg-<br />

Vorpommern im Allgemeinen und des<br />

russischen Marktes im Besonderen –<br />

der Gesamtexport nach Russland legte<br />

in den ersten sechs Monaten des Vorjahres<br />

um 13,8 Prozent zu – ist die Landesregierung<br />

trotz der angespannten Situation<br />

auf vielen Ebenen darum bemüht,<br />

die guten und traditionellen Wirtschaftsbeziehungen<br />

zwischen Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Russland nicht abreißen zu<br />

lassen und in den nächsten Jahren weiter<br />

auszubauen, wie es hieß. In Nachfolge<br />

des im Frühjahr vergangenen Jahres<br />

durchgeführten und deutschlandweit beachteten<br />

wie umstrittenen ersten Russland-Tages<br />

plant die Große Koalition im<br />

Schweriner Schloss, am 25. Mai dieses<br />

Jahres ein erneutes Treffen von Unternehmern<br />

aus Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Russland zu veranstalten. W+M<br />

Foto: Thomas Schwandt<br />

Camembert-Produktion in der Molkerei Bergen.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


24 | W+M LÄNDERREPORT OSTDEUTSCHLAND<br />

WindNODE erforscht neue Technologien für<br />

das Stromnetz.<br />

ihre spezifischen energiewirtschaftlichen<br />

Stärken einbringen. Beispiel Sachsen: „Viele<br />

sächsische Unternehmen aus den unterschiedlichsten<br />

Branchen beteiligen sich an<br />

WindNODE, von der Mikroelektronik bis<br />

zur Automobilwirtschaft“, beschreibt etwa<br />

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig<br />

(SPD) den Beitrag des Freistaats.<br />

Frischer Wind<br />

aus dem Osten<br />

Mit der Initiative „WindNODE – Wind in Nordostdeutschland“<br />

wollen die ostdeutschen Bundesländer ihre führende Rolle in der<br />

Nutzung Erneuerbarer Energien weiter ausbauen. Das Projekt startet<br />

voraussichtlich Mitte des Jahres. Von Matthias Salm<br />

Auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister<br />

Hartmut Möllring (CDU) weiß um die<br />

Stärken seines Landes im Energiesektor:<br />

„Insbesondere bei intelligenten Stromnetzen<br />

und beim Lastmanagement haben wir<br />

im neuen Schaufenster viel zu zeigen.“<br />

Sachsen-Anhalt sieht seine Kompetenzen<br />

beispielsweise beim flexiblen Lastmanagement<br />

an großen Industriestandorten.<br />

Projektpartner aus Sachsen-Anhalt<br />

sind unter anderem die InfraLeuna GmbH,<br />

die als Eigentümer und Betreiber der Infrastruktureinrichtungen<br />

am Chemiestandort<br />

Leuna fungiert, die Otto-von-Guericke-<br />

Universität Magdeburg, das Fraunhofer-Institut<br />

für Fabrikbetrieb und -automatisierung<br />

IFF und das Zentrum für Regenerative<br />

Energien Sachsen-Anhalt (ZERE e. V.).<br />

Ostdeutschland zählt damit zu den<br />

fünf Modellregionen, die vom Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und<br />

Energie im Rahmen des Wettbewerbs<br />

„Schaufenster intelligente Energie – Digitale<br />

Agenda für die Energiewende (SINTEG)“<br />

gefördert werden. Das Ziel von WindNO-<br />

DE: mit Hilfe intelligenter Netze und innovativer<br />

Netztechnologien eine sichere und<br />

effiziente Stromversorgung zu entwickeln,<br />

mittels derer die Erneuerbaren Energien<br />

in das deutsche Strom-, Wärme- und Mobilitätssystem<br />

integriert werden können.<br />

Das Projekt WindNODE vereint die Energiewirtschaft<br />

aller sechs ostdeutschen<br />

Bundesländer. Die zentrale Rolle kommt<br />

dabei der Berliner 50Hertz Transmission<br />

GmbH zu, die das Höchstspannungsnetz<br />

in Ostdeutschland betreibt. Das Unternehmen<br />

wirkt bei WindNODE als Konsortialführer.<br />

Boris Schucht, Vorsitzender der Geschäftsführung<br />

der 50Hertz Transmission<br />

GmbH, sieht in WindNODE deshalb auch<br />

„eine Exportschmiede für intelligente Lösungen<br />

in einem von Erneuerbaren dominierten<br />

elektrischen System.“<br />

Zu den Mitgliedern des Konsortiums gehören<br />

innovative Unternehmen aus der Erneuerbare-Energien-Branche,<br />

IT-Spezialisten,<br />

Energieerzeuger sowie Netzbetreiber<br />

und Forscher. Des Weiteren auch Stadtwerke,<br />

Quartiersbetreiber, Unternehmen<br />

der Wohnungswirtschaft und Energieanwender<br />

in Schlüsselindustrien wie der Automobilwirtschaft.<br />

Das Bundeswirtschaftsministerium fördert<br />

die fünf ausgewählten Schaufensterregionen<br />

in Deutschland mit 230 Millionen Euro<br />

über einen Projektzeitraum von vier Jahren.<br />

Die einzelnen an WindNODE beteiligten<br />

ostdeutschen Bundesländer sollen dabei<br />

In Mecklenburg-Vorpommern beteiligt<br />

sich beispielsweise der kommunale Energieversorger<br />

WEMAG an WindNODE. Das<br />

Unternehmen widmet sich unter anderem<br />

der Frage, inwieweit Nachtspeicherheizungen<br />

ein Baustein bei der Energiewende<br />

sein können und welche Auswirkungen<br />

stark belastete Stromnetze auf der Hochspannungsebene<br />

nach sich ziehen.<br />

Konkrete Projekte sind gegenwärtig in allen<br />

Bundesländern noch in der Planung.<br />

In Berlin ist beispielsweise die EUREF AG<br />

mit ihrer Expertise im Bereich nachhaltiger<br />

Stadtentwicklung als assoziierter Partner<br />

Teil der WindNODE-Initiative. So konnte<br />

auf Betreiben der EUREF-Consulting die<br />

Schwarz-Gruppe gewonnen werden, ausgewählte<br />

Lidl- und Kaufland-Märkte zu<br />

„Schaufenster-Filialen" auszurüsten, um<br />

Kunden für die Themen der Energiewende<br />

zu sensibilisieren.<br />

W+M<br />

Foto: 50 Hertz Transmission GmbH<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


ADVERTORIAL | 25<br />

Mittelstand 4.0 – Vorsprung durch Integration<br />

Die Digitalisierung erfasst Unternehmen quer durch alle Branchen.<br />

Warum der Mittelstand sich jetzt wandelt, erläutert der Vorstand der<br />

Scopevisio AG Michael Rosbach im Interview.<br />

wird die interne Zusammenarbeit optimiert<br />

und der Geschäftsführer hat jederzeit einen<br />

Rundum-Blick auf das Unternehmen.<br />

Warum ist Ihnen der Aspekt der<br />

Integration so wichtig?<br />

Fotos: Scopevisio AG<br />

Scopevisio bietet eine kaufmännische Komplettlösung aus der Cloud an.<br />

Ihr diesjähriges CeBIT-Motto lautet:<br />

Mittelstand 4.0 – Vorsprung durch<br />

Integration. Was meinen Sie damit?<br />

Michael Rosbach: Von der Digitalisierung<br />

ist der gesamte Mittelstand betroffen<br />

– nicht nur die Industrie. Zwar wird die<br />

smarte Fabrik der Zukunft, in der die Maschinen<br />

miteinander kommunizieren, gerne<br />

als Paradebeispiel herangezogen. Es<br />

sind aber gerade die administrativen Abläufe,<br />

in denen enormes Digitalisierungsund<br />

Automatisierungspotenzial steckt.<br />

Inwiefern? Können Sie Beispiele<br />

nennen?<br />

Michael Rosbach: Nach wie vor gibt es<br />

in Unternehmen zahlreiche papiergebundene<br />

Abläufe, die mit hohem manuellen<br />

Aufwand verbunden sind. Denken Sie nur<br />

an die Unterschriftenmappe, die durchs<br />

Unternehmen wandert oder an Rechnungen,<br />

die handschriftlich freigegeben werden.<br />

Hinzu kommt das Problem der Medienbrüche,<br />

die dann entstehen, wenn unterschiedliche<br />

Systeme im Einsatz sind,<br />

die nicht miteinander kommunizieren. Vereinfacht<br />

gesagt: Wenn das CRM-System<br />

die ERP-Software nicht kennt, entstehen<br />

Informationssilos, die redundant gepflegt<br />

werden. Heutzutage können sich Unternehmen<br />

solch ineffiziente Geschäftsabläufe<br />

nicht mehr leisten. Dagegen verschaffen<br />

sich Unternehmen, die ihre Prozesse<br />

digitalisieren, einen Wettbewerbsvorteil.<br />

Wie können Sie als Software-<br />

Hersteller unterstützen?<br />

Michael Rosbach: Cloud Unternehmenssoftware<br />

von Scopevisio strafft Geschäftsprozesse<br />

und beschleunigt sie. Von Kunden<br />

erfahren wir, dass sie dadurch bis zu 30<br />

Prozent an Administrationsaufwand einsparen.<br />

Wir setzen bei den betrieblichen Abläufen<br />

an, die es in fast allen Unternehmen<br />

gibt: bei Marketing und Vertrieb, Angebotserstellung,<br />

Projektsteuerung, Rechnungserstellung<br />

und Finanzbuchhaltung. All diese<br />

Prozesse integrieren wir in einem einzigen<br />

System. Das bedeutet in der Praxis:<br />

Anwender können vom Kontakt zum Angebot,<br />

vom Projekt zum Dokument und vom<br />

Dokument zurück zum Kontakt navigieren.<br />

Jeder Mitarbeiter hat stets Zugriff auf dieselben<br />

aktuellen Daten wie der Kollege –<br />

auch unterwegs oder im Home-Office. So<br />

Michael Rosbach: Geschäftsprozesse<br />

zu digitalisieren ist der notwendige erste<br />

Schritt, sie zu vernetzen und zu automatisieren<br />

ist hingegen der entscheidende Hebel.<br />

Am besten funktioniert das in einer integrierten<br />

Lösung, die alle Daten aus Marketing,<br />

Vertrieb, Abrechnung, Buchhaltung,<br />

Projekt- und Dokumentenmanagement<br />

bündelt. Nehmen Sie das konkrete Beispiel<br />

der Eingangsrechnung: In Scopevisio wird<br />

sie nach dem Scannen automatisch kontiert,<br />

danach werden Buchung und Banküberweisung<br />

mit einem Klick angestoßen.<br />

Regelassistenten ermöglichen die Automatisierung<br />

von Prozessen. Genau hier spielt<br />

eine integrierte Lösung ihre Vorteile aus –<br />

alles andere ist Stückwerk.<br />

Michael Rosbach ist Vorstand der Scopevisio AG.<br />

KONTAKT<br />

Scopevisio AG<br />

Rheinwerkallee 3, 53227 Bonn<br />

Tel.: 0228 4334-3000<br />

info@scopevisio.com<br />

www.scopevisio.com<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


26 | W+M TITEL<br />

Ostprodukte:<br />

Die unheimliche Renaissance<br />

Sie waren schon häufig totgesagt und viele von ihnen verschwanden<br />

tatsächlich bereits zeitweise vom Markt – die noch aus DDR-Zeiten<br />

bekannten sogenannten Ostprodukte. Doch auch gut 25 Jahre nach<br />

der Deutschen Einheit feiern sie Markterfolge, welche die meisten<br />

Experten nicht für möglich gehalten haben. Es ist eine fast schon<br />

unheimliche Renaissance, die im 26. Jahr nach dem Ende der DDR<br />

zu beobachten ist. Von Karsten Hintzmann<br />

Am 11. März ist es wieder soweit:<br />

Die OSTPRO – die größte Verkaufsmesse<br />

für Ostprodukte in Deutschland<br />

– öffnet für drei Tage ihre Pforten in<br />

Berlin. Man braucht kein Prophet zu sein,<br />

um vorherzusagen, dass sich schon weit<br />

vor 10 Uhr, wenn der offizielle Startschuss<br />

fällt, hunderte Menschen vor den Türen<br />

drängeln werden. So war es immer in den<br />

vergangenen Jahren und so wird es auch<br />

in diesem Jahr sein.<br />

Das bereits 1991 gegründete Messeformat<br />

findet zwei Mal jährlich in Berlin<br />

statt, darüber hinaus auch in anderen ostdeutschen<br />

Großstädten. Erklärtes Ziel<br />

der Messe-Organisatoren von der SCOT<br />

Messen und Marketing GmbH ist es, „in<br />

Vergessenheit geratenen Produkten aus<br />

der ehemaligen DDR eine neue Präsentations-<br />

und Marketingplattform zu bieten“.<br />

In der Tat haben es in den vergangenen<br />

zwei Jahrzehnten etliche Produkte zurück<br />

in die Ladenregale geschafft. Nicht ohne<br />

Stolz verweisen die OSTPRO-Veranstalter<br />

darauf, dass es ihnen darüber hinaus gelungen<br />

sei, „ein Bewusstsein für regionale<br />

Produkte“ zu schaffen und die Nachfrage<br />

nach „kultigen Ostprodukten“ hoch zu<br />

halten. Somit sei die OSTPRO „ein Mekka<br />

für alle, die immer wieder Gefallen an<br />

den Ostprodukten“ finden. Für die März-<br />

Messe am Berliner Ostbahnhof haben sich<br />

mehr als 100 Firmen angesagt, die ihre<br />

Produkte und Spezialitäten aus den neuen<br />

Bundesländern unter dem Motto „Schauen,<br />

kosten, kaufen“ feilbieten werden.<br />

Dass sich so viele Produkte und Marken<br />

aus Zeiten der DDR-Planwirtschaft auch<br />

unter den Bedingungen der Marktwirtschaft<br />

etablieren konnten, war in den ersten<br />

Jahren nach der Einheit alles andere<br />

als vorhersehbar. Schließlich waren nahezu<br />

alle Kombinate und Großbetriebe abge-<br />

Fotos: Werder Feinkost (links oben), Meissen (links unten), Rotkäppchen (Mitte), Hako-Gruppe (rechts oben), Halloren Schokoladenfabrik AG (rechts unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


OSTPRODUKTE | 27<br />

Foto: W+M<br />

wickelt worden und die ostdeutsche Bevölkerung<br />

lechzte nach den bunt verpackten<br />

Waren aus westdeutscher und internationaler<br />

Produktion. Am Konsumerbe<br />

der vergangenen sozialistischen Epoche<br />

bestand zunächst kein großes Interesse.<br />

Das änderte sich ab Mitte der<br />

1990er Jahre. Damals entdeckten<br />

Firmen und Konzerne aus<br />

den alten Bundesländern<br />

dümpelnde „Ostmarken“,<br />

kauften sie auf und positionierten<br />

sie mit nicht unerheblichem Marketingaufwand<br />

neu am Markt. Darüber<br />

hinaus stabilisierten sich mittelständische<br />

Unternehmen in den neuen<br />

Ländern, die sich ganz bewusst der<br />

Pflege alter Marken annahmen und diese<br />

auf regionalen Verkaufsausstellungen<br />

und der OSTPRO an die Käufer brachten.<br />

Für Ethnologen ist der anhaltende Ostprodukte-Hype<br />

nicht überraschend. Professor<br />

Wolfgang Kaschuba, der bis zum Vorjahr<br />

das Institut für Europäische Ethnologie an<br />

der Berliner Humboldt-Universität leitete,<br />

sagt: „Noch immer ist die Mehrheit der in<br />

den neuen Ländern lebenden Menschen<br />

in der DDR aufgewachsen. Und die haben<br />

zu Dingen des Alltags oft eine sehr enge<br />

Bindung, in emotionaler wie ästhetischer<br />

Hinsicht.“ Darüber hinaus habe die ostdeutsche<br />

Bevölkerung inzwischen zu ihrem<br />

Heimatgefühl zurückgefunden, das<br />

sich im Revival der Ostprodukte widerspiegelt.<br />

Der Wirtschaftsexperte und stellvertretende<br />

Geschäftsführer des ifo-Instituts<br />

Dresden Professor Joachim Ragnitz hält<br />

indes die Fokussierung auf den Begriff<br />

„Ostprodukt“ auch 25 Jahre nach der<br />

deutschen Wiedervereinigung für einen<br />

Anachronismus: „Anderswo käme kaum<br />

jemand auf die Idee, dass die Herkunft<br />

eines Produkts irgendeinen Hinweis auf<br />

Qualität oder auch nur Attraktivität geben<br />

würde. Insoweit werden auch nirgendwo<br />

‚Westprodukte‘ oder ‚NRW-Produkte‘ offensiv<br />

beworben. In Ostdeutschland hingegen<br />

kann die Herkunftsangabe ‚Osten‘<br />

immer noch dazu dienen, bestimmte Käuferschichten<br />

anzusprechen, nämlich Personen,<br />

die eher auf der ‚Ostalgiewelle‘<br />

mitschwimmen oder solche, denen es darum<br />

geht, Arbeitsplätze in Ostdeutschland<br />

zu sichern.“ Allerdings gebe, so Ragnitz,<br />

die Herkunftsbezeichnung „Ostprodukt“<br />

hierzu nicht immer eindeutig Auskunft:<br />

„Es gibt Ost-Marken, die inzwischen in<br />

Westdeutschland<br />

hergestellt werden,<br />

und<br />

REGIONAL<br />

QUALITÄT<br />

OSTPRODUKT<br />

viele ostdeutsche<br />

Produktionsstätten<br />

der<br />

Konsumgüterindustrie gehören ja ohnehin<br />

zu westdeutschen Konzernen. ‚Ostprodukte‘<br />

oder ‚Ostmarken‘ sind insoweit<br />

vor allem ein marketingtechnisches Instrument,<br />

um bestimmte Käuferschichten<br />

gezielt anzusprechen und damit eine Steigerung<br />

des eigenen Marktanteils zu erreichen.<br />

Gleichzeitig gibt es viele in Ostdeutschland<br />

hergestellte Produkte, die<br />

gerade nicht als ‚Ostprodukte‘ beworben,<br />

sondern als ‚typische‘ Westprodukte angesehen<br />

werden.“<br />

So verwundert es nicht, dass so etablierte<br />

Marken wie etwa Radeberger Pilsner, Florena<br />

Kosmetik, Nudossi<br />

Brotaufstrich oder Rotkäppchen-Sekt,<br />

die bei<br />

etlichen Discountern<br />

und Einzelhändlern gelistet<br />

sind, längst darauf<br />

verzichten, sich als<br />

Ostprodukte in Szene<br />

zu setzen und an Ost-<br />

Messen teilzunehmen.<br />

Luxusprodukte, wie<br />

edle Uhren aus den noblen<br />

Manufakturen im<br />

sächsischen Glashütte<br />

oder Meissner Porzellan,<br />

haben sich noch nie<br />

vom Ostprodukte-Fähnchen<br />

umwehen lassen.<br />

Sie spielen seit jeher in<br />

einer anderen Liga.<br />

Um neben den gereiften Stammkunden<br />

auch jüngere Käuferschichten anzusprechen,<br />

hat sich in den letzten Jahren ein<br />

florierender Online-Handel entwickelt. Etliche<br />

Anbieter werben im Internet mit Ostprodukten<br />

aller Art. Ob das ausreicht, den<br />

„Ostprodukte“-Boom aufrecht zu erhalten,<br />

bleibt abzuwarten. Das Erfurter Institut für<br />

angewandte Marketing- und Kommunikationsforschung<br />

(IMK) attestierte den Herstellern<br />

von Ostprodukten bereits vor einigen<br />

Jahren in einer vom Mitteldeutschen<br />

Rundfunk initiierten Studie einen mangelnden<br />

Einsatz für die Erschließung neuer<br />

Käuferschichten. Es fehle, so heißt es<br />

in der Studie, an der gezielten Ansprache<br />

nachrückender Zielgruppen.<br />

Der Dresdner Wirtschaftsexperte Ragnitz<br />

kommt daher zu dem Schluss, dass<br />

die „Ostprodukte“-Bewegung ihren Zenit<br />

mittlerweile überschritten hat: „Die Bewerbung<br />

eines Produkts als ‚Ostprodukt‘<br />

wird vermutlich immer weniger erfolgversprechend<br />

sein, denn Käufer, die mit einer<br />

Marke vertraut sind, die noch aus der<br />

DDR stammt, wird es künftig immer weniger<br />

geben. Insoweit ist die Markenbezeichnung<br />

‚Ostprodukt‘ sicherlich ein Auslaufmodell.<br />

Hinzu kommt, dass eine Unternehmensstrategie,<br />

die nur auf einen<br />

möglichen ‚Ost-Bonus‘ setzt, sich ganz offensichtlich<br />

auf einen Nischenmarkt beschränkt<br />

– große Wachstumssprünge sind<br />

da jedoch nicht erreichbar.“ W+M<br />

Mit Badusan-Schaumbad sind viele Generationen zu DDR-Zeiten<br />

aufgewachsen.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


28 | W+M TITEL<br />

Rügener Badejunge<br />

Deutschlands Marktführer bei Camembert<br />

Das Markenlogo von Deutschlands<br />

Camembert Nummer eins weckt<br />

Erinnerungen – an Ostseestrand,<br />

Sonne und Meer. Der „Rügener Badejunge“<br />

trägt ein Segelschiff unterm linken<br />

Arm. Der auf Deutschlands größter<br />

Insel gereifte Camembert ist besonders<br />

bei Sachsen und Thüringern<br />

beliebt, die es im Sommer in<br />

Scharen an die Küste zieht.<br />

Vor allem überzeugt der Camembert<br />

mit seinem ostseefrischen<br />

Geschmack. „Das<br />

handwerkliche Know-how<br />

dafür war in den Wirren des<br />

Zweiten Weltkrieges auf der<br />

Insel gelandet“, sagt Wolfgang<br />

Lüth, Werkleiter der<br />

Molkerei Bergen auf Rügen,<br />

wo jährlich über 3.500 Tonnen<br />

Camembert produziert werden. Einige<br />

Käse-Fachleute aus dem pommerschen<br />

Stolp blieben nach der Flucht aus dem Osten<br />

auf der Insel Rügen. Sie hatten in Stolp<br />

(heute das polnische Slupsk) den Camembert<br />

„Stolper Jungchen“ hergestellt. In Bergen<br />

wurde das Jungchen zu Beginn der<br />

Der einzige runde „Rügener Badejunge“ im 250-Gramm-Pack.<br />

1950er Jahre zum „Rügener Badejungen“.<br />

Sieben Rügener Molkerei-Genossenschaften<br />

entschlossen sich damals, gemeinsam<br />

eine Molkerei zu betreiben und vornehmlich<br />

auf Camembert zu setzen.<br />

Seit 2011 gehört die Molkerei Bergen zum<br />

Branchenkonzern Deutsches Milchkontor<br />

(DMK) in Bremen. Der Camembert von<br />

Rügen fällt auf durch sein ovales Format.<br />

Ein Alleinstellungsmerkmal des „Rügener<br />

Badejungen“ in Deutschland (bundesweiter<br />

Marktanteil 14 Prozent). Als einziger<br />

heimischer Camembert-Hersteller bieten<br />

die Bergener den Käse in dieser eigenwilligen<br />

Form (150 Gramm) an. Im Standardsortiment<br />

gibt es ihn in drei Fettstufen (30,<br />

45 und 60 Prozent). Nur das 250-Gramm-<br />

Stück (45 Prozent Fett) ist rund.<br />

Thomas Schwandt<br />

Grabower Süsswaren<br />

Traditionsreiche Leckerei aus dem Norden<br />

Das Rezept für den Original-Schokokuss<br />

aus Grabow ist einfach<br />

und zeitlos. Aus Ei geschlagener<br />

Schaum auf Waffelboden mit knackigem<br />

Schokoladenüberzug. Darin liegt<br />

vermutlich begründet, warum sich die<br />

leichte Leckerei seit vielen Jahrzehnten<br />

ungebrochener Beliebtheit bei Jung und<br />

Alt erfreut. Pro Jahr werden heutzutage<br />

in dem 6.000-Einwohner-Städtchen Grabow,<br />

südlich von Schwerin an der Elde gelegen,<br />

bis zu zwei Milliarden Schaumküsse<br />

in verschiedenen Varianten produziert,<br />

wie Simone Koltzau, Werkmanagerin der<br />

Grabower Süsswaren GmbH, informiert.<br />

Der Ursprung der Firma geht auf die Gründung<br />

einer Backstube im Jahr 1835 in<br />

Grabow zurück. Zu DDR-Zeiten war das<br />

Unternehmen 1951 zu Volkseigentum<br />

deklariert worden und erlangte vor allem<br />

durch die Produktion handgemachter<br />

Schaumküsse eine große<br />

Popularität weit über<br />

den Norden der Republik<br />

hinaus. Mit nachhaltiger<br />

Wirkung. In Deutschland<br />

sind heute „Schaumküsse<br />

mit deutlichem Hinweis<br />

auf ,Grabower‘ besonders<br />

gefragt“, sagt<br />

Simone Koltzau.<br />

Neben dem Klassiker-<br />

Schokokuss hat Grabower<br />

Süsswaren in den<br />

mehr als zwei Jahrzehnten<br />

seit der Privatisierung 1991 mit neuen<br />

Produkten die Schaumkuss-Palette erweitert.<br />

Dazu gehören Küsschen mit Zipfel,<br />

Mini-Schokoküsse und saisonale Innovationen.<br />

Der Hersteller in Grabow wurde<br />

2010 von Continental Bakeries übernommen,<br />

einem europaweit agierenden<br />

Die Krönung: Der Ei-Schaum wird mit Schokolade überzogen.<br />

Backwaren-Konzern mit Hauptsitz im niederländischen<br />

Dordrecht. Der wichtigste<br />

Markt für Grabower Schokoküsse ist<br />

Deutschland, sie werden jedoch weltweit<br />

vertrieben, besonders stark in Europa.<br />

Thomas Schwandt<br />

Fotos: Thomas Schwandt (oben), Continental Bakeries (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


OSTPRODUKTE | 29<br />

Ostdeutsche Biere<br />

Vom Ladenhüter zum Exportschlager<br />

Dank finanzkräftiger Mutterkonzerne<br />

und massiver TV-Präsenz genießen<br />

ostdeutsche Biermarken<br />

heute bundesweite Popularität. Zu den<br />

zehn in Deutschland bekanntesten Ostmarken<br />

zählen gleich vier Biere.<br />

Foto: Radeberger Gruppe KG, Frankfurt<br />

Dabei musste gerade die Brauereiwirtschaft<br />

im Osten Deutschlands nach der<br />

Wiedervereinigung erhebliche Einbußen<br />

hinnehmen. In Sachsen etwa hatte sich<br />

die Zahl der Brauereien bis Mitte der 90er<br />

Jahre nahezu halbiert – der Run auf die<br />

zuvor unerreichbaren Westbiere kostete<br />

vielen lokalen Brauereien die Existenz.<br />

Zudem waren die Biermarken zwischen<br />

Ostsee und Erzgebirge oftmals schlecht<br />

beleumundet – geschuldet war dies allerdings<br />

selten mangelnder Braukunst, sondern<br />

meist veralteter Technik und fehlender<br />

Qualität der Rohstoffe.<br />

Doch mittlerweile trinken die Ostdeutschen<br />

gerne wieder das Bier aus der Heimat.<br />

So werden heute nach Angaben des<br />

Sächsischen Brauerbundes drei Viertel<br />

des im Freistaat konsumierten Bieres<br />

auch vor Ort produziert. Das Brauereisterben<br />

in Sachsen ist so Geschichte. Mit 57<br />

hat die Zahl der Braustätten wieder das<br />

Vorwendeniveau erreicht, wenn auch die<br />

Hälfte davon nur als kleine Hausbrauereien<br />

produzieren.<br />

Zu den Gewinnern auf dem gesamtdeutschen<br />

Biermarkt zählt zweifelsohne das<br />

Schwarzbier aus dem thüringischen Bad<br />

Köstritz. Dank der Übernahme durch die<br />

rheinland-pfälzische Bitburger-Braugruppe<br />

1991 konnte die Köstritzer Schwarzbierbrauerei<br />

GmbH frühzeitig in die Modernisierung<br />

der Brautechnik investieren.<br />

Ab 1993 konzentrierten sich die Thüringer<br />

auf Schwarzbiere, im Westen zu dieser<br />

Zeit ein Nischenprodukt.<br />

Mehr als die Hälfte ihres Bierausstoßes<br />

liefern die Thüringer heute in den Westen.<br />

Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen<br />

in 13 von 16 Bundesländern<br />

Ostdeutscher Markenerfolg: Radeberger Bier.<br />

die Marktführerschaft beim Schwarzbier<br />

übernommen. Und dank der Vertriebsstrukturen<br />

des Mutterkonzerns wird das<br />

Bier aus der Kleinstadt an der Weißen<br />

Elster in 60 Länder exportiert. So gilt<br />

Köstritzer laut der aktuellen West-Ost-<br />

Markenstudie von MDR-Werbung im<br />

Westen der Republik als bekannteste<br />

Thüringer Marke noch vor Vita-Cola und<br />

Nordhäuser Doppelkorn.<br />

Eine noch eindrucksvollere Erfolgsgeschichte<br />

schrieb die Radeberger Exportbierbrauerei<br />

GmbH. Das konsequent<br />

als Premium-Pils vermarktete Bier hat<br />

sich 2002 sogar zum Namensgeber der<br />

größten deutschen Brauereigruppe aufgeschwungen.<br />

Zu der zum Oetker-Konzern<br />

gehörenden Radeberger-Gruppe<br />

zählen etwa Biermarken wie Jever Pilsner<br />

oder Dortmunder Union. Auch wenn<br />

der Firmensitz weiterhin in Frankfurt/<br />

Main residiert – die Namensgebung signalisiert,<br />

welch guten Ruf die sächsische<br />

Traditionsmarke deutschlandweit<br />

genießt. Radeberger kennen laut MDR-<br />

Studie 88 Prozent der Ost- und 77 Prozent<br />

der Westdeutschen. Beim Bierausstoß<br />

lag Radeberger laut Branchendienst<br />

INSIDE-Getränke 2015 bundesweit an<br />

neunter Stelle.<br />

In dieser Hitliste der deutschen Biere findet<br />

sich das laut Eigenwerbung „Bier der<br />

Kanzler und Könige“ in ostdeutscher Gesellschaft.<br />

Denn auf Platz acht beim Bierausstoß<br />

rangiert Hasseröder mit einem –<br />

allerdings rückläufigen – Produktionsvolumen<br />

von 2,25 Millionen Hektolitern. Die<br />

Harzer Biermarke mit dem charakteristischen<br />

Auerhahn auf dem Etikett wurde<br />

nach 1990 von der hannoverschen Gilde-<br />

Brauerei übernommen.<br />

Das Bier aus Wernigerode, einst in der<br />

DDR nur regional erhältlich, profilierte sich<br />

bundesweit durch konsequentes öffentlichkeitswirksames<br />

Sport-Sponsoring, vor<br />

allem im Profiboxen. Heute ist der Marktführer<br />

in Ostdeutschland eine von vielen<br />

Marken im Portfolio des in Belgien ansässigen<br />

Weltmarktführers Anheuser-Busch<br />

InBev und muss sich angesichts der Fusion<br />

des Biergiganten mit der weltweiten<br />

Nummer zwei SABMiller in dem internationalen<br />

Mega-Konzern neu bewähren.<br />

Matthias Salm<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


30 | W+M TITEL OSTPRODUKTE<br />

Spreewälder Gurken<br />

Auch in China geschätzt<br />

Eine Story aus den 90ern: Einzeln in<br />

Dosen verpackt wurden Spreewaldgurken<br />

beim Besuch einer Wirtschaftsdelegation<br />

arabischen Scheichs<br />

überreicht. Ein Marketinggag, der Export<br />

in die arabische Welt ist überschaubar geblieben.<br />

Zu Hause jedoch erfreuen sich<br />

die Erzeugnisse aus dem Spreewald großer<br />

Beliebtheit.<br />

Seit 1999 gilt der Schutzstatus der EU<br />

für Spreewälder Gurken und Spreewälder<br />

Meerrettich. Dieser verlangt, dass im<br />

verarbeiteten Erzeugnis mehr als 70 Prozent<br />

Gurken aus kontrolliert-integriertem<br />

Anbau im Spreewald enthalten sind. Zahlreiche<br />

Firmen produzieren das Markenzeichen<br />

der Region, darunter die RABE<br />

Spreewälder Konserven GmbH & Co.<br />

KG in Boblitz, einem Ortsteil von Lübbenau.<br />

Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr<br />

1898 zurück. 1979 übernahm Rainer Belaschk<br />

die Leitung der Konservenfabrik,<br />

1992 wurde sie als GmbH mit dem Kürzel<br />

RA(iner) BE(laschk) umbenannt. Inzwischen<br />

hält Sohn Markus Belaschk die Geschicke<br />

der Firma mit rund 60 Mitarbeitern<br />

in der Hand.<br />

RABE-Erzeugnisse finden die Kunden<br />

heute deutschlandweit in den Regalen<br />

großer Handelseinrichtungen, ein Teil der<br />

rund 2.000 Tonnen Jahresproduktion geht<br />

nach Belgien, China und Japan. „Im Laufe<br />

der Generationen sind die Rezepturen<br />

ständig weiterentwickelt und verfeinert<br />

worden“, unterstreicht Geschäftsführer<br />

Markus Belaschk. „Dabei orientieren wir<br />

uns auf möglichst wenige Zusätze bei der<br />

Gemüseverarbeitung und nutzen frische<br />

Spreewaldgurken kommen in die Dose.<br />

Kräuter aus eigenem Anbau. Bei neuen<br />

Produkten, wie unseren Sweet-Chili-Gurken<br />

und Curry-Gurken, verwenden wir die<br />

wertvolle Thermal-Sole aus den Tiefen<br />

des Spreewaldes für den Aufguss.“ <br />

Dr. Ulrich Conrad<br />

Werder Ketchup<br />

Die Tradition lebt<br />

Abfüllung von Werder-Ketchup.<br />

Natürlich ließen sich auf der Grünen<br />

Woche Ende Januar in Berlin wieder<br />

tausende Besucher Ketchup<br />

von Werder Feinkost schmecken. Bereits<br />

seit 1958 sind die Werderaner auf Tomatenketchup<br />

spezialisiert. Die Werder Feinkost<br />

GmbH setzt auf eine über 140-jährige<br />

Firmentradition mit modernen Produktionsanlagen<br />

und zahlreichen neuen<br />

Produkten.<br />

Das inhabergeführte Unternehmen<br />

ist absoluter Marktführer<br />

in Berlin, Brandenburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Sachsen-Anhalt und zählt<br />

zu den Top vier der Ketchup-<br />

Hersteller in der Bundesrepublik.<br />

Zunehmend kommen<br />

auch West- und Süddeutsche<br />

auf den Geschmack. „Die Basis<br />

unseres Erfolgs ist das<br />

Team aus 57 erfahrenen und<br />

qualifizierten Mitarbeitern“,<br />

sagt Prokurist Tim Walter.<br />

„Wir verarbeiten ausschließlich<br />

hochwertige, nicht genmanipulierte<br />

Rohstoffe und<br />

Zutaten. So werden wir dem gestiegenen<br />

Umwelt- und Qualitätsbewusstsein<br />

der Verbraucher gerecht.“ Ketchup von<br />

Werder Feinkost ist lactose- und glutenfrei,<br />

ohne Farb- und Konservierungsstoffe<br />

sowie Geschmacksverstärker.<br />

Ein lückenloses Kontroll- und Dokumentationssystem<br />

entlang der gesamten Produktionskette<br />

stellt sicher, dass jeder Schritt<br />

transparent nachvollziehbar ist. Das Unternehmen<br />

ist nach dem International Food<br />

Standard, Version 6 zertifiziert und besitzt<br />

das Bio-Siegel. Auf der Grünen Woche<br />

wurden wieder Neuentwicklungen vorgestellt:<br />

„Mediterrano Sensation“, „Asia<br />

Thai Sensation“ sowie „Veggie Bolognese“<br />

und „Paprika Sauce“. Sie bringen neue<br />

Geschmacksnuancen in die Produktpalette<br />

und liegen im Trend der Zeit von veganer<br />

und vegetarischer Ernährung.<br />

Dr. Ulrich Conrad<br />

Fotos: RABE (oben), Werder Feinkost (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


UNSERE REGION.<br />

UNSERE VERANTWORTUNG.<br />

UNSERE ENERGIE.<br />

enviaM und MITGAS gestalten gemeinsam<br />

die EnergieZukunft für Ostdeutschland.


32 | W+M TITEL<br />

Mifa<br />

Fahrradschmiede startet durch<br />

Die Legende kennt kein Ende. Seit<br />

1907 werden in Sangerhausen Fahrräder<br />

gebaut. Ab 1990 folgte jedoch<br />

ein Auf und Ab mit wechselnden Investoren.<br />

Dennoch blieb Mifa Deutschlands<br />

größter Fahrradhersteller. Allein 2004 liefen<br />

737.000 Drahtesel vom Band. Doch als<br />

sich 2014 ein avisierter indischer Großaktionär<br />

zurückzog, wurde die Zahlungsunfähigkeit<br />

unausweichlich.<br />

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt – und<br />

diesmal kam sie nicht von außen. So betrieb<br />

die Fahrradschmiede die Insolvenz in<br />

Eigenverwaltung, was deutlich die Chancen<br />

erhöhte. Und zudem stand bald ein<br />

Retter bereit, der auch in Sachsen-Anhalt<br />

verwurzelt ist: Heinrich von Nathusius, der<br />

mit seiner Familie bereits in Haldensleben<br />

den Automobilzulieferer IFA Rotorion erfolgreich<br />

sanierte. Er<br />

übernahm Mifa Ende<br />

2014 und treibt seither<br />

große Pläne voran.<br />

Derzeit entsteht<br />

am Rande von Sangerhausen<br />

ein modernes<br />

Fahrradwerk, das<br />

ganz auf Zukunft gestrickt<br />

ist – am alten<br />

Standort in der Innenstadt sah der Investor<br />

kein Wachstumspotenzial mehr.<br />

Mifa: Deutschlands größter Fahrradhersteller im sachsenanhaltischen<br />

Sangerhausen.<br />

Im September beginnt im neuen Werk die<br />

Montage der Bikes. So wurde auch keiner<br />

der 550 Mitarbeiter entlassen. Denn wer<br />

sich selbst hilft, dem hilft – nicht nur – der<br />

Himmel. So beteiligt sich das Land an der<br />

19 Millionen teuren Gesamtinvestition mit<br />

2,85 Millionen Euro, die Stadt Sangerhausen<br />

erweiterte zuvor das entsprechende<br />

Gewerbegebiet – und nun konnte Mifa sogar<br />

einen ersten Großinvestor an Land ziehen:<br />

Peugeot lässt hier bald 100.000 Bikes<br />

pro Jahr fertigen. „Bisher wird ein Großteil<br />

der Räder für den deutschen Markt in<br />

Asien gefertigt, diese Hersteller wollen wir<br />

ablösen“, so von Nathusius zuversichtlich.<br />

Harald Lachmann<br />

Multicar<br />

Der kompakte Alleskönner<br />

Die Letzten werden die Ersten sein,<br />

dachte mancher vielleicht 1990 in<br />

Waltershausen. Denn unter den<br />

Marken des IFA-Fahrzeugkombinates<br />

wurde vor der Wende wohl keiner milder<br />

belächelt als der angejahrte Multicar.<br />

Der neue Multicar M31 aus Waltershausen.<br />

Doch überlebt hat bekanntlich nur der<br />

seit 1959 hier gebaute Kommunaltransporter.<br />

Denn er konnte schon damals viel<br />

– und heute beherrscht er praktisch alles:<br />

räumen, wässern, streuen, saugen,<br />

bürsten, mähen, schneiden, putzen, hämmern,<br />

bohren, pumpen oder<br />

schleppen.<br />

Dank einer ausgeklügelten<br />

Systemplattform können<br />

die vier Baureihen – Tremo,<br />

Fumo mit Doppelkabine,<br />

M27 und M31 – mehr als<br />

300 Geräte und Aufbauten<br />

schultern. Der im Thüringer<br />

Unternehmen gern benutzte<br />

Slogan „Ein Fahrzeug –<br />

ein ganzer Fuhrpark“ übertreibt<br />

offenkundig nicht. Und<br />

auf keinem der multifunktionalen<br />

Fahrzeuge, die die<br />

knapp 200 Mitarbeiter in einem<br />

Mix aus Serienbetrieb und Manufaktur<br />

fertigen, bleibt man sitzen. Denn jedes<br />

der kompakten Universalmobile entsteht<br />

auf speziellen Kundenwunsch. In etwa acht<br />

bis zehn Wochen sei praktisch alles individuell<br />

lieferbar, heißt es im Werk in Waltershausen,<br />

das seit 1998 zur Hako GmbH in<br />

Bad Oldesloe gehört. Die Norddeutschen<br />

bauten den Thüringer Standort seinerzeit<br />

zum Kompetenzzentrum für Geräteträger<br />

und Kleintransporter aus.<br />

Dass Multicar auch in der Marktwirtschaft<br />

schnell Boden unter die Räder bekam, war<br />

maßgeblich dem hohen persönlichen Engagement<br />

sehr vieler Mitarbeiter zu verdanken,<br />

allen voran den späteren Geschäftsführern<br />

Walter Botschatzki und Manfred<br />

Windus. Sie hatten nicht abgewartet, bis<br />

sie jemand kauft, sondern sofort selbst die<br />

Privatisierungsinitiative ergriffen.<br />

Harald Lachmann<br />

Fotos: Mifa (oben), Hako-Gruppe (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


OSTPRODUKTE | 33<br />

Uhren aus Glashütte<br />

Hier lebt die Zeit<br />

Fotos: KittyKat/fotolia.com (oben), Stadtverwaltung Glashütte (unten)<br />

Die edlen Uhren aus dem Erzgebirgsstädtchen<br />

Glashütte sind natürlich<br />

keine Dinge, die in die Kategorie der<br />

klassischen Ostprodukte passen. Sie sind<br />

vielmehr Premium- und Luxusprodukte,<br />

die von zahlungskräftiger Kundschaft in aller<br />

Welt erworben werden. Allerdings ist<br />

die Kleinstadt Glashütte seit 170 Jahren<br />

international bekannt für meisterlich gefertigte<br />

Uhren. Eine Tradition, die auch zu<br />

DDR-Zeiten gepflegt fortgesetzt wurde.<br />

Die Erfolgsgeschichte der Uhrmacherstadt<br />

begann im Jahr 1845, als sich der<br />

sächsische Uhrmachermeister Ferdinand<br />

Adolph Lange in Glashütte niederließ. Er<br />

war einem Aufruf der königlich-sächsischen<br />

Regierung gefolgt, von der er 7.000<br />

Taler Anschubfinanzierung erhalten hatte.<br />

Zunächst wählte er feinmotorisch talentierte<br />

Bergarbeiter und Strohflechter<br />

aus und schulte sie zu Uhrmachern um.<br />

Ab 1875 bildete die Uhren- und feinmechanische<br />

Industrie das wirtschaftliche<br />

Rückgrat des Ortes. Auch, weil<br />

die Deutsche Uhrmacherschule<br />

Glashütte, die von<br />

1878 bis 1956 existierte,<br />

Jahr für Jahr qualifizierten<br />

Nachwuchs<br />

entwickelte. Zu den<br />

bekanntesten Firmen<br />

gehörten A. Lange &<br />

Bürgermeister von Glashütte:<br />

Markus Dreßler.<br />

Söhne, Union Glashütte und J. Assmann<br />

Deutsche Anker-Uhren-Fabrik Glashütte.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die<br />

Uhrenhersteller enteignet und die Uhrenfertigung<br />

im VEB Glashütter Uhrenbetriebe<br />

zusammengefasst. Das Staatsunternehmen<br />

hatte die Aufgabe, nicht nur die<br />

DDR-Bürger, sondern den gesamten Ostblock<br />

mit (preiswerten) Uhren verschiedenster<br />

Art zu beliefern. Einzelne Armbanduhrkollektionen<br />

wurden auch in die<br />

Bundesrepublik exportiert.<br />

Erst nach der deutschen Einheit erlebten<br />

dann die bekannten Uhrenmarken eine Renaissance.<br />

Ein wichtiger Meilenstein war<br />

1990 die Neugründung der Firma Lange<br />

durch den Urenkel von Ferdinand Adolph<br />

Lange, Walther Lange. Seit 1991 fertigt<br />

Nomos Glashütte mechanische Uhren vor<br />

Ort. Zu den weiteren Uhrenmarken zählen<br />

Union Glashütte, das Bruno Söhnle<br />

Uhrenatelier, Tutima, Moritz Grossmann<br />

sowie der Hamburger Edel-Juwelier<br />

Wempe. Die Glashütter<br />

Uhrenbetrieb GmbH,<br />

die 1990 aus dem VEB<br />

Glashütter Uhrenbetriebe<br />

hervorgegangen<br />

war, wurde im<br />

Jahr 2002 von der<br />

Swatch Group AG<br />

übernommen, die am<br />

Standort die exklusive<br />

Marke Glashütte Original<br />

herstellt.<br />

Für die im Müglitztal gelegene Stadt mit<br />

ihren knapp 7.000 Einwohnern sind die Uhrenmanufakturen<br />

ein Segen. Daher wirbt<br />

die Kommune launig mit dem Spruch:<br />

„Glashütte – hier lebt die Zeit“. Bürgermeister<br />

Dreßler: „Viele Unternehmen sind<br />

in den vergangenen Jahren gewachsen,<br />

neue haben sich angesiedelt, es wurde<br />

1<br />

viel investiert. Davon profitieren wir natürlich<br />

auch als Stadt – die Steuereinnahmen<br />

haben Rekordniveau.“ Die Finanzen der<br />

Gemeinde sind geordnet, die Infrastruktur<br />

ist intakt, Schulen und Kindergärten saniert<br />

10<br />

und die Feuerwehr ist modern ausgestattet.<br />

1.700 Arbeitskräfte stehen bei den<br />

Uhrenfirmen direkt in Lohn und Brot. Darüber<br />

hinaus wirkt sich der boomende Industriezweig<br />

auch auf andere Handwerksbetriebe<br />

und Dienstleister in der Region<br />

aus, 9ganz zu schweigen von Gastronomie<br />

und Hotels, die vom Touristenansturm auf<br />

die Uhrenmetropole im Erzgebirge profitieren.<br />

Aktuell suchen die Stadtväter händeringend<br />

nach einem Investor, der in Glashütte<br />

ein neues Hotel errichtet.<br />

Erst jüngst wurde Glashütte vom Ostdeutschen<br />

Sparkassenverband mit dem<br />

7<br />

Titel „Kommune des Jahres 2015“ ausgezeichnet.<br />

Dieser Preis wird Städten und<br />

Gemeinden verliehen, die durch ihre kommunale<br />

Wirtschaftsförderung die Standortattraktivität<br />

steigern konnten und die<br />

Ansiedlung von Unternehmen unterstützt<br />

haben.<br />

Karsten Hintzmann<br />

4<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


34 | W+M TITEL<br />

Porzellan aus Meißen und Kahla<br />

Geschirr zwischen Luxus<br />

und Alltag<br />

Kahlas Dîner-Kollektion in schlichtem Design.<br />

Modernes Kaffee-Set aus Meissen: das Royal Palace.<br />

In ihrer mehr als dreihundertjährigen<br />

Geschichte gelangte die Porzellanherstellung<br />

in Deutschland weltweit zu<br />

Ruhm. Nachdem 1708 das erste europäische<br />

Hartporzellan in Dresden erzeugt<br />

wurde, entwickelten sich im Laufe der<br />

Zeit mehrere Erfolgsgeschichten.<br />

Die Porzellanmanufaktur in Meißen –<br />

die erste Europas – musste, seit ihrer<br />

Gründung 1710, viele Wechselfälle der<br />

Geschichte miterleben: Kriege, Wirtschaftskrisen,<br />

politische Veränderungen.<br />

Trotz aller Hürden bewahrte sich<br />

das Meissner Porzellan seine hohe Qualität.<br />

An das Material sind ebenso hohe<br />

Ansprüche gerichtet wie an die auszubildenden<br />

Maler und Bossierer. War die<br />

Zahl der Mitarbeiter zu Beginn im 18.<br />

Jahrhundert noch sehr klein, um das Geheimnis<br />

des Porzellans zu bewahren, so<br />

beschäftigte die Manufaktur als Volkseigener<br />

Betrieb in der DDR etwa 1.800<br />

Angestellte.<br />

Auch die Wirren der Wendezeit hat die<br />

Porzellanmanufaktur überstanden. Seit<br />

1991 ist der Freistaat Sachsen Gesellschafter<br />

der Staatlichen Porzellanmanufaktur<br />

Meissen GmbH und beschäftigt<br />

heute rund 640 Mitarbeiter. Inzwischen<br />

wird nicht mehr nur Porzellan hergestellt,<br />

sondern beispielsweise auch<br />

Kleidung, Uhren, Schmuck und Inneneinrichtung.<br />

Ziel war es, ein internationales<br />

Luxus- und Lifestyle-Unternehmen<br />

aus der Porzellanmanufaktur zu machen.<br />

In den letzten Jahren hat Meissen<br />

mit einem starken Umsatzrückgang zu<br />

kämpfen. Tillmann Blaschke, seit 2015<br />

Geschäftsführer, sieht sich vor der großen<br />

Aufgabe, das Unternehmen aus<br />

den roten Zahlen zu holen. Deshalb stehen<br />

nun alle Geschäftsbereiche auf dem<br />

Prüfstand. Trotz dieser Krise ist die ehemals<br />

„Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische<br />

Porzellan-Manufaktur“<br />

eine so traditionsreiche Marke, dass das<br />

Land Sachsen sie auf keinen Fall aufgeben<br />

will und kann.<br />

Im Jahre 1844 wurde in Thüringen<br />

die Porzellanfabrik Kahla gegründet.<br />

Schnell stieg sie zur größten Porzellanfabrik<br />

Thüringens auf und setzte sich<br />

am Markt mit dem in vielen Haushalten<br />

benutzten Seriengeschirr durch. In<br />

der DDR lag in Kahla die zentrale Porzellanherstellung.<br />

Nach der Wende wurde<br />

das Unternehmen von der Treuhand privatisiert<br />

und musste bereits 1993 Konkurs<br />

anmelden. Im Jahr darauf wurde<br />

vom ehemaligen Rosenthal-Vorstand<br />

Günther Raithel als mehrheitlichem Gesellschafter<br />

– 49 Prozent lagen bei der<br />

Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft<br />

– die KAHLA/Thüringen Porzellan<br />

GmbH gegründet. Raithel modernisierte<br />

und baute das Unternehmen um<br />

– von den Fertigungsanlagen über Produktionsprozesse<br />

bis hin zur Produktpalette.<br />

Im Jahr 2000 konnte die Familie<br />

Raithel die restlichen Anteile übernehmen.<br />

Seitdem ist es ein reines Familienunternehmen.<br />

Heute ist Kahla mit<br />

seinen rund 300 Mitarbeitern und einem<br />

starken Umsatzwachstum von 36<br />

Prozent sowie einem Exportanteil von<br />

rund 40 Prozent einer der erfolgreichsten<br />

deutschen Porzellanhersteller.<br />

Adrian M. Darr<br />

Fotos: Kahla (oben), Meissen (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


OSTPRODUKTE | 35<br />

Halloren<br />

Die „Volkspraline“ schmeckt noch immer<br />

Die Halloren Schokoladenfabrik AG in<br />

Halle stellt mit ihren rund 650 Beschäftigten<br />

120 verschiedene Produkte<br />

her und erwirtschaftet einen Jahresumsatz<br />

von rund 122 Millionen Euro<br />

(2013). Ein Viertel des Umsatzes wird im<br />

Ausland – vorrangig in Dänemark, Kanada<br />

und Rumänien – generiert. Doch das<br />

Flaggschiff ist unverändert ein Erzeugnis,<br />

das schon die Konsumenten in der DDR<br />

verzauberte – die legendären Hallorenkugeln.<br />

Die rundlichen braunen Pralinen<br />

erhielten ihren Namen, so besagt es der<br />

Volksmund, in Anlehnung an die in Vorzeiten<br />

in der Saalestadt tätigen Salzwirker,<br />

seinerzeit Halloren genannt. Weil die aus<br />

Sahne und Schokolade gefertigten Pralinen<br />

in ihrer Form an die Silberknöpfe an<br />

den Jacken der Halloren erinnern sollen.<br />

Das von Friedrich August Miethe als Kakao-<br />

und Schokoladenfabrik in Halle gegründete<br />

Unternehmen wurde 1804 zum<br />

ersten Mal erwähnt. Zu DDR-Zeiten wurde<br />

die Fabrik in das Süßwarenkombinat Halle<br />

eingegliedert und erhielt 1952 den Namen<br />

„Halloren“, angelehnt an die alte Bruderschaft<br />

der Salzwirker. Nach der Wende<br />

verkaufte die Treuhandanstalt das Unternehmen<br />

an die Halloren Beteiligungsgesellschaft<br />

Hannover. Im Jahr 2007 wurde<br />

das Unternehmen in die Halloren Schokoladenfabrik<br />

AG umgewandelt.<br />

Aus dem einstigen „Volkspralinenhersteller“<br />

ist im Laufe der Jahre ein innovativer<br />

und international aufgestellter Süßwarenkonzern<br />

geworden, der sein Portfolio durch<br />

interessante Unternehmenszukäufe, wie<br />

etwa die 1880 gegründete Confiserie Dreher<br />

aus München (Mozartkugeln) oder die<br />

Weibler Confiserie & Chocolaterie GmbH in<br />

Cremlingen, qualitativ erweitert hat.<br />

Unverändert hoch im Kurs:<br />

Halloren-Kugeln.<br />

Karsten Hintzmann<br />

Kathi<br />

Tortenmehl mit Kultstatus<br />

Fotos: Halloren Schokoladenfabrik AG (oben), Kathi (unten)<br />

Als 1953 die erste Packung „Tortenmehl“<br />

im Hallenser Kathi Nährmittelwerk<br />

vom Band lief, konnten die<br />

Unternehmensgründer Kaethe und Kurt<br />

Thiele nicht ahnen, dass dieses Produkt<br />

auch gut 60 Jahre später im Sortiment sein<br />

würde und bis heute Kultstatus genießt.<br />

Marco Thiele leitet das Unternehmen in dritter Generation.<br />

Zu DDR-Zeiten brachten es die diversen<br />

Kuchenmehl-Variationen zu republikweiter<br />

Bekanntheit. Ganze Generationen wuchsen<br />

mit den unkompliziert handhabbaren<br />

Backmischungen auf. Nicht nur in der DDR<br />

– schon damals exportierte man ins europäische<br />

Ausland.<br />

Die findigen Unternehmensgründer<br />

selbst durften ihre<br />

Firma indes nur<br />

zwei Jahrzehnte<br />

leiten. Im Jahr 1972<br />

ereilte die Familie<br />

Thiele ein Schicksal,<br />

das sie mit vielen<br />

DDR-Unternehmern<br />

teilte – sie<br />

wurde vom Staat<br />

enteignet, der Betrieb<br />

verstaatlicht.<br />

Allerdings blieb der Markenname Kathi<br />

geschützt.<br />

Im Jahr 1992 gelang Rainer Thiele, dem<br />

Sohn der Firmengründer, die Reprivatisierung.<br />

Es wurde investiert, umgebaut und<br />

umgezogen. Und Kathi begab sich erneut<br />

auf Siegeszug. 90 Mitarbeiter stellen heute<br />

rund 70 verschiedene Produkte her und<br />

erwirtschaften damit einen Jahresumsatz<br />

von rund 29 Millionen Euro – längst nicht<br />

nur in den neuen Ländern, sondern weltweit.<br />

Rainer Thiele wurde für seine Leistungen<br />

vielfach ausgezeichnet – etwa mit<br />

dem Innovationspreis Ost (1998), dem<br />

Bundesverdienstkreuz am Bande (1999),<br />

den Titeln „Unternehmer des Jahres“<br />

(2006) und „Optimist des Jahres“ (2006).<br />

Inzwischen wird Kathi in dritter Generation<br />

geführt, von Marco Thiele.<br />

Karsten Hintzmann<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


36 | W+M TITEL OSTPRODUKTE<br />

Suhler Jagd- und Sportwaffen<br />

Thüringer Präzision<br />

Eine Waffe, die ausgerechnet in den<br />

USA zur „Gun of the Year“ gekürt<br />

wird, zum Jagdgewehr des Jahres,<br />

muss schon einiges zwischen Schaft und<br />

Lauf zu bieten haben. Die Repetierbüchse<br />

Helix aus der Merkel Jagd- und Sportwaffen<br />

GmbH hat dies offenbar. Experten<br />

loben die schlanke Thüringerin, die<br />

sich gegen reichlich Konkurrenz durchsetzte,<br />

für ihr lineares Repetieren, eine<br />

hohe Sicherheit, Führigkeit und Präzision.<br />

Die Suhler haben es nicht verlernt. Bereits<br />

seit dem 15. Jahrhundert werden<br />

hier Waffen geschmiedet – und bis heute<br />

lebt diese einzigartige Tradition fort.<br />

Nicht ohne Grund nahm hier nach der Einheit<br />

auch der Bundesinnungsverband der<br />

deutschen Büchsenbauer seinen Sitz –<br />

und ein Suhler ist auch hier Bundesinnungsmeister:<br />

Helmut Adamy, Büchsenmacher<br />

in siebter Generation.<br />

Die Repetierbüchse Merkel RX Helix der<br />

Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH.<br />

Allein in Suhl und dem engeren Südthüringer<br />

Umland fertigt ein halbes Dutzend<br />

Meisterbetriebe weltweit gefragte Jagdund<br />

Sportwaffen. Der größte unter ihnen<br />

ist die Firma Merkel – auch sie bereits<br />

1898 entstanden, zu DDR-Zeiten in über<br />

70 Ländern präsent und 1994 unter dem<br />

alten Namen Merkel neugegründet. Die<br />

gut 160 Mitarbeiter der Manufaktur fertigen<br />

sage und schreibe 126 verschiedene<br />

Produkte, vom Bergstutzen über Kipplaufbüchse<br />

und Bockdoppelflinte bis zu<br />

14 verschiedenen Drillingen. Beachtlich<br />

ist auch die hohe Fertigungstiefe für traditionelle<br />

Jagdwaffen, die Schäfte, Schlosse,<br />

Systeme, Läufe und Gravuren aus eigener<br />

Herstellung umfasst. Ihr Handwerk<br />

lernen die Mitarbeiter bis heute in der einzigen<br />

deutschen Schule für Büchsenmacher,<br />

die natürlich auch in Suhl lehrt. Derzeit<br />

bildet sie rund 90 angehende Büchsenmacher<br />

und Graveure aus.<br />

Harald Lachmann<br />

Keine Feier ohne Rotkäppchen<br />

Blick in die Rotkäppchen-Produktion.<br />

Rotkäppchen-Sekt war zu DDR-Zeiten<br />

zwischen Wismar und Suhl die<br />

bekannteste Sektmarke – sie durfte<br />

auf keiner Familien- oder Firmenfeier<br />

fehlen. Im Gegensatz zu unzähligen anderen<br />

Genussmitteln aus einst volkseigener<br />

Produktion überlebte Rotkäppchen nicht<br />

nur die Wende, sondern setzte sich auch<br />

unter den Regeln der Marktwirtschaft<br />

kraftvoll durch. Das Unternehmen aus<br />

dem sachsen-anhaltischen<br />

Freyburg an der<br />

Unstrut ist heute Platzhirsch<br />

auf dem deutschen<br />

Sektmarkt.<br />

Doch der Weg nach<br />

oben war lang und<br />

steinig. Die bereits<br />

1856 unter dem Namen<br />

„Kloss & Foerster“<br />

gegründete Firma<br />

produzierte zu DDR-<br />

Zeiten staatlich festgelegte<br />

15 Millionen<br />

Flaschen Sekt. Nach<br />

der deutschen Einheit<br />

brach der Rotkäppchen-Sekt-Konsum<br />

zunächst<br />

dramatisch ein,<br />

1991 gingen nur noch 2,9 Millionen Flaschen<br />

über die Ladentische. Zwei Jahre<br />

später übernahm der damalige technische<br />

Leiter Gunter Heise in einem Management-Buy-out<br />

– gemeinsam mit<br />

vier Kollegen – den maroden Staatsbetrieb<br />

von der Treuhandgesellschaft. Den<br />

größten Anteil des Kaufpreises zahlten<br />

der Unternehmer Harald Eckes-Chantré<br />

und seine Familie. Den Rest übernahmen<br />

die beteiligten fünf Geschäftsführer.<br />

Ab 1994 ging es für Rotkäppchen dann<br />

bergauf. Im Jahr 2000 wurden über 50<br />

Millionen Flaschen Sekt verkauft, damit<br />

war die Marktführerschaft in Deutschland<br />

erreicht. Im Jahr 2002 übernahmen<br />

die Freyburger den Konkurrenten Mumm<br />

und ein Jahr darauf die Edelmarke Geldermann.<br />

2014 wurden weltweit rund 116<br />

Millionen Flaschen Rotkäppchen-Sekt in<br />

sechs Varianten verkauft, der Umsatz belief<br />

sich auf mehr als 820 Millionen Euro.<br />

Karsten Hintzmann<br />

Fotos: Merkel Jagd- und Sportwaffen GmbH (oben), Harald Krieg (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


001_Titel_0315 1 23.04.2015 14:44:45<br />

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21.10.15 11:32 Uhr<br />

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W+M<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 5/2014<br />

25. Jahrgang | Heft 5 | Oktober/November 2014 | € 3,50 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />

26. Jahrgang | Heft 1-2 | März/April 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

Wende<br />

SACHSEN-ANHALT<br />

Aufbruch<br />

Blühende Landschaften?<br />

BERLIN<br />

RÜCKKEHR ZUR<br />

INDUSTRIE<br />

BRAUNKOHLE<br />

UNVERZICHTBAR<br />

FÜR DEN OSTEN<br />

RATGEBER<br />

DAS BÜRO ZUM<br />

MITNEHMEN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />

26. Jahrgang | Heft 3 | Mai/Juni 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

26. Jahrgang | Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

26. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft 5 | September/Oktober Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

BRANDENBURG<br />

ENERGIE<br />

ELEKTRISIERT<br />

MECKLENBURG-VORPOMMERN<br />

IM INTERVIEW<br />

Ministerpräsident<br />

Dietmar Woidke<br />

SACHSEN<br />

STUDIE<br />

IM INTERVIEW<br />

Ministerpräsident<br />

Erwin Sellering<br />

UNTERNEHMEN<br />

ORWO – eine<br />

Tradition lebt auf<br />

RATGEBER<br />

Tagungen und<br />

Geschäftsreisen<br />

Mittelstand im<br />

digitalen Wandel<br />

UMFRAGE<br />

Welches Auto<br />

passt zu Ihnen?<br />

Kraftakt<br />

Firmenübergabe<br />

EXKLUSIVE INTERVIEWS<br />

Bundeswirtschaftsminister<br />

Sigmar Gabriel<br />

Ministerpräsident<br />

Stanislaw Tillich<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

26. Jahrgang 26. | Jahrgang Heft 6 | November/Dezember | Heft 4 | Juli/August 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> 1-2/2015<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

27. Jahrgang 26. Jahrgang | Heft | Heft 1 | Januar/Februar 4 | Juli/August <strong>2016</strong> 2015 | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

WIRTSCHAFT+<br />

MARKT<br />

27. Jahrgang | Heft 2 | März/April <strong>2016</strong> | 5 | ZKZ 84618<br />

DAS OSTDEUTSCHE UNTERNEHMERMAGAZIN<br />

DIE<br />

WIRTSCHAFT<br />

GRÜNT<br />

THÜRINGEN<br />

BERLIN<br />

GESUNDHEITSWIRTSCHAFT<br />

EIN GESCHÄFT<br />

FÜR VIELE<br />

BRANCHEN<br />

OSTPRODUKTE<br />

DIE UNHEIMLICHE<br />

RENAISSANCE<br />

Motorenwerk Kölleda:<br />

Herz einer Region<br />

W+M<br />

mit<br />

Sachsen-Anhalt<br />

IM INTERVIEW<br />

WindNODE:<br />

Energie aus dem Norden<br />

Ministerpräsident<br />

Bodo Ramelow<br />

REPORT<br />

Rivalität auf<br />

der Ostsee<br />

RATGEBER<br />

Betriebliche<br />

Altersvorsorge<br />

IM INTERVIEW<br />

Berlins Regierender<br />

Michael Müller<br />

REPORT<br />

Eberswalder<br />

Metall-Gen<br />

RATGEBER<br />

Gutschein<br />

statt Geld<br />

Bilanz vor der Wahl:<br />

Reiner Haseloff<br />

Davos in Bad Saarow:<br />

Ostdeutsches Wirtschaftsforum<br />

Management:<br />

Der Honecker-Effekt<br />

Travel:<br />

Tipps für Geschäftsreisen<br />

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38 | W+M POLITIK<br />

ifo Geschäftsklima Ostdeutschland im Januar 2015<br />

Die Skepsis nimmt zu<br />

INDEX<br />

Das ifo Geschäftsklima für die gewerbliche Wirtschaft* der<br />

ostdeutschen Bundesländer ist zu Jahresbeginn geringfügig<br />

gestiegen. In allen Bereichen verbesserte sich die<br />

Beurteilung der gegenwärtigen Geschäftslage. Zugleich korrigierten<br />

die Befragungsteilnehmer aller Bereiche aber ihre Geschäftserwartungen<br />

für die kommenden sechs Monate nach<br />

unten, zum Teil sogar kräftig. Die ostdeutsche Wirtschaft zeigt<br />

sich zunehmend skeptischer bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung<br />

im ersten Halbjahr <strong>2016</strong>.<br />

Entsprechend deutlich eingetrübt haben sich die Aussichten für<br />

den ostdeutschen Arbeitsmarkt. Das ifo Beschäftigungsbarometer<br />

für Ostdeutschland drehte wieder in den negativen Bereich.<br />

Insbesondere in der Industrie und im Bau, aber auch im<br />

Einzelhandel planen die Befragungsteilnehmer in den kommenden<br />

drei Monaten eine Reduzierung ihres Personalbestands. Lediglich<br />

die ostdeutschen Großhändler gaben an, per Saldo ihre<br />

Beschäftigung ausweiten zu wollen.<br />

Dessen ungeachtet zeigten sich die ostdeutschen Baufirmen<br />

mit ihrer momentanen Geschäftssituation so zufrieden wie noch<br />

nie; das ifo Geschäftsklima im Bauhauptgewerbe hellte sich<br />

spürbar auf. Auch im Handel stieg der Klimaindikator merklich.<br />

Im Verarbeitenden Gewerbe verharrte er dagegen in etwa auf<br />

dem Dezember-Niveau.<br />

Michael Weber und<br />

Prof. Joachim Ragnitz<br />

Verarbeitendes Gewerbe<br />

JANUAR 15,7<br />

VORMONAT 15,9<br />

Bauhauptgewerbe<br />

JANUAR 4,4<br />

VORMONAT 0,1<br />

Groß- und Einzelhandel<br />

JANUAR 4,6<br />

VORMONAT 1,8<br />

ifo Geschäftsklima<br />

ifo Beschäftigungsbarometer<br />

VOR-<br />

MONAT<br />

9,21<br />

JANUAR<br />

10,56<br />

VOR-<br />

MONAT<br />

* Unter gewerblicher Wirtschaft wird die Aggregation aus Verarbeitendem Gewerbe, Bauhauptgewerbe sowie Groß- und Einzelhandel verstanden.<br />

1,35<br />

JANUAR<br />

- 1,97<br />

Foto: industrieblick/Fotolia.com<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


POLITIK | 39<br />

Braucht Deutschland eine Reform der Leiharbeit und Werkverträge?<br />

Annelie Buntenbach,<br />

Mitglied im Vorstand des Deutschen<br />

Gewerkschaftsbunds (DGB)<br />

Prof. Dr. Roland Wöller,<br />

Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes<br />

mittelständischer Wirtschaft (BVMW)<br />

Fotos: Foto: XXX DGB/Simone M. Neumann (links), Steffen Höft (rechts)<br />

„Ja” „Nein”<br />

Ein Arbeitnehmer wird um<br />

„Mit uns zieht die neue Zeit“,<br />

seinen Lohn geprellt, weil der<br />

singen SPD-Genossen gern<br />

siebte Subunternehmer in der<br />

bei feierlichen Anlässen.<br />

Produktionskette nicht zahlt. Eine Arbeitnehmerin<br />

baut die gleiche Autotür zusammen wie<br />

Leiharbeit und Werkverträgen. Nach dem staat-<br />

Im Widerspruch dazu steht der Gesetzentwurf zu<br />

ihre Kollegen und ist genauso in den Betriebsablauf<br />

eingebunden – allerdings zum Dumpinglohn unternehmerische Freiheit weiter einschränken<br />

lichen Lohndiktat will Andrea Nahles (SPD) die<br />

und unter schlechteren Bedingungen. Solche Fälle – Regulierung statt Reform. Ihr Bild vom Unternehmertum<br />

ist von vorgestern. Das zeigt bereits<br />

gehören zum Arbeitsalltag in Deutschland. In fast<br />

allen Branchen – von der Fleischwirtschaft über die der Begriff Leiharbeit. Er impliziert, dass Zeitarbeit<br />

schlechtere Arbeit ist. Und verkennt, dass in<br />

Automobilindustrie bis hin zur Pflege in Krankenhäusern<br />

– überall werden immer mehr Werkverträge<br />

eingesetzt und oft auch missbraucht. Sie die-<br />

Arbeitsformen die Regel sein werden. Frau Nah-<br />

der digitalisierten Arbeitswelt von morgen flexible<br />

nen längst nicht immer einer vernünftigen Arbeitsteilung<br />

– gegen die niemand etwas hat – sondern staltung des Arbeitsrechts nachdenken. Stattdesles<br />

sollte deshalb über eine zukunftsfähige Ausge-<br />

dem Ziel, Menschen auszubeuten und Betriebsräte<br />

zu verhindern. Diesen Teil der Arbeitswirklichschaften<br />

ab. Die strikten Regelungen treffen vor<br />

sen arbeitet sie den Wunschzettel der Gewerkkeit<br />

weigern sich Arbeitgeberverbände zur Kenntnis allem mittelständische Unternehmen. Ausnahmen<br />

sind nur für tarifgebundene Betriebe vorge-<br />

zu nehmen. Doch wer nicht hinschauen will, leistet<br />

unseriösen Praktiken weiter Vorschub. Damit sehen. Das soll Mittelständler in die Tarifbindung<br />

muss Schluss sein. Der Gesetzgeber soll definieren,<br />

wann ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Bisher war Vertragspartner plötzlich als Arbeitnehmer gel-<br />

zwingen. Für sie besteht zudem das Risiko, dass<br />

das nur Gegenstand der Rechtsprechung. Die dort ten. Aufträge können nicht mehr vergeben werden.<br />

Das Einsatzverbot für Zeitarbeitnehmer bei<br />

entwickelten Kriterien sollen gesetzlich verankert<br />

werden, um besser zwischen ordnungsgemäßem Streiks könnte sogar mit dem Verfassungsrecht<br />

und missbräuchlichem Einsatz von Fremdpersonal,<br />

also auch von Werkverträgen, unterscheiden tätigen Zeitarbeiter müssten ausgenommen wer-<br />

kollidieren. Zumindest die zuvor schon im Betrieb<br />

zu können. So wird das Dickicht des Richterrechts<br />

den. Sonst finanzieren demnächst die Unternehmen<br />

den Gewerkschaften ihre Streiks. Nicht zu-<br />

gelichtet und es entsteht mehr Rechtsklarheit.<br />

Das schützt übrigens auch seriöse Arbeitgeber<br />

letzt brauchen wir für die Arbeitsmarktintegration<br />

vor Konkurrenten, denen nichts Besseres einfällt<br />

als den Wettbewerb auf dem Rücken der<br />

ger. Das sehen selbst die Grünen so. Deshalb mein<br />

der Flüchtlinge mehr flexible Arbeit und nicht weni-<br />

Beschäftigten auszutragen.<br />

Fazit: Reformen ja, Rückschritt nein.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


40 | W+M POLITIK<br />

Bleibt das große<br />

Stühlerücken aus?<br />

In drei der sechs neuen Bundesländer werden in diesem Jahr die<br />

politischen Karten neu gemischt. In Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-<br />

Vorpommern und Berlin stehen Landtagswahlen an. Die derzeit<br />

amtierenden Ministerpräsidenten haben durchaus Chancen, ihre<br />

Spitzenämter fünf weitere Jahre ausüben zu können. Eine Garantie<br />

dafür gibt es jedoch nicht, vor allem, weil niemand vorhersehen kann,<br />

wie die Alternative für Deutschland (AfD) am Ende abschneiden<br />

wird. Von Karsten Hintzmann<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Am 13. März sind in Sachsen-Anhalt<br />

knapp zwei Millionen Wahlberechtige aufgerufen,<br />

den 7. Landtag seit Gründung des<br />

Bundeslandes vor gut 25 Jahren zu wählen.<br />

Mitentscheidend für den Ausgang der<br />

Wahl wird sein, ob es den etablierten Parteien<br />

gelingt, die fast schon traditionelle<br />

Wahlmüdigkeit unter den Bürgern rechtzeitig<br />

zu vertreiben. Vor fünf Jahren zog es<br />

rund 51 Prozent aller Wahlberechtigten in<br />

die Stimmlokale, 2006 nutzten nicht einmal<br />

45 Prozent der Bürger ihr Wahlrecht.<br />

LANDTAGSWAHLEN <strong>2016</strong><br />

Sachsen-Anhalt13.03.<strong>2016</strong><br />

Baden-Württemberg13.03.<strong>2016</strong><br />

Rheinland-Pfalz13.03.<strong>2016</strong><br />

Mecklenburg-Vorpommern04.09.<strong>2016</strong><br />

Berlin18.09.<strong>2016</strong><br />

Der amtierende Ministerpräsident Reiner<br />

Haseloff kann darauf hoffen, dass seine<br />

Partei, die CDU, wieder die mit Abstand<br />

stärkste politische Kraft im Land wird.<br />

Jüngste Umfragen sehen die CDU zwischen<br />

33 und 35 Prozent. Bei der letzten<br />

Wahl im Jahr 2011 holten die Christdemokraten<br />

32,5 Prozent der Stimmen. Seither<br />

regieren sie gemeinsam mit der Juniorpartnerin<br />

SPD, die seinerzeit auf 21,5<br />

Prozent der Stimmen kam. Ministerpräsident<br />

Haseloff würde die schwarz-rote Koalition<br />

gern fortsetzen, eine entsprechende<br />

Präferenz äußerte er im Wahlkampf<br />

mehrfach. Doch die SPD liebäugelt eher<br />

mit einem rot-rot-grünen Bündnis. Allerdings<br />

haben die Träume von SPD-Spitzenkandidatin<br />

Katrin Budde, das Land künftig<br />

als Ministerpräsidentin zu regieren, eine<br />

Schwachstelle – die SPD kommt auch<br />

in den aktuellen Umfragen nicht an den<br />

Linken vorbei. Während den Linken um<br />

Spitzenkandidat Wulf Gallert ein Ergebnis<br />

zwischen 19 und 23 Prozent vorhergesagt<br />

wird, trauen die Demoskopen der SPD lediglich<br />

15 bis 19 Prozent zu. Unsicher ist,<br />

ob die Grünen (Wahl 2011: 7,1 Prozent)<br />

im nächsten Landtag vertreten sein werden.<br />

Die Umfragen sehen die Ökopartei<br />

aktuell zwischen fünf und sechs Prozent.<br />

Die große Unbekannte in der Rechnung<br />

ist die AfD. Wenn sich die Umfragen, die<br />

im Dezember 2015 vom Forschungsinstitut<br />

INSA und im Januar <strong>2016</strong> von der<br />

Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt<br />

wurden, bewahrheiten, können die Europa-<br />

und Asylkritiker mit 13,5 bis 15 Prozent<br />

der Wählerstimmen rechnen. Alle bisher<br />

im Magdeburger Landtag vertretenen<br />

Parteien haben eine Koalition mit der AfD<br />

ausgeschlossen. Aus heutiger Sicht deutet<br />

alles darauf hin, dass eine politische<br />

Mehrheit jenseits der CDU nicht zustande<br />

kommt. Insofern steigen die Chancen von<br />

Reiner Haseloff – auch dank der AfD – die<br />

Geschicke des Landes weiterhin als Ministerpräsident<br />

gestalten zu können. Interessiert<br />

verfolgen politische Beobachter, ob<br />

Haseloffs jüngste Distanzierung von Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel (CDU) in der<br />

Frage der Einführung einer Obergrenze für<br />

die Aufnahme von Flüchtlingen am Wahl-<br />

Foto: Carola Vahldiek/fotolia.com<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


POLITIK | 41<br />

Regierender Bürgermeister: Michael Müller.<br />

Fotos: SenInnSport/Lengemann (oben rechts), Sven Teschke/Creative Commons CC-by-sa-3.0 de (Mitte rechts), Mirko Runge/Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (unten rechts), W+M (links)<br />

tag dazu führt, dass Wähler ihr<br />

Kreuz nicht bei der AfD, sondern<br />

bei der CDU machen.<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

Seit vielen Jahren ist das Land an der<br />

Ostseeküste fest in der Hand der Sozialdemokraten.<br />

Bei der Wahl vor fünf Jahren<br />

verbuchte die SPD 35,6 Prozent<br />

der Stimmen für sich, die CDU<br />

kam auf 23 Prozent, die Linke auf<br />

18,4 Prozent. Die Grünen erzielten<br />

8,7 und die NPD sechs Prozent.<br />

Seither regiert Ministerpräsident<br />

Erwin Sellering (SPD) unaufgeregt<br />

und mit ruhiger Hand<br />

eine rot-schwarze Koalition.<br />

Bis vor einigen Wochen gab es wohl<br />

niemanden im Nordosten, der den Fortbestand<br />

der SPD-Vormachtstellung in Zweifel<br />

zog. Für etwas Aufregung sorgte<br />

indes eine Umfrage vom Marktforschungsservice<br />

Dukath, die die<br />

Ostseezeitung im Januar <strong>2016</strong><br />

veröffentlichte. Danach liegen<br />

SPD und CDU nunmehr fast<br />

Kopf an Kopf. Den Sozialdemokraten<br />

werden 28,4 Prozent<br />

der Stimmen und den Christdemokraten<br />

27,2 Prozent vorhergesagt.<br />

Glaubt man den Demoskopen,<br />

so könnte die FDP mit acht Prozent<br />

(Wahl 2011: 2,8 Prozent) ihre Wiederauferstehung<br />

feiern, wenn am 4. September<br />

rund 1,4 Millionen Wahlberechtigte zu den<br />

Wahlurnen gerufen werden. Nach derzeitigem<br />

Stand würde die NPD mit nur noch<br />

1,3 Prozent in der Bedeutungslosigkeit<br />

versinken, dafür jedoch die AfD mit 5,5<br />

Prozent in den Schweriner Landtag einziehen.<br />

Doch auch wenn sich der Abstand zwischen<br />

den Sozialdemokraten und der von<br />

Parteichef und Innenminister Lorenz Caffier<br />

geführten CDU verringert hat, dürfte<br />

Ministerpräsident Sellering auch nach<br />

dem Urnengang am längeren Hebel sitzen.<br />

Schließlich hat er gleich mehrere Regierungsoptionen:<br />

Er könnte das Bündnis<br />

mit der CDU fortsetzen oder aber eine Koalition<br />

mit der Linken schmieden. Für den<br />

Ernstfall gäbe es auch die Möglichkeit einer<br />

rot-rot-grünen Konstellation. Caffier<br />

Ministerpräsident Reiner Haseloff.<br />

Ministerpräsident Erwin Sellering.<br />

dagegen bleibt nur<br />

die Option, weiter<br />

mit der SPD zu regieren.<br />

Berlin<br />

Die offiziellen Planungen sehen<br />

vor, dass Berlin den diesjährigen<br />

Reigen der Landtagswahlen mit der Abgeordnetenhauswahl<br />

am 18. September<br />

abschließt. Es scheint aber durchaus<br />

möglich, dass die rund 2,5 Millionen<br />

Wahlberechtigten schon eher ihre Stimme<br />

abgeben können. Denn die Stimmung<br />

in der vom Regierenden Bürgermeister<br />

Michael Müller (SPD) geführten<br />

großen Koalition ist derart schlecht,<br />

dass es bereits im Dezember 2015 fast<br />

zum Bruch zwischen SPD und CDU gekommen<br />

wäre. Zankapfel war und ist das<br />

Vorgehen in der Flüchtlingskrise, von der<br />

CDU-Herausforderer Frank Henkel.<br />

das Land Berlin durch den überdurchschnittlich<br />

starken Zustrom<br />

von Asylbewerbern<br />

in beispielloser Weise<br />

betroffen ist.<br />

Kaum ein politischer<br />

Beobachter zweifelt<br />

daran, dass Michael<br />

Müller, der das Spitzenamt<br />

im Roten Rathaus<br />

erst im Dezember 2014 von<br />

seinem Vorgänger Klaus Wowereit<br />

übernommen hatte, auch<br />

der künftige Regierende Bürgermeister<br />

in der Bundeshauptstadt<br />

sein wird. Seine<br />

persönlichen Umfragewerte<br />

sind konstant<br />

gut und auch die<br />

SPD liegt unangefochten<br />

vorn. Wahlforscher<br />

trauen den Sozialdemokraten<br />

27 bis 30 Prozent<br />

bei der Wahl zu. Die CDU<br />

um Parteichef Frank Henkel,<br />

der zugleich Innensenator<br />

ist, verharrt dagegen bei 22 bis<br />

23 Prozent. Die Grünen sind<br />

in Berlin traditionell stark<br />

und können mit 16 bis<br />

18 Prozent rechnen,<br />

die Linken mit 14 bis<br />

17 Prozent. Das Gastspiel<br />

der Piraten (Wahl<br />

2011: 8,9 Prozent) dürfte<br />

bereits nach einer Legislaturperiode<br />

zu Ende<br />

sein, die Partei liegt aktuell<br />

bei drei Prozent. Dafür wird<br />

jedoch der AfD der Einzug in den<br />

Preußischen Landtag zugetraut, die Demoskopen<br />

sahen die AfD Ende 2015 bei<br />

fünf bis neun Prozent.<br />

Linken-Herausforderer Wulf Gallert.<br />

CDU-Herausforderer Lorenz Caffier.<br />

Angesichts der inhaltlichen und zwischenmenschlichen<br />

Abnutzungserscheinungen<br />

innerhalb der rot-schwarzen Koalition<br />

deutet einiges darauf hin, dass Michael<br />

Müller nach der Wahl eher auf Rot-<br />

Grün, Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün setzt.<br />

Es sei denn, die AfD kommt noch so stark<br />

auf, dass eine Neuauflage der großen Koalition<br />

zum Gebot der Stunde wird.<br />

<br />

W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


42 | W+M POLITIK<br />

Davos in Bad Saarow<br />

Die Zukunft der<br />

ostdeutschen Wirtschaft<br />

Das Ostdeutsche Wirtschaftsforum findet<br />

im A-Rosa-Resort Scharmützelsee statt.<br />

Im Jahr 2015 wurde das 25-jährige Bestehen<br />

der neuen Bundesländer begangen.<br />

Parallel dazu gab es viele regionale<br />

Jubiläen zu feiern, da die Deutsche Einheit<br />

und der damit verbundene Übergang zu einer<br />

sozialen Marktwirtschaft auf dem Territorium<br />

der untergegangenen DDR eine<br />

Vielzahl von Gründungen mit sich brachte.<br />

Die öffentliche Debatte um diese Jubiläen<br />

war maßgeblich vom Stolz auf das<br />

Erreichte geprägt.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong>, das einzige Wirtschafts-<br />

und Unternehmermagazin, das<br />

vorrangig auf die Reflektion der ökonomischen<br />

Entwicklung der neuen Bundesländer<br />

fokussiert ist, hat den zweifellos beachtlichen<br />

Aufschwung in Ostdeutschland<br />

als objektiver und fairer Chronist über die<br />

gesamten 25 Jahre begleitet.<br />

Daher scheint es nunmehr an<br />

der Zeit, den Blick stärker<br />

nach vorn – auf Zukunftsthemen<br />

– zu<br />

richten und Visionen<br />

für das künftige Ostdeutschland<br />

zu entwickeln.<br />

Das ist eine<br />

Aufgabe, an der Politik,<br />

Wissenschaft,<br />

Wirtschaft und Medien<br />

gemeinsam arbeiten<br />

sollten. Es gibt unendlich<br />

viele Fragestellungen: Wird der Angleichungsprozess<br />

an die alten Länder je<br />

gelingen? Wird Ostdeutschland auf Dauer<br />

nur eine verlängerte Werkbank sein?<br />

Wie viel Potenzial steckt im eher kleinteiligen<br />

ostdeutschen Mittelstand – wird er<br />

langfristig nur Nischen besetzen oder ist er<br />

Schmelztiegel für künftige Großkonzerne?<br />

Kann der Osten im Wettbewerb um qualifizierte<br />

Fachkräfte angesichts niedrigerer<br />

Produktivität und geringerer Einkommen<br />

überhaupt mithalten? Nach 25 Jahren hat<br />

sich das ostdeutsche Selbstverständnis<br />

eher verstärkt als abgeschwächt. Wird sich<br />

der ostdeutsche Zusammenhalt perspektivisch<br />

auflösen oder weiter verstärken?<br />

Diese Fragen, Ideen und Visionen zur<br />

Zukunft des Wirtschaftsstandorts Ostdeutschland<br />

sollen mit dem Ostdeutschen<br />

Wirtschaftsforum OWF auf die öffentliche<br />

Agenda gebracht werden.<br />

Namhafte Referenten<br />

und strategisch denkende<br />

Teilnehmer aus dem<br />

In- und Ausland werden<br />

sich auf dem Treffen<br />

am 20. und 21. Oktober<br />

<strong>2016</strong> in Bad Saarow<br />

miteinander austauschen.<br />

Initiator des OWF: W+M-<br />

Herausgeber Frank Nehring.<br />

W+M freut sich darüber, dass bereits im<br />

Vorfeld das Thema und damit der Kongress<br />

eine breite Unterstützung bei Politik, Wirtschaft<br />

und Wissenschaft finden. Die Zusage<br />

von Bundeswirtschaftsminister Sigmar<br />

Gabriel (SPD) für einen Keynote-Vortrag<br />

liegt bereits vor. Mit der Anwesenheit aller<br />

Ministerpräsidenten der neuen Länder und<br />

Berlins wird fest gerechnet. Die Unterstützung<br />

durch die ostdeutschen Unternehmerverbände<br />

und den Verein Berliner Kaufleute<br />

und Industrieller (VBKI) ist gesichert, ebenso<br />

wie die der Handelshochschule Leipzig<br />

(hhl), des ifo-Instituts Dresden und der Strategieberatung<br />

Egon Zehnder.<br />

Die inhaltliche Debatte soll über Parteigrenzen<br />

und Wahlzyklen hinweg angestoßen<br />

und vorangebracht werden. Ostdeutschland<br />

braucht realistische Visionen,<br />

die aus aktuellen und künftigen Potenzialen<br />

abgeleitet werden. Dazu wird die<br />

Denkfabrik, das Ostdeutsche Wirtschaftsforum,<br />

initiiert. <br />

W+M<br />

DAS OSTDEUTSCHE<br />

WIRTSCHAFTSFORUM<br />

zum Thema Wirtschaftsstrategien<br />

für die Zukunft findet am 20. und<br />

21. Oktober <strong>2016</strong> in Bad Saarow statt.<br />

Teilnahme nur auf Einladung.<br />

Bei Interesse senden Sie eine Nachricht<br />

an einladung@OWF<strong>2016</strong>.de.<br />

Fotos: A-Rosa (oben), W+M (unten)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


POLITIK | 43<br />

DER KOMMENTAR<br />

Foto: ifo Dresden<br />

25 Jahre Aufbau Ost –<br />

wie weiter?<br />

Von Prof. Dr. Joachim Ragnitz<br />

25 Jahre nach der Einführung der Marktwirtschaft<br />

und der deutschen Vereinigung<br />

hat sich vieles, wenn nicht alles in<br />

Ostdeutschland zum Besseren gewendet:<br />

die materiellen Einkommensverhältnisse<br />

der Bevölkerung, die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Unternehmen, der Ausbauzustand<br />

der Infrastrukturen,<br />

die Zukunftsperspektiven<br />

der Menschen. Auch<br />

die Situation am Arbeitsmarkt<br />

entwickelt<br />

sich seit einiger Zeit<br />

positiv. Aber dennoch<br />

kann man mit dem Erreichten<br />

noch nicht<br />

zufrieden sein: Andere<br />

Regionen entwickeln<br />

sich deutlich<br />

dynamischer als der Osten Deutschlands,<br />

die fortbestehende Lücke bei wichtigen<br />

gesamtwirtschaftlichen Indikatoren<br />

schließt sich, wenn überhaupt, nur sehr<br />

langsam. Der Aufbau Ost muss daher weitergehen,<br />

wenn auch nicht notwendigerweise<br />

unter diesem Namen, denn es geht<br />

nicht mehr um die Überwindung eines<br />

„transformationsbedingten“ Rückstands,<br />

sondern vielmehr darum, eine neuerliche<br />

Spaltung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />

zu verhindern. Diese Gefahr ist nicht nur<br />

hypothetisch, sondern durchaus real, denn<br />

insbesondere der demografische Wandel<br />

wie auch die technologische Modernisierung<br />

der Wirtschaft stellt gerade die ostdeutschen<br />

Länder vor besondere Herausforderungen.<br />

Deutlich wird dies insbesondere, wenn<br />

man die aggregierte Ebene verlässt und<br />

Joachim Ragnitz ist Stellvertretender<br />

Leiter des ifo-Instituts Dresden.<br />

sich auf einzelne Regionen konzentriert:<br />

Kaum sorgen muss man sich um wirtschaftliche<br />

Zentren wie Dresden, Leipzig<br />

oder Jena; auch eine Reihe kleinerer Städte<br />

haben sich im Standortwettbewerb<br />

gut etabliert. In der Fläche aber<br />

herrschen oftmals desolate<br />

Zustände. Hier besteht<br />

die Gefahr, dass<br />

sich negative Teufelskreise<br />

fortbestehender<br />

wirtschaftlicher<br />

Schwäche und fortgesetzter<br />

Abwanderung<br />

herausbilden.<br />

Mit dem Postulat<br />

der „Gleichwertigkeit<br />

der Lebensverhältnisse“<br />

ist das<br />

nicht vereinbar.<br />

Die Politik kann unterstützend wirken (zum<br />

Beispiel durch die angekündigte Neuordnung<br />

der regionalen Wirtschaftsförderung),<br />

sie kann aber „Konvergenzprozesse“<br />

weder in Gang setzen<br />

noch dauerhaft am Laufen halten.<br />

Letzten Endes kommt es dabei<br />

vielmehr auf das Handeln aller Akteure<br />

des Wirtschaftslebens an: Unternehmen<br />

müssen in die Produktivität ihrer Betriebsstätten<br />

investieren, Arbeitnehmer<br />

durch „lebenslanges Lernen“ ihre Beschäftigungschancen<br />

sichern, kommunale<br />

Verwaltungen als Anbieter öffentlicher<br />

Dienstleistungen das lokale Umfeld<br />

für Wachstumsprozesse verbessern. Auch<br />

Hochschulen und Forschungseinrichtungen,<br />

gefördert mit öffentlichem Geld, haben<br />

insoweit eine „Bringschuld“ für ihre<br />

Region, sei es über die Ausbildungsleistung<br />

oder über den Technologietransfer.<br />

Auch wenn man kaum erwarten kann,<br />

dass es zwischen all diesen Gruppen zu<br />

koordiniertem Handeln kommt: Schon<br />

wenn es gelänge, die Kommunikation zwischen<br />

den verschiedenen Akteursgruppen<br />

(beziehungsweise ihren Vertretern) zu verbessern,<br />

lassen sich aller Erfahrung nach<br />

positive Effekte für das Gemeinwesen im<br />

Ganzen erzielen. Und, wenn es gelingt,<br />

Rückkopplungen auch zur Politik herzustellen,<br />

besteht auch die Hoffnung, dass die<br />

von der Wirtschaftspolitik zu setzenden<br />

Rahmenbedingungen stärker auf regionale<br />

Problemlagen hin ausgerichtet werden.<br />

Genau hierauf zielt das geplante „Ostdeutsche<br />

Wirtschaftsforum“ ab. Die Vision:<br />

Durch eine unvoreingenommene und<br />

deshalb realistische Bestandsaufnahme<br />

sollen die Herausforderungen benannt<br />

werden, vor denen Ostdeutschland in Zukunft<br />

steht und hieraus Handlungsempfehlungen<br />

für Wirtschaft, Zivilgesellschaft<br />

und Politik abgeleitet und breit kommuniziert<br />

werden. Damit verbindet sich die<br />

Hoffnung, dass nicht nur die bestehenden<br />

Probleme, sondern vor allem auch<br />

erfolgversprechende Handlungsansätze<br />

stärker in das Bewusstsein der breiten<br />

Öffentlichkeit gerufen werden und deswegen<br />

eine Chance auf Realisierung<br />

haben. Ein erster Schritt nur<br />

– aber nichts wäre schlimmer,<br />

als sich mit dem Status quo abzufinden<br />

und zu glauben, gesellschaftlicher<br />

und wirtschaftlicher<br />

Fortschritt wäre ein Automatismus,<br />

der auch ohne eigenes<br />

Zutun stattfinden würde. Insoweit<br />

kann man den Initiatoren<br />

des Ostdeutschen<br />

Wirtschaftsforums nur<br />

Erfolg für ihr Vorhaben<br />

wünschen. W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


44 | W+M POLITIK<br />

Kommunale Investitionen auf Sparflamme<br />

Auf rund 132 Milliarden Euro belief sich 2014 laut Schätzungen<br />

von Experten der Investitionsrückstand in Deutschlands Städten,<br />

Gemeinden und Landkreisen. Deutschlands Kommunen zehren von<br />

der Substanz – auch in Ostdeutschland. Von Matthias Salm<br />

Für den Chefvolkswirt der KfW-Bankengruppe<br />

Dr. Jörg Zeuner, dessen<br />

Institut das Investitionsverhalten<br />

deutscher Kommunen im Rahmen<br />

des jährlichen KfW-Kommunalpanels erhebt,<br />

ist kaum Besserung in Sicht, auch<br />

wenn sich der Bund stärker an den Sozialausgaben<br />

beteiligt. „In den Kommunen<br />

steigt das Bewusstsein für die aufgestauten<br />

Infrastrukturdefizite und gleichzeitig<br />

wachsen die Bedarfe weiter“, warnt<br />

der oberste Volkswirt der KfW angesichts<br />

steigender kommunaler Aufgaben. Die Unterbringung<br />

und Eingliederung der Flüchtlinge<br />

etwa – bisher kaum in den Kalkulationen<br />

enthalten. Auch die Anforderungen<br />

der Energiewende, die Inklusion an Schulen<br />

oder die Folgen der demografischen<br />

Entwicklung bereiten den Kämmerern<br />

Kopfzerbrechen.<br />

Und den Städten und Gemeinden droht<br />

auch von Seiten der Banken Ungemach.<br />

Denn diese schauen zunehmend kritisch<br />

auf das Geschäft mit den kommunalen<br />

Krediten. Die Finanzierung der Städte<br />

und Gemeinden gilt nicht mehr uneingeschränkt<br />

als risikolos und steht angesichts<br />

geringer Margen und großer Volumina<br />

auch seitens der verschärften Anforderungen<br />

an die Kreditvergabe der Banken<br />

unter Druck.<br />

Vor allem in der Verkehrsinfrastruktur kommen<br />

die Kommunen mit den Investitionen<br />

nicht nach. Marode Brücken und Schlaglöcher<br />

in den Straßen – ein Investitionsstau<br />

von 34,3 Milliarden Euro bremst den Verkehr<br />

in Städten und Gemeinden aus. Bei<br />

den Schulen und Bildungseinrichtungen,<br />

die in den letzten Jahren ganz oben auf<br />

der Ausgabenliste der Kämmerer standen,<br />

wuchs der Rückstand laut KfW mit 31,7<br />

Milliarden Euro sogar wieder an.<br />

Der differenzierte Blick auf die Finanzen<br />

zeigt zudem, dass der Abstand zwischen finanziell<br />

gesunden und hoch verschuldeten<br />

Kommunen weiter ansteigt. Dies bestätigen<br />

auch die Ergebnisse einer Studie, die<br />

die Forscher des Deutschen Instituts für<br />

Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) Ende<br />

2015 veröffentlichten.<br />

Alternative Finanzierungsmodelle prüfen<br />

Nikola Köller, Leiterin Kompetenzcenter Öffentlicher Sektor<br />

Deutschland bei der Commerzbank AG, über künftige<br />

Herausforderungen bei der Finanzierung von Kommunen.<br />

W+M: Frau Köller, die Commerzbank gehört<br />

zu den traditionellen Finanzierern von<br />

Kommunen und kommunalen Unternehmen<br />

in Deutschland. Welche Rolle spielt<br />

die Kommunalfinanzierung innerhalb der<br />

Commerzbank?<br />

Nikola Köller: Die Commerzbank versteht<br />

sich als Finanzierungspartner für<br />

den gesamten „Konzern Kommune“.<br />

Also sowohl für Städte, Gemeinden und<br />

Landkreise als auch für ihre Gesellschaften<br />

in den Bereichen Versorgung, Abwasser<br />

und Abfall, Wohnungsbau, Krankenhäuser,<br />

Öffentlicher Personennahverkehr<br />

bis hin zu den kommunalen<br />

Stiftungen. Unser<br />

Ziel ist es, unseren<br />

Marktanteil im<br />

öffentlichen Sektor<br />

zu verdoppeln.<br />

Dazu dient auch die<br />

2014 vorgenommene<br />

Neuausrichtung<br />

unseres Vertriebs: Wir<br />

haben dabei unsere kommunale<br />

Finanz-Expertise in<br />

einem eigenen Bereich „Öffentlicher<br />

Sektor“ gebündelt und seitdem<br />

stark ausgebaut.<br />

Nikola Köller.<br />

W+M: Wie stark ist die Commerzbank im<br />

ostdeutschen Markt präsent?<br />

Nikola Köller: Wir sind in der Kommunalfinanzierung<br />

in Ostdeutschland<br />

stark verankert,<br />

da wir uns bereits<br />

direkt nach der Wiedervereinigung<br />

noch<br />

vor anderen Banken<br />

in der Finanzierung<br />

der ostdeutschen<br />

Städte und Gemeinden<br />

engagiert haben.<br />

Unser Bereich „Öffentlicher<br />

Sektor“ unterhält<br />

Niederlassungen in Berlin und<br />

Dresden. Leipzig ist der Sitz unseres<br />

Kompetenzcenters Öffentlicher Sektor<br />

Deutschland. Wir finanzieren in Ost-<br />

Foto: Commerzbank AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


W+M POLITIK | 45<br />

So konnten im Süden der Republik, in den<br />

Ländern Bayern und Baden-Württemberg,<br />

mit 469 beziehungsweise 371 Euro pro Einwohner<br />

im Jahr 2013 die höchsten Investitionsausgaben<br />

getätigt werden. Im Osten<br />

hingegen müssten die Kommunen hingegen<br />

rund 2,8 Milliarden zusätzliche Euro<br />

aufbringen, um ein vergleichbares Investitionsniveau<br />

pro Einwohner wie in Bayern<br />

zu erreichen.<br />

Das rückläufige Volumen der Mittel aus<br />

dem Solidarpakt II drückt die Investitionslust<br />

ostdeutscher Städte und Gemeinden<br />

ohnehin. In Mecklenburg-Vorpommern<br />

beispielsweise fielen die Investitionen<br />

von 393 Euro pro Kopf im Jahr 2000 auf<br />

nur noch 148 Euro im Jahr 2013. So findet<br />

sich unter den zehn deutschen Kommunen<br />

mit den höchsten Investitionsausgaben<br />

in den Kernhaushalten keine zwischen<br />

Ostsee und Erzgebirge. Als Spitzenreiter in<br />

der DIW-Untersuchung gingen die Landkreise<br />

Teltow-Fläming (Brandenburg), Vorpommern-Rügen<br />

(Mecklenburg-Vorpommern),<br />

Sächsische Schweiz – Osterzgebirge<br />

(Sachsen), Wittenberg (Sachsen-Anhalt)<br />

INVESTITIONSRÜCKSTAND IN DEUTSCHEN KOMMUNEN IN PROZENT<br />

Gesamter Investitionsstau: 132 Milliarden Euro<br />

Insgesamt<br />

132 Mrd. Euro<br />

Straßen-/Verkehrsinfrastruktur26<br />

Schulen, Erwachsenenbildung 24<br />

Öffentliche Verwaltungsgebäude 8<br />

Sportstätten und Bäder 8<br />

Wasserver- und -entsorgung 7<br />

Informationsinfrastruktur 4<br />

Kultur 4<br />

Kinderbetreuung 4<br />

Gesundheitsinfrastruktur 3<br />

Wohnungswirtschaft 2<br />

Öffentlicher Personennahverkehr 1<br />

Energieerzeugung/-versorgung0,3<br />

Abfallwirtschaft 0,1<br />

Sonstiges 9<br />

und Schmalkalden-Meiningen (Thüringen).<br />

Lediglich 25 Prozent der Kreise und kreisfreien<br />

Städte im Osten können überdurchschnittlich<br />

investieren.<br />

W+M<br />

Quelle Schaubild: KfW-Kommunalpanel<br />

deutschland die gesamte Palette der<br />

kommunalen Investitionen, beispielsweise<br />

von der Anschaffung neuer Fahrzeuge<br />

bei der Barnimer Busgesellschaft mbH<br />

bis hin zur Errichtung eines Windparks<br />

durch die Technische Werke Schwedt<br />

GmbH.<br />

W+M: Auch in vielen ostdeutschen Kommunen<br />

geht Schuldenabbau vor Investitionen,<br />

der kommunale Investitionsrückstand<br />

beträgt bundesweit rund 132 Milliarden<br />

Euro. Wird er sich in naher Zukunft<br />

auflösen?<br />

Nikola Köller: Aus den Gesprächen, die<br />

wir mit den Kämmerern in den Kommunen<br />

führen, lässt sich dies nicht erkennen.<br />

Das gilt auch für die Gebietskörperschaften<br />

im Osten, die in der Regel im<br />

Vergleich zu vielen westdeutschen Städten<br />

und Gemeinden ja weniger stark verschuldet<br />

sind. Es ist natürlich fraglich, ob<br />

die Fortführung des Sparkurses angesichts<br />

des hohen Investitionsrückstands<br />

immer noch berechtigt ist.<br />

W+M: Wo sehen Sie einen besonderen<br />

Investitionsbedarf?<br />

Nikola Köller: Dieser betrifft die gesamte<br />

kommunale Infrastruktur, ein hoher<br />

Investitionsbedarf besteht zum Beispiel<br />

auch im Bereich der kommunalen<br />

Kliniken.<br />

W+M: Welche Finanzierungsrisiken drohen<br />

den Kommunen aus Ihrer Sicht in den<br />

kommenden Jahren?<br />

Nikola Köller: Für die Banken ist die<br />

Kommunalfinanzierung ein Geschäft<br />

mit hohen Kreditvolumina und geringen<br />

Margen. Solche Geschäfte geraten unter<br />

dem Eindruck der Regulierungsvorschriften<br />

von Basel III, also beispielsweise<br />

der notwendigen Eigenkapitalunterlegung<br />

der Kredite, weiter unter Druck.<br />

Vielen Verantwortlichen in den Kommunen<br />

ist nicht bewusst, dass dies die Möglichkeiten<br />

zur Kreditaufnahme einschränken<br />

wird.<br />

W+M: Welche Alternativen bieten sich<br />

den Kämmerern in diesem Fall?<br />

Nikola Köller: Die Kommunen sollten<br />

alternative Finanzierungsmodelle in Betracht<br />

ziehen. Ein aktueller Trend geht<br />

beispielsweise zur einzelnen oder gemeinsamen<br />

Ausgabe von Schuldscheindarlehen<br />

als ersten Schritt an den Kapitalmarkt,<br />

aber auch Anleihen in größeren<br />

Volumina werden wir deutlich öfter sehen.<br />

In anderen Kommunen bündelt die<br />

Stadt im Sinne eines Cash Poolings mittlerweile<br />

wieder die Liquidität, indem sie<br />

die gesamte Kreditaufnahme übernimmt<br />

und die Mittel dann innerhalb des „Konzerns<br />

Kommune“ verteilt.<br />

Interview: Matthias Salm<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


46 | W+M RATGEBER<br />

Ausgaben im Griff<br />

Checkliste für wirksame Reisekostenrichtlinien<br />

Laut Concur, einem Anbieter von Reisemanagementlösungen,<br />

überschreiten 40 Prozent der Firmen ihr geplantes Reisebudget.<br />

Um das zu vermeiden, sollte es in jedem Unternehmen eine<br />

durchdachte Reisekostenrichtlinie geben. Concur gibt folgende<br />

Tipps zur Einführung und Umsetzung.<br />

Mit klaren Reisekostenrichtlinien wird die<br />

Dienstreise entspannt – und bleibt im Budget.<br />

1. Klar und deutlich<br />

Eine Reisekostenrichtlinie sollte einfach<br />

sein und sich an Mitarbeiter aller Ebenen<br />

richten. Je verständlicher sie ist, desto einfacher<br />

fällt es Geschäftsreisenden, sich<br />

damit zu identifizieren.<br />

2. Offene Kommunikation<br />

Selbst die fairsten Regeln werden nicht<br />

eingehalten, wenn die Mitarbeiter nicht<br />

wissen, dass diese existieren. Deshalb<br />

sollte die Richtlinie an alle Angestellten<br />

kommuniziert werden. Auch<br />

Schulungen und Workshops<br />

tragen dazu bei, die Richtlinien<br />

zu verstehen und erfolgreich<br />

umzusetzen.<br />

mit hohen Lebenshaltungskosten auch<br />

höher ausfallen.<br />

4. Mitarbeiter einbeziehen<br />

Mitarbeiter sollten bei der Ausarbeitung<br />

der Reiserichtlinie miteinbezogen werden.<br />

So werden ihre Bedürfnisse gewahrt, sie<br />

können sich einbringen und mit der Richtlinie<br />

ihres Unternehmens identifizieren.<br />

5. Überzeugen durch Vorteile<br />

Die Einführung einer Reisekostenrichtlinie<br />

ist für Mitarbeiter oft mit Aufwand verbunden.<br />

Deshalb ist es wichtig, die Mitarbeiter<br />

im Vorfeld von den Vorteilen zu<br />

überzeugen.<br />

6. Briefing des Teams<br />

Reisekostenabrechnungen enthalten immer<br />

wieder Einträge, die nicht der Richtlinie<br />

entsprechen. Häufig werden diese<br />

jedoch nicht als solche entdeckt. Führungskräfte<br />

sollten deshalb ausreichend<br />

geschult werden.<br />

7. Optimierung durch Software<br />

Wenn die Reisekostenabrechnung anhand<br />

einer Software automatisiert wird, kann<br />

dabei auch die Reisekostenrichtlinie hinterlegt<br />

werden, sodass diese beim Buchungsprozess<br />

automatisch eingehalten<br />

wird. Wer Reisen buchen möchte, die außerhalb<br />

des vorgegebenen Rahmens liegen,<br />

erhält dann eine Warnung beziehungsweise<br />

benötigt<br />

eine zusätzliche Freigabe<br />

des Vorgesetzten.<br />

3. Regionale<br />

Besonderheiten<br />

Reisekosten können<br />

je nach Ort variieren,<br />

deshalb sollten zusätzlich<br />

zu den internen<br />

Standards regionale<br />

Maximalkosten<br />

für einzelne Bereiche<br />

der Reisekostenrichtlinie<br />

eingeführt werden.<br />

Zum Beispiel dürfen die<br />

Hotelkosten in Städten<br />

Foto: Concur (oben)<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


TRAVELMANAGEMENT & TOURISMUS | 47<br />

Tipps, Trends und Tools<br />

Neues für Geschäftsreisen und Firmenevents<br />

Foto: Deutsche Bahn AG/Uwe Miethe (unten)<br />

Fluggastrechte gestärkt<br />

Nicht nur bei Annullierungen und erheblichen<br />

Verspätungen haben Fluggäste<br />

einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung,<br />

sondern auch bei einer Vorverlegung.<br />

Der Bundesgerichtshof erklärte<br />

nach Angaben der D.A.S. Rechtsschutz,<br />

dass auch in einer erheblichen Vorverlegung<br />

eine Annullierung des Fluges liegen<br />

könne. Eine Annullierung erkenne man<br />

daran, dass die Fluggesellschaft ihre<br />

bisherigen Flugpläne endgültig aufgebe,<br />

auch wenn die Passagiere auf einen Ersatzflug<br />

umgebucht würden.<br />

Kosten im Blick<br />

Um zu sparen, buchten 41 Prozent der<br />

deutschen Geschäftsreisenden im ersten<br />

Quartal 2015 ihre Flüge mehr als<br />

14 Tage im Voraus. Dies zeigt das Geschäftsreisebarometer<br />

von Carlson Wagonlit<br />

Travel. Bei Hotels wählten sie öfter<br />

die Kategorien „Economy“ (plus elf<br />

Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum)<br />

und „Standard“ (plus 16 Prozent).<br />

Trotz höherer Preise für Flüge (plus 0,4<br />

Prozent), Hotels (plus 2,8 Prozent) und<br />

Mietwagen (plus 1,8 Prozent) blieben so<br />

die Kosten pro Reise mit 420 Euro praktisch<br />

gleich.<br />

Inspirationen für Firmenevents<br />

Zahlreiche tolle Ideen für Firmenfeste liefert<br />

Veranstaltungsplanern die erste Ausgabe<br />

des Magazins „Eventmoods“. Zusammengestellt<br />

wurde sie von den Eventprofis<br />

des memo-media-Verlags. Sie stellt<br />

Künstler oder Dienstleister für Sommerfeste<br />

und ausgefallene Teambuilding-Aktivitäten<br />

vor. So lassen sich Feste organisieren,<br />

über die man noch lange spricht.<br />

Das Magazin kann kostenfrei angefordert<br />

werden unter info@memo-media.de.<br />

Besondere Orte leichter buchen<br />

Veranstaltungsplanern, die einen außergewöhnlichen<br />

Ort suchen, wird es<br />

jetzt leichter gemacht. Das Onlineportal<br />

www.mice-best-places.de filtert aus dem<br />

umfangreichen Angebot der Hotels, die<br />

auf ihren Webseiten unterschiedliche Zielgruppen<br />

adressieren, die relevanten Faktoren<br />

heraus. Die Plattform startet mit der<br />

Repräsentanz von Hotels im Vier- bis Fünf-<br />

Sterne-Segment. Mittelfristig sollen auch<br />

Special Locations in das Angebot aufgenommen<br />

werden.<br />

Von Auto bis Zug<br />

Das Tool Qixxit (www.qixxit.de)<br />

ermittelt für jeden Nutzer eine<br />

optimale Reisekette, die alle Verkehrsmittel<br />

einbezieht und kombiniert:<br />

Zug, Fernbus, Flugzeug,<br />

Straßenbahn, Mietwagen, Taxi,<br />

Carsharing und Leihfahrrad. Was<br />

bisher über die Portale der einzelnen<br />

Verkehrsträger zusammengesucht<br />

werden musste, stellt<br />

Qixxit im Browser oder als App<br />

auf einen Blick dar. Der Nutzer kann ein<br />

persönliches Profil erstellen, in dem er<br />

Routen anlegt, Favoriten registriert oder<br />

individuelle Informationen hinterlegt.<br />

Reisen im eigenen ICE<br />

Businessreisende, die komfortabel zu<br />

Kongress, Messe oder Tagung anreisen<br />

möchten, können bei der Deutschen<br />

Bahn einen kompletten Wagen<br />

in einem planmäßigen ICE, IC oder EC<br />

reservieren. Die Reisezeit kann man<br />

so effektiv und ungestört zur Vorbereitung<br />

oder für ein Meeting nutzen. Für<br />

Incentive-Reisen oder Workshops lassen<br />

sich sogar ganze Züge chartern<br />

(www.bahn.de/charterzuege). Reiseziel<br />

und Fahrplan können dann selbst bestimmt<br />

werden.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


48 | W+M XXX<br />

Tourismusförderung in Sachsen-Anhalt<br />

„Edelsteine“ zu neuem Glanz<br />

und höherer regionaler Attraktivität<br />

In die Tourismusbranche Sachsen-Anhalts<br />

ist in den vergangenen Jahren<br />

nachhaltig investiert worden. Gemeinsam<br />

haben Landespolitik, Kommunen, regionale<br />

Verbände, Partner und Unternehmen<br />

vorhandenen „Edelsteinen“ zu mehr<br />

Glanz verholfen und vielerorts für neue Angebote<br />

gesorgt. Jahrhunderte alte Traditionen<br />

sowie regional und überregional<br />

bedeutende Marksteine wurden neu entdeckt<br />

und zugängig gemacht. Innovative<br />

und moderne Angebote erhöhen die touristische<br />

Attraktivität. Der Kultur- und Städtetourismus<br />

ist eine wichtige Säule. Naturund<br />

Aktivurlaubsangebote entfalten eigene<br />

Anziehungskraft.<br />

Zwischen Arendsee und Zeitz sowie vom<br />

Harz bis Wittenberg finden sich zahlreiche<br />

touristische Farbtupfer mit eigenem<br />

Charme und dem gewissen Etwas. Die<br />

Palette reicht von den UNESCO-Welterbe-Stätten<br />

(Eisleben und Wittenberg,<br />

Bauhaus Dessau, Gartenreich Dessau-<br />

Wörlitz, Altstadt Quedlinburg, Himmelsscheibe<br />

Nebra) über das Saale-Unstrut-<br />

Gebiet mit Weinkultur und Wassertouristik<br />

bis hin zum Reittourismus in der<br />

Altmark, dem Elberadweg und den breit<br />

gefächerten Angeboten im Harz.<br />

Auf diesem Weg wurden viele Konzepte<br />

zum Aufbau touristischer Unternehmen<br />

und touristischer Infrastruktur erfolgreich<br />

umgesetzt. Die gezielte Förderung<br />

im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe<br />

zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“<br />

(GRW) hat dazu maßgeblich<br />

beigetragen. Von 2007 bis Ende<br />

2015 investierten Unternehmen, Land<br />

und Kommunen in 135 Projekte der gewerblichen<br />

Wirtschaft und touristischen<br />

Infrastruktur rund 263 Millionen Euro. Davon<br />

bewilligte die Investitionsbank Sachsen-Anhalt<br />

(IB) fast 136 Millionen Euro als<br />

Zuschüsse. Mit weiteren rund vier Millionen<br />

Euro (davon drei Millionen Euro Zuschüsse)<br />

wurden regionale Tourismusverbände<br />

gefördert.<br />

Auch in der aktuellen EU-Strukturfondsperiode<br />

setzt das Land GRW-Zuschüsse<br />

weiter gezielt ein. Die IB sorgt als zentrale<br />

Fördereinrichtung mit ihrem fachlichen<br />

und technischen Know-how weiterhin<br />

für die punktgenaue Umsetzung der<br />

entsprechenden Programme. Durch effizienten<br />

Mitteleinsatz soll in marktfähige<br />

Strukturen, Projekte und Produkte investiert<br />

werden. Die im letzten Jahr geänder-<br />

Foto: Blende2/Harzdrenalin<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


Die „Megazipline“, Europas größte<br />

Doppelseilrutsche, lässt das Adrenalin von<br />

Abenteuertouristen nach oben schießen –<br />

mitten im Harz an der Rappbodetalsperre.<br />

ten GRW-Landesregelungen sind dabei<br />

speziell für kleine Unternehmen der Tourismusbranche<br />

eine Investitionserleichterung.<br />

Gefördert werden jetzt auch Investitionen,<br />

durch die nur bestehende<br />

Arbeitsplätze gesichert werden. Zudem<br />

wurde das Mindestinvestitionsvolumen<br />

von 70.000 auf 50.000 Euro gesenkt.<br />

RATGEBER TRAVELMANAGEMENT & TOURISMUS | 49<br />

Viele Aktivitäten konzentrieren sich zu<br />

Recht auf den Harz-Tourismus. Denn<br />

seine strukturelle Bedeutung wirkt sich<br />

auch positiv auf die touristische Nachfrage<br />

in ganz Sachsen-Anhalt aus, etwa weil<br />

für Übernachtungsgäste in anderen Tourismusregionen<br />

ein Ausflug in den Harz<br />

interessant ist. Zwei Förderbeispiele sollen<br />

das unterstreichen:<br />

Durch in der Harzregion<br />

eingesetzte Fördermittel<br />

wurden beispielsweise<br />

viele<br />

touristische Impulse<br />

ausgelöst,<br />

wie die<br />

Ferienregion<br />

Thale zeigt.<br />

Die Stadt Thale<br />

hatte nach<br />

2008 die touristische<br />

Infrastruktur<br />

im Bodetal mit<br />

6,8 Millionen Euro<br />

(davon vier Millionen<br />

Euro Zuschüsse) auf Vordermann<br />

gebracht. Die Seilbahnen<br />

Thale GmbH investierte insgesamt<br />

6,2 Millionen Euro, davon 2,2 Millionen mit<br />

GRW-Fördermitteln. Heute ist die „Seilbahnen<br />

Thale Erlebniswelt“ bei Urlaubsgästen<br />

und Familien genauso gefragt wie<br />

die moderne Bodetaltherme.<br />

Den Start des 2011 gegründeten und erfolgreichen<br />

Unternehmens „Harzdrenalin“<br />

mit seinen verschiedenen Abenteuerangeboten<br />

zum Beispiel hat die IB mit<br />

180.000 Euro aus dem GRW-Topf für gewerbliche<br />

Infrastruktur gefördert. Weitere<br />

130.000 Euro wurden aus dem KMU-<br />

Darlehensfonds als Förderdarlehen bewilligt.<br />

Inzwischen sind der 1.000-Meter-Seilflug<br />

an der Rappbodetalsperre<br />

und das Wallrunning – 43 Meter die Staumauer<br />

hinunter – eine echte Attraktion für<br />

Abenteuertouristen.<br />

INFORMATIONEN ZU<br />

FÖRDERMÖGLICHKEITEN<br />

Dr. Joachim Weschke<br />

Die Investitionsbank Sachsen-Anhalt<br />

bietet Informationen zu Fördermöglichkeiten<br />

(wie beispielsweise auch für<br />

Tourismusverbände das Programm<br />

„Sachsen-Anhalt ERLEBEN“) unter<br />

www.ib-sachsen-anhalt.de<br />

oder unter der kostenfreien Hotline<br />

0800 56 007 57.<br />

Fotos: Möller Mediengruppe (oben), IB (unten)<br />

Kleinere Unternehmen können so maßvolle<br />

Erweiterungen vornehmen und<br />

mit Vorhaben zur Qualitätsverbesserung<br />

kombinieren. Die Wettbewerbsfähigkeit<br />

wird verbessert, neue Zielgruppen<br />

erschlossen und die wirtschaftliche Situation<br />

der Unternehmen gestärkt. Der<br />

mögliche Höchstfördersatz für kommunale<br />

touristische Infrastrukturprojekte im<br />

Landesinteresse (bis zu 90 Prozent der Investitionssumme)<br />

setzt besondere Anreize.<br />

Angesichts mitunter zurückhaltender<br />

Finanzierungsbereitschaft bei Tourismusprojekten<br />

kann die IB mit entsprechenden<br />

Darlehensprodukten aufwarten und<br />

Finanzierungslücken schließen.<br />

Das Land Sachsen-Anhalt förderte im Oktober 2015 die Erweiterung des Vier-Sterne-Hotels<br />

Schlossmühle in Quedlinburg.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


50 | W+M RATGEBER<br />

Urteile für<br />

Unternehmer<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> hat wichtige Urteile<br />

für Sie zusammengestellt<br />

Diebstahl<br />

Keine Haftung für untypische<br />

Wertsachen des Arbeitnehmers<br />

Ein Arbeitgeber haftet bei Diebstahl am<br />

Arbeitsplatz nur für typische Wertgegenstände<br />

des Arbeitnehmers. Obhutsund<br />

Verwahrungspflichten bestehen nur<br />

bei unmittelbar oder mittelbar für die Arbeitsleistung<br />

benötigten Gegenständen.<br />

Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG)<br />

Hamm entschieden.<br />

Ein Mitarbeiter einer Klinik behauptet,<br />

Schmuck und Uhren im Wert von rund<br />

20.000 Euro in den Rollcontainer seines<br />

Schreibtisches in seinem Büro gelegt und<br />

diesen verschlossen zu haben. Eigentlich<br />

wollte er die Wertsachen am Abend zum<br />

Schließfach seiner Bank bringen, kam aber<br />

durch hohe Arbeitsbelastung davon ab.<br />

Wenige Tage später stellte er fest, dass<br />

die Tür zu seinem Büro offen stand, der<br />

Rollcontainer aufgebrochen und die Wertgegenstände<br />

gestohlen wurden. Der Generalschlüssel,<br />

mit dem das Büro geöffnet<br />

werden konnte, wurde von einer Mitarbeiterin<br />

leichtfertigt in deren ebenfalls aufgebrochenen<br />

Spint verwahrt und auch gestohlen.<br />

Der Mitarbeiter verklagte nun den<br />

Arbeitgeber auf Schadensersatz, da dieser<br />

es unterlassen habe, die sichere Aufbewahrung<br />

des Generalschlüssels durch<br />

klare Anweisungen und Vorkehrungen zu<br />

gewährleisten. Das LAG Hamm berief sich<br />

im Berufungsverfahren auf die Rechtsprechung<br />

des Bundesarbeitsgerichts, der Kläger<br />

zog daraufhin seine Klage zurück.<br />

LAG Hamm 18 Sa 1409/15<br />

Zuschläge<br />

Anspruch auf Zuschlag in Höhe von<br />

30 Prozent bei Dauernachtarbeit<br />

Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen,<br />

haben Nachtarbeitnehmer<br />

nach § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes<br />

(ArbZG) einen gesetzlichen Anspruch<br />

auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag<br />

oder auf eine angemessene<br />

Anzahl bezahlter freier Tage. Bei Dauernachtarbeit<br />

liegt der Anspruch regelmäßig<br />

bei 30 Prozent, betonte das Bundesarbeitsgericht<br />

(BAG) in einem Urteil.<br />

Ein im Paketlinientransportdienst tätiger<br />

Lkw-Fahrer verklagte seinen Arbeitgeber,<br />

da dieser nur unzureichende Nachtarbeitszuschläge<br />

zahlte. Die Arbeitszeit<br />

des Fahrers beginnt regelmäßig um 20<br />

Uhr und endet inklusive der Pausenzeiten<br />

am nächsten Morgen um 6 Uhr. Der<br />

Arbeitgeber ist nicht tarifgebunden und<br />

zahlte dem Arbeitnehmer anfangs elf Prozent<br />

Nachtzuschläge auf seinen Stundenlohn,<br />

später dann 20 Prozent. Der Fahrer<br />

verlangte von seinem Arbeitgeber, ihm<br />

einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von<br />

30 Prozent vom Stundenlohn zu zahlen<br />

oder einen Freizeitausgleich von zwei<br />

Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden<br />

zu gewähren. Das Bundesarbeitsgericht<br />

stellte fest, dass nach § 6<br />

Abs. 5 ArbZG ein gesetzlicher Anspruch<br />

auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag<br />

besteht, sofern – wie in diesem<br />

Fall – keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen<br />

bestehen. Bei besonderen<br />

Belastungen, wie der hier vorliegenden<br />

Dauernachtarbeit, erhöht sich der<br />

Anspruch auf regelmäßig 30 Prozent beziehungsweise<br />

entsprechenden Freizeitausgleich.<br />

BAG 10 AZR 423/14<br />

Werbung<br />

Automatische Eingangsbestätigung<br />

mit Werbung unzulässig<br />

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden,<br />

dass gegen den erklärten Willen<br />

eines Verbrauchers übersandte E-<br />

Mails mit werblichem Inhalt, so genannte<br />

No-Reply-Bestätigungsmails, eine<br />

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />

darstellen.<br />

Der Kläger des zugrunde liegenden<br />

Rechtstreits ist Verbraucher. Er wandte<br />

sich mit der Bitte um Bestätigung einer<br />

von ihm ausgesprochenen Kündigung<br />

per E-Mail an das beklagte Unternehmen.<br />

Dieses bestätigte unter dem Betreff "Automatische<br />

Antwort auf Ihre Mail [...]"den<br />

Eingang der Nachricht des Klägers. Die<br />

Antwort enthielt neben der Bestätigung<br />

über den Eingang auch vom Kunden nicht<br />

gewollte Werbung. Dieser wandte sich<br />

daraufhin erneut an das Unternehmen<br />

und rügte die automatisierte Antwort<br />

mit der enthaltenen Werbung, woraufhin<br />

er erneut besagte Bestätigungsnachricht<br />

mit Werbung erhielt. Der BGH entschied<br />

nun, dass die gegen den erklärten<br />

Willen des Klägers übersandte Werbe-E-<br />

Mail einen Verstoß gegen das allgemeine<br />

Persönlichkeitsrecht darstellt.<br />

BGH VI ZR 134/15<br />

Foto: AllebaziB/Fotolia.com, Quelle: www.kostenlose-urteile.de<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


RECHT | 51<br />

Foto: AllebaziB/Fotolia.com, Quelle: www.kostenlose-urteile.de<br />

Urheberrecht<br />

Schadensersatz für Fotograf bei<br />

unerlaubter Bildveröffentlichung<br />

Wer ein Foto ohne Zustimmung des Fotografen<br />

auf seiner Homepage veröffentlicht,<br />

schuldet dem Fotografen als Inhaber<br />

des Urheberrechts Schadensersatz<br />

in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr.<br />

Die lizenzfreie Weitergabe von Bildern<br />

an Vertriebspartner des Auftraggebers<br />

verletzt ebenfalls Urheberrechte<br />

des Fotografen. Dies geht aus einer Entscheidung<br />

des Oberlandesgerichts (OLG)<br />

Hamm hervor.<br />

Ein international erfolgreicher Modefotograf<br />

aus Österreich erstellte im Auftrag<br />

eines Unternehmens für Bade- und<br />

Strandbekleidung mehrere tausend Modefotografien.<br />

Er überließ diese dem Auftraggeber<br />

zur Verwendung auf dessen<br />

Homepage, eine Vereinbarung über die<br />

Weitergabe der Fotos an Vertriebspartner<br />

des Auftraggebers fand nicht statt.<br />

Ein solcher Vertriebspartner nutzte die<br />

Fotos für seine Homepage. Nach einer<br />

mit der unbefugten Benutzung der Fotos<br />

begründeten Abmahnung des Fotografen<br />

gab der Vertriebspartner ihm gegenüber<br />

eine strafbewehrte Unterlassungserklärung<br />

ab. Vor Gericht stritten beide<br />

Parteien über die Höhe des Schadensersatzes<br />

für die Benutzung der Fotos. Das<br />

OLG Hamm sprach dem Fotografen nun<br />

Schadensersatz in Höhe von zehn Euro<br />

pro Bild zu.<br />

OLG Hamm 4 U 34/15<br />

Haftung<br />

Geschäftsführer haftet für<br />

Steuerschuld einer UG<br />

Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz<br />

hat entschieden, dass der Geschäftsführer<br />

einer Unternehmergesellschaft (UG)<br />

für Gewerbesteuerschulden der Gesellschaft<br />

haften muss.<br />

Der Geschäftsführer einer UG hatte während<br />

seiner Zeit als Alleingeschäftsführer<br />

der von ihm geführten Firma weder Steuererklärungen<br />

abgegeben, noch Steuern<br />

gezahlt. Auch die auf der Grundlage von<br />

Steuerschätzungen seitens der beklagten<br />

Ortsgemeinde festgesetzten Gewerbesteuern<br />

wurden nicht entrichtet. Mahnungen<br />

und Vollstreckungsversuche blieben<br />

fruchtlos. Deshalb nahm die Gemeinde<br />

den Geschäftsführer schließlich persönlich<br />

für die Gewerbesteuern der UG in<br />

Haftung. Nach erfolglosem Widerspruch<br />

erhob dieser dagegen Klage und gab an,<br />

es sei kein Schaden entstanden, da die<br />

Steuerschätzungen unrealistisch gewesen<br />

seien und das Unternehmen lediglich<br />

Verluste erwirtschaftetet hätte. Außerdem<br />

berichtete er, keinerlei Erfahrungen<br />

mit geschäftlichen Dingen zu besitzen<br />

und dadurch mit der Situation überfordert<br />

gewesen zu sein. Das Verwaltungsgericht<br />

entschied für die Gemeinde und<br />

legte fest, dass der Geschäftsführer nach<br />

einschlägigen steuerrechtlichen Bestimmungen<br />

für die Steuerschulden der UG<br />

haften müsse.<br />

<br />

VG Köln 5 K 526/15.KO<br />

Kündigung<br />

Keine fristlose Kündigung bei<br />

wochenlanger Krankheit<br />

Zu erwartende krankheitsbedingte Fehlzeiten<br />

von knapp 18 Wochen pro Jahr<br />

rechtfertigen keine fristlose Kündigung<br />

eines Arbeitsverhältnisses, jährliche Entgeltfortzahlungen<br />

für diesen Zeitraum<br />

stellen keine unzumutbaren wirtschaftlichen<br />

Belastungen für den Arbeitgeber<br />

dar. Das entschied jüngst das Landesarbeitsgericht<br />

(LAG) Berlin-Brandenburg.<br />

Im vorliegenden Fall wurde einem Arbeitnehmer<br />

im Oktober 2011 fristlos gekündigt,<br />

da er seit dem Jahr 2000 wiederholt<br />

arbeitsunfähig erkrankte. Da der<br />

Arbeitgeber befürchtete, dass sich das<br />

durchschnittliche Fehlen von etwa 18<br />

Wochen jährlich auch in Zukunft fortsetzen<br />

werde und ihm dies wirtschaftlich<br />

nicht zumutbar sei, kündigte er den<br />

Arbeitnehmer fristlos. Dieser erhob daraufhin<br />

Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht<br />

Cottbus wies die Klage zunächst<br />

ab, das LAG Berlin-Brandenburg<br />

entschied aber in der Berufung zugunsten<br />

des Arbeitnehmers. Jährliche Entgeltfortzahlungskosten<br />

in einem derartigen<br />

Umfang stellten keine unzumutbare<br />

wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers<br />

dar. Zudem waren die gesetzlichen<br />

Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung<br />

aufgrund von Arbeitsunfähigkeit<br />

nicht gegeben. Die krankheitsbedingte<br />

fristlose Kündigung sei somit unwirksam<br />

gewesen.<br />

LAG Berlin-Brandenburg 15 Sa 825/13<br />

Steuern<br />

Keine Absetzung von häuslichem<br />

Arbeitszimmer bei Mischnutzung<br />

Wird ein häusliches Arbeitszimmer innerhalb<br />

der Wohnung auch privat genutzt,<br />

so ist dieses nicht steuerlich absetzbar,<br />

da der Umfang der jeweiligen Nutzung<br />

des Zimmers innerhalb der Wohnung des<br />

Steuerpflichtigen nicht objektiv überprüfbar<br />

ist. Das hat jüngst der Bundesfinanzhof<br />

(BFH) entschieden.<br />

Ein häusliches Arbeitszimmer setzt neben<br />

einem büromäßig eingerichteten<br />

Raum voraus, dass es ausschließlich<br />

oder nahezu ausschließlich für betriebliche<br />

oder berufliche Zwecke genutzt wird.<br />

Fehlt es hieran, sind die Aufwendungen<br />

hierfür insgesamt nicht abziehbar. Damit<br />

scheidet eine Aufteilung und anteilige Berücksichtigung<br />

im Umfang der betrieblichen<br />

oder beruflichen Verwendung aus.<br />

Im vorliegenden Verfahren war streitig,<br />

ob Kosten für einen Wohnraum, der zu<br />

60 Prozent zur Erzielung von Einnahmen<br />

aus Vermietung und Verpachtung und zu<br />

40 Prozent privat genutzt wird, anteilig als<br />

Werbungskosten bei den Einkünften aus<br />

Vermietung und Verpachtung abziehbar<br />

sind. Der BFH begründet seine Entscheidung<br />

damit, dass der Gesetzgeber seit<br />

jeher voraussetzt, dass das sogenannte<br />

„häusliche Arbeitszimmer“ wie ein Büro<br />

eingerichtet ist und ausschließlich oder<br />

nahezu ausschließlich zur Erzielung von<br />

Einnahmen genutzt wird.<br />

BFH GrS 1/14<br />

W+M<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


52 | W+M RATGEBER<br />

Flüssig bleiben<br />

Wenn Kunden nicht zahlen, kann das schnell zu<br />

Liquiditätsengpässen führen. Fünf Tipps, wie<br />

Sie es schaffen, dass es gar nicht erst soweit<br />

kommt.<br />

1. Kunden überprüfen<br />

Vor Vertragsabschluss sollten Bonität<br />

und Unternehmensdaten überprüft werden.<br />

Auskünfte erhält man zum Beispiel<br />

beim Online-Bundesanzeiger, bei der zuständigen<br />

IHK oder im Handelsregister.<br />

2. Zügig Rechnung stellen<br />

Erstellen Sie Rechnungen zügig und<br />

kontrollieren sie die Zahlungseingänge.<br />

Die Forderung muss prüffähig sein,<br />

denn jeder Fehler kann dazu genutzt<br />

werden, die Zahlung aufzuschieben.<br />

Prüfen Sie Zahlungseingänge nach Fristablauf<br />

und reagieren Sie frühzeitig auf<br />

Zahlungsverzug.<br />

3. Konsequent<br />

fordern<br />

Mahnen Sie konsequent,<br />

wenn<br />

der Kunde in Zahlungsverzug ist. Eine<br />

Mahnung ist erforderlich, damit der<br />

Schuldner in Verzug kommt. In der ersten<br />

Mahnung ist ein freundlicher Zahlungshinweis<br />

ohne monetäre Folgen<br />

sinnvoll.<br />

4. Absichern<br />

Versichern Sie sich gegen Forderungsausfall<br />

mit einer Warenkreditversicherung,<br />

wie beispielsweise einer Forderungsausfallversicherung.<br />

Ist der Kunde<br />

zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig,<br />

greift die Versicherung.<br />

5. Factoring prüfen<br />

Ein konsequentes Forderungsmanagement<br />

nimmt viel Zeit in Anspruch. Beim<br />

Factoring verkauft der Unternehmer<br />

fortlaufend seine Rechnungen an ein<br />

Factoring-Unternehmen und erhält innerhalb<br />

von zwei Werktagen sofortige<br />

Liquidität. Der Factor übernimmt dann<br />

das komplette Forderungsmanagement.<br />

Projekte leiten<br />

Zeit für Strategie<br />

Veränderungen meistern<br />

Projektleiter werden meistens wegen<br />

ihrer fachlichen Leistungen ausgewählt.<br />

Neben dieser benötigen sie aber auch<br />

andere Fähigkeiten. Zum Beispiel Management-Know-how,<br />

wie man Pläne<br />

entwirft, Risiko managt und Kosten kalkuliert.<br />

Projektleiter sind auch Führungskräfte.<br />

Sie müssen ein Team führen und<br />

in der Lage sein, die sich teils widersprechenden<br />

Interessen von Kunden, Vorgesetzten,<br />

involvierten Abteilungen und den<br />

eigenen Projektmitarbeitern zu managen.<br />

Außerdem sind Projektleiter Unternehmer.<br />

Für eine begrenzte Zeit sind sie Geschäftsführer<br />

eines Projekts. Sie müssen<br />

Handlungsstrategien entwickeln und sollten<br />

mit „Marketing-Aktivitäten“ innerhalb<br />

und gegebenenfalls außerhalb des Unternehmens<br />

ihr Projekt „verkaufen“ können.<br />

Finanzabteilungen sind heutzutage immer<br />

öfter für die Geschäfts- und Finanzstrategie<br />

verantwortlich. Deutsche Chief<br />

Financial Officers (CFOs) beschäftigen<br />

sich laut einer Studie nur circa fünf Stunden<br />

pro Woche, also etwas weniger als<br />

einem Fünftel ihrer Arbeitszeit, mit unternehmensstrategischen<br />

Aufgaben.<br />

Knapp die Hälfte ihrer Zeit verbringen<br />

sie mit operativen Aufgaben wie Teamführung<br />

und Zusammenarbeit mit dem<br />

Management und anderen Abteilungen.<br />

Dabei können gerade sie durch ihre strategischen<br />

Finanzeinblicke einen wichtigen<br />

Beitrag zum Unternehmenswachstum<br />

und zur Wettbewerbsfähigkeit beitragen.<br />

Um als Führungskraft gut funktionieren<br />

zu können, brauchen CFOs daher<br />

mehr Zeit für übergeordnete Aufgaben.<br />

Menschen verhalten sich bei Veränderungen<br />

unterschiedlich. Dies bedeutet<br />

für Führungskräfte besondere Schwierigkeiten.<br />

Sie müssen sich selbst durch<br />

die Veränderung führen und sich dabei<br />

häufig selbst reflektieren. Beziehen Sie<br />

daher auch die Mitarbeiter frühzeitig in<br />

die Umstrukturierung mit ein, damit diese<br />

rechtezeitig die Möglichkeit erhalten,<br />

zu reflektieren und auch zu akzeptieren,<br />

alte Routinen abzulegen. Fordern Sie<br />

für die nötigen Veränderungen die Unterstützung<br />

ihrer Vorgesetzten ein und<br />

wertschätzen und loben Sie ebenso möglichst<br />

Ihre Mitarbeiter bei Erfolg. Befürworter<br />

der Veränderung unter den Mitarbeitern<br />

sollten Sie als Zugpferde einsetzen.<br />

Aber seien Sie auch für die Bedenken<br />

der Mitarbeiter offen.<br />

Quelle: www.business-wissen.de, www.dashoefer.de<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


MANAGEMENT | 53<br />

Zeiterfassung schadet<br />

Von genauer Zeiterfassung versprechen<br />

sich Unternehmen eine höhere Zuverlässigkeit<br />

ihrer Projekte. Sie soll herausfinden,<br />

ob sich ein Projekt gelohnt hat, helfen,<br />

zukünftige Projekte zu verbessern<br />

und Ressourcen-Effektivität sicherzustellen.<br />

Doch es kommt zu schädlichen Nebenwirkungen<br />

wie Multitasking, Demotivation<br />

und Defokussierung der Mitarbeiter.<br />

Den Zeitverbrauch für Projekte bis<br />

ins kleinste Detail festzulegen, vernachlässigt<br />

den Zufall. Die kleinste Änderung<br />

kann dazu führen, dass das ganze Projekt<br />

aus den Fugen gerät. Die Mitarbeiter an<br />

Hand von Kennzahlen aus Zeiterfassung<br />

zu beurteilen, hat sich zudem als wenig<br />

effizient erwiesen.<br />

Talente fördern<br />

Talentmanagement ist ein strategisches<br />

Instrument, um die für den Fortbestand<br />

und den Erfolg des Unternehmens relevanten<br />

Führungspositionen zu besetzen.<br />

Um Talente zu identifizieren, sollten<br />

Mitglieder der Geschäftsleitung und<br />

der Personalabteilung ihre persönlichen<br />

Einschätzungen untereinander abstimmen.<br />

Auch Schulungen helfen, differenzierter<br />

zu urteilen beziehungsweise belastbare<br />

Kategorien für eine Beurteilung<br />

zu finden. Hat man Talente identifiziert,<br />

sollte man einen Entwicklungsplan erarbeiten<br />

und folgende Fragen beantworten:<br />

Wer kommt für welche Rolle in Zukunft<br />

in Frage? Wer kann die wenigen<br />

Schlüsselpositionen mit Vision und Umsetzungskraft<br />

ausfüllen? Wer hat das Potenzial,<br />

die Geschäftsleitung in Zukunft zu<br />

übernehmen? Welche Erfahrungen und<br />

Kompetenzen braucht derjenige bis dahin?<br />

Auch Risiken sollte man im Blick behalten.<br />

Sieht sich jemand bei der Konkurrenz<br />

um? Wer geht in den Ruhestand?<br />

Werden noch andere Stellen frei? Den Talenten<br />

sollten vor allem auch Erfahrungen<br />

außerhalb ihrer gewohnten Funktion ermöglicht<br />

werden. Für eine Geschäftsleitung<br />

ist eine Karriere nur innerhalb eines<br />

Bereiches zu einseitig. Wer für sein Unternehmen<br />

langfristig planen will, sollte<br />

jemanden nicht nur für eine Position einstellen,<br />

sondern für einen Karriereweg.<br />

Sponsoren gewinnen<br />

Häufig scheitert die Sponsorensuche am<br />

fehlenden Verständnis für die Interessen<br />

des möglichen Sponsors. Zum Einschätzen<br />

des Werbewertes sind für diesen die Leistungskennzahlen<br />

einer Werbefläche wichtig,<br />

zum Beispiel (Medien-)Reichweite, erreichbare<br />

Zielgruppe oder welches Image<br />

ein Sponsoring-Projekt verkörpert. Ein Konzept<br />

von hoher Qualität ist für das Gewinnen<br />

eines Sponsors unerlässlich: professionelles<br />

Layout, nur relevante Informationen,<br />

orthografisch und grammatikalisch<br />

einwandfrei und mit persönlicher Anrede<br />

des entsprechenden Ansprechpartners. Ist<br />

der Kontakt zu einem interessierten Sponsoren<br />

hergestellt, sollte man einen Termin<br />

vereinbaren, um persönlich sein Sponsoring-Projekt<br />

vorzustellen. Dabei kann man<br />

die Interessen und Ziele des potenziellen<br />

Sponsors in Erfahrung bringen, um diesem<br />

ein passendes Angebot zu machen.<br />

Quelle: www.business-wissen.de, www.dashoefer.de<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


54 | W+M RATGEBER<br />

Der Honecker-Effekt<br />

Warum Chefs selten ehrliche Rückmeldungen erhalten<br />

Sie glauben, Sie wissen als Chef, was Ihre Mitarbeiter bewegt? Weil<br />

Sie diese ja regelmäßig um Feedback bitten? Die Chance, dass Sie<br />

hier einem Irrtum zum Opfer fallen, ist beträchtlich. Der Grund dafür<br />

liegt in der hierarchischen Gravität. Von Chris Wolf, Diplom-Psychologin<br />

Foto: Rolf Wenkel/pixelio.de<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


PERSONALMANAGEMENT | 55<br />

Das Bild eines Vorgesetzten davon,<br />

was seine Mitarbeiter wohl denken,<br />

entsteht wesentlich durch Feedbacks,<br />

die er erhält. Und dabei kommt es<br />

eben darauf an, wie ausgeprägt das hierarchische<br />

Gefälle in einem Unternehmen<br />

ist. Feedback und seine Wucht und Wirkung<br />

sind nicht nur an Formulierung, Tonfall,<br />

Gestik oder Inhalt gebunden, sondern<br />

ganz zentral an die Frage, wer da wem etwas<br />

sagt. Feedback findet im Kontext von<br />

Macht statt. Hierarchie erzeugt kommunikative<br />

Gravität.<br />

Je steiler das Gefälle …<br />

Das Feedback des Vorgesetzten wird<br />

durch die hierarchische Gravität beschleunigt<br />

und steigert seine Wucht, bis es den<br />

Mitarbeiter erreicht. Umgekehrt muss der<br />

Mitarbeiter viel Kraft aufwenden, um sein<br />

Feedback an den Chef gegen die hierarchische<br />

Gravität nach oben zu befördern.<br />

Je steiler das hierarchische Gefälle, desto<br />

größer wird folgerichtig die hierarchische<br />

Gravität. Wenn der Mitarbeiter zum Beispiel<br />

seinem Vorgesetzten mitteilen möchte,<br />

dass die halbe Belegschaft in schlechter<br />

Stimmung lebt, weil das Management<br />

widersprüchliche Botschaften bezüglich<br />

Arbeitsaufträgen und Bewertungen verbreitet,<br />

dann wird von dieser Botschaft<br />

oben nur wenig ankommen.<br />

Verpackte Botschaften<br />

Man muss als Mitarbeiter das Feedback<br />

strategisch geschickt verpacken, alle möglichen<br />

Befindlichkeiten und Gefahren für<br />

die Bewertung der eigenen Person beachten<br />

– und so ganz deutlich möchte es der<br />

Chef wahrscheinlich eben auch gar nicht<br />

hören. Wie groß ist doch die Chance, dass<br />

er bei Erhalt dieser Information den Überbringer<br />

abwertet, im Sinne von: „Man<br />

weiß ja, von wem es kommt!“<br />

Potemkinsche Dörfer<br />

Wer also die Wirkung des Machtfaktors<br />

minimieren will, der muss das hierarchische<br />

Gefälle reduzieren. Macht macht<br />

klare Feedbacks nach oben schwierig.<br />

Von Erich Honecker wird gesagt, er meinte<br />

selbst, dass er im besten aller Staaten<br />

lebte. Seine Mitarbeiter gestalteten diese<br />

Illusion für ihn sorgfältig im Sinne der Potemkinschen<br />

Dörfer. Diese Form der Illusion<br />

nennt die Psychologie mittlerweile sogar<br />

Honecker-Effekt. Übertrieben für normale<br />

Vorgesetzte? Keineswegs.<br />

Witzig – oder nur Chef?<br />

Umgekehrt gilt dies genauso. Es ist für<br />

Vorgesetzte schwer zu unterscheiden,<br />

ob nur ihre Macht wirkt oder der Inhalt<br />

dessen, was sie sagen. Oft wiegen sie<br />

sich daher in der Illusion ihrer argumentativen<br />

Überzeugungskraft und haben doch<br />

nur ein Machtspiel gewonnen. Wer „ja“<br />

sagt, muss nicht „ja“ meinen. Wer nickt,<br />

stimmt nicht unbedingt zu. Wenn der CEO<br />

bei der Betriebsversammlung einen Witz<br />

macht und alle lachen, dann heißt das keineswegs,<br />

dass der Witz gut war. Es kann<br />

genauso gut sein, dass es sich einfach gehört,<br />

über die Scherze des Chefs zu lachen.<br />

Das Ergebnis eines Feedbacks aber<br />

hängt nicht von dem nach außen sichtbaren<br />

Gestus ab, sondern von der nicht direkt<br />

offenkundigen Akzeptanz. Es hängt<br />

davon ab, ob man den anderen zu bewegen<br />

vermag.<br />

Gefilterte Botschaften<br />

Der Hierarch als Feedbackgeber müsste<br />

also genau hinhören oder gar nachfragen,<br />

wenn er ermessen möchte, wie seine Vorstellungen<br />

ankommen. Und selbst dann<br />

wäre es fraglich, in welchem Grad er die<br />

Chris Wolf/<br />

Heinz<br />

Jiranek:<br />

„Feedback.<br />

Nur was<br />

erreicht, kann<br />

auch bewegen“,<br />

BusinessVillage<br />

2014, 240 S.,<br />

24,80 €.<br />

Wahrheit erführe. Denn Kommunikation<br />

gegen das Gefälle der Macht wird zensiert,<br />

getreu dem Motto: „Das können wir unserem<br />

Chef nicht sagen, niemals.“ Wer also<br />

weiter oben ist, bekommt gefilterte Botschaften.<br />

Was kann man unternehmen,<br />

um das hierarchische Gefälle sinnvoll zu<br />

reduzieren? Ich schlage hier vor, Reversibilität<br />

als Ideal zu nutzen.<br />

Klappt es auch umgekehrt?<br />

Stellen wir uns folgendes Szenario vor. Ein<br />

Mitarbeiter sagt zu seinem Chef: „Bitte<br />

kommen Sie heute um 15 Uhr zu mir. Ich<br />

möchte Ihnen dann ein paar Punkte zurückmelden,<br />

die mir in letzter Zeit aufgefallen<br />

sind. Ich werde natürlich alles mit<br />

Ihnen diskutieren, solange Sie konstruktiv<br />

bleiben.“ Das kann der Chef zum Mitarbeiter<br />

sagen, aber umgekehrt? Die Sozialpsychologie<br />

nennt dies den Reversibilitätstest:<br />

Kann das, was A zu B sagt, auch<br />

B sanktionsfrei zu A sagen? So zeigen sich<br />

Machtstrukturen schnell und einfach.<br />

Der Tipp<br />

Um den Honecker-Effekt zu minimieren<br />

oder auszuschalten, gilt es, Feedbackstrukturen<br />

zu etablieren, die der Machtkontamination<br />

entgegenwirken, die das hierarchische<br />

Gefälle berücksichtigen und<br />

falls möglich, reduzieren.<br />

In Kooperation mit dem Magazin OFFIXX.<br />

Chris Wolf ist Diplom-Psychologin<br />

und Buchautorin.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


56 | W+M RATGEBER LITERATUR<br />

Wirtschaftsliteratur<br />

Die ostdeutsche<br />

Bestsellerliste<br />

1<br />

2<br />

3<br />

6<br />

Dirk Müller<br />

CASHKURS<br />

So machen Sie das Beste aus Ihrem Geld:<br />

Aktien, Versicherungen, Immobilien<br />

7<br />

5<br />

8<br />

4<br />

9<br />

10<br />

Die ostdeutsche Bestsellerliste für<br />

Wirtschaftsliteratur wird exklusiv von<br />

W+M aus den Verkaufszahlen großer<br />

Buchhandlungen in Brandenburg,<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen,<br />

Sachsen-Anhalt und Thüringen erstellt.<br />

Beteiligt haben sich:<br />

• Hugendubel Cottbus,<br />

Mauerstraße 8, 03046 Cottbus<br />

• Hugendubel Erfurt,<br />

Anger 62, 99084 Erfurt<br />

• Hugendubel Greifswald,<br />

Markt 20–21, 17489 Greifswald<br />

• Hugendubel Leipzig,<br />

Petersstraße 12–14, 04109 Leipzig<br />

• Hugendubel Potsdam,<br />

Stern-Center 1, 14480 Potsdam<br />

• Hugendubel Schwerin,<br />

Marienplatz 3, 19053 Schwerin<br />

• Ulrich-von-Hutten-Buchhandlung,<br />

Logenstraße 8, 15230 Frankfurt/Oder<br />

Die Teilnahme steht weiteren Buchhandlungen<br />

jederzeit offen. Schreiben Sie bei<br />

Interesse eine E-Mail an JP@WundM.info.<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


OFFICE-ROXX.DE<br />

D e r a m t l i c h e B ü r o B l o g<br />

DER BLOG, DER ROCKT!


58 | W+M RATGEBER<br />

Vorbote einer Mobilitätsrevolution:<br />

der autonom fahrende Mercedes-Benz F 015.<br />

Das Auto und seine Zukunft<br />

Wenn es um das Auto der Zukunft<br />

geht, gibt es allerhand<br />

Ideen, viele Perspektiven und<br />

noch mehr Interessenlagen. Die Automagazine<br />

mit ihren Prognosen haben da einen<br />

entspannten Blickwinkel. Hier findet<br />

die Zukunft in der nächsten Zeit statt und<br />

da gelten dann Aussagen wie „Die neuen<br />

Roadster künden von mehr Sportlichkeit“<br />

oder „Der Trend zu robusten SUV ist<br />

ungebrochen und hält auch künftig an“.<br />

Doch immer mehr geht es bei dem Thema<br />

um Grundsätzlicheres. Die einen beschäftigt<br />

das künftige Nutzungsverhalten<br />

der Autofahrer, andere schauen interessiert<br />

oder besorgt auf das Silicon Valley,<br />

das sich aufmacht, die Automobilbranche<br />

aufzumischen.<br />

Aktuell gibt es in Deutschland etwa 53<br />

Millionen zugelassene Fahrzeuge, davon<br />

44 Millionen Pkw. Diese Zahl wird nach<br />

einer Shell-Studie aus dem Jahr 2014<br />

noch bis 2020 ansteigen, dann aber rückläufig<br />

sein. Das hängt vermutlich an dem<br />

zu erwartenden Bevölkerungsrückgang,<br />

aber auch an greifenden Trends wie Carsharing<br />

und ähnlichem.<br />

Und dann gibt es da noch die E-Mobilitiy. In<br />

der Umfrage von <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong><br />

von 2015 zur Nutzung von Firmen-Pkws<br />

haben bereits im letzten Jahr fast 60 Prozent<br />

der befragten Unternehmer angegeben,<br />

dass sie sich vorstellen können, in<br />

fünf Jahren ein Elektro-Auto zu nutzen.<br />

Als gesichert gilt, dass für die Automobilindustrie<br />

eine Zeitenwende begonnen<br />

hat. Noch gibt es keinen Grund zur Panik,<br />

denn in Deutschland liegt die Zahl der<br />

zugelassenen Elektromobile derzeit bei<br />

knapp zwei Prozent, Tendenz allerdings<br />

steigend.<br />

Das Innere des F 015 wirkt wie ein fahrendes Wohnzimmer.<br />

Das ambitionierte Ziel der Bundesregierung,<br />

bis 2020 eine Million Elektroautos<br />

auf deutsche Straßen zu bringen, liegt<br />

noch in weiter Ferne. Dennoch heißen die<br />

eigentlichen Zukunftsthemen der Branche<br />

Elektromobilität, Vernetzung und autonomes<br />

Fahren. Die Fahrzeuge und ihre<br />

Umgebung sollen auch ohne Eingriff des<br />

Fahrers miteinander kommunizieren und<br />

so für mehr Sicherheit sorgen. Das selbst-<br />

Fotos: Daimler AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


MOBILITÄT | 59<br />

Der BMW i8 mit Hybridantrieb erzielt Leistungen eines Sportwagens.<br />

Der BMW i3 besitzt einen reinen Elektroantrieb.<br />

ständig rückwärts einparkende Auto<br />

kennt man ja, künftig sollen sich aber die<br />

Fahrzeuge gegenseitig vor Gefahrensituationen<br />

warnen und vieles mehr. Und<br />

dann sind da die Hersteller selbstfahrender<br />

Autos, deren Tests mit immer weniger<br />

Skepsis betrachtetet werden. Und<br />

hier mischen plötzlich auch Google oder<br />

Apple kräftig mit. Es ist jetzt schon spannend,<br />

aber das ist erst der Anfang.<br />

Die Automobilität der Zukunft ist ein rundum<br />

spannendes Thema und deshalb ist es<br />

nur folgerichtig, dass die AMI Auto Mobil<br />

International, die <strong>2016</strong> ihr 25-jähriges<br />

Jubiläum begeht, das Thema<br />

zu einem ihrer Schwerpunkte gewählt<br />

hat. Die AMI, die vom 9. bis<br />

17. April <strong>2016</strong> auf dem Leipziger<br />

Messegelände stattfindet,<br />

greift Themen<br />

wie automatisiertes<br />

Fahren, alternative<br />

Antriebe und Fahrerassistenzsysteme<br />

verständlich<br />

und aufmerksamkeitsstark<br />

auf. Innovative<br />

Mobilitätskonzepte<br />

werden hautnah erlebbar<br />

gemacht. Die Besucher können sich auf<br />

ein umfangreiches Rahmenprogramm<br />

zum Mitmachen freuen: Dazu zählen auch<br />

AMI-Spritsparstunden und Probefahrten<br />

im Straßenverkehr sowie der Off-Road-<br />

Parcours auf dem Freigelände. Veran-<br />

stalter ist die Leipziger Messe GmbH,<br />

ideeller Träger der Verband der Internationalen<br />

Kraftfahrzeughersteller (VDIK e. V.).<br />

Der VW XL 1 mit Hybridantrieb.<br />

Frank Nehring<br />

AMI-Messeschwerpunkt<br />

„AUTO-Mobilität der Zukunft“<br />

Fotos: BMW AG (oben), Volkswagen AG (unten)<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


Ohne schädliche Abgase: das Brennstoffzellenauto.<br />

Wasserstoff als Energiespeicher der Zukunft<br />

Auf dem Energieforum 2015 der Fachhochschule Brandenburg, an dem auch Experten des VBIW<br />

teilnahmen, drehte sich alles um den Wasserstoff. Durch die zeitweise auftretenden Überschüsse bei der<br />

Gewinnung von Windstrom wird die Elektrolyse immer bedeutender. Wasserstoff kann überschüssige<br />

Energie speichern oder für klimaneutrale Mobilität sorgen. Von Rudolf Miethig (VBIW)<br />

Die Teilnehmer des Energieforums<br />

2015 wurden von der Präsidentin<br />

der Fachhochschule Brandenburg<br />

Prof. Dr.-Ing. Burghilde Wieneke-Toutaoui<br />

und Jos van Winsen von der PCK<br />

Raffinerie Schwedt GmbH begrüßt. Moderiert<br />

wurde das Forum von Prof. Dr.<br />

Reiner Malessa.<br />

Referentin Verena Leschke, ebenfalls von<br />

der PCK Raffinerie Schwedt, sprach über<br />

die in ihrem Unternehmen angewandten<br />

konventionellen Methoden zur Herstellung<br />

von Wasserstoff. Die Raffinerie setzt<br />

Erdgas mit Wasserdampf zu Synthesegas<br />

und Wasserstoff um. Sie benötigt den<br />

Wasserstoff kontinuierlich, um Schwefel<br />

aus Diesel und Benzin zu binden.<br />

Dr. Oliver Ehret von der NOW GmbH<br />

kam aus Berlin mit einem Brennstoffzellenauto<br />

und lud zu einer Probefahrt ein.<br />

Brennstoffzellen wandeln die chemische<br />

Energie von Wasserstoff und Sauerstoff<br />

in Strom um, und zwar kontinuierlich,<br />

ohne den berühmten Knall im Chemieunterricht.<br />

Der Strom bewegt den Elektromotor<br />

für den Fahrantrieb und wird zudem<br />

auch in einer Lithium-Ionen-Batterie<br />

gespeichert. Diese wird auch beim<br />

Bremsen geladen, wenn der Elektromotor<br />

als Generator wirkt. Die Brennstoffzelle<br />

ist lokal emissionsfrei, sie erzeugt<br />

nur Wasserdampf als Abprodukt. Die Probefahrt<br />

war beeindruckend: geräuschlos<br />

und mit der für den Elektromotor charakteristischen<br />

hohen Beschleunigung von<br />

Beginn an – und das ohne Schaltgetriebe.<br />

Das Fahrzeug stammte aus einer Vorserie<br />

eines deutschen Herstellers. Serienmäßig<br />

bieten seit Ende 2015 erstmalig Hyundai<br />

und Toyota Brennstoffzellenautos an.<br />

Prof. Dr. Thomas Klassen vom Helmholtz-<br />

Zentrum Geesthacht berichtete über Forschungen<br />

zur foto-elektrochemischen<br />

Herstellung von Wasserstoff, ein industriell<br />

noch nicht verwertbares Verfahren.<br />

Wasserstoff soll dabei direkt aus Wasser<br />

mit Hilfe von Sonnenenergie fotokatalytisch<br />

gewonnen werden. Prof. Klassen<br />

wies auch auf die Bedeutung einer<br />

sicheren, kompakten und kostengünstigen<br />

Speicherung von Wasserstoff hin. Im<br />

Helmholtz-Zentrum wird Wasserstoff an<br />

die Kristallstruktur von Leichtmetall gebunden,<br />

was im Vergleich zur derzeit in<br />

Fahrzeugen angewandten Hochdruckspeicherung<br />

bei 700 bar eine Speicherung<br />

bei niedrigerem Druck ermöglicht.<br />

Metallhydridtanks werden großtechnisch<br />

bereits in U-Booten angewandt, die über<br />

einen außenluftunabhängigen, auf Brennstoffzellen<br />

basierten Antrieb verfügen.<br />

Das abschließende Referat hielt Thomas<br />

Götze von der EWE AG. Er stellte das<br />

Audi-e-gas-Projekt in Werlte (Emsland)<br />

vor. Das von Audi angebotene e-gas ist<br />

ein synthetisches Erdgas, das CO 2<br />

-neutral<br />

hergestellt wird. Mit Windstrom wird<br />

durch Elektrolyse Wasserstoff hergestellt.<br />

Kohlendioxid (CO 2<br />

) aus einer Biogasanlage<br />

wird dem Wasserstoff zugeführt.<br />

Es entsteht künstliches Methan,<br />

das von Audi „e-gas“ genannt wird. Die<br />

Menge an CO 2<br />

, die den Pflanzen entnommen<br />

wurde, wird vom Erdgasauto wieder<br />

ausgeschieden. Dazu muss der Käufer<br />

eines Audi g-tron zum Tanken nicht<br />

ins Emsland fahren. Mit einer speziellen<br />

Tankkarte tankt er an beliebigen Orten in<br />

Deutschland. Audi erfasst die getankten<br />

Mengen und speist dieselbe Menge e-<br />

gas ins Erdgasnetz bei Werlte ein.W+M<br />

Foto: Daimler AG<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


NETZWERK VBIW | 61<br />

Systematisches Erfinden<br />

Kann man eine Erfindung planen oder<br />

methodisch erarbeiten? Schon die<br />

Vorläuferorganisation des VBIW,<br />

die Kammer der Technik (KDT), beschäftigte<br />

sich mit planmäßigem Erfinden und<br />

betrieb sogenannte Erfinderschulen. An<br />

die Tradition anknüpfend hatte Ende 2015<br />

der VBIW gemeinsam mit seinem sächsischen<br />

Partnerverein VITW an der Technischen<br />

Hochschule (TH) Wildau eine Vortragsreihe<br />

zum Thema systematisches<br />

Erfinden veranstaltet, an der neben namhaften<br />

Hochschulprofessoren auch Patentanwälte<br />

als Referenten auftraten. Alle<br />

Referenten waren sich einig, dass es Methoden<br />

des systematischen Erfindens<br />

gibt. Wiederkehrendes Element aller vorgestellten<br />

Methoden war die Kombinationen<br />

von Varianten und Lösungsansätzen,<br />

dargestellt in Tabellen und Matrizen. So<br />

erläuterte Dr. Dietmar Zobel die vom russischen<br />

Ingenieur Altschuller entwickelte<br />

und inzwischen weltweit angewandte,<br />

aber auch bereits<br />

überarbeitete<br />

Methode TRIZ.<br />

Altschuller fand,<br />

dass den meisten<br />

Patenten nur<br />

40 wiederkehrende<br />

Lösungsprinzipien<br />

zugrunde liegen.<br />

Diese ordnet<br />

er in einer Widerspruchsmatrix<br />

sich<br />

verbessernder und<br />

verschlechternder<br />

Parameter an. An<br />

den Schnittstellen der Matrix verweisen<br />

Nummern auf die Lösungsprinzipien der<br />

40-er Tabelle, die geeignet sind, die Widersprüche<br />

grundsätzlich zu überwinden.<br />

Natürlich liefert Altschullers Tabelle nicht<br />

die direkte Lösung – sie gibt Anregungen,<br />

um kreativ noch der Lösung zu suchen.<br />

Abschließend beleuchtete Prof. Dana<br />

Gedankenaustausch im kollaborativen Labor.<br />

Mietzner die Arbeitsweise eines kollaborativen<br />

kreativen Labors, wie beispielsweise<br />

das FabLab amerikanischer<br />

Hochschulen oder das ViNN:Lab der TH<br />

Wildau. Hier entstehen Innovationen in<br />

offenem Gedankenaustausch.<br />

Rudolf Miethig (VBIW)<br />

Neu im VBIW: Zukunftswerkstatt<br />

Fotos: TH Wildau (oben), Fritz Letsch (unten)<br />

Mit dem Arbeitskreis Zukunftswerkstatt<br />

hat der VBIW seit 2015 ein<br />

ständiges Diskussionsforum, das<br />

eine neue, umwelt- und sozialverträgliche<br />

sowie ökonomisch wesentlich erfolgreichere<br />

Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft<br />

anregen möchte. Denn die produktiven<br />

Bedürfnisse der Menschen als der natürliche<br />

Antrieb einer gesunden Arbeitswelt<br />

sind zwar in Biologie und Psychologie bekannt,<br />

müssen von der Allgemeinheit und<br />

VBIW – Verein Brandenburgischer<br />

Ingenieure und Wirtschaftler e. V.<br />

Landesgeschäftsstelle:<br />

Fürstenwalder Str. 46,<br />

15234 Frankfurt (Oder),<br />

Tel.: 0335 8692151<br />

E-Mail: buero.vbiw@t-online.de<br />

Internet: www.vbiw-ev.de<br />

der Wirtschaftswissenschaft<br />

aber noch entdeckt werden.<br />

Grundlage ist die Annahme,<br />

dass durch die Erkenntnis<br />

des verhaltensökologischen<br />

Gleichgewichts von produktiven<br />

und konsumtiven Bedürfnissen<br />

auch die sozialen Zwänge<br />

zur Arbeit ebenso entfallen<br />

würden wie die Kämpfe um<br />

die Verteilung der in Arbeitsteilung<br />

erwirtschafteten Güter.<br />

Weiterhin wird angenommen,<br />

dass durch das bessere Verständnis<br />

der menschlichen Natur<br />

überhaupt die zunehmend verhängnisvolle<br />

Tradition der gegenseitigen Bekämpfung<br />

entfallen und damit auch die Zerstörung<br />

der natürlichen Lebensgrundlagen der<br />

Menschheit entfallen würde. Zu dieser Diskussion<br />

trug auch der Berliner Zukunftsforscher<br />

Prof. Rolf Kreibich mit einem Vortrag<br />

Die Seebrücke in Großräschen entstand zur Internationalen<br />

Bauausstellung (IBA) 2010.<br />

im Juni 2015 in Strausberg bei. Im Mai dieses<br />

Jahres wird der Arbeitskreis am Jahrestreffen<br />

der Zukunftswerkstättenmoderatoren<br />

aus Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz in Großräschen teilnehmen.<br />

Lutz von Grünhagen (VBIW)<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


62 | W+M NETZWERK<br />

UV Sachsen<br />

GEMEINSAM FÜR DIE REGION<br />

Ende Januar luden die Industrie- und Handelskammer<br />

(IHK) zu Leipzig, die Handwerkskammer<br />

zu Leipzig, der Unternehmerverband<br />

Sachsen sowie der Marketing<br />

Club Leipzig zum 13. Neujahrsempfang<br />

der Leipziger Wirtschaft. Unter<br />

dem Motto „Gemeinsam für die Region“<br />

sprach der sächsische Ministerpräsident<br />

Stanislaw Tillich über die Talente<br />

und Leistungen der Unternehmer in Sachsen,<br />

dank derer sich die sächsische Wirtschaft<br />

sehr gut entwickelt hat. Er ging<br />

aber auch auf die anstehenden Herausforderungen<br />

ein, wie beispielsweise die Integration<br />

einer großen Zahl von Flüchtlingen.<br />

IHK-Präsident Wolfgang Topf dankte<br />

der sächsischen Landesregierung für die<br />

konstruktive, wirkungsvolle Zusammenarbeit.<br />

In der Frage der Flüchtlingsintegration<br />

verwies er auf die grundsätzliche Bereitschaft<br />

der hiesigen Unternehmen zur<br />

Ausbildung und Einstellung von Flüchtlingen,<br />

wenn diese über gute Deutschkenntnisse,<br />

einen nachgewiesenen Bildungsabschluss<br />

sowie einen gesicherten Aufenthaltsstatus<br />

verfügen.<br />

UV Brandenburg-Berlin<br />

MIT ZUVERSICHT<br />

GESTARTET<br />

Dr. Georg Donat, Wolfgang Topf, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Claus Gröhn<br />

und Hartmut Bunsen (v. l.).<br />

UV Ostdeutschlands und Berlin<br />

PARLAMENTARISCHER ABEND GEPLANT<br />

Im Rahmen ihrer länderübergreifenden<br />

Kooperation und Zusammenarbeit in der<br />

Interessengemeinschaft (IG) der Unternehmerverbände<br />

Ostdeutschlands und<br />

Berlin trafen sich Präsidenten und Geschäftsführer<br />

aus Brandenburg, Berlin,<br />

Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen<br />

und Sachsen-Anhalt zur ersten Beratung<br />

in diesem Jahr. Auf der umfangreichen Tagesordnung<br />

standen gemeinsame Aktivitäten<br />

im laufenden Jahr <strong>2016</strong> und ein intensiver<br />

Austausch zu zahlreichen Fragen<br />

der aktuellen Politik und des Wirtschaftsgeschehens.<br />

Im Terminkalender der IG<br />

steht der Parlamentarische Abend am 28.<br />

April in den Landesvertretungen von Brandenburg<br />

und Mecklenburg-Vorpommern<br />

beim Bund ganz oben auf der Agenda.<br />

Unter dem Motto „Potsdamer Gespräche<br />

meets TelTalk“ trafen sich im Dezember<br />

2015 Potsdamer Unternehmer mit ihren<br />

„Kollegen“ aus der Industrieregion<br />

zum Glühweinabend. Die Bürgermeister<br />

von Kleinmachnow und Teltow berichteten<br />

über die für die wirtschaftliche Entwicklung<br />

wichtigen kommunalen Aktivitäten<br />

im Jahr <strong>2016</strong>: Die Kommunen Teltow,<br />

Kleinmachnow und Stahnsdorf werden<br />

weiter die S-Bahn-Verlängerung nach<br />

Stahnsdorf unterstützen sowie die durch<br />

die Instandsetzung der Rammrath-Brücke<br />

notwendige Vollsperrung durch den Bau<br />

einer Behelfsbrücke versuchen zu verhindern.<br />

Durch die <strong>2016</strong> beginnende Sanierung<br />

der vielbefahrenen Ruhlsdorfer Straße<br />

ist ein Verkehrschaos absehbar. Die<br />

Unternehmer der Region starten dennoch<br />

mit Zuversicht ins Jahr <strong>2016</strong>.<br />

Foto: Andreas Koslowski<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


UNTERNEHMERVERBÄNDE | 63<br />

UV Norddeutschland Mecklenburg-Schwerin<br />

AKTIE FÜR DEMOKRATIE<br />

Gemeinsam mit der<br />

Präsidentin des Landtags<br />

Mecklenburg-<br />

Vorpommerns Sylvia<br />

Bretschneider überreichte<br />

der Hauptgeschäftsführer<br />

des UV<br />

Schwerins Wolfgang<br />

Schröder den Vertretern<br />

des Medienhauses<br />

Nord und der<br />

Schweriner Volkszeitung<br />

(SVZ) eine Demokratieaktie,<br />

welche<br />

die SVZ im Wert<br />

von 1.000 Euro erwarb.<br />

Das Geld fließt zu 100 Prozent in<br />

die Förderung von Aktivitäten und Veranstaltungen<br />

mit demokratieförderndem<br />

Hintergrund. Schröder, der ehrenamtlich<br />

dem Regionalen Aktionsgremium in Westmecklenburg<br />

vorsteht, bedankte sich bei<br />

UV Rostock-Mittleres Mecklenburg<br />

SELLERING ZU GAST<br />

Wolfgang Schröder, Sylvia Bretschneider; Andreas Gruczek und Max-<br />

Stefan Koslik (v. l.).<br />

der SVZ für dieses klare Signal. Die Beteiligten<br />

waren sich in der Bewertung der<br />

gegenwärtigen Herausforderungen einig<br />

und sehen die dringende Notwendigkeit,<br />

unser demokratisches Miteinander mit allem<br />

Nachdruck zu fördern.<br />

GESCHÄFTSSTELLEN<br />

Unternehmerverband Berlin e. V.<br />

Präsident: Armin Pempe<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer: N. N.<br />

Frankfurter Allee 202, 10365 Berlin<br />

Tel.: +49 30 9818500<br />

Fax: +49 30 9827239<br />

E-Mail: mail@uv-berlin.de<br />

Internet: www.uv-berlin.de<br />

Unternehmerverband Brandenburg-Berlin e. V.<br />

Präsident: Dr. Burkhardt Greiff<br />

Geschäftsführer: Steffen Heller<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Jägerstraße 18, 14467 Potsdam<br />

Tel.: +49 331 810306<br />

Fax: +49 331 8170835<br />

E-Mail: potsdam@uv-bb.de<br />

Internet: www.uv-bb.de<br />

Geschäftsstelle Berlin<br />

Charlottenstraße 80, 10117 Berlin<br />

Tel.: +49 30 2045990<br />

Fax: +49 30 20959999<br />

E-Mail: berlin@uv-bb.de<br />

Geschäftsstelle Cottbus<br />

Schillerstraße 71, 03046 Cottbus<br />

Tel.: +49 355 22658<br />

Fax: +49 355 22659<br />

E-Mail: cottbus@uv-bb.de<br />

Unternehmerverband Norddeutschland<br />

Mecklenburg-Schwerin e. V.<br />

Präsident: Rolf Paukstat<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Hauptgeschäftsführer: Wolfgang Schröder<br />

Gutenbergstraße 1, 19061 Schwerin<br />

Tel.: +49 385 569333<br />

Fax: +49 385 568501<br />

E-Mail: mecklenburg@uv-mv.de<br />

Internet: mecklenburg.uv-mv.de<br />

Unternehmerverband Rostock-Mittleres<br />

Mecklenburg e. V.<br />

Präsident: Frank Haacker<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Geschäftsführerin: Manuela Balan<br />

Wilhelm-Külz-Platz 4<br />

18055 Rostock<br />

Tel.: +49 381 242580<br />

Fax: +49 381 2425818<br />

E-Mail: info@rostock.uv-mv.de<br />

Internet: www.uv-mv.de<br />

Unternehmerverband Sachsen e. V.<br />

Präsident: Hartmut Bunsen<br />

Geschäftsführer: Lars Schaller<br />

Hauptgeschäftsstelle<br />

Bergweg 7, 04356 Leipzig<br />

Tel.: +49 341 52625844<br />

Fax: +49 341 52625833<br />

E-Mail: info@uv-sachsen.org<br />

Internet: www.uv-sachsen.de<br />

Geschäftsstelle Chemnitz<br />

Repräsentantin: Gabriele Hofmann-Hunger<br />

Marianne-Brandt-Str. 4, 09112 Chemnitz<br />

Tel.: +49 371 49512912<br />

Fax: +49 371 49512916<br />

E-Mail: chemnitz@uv-sachsen.org<br />

Geschäftsstelle Dresden<br />

Semperstraße 2b, 01069 Dresden<br />

Tel.: +49 351 8996467<br />

Fax: +49 351 8996749<br />

E-Mail: dresden@uv-sachsen.org<br />

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (3. v. r.) in der Diskussion.<br />

Unternehmerverband Sachsen-Anhalt e. V.<br />

Präsident: Jürgen Sperlich<br />

Geschäftsführer: Dr. Andreas Golbs<br />

Geschäftsstelle Halle/Saale<br />

Berliner Straße 130, 06258 Schkopau<br />

Tel.: +49 345 78230924<br />

Fax: +49 345 7823467<br />

Fotos: Reinhard Klawitter (oben), UV Rostock (unten)<br />

Zum Thema „25 Jahre Wirtschaftsentwicklung<br />

in Mecklenburg-Vorpommern“<br />

luden Ende Januar die Unternehmerverbände<br />

in Mecklenburg-Vorpommern und<br />

die Landtagsfraktion der SPD zu einer Diskussionsrunde<br />

nach Rostock. Dabei ging<br />

es nicht nur um einen Rückblick auf die<br />

vergangenen Jahre, sondern auch um aktuelle<br />

Herausforderungen. Die Unternehmer<br />

sprachen aktuelle Probleme, mögliche<br />

Chancen und Perspektiven aus ihrer<br />

Sicht an. Äußerten aber auch Vorstellungen,<br />

Ideen und Wünsche für die wirtschaftliche<br />

Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern.<br />

In der anschließenden<br />

Diskussionsrunde wurden die genannten<br />

Themen gemeinsam erörtert. Mit einem<br />

Get-together, was die Teilnehmer für intensive<br />

Gespräche nutzten, klang der<br />

Abend aus.<br />

Unternehmerverband Thüringen e. V.<br />

Präsident: Jens Wenzke<br />

c/o IHK Erfurt - Abteilung Standortpolitik<br />

Arnstädter Str. 34, 99096 Erfurt<br />

Tel.: +49 361 4930811<br />

Fax: +49 361 4930826<br />

E-Mail: info@uv-thueringen.de<br />

Internet: www.uv-thueringen.de<br />

Unternehmerverband Vorpommern e. V.<br />

Präsident: Gerold Jürgens<br />

Geschäftsführer: N. N.<br />

Geschäftsstelle<br />

Am Koppelberg 10, 17489 Greifswald<br />

Tel.: +49 3834 835823<br />

Fax: +49 3834 835825<br />

E-Mail: uv-vorpommern@t-online.de<br />

Internet: vorpommern.uv-mv.de<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


64 | W+M PORTRÄTS<br />

Mike Fischer<br />

Passionierter Querdenker<br />

VISIONÄRE<br />

STECKBRIEF<br />

Mike Fischer ist 1963 in Neustadt an der<br />

Orla in Thüringen geboren und behütet<br />

aufgewachsen. Nach der Wende im<br />

Jahr 1990 gründete er mit seinem Vater,<br />

der Bauingenieur war, ein Bauunternehmen,<br />

eröffnet die erste Fahrschule in<br />

Gera, ein Jahr später die zweite. Und so<br />

ging es rasant weiter. Unternehmensgründungen<br />

scheinbar ohne Ende: 1993<br />

eine Zeitarbeitsfirma, dann ein Friseurgeschäft.<br />

Einstieg als Franchisepartner<br />

bei einem Pizzabäcker, Gründung von<br />

Pizzastores in Jena und Plauen. Zahlreiche<br />

Auszeichnungen folgen: 2007 Umsatzstärkster<br />

Pizzastore Deutschlands,<br />

TOP-Arbeitgeber TOP JOB 2011, 2014<br />

TOP 100 innovativster Unternehmen<br />

Deutschlands. Seit 2010 ist Mike Fischer<br />

auch als Redner und Berater unterwegs.<br />

2014 erschien sein Buch „Erfolg hat,<br />

wer Regeln bricht“. Er ist verheiratet und<br />

hat zwei Söhne.<br />

Der Thüringer Mike Fischer ist ein<br />

sympathischer Typ, er wirkt offen<br />

und ist es auch. Allerdings kann<br />

man mit ihm nur Klartext reden. Schnell<br />

wird er ungeduldig, aber was er sagt, hat<br />

Hand und Fuß und klingt bei allem Enthusiasmus<br />

glaubwürdig. Vieles von dem, was<br />

er heute ist, verdankt er seiner Familie,<br />

vor allem seinem Vater. Wenn er von ihm<br />

spricht, spricht er wie von einem großem<br />

Freund. „Es war geil, mit ihm zu DDR-Zeiten<br />

auf Baustellen ‚zu jobben‘ oder in der<br />

Wendezeit gemeinsam zu Seminaren zu<br />

gehen, gemeinsam die Grundlagen der<br />

Marktwirtschaft und solche Themen wie<br />

Umsatzsteuer verstehen zu lernen. Die<br />

Krankheit meines Vaters führte dann dazu,<br />

dass ich auch das gemeinsame Bauunternehmen<br />

allein fortführte.<br />

Wir waren beide Verrückte,<br />

aber mit Maß.“<br />

Fischer spricht viel und<br />

oft von seinen neuen Ideen<br />

und denen seiner Mitarbeiter,<br />

auf die er richtig stolz<br />

ist. Wenn er sich so in Rage<br />

geredet hat, verweist er immer<br />

mal wieder für die Zuhörer und vielleicht<br />

auch für sich selbst darauf, dass<br />

er ja eigentlich nur Inhaber einer Pizzabäckerei<br />

und einer Fahrschule ist.<br />

Auf die Frage, ob er nun mehr Pizzabäcker<br />

oder Fahrschul-Chef ist, antwortet<br />

er: „Ich bin leidenschaftlicher Unternehmer,<br />

der das Querdenken liebt. Ich hasse<br />

es, Dinge zu tun, die alle tun.“ Ob das<br />

schon immer so war, weiß er nicht genau,<br />

aber in der Kindheit hat er Schwimmen<br />

als Leistungssport betrieben. „Ich<br />

wollte kämpfen und gewinnen und hatte<br />

Spaß daran. Da kommt das vermutlich<br />

her.“<br />

Letztlich ist er in vielen Jobs unterwegs.<br />

Aktuell ist das Thema Wachstum<br />

sein persönlicher Treiber. „Unser größtes<br />

Wachstum bei der Fahrschule hatten<br />

wir 2009, darauf könnte man sich<br />

heute eigentlich ausruhen, da der Wettbewerb<br />

uns noch nicht eingeholt hat.“<br />

Aber Fischer sagt nein, „jetzt müssen wir<br />

noch eins drauf legen, um den Abstand<br />

noch größer werden zu lassen“. Konkret<br />

macht er das an seiner Fahrschule fest,<br />

wo er gerade mal wieder etwas anders<br />

machen will als andere. Fahrschule 4.0<br />

– Das Fahrschulfernsehen, das will er installieren.<br />

Der Erste sein ist wichtiger, als<br />

die Angst vor fehlendem TV-Know-how.<br />

Die neuen Ideen und<br />

Projekte, die immer anspruchsvoller<br />

und größer werden, lassen einen Spieler<br />

vermuten, der einfach mal so loslegt.<br />

Das Gegenteil ist der Fall. „Das Thema<br />

Wachstum hat erst einmal nichts mit<br />

Geld zu tun und schon gar nichts mit<br />

Bankkrediten.“ Den Wachstumsverlockungen<br />

mit Krediten zu begegnen, das<br />

will er mit seinen 52 Jahren nicht mehr.<br />

„Da bin ich konservativ. Wachsen aus<br />

dem Cashflow. Und wenn es mal, wie<br />

zum Beispiel beim Fahrschul-Fernsehen,<br />

wirklich fremdes Geld braucht, sehe ich<br />

weniger den Bankkredit als vielleicht ein<br />

Crowdfunding oder ähnliches.“<br />

Mike Fischer ist wirklich ein leidenschaftlicher<br />

Unternehmer. In seinen Vorträgen<br />

stellt er dies eindrucksvoll unter Beweis.<br />

Vorträge zu halten, findet er wichtig und<br />

empfiehlt es auch anderen Unternehmern.<br />

Auch wenn es sich für Fremde<br />

manchmal etwas eigentümlich anhört,<br />

was Fischer so tut, es sind alles Dinge, für<br />

die er brennt. „Mein Antreiber ist Freude.“<br />

Frank Nehring<br />

Foto: Privat<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


MACHER<br />

W+M PORTRÄTS | 65<br />

Markus Lukasson<br />

Ambitionierter Gründer<br />

Foto: W+M<br />

Markus Lukasson ist mit seinen 39<br />

Jahren ein jugendlicher Typ. So erfüllt<br />

er zwar ein erstes formales<br />

Klischee der Start-up-Unternehmer, aber<br />

damit hat es sich dann auch. Mit ruhiger<br />

Stimme, nachdenklich, immer mal nach den<br />

richtigen Worten suchend, erzählt er von<br />

seinem Werdegang und seinen Idealen.<br />

Dabei klingt immer die Gewissheit durch,<br />

dass bei den Zielen und Erfahrungen nichts<br />

in Beton gegossen, sondern alles in Veränderung<br />

ist. Lukasson fühlt sich als Unternehmer,<br />

weil er selbstständig sein will, seine<br />

Ideen umsetzen möchte und darauf vertraut,<br />

dass sie ihm nie ausgehen werden.<br />

Während seiner ersten freiberuflichen Tätigkeit<br />

als E-Commerce-Berater merkte<br />

er schnell, dass er selbst aktiv sein will,<br />

anstatt nur zu beraten. Deshalb gründete<br />

er eine E-Commerce-Plattform und suchte<br />

sich ein interessantes Produkt. So entstand<br />

MINGA BERLIN, eine Internetplattform<br />

für farbige Socken, die modisch, von<br />

hoher Qualität und zudem noch fair produziert<br />

sind. Das Unternehmen gehört ihm<br />

und seiner Schwester zu 100 Prozent. Es<br />

wächst und gedeiht.<br />

Das aktuelle Projekt heißt<br />

WunderCart und ist einige<br />

Nummern größer. Die<br />

Idee: Heute bietet jeder<br />

Händler online einen Warenkorb<br />

für Käufer, morgen<br />

hat jeder Käufer seinen persönlichen<br />

Warenkorb (WunderCart)<br />

und wird über sein<br />

Smartphone direkt kaufen. Schlechte<br />

Nachricht für Online-Händler mit klassischem<br />

Background, aber eine interessante<br />

Idee, die sich in fünf Jahren durchaus<br />

etablieren könnte. Allerdings braucht<br />

die Umsetzung mehr und an eine Eigenfinanzierung<br />

wie noch bei MINGA BERLIN<br />

ist hier nicht zu denken.<br />

Und da sind sie plötzlich, die Unterschiede<br />

zwischen dem klassischen und dem<br />

Start-up-Unternehmer. Auch er folgt einer<br />

Unternehmensidee, schreibt einen<br />

Businessplan mit Angaben, die verständlich<br />

und plausibel sein müssen. Ein Businessplan<br />

für ein Projekt, das in fünf Jahren<br />

vielleicht sehr erfolgreich ist, verlangt<br />

viel Phantasie und Mut, groß zu denken.<br />

Auch auf Seiten der Investoren. Hier geht<br />

es um persönliche Überzeugungskraft<br />

und ein gutes Team, auf das man vertrauen<br />

kann.<br />

Gefragt nach Vorbildern kommen die Giganten<br />

der IT-Branche schnell zur Sprache.<br />

Gerade seine Zeit bei Amazon hat<br />

ihn stark geprägt. Ein Unternehmen, ohne<br />

alte Strukturen, wo alles neu entwickelt<br />

wurde, wo er lernte, dass Entscheidungen<br />

zu 95 Prozent zahlenbasiert getroffen<br />

werden können und nur fünf Prozent<br />

„Bauchgefühl“ sind. Aber eben diese fünf<br />

Prozent sind es, die ein gründer- oder in-<br />

habergeführtes Unternehmen erfolgreicher<br />

machen, als andere Unternehmen.<br />

Nichts gegen ein milliardenschweres Übernahmeangebot,<br />

den sogenannten Exit,<br />

aber es ist nicht sein Ziel. Sicher würde<br />

er dann ein neues Unternehmen gründen<br />

oder andere Projekte finanzieren. Lukasson<br />

fühlt sich als Unternehmer eines Start-ups<br />

und glaubt nicht an die vielen Unterschiede<br />

im Vergleich zu den etablierten Unternehmern.<br />

„Vielleicht nehmen wir uns nicht so<br />

viel Zeit, um zu starten und haben deshalb<br />

auch keine Angst vor Irrtümern. Man kann<br />

es ja dann besser machen.“<br />

Frank Nehring<br />

STECKBRIEF<br />

Markus Lukasson ist 39 Jahre alt und<br />

wuchs in Borken/Westfalen auf. Ob<br />

die Eltern – der Vater Bauingenieur, die<br />

Mutter Bankkauffrau – die Gene übertrugen,<br />

die Lukasson heute antreiben,<br />

kann er nicht sagen. Aber die zwei Jahre<br />

ältere Schwester ist bis heute die<br />

wichtigste Bezugsperson. Hat sie ihm<br />

nach dem Abitur die Recherche für den<br />

Studienweg Metallurgie und Werkstofftechnik<br />

in Aachen abgenommen, steht<br />

sie ihm heute bei allen Projekten hilfreich,<br />

ergänzend und gleichberechtigt<br />

zur Seite. Schon zu Studienzeiten entwickelte<br />

sich sein Interesse an der IT,<br />

damals 1999 noch eine echte Quälerei.<br />

Den zwei Jahren bei der Süd Chemie<br />

AG nach dem Studium, folgte dann im<br />

dritten Anlauf Amazon, das Unternehmen,<br />

das ihn faszinierte. Der Wunsch<br />

nach mehr Selbstständigkeit gewann<br />

dann 2009 Überhand und bestimmt nun<br />

sein Leben als Unternehmer.<br />

www.WundM.info <strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


66 | W+M DIE LETZTE SEITE<br />

Ausblick auf die nächste Ausgabe<br />

Ferien daheim<br />

Der Tourismus ist in allen neuen Bundesländern<br />

nach Startproblemen in<br />

den 1990er Jahren inzwischen ein<br />

wichtiger Wirtschaftspfeiler. Seit geraumer<br />

Zeit vermelden Hotels, Pensionen und regionale<br />

Fremdenverkehrsverbände steigende<br />

Besucherzahlen und wachsende Umsätze.<br />

Dieser Trend wird aktuell noch verstärkt, da<br />

viele bislang beliebte Urlaubsziele der Deutschen<br />

rund um das Mittelmeer nach Terrorattacken<br />

als unsicher gelten. In unserer Titelgeschichte<br />

beleuchten wir die wirtschaftlichen<br />

Effekte, die der Tourismusboom auch<br />

für andere Branchen mit sich bringt. Dazu<br />

stellen wir zauberhafte Schlosshotels zwischen<br />

Ostsee und Erzgebirge vor, die für<br />

kürzere oder auch längere Urlaube eine einmalige<br />

Kombination aus Historie, aktiver Erholung<br />

und Wellness bieten.<br />

In unserer neuen Serie über die Zukunft<br />

des Wirtschaftsstandortes Ostdeutschland<br />

machen wir Halt in Mecklenburg-Vorpommern.<br />

Dort haben sich – neben dem<br />

bereits erwähnten Tourismus – die maritime<br />

Wirtschaft und der Bereich der Erneuerbaren<br />

Energien, die Gesundheitsbranche<br />

sowie die Ernährungswirtschaft besonders<br />

erfreulich entwickelt. Im W+M-Interview<br />

erläutert Energie- und Infrastrukturminister<br />

Christian Pegel (SPD) seine Vision von<br />

Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2025.<br />

Darüber hinaus lesen Sie wie gewohnt interessante<br />

Beiträge über neue Entwicklungen<br />

in den ostdeutschen Bundesländern<br />

sowie einen vielseitigen Ratgeberteil.<br />

Die nächste Ausgabe von<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> erscheint am<br />

28. April <strong>2016</strong>.<br />

PERSONENREGISTER<br />

Adamy, Helmut 36<br />

Anders, Manfred 6<br />

Baumeister, Roy 56<br />

Belaschk, Markus 30<br />

Belaschk, Rainer 30<br />

Blaschke, Tillmann 34<br />

Botschatzki, Walter 32<br />

Bretschneider, Sylvia 63<br />

Brückner, Jörg 6<br />

Budde, Katrin 40<br />

Bunsen, Hartmut 62<br />

Buntenbach, Annelie 39<br />

Caffier, Lorenz 41<br />

Donat, Georg 62<br />

Dreßler, Markus 33<br />

Dulig, Martin 24<br />

Eckes-Chantré, Harald 36<br />

Ehret, Oliver 60<br />

Engling, Andreas 19<br />

Ermrich, Michael 9<br />

Ferriss, Timothy 56<br />

Finger, Bodo 6<br />

Fischer, Mike 64<br />

Friedrich, Marc 56<br />

Gabriel, Sigmar 42<br />

Gallert, Wulf 40, 41<br />

Gerdsmeier, Stefan 7<br />

Göldnitz, Gerd 23<br />

Götze, Thomas 60<br />

Gröhn, Claus 62<br />

Gruczek, Andreas 63<br />

Haseloff, Reiner 14-16, 40/41<br />

Heise, Gunter 36<br />

Henkel, Frank 41<br />

Henning, Harald 19<br />

Jiranek, Heinz 55<br />

Kahneman, Daniel 56<br />

Kahnemann, Daniel 56<br />

Kaschuba, Wolfgang 27<br />

Keese, Christoph 56<br />

Keller, Daniel 7<br />

Kiffner, Karen 6<br />

Klassen, Thomas 60<br />

Köller, Nikola 44/45<br />

Koltzau, Simone 28<br />

Koslik, Max-Stefan 63<br />

Kreibich, Rolf 61<br />

Lange, Walther 33<br />

Leschke, Verena 60<br />

Lieberknecht, Christine 7<br />

Lukasson, Markus 65<br />

Lüth, Wolfgang 28<br />

Malessa, Reiner 60<br />

Merkel, Angela 40<br />

Mietzner, Dana 61<br />

Möllring, Hartmut 10, 11, 24<br />

Most, Edgar 7<br />

Müller, Dirk 56<br />

Müller, Michael 41<br />

Nahles, Andrea 39<br />

Pegel, Christian 66<br />

Piketty, Thomas 56<br />

Ragnitz, Joachim 27, 38, 43<br />

Raithel, Günther 34<br />

Rossknecht, Kurt 9<br />

Rücker, Klaus 22/23<br />

Rukwied, Joachim 23<br />

Schröder, Wolfgang 63<br />

Schucht, Boris 24<br />

Schulz, Thomas 56<br />

Sellering, Erwin 41, 63<br />

Stefanović, Miloš 8<br />

Thiele, Marco 35<br />

Thiele, Rainer 35<br />

Tiefensee, Wolfgang 7, 19<br />

Tierney John 56<br />

Tillich, Stanislaw 62<br />

Topf, Wolfgang 62<br />

van Winsen, Jos 60<br />

Vance, Ashlee 56<br />

von Nathusius, Heinrich 32<br />

Walter, Tim 30<br />

Weber, Michael 38<br />

Weik, Matthias 56<br />

Wieneke-Toutaoui, Burghilde 60<br />

Windus, Manfred 32<br />

Wolf, Chris 54/55<br />

Wolf, Hubert 6<br />

Wöller, Roland 39<br />

Wowereit, Klaus 41<br />

Zeuner, Jörg 44<br />

Zobel, Dietmar 61<br />

Foto: Möller Mediengruppe<br />

<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 2/<strong>2016</strong>


W+M<br />

SAVE THE<br />

DATE<br />

// LOUNGE<br />

in Berlin, Berlin Capital Club<br />

10.03.<strong>2016</strong>, 18:30 Uhr<br />

11.05.<strong>2016</strong>, 18:30 Uhr<br />

www.WundM.info/Club<br />

// KOOPERATION<br />

in Berlin, Tagesseminar<br />

15.05.<strong>2016</strong><br />

Heiko Schneider<br />

Web 3.0 – Wie kleine und<br />

mittelständische Unternehmen<br />

im Web wirklich erfolgreich sind<br />

www.SchmidtColleg.de<br />

// EVENT<br />

A-ROSA Golf Resort Scharmützelsee<br />

09.05.<strong>2016</strong><br />

Turnier „Golfen für Freunde ...“<br />

www.WundM.info/Golfturnier<br />

A-ROSA Hotel Bad Saarow<br />

20./21.10.<strong>2016</strong><br />

www.OWF<strong>2016</strong>.de


Netze für<br />

neue Energie<br />

E.DIS investiert seit vielen Jahren in moderne<br />

und leistungsstarke Energienetze in Brandenburg<br />

und Mecklenburg-Vorpommern. So sichern wir<br />

eine zuverlässige und umweltfreundliche<br />

Energieversorgung in der Region. Der Anteil<br />

an grünem Strom im E.DIS-Netz beträgt bereits<br />

mehr als 90 Prozent.<br />

www.e-dis.de

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