Jugendliche Gewalttäter zwischen Jugendhilfe- und krimineller Karriere
AST_Abschlussbericht_Gewalttaeter
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Kapitel 4<br />
Ergebnisse<br />
„…also in dem Sinne war, hat es ihm natürlich schon viel gebracht, aber nach der Betreuung,<br />
äh, hat man halt gemerkt, dass es mal gleich nach unten wieder ging. Ja, also das diese Erfolge,<br />
weil in der Betreuungszeit war er straffrei, hat er nichts gemacht in diesen neun Monaten, zehn<br />
Monaten, aber, ähm, gleich nach der Betreuung ging's dann wieder los.“ (Fachkraft eines freien<br />
Trägers der <strong>Jugendhilfe</strong>)<br />
Probleme, Zugang zu den <strong>Jugendliche</strong>n zu bekommen<br />
Murat hatte nur wenig intensiven Kontakt zur <strong>Jugendhilfe</strong>, da diese keinen<br />
Zugang zu ihm <strong>und</strong> seiner Familie gef<strong>und</strong>en hat. Aufgr<strong>und</strong> einer Straftat gab<br />
es ein Gespräch <strong>zwischen</strong> einer JGH-Fachkraft, Murat <strong>und</strong> seiner Mutter, in<br />
dem sie laut Fachkraft den Eindruck erweckten, dass es sich um eine einmalige<br />
Straftat gehandelt hat <strong>und</strong> kein weiterer Handlungsbedarf für die <strong>Jugendhilfe</strong><br />
besteht. Zahlreiche weitere Verfahren gegen Murat deuten aber an, dass die<br />
problematische Phase damit nicht beendet wurde. Es kam jedoch zu keinen<br />
weiteren Gesprächen mit der JGH <strong>und</strong> Murat erschien auch zu einigen Verhandlungsterminen<br />
nicht. Das formelle Verfahren der JGH, das hier von der<br />
fallführenden Fachkraft beschrieben wird, erschwert den Zugang zum <strong>Jugendliche</strong>n<br />
<strong>und</strong> seiner Familie.<br />
„Ich schick' 'ne Einladung, wenn ich zum Beispiel 'ne neue Anklageschrift, äh, kriege, dann<br />
schick' ich 'ne Einladung, bei <strong>Jugendliche</strong>n an die gesetzlichen Vertreter, bei über<br />
Achtzehnjährigen an die jungen Leute selbst, er war damals noch unter 18 <strong>und</strong> lade die ein zu<br />
dem Gespräch. Und, ähm, in manchen Fällen lade ich se auch noch mal ein zu 'nem Gespräch,<br />
wenn se aufs erste nich' reagieren, ja <strong>und</strong> dann kann ich vom Prinzip her erstmal nichts mehr<br />
machen.“ (JGH-Fachkraft)<br />
Murat selbst bewertet das Verhältnis zur <strong>Jugendhilfe</strong> negativ. Zum einen<br />
scheint es – für ihn unverständliche – Zuständigkeitswechsel gegeben zu haben,<br />
zum anderen war ihm die Rolle der Jugendgerichtshilfe nicht klar <strong>und</strong> er<br />
fühlte sich nicht unterstützt sondern von der fallführenden Fachkraft verraten,<br />
wie folgendes Zitat aus dem Interview mit ihm verdeutlicht.<br />
„Sie ist gekommen, wir haben uns unterhalten, […] sie ist gegangen, […] fertig. Und danach<br />
hat sie noch im Gericht Scheiße über mich erzählt, so. Sie sagt, ja, ich ziehe auch nicht in<br />
Betracht, dass er Bewährung kriegt, äh, […] falls er ne Strafe kriegt, ja, Jugendstrafe. Hä?<br />
Wenn ich die anderen, Dings hier sehe, von den anderen die Jugendgerichtshilfe sehe, die sagen,<br />
ja, er hat zwar nen Fehler gemacht, erste Tat, hin oder her, die reden gut über den, <strong>und</strong> die<br />
erzählen was über seine Lebensgeschichte, weil jeder hat von uns die gleiche Lebensgeschichte von<br />
uns gehabt. Viele von den Eltern haben sich getrennt, ganz viele sind ja auch deswegen so<br />
geworden. […]. Bei manchen hats, bei vielen waren es Drogen, bei anderen war es in der<br />
Familie, bei mir war´s mehr wegen der Familie. Meine Jugendgerichtshilfe hat nur Scheiße über<br />
mich gelabert, hat noch ein schlechteres Bild gemacht, als ich bin. Die sagte: „Ja, der ist sowieso<br />
gewalttätig, wenn er jetzt nur Bewährung kriegt, der landet doch so oder so im Knast bald.“ Ich<br />
so, ja, was macht sie da? [lacht] Ich steh schon davor, vorm Landgericht, <strong>und</strong> die Leute gucken<br />
mich schon an, ich steh schon hinter Panzerglas <strong>und</strong> so, ich werd angeguckt, als ob ich im Zoo<br />
bin oder ein Affe. Dann erzählt sie noch so ne Scheiße. Die soll sich mal gar nicht mehr blicken<br />
lassen bei mir!“ (Murat)<br />
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