bewerbungsschreiben taz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Zeitfrage<br />
Eine Auseinandersetzung mit meiner Selbst<br />
20. Oktober 2015 – ich befinde mich im dritten Semester meines Online-<br />
Journalismus-Studiums. Ich schaue zurück was ich in einem Jahr bereits gelernt und<br />
erlebt habe und es fühlt sich gut an, den richtigen Weg gewählt zu haben. Gleichzeitig<br />
schaue ich nach vorne um festzustellen, dass es jetzt erst richtig los geht. Ist das dritte<br />
Semester geschafft, folgt das vierte. Und das vierte bedeutet: Raus gehen und im<br />
journalistischen Wahnsinn mitmischen – Praxissemester. Und da bin ich jetzt.<br />
Das ganze Nachdenken über das, was im Praxissemester kommen soll, begann jedoch<br />
mit einer anderen einer Frage, die mir zeitgleich mit der Praktikumsfrage durch den<br />
Kopf schwirrte: Was ist Zeit überhaupt? Und wenn man sie nur annähernd definieren<br />
kann: Was möchte ich mit meiner Zeit anfangen?<br />
Anstatt wild und wahllos nach der nächstbesten Praxisstelle zu greifen die mir irgendwie<br />
serviert wurde, schwirrte die Frage unaufhörlich in meinem Kopf umher und mir wurde<br />
bewusst, dass ich diese ständig wiederkehrenden Frage erst mit mir selbst klären muss,<br />
um befreit den richtigen Weg zu gehen.<br />
Definitionen sagen, dass Zeit die Abfolge von Ereignissen ist - in der Gegenwart, der<br />
Vergangenheit und in der Zukunft. Also beschreibt Zeit unser ganzes Leben – Geburt,<br />
Alter, Tod. Doch was bedeutet das für uns?<br />
In meinem Kopf herrschte weiterhin keine Ruhe. Auf ein Glas Wein mit einer Freundin,<br />
deren Gedanken genau wie meine, ständig am umherschwirren über die Gesellschaft,<br />
das Leben und alle Facetten die dieses mit sich bringt, traf ich einen Entschluss: Lass<br />
uns diese Frage klären, bevor wir weiter gehen. Auf unsere Art und Weise. Ich versuchte<br />
meine Idee in Worte zu fassen, wir sprachen und schrieben, gingen raus, trafen<br />
Menschen, machten Fotos, Videos, Sprachaufnahmen– wir nutzen all unsere Zeit um<br />
schließlich festzustellen, was diese für uns bedeutet:<br />
https://www.dropbox.com/s/vzgcayo347w5ruu/clocks%20are%20hoes%20big.mov?<br />
dl=0<br />
Wie eine Last fiel es von meinen Schultern. Mir wurde plötzlich bewusster denn je, was<br />
alles von unserer Zeit abhängt – und das nicht nur im negativen Sinne. Mir wurde<br />
bewusst, dass mir in meinem Praxissemester die Chance gegeben wird, erste eigene<br />
Fußabdrücke dort zu lassen, wo ich sie haben möchte. Selbstbestimmt und frei.<br />
Natürlich hatte das Grübeln über die Praxisstelle bis dahin lange kein Ende genommen,<br />
doch das Grübeln darüber, was einen oft daran hindert, entscheidende Dinge zu tun –<br />
Zeit - schon. Mit großen Schritten ging ich auf mein imaginäres Ziel zu. Denn mein erster<br />
Gedanke für eine Praxisstelle war: „Verbinde eine alte Leidenschaft mit dem Schreiben.<br />
Mache das, wo du dahinter stehst. Mach etwas, was den Leuten weiterhilft und ihnen die<br />
Gesellschaft aus einer anderen Perspektive zeigt“. Und so trugen mich meine großen,
selbstbewussten Schritte zu rap.de. Rap über alles – alles über Rap - das war das Motto,<br />
fast eine beängstigende Hymne. Es ging also Anfang des Jahres in Richtung Musik und<br />
Journalismus, was in meinen Augen keine leichte Symbiose ist, jedoch eine<br />
chancenreiche und interessante. Denn schon früh wurde mir klar, was mich an Rap so<br />
sehr begeistert: die Kunst, mit ein paar aneinandergereihten Worten, wichtige Inhalte<br />
und große Emotionen zu vermitteln. Diese Erkenntnis brachte mich sogar zu meinem<br />
jetzigen Studium: Online-Journalismus. Denn hier vereint sich einfach alles, für was ich<br />
stehe und lebe: Die Kunst, durch Wörter Menschen mit ins Geschehen einbeziehen zu<br />
können, durch Wörter Communities zu erschaffen und somit etwas in der Welt, positiv<br />
verändern zu können. Und das wollte ich weitergeben – kritische Berichterstattung über<br />
Rap, die automatisch die Lücken in der Berichterstattung über die Gesellschaft, füllen.<br />
Über den Rap, der weit weg ist von sexistisch gefüllten Phrasen oder auch über den, der<br />
ganz nah dran ist.<br />
Mein Praktikum dort zeigte mir jedoch oftmals das Gegenteil. Nur wenige Redakteure<br />
teilten meine Ansicht, dass Rap und seine Texte wunderbare Grundsteine für einen<br />
gesellschaftskritischen Diskurs sein können. Rap ist zwar nicht mehr von der Straße für<br />
die Straße – dagegen ist es heute, noch mehr als zu Beginn, von Menschen für<br />
Menschen – ganz egal woher, ganz egal welcher soziale Stand, ganz egal welche<br />
Bildung. All die Chancen die ich sehe, wurden in meinem Praktikum auf News die<br />
Klickzahlen erhaschen und das ein oder andere Interview, reduziert. Wo blieb die<br />
journalistische Einstellung die ich sah? Die Leidenschaft? Das anfängliche Ziel, den<br />
Leuten zu zeigen, was hinter der Gesellschaft steckt? Aufzudecken, woher der ein oder<br />
andere nicht gesellschaftstaugliche Rapsong kommt? Aufzuzeigen, was Rap mit Politik<br />
zu tun hat? Alle diese Facetten und Chancen, die Rap bietet, wurden für meine<br />
Vorstellung nicht ausreichend genutzt. Während des Praktikums kämpfte ich mit dem<br />
ein oder anderen kritischen Artikel um mein eigenes Überleben, mal zufriedener mal<br />
unzufriedener. Das schaute ich mir einige Wochen mit an – bis meine Gedanken<br />
plötzlich wieder um den ausschlaggebenden Punkt schwirrten - wie am 20. Oktober -<br />
um Zeit.<br />
21. März 2016 - Erst vor kurzem hatte ich doch geklärt, was Zeit für mich bedeutet. Sie<br />
bedeutet zeitnah das zu tun, was man für richtig hält. Und das tue ich jetzt:<br />
Ich verfasse diesen Text, um meine Zeit in Berlin mit etwas zu beenden, das mir die<br />
letzten Monate gefehlt hat – das Arbeiten in einer Redaktion, die nach vorne geht, die<br />
weiß, wie wichtig Journalismus ist. Eine Redaktion, die all meine zurückgehaltenen Idee<br />
und Vorstellungen aus dem vorherigen Praktikum vielleicht auffangen möchte.<br />
Ein Praktikum bei der <strong>taz</strong> kann mir das Bild wahrscheinlich mehr als deutlich zurück<br />
geben. Denn für mich ist die <strong>taz</strong> ein Medium, das in meinen Augen noch genau das<br />
bewahrt, was viele andere Medien verloren haben: Haltung und die Standhaftigkeit,<br />
richtigen Journalismus zu bereiten. Journalismus der weit weg davon ist, seinen Mund<br />
zu halten. Journalismus, der unbequem sein kann und sich nicht auf Anweisung<br />
verbiegt, Journalismus, der antwortleere Interviews nach einer Autorisierung abdruckt,<br />
statt die eigentlich interessante Message wegzuschmeißen. Journalismus der objektiv
sein kann, aber versteht, dass Subjektivität nicht gleich Meinungsmache ist, sondern ein<br />
ausgesprochen wichtiger Bestandteil der Meinungsbildung. Journalismus der Humor<br />
hat und mit Überspitzungen umgehen kann. Das macht den praktizierten Journalismus<br />
bei der <strong>taz</strong> für mich zu dem, was er ist:<br />
Weiterbringend für jeden, der ihn konsumiert. Ganz egal woher, ganz egal welcher<br />
soziale Stand, ganz egal welche Bildung – fast wie beim Rap.<br />
Deswegen bewerbe ich mich, Daniela Koch, für ein zweimonatiges Praktikum im<br />
Zeitraum Juni/Juli für die ausgeschriebenen Ressorts <strong>taz</strong>2medien oder Rechercheund<br />
Reportageredaktion.<br />
Zu meinem persönlichen Interessengebiet zählen Features, Interviews, Porträts und<br />
bloggen. Gerne mit Storytelling-Elementen, denn meiner Meinung nach ist dies eine Art<br />
und Weise, journalistischen Grundformen, Freiraum für Individualität zu geben. Zudem<br />
beschäftige ich mich oft mit der Frage, welche Rolle Slow-Media in unserer heutigen<br />
Social-Media-Gesellschaft spielt.<br />
Im Anhang finden sie einige veröffentlichte Schreibproben von mir,<br />
Praktikumszeugnisse und einen tabellarischen Lebenslauf.<br />
Über eine positive Rückmeldung würde ich mich mehr als freuen!<br />
Mit freundlichen Grüße,<br />
Daniela Koch