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MQ Frühjahr 2016

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Das Artland-Magazin.<br />

Links die alte Schmiede in der Pfaffenstraße Foto: Stadtmuseum Stadterneuerung in der Langen Straße Foto: Archiv Bersenbrücker Kreisblatt<br />

Wochen vergingen und aus Sommer<br />

wurde Herbst. Beim Einkaufen traf ich<br />

Huberts Schwiegertochter. Ich erkundigte<br />

mich nach seinem Befinden und<br />

erfuhr, dass es ihm nicht besser ging, ich<br />

aber mal vorbeikommen sollte.<br />

Gesagt, getan. Ich packte mir meine<br />

Tasche mit meinem Laptop, auf dem ich<br />

etliche alte Fotos von ihm und Quakenbrück<br />

geladen hatte, und fuhr zu ihm.<br />

Hubert hatte sich verändert. Nein, anders<br />

gesagt, die Krankheit hatte Spuren<br />

hinterlassen. Aber er freute sich über<br />

meinen Besuch und als wir uns gemeinsam<br />

die alten Fotos auf meinem Rechner<br />

ansahen, sprudelten die dazugehörenden<br />

Geschichten aus ihm heraus, als<br />

wäre es gestern gewesen.<br />

Hubert wurde an einem Donnerstag,<br />

genauer gesagt am 26. Mai 1927, in<br />

Oberschlesien geboren und er hat mir<br />

versichert, dass er damals keinen Vorschlaghammer<br />

in der Hand hatte (So viel<br />

zu der Anekdote meines Vaters!). Er hat<br />

Schlosser gelernt und wurde 1944 eingezogen,<br />

geriet 1945 in Steyr, Österreich,<br />

in Gefangenschaft. Nach seiner Entlassung<br />

aus der Gefangenschaft machte<br />

er sich auf dem Weg in das Erzgebirge<br />

und schlug sich zunächst nach Sachsen-<br />

Anhalt durch. Hier ist er zwei Jahre bei<br />

einem Bauern untergekommen und hat<br />

auf dem Hof gearbeitet. Da aber seine<br />

Mutter, die wie viele andere Menschen<br />

auch aus Schlesien vertrieben wurde,<br />

in Quakenbrück gelandet war, brach er<br />

auf und machte sich 1948 auf dem Weg<br />

in Richtung Helmstedt. Da versteckte er<br />

sich auf einem Zug und fuhr zu seiner<br />

Mutter nach Quakenbrück.<br />

In unserer Burgmannstadt angekommen<br />

war es anfangs schwer für Hubert. Der<br />

Bauer, bei dem seine Mutter untergekommen<br />

war, wollte ihn nicht auf<br />

seinem Hof haben, und er hatte auch<br />

keine Arbeit für ihn. Hubert wurde vom<br />

Hof gejagt. Aber es gelang ihm, anderswo<br />

unterzukommen, und nachdem<br />

er von Friedel Gundelach ein Fahrrad<br />

geschenkt bekommen hatte, fuhr er<br />

damit durch das Artland und verdiente<br />

sein erstes Geld mit dem Pflücken von<br />

Obst, was aber nur saisonabhängig war.<br />

Kurze Zeit später bekam er einen Job bei<br />

der Mobil Oil, hier arbeitete er einige Zeit<br />

als Schlosser. Dann wurde er auf die noch<br />

junge Firma Otto Kynast aufmerksam,<br />

die ihn als LKW-Fahrer einstellte. Schon<br />

nach kurzer Zeit wurde Mitschke Fuhrparkleiter.<br />

Nebenbei fuhr er Taxi und Bus<br />

bei der Firma Keck in der Deichstraße. Da<br />

er aber auch hier nicht ausgelastet war,<br />

hatte er eine Idee, doch dazu benötigte<br />

er einen Traktor. Hubert hörte sich um<br />

und freute sich, als es ihm schließlich gelang,<br />

einen Lanz Bulldog für wenig Geld<br />

bei einem Torfwerk hier in der Nähe zu<br />

erwerben. Die wiederum waren froh, das<br />

Ding loszuwerden, denn der alte Traktor<br />

warf beim Fahren so große glühende<br />

Rußpartikel aus dem Auspuff, dass es<br />

deswegen schon so manches Mal im<br />

Moor gebrannt hatte. Hubert hingegen<br />

war glücklich und fuhr mit seinem ersten<br />

Traktor stolz wie Oskar nach Hause.<br />

Nun ging es ans Werk, seine Idee zu verwirklichen.<br />

Da er ausgebildeter Schlosser<br />

war, baute er sich bei Willi Bruns, der<br />

eine damals gut gehende Landmaschinenfabrik<br />

an der Badberger Straße hatte,<br />

eine etwas größere Kreissäge, die er<br />

über einen Flachriemen mit seinem Lanz<br />

Bulldog antrieb. Mit dieser Säge machte<br />

sich der pfiffige Kerl in seiner Freizeit auf<br />

den Weg durch das Umland, sägte gegen<br />

Bezahlung Brennholz und machte so am<br />

Wochenende bis zu 120,- DM.<br />

Die Zeit verging und auf dem Weg<br />

nach Hause wurde er eines Tages von<br />

Hermann Rump, damals Ratsherr der<br />

Stadt Quakenbrück, angesprochen.<br />

Rump machte Hubert ein Angebot. Er<br />

könne sich 1.500,- DM verdienen, wenn er<br />

dafür die alte Schmiede Hollmann in der<br />

Pfaffenstraße abreißen würde. Er willigte<br />

ein und besiegelte das Angebot mit<br />

einem Handschlag. Diese alte Schmiede<br />

war das erste Haus, welches von Hubert<br />

Mitschke in Quakenbrück abgerissen<br />

wurde, und zwar 1962.<br />

Er erzählte mir das mit einem Augenzwinkern,<br />

legte eine Hand auf meine<br />

Schulter als wir uns ein altes Foto des<br />

Hauses auf meinem Laptop ansahen,<br />

und meinte: „Ich hatte bei dem Abriss<br />

der alten Schmiede eine Träne im Auge,<br />

war aber stolz, denn die Birke, die direkt<br />

neben den Haus stand, hatte bei den<br />

Abbrucharbeiten nicht einen Kratzer abbekommen<br />

und sie steht noch heute da.“<br />

Ich lächelte ihn an, denn dieser Baum<br />

stand da noch viele Jahre, verschwieg<br />

ihm aber, dass man die Birke mittlerweile<br />

gefällt hatte.<br />

10 | mq Ausgabe Frühjahr <strong>2016</strong>

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