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Das Artland-Magazin.<br />
Links die alte Schmiede in der Pfaffenstraße Foto: Stadtmuseum Stadterneuerung in der Langen Straße Foto: Archiv Bersenbrücker Kreisblatt<br />
Wochen vergingen und aus Sommer<br />
wurde Herbst. Beim Einkaufen traf ich<br />
Huberts Schwiegertochter. Ich erkundigte<br />
mich nach seinem Befinden und<br />
erfuhr, dass es ihm nicht besser ging, ich<br />
aber mal vorbeikommen sollte.<br />
Gesagt, getan. Ich packte mir meine<br />
Tasche mit meinem Laptop, auf dem ich<br />
etliche alte Fotos von ihm und Quakenbrück<br />
geladen hatte, und fuhr zu ihm.<br />
Hubert hatte sich verändert. Nein, anders<br />
gesagt, die Krankheit hatte Spuren<br />
hinterlassen. Aber er freute sich über<br />
meinen Besuch und als wir uns gemeinsam<br />
die alten Fotos auf meinem Rechner<br />
ansahen, sprudelten die dazugehörenden<br />
Geschichten aus ihm heraus, als<br />
wäre es gestern gewesen.<br />
Hubert wurde an einem Donnerstag,<br />
genauer gesagt am 26. Mai 1927, in<br />
Oberschlesien geboren und er hat mir<br />
versichert, dass er damals keinen Vorschlaghammer<br />
in der Hand hatte (So viel<br />
zu der Anekdote meines Vaters!). Er hat<br />
Schlosser gelernt und wurde 1944 eingezogen,<br />
geriet 1945 in Steyr, Österreich,<br />
in Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung<br />
aus der Gefangenschaft machte<br />
er sich auf dem Weg in das Erzgebirge<br />
und schlug sich zunächst nach Sachsen-<br />
Anhalt durch. Hier ist er zwei Jahre bei<br />
einem Bauern untergekommen und hat<br />
auf dem Hof gearbeitet. Da aber seine<br />
Mutter, die wie viele andere Menschen<br />
auch aus Schlesien vertrieben wurde,<br />
in Quakenbrück gelandet war, brach er<br />
auf und machte sich 1948 auf dem Weg<br />
in Richtung Helmstedt. Da versteckte er<br />
sich auf einem Zug und fuhr zu seiner<br />
Mutter nach Quakenbrück.<br />
In unserer Burgmannstadt angekommen<br />
war es anfangs schwer für Hubert. Der<br />
Bauer, bei dem seine Mutter untergekommen<br />
war, wollte ihn nicht auf<br />
seinem Hof haben, und er hatte auch<br />
keine Arbeit für ihn. Hubert wurde vom<br />
Hof gejagt. Aber es gelang ihm, anderswo<br />
unterzukommen, und nachdem<br />
er von Friedel Gundelach ein Fahrrad<br />
geschenkt bekommen hatte, fuhr er<br />
damit durch das Artland und verdiente<br />
sein erstes Geld mit dem Pflücken von<br />
Obst, was aber nur saisonabhängig war.<br />
Kurze Zeit später bekam er einen Job bei<br />
der Mobil Oil, hier arbeitete er einige Zeit<br />
als Schlosser. Dann wurde er auf die noch<br />
junge Firma Otto Kynast aufmerksam,<br />
die ihn als LKW-Fahrer einstellte. Schon<br />
nach kurzer Zeit wurde Mitschke Fuhrparkleiter.<br />
Nebenbei fuhr er Taxi und Bus<br />
bei der Firma Keck in der Deichstraße. Da<br />
er aber auch hier nicht ausgelastet war,<br />
hatte er eine Idee, doch dazu benötigte<br />
er einen Traktor. Hubert hörte sich um<br />
und freute sich, als es ihm schließlich gelang,<br />
einen Lanz Bulldog für wenig Geld<br />
bei einem Torfwerk hier in der Nähe zu<br />
erwerben. Die wiederum waren froh, das<br />
Ding loszuwerden, denn der alte Traktor<br />
warf beim Fahren so große glühende<br />
Rußpartikel aus dem Auspuff, dass es<br />
deswegen schon so manches Mal im<br />
Moor gebrannt hatte. Hubert hingegen<br />
war glücklich und fuhr mit seinem ersten<br />
Traktor stolz wie Oskar nach Hause.<br />
Nun ging es ans Werk, seine Idee zu verwirklichen.<br />
Da er ausgebildeter Schlosser<br />
war, baute er sich bei Willi Bruns, der<br />
eine damals gut gehende Landmaschinenfabrik<br />
an der Badberger Straße hatte,<br />
eine etwas größere Kreissäge, die er<br />
über einen Flachriemen mit seinem Lanz<br />
Bulldog antrieb. Mit dieser Säge machte<br />
sich der pfiffige Kerl in seiner Freizeit auf<br />
den Weg durch das Umland, sägte gegen<br />
Bezahlung Brennholz und machte so am<br />
Wochenende bis zu 120,- DM.<br />
Die Zeit verging und auf dem Weg<br />
nach Hause wurde er eines Tages von<br />
Hermann Rump, damals Ratsherr der<br />
Stadt Quakenbrück, angesprochen.<br />
Rump machte Hubert ein Angebot. Er<br />
könne sich 1.500,- DM verdienen, wenn er<br />
dafür die alte Schmiede Hollmann in der<br />
Pfaffenstraße abreißen würde. Er willigte<br />
ein und besiegelte das Angebot mit<br />
einem Handschlag. Diese alte Schmiede<br />
war das erste Haus, welches von Hubert<br />
Mitschke in Quakenbrück abgerissen<br />
wurde, und zwar 1962.<br />
Er erzählte mir das mit einem Augenzwinkern,<br />
legte eine Hand auf meine<br />
Schulter als wir uns ein altes Foto des<br />
Hauses auf meinem Laptop ansahen,<br />
und meinte: „Ich hatte bei dem Abriss<br />
der alten Schmiede eine Träne im Auge,<br />
war aber stolz, denn die Birke, die direkt<br />
neben den Haus stand, hatte bei den<br />
Abbrucharbeiten nicht einen Kratzer abbekommen<br />
und sie steht noch heute da.“<br />
Ich lächelte ihn an, denn dieser Baum<br />
stand da noch viele Jahre, verschwieg<br />
ihm aber, dass man die Birke mittlerweile<br />
gefällt hatte.<br />
10 | mq Ausgabe Frühjahr <strong>2016</strong>