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Maerz_2016

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Das vergessene königliche Spiel: Baille-Maille<br />

Die Baille-Maille-Lindenallee zu Himmelkron. Kupferstich des Bayreuther Schreibmeisters<br />

Johann Thomas Köppel ( 1711-1762) aus dem Jahre 1754.<br />

Anlässlich der Geburt seines Thronfolgers gab der französische König, Ludwig XIV. (1638 –<br />

1715 ), genannt der Sonnenkönig, ein rauschendes Fest, bei dem er auch sein Können beim<br />

königlichen „Jeu de Mail “ vor 15.000 Zuschauern, meist Angehörige des Hofes, gab. Schon<br />

seine Vorgänger unter den französischen Königen huldigten diesem „Kugelschläger-Spiel “.<br />

Erst im fortgeschrittenem Lebensalter, bedingt durch Krankheit und auf Drängen seiner Ärzte,<br />

spielte er eine verkleinerte Form des Mailspiels in seinem Schloss: eine Art von „Indoor-Mail“<br />

oder heute besser bekannt als Billard.<br />

Ursprünglich im 15. Jahrhundert aus Italien kommend, dort als „Pall a maglio“ gespielt,<br />

kam es über die königlichen Höfe in Frankreich, England und den Niederlanden weiter an fast<br />

alle europäischen Fürstenhöfe. In Deutschland findet man Hinweise auf Spielanlagen in Mün -<br />

chen (Hofgarten, Schloss Nymphenburg, Schloss Schleißheim), Landshut, Stuttgart, Pillnitz<br />

bei Dresden, Hamburg-Altona und in weiteren kleinen und großen Residenzen.<br />

Der Bayreuther Markgraf Christian Ernst von Brandenburg (1644 – 1712) begegnete diesem<br />

Spiel der Aristokraten vermutlich auf seiner Kavalierstour durch Frankreich. Kurz darauf<br />

entstanden in der Residenzstadt Bayreuth im Hofgarten, der Eremitage und sogar an seiner<br />

Sommerresidenz in Himmelkron Baille-Maille-Spielanlagen. Letztere ist für 1662 als Erstanla -<br />

ge verbürgt. Nach französischem Vorbild bestand diese Anlage aus einer vierfachen Baumreihe<br />

– jede Reihe mit 200 Linden.<br />

Die preußische Königstochter und Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709 – 1758)<br />

schwärmte von dieser Allee in Himmelkron mit dem Vergleich „ ….beinahe so schön wie die<br />

in Utrecht “. Diese befand übrigens auch schon der Sonnenkönig als die Schönste von Europa.<br />

Die Baille-Maille-Lindenallee als Außenstelle der Landesgartenschau in Bayreuth.<br />

Als 1791 der letzte Markgraf von Bayreuth-Ansbach-Brandenburg, Karl Alexander (1736<br />

– 1806), in Vorahnung der französischen Revolution, seinen Besitz an die schon lange darauf<br />

begehrenden Preußen verkaufte, war es schließlich um diese einst so prächtige Allee in<br />

Himmelkron geschehen.<br />

Im Winter 1792 wurde die Lindenallee umgehauen – trotz deutlichem Unmut in der Be -<br />

völ kerung und tiefstem Bedauern des örtlichen Pfarrers. Es sollte rund 200 Jahre dauern bis<br />

beherzte Himmelkroner den Plan fassten, diese Allee maßstabsgetreu wieder anzulegen.<br />

Der damalige Regierungspräsident Dr. Erich Haniel schließlich pflanzte am 28.04.1992<br />

die letzte von 600 Linden in Gedenken an den Baumfrevel 1792. Aus dem beispielhaften bürgerschaftlichen<br />

Engagement, immerhin wurden sämtliche Bäume gespendet, entwickelte sich<br />

schließlich ein in Europa einmaliger Natur- und Kulturschatz. Inzwischen pilgern täglich zahlreiche<br />

Besucher zu diesem Denkmal – im Sommer zur jährlich stattfindenden Garten- und<br />

Kunst messe an einem Tag sogar bis zu 10.000. Diese Veranstaltung mit 150 Ausstellern wur -<br />

de übrigens von einer TV-Zeitschrift im Jahre 2013 in den Kreis der 100 schönsten Sommer -<br />

ver anstaltungen in Deutschland gewählt. Nicht umsonst wurde <strong>2016</strong> die Baille-Maille-Lin den -<br />

allee als Außenstelle der Landesgartenschau in Bayreuth mit aufgenommen.<br />

Reinhard Stelzer zeigt in einem Power-Point Vortrag am 17. März <strong>2016</strong> die historische<br />

Entwicklung dieses ursprünglich königlichen und heute gänzlich vergessenen Spiels und seinen<br />

Anlagen an den europäischen Fürstenhöfen. Dabei wird er insbesondere auch auf die Ent -<br />

stehung, die Zerstörung und die Wiederanlage der Himmelkroner Baille-Maille-Lindenallee eingehen.<br />

Der Vortrag findet im Landgasthof Friedrich, Trebgast um 19.30 Uhr statt. Veranstalter<br />

sind das Colloquium Historicum Wirsbergense und der Förderkreis Himmelkron. BS<br />

Vor rund 30 Jahren: Erste Arbeiten zur Wiederanlage der Baille-Maille-Lindenallee.<br />

Die wiederangelegte markgräfliche Baille-Maille-Allee zu Himmelkron heute.<br />

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