07.04.2016 Aufrufe

Cruiser im April 216

Das grosse Musik-Speical: Alles über den ESC in Stockholm. Zumdem: die schönsten CH ESC Flops. Mit grossem Tipp-Poster in der Heftmittel.

Das grosse Musik-Speical: Alles über den ESC in Stockholm. Zumdem: die schönsten CH ESC Flops. Mit grossem Tipp-Poster in der Heftmittel.

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april 2016 CHF 7.50<br />

XXX<br />

XXX<br />

1<br />

cruiser<br />

DAS<br />

GRÖSSTE<br />

SCHWEIZER<br />

GAY-MAGAZIN<br />

Pet Shop Boys<br />

Alles super?<br />

Pink Apple<br />

Alles über das Film-Festival<br />

CH-Fiaskos<br />

Die ESC-Katastrophen<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

Grosses<br />

ESC-Special<br />

inkl. Tipp-<br />

Poster!


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CRUISER APRIL 2016


3<br />

Editorial<br />

Liebe Leser<br />

Wie vielfältig die LGBT-Community ist, sieht die <strong>Cruiser</strong>-Redaktion beinahe täglich: Denn wir bekommen<br />

so ziemlich jede Veranstaltung mitgeteilt und staunen manchmal selbst, was es für uns alles gibt.<br />

In dieser Ausgabe präsentieren wir gleich zwei kulturelle Highlights, wie sie unterschiedlicher kaum sein<br />

könnten: Pink Apple, das Filmfestival schlechthin – präsentiert auch dieses Jahr wieder Filme der absoluten<br />

Spitzenklasse. Wir durften schon mal vorvisionieren: Unsere Empfehlungen findest du ab Seite 14.<br />

Ebenfalls viel Auswahl (an musikalischem Trash, Kunst & Kultur) bietet der ESC: Warum wir eine Kanadierin an den Start schicken<br />

und wie das aktuelle Politgeschehen die Wahlen beeinflusst, hat Dani Diriwächter sauber in der Titelgeschichte recherchiert. Weil<br />

der ESC Spass macht, haben wir auch dieses Jahr wieder unser grosses ESC-Tipp-Poster beigelegt, und wer dieses genauer anschaut,<br />

wird feststellen dass wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden haben. Aber seht selbst …<br />

Viel Spass mit dem neuen <strong>Cruiser</strong>!<br />

Haymo Empl, Chefredaktor<br />

inhalt<br />

4 Thema Eurovision Song Contest<br />

8 Kolumne Weissbergs Weissheiten<br />

9 News National & International<br />

10 Kolumne Bötschi klatscht<br />

11 Special Homophobie in der Musik<br />

14 Pink Apple Filmfestival<br />

16 Serie Schwul auf dem Lande<br />

18 News National & International<br />

20 Serie Mannsbild – Berufsbild<br />

22 Kolumne Michi Rüegg<br />

24 Reportage Baselworld<br />

26 Kolumne Thommen meint<br />

27 Special CH-Eurovisions-Flops<br />

29 Kolumne Pia Spatz<br />

30 Ratgeber Dr. Gay<br />

<strong>im</strong>pressum<br />

CRUISER MAGAZIN PRINT<br />

Herausgeber & Verleger Haymo Empl, empl.media<br />

Infos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.ch<br />

Chefredaktor Haymo Empl<br />

Bildredaktion Haymo Empl, Nicole Senn<br />

Bilder Bilddatenbank. Alle Bilder, soweit nicht anders vermerkt, mit Genehmigung der Urheber.<br />

Art Direktion Nicole Senn<br />

Redaktion Print Vinicio Albani, Thomas Borgmann, Bruno Bötschi, Daniel Diriwächter,<br />

Andreas Empl, Martin Ender, Andreas Faessler, René Gerber, Moel Maphy, Michi Rüegg,<br />

Alain Sorel, Pia Spatz, Tanja & Jenny, Peter Thommen, Marianne Weissberg<br />

Korrektorat Julie Montblanc<br />

Anzeigen anzeigen@cruisermagazin.ch<br />

Auflage 12 000 Exemplare,<br />

WEMF beglaubigte Auflage: 11 539 Exemplare<br />

Druck Druckerei Konstanz GmbH<br />

Wasserloses Druckverfahren<br />

REDAKTION UND VERLAGSADRESSE<br />

empl.media, Haymo Empl<br />

Winterthurerstrasse 76, 8006 Zürich<br />

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CRUISER MAGAZIN ONLINE<br />

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CRUISER APRIL 2016


4<br />

thema<br />

Eurovision Song Contest<br />

Ne partez pas<br />

sans moi!<br />

Die Schweiz und der Eurovision Song Contest –<br />

eine Hass-Liebe par excellence. Und noch <strong>im</strong>mer<br />

spannend: Warum Rykka in Stockholm Chancen<br />

auf Punkte hat, und weshalb gerade in diesem<br />

Jahr die Politik eine wichtige Rolle spielt.<br />

CRUISER APRIL 2016


thema<br />

Eurovision Song Contest<br />

5<br />

Der 61. Eurovision Song Contest findet in der schwedischen Hauptstadt Stockholm statt, nachdem <strong>im</strong> letzten Jahr Måns Zelmerlöw für das Land<br />

gewonnen hat. Der Sänger wird zusammen mit der Moderatorin Petra Mede in der Ericsson Globe-Arena die drei Live-Shows präsentieren; alle<br />

werden vom SRF übertragen.<br />

VON Daniel Diriwächter<br />

W<br />

ährend die hiesige schwule<br />

Fan-Gemeinde den Eurovision<br />

Song Contest (ESC) als «ihre»<br />

fünfte Jahreszeit feiert, wird spätestens<br />

be<strong>im</strong> Blick in die sozialen Medien klar: Der<br />

Musikwettbewerb ist in der breiten Bevölkerung<br />

eher unbeliebt. Wasser auf die<br />

Mühlen der Kritiker ist reichlich vorhanden.<br />

So werden <strong>im</strong>mer wieder die Finanzen<br />

ins Feld geführt, insbesondere von zahlungsunwilligen<br />

Billag-Kunden. Dabei ist<br />

der ESC ein «Schnäppchen»: Das Schweizer<br />

Fernsehen (SRF) bezifferte die Kosten <strong>im</strong><br />

letzten Oktober <strong>im</strong> Schnitt auf 96 000 Franken<br />

(Shows wie «Happy Day» verbrauchen<br />

hingegen regelmässig über 800 000 Franken<br />

pro Folge). Die Absenz der Crème de la<br />

Crème der helvetischen Musikszene – mit<br />

wenigen löblichen (wie gescheiterten)<br />

Ausnahmen – wird ebenfalls als Qualitätsmangel<br />

empfunden.<br />

Die vielen Nullnummern sollen zudem<br />

beweisen: Die Schweiz ist be<strong>im</strong> ESC das dicke<br />

Kind, das <strong>im</strong> Turnunterricht <strong>im</strong>mer zuletzt<br />

in die Gruppe gewählt wird (was durchaus<br />

wieder Sympathien mit sich bringt).<br />

Zumal die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied<br />

politisch abgestraft wird, doch dazu später.<br />

Und schliesslich ist da noch das konfuse<br />

Auswahlverfahren bei SRF selbst: Unzählige<br />

Bewerber per Video-Clip auf der Webseite<br />

ins Rennen zu schicken ist mutig. Die Mobilmachung<br />

vieler der Musiker ist jedoch beängstigend,<br />

und die finale Show verlangt<br />

dank unsinniger Coversong-Runde viel Tapferkeit<br />

von Zuschauer und Jury.<br />

Am Ende ist das nur Futter für Miesepeter.<br />

Der ESC besitzt eine unwiderstehliche<br />

Strahlkraft. Wenn jedes Jahr fast alle<br />

Länder Europas ihre Abgesandten singen<br />

lassen, ist das spannend, spassig und teilweise<br />

schmerzhaft – aber auch ein Fenster in<br />

des Nachbars Leben. Ein willkommener Voyeurismus,<br />

getarnt mit Glitzer, Pomp und<br />

Schadenfreude. Nicht zuletzt ist die finale<br />

Punktevergabe das Kult-Element schlechthin.<br />

Dieses Abst<strong>im</strong>mungsverfahren wird <strong>im</strong><br />

Übrigen radikal erneuert, um die Spannung<br />

zu erweitern. Jury- und Zuschauerwertungen<br />

sind nun voneinander getrennt. Jedes<br />

Land kann einem Teilnehmer max<strong>im</strong>al 24<br />

Punkte geben – zwölf durch die Jury, zwölf<br />

durch die Zuschauer; diese werden separat<br />

bekanntgegeben. ➔<br />

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6 thema<br />

Eurovision Song Contest<br />

Rykka überzeugte sowohl Publikum als auch Jury und wird für uns nach Stockholm reisen.<br />

Erfolgreiche Bilanz für die Schweiz<br />

Man liebt oder hasst den ESC und darf aber<br />

eingestehen, dass der «Grand Prix Eurovision<br />

de la Chanson», wie er hierzulande<br />

noch liebevoll genannt wird, seit seinem<br />

Bestehen <strong>im</strong> Jahre 1956 der Schweiz doch<br />

einige Erfolge brachte. Gleich der erste Triumph<br />

gelang – hinreichend bekannt – der<br />

Rupperswilerin Lys Assia, beziehungsweise<br />

den Komponisten Géo Voumard und Emile<br />

Gardaz. Noch heute geistert die scharfzüngige<br />

Assia an vielen ESC-Veranstaltungen<br />

als Ikone der Vergangenheit umher.<br />

Es sollte 32 Jahre dauern, bis wieder<br />

ein Sieg gefeiert werden konnte, wobei die<br />

Schweiz sich in der Zwischenzeit meist auf<br />

den vorderen Plätzen wiederfand. Etwa mit<br />

Esther Ofar<strong>im</strong> 1963 auf Platz 2 oder Paola<br />

1980 auf Platz 4. 1988 dann, mit nur einem<br />

Punkt Abstand (!), eroberte Céline Dion<br />

mit «Ne partez pas sans moi», geschrieben<br />

von Nella Martinetti und Atilla Sereftug,<br />

die Herzen Europas. Auch wenn Dion das<br />

Lied in ihrer Autobiographie später als<br />

«hochtrabend» bezeichnete, startete sie<br />

damit ihre Weltkarriere. Als Kanadierin<br />

damals quasi «eingekauft», sorgte das für<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

einigen Unmut, dies ist heute be<strong>im</strong> ESC<br />

aber gang und gäbe. Da die Schweiz und<br />

Kanada ein erfolgreiches Paar abgeben,<br />

wurde bereits 1993 der nächste Import ins<br />

Rampenlicht gestellt: Annie Cotton aus<br />

Montreal erreichte mit «Moi, tout s<strong>im</strong>plement»<br />

den dritten Platz. Danach begann<br />

die bis heute anhaltende Durststrecke, in<br />

welcher nur die estnische Girl-Group «Vanilla<br />

Ninja», Anna Rossinelli und Sebalter<br />

so etwas wie Erfolge erleben durften.<br />

Das Positive an der <strong>im</strong> Februar gesendeten<br />

ESC-Entscheidungs-Show auf SRF<br />

war, dass sich Jury und Publikum für die Erfolgsformel<br />

mit Kanada ausgesprochen haben.<br />

Sängerin Rykka aus Vancouver reist für<br />

uns nach Stockholm. Sie hat aber Schweizer<br />

Wurzeln, wohnt heute in Meilen und hat mit<br />

ihren 29 Jahren Erfahrung in der Musikbranche.<br />

Und ihre Chancen stehen nicht<br />

schlecht, auch wenn sie ab und an hauchdünn<br />

den Ton verfehlt (so geschehen in der<br />

SRF-Entscheidungs-Show). Punkte könnte<br />

der Song «The Last of Our Kind», welchen<br />

Rykka selbst zusammen mit Mike James, Jeff<br />

Dawson und Warne Livesey geschrieben hat,<br />

durchaus erhalten: eine nicht zu pompös<br />

aufgetragene Ballade mit einnehmendem<br />

Refrain. Bei der Komposition standen zudem<br />

eindeutig Sia und Lorde Pate.<br />

Und weil das Auge gerade am ESC<br />

bekanntlich mithört, gibt Rykka dabei die<br />

süsse Comic-Version einer Marilyn Monroe.<br />

Passend <strong>im</strong> weissen Kleidchen und mit<br />

platinblondem Haar; nicht zu freizügig, versteht<br />

sich, aber auch kein Mauerblümchen.<br />

Ein Erfolgsmodell, das schon Kylie Minogue<br />

anwendete: Mädchen möchten sie neu anziehen,<br />

Hetero-Jungs möchten sie gerne ausziehen<br />

– alle haben Freude daran. So könnte es<br />

Rykka durchaus schaffen, <strong>im</strong> zweiten Semifinale<br />

zu punkten und ins Finale in Stockholm<br />

einzuziehen.<br />

Die Konkurrenz<br />

Rykka kann es auf alle Fälle mit der Konkurrenz<br />

<strong>im</strong> zweiten Semi-Finale aufnehmen. Sie<br />

tritt etwa gegen Australien an. Tatsächlich<br />

scheint Down Under nun fester Bestandteil<br />

der Eurovision zu sein und schickt mit<br />

Sängerin Dami Im – eine X-Factor-<br />

Gewinnerin und Chart-Stürmerin-ins<br />

Rennen. Auch Agnete aus Norwegen gehört<br />

zu den weiblichen Favoriten – ihr Song


thema<br />

Eurovision Song Contest<br />

7<br />

Dami Im wird als Konkurenz zu Rykka angesehen. Sie singt für Australien (ja, die dürfen auch wieder mitmachen!)<br />

«Icebreaker» steht musikalisch in direkter<br />

Konkurrenz zu Rykka – die Natürlichkeit<br />

lässt Agnete aber nicht nur an ihrem Auftritt<br />

vermissen. Daneben gibt es beispielsweise<br />

leicht überwindbaren Indie-Rock aus<br />

Georgien von Nika Kocharow oder austauschbaren<br />

Pop des Polen Michal Szpak.<br />

Sollte es Rykka ins Finale schaffen,<br />

steht sie dort den sechs bereits gesetzten<br />

Teilnehmern gegenüber – jene Glücklichen,<br />

deren Land den Löwenanteil der Kosten am<br />

Wettbewerb übern<strong>im</strong>mt. Deutschland setzt<br />

auf die blutjunge Veganerin Jamie Lee Kriewitz,<br />

deren Liedchen «Ghost» Xavier Naidoo<br />

schmerzlich vermissen lassen wird. Das Vereinigte<br />

Königreich präsentiert das Duo<br />

Joe & Jake mit «You’re not Alone» und bietet<br />

wenig Neues, ausser dem kläglichen Versuch,<br />

Mädchenherzen zu brechen. La France<br />

setzt auf den schönen Amir, der mit «J’ai<br />

cherché» beinahe schamlos an unseren Sebalter<br />

erinnert, während Italien ganz der<br />

Gehe<strong>im</strong>waffe «San Remo» mit der Sängerin<br />

Francesca Michielin vertraut. Spaniens Beitrag<br />

hingegen fällt ab: Deren Solistin namens<br />

Barei dürfte mit dem lauen Dancefloor-<br />

Song «Say Yay!» gnadenlos durchfallen.<br />

Das alte politische Lied<br />

Doch ob Trash oder Perle, ob peinlich oder<br />

grandios – es kann der Frömmste nicht in<br />

Frieden singen, wenn es der bösen Politik<br />

nicht gefällt. In diesem Jahr dürfte der ESC<br />

wie noch nie unter dem aktuellen Weltgeschehen<br />

leiden. Die Schweiz kann davon<br />

buchstäblich ein Lied singen. Als Insel in<br />

Europa galt sie lange als absolutes No-Go,<br />

egal welche Qualität die eingereichten Songs<br />

hatten. Neid und Missgunst über die Sonderstellung<br />

in Europa schrieben sämtliche<br />

Noten regelmässig um. Heuer wird das die<br />

Flüchtlingskrise tun. Grenzen und Mauern<br />

könnten den unbeschwerten Hörgenuss zunichte<br />

machen.<br />

Liest man <strong>im</strong> Kaffeesatz, so dürfte<br />

Deutschland mit seiner «Willkommens-<br />

Kultur» keinen einzigen Punkt einfahren.<br />

Ebenfalls könnte es beängstigend sein zu<br />

verfolgen, wie sich die Länder der Balkanroute<br />

gegenseitig bewerten. Wie und ob das<br />

musikalische Europa auf «Grexit» und<br />

«Brexit» reagiert, wird ebenfalls eine Rolle<br />

spielen. Und wie gewohnt polterte bereits<br />

Russland, das den Beitrag der Ukraine verbieten<br />

wollte – umsonst. Der Song von Jamala<br />

thematisiert die Deportation der<br />

Kr<strong>im</strong>tataren 1944 auf Befehl von Stalin. Zu<br />

guter Letzt die unerhörte Frage: Wie wirkt<br />

sich der jüngste Terror auf die Punktevergabe<br />

bei Frankreich und Belgien aus?<br />

Die Schweiz dürfte in dieser mit Spannung<br />

aufgeladenen Situation für einmal<br />

Oberwasser gewinnen – die vermeintlich<br />

friedliche Insel mit ihrer weissen Fee namens<br />

Rykka, die wie einst Nicole vom Frieden<br />

und von den letzten ihrer Art singt. Das<br />

könnte Erfolg bringen, so verstörend sich das<br />

anhören mag. Aber schliesslich greifen wir<br />

nach jedem Strohhalm, der sich uns bietet,<br />

um am ESC wieder brillieren zu können.<br />

Denn unser Schlachtruf ist der von Céline<br />

Dion: Ne partez sans moi!<br />

Der 61. ESC<br />

1. Semi-Finale Dienstag, 10. Mai<br />

2. Semi-Finale Donnerstag, 12. Mai – mit Rykka<br />

Finale 14. Mai<br />

Ausführliche Informationen über den ESC sind<br />

unter www.eurovision.tv zu finden.<br />

CRUISER APRIL 2016


8<br />

KOLUMNE<br />

Weissbergs Weissheiten<br />

Empfehlungen von der<br />

Kasse des Lebens!<br />

Kolumnistin Marianne Weissberg wurde kürzlich an<br />

der Kasse als Radiesli-Köpferin geoutet. Doch was<br />

ist sonst noch passiert, bevor es zu diesem Verbrechen<br />

kam? Bitte setzen und mitessen!<br />

VON Marianne Weissberg<br />

«<br />

Stell dir vor!!», klagte ich meinem besten<br />

schwulen Freund, mit dem ich<br />

mich zu heiss & fettig traf, <strong>im</strong> munzigsten<br />

Züri-China-Restaurant in dem man<br />

quasi <strong>im</strong> Wok i(s)st. «Eine alte Freundin<br />

rechnete mir detailliert vor, dass ich <strong>im</strong>mer<br />

undankbar gewesen sei. Dies in einem so gehässigen<br />

Ton, dass es mich grad umhaute.»<br />

Da wurde auch schon unser Frittiertes und<br />

Vernudeltes serviert, und wir stäbelten erst<br />

mal gierig. «Hm, ich erinnere mich, dass sie<br />

mir ihre ausufernde Grosszügigkeit stets<br />

aufdrängte, und es kam mir seltsam vor,<br />

dass sie alles obsessiv betrieb: Diät, Sport,<br />

Reisen», fügte ich an. «Und wie hast du auf<br />

die Vorwürfe reagiert?», fragte mein BSCHF,<br />

dessen riesiger Gebratenenudelnberg fix<br />

kleiner wurde. Ich biss krachend in meinen<br />

Currykrapfen. «Ich schickte ihr einen Link<br />

zu einer Beratungsline für seelische Störungen<br />

und kündigte die falsche Freundschaft.<br />

Sie hat prompt mich für meschugge erklärt.»<br />

«Man muss solche Gutmenschen<br />

einfach hassen, darf<br />

es aber ja nicht offen tun.»<br />

Da kam ein Hipster-Frölein herein,<br />

spargeldünn und trenddoof gestylt, und bestellte<br />

Take-Away. Wir musterten sie unverhohlen.<br />

«Unappetitlich», lästerte ich. Die<br />

Magere ging zum Warten raus. «Sie steht<br />

lieber in der Eiseskälte rum, weil man da bekanntlich<br />

abn<strong>im</strong>mt», erklärte ich. «Tschuldigung,<br />

was hat das Frölein bestellt?», erkundigte<br />

sich mein BSCHF vorwitzig. «Nur<br />

Tofu», sagte der China-Koch. «Aha, vegan<br />

und magersüchtig!», rief ich erfreut. Also<br />

gut, ich gebe es zu, damit habe ich meine<br />

unfeine Seite gezeigt. Erfrischend fand ich<br />

jedoch, dass sich mein BSCHF so offen erkundigte,<br />

während die Spargelfrau <strong>im</strong> Regen,<br />

notabene ausser Hörweite, noch schnell<br />

drei Gramm verlor. Meine gefeuerte BHF<br />

(beste Heuchel-Freundin) hatte mit mir<br />

nämlich nie offen geredet, sodass sie<br />

schliesslich von ihren Ressent<strong>im</strong>ents (niemand<br />

liebt mich, obwohl ich sooo eine Gute<br />

bin!) innerlich aufgefressen wurde. Das erinnert<br />

mich an jene Mütter, die in der Familie<br />

und als Freiwillige die heilige Madonna<br />

geben (also die biblische, leider nicht die<br />

poppige) und alle damit ins Land des<br />

schlechten Gewissens und der Undankbarkeit<br />

treiben. Man muss solche Gutmenschen,<br />

jaja, darunter hats auch Männer, einfach<br />

hassen, darf es aber ja nicht offen tun!<br />

Es ist also Heuchelei hoch zwei!<br />

Anderntags ging ich in den Türkenladen<br />

posten. Leider merkte ich erst be<strong>im</strong><br />

Zahlen, dass ich zu wenig Bargeld dabei hatte.<br />

Es war für heiss & fettig draufgegangen.<br />

«Sie können was zurücklegen», sagte die<br />

Kassen-Frau. Also zeigte ich auf die Radiesli.<br />

«STOP, Radiesli geköpft und drum kaputt,<br />

muss bezahlen!», kam die Replik der Kassen-Königin.<br />

Oh, ich hatte bereits automatisch<br />

das Grünzeug abgerissen. Diskussion<br />

zwecklos und zeitsparend unnötig. Fazit:<br />

Das Foto der geköpften Radiesli beweist,<br />

dass Frau Weissberg ihre Weis(s)heiten live<br />

erlebt!<br />

Wieso können nicht alle so fix und klar sagen,<br />

was geht und was nicht? Dann weiss<br />

man gleich, woran man ist, kriegt dann zwar<br />

keine intakten Radiesli, aber trotzdem ein<br />

gutes Gefühl. Das nenne ich eine opt<strong>im</strong>ale<br />

Lektion an der Kasse des Lebens!<br />

Marianne Weissberg<br />

ist Buchautorin, Kolumnistin und Scheffin<br />

ihres eigenen Literaturlabels EditionVOLLREIF<br />

www.marianneweissberg.ch<br />

www.vollreif.ch<br />

Bild: M. Weissberg<br />

CRUISER APRIL 2016


NEWS<br />

National & International<br />

9<br />

DAS GRÖSSTE<br />

SCHWEIZER<br />

cruiser<br />

märz 2016 CHF 7.50<br />

GAY-MAGAZIN<br />

BTC – Die Kampagne ist<br />

<strong>im</strong> vollen Gange<br />

XXX<br />

XXX<br />

1<br />

NEWS<br />

Peter Anderegg ist der neue Mr. Gay Switzerland<br />

Break The<br />

Chains 2016<br />

CRUISER MÄRZ 2016<br />

Die jährlich wiederkehrende Kampagne<br />

«Break The Chains» für Männer, die Sex mit<br />

Männern haben, will die Anzahl der Neuinfektionen<br />

mit HIV senken. Jeweils <strong>im</strong> Monat<br />

<strong>April</strong> heisst die Devise: Kein Risiko eingehen,<br />

Safer Sex praktizieren und <strong>im</strong> Mai gemeinsam<br />

mit dem Sexpartner zum Test.<br />

Laut den Berechnungen eines mathematischen<br />

Modells der HIV-Epidemie unter<br />

MSM in der Schweiz muss die Kampagne<br />

einmal <strong>im</strong> Jahr wiederholt werden, um einen<br />

messbaren Einfluss auf die HIV-Epidemie zu<br />

erzielen. Die jährliche Wiederholung dieser<br />

Aktion ermöglicht es auch, die Zahl der<br />

nicht diagnostizierten Pr<strong>im</strong>o-Infektionen<br />

möglichst tief zu halten. Damit das mit dem<br />

Test nicht vergessen geht, weist der aktuelle<br />

«<strong>Cruiser</strong>» mit dem ESC-Tipp-Poster in dieser<br />

Ausgabe sanft darauf hin …<br />

Was früher noch eine grosse Sache war, fand<br />

dieses Jahr eher <strong>im</strong> Stillen statt. Ohne grosse<br />

Vorankündigung wurde letzten Monat in St.<br />

Gallen in der News Bar Mister Gay 2016 gewählt.<br />

Da der Titel nicht geschützt ist, kann<br />

eine solche Wahl <strong>im</strong> Prinzip jeder durchführen.<br />

Dennoch war gemäss Veranstalter die<br />

News Bar «brechend voll».<br />

Die Anforderungen (die ebenfalls <strong>im</strong><br />

Vorfeld nicht gross kommuniziert wurden)<br />

an einen Mister Gay erfüllt Peter Anderegg<br />

offenbar: Nebst einer tollen Figur und einem<br />

charmanten Lächeln bringt Peter auch<br />

das benötigte Engagement für die Community<br />

und deren Themen mit. Die Reihenfolge<br />

dieser «Anforderungen» ist natürlich<br />

beliebig und rein zufällig … Ein Gesamtpaket,<br />

das die Jury (bestehend aus mehr oder<br />

minder bekannten Szenegrössen) offenbar<br />

überzeugt hat. Als Mr. Gay Switzerland<br />

2016 reist Peter bereits diesen <strong>April</strong> nach<br />

Malta, um an der Wahl zum Mister Gay<br />

World 2016 teilzunehmen. Wie es sich für<br />

eine solche Wahl gehört, gibt es auch einen<br />

Vize-Mister: Auf dem zweiten Platz und<br />

somit Stellvertreter und Community-<br />

Botschafter ist T<strong>im</strong>on (<strong>Cruiser</strong> kennt<br />

T<strong>im</strong>ons Nachnamen nicht).<br />

Die Party war gemäss Veranstalter ein voller<br />

Erfolg, dazu beigetragen hat auch das DH<br />

Duo Glitzerhaus, welches auf und abseits der<br />

Bühne für St<strong>im</strong>mung sorgte.<br />

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10<br />

KOLUMNE<br />

Bötschi klatscht<br />

Sex auf Crystal Meth –<br />

Höher, schneller,<br />

geiler<br />

Der deutsche Grünen-Politiker Volker Beck<br />

wurde mit einer Droge erwischt, deren Image<br />

besonders schillernd ist: Crystal Meth.<br />

Die User-Zahlen steigen – vor allem bei Schwulen<br />

in Zürich.<br />

VON BRUNO BÖTSCHI<br />

A<br />

le Welt fragt sich, warum Keith<br />

Richards, Gitarrist der «Rolling Stones»,<br />

so lange überlebt hat. Antwort:<br />

Er hatte das nötige Geld für sauberen Stoff.<br />

Keine Ahnung, ob Volker Beck genug<br />

Geld für sauberen Stoff hat. Was ich weiss: Er<br />

wurde mit Drogen erwischt. Der deutsche<br />

Grünen-Politiker hatte in Berlin die Wohnung<br />

eines von der Polizei überwachten Dealers<br />

betreten und sie mit 0,6 Gramm Rauschgift<br />

wieder verlassen, vermutlich Crystal<br />

Meth.<br />

Crystal Meth? Die Droge ist Symbol<br />

für die US-amerikanische TV-Serie «Breaking<br />

Bad». Um seine Familie ernähren zu<br />

können, stellt der an Krebs erkrankte Chemielehrer<br />

Walter White Meth her. Saubermann<br />

wird Drogenkönig.<br />

Beck ist kein Saubermann, er ist ein<br />

Kämpfer. Nur wenige haben in Deutschland<br />

ähnlich viel für die Gleichstellung von<br />

Schwulen und Lesben getan. Warum pfeift<br />

sich ausgerechnet so ein starker Typ was rein?<br />

Ist der Tod seines Ehemannes (2009) schuld?<br />

Wollte er leistungsfähiger werden, weil ihm<br />

die Aussortierung aus dem Politbetrieb drohte?<br />

Plante er eine Sexparty? Nette Fragen –<br />

aber die Antworten darauf gehen nur Beck<br />

etwas an. Jede Droge hat ihr eigenes Image.<br />

Das von Meth ist besonders schillernd. Es<br />

putscht auf, spiegelt Grösse vor – der Konsument<br />

fühlt sich wie ein Übermensch. Passt zu<br />

Managern, zu Politikern sowieso.<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

Crystal Meth wirkt sexuell st<strong>im</strong>ulierend,<br />

weshalb die Droge bei Schwulen beliebt ist.<br />

«Tina» wird Meth genannt und gerne … injiziert.<br />

«Geslammt» – ja, gespritzt! – wird auf<br />

Sex-Partys in London und Berlin schon länger.<br />

Wer in Chat-Foren wie Scruff und Grindr ein<br />

grosses «T» schreibt, sagen Insider, muss heute<br />

aber auch in Zürich nicht lange auf Antwort<br />

warten. Zum Feiern von tagelangen Sexpartys<br />

ist Crystal Meth für eine zahlenmässig starke<br />

«Wir müssen endlich akzeptieren,<br />

dass eine drogenfreie<br />

Welt eine Illusion ist.»<br />

Minderheit zu einem essenziellen Bestandteil<br />

geworden. Berüchtigt ist die Droge, weil sich<br />

viele unter ihrem Einfluss mit HIV oder Hepatitis<br />

C infizieren – die künstlich verstärkte Hypergeilheit<br />

überlagert das Bewusstsein für Safer<br />

Sex. Wer tagelang Sex hat mit wechselnden<br />

Partnern, dem gehen irgendwann die Kondome<br />

aus – die Spritzen auch.<br />

Ewiggestrige werden jetzt schreien:<br />

Wusst ich’s doch, Schwule haben sowieso<br />

nur Sex und Drogen <strong>im</strong> Kopf! Dankeschön<br />

für diese Stigmatisierung, aber sogar<br />

Ex-Uno-Generalsekretär Kofi Annan weiss<br />

längst: «Wir müssen endlich akzeptieren,<br />

dass eine drogenfreie Welt eine Illusion ist.»<br />

Und noch was, ihr Ewiggestrigen:<br />

«Hinter der Drogenprohibition steckt, wie<br />

hinter dem Verbot der Homosexualität einst,<br />

ein zutiefst menschenfeindliches und autoritäres<br />

Weltbild», schreibt Dirk Ludwig <strong>im</strong><br />

Magazin «Siegessäule».<br />

Drogenbenutzung ist kein Verbrechen,<br />

sie ist nicht einmal per se eine Krankheit.<br />

Millionen Menschen nehmen sporadisch<br />

Drogen und leben dabei ein fröhliches, unbeschadetes<br />

Leben. St<strong>im</strong>mt, einige haben ein<br />

Problem damit. Sucht ist aber nicht auf<br />

Meth, Kokain und Co. beschränkt. Verbieten<br />

wir deshalb Alkohol, Schoggi oder Computer?<br />

Und weshalb gelten Drogensüchtige<br />

bis heute als kr<strong>im</strong>inell?<br />

Mit Meth kann man seine Arbeit<br />

schneller machen, man hat mehr Ideen.<br />

Tönt verlockend – und wenn sogar gestandene<br />

Männer wie Volker Beck darauf Lust<br />

bekommen, muss uns das Angst machen.<br />

Kürzlich erzählte mir ein Freund, er<br />

wundere sich nicht über die Beliebtheit von<br />

Meth. «Die Droge verspricht die Erfüllung<br />

all dessen, was gesellschaftlich als erstrebenswert<br />

gilt. Leistungsfähig und erfolgreich<br />

sollen wir sein – und zugleich Spass<br />

haben. Erst dann gilt ein Leben als geil.»<br />

Mein Freund hat recht, leider.<br />

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Special<br />

Homophobie in der Musik<br />

11<br />

Diffamierung als<br />

Pop-Phänomen<br />

Lange Zeit galten Hip-Hop und Homophobie als eine unausweichliche Kombination.<br />

Schwulen- und frauenfeindliche sexistische Texte gehörten <strong>im</strong> Rap<br />

und Reggae quasi zum «guten Ton». Beispiele dafür zeigten wir in der letzten<br />

Ausgabe. Im zweiten Teil schauen wir auf die Ursachen des Schwulenhasses<br />

in dieser Szene und auf die ersten offen schwulen «Homo-Hopper», die jetzt<br />

eine andere Tonlage in den Hip-Hop bringen.<br />

VON Thomas Borgmann<br />

P<br />

rovokation und Tabubrüche sind ein<br />

wesentlicher Bestandteil des Rap, der<br />

die Sprache der Strasse zu Gehör<br />

bringen will. Doch mit seinem 2007 angeblich<br />

unfreiwillig <strong>im</strong> Internet veröffentlichten<br />

Track «Keine Toleranz» hatte es der Rapper<br />

G-Hot selbst für diese Szene zu weit getrieben.<br />

Mit Textzeilen wie «Was ist bloss passiert,<br />

sie werden akzeptiert, es gab Zeiten, da<br />

wurden sie mit der Axt halbiert» rief er offen<br />

zu Gewalt gegen Homosexuelle auf, was ihm<br />

nicht nur den Rauswurf von seinem ansonsten<br />

nicht z<strong>im</strong>perlichen Label «Aggro Berlin»<br />

«Was ist bloss passiert, sie<br />

werden akzeptiert, es gab<br />

Zeiten, da wurden sie mit der<br />

Axt halbiert.»<br />

einbrachte, sondern auch eine Strafanzeige.<br />

Immerhin hat dieser an Widerlichkeit kaum<br />

zu überbietende Text die Kritik gegen homophobe<br />

und sexistische Inhalte <strong>im</strong> Hip-Hop<br />

noch lauter werden lassen. Schon 2004 bildete<br />

sich die weltweite Kampagne «Stop Murder<br />

Music», nachdem der jamaikanische<br />

Reggae-Star Elephant Man in Songs die Ermordung<br />

von Schwulen und Lesben forderte,<br />

was angesichts der homophoben und gewaltbereiten<br />

St<strong>im</strong>mung gegen Homosexuelle<br />

in Jamaika, wo gleichgeschlechtliche Liebe<br />

unter Strafe steht, besonders gefährlich ist. ➔<br />

Homophobie gehört in der Rap Musik zum guten Ton. Gut, gibt es neuerdings auch Ausnahmen.<br />

CRUISER APRIL 2016


12<br />

Special<br />

Homophobie in der Musik<br />

Rapper G-Hot nennt sich auch Jihad. Der Name ist Programm.<br />

Das Cover von (hetero) Rapper Bass Sultan Hengzt sorgte für<br />

einen Shitstorm.<br />

Die Kampagne «Stop Murder Music» engagiert<br />

sich unter anderem für den Boykott<br />

von Konzerttourneen von Künstlern, die<br />

solche Inhalte propagieren.<br />

Mit dem «Reggae Compassionate Act»<br />

hatte sie eine Erklärung aufgesetzt, in der<br />

sich entsprechende Interpreten von ihren<br />

Songs gegen Schwule und Lesben distanzieren<br />

können. Viele der kontroversen Künstler<br />

haben diese Erklärung tatsächlich unterzeichnet<br />

und sich für ihre homophoben Texte<br />

entschuldigt. Das ist nicht nur ein Zeichen<br />

dafür ist, dass die St<strong>im</strong>mung in den letzten<br />

Jahren zugunsten der Kritiker, Skeptiker<br />

und Mahner gekippt ist, sondern es steht<br />

auch für eine gewisse Haltungsänderung in<br />

der Szene selbst. Während sich in den ersten<br />

Jahren nur vereinzelt Protest gegen diese<br />

agressiven homophoben Inhalte geregt hatte,<br />

führte 2014 die Ankündigung einer<br />

Tournee von Elephant Man in der Schweiz<br />

und in Deutschland sogar die Politik und die<br />

Presse auf den Plan, die sich für einen Boykott,<br />

beziehungsweise die Verhinderung der<br />

Konzerte stark machte. In Bern konnten<br />

Schwulenverbände einen Auftritt verhindern,<br />

andere Konzerte in der Schweiz fanden<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

statt, nachdem der Reggae-Star zusicherte,<br />

keine Lieder mit homophobem Inhalt zu singen.<br />

Noch um die Jahrtausendwende wurden<br />

eindeutig sexistische, rassistische und<br />

homophobe Songäusserungen eher lächelnd<br />

ignoriert, doch heute kommen die Interpreten<br />

ausserhalb ihrer He<strong>im</strong>atländer mit solchen<br />

Lyrics <strong>im</strong>mer seltener durch.<br />

«um die Jahrtausendwende<br />

wurden eindeutig sexistische,<br />

rassistische und homophobe<br />

Songäusserungen eher<br />

lächelnd ignoriert.»<br />

Dass sich die Rap-Szene mit der Akzeptanz<br />

von Schwulen und Lesben so<br />

schwer tut, wurzelt nicht zuletzt in der<br />

He<strong>im</strong>at des Rap, den Schwarzen-Ghettos<br />

der USA. Dort war die Musik <strong>im</strong>mer auch<br />

stark von der Kirche beeinflusst, für die<br />

Homosexualität bis heute als Sünde gilt.<br />

Auch sind schwule sexuelle Praktiken für<br />

viele Rastas ein Symbol und Instrument<br />

der Unterwerfung und ein Werkzeug des<br />

Rassismus, das männliche Sklaven häufig<br />

durch sexuelle Gewalt durch den weissen<br />

Mann erleiden mussten. Selbst heute noch<br />

sehen viele afroamerikanische Bürgerrechtler<br />

in den USA Homosexualität als ein<br />

Instrument weisser Unterwerfung, das in<br />

Afrika angeblich nicht existiert. Ein amerikanischer<br />

Konzertmanager sieht schliesslich<br />

noch eine eher pragmatische Ursache<br />

für die Homophobie <strong>im</strong> Rap: Viele<br />

Rap-Musiker seien durch ihren Lebensstil<br />

<strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong> Gefängnis gelandet,<br />

erläutert er, wo sie sich besonders machohaft<br />

geben mussten, um der Gefahr des<br />

sexuellen Missbrauchs und der Gewalt zu<br />

entgehen. Delroy Constantine-S<strong>im</strong>ms, der<br />

Herausgeber einer Essay-Sammlung mit<br />

dem Titel «The Greatest Taboo» zum Thema<br />

Homophobie in der afroamerikanischen<br />

und karibischen Musik, berichtete,<br />

wie die Insassen von jamaikanischen<br />

Gefängnissen 1997 sechzehn Mithäftlinge<br />

allein wegen des Verdachts der Homosexualität<br />

umgebracht hätten.


Special<br />

Homophobie in der Musik<br />

13<br />

Einer der charismatischen und bekanntesten<br />

Homo Rapper: Deadlee aus Los Angeles<br />

Homo-Hopper auf dem Vormarsch<br />

Ist Homophobie also eine reine Präventivmassnahme<br />

vor Gewalt und sexuellem<br />

Missbrauch und Heterosexualität demzufolge<br />

quasi eine Berufsanforderung für<br />

Rapper? Dass ein schwuler Rapper mit einem<br />

Outing nicht zwangsläufig einen kommerziellen<br />

Suizid begeht, beweist eine mittlerweile<br />

ständig wachsende Szene, die noch<br />

vor wenigen Jahren undenkbar gewesen<br />

wäre. Internetnetzwerke und das jahrelange<br />

Engagement der homosexuellen Gemeinden<br />

haben schwule und lesbische<br />

Rap-Ikonen hervorgebracht, die sich unter<br />

dem Genre-Namen Homo-Hop einer zunehmender<br />

Popularität erfreuen und in<br />

San Francisco, Oakland oder London jährliche<br />

Homo-Hop-Festivals veranstalten.<br />

Dass queere Rap-Parties mittlerweile auch<br />

in Europa auf dem Vormarsch sind, beweist<br />

einmal mehr, dass nichts mit dem Musikgenre<br />

Hip-Hop falsch läuft, sondern höchstens<br />

mit einigen ihrer bisherigen Protagonisten.<br />

Einer der charismatischen und bekanntesten<br />

Homo-Hopper zurzeit ist der<br />

muskelbepackte und tätowierte Sänger<br />

Deadlee aus Los Angeles, dessen Songs als<br />

Underground-Bestseller gelten und bereits<br />

auf Soundtracks von Filmen zu hören<br />

waren. Er kämpft gegen Angriffe auf<br />

Schwule durch Hip-Hop-Stars wie Eminem<br />

oder 50 Cent und bekennt sich offen<br />

zu seiner Homosexualität. Die Helden seiner<br />

Songs sind schwul, und er dreht die<br />

«Zumindest <strong>im</strong> Untergrund<br />

erobert schwuler<br />

Rap bereits ein loyales<br />

Publikum.»<br />

Bedeutung des Wortes so ins Positive um,<br />

wie es die Ur-Rapper einst mit dem Wort<br />

«Nigga» gemacht haben, um dessen rassistische<br />

Bedeutung ad absurdum zu führen.<br />

Auch der offen schwule New Yorker Rapper<br />

Lelf mischt mit seinem schrillen Outfit<br />

und Video-Clips, die kaum ein schwules<br />

Klischee auslassen, den Hip-Hop<br />

gründlich auf. In einigen seiner Lieder<br />

reiht er Schmähworte für Schwule wie<br />

Faggot, Swisher oder Banjee boy wie persönliche<br />

Auszeichnungen aneinander und<br />

kehrt sie dadurch ins Positive.<br />

Zumindest <strong>im</strong> Untergrund erobert<br />

schwuler Rap bereits ein loyales Publikum,<br />

aber auch erste Hip-Hop-Kollegen aus dem<br />

Mainstream schickten Respekt- und<br />

Solidaritätsbekundungen. So hatte der einst<br />

mit schwulenfeindlichen Verungl<strong>im</strong>pfungen<br />

nicht sparende Rapper Common in dem<br />

Song «Between Me, You & Liberation» beispielsweise<br />

vom Coming-Out eines Freundes<br />

gerappt. Im letzten Jahr sorgte der Berliner<br />

Rapper Bass Sultan Hengzt mit dem<br />

Plattencover seines Albums «Musik wegen<br />

Weibaz» für Schlagzeilen und Aufruhr in<br />

der Szene. Es zeigt zwei Männer, die ihre<br />

Hände zärtlich an den Kopf des Gegenübers<br />

halten und kurz davor sind sich zu küssen.<br />

Nachdem das Cover auf Twitter die Runde<br />

machte, entlud sich erwartungsgemäss ein<br />

Shitstorm unter den homophoben Rap-Fans.<br />

Von der Presse aber wurde Bass Sultan<br />

Hengzt als Kämpfer gegen Schwulenfeindlichkeit<br />

gefeiert. Natürlich war der Tabubruch<br />

in der Szene und die Aufmerksamkeit, die er<br />

damit erntete, auch eine gute Promotion für<br />

die Platte – ob kalkuliert oder nicht, sei dahingestellt.<br />

«Läuft ja richtig mit Homophobie»,<br />

kommentierte er das grosse Echo auf<br />

sein Cover. Gleichwohl hat der Rapper damit<br />

eine konstruktive Diskussion um Schwulenfeindlichkeit<br />

in der Szene angestossen, die<br />

den öffentlichen Druck gegen Ausgrenzung<br />

und Diskr<strong>im</strong>inierung in Texten des Hip-Hop<br />

und Rap wachsen lässt. Vielleicht etablieren<br />

sich die Lyrics der Homo-Hopper ja irgendwann<br />

so weit <strong>im</strong> Mainstream des Rap, dass<br />

«schwul» in diesem Musikgenre mal zu einem<br />

Synonym für «cool» wird. Schön re<strong>im</strong>en<br />

würde es sich auf jeden Fall.<br />

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CRUISER APRIL 2016


14<br />

Pink Apple<br />

Filmefestival<br />

Gays und<br />

Games<br />

Das diesjährige Pink Apple Filmfestival wirft einen<br />

Blick über den Tellerrand hin zu einem anderen<br />

Massenmedium: dem Videospiel. Mit dabei ist auch<br />

die Tunte als solche.<br />

eigene Geschlecht herrscht auch kein Mangel.<br />

Das Pink Apple Festival n<strong>im</strong>mt das<br />

Shakespeare-Jubiläum zum Anlass, die Umsetzung<br />

seiner Stoffe auf Celluloid unter die<br />

Lupe zu nehmen. Ein Vortrag in Zusammenarbeit<br />

mit dem Englischen Seminar der<br />

Universität Zürich rundet dieses Thema ab.<br />

Die Ausnahme bestätigt die Regel: Schwule Charaktere sind in Videogames Mangelware.<br />

VON Michi Rüegg<br />

W<br />

as hat er bloss für eine Karriere<br />

hingelegt, der schwule Mann in<br />

Film und Fernsehen. Noch vor<br />

Jahren war er ein verschupftes Wesen, das<br />

zwischen Selbsthass seiner Abartigkeit wegen<br />

und Sehnsucht nach Anerkennung pendelte.<br />

Das mit der Liebe ging in die Hose,<br />

und manch ein schwuler Charakter brachte<br />

nicht mal den eigenen Suizid auf die Reihe.<br />

Probleme haben Gays in Filmen heute<br />

noch, doch unterscheiden die sich <strong>im</strong>mer<br />

seltener von denjenigen ihrer heterosexuellen<br />

Mit-Charaktere. Das Universum an<br />

Gay-Rollen hat über die Jahre enormen Zuwachs<br />

erfahren. Umso erstaunlicher, dass<br />

Schwule (und Lesben) in einem anderen<br />

wahnsinnig populären Medium noch kaum<br />

existieren: dem Videospiel. Seit Mario – der<br />

spätere Supermario – Anfang der Achtziger<br />

seine Prinzessin aus den Klauen von Gorilla<br />

Donkey Kong befreien musste, hat sich dort<br />

nämlich in Sachen Diversity nicht sonderlich<br />

viel getan.<br />

Uns gibt es praktisch nicht<br />

Damit wären wir bereits bei einem der<br />

Schwerpunkte des diesjährigen Pink Apple<br />

Festivals, das wie <strong>im</strong>mer Ende <strong>April</strong> und<br />

Anfang Mai in Zürich stattfindet und danach<br />

nach Frauenfeld übersiedelt. Zusammen<br />

mit der Zürcher Hochschule der Künste<br />

(ZHdK), die Lehrgänge für Videospiel-Designer<br />

anbietet. Die Gamedesigner haben eine<br />

Ausstellung konzipiert, die am Pink Apple<br />

auf unsereins in Videospielen eingeht. Und<br />

ja, man darf selber mitspielen. Anlass bildet<br />

unter anderem der Film «Gaming in Color»<br />

von Matt Conn, der am Festival gezeigt<br />

wird. Er wirft einen Blick auf die milliardenschwere<br />

Videospielindustrie – aus schwuler<br />

und lesbischer Sicht.<br />

Was heute ernste Hochkultur ist, war<br />

zu Lebzeiten William Shakespeares gute Unterhaltung.<br />

Die Werke des Königs der Theaterautoren<br />

strotzen nur so von zweideutigen<br />

Wortspielen. Männer in Frauenkleidern waren<br />

die Norm und an Liebeserklärungen ans<br />

Frauen und Tunten zuerst!<br />

Von den Männern in Frauenkleidern ist es<br />

nur ein kurzer Hüpfer zum Thema Tunten.<br />

Was einst eine mit Stolz vorgetragene Selbstdefinition<br />

vieler schwuler Männer war, ist<br />

etwas aus der Mode geraten. Das Tuntentum<br />

fristet dieser Tage ein Mauerblümchendasein.<br />

Umso verdienstvoller macht sich Pink<br />

Apple, indem es dieses Jahr laut und schrill<br />

«Rettet die Tunten!» ruft. Mit «Herr von<br />

Bohlen» steht auch ein nagelneuer Streifen<br />

parat, der sich dem teiltragischen Leben eines<br />

Vertreters dieser Gattung widmet.<br />

Dass Film nicht, dasselbe wie Kino ist,<br />

wissen wir allerspätestens seit jeder Depp<br />

den roten Knopf auf seinem iPhone drücken<br />

kann. Film war schon <strong>im</strong>mer ein Mittel, um<br />

das Private festzuhalten. Bereits vor Jahrzehnten<br />

wurde schwuler und lesbischer Alltag<br />

auf He<strong>im</strong>kameras festgehalten. Die entsprechenden<br />

Rollen verschwanden auf dem<br />

Dachboden oder auf tragische Weise <strong>im</strong><br />

Mülle<strong>im</strong>er. Nun hat ein Teil solcher Materialien<br />

doch noch den Sprung auf die grosse<br />

Leinwand geschafft. Im Film «Reel in the<br />

Closet» von Stu Maddox (siehe Box).<br />

Pink Apple Filmefestival<br />

Das 19. Pink Apple Filmfestival findet vom<br />

27. <strong>April</strong> bis 5. Mai in Zürich und vom 6. bis<br />

8. Mai in Frauenfeld statt. Infos zu Programm<br />

und Tickets auf www.pinkapple.ch<br />

CRUISER APRIL 2016


Pink Apple<br />

Filmefestival<br />

15<br />

Die junge Liebe wird gestört: «Akron».<br />

Amsterdam während der Pride-Party: «Chez Nous».<br />

Pink Apple: die Filmhighlights<br />

Fast schon zufällig schwul ist die Geschichte<br />

zwischen Benny und Christopher, die sich be<strong>im</strong><br />

Footballspiel am College kennenlernen. In<br />

«Akron» erzählen Sasha King und Brian O’Donnel<br />

eine emotionsgeladene Geschichte zweier<br />

Familien, die mit ihrer Vergangenheit ins Reine<br />

kommen müssen. Zur Kategorie «schwuler<br />

Kostümfilm» zählt hingegen «Chez Nous», der<br />

in Amsterdam spielt. Weil ihre Stammbar vor<br />

der Pleite steht, planen Besitzer Berti und seine<br />

Stammgäste, <strong>im</strong> Gewühl der Pride-Feierlichkeiten<br />

die Kronjuwelen zu klauen. Die Geschichte<br />

wird zur grandiosen Komödie mit Mission-Impossible-Momenten.<br />

Spektakulär sind<br />

die Bilder in Stu Maddox’ Dokfilm «Reel in the<br />

Closet». Der Streifen zeigt nie veröffentlichte<br />

private Filmaufnahmen aus verschiedenen<br />

Jahrzehnten. Und dokumentiert auf diese Weise<br />

ein reges schwules und lesbisches Leben,<br />

von dem bislang keine oder kaum Aufzeichnungen<br />

existierten.<br />

CRUISER APRIL 2016


16<br />

Serie<br />

Schwul auf dem Land<br />

Schwul<br />

auf dem<br />

land<br />

In unserer Serie «Schwul<br />

auf dem Land» portraitieren<br />

wir spannende<br />

Menschen abseits der<br />

grossen Ballungszentren.<br />

«Wir würden Luzern<br />

nur ungern verlassen.»<br />

VON Martin Ender<br />

Nico Planzer:<br />

«Ich bleibe Luzern treu.»<br />

Nico Planzer, in Luzern geboren und aufgewachsen,<br />

ist Gärtner, 20 Jahre alt und leistet<br />

derzeit Zivildienst in der Alters- und Betagtenpflege.<br />

Nico ist ein äusserst engagierter,<br />

politischer Mensch. Dies war schon früh in<br />

seiner Jugend so, obwohl ihm die Politik<br />

nicht in die Wiege gelegt wurde. Weder <strong>im</strong><br />

Elternhaus, noch von Schulfreunden wurde<br />

er dahingehend angeschubst. Er war selber<br />

neugierig darauf. Seit 2010 ist er <strong>im</strong> Luzerner<br />

Jugendparlament dabei. 2014 und 2015 war<br />

er CO-Präsident vom «Jugendparlament<br />

Kanton Luzern».<br />

Er politisierte erst bei den Jusos, bis er<br />

nun seine He<strong>im</strong>at bei der BDP gefunden hat.<br />

Er formuliert es so: «Ich bin vor rund zwei<br />

Jahren über Kontakte zur BDP gestossen und<br />

fand die kleine gelbe Partei, ihre Positionen<br />

und ihre Mitglieder auf Anhieb sehr ansprechend.<br />

Schon bald war der Wunsch bei mir<br />

vorhanden, aktiv ein Teil dieser Partei zu werden.<br />

Kurz darauf wurde ich zum Parteisekretär<br />

Kanton Luzern und neu auch zum Präsidenten<br />

BDP-Stadt Luzern gewählt.»<br />

Nach einigen kürzeren und längeren<br />

Beziehungen lebt Nico «aktuell glücklich als<br />

Single». Im vergangenen Herbst, <strong>im</strong> Zusammenhang<br />

mit den Nationalratswahlen, standen<br />

er als Parteisekretär und Denis Kläfiger,<br />

Präsident der BDP Kanton Luzern, offen zu<br />

ihrem Schwulsein. Da stellt sich doch die<br />

Frage, wie war das ein paar Jahre früher mit<br />

Nicos Coming-out? Dazu meint er: «Das ist<br />

eine lange Geschichte. Ein sehr enger Freund<br />

und Vertrauter outete sich eines Tages unverhofft<br />

bei mir. Ich war total fasziniert und<br />

empfand für diese Entscheidung tiefen Respekt.<br />

Von diesem Ereignis aber überrascht<br />

und total überfordert, outete ich mich nicht<br />

gleichzeitig bei ihm – erst am darauffolgenden<br />

Tag. Wie ich zuvor, war auch er völlig<br />

überrascht.»<br />

«Nach und nach outete ich mich bei<br />

Freunden und Bekannten, erst später dann<br />

CRUISER APRIL 2016


Serie<br />

Schwul auf dem Land<br />

17<br />

bei der Familie. Ich habe glücklicherweise<br />

nur positive Feedbacks erhalten und kann<br />

ein Outing jedem nur empfehlen!» Dennoch<br />

beurteilt Nico die Offenheit der Bevölkerung<br />

skeptisch: «Luzern ist ein katholischer Fleck,<br />

und dies merkt man teilweise sehr gut.<br />

Denis Kläfiger: der zugezogene<br />

«Lozärner»<br />

Auf die Frage, wie es sich in Luzern leben<br />

lässt, meint Denis Kläfiger: «Es ist ein katholisch<br />

geprägter Kanton, das spürt man<br />

schon. Es herrscht eine andere Atmosphäre<br />

als in Zürich, wo man sich lockerer geben<br />

kann auf der Strasse. In Luzern sind die Leute<br />

verschlossener. Luzern ist mit rund 80 000<br />

Einwohnern halt eine kleine Stadt. Aber es<br />

ist eine schöne kleine Stadt. Es lebt sich gut<br />

hier als Schwuler. Wer jedoch gerne und öfters<br />

in den Ausgang gehen will, na ja …»<br />

Denis betont, dass er nicht so der Szene-<br />

Ausgangstyp ist. Er ist einfach gerne mit<br />

Kollegen mal unterwegs und die sind teils<br />

hetero, teils schwul. Klar gab es die Zeit, in<br />

der man nach Zürich gefahren sei, um einen<br />

Abend <strong>im</strong> T & M zu verbringen, da in Luzern<br />

ja nur einmal <strong>im</strong> Monat die Frigay-<br />

Night-Party stattfinde. Oder man besuchte<br />

eine Purplemoon-Party.<br />

Denis war zuerst <strong>im</strong> klösterlichen<br />

Internat<br />

Der 24-Jährige Denis ist gelernter Kaufmann,<br />

und wie es sich be<strong>im</strong> Gespräch <strong>im</strong><br />

«Café de Ville» unschwer heraushören lässt,<br />

kein gebürtiger «Lozärner». Seine Jugendzeit<br />

verbrachte er in Rapperswil. Danach kam er<br />

nach Engelberg für ein Jahr ins klösterliche<br />

Internat. Ein Haus mit alten Strukturen, will<br />

heissen, man kam nur in den Ferien nach<br />

Hause. Ausgerechnet in dieser Zeit, in der er<br />

mit Schulkollegen und den Ordensmännern<br />

unter einem Dach lebte, startete seine<br />

Coming-out-Phase. Nach einem Jahr zog er<br />

zur Weiterbildung ins Welsche, zu Nonnen.<br />

Zu seinem Coming-out befragt, und wie er<br />

heute in seinem auch politischen Umfeld<br />

wahrgenommen werde, meint Denis: «In<br />

Luzern hatte ich ein «unproblematisches»<br />

Coming-out. Das lag wohl auch an meinen<br />

KV-Kollegen. Ich wurde gut aufgenommen<br />

und habe heute noch gute Kontakte zu ehemaligen<br />

Klassenkameraden, darunter etliche<br />

Heteros. Alle wissen es. Ich bin da offen.<br />

«Die Nachbarn wissen es, der Vermieter<br />

auch, innerhalb der BDP weiss man es,<br />

ich gehe offen damit um, auch bei Vorstellungsgesprächen,<br />

das ist mir wichtig.» Die<br />

Offenheit der Luzerner Bevölkerung müsse<br />

man differenziert anschauen, meint Denis:<br />

«Der Unterschied ist gross zwischen Stadt<br />

und Land. Auf dem Land sind die Leute<br />

nach wie vor recht konservativ. Die Parteienlandschaft<br />

ist das entsprechende Abbild.<br />

Die Stadt Luzern ist Mitte-Links geprägt,<br />

ähnlich wie Zürich. Und somit auch offener<br />

als auf dem Land. Der Kanton ist bürgerlich,<br />

eine Hochburg der CVP. Man denke an das<br />

Entlebuch.»<br />

Denis kämpft für die Ehe für alle<br />

Ob die «Ehe für alle» in diesem Kanton ein<br />

Chance habe, wagt Denis nicht mit e<strong>im</strong> Ja zu<br />

beantworten: «Das ist ist schwierig zu sagen.<br />

Ich hoffe natürlich, dass sich mit der Zeit<br />

auch Bürgerliche mit dem Gedanken anfreunden,<br />

Homosexualität als normal zu<br />

empfinden.» Der derzeitige Single kämpft<br />

für die Ehe für alle. Auf die Frage, ob denn<br />

die eingetragene Partnerschaft nicht genüge,<br />

sagt er sehr schnell: «Auf keinen Fall! Dieses<br />

Gesetz war damals eine Notlösung und zur<br />

damaligen Zeit das überhaupt Machbare.»<br />

Denis lebt gerne in Luzern, dennoch<br />

gesteht er ein: «Ich liebäugle seit jeher mit<br />

zwei Destinationen und könnte mir vorstellen<br />

dort zu leben. Da ist einerseits Brasilien,<br />

wo meine Mutter herkommt. Und andererseits<br />

Neuseeland, da war ich ein halbes Jahr,<br />

um mein Englisch aufzufrischen.»<br />

Interview<br />

Denis, seit wann politisierst du?<br />

Ich bin seit vier Jahren Mitglied der BDP. Bereits<br />

während der KV-Zeit wurde ich politisch<br />

aktiv. Ab 2014 teilte ich das Präsidium<br />

der Kantonalpartei mit Lea Fuchs. Mittlerweile<br />

bin ich Präsident.<br />

Du hast auch für ein Nationalratsmandat<br />

kandidiert. War das bei nur zehn Luzerner<br />

Nationalräten aussichtsreich?<br />

Die BDP hatte beschlossen, in allen Kantonen,<br />

in denen sie vertreten ist, anzutreten.<br />

Natürlich war es <strong>im</strong> Kanton Luzern etwas<br />

schwierig, weil er CVP-dominiert ist. Aber<br />

es war uns wichtig, die aktiven Personen<br />

aufzuzeigen. Strategisch war es auch sinnvoll,<br />

weil wir ja auch mit den Wahlen für den<br />

Stadtrat liebäugeln. Da braucht es schon vorher<br />

einen Bekanntheitsgrad, den haben wir<br />

nun gut ein Jahr lang aufgebaut. Bereits bei<br />

den Kantonsratswahlen <strong>im</strong> Frühjahr 2015<br />

machten wir uns bemerkbar.<br />

Ist die BDP <strong>im</strong> Kantonsrat vertreten?<br />

Leider nein, noch nicht. Im Kanton Luzern<br />

gibt es die BDP erst rund sechs Jahre. Die<br />

vorherige Leitung hat es nicht geschafft, die<br />

notwendige Aufbauarbeit zu leisten. Heute<br />

jedoch ist die BDP in aller Munde. Wir sind<br />

in den Zeitungen vertreten, haben mehrere<br />

Petitionen eingereicht und eine Stadt-<br />

Sektion gegründet.<br />

Die BDP ist ja als Absplitterung von der SVP<br />

eine bürgerliche Partei. Ist da ein Schwuler<br />

gut aufgehoben?<br />

Ganz klar, ja. Es ist ja nur teilweise eine Absplitterung<br />

von der SVP. Das war der Anfang.<br />

Ehemalige SVP-Mitglieder stammten<br />

eher aus dem linken, liberalen Flügel der<br />

SVP, und die sitzen nun wirklich nicht <strong>im</strong><br />

gleichen Boot wie Christoph Blocher und<br />

seine Gefolgsleute. Die Sektionen wie Zürich,<br />

Aargau, Luzern sind Neugründungen<br />

und haben gar nichts zu tun mit der SVP.<br />

Nun willst du für den Stadtrat Luzern<br />

kandidieren. Wir gross ist der Stadtrat?<br />

Luzern kennt den Grossen Stadtrat und den<br />

Stadtrat. Ersterer ist das Stadt-Parlament mit<br />

48 Mitgliedern. Der Stadtrat ist die Exekutive<br />

mit fünf Mitgliedern. Ich kandidiere für<br />

beide!<br />

Warum kandidierst du am 1. Mai für beide?<br />

Es gibt zwei Gründe. Einmal ist dies eine<br />

Werbeplattform für die Partei. Zum andern<br />

aber wollen wir den Wählern auch eine Alternative<br />

bieten zu den alt eingesessenen<br />

Parteien. Wir sprechen Themen an, welche<br />

die grösseren Parteien gerne unter den Teppich<br />

kehren. Ausserdem sollte auch die Jugend<br />

<strong>im</strong> Sinne der Widerspiegelung der Bevölkerung<br />

mit einem Mitglied <strong>im</strong> Stadtrat<br />

vertreten sein. Als Vertreter einer noch kleinen<br />

Partei mache ich mir aber keine Illusionen<br />

für den Stadtrat, aber für den Grossen<br />

Stadtrat stehen die Karten gut.<br />

Lebst auch du eher «ländlich»?<br />

Gerne würden wir dich portraitieren!<br />

Wir freuen uns auf ein kurzes Mail an<br />

redaktion@cruisermagazin.ch<br />

CRUISER APRIL 2016


18<br />

NEWS<br />

National & International<br />

NEWS<br />

Plötzlich schwul?<br />

Chris J. Birch machte auf dem Sportplatz<br />

ein paar Rollen vorwärts. Dann sackte<br />

er weg – und war schwul. Gar Unglaubliches<br />

ist in der «Süddeutschen» zu lesen: Chris J.<br />

Birchs Story klingt wie ein schlechter Witz;<br />

wie einer dieser modernen Mythen, mit denen<br />

die Erzähler erst einen Effekt erzielen,<br />

aber dann als Quelle nur den Cousin eines<br />

Freundes ihrer Nachbarin nennen können.<br />

Mit dem Unterschied, dass dies weder Mythos<br />

noch Witz ist, sondern Chris J. Birchs<br />

neues Leben.<br />

Es ist die Geschichte eines 21-Jährigen<br />

aus Ystrad Mynach in Südwales, der an einem<br />

lauen Juliabend auf einem Sportplatz<br />

übermütig wurde, <strong>im</strong> weichen Rasen zwei,<br />

drei Rollen vorwärts machte, wieder aufstand<br />

– und plötzlich auf Männer stand.<br />

Durch den Überschlag war eine Arterie abgeklemmt<br />

worden, eine Ablagerung an der<br />

Gefässwand hatte sich gelöst und eine Blutbahn<br />

<strong>im</strong> Gehirn verstopft, der Sauerstoffmangel<br />

liess Nervenzellen absterben.<br />

Sexuelle Neuorientierung infolge<br />

einer Neuvernetzung der Nervenbahnen,<br />

lautete die Diagnose seiner Ärzte. Mit<br />

anderen Worten: schwul durch Schlaganfall.<br />

Es gibt andere Patienten, bei denen eine<br />

Neuvernetzung nach Gerinnseln <strong>im</strong> Gehirn<br />

ähnlich untypische Folgen hatte. Am<br />

bekanntesten ist das Foreign Accent Syndrome<br />

(FAS), von dem weltweit etwa 150 Fälle<br />

dokumentiert sind. Die Betroffenen leiden<br />

dabei unter einem Sprachfehler, den Aussenstehende<br />

jeweils als Akzent eines best<strong>im</strong>mten<br />

Landes identifizieren. Um das Leiden auszulösen,<br />

reichte bei manchem der Besuch<br />

seines Chiropraktikers.<br />

Daneben gibt es Patienten, die durch<br />

ein Hirntrauma offenbar besondere Fähigkeiten<br />

erlangten. Der australische Teenager<br />

Ben McMahon etwa fiel nach einem Autounfall<br />

ins Koma, und als er aufwachte,<br />

sprach er Mandarin, fast fliessend, obwohl er<br />

zuvor nur Grundkenntnisse erworben hatte.<br />

Und Tommy McHugh, ein Maurer aus Liverpool,<br />

hatte nach einer Hirnblutung extreme<br />

kreative Schübe, konnte nun malen und ist<br />

heute Künstler.<br />

All diese Fälle sind unterschiedlich gelagert<br />

und schwer vergleichbar. Alle gelten<br />

als spektakulär. Doch keiner weckte ein so<br />

dauerhaftes Interesse wie der von Christopher<br />

J. Birch aus Wales. Fast 30 ist Birch heute,<br />

neun Jahre ist der Schlaganfall her, vor<br />

drei Jahren gab er die Geschichte mal an ein<br />

Boulevardblatt, ganz naiv, weil Kundinnen<br />

<strong>im</strong> Friseurladen meinten: «Das ist aber interessant,<br />

das müsste man veröffentlichen!»<br />

Seitdem gilt seine Geschichte als einzigartig.<br />

Sie bediente amerikanische Wissenschaftscolloquien<br />

ebenso wie irische Saturday<br />

Night Shows, indische Radiosender, Londons<br />

Klatsch-Presse und demnächst vielleicht<br />

auch das US-Kino, offenbar existiert<br />

bereits ein Drehbuch, und zwar von den<br />

Machern von der Kult-BBC-Comedy-<br />

Serien-Machern «Little Britain».<br />

CRUISER APRIL 2016


NEWS<br />

National & International<br />

19<br />

Pet Shop Boys – Neues Album «Super»<br />

Die Musik der Pet Shop Boys … naja,<br />

eigentlich haben sie seit Jahren <strong>im</strong>mer wieder<br />

dasselbe Album gemacht. Aber es klang<br />

<strong>im</strong>mer wieder anders, neu und aufregend.<br />

Und jetzt kommt Super», das 14. Album in<br />

30 Jahren.<br />

«Happiness», der erste Track, erinnert<br />

an den wunderbaren Justus Köhncke: min<strong>im</strong>alistisch,<br />

beweglich, hoffnungsvoll. Be<strong>im</strong><br />

zweiten Song, bei der Single «The Pop Kids»,<br />

kriecht dann auch schon die Popkatze aus<br />

dem Sack. Es ist eine Pophymne an sich<br />

selbst, an die eigene Biografie mit viel Nostalgie<br />

und Emotions – es ist auch eine Liebeserklärung<br />

von Neil Tennant an Chris<br />

Lowe und alle Menschen, welche die Pet<br />

Shop Boys mögen: «They called us the pop<br />

kids/ Cause we loved the pop hits/ And quoted<br />

the best bits/ So we were the pop kids/ I<br />

loved you/ I loved you». Am Ende werden<br />

sogar noch die Kuhglocken aus Barry Manilows<br />

«Copacabana», Extended-Mix eingebaut:<br />

«Ding, Ding, Ding, Düng, Düng, Ding,<br />

Ding, Ding Düng Düng – Ding, Ding, Ding,<br />

Düng, Düng, Ding, Ding, Ding Düng<br />

Düng.»<br />

Danach wird die Platte mit «Groovy»<br />

fast schon ein wenig Erasure-haft, bevor<br />

sie dann komplett in einen<br />

Club-Soundtrack umbricht, deep<br />

und trancig.<br />

«Sad Robot World» bremst<br />

die Platte mit einem an Falcos<br />

«Jeannie» erinnernden Beat und<br />

Konsolen-Geräuschen <strong>im</strong> Hintergrund<br />

sachte ab, der Mood so<br />

eher 10cc, «I’m not in love».<br />

Eighties-housig, man denke:<br />

«Theme from S Express», wird›s<br />

dann zum Abschluss der Platte mit<br />

«Into thin Air». Dünne Luft. Was allerdings<br />

definitiv nicht für die Platte<br />

gilt. Fans werden das neue Album lieben,<br />

die anderen werden den Albumrelease<br />

wohl gar nicht mitbekommen. Das Album<br />

ist seit 1. <strong>April</strong> erhältlich.<br />

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MASSAGEKURS<br />

FÜR MÄNNER<br />

4 Freitag-Abende<br />

in Zürich<br />

1. / 8. / 15. / 22. <strong>April</strong> 2016<br />

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CRUISER APRIL 2016


20<br />

Serie<br />

Mannsbild – Berufsbild<br />

Einst wollte er<br />

Pfarrer werden<br />

Christoph Stuehn ist ein Macher auf der ganzen Linie. Wirtschaftliches<br />

Denken vereint er mit seiner Liebe zu Kunst, Kultur und Geist. Der 41-Jährige<br />

wirft einen Blick auf seine Karriere, spricht über Begegnungen, Hobbys<br />

und vermeintliche Klischees.<br />

VON andreas Faessler<br />

E<br />

s gibt Berufsleute, die scheinen ein<br />

Händchen dafür zu haben, stets zum<br />

richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort<br />

zu sein. Oder vielleicht tun sie einfach intuitiv<br />

das Richtige. Manche haben hingegen<br />

einfach auch Glück. Was auch <strong>im</strong>mer bei<br />

Christoph Stuehn mitgespielt hat in seiner<br />

Karriere – irgendwie lief es fast <strong>im</strong>mer rund.<br />

Aktuell ist der 41-Jährige quasi Herr über<br />

das audiovisuelle Kulturerbe der Schweiz:<br />

als Direktor von Memoriav. Der 1995 gegründete<br />

Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

den unermesslichen Schatz aus historischem<br />

Filmmaterial, Fotografien und<br />

Tondokumenten unseres Landes zu erschliessen,<br />

zu erhalten und zugänglich zu machen.<br />

Mit Herzblut und Leidenschaft hat Stuehn<br />

die Arbeit von Memoriav in den letzten Jahren<br />

vorangetrieben. «Denn erstens ist die<br />

nachhaltige Arbeit, welche Memoriav leistet,<br />

von grosser Bedeutung, auch wenn sie eher<br />

<strong>im</strong> Stillen geschieht. Und zweitens verbirgt<br />

sich hier ein Teil unserer Kulturgeschichte.»<br />

Dass diese von grossem öffentlichen Interesse<br />

ist, zeigte sich auf eindrucksvolle Weise,<br />

als Stuehn auf dem Berner Bundesplatz drei<br />

alte Schweizer Filme von 1964 neu aufführen<br />

liess. Die Resonanz war riesig.<br />

Wenn der Deutsch-Schweizer Doppelbürger<br />

ein Ziel vor Augen hat, dann setzt er<br />

alles daran, dieses zu erreichen. Der gelernte<br />

Bankkaufmann und HSG-Absolvent versteht<br />

es, die beiden auf den ersten Blick völlig<br />

gegensätzlichen Bereiche Kultur und Wirtschaft<br />

geschickt zusammenzuführen. «Ich<br />

sehe mich mehr als Unterstützer der Kultur<br />

und nicht etwa als Künstler», sagt er. «Kultur<br />

braucht Überzeugungsarbeit. Und ich<br />

habe mich schon <strong>im</strong>mer leidenschaftlich für<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

das eingesetzt, was mir wichtig ist.» Obwohl<br />

er als Bub am liebsten Bankdirektor – und<br />

eine Zeit lang sogar Pfarrer – werden wollte,<br />

faszinierten ihn Kunst und Kultur schon<br />

früh, er lernte Geige, die er noch heute regelmässig<br />

auf ansehnlichem Niveau spielt. Sein<br />

Instrument ist das wichtigste «Kunstwerk»,<br />

das er bei sich zu Hause stehen hat. «Und<br />

mein Sofa», schiebt er augenzwinkernd<br />

nach. Mit Kunstobjekten zu Hause habe er<br />

etwas Nachholbedarf, spätestens wenn er<br />

sich in absehbarer Zeit eine neue, grössere<br />

Wohnung suche. Angesprochen auf das Klischee,<br />

dass der Kulturbereich per se ein «typisch<br />

schwules» Berufsumfeld sei, winkt<br />

Stuehn ab. «Es gibt schon Bereiche in der<br />

Kultur, wo das zutreffen mag.» Er führt Ballett<br />

und Musical als Beispiele an. Auf dem<br />

Gebiet von Theater und Museum jedoch<br />

eher weniger. «Ich habe meine Jobs jedenfalls<br />

nicht nach dieser ‹Gesetzmässigkeit›<br />

ausgesucht», sagt er lachend.<br />

Vernetzung ist das A und O<br />

Der eloquente Kulturmann, der sich <strong>im</strong> gepflegten<br />

«smart casual»-Look am wohlsten<br />

fühlt, lässt seine Jobs Revue passieren. Die<br />

erste grosse Weichenstellung erfolgte 2001,<br />

als Stuehn stellvertretender kaufmännischer<br />

Direktor des Schauspielhauses Zürich wurde.<br />

«Das war ein wahrer Glücksfall für mich. Der<br />

direkte Bezug zur Kunst als solche ergänzte<br />

den kaufmännischen Charakter meines Jobs<br />

am Schauspielhaus», sagt er mit einem sichtbaren<br />

Anflug von Nostalgie. Tür und Tor<br />

standen ihm jetzt besonders weit offen für<br />

Vernetzungen und Kontakte, «was in diesem<br />

Berufsfeld von besonderer Bedeutung ist»,<br />

wie er meint. So verhalf ihm nicht zuletzt die<br />

gute Bekanntschaft mit Max Wiener, dem damaligen<br />

Präsidenten der Freunde des Schauspielhauses,<br />

zu wichtigen Begegnungen.<br />

Christoph Stuehn entwickelte schnell<br />

den Riecher, wie er Menschen für die Kunst<br />

erwärmen konnte.. Nicht zuletzt dürfte ihm<br />

hier auch seine einnehmende und sympathische<br />

Art zugespielt haben sowie die persönliche<br />

Ausgeglichenheit, welche er stets ausstrahlt.<br />

Was könnte einen wie ihn überhaupt<br />

aus dem Konzept bringen? «Unzuverlässigkeit<br />

und Illoyalität», sagt er. Damit könnte<br />

man es sich selbst mit ihm verscherzen.<br />

Ein «Befreiungsschlag»<br />

So fruchtbar Stuehns Arbeit am Schauspielhaus<br />

war, so intensiv war sie. Nach einer<br />

kurzen Berufspause erhielt er einen Posten<br />

in der Direktion des Schweizer Nationalmuseums.<br />

Es war die zweite Zusammenarbeit<br />

mit Direktor Andreas Spillmann. Stuehn<br />

fand sich in einer neuen und doch vertrauten<br />

Welt wieder: «Von nun an erzählten nicht<br />

mehr die Menschen auf der Bühne die Geschichten,<br />

sondern die Objekte in den Ausstellungen.»<br />

Auch hier war er sofort in die<br />

Prozesse eingebunden. «Die Mitarbeit bei<br />

der Planung der Erweiterung des Landesmuseums<br />

war eine besonders grosse Herausforderung.»<br />

Ihm fällt spontan eine delikate<br />

Begegnung ein, als er für das «Objekt des<br />

Monats» Roger Federers ersten Grand Slam<br />

Pokal in die Ausstellung holen wollte. Flugs<br />

eine Mail an den Tennisstar geschrieben, da<br />

klingelte auch schon das Telefon: «Grüezi, da<br />

isch der Röbi Federer …» Rogers Vater hat<br />

sich gleich persönlich darum gekümmert.<br />

«Wenige Tage später haben wir uns getroffen,<br />

und er hat mir die Trophäe übergeben –


Serie<br />

Mannsbild – Berufsbild<br />

21<br />

in einer Migrostüte!». Und am Ende von<br />

Stuehns fünfjähriger Tätigkeit am Museum<br />

sollte Micheline Calmy-Rey seinen nächsten<br />

Schritt beeinflussen: Für einen Anlass <strong>im</strong><br />

Landesmuseum holte er die damalige Bundesrätin<br />

am Hauptbahnhof ab. «Da merkte<br />

ich schneller als mir lieb war, dass es um<br />

meine Französischkenntnisse nicht besonders<br />

rosig stand.» Die folgende Auszeit nutzte<br />

er drum kurzerhand für einen längeren<br />

Sprachaufenthalt in Paris. «Das war wie ein<br />

Befreiungsschlag für mich.» Habe er doch<br />

seit seiner Jugend praktisch <strong>im</strong>mer gearbeitet,<br />

und sei es lediglich ein Ferienjob gewesen.<br />

«Zum ersten Mal war mein Kopf absolut<br />

frei von Verpflichtungen.»<br />

Zum ersten Mal allein an der Spitze<br />

Wieder zurück <strong>im</strong> «normalen» Leben, bewarb<br />

sich Christoph Stuehn für die Direktionsstelle<br />

bei Memoriav – und auch das gelang.<br />

Und wie zuvor schafft es der 41-Jährige<br />

auch bei diesen bisher eher <strong>im</strong> Stillen abgelaufenen<br />

Tätigkeiten des Vereins, aktiv die<br />

Brücke zur Öffentlichkeit zu schlagen. Faktisch<br />

hat er ja seit jeher Vermittlungsarbeit<br />

geleistet, mit viel Empathie. Neu ist für ihn<br />

jetzt, dass er erstmals ganz allein an der Spitze<br />

einer Organisation steht. «Da ist nun halt<br />

keiner mehr, der auffängt, wenn etwas schief<br />

laufen sollte», so Stuehn. «Aber dadurch<br />

lerne ich besonders viel dazu.»<br />

Nach wie vor hängt der Erfolg seiner<br />

Arbeit stark von einem aktiven Networking<br />

ab. «Ohne den Austausch und die nötige<br />

Vermittlungsarbeit funktioniert’s nicht»,<br />

betont Stuehn, dessen Vernetzung zunehmend<br />

bis ins Bundeshaus reicht. «Das ermöglicht<br />

es mir, als eine Art Botschafter für<br />

die Kultur einzutreten.» Und er will dabei<br />

keinesfalls eine elitäre Schiene fahren. Denn<br />

seien es schillernde Berühmtheiten mit Rang<br />

und Namen auf der Bühne oder ein folkloristischer<br />

Landbrauch – für ihn sind alte<br />

Traditionen genauso wichtig und identitätsstiftend<br />

wie etwa eine hochstehende städtische<br />

Kultur- und Kunstszene.<br />

Privat, Beruf – der Unterschied ist<br />

nicht gross<br />

Christoph Stuehn – ein zielstrebiger, leidenschaftlicher<br />

und erfolgreicher Berufsmensch.<br />

Geht das nicht auf Kosten des Privatlebens?<br />

«Ich habe den Vorteil, dass sich<br />

meine persönlichen Interessen sehr stark in<br />

meinem Beruf wiederfinden. Das gibt mir<br />

kaum das Gefühl, dass mein Job zu viel von<br />

meinem Leben einn<strong>im</strong>mt.» Langeweile ist<br />

ihm ein Fremdwort, und Zeit für private und<br />

ehrenamtliche Tätigkeiten bleiben ihm genug:<br />

Wenn er grad nicht als Vorstand der<br />

Aids-Hilfe Schweiz beschäftigt ist oder Sport<br />

treibt, trifft man ihn ab und zu in Zürcher<br />

Clubs am DJ-Pult auflegend. Oder bei kleineren<br />

privaten Musikprojekten und an Konzerten<br />

wie demnächst wieder in seiner alten<br />

He<strong>im</strong>at Baden-Baden, wo er an einem Orchesterkonzert<br />

Geige spielt.<br />

Einzig l’amour hat bei Christoph<br />

Stuehn noch Potenzial. Er hat allerdings nur<br />

selten den Eindruck, dass ihm eine Partnerschaft<br />

fürs Leben fehlt, was nicht heisst, dass<br />

sich das früher oder später nicht ändern<br />

könnte. Und wenn «er» dann doch mal in<br />

sein Leben tritt? «So soll es einer sein, der<br />

damit umgehen kann, dass ich ab und zu<br />

nicht ganz ungern <strong>im</strong> Mittelpunkt stehe und<br />

ein sehr extrovertierter, sozialer und aktiver<br />

Mensch bin. Ein Mann, der mich <strong>im</strong>mer<br />

wieder inspiriert, überrascht – und der mich<br />

gleichzeitig auch mittel- und langfristig<br />

emotionell aushalten kann.»<br />

Hast auch du einen spannenden<br />

Beruf?<br />

Melde dich bei uns!<br />

redaktion@cruisermagazin.ch<br />

CRUISER APRIL 2016


22<br />

KOLUMNE<br />

MICHI RÜEGG<br />

Gesplittete<br />

Ehegatten<br />

Auch hippe Menschen können den Bund fürs Leben eingehen, ohne<br />

dabei ihren Glamour einzubüssen. Dies beweist das hier transkribierte<br />

Telefongespräch zwischen Michi Rüegg und seinem Freund.<br />

VON Michi Rüegg<br />

Ich: Schatzi, die in Bern wollen die Individualbesteuerung<br />

einführen.<br />

Er: Aha.<br />

Ich: Du weisst schon, das mit dem Ehegattensplitting.<br />

Er: Soso.<br />

Ich: Deshalb dachte ich, also … willst du<br />

mich heiraten?<br />

Er: Du, <strong>im</strong> Moment bin ich mit den Gedanken<br />

grad ganz woanders.<br />

Ich: Wo denn?<br />

Er: Be<strong>im</strong> morgigen Abendessen.<br />

Ich: Weil du kochen sollst?<br />

Er: Ja.<br />

Ich: Ich hab wirklich keine Zeit, du weisst,<br />

ich muss die Mieze zu meinen Eltern bringen,<br />

bevor ich in die Skiferien fahre.<br />

Er: Eben.<br />

Ich: Was meinst du mit eben.<br />

Er: Nichts. Schon gut.<br />

Ich: Du weisst, du hättest gern mitkommen<br />

können. Aber du wolltest ja nicht, weil du<br />

Skifahren blöd findest. Winter und Skifahren<br />

gehören nun einmal zusammen.<br />

Er: Hackbraten.<br />

Ich: Wie?<br />

Er: Ich könnte Hackbraten machen.<br />

Ich: Das wär fein, dann machen wir eine Flasche<br />

Bordeaux dazu auf.<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

Er: Vielleicht ist das zu viel, Hackbraten.<br />

Ich: Du könntest einen kleinen Hackbraten<br />

machen. Oder einen normalen und den Rest<br />

am Wochenende essen.<br />

Er: Ja.<br />

Ich: Und Kartoffelstock dazu.<br />

Er: Du willst eine Stärkebeilage? Aber meine<br />

Hüften!<br />

Ich: Kartoffelstock und Hackbraten gehören<br />

nun einmal zusammen, die kann man nicht<br />

trennen. Du musst nur Kartoffeln kaufen,<br />

Butter hab ich noch genug.<br />

Er: Um H<strong>im</strong>mels willen, Butter!?<br />

Ich: Ja, Butter und Kartoffeln gehören <strong>im</strong><br />

Kartoffelstock zusammen. Mehlig kochende.<br />

Er: Ich bin aber nicht vor neun bei dir.<br />

Ich: Wir können ja später essen. Hauptsache<br />

wir essen zusammen.<br />

Er: Ich muss ja noch extra einkaufen.<br />

Ich: Ja. Einkaufen und Kochen, das gehört<br />

irgendwie zusammen.<br />

Er: Mir kommt das <strong>im</strong> Moment alles etwas<br />

ungelegen.<br />

Ich: Das Einkaufen und das Kochen?<br />

Er: Nein, das Heiraten.<br />

Ich: Es muss ja nicht unbedingt heute sein.<br />

Er: Wenn du jetzt auch noch sagst, dass du<br />

Sauce willst, fang ich an zu schreien.<br />

Ich: Sauce und Hackbraten gehören irgendwie<br />

zusammen.<br />

Er:Wenn du unbedingt willst, können wir<br />

heiraten.<br />

Ich: Dann stell noch eine Flasche Champagner<br />

kalt. Heiraten und Champagner gehören<br />

definitiv zusammen!<br />

Er: Ich will aber nicht bei dir einziehen.<br />

Ich: Um Gottes willen, nein! Ich doch auch<br />

nicht. Am Ende benehmen wir uns noch<br />

wie ein altes Ehepaar. Schliesslich sind wir<br />

schwul und müssen nicht auf die ganze<br />

Welt wie die grössten fucking Oberbünzlis<br />

wirken.<br />

Er: Ja, das passt nicht zu uns.<br />

Ich: Nein.<br />

Er: Dann ist ja gut. Heiraten ja, zusammenziehen<br />

nein. Hackbraten und Kartoffelstock<br />

wohnen auch nicht zusammen. Sie teilen sich<br />

nur einen Teller.<br />

Ich: Ich bin froh, dass wir das geklärt haben.<br />

Also nicht vergessen, Champagner<br />

kalt stellen, Fleisch und Kartoffeln kaufen,<br />

Butter ist <strong>im</strong> Kühlschrank, die Katze geht<br />

zu meinen Eltern, du kannst am Wochenende<br />

die Reste essen. Und bitte vergiss<br />

nicht, deine zwei Paar Unterhosen nach<br />

Hause zu nehmen, ich hab sie gewaschen<br />

und gebügelt.


Ich suche nicht irgendwen,<br />

daher suche ich auch nicht irgendwo.<br />

23<br />

CRUISER APRIL 2016


24<br />

Reportage<br />

Baselworld<br />

Viel Bling Bling und<br />

noch mehr Glamour<br />

In Basel herrschte während der Baselworld der Ausnahmezustand. <strong>Cruiser</strong><br />

düste hin und checkte, ob an der grössten Uhren- und Schmuckmesse die<br />

LGBT-Community als (kaufkräftige) Zielgruppe wahrgenommen wurde.<br />

Selfie-T<strong>im</strong>e bei Armani.<br />

Installation von Casio.<br />

VON Haymo Empl<br />

D<br />

ie Baselworld ist für die globale Uhren-<br />

und Schmuckindustrie eine unverzichtbare<br />

Messe, auf der alle relevanten<br />

Trends gesetzt werden. 1500 der<br />

weltweit bekanntesten Marken, welche das<br />

gesamte Spektrum der Branche – Uhren,<br />

Schmuck, Diamanten, Edelsteine und Perlen<br />

sowie Maschinen und Zubehör – repräsentieren,<br />

trafen in Basel mit namhaften Käufern<br />

und der Weltpresse zusammen. Gemeinsam<br />

fühlten sie den Puls der Branche,<br />

feierten die Präsentationen neuer Kollektionen<br />

und erlebten live die Markteinführung<br />

zukunftsweisender Innovationen und Entwicklungen.<br />

Soweit so gut. Viel Bling-Bling,<br />

massiv Pomp und Trallalla – gemäss Klischee<br />

müsste es also von Gays an der Messe<br />

nur so w<strong>im</strong>meln. Immerhin war der Event<br />

die Bühne für über 145 000 Teilnehmer zu<br />

denen die Aussteller, Käufer und Besucher,<br />

sowie Journalisten aus mehr als 100 Ländern<br />

gehörten. Tatsächlich: <strong>Cruiser</strong>- Redak-<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

tor Andi E. (wohnt in Basel) stellte fest, dass<br />

in den Clubs «erhöhtes Fremdaufkommen»<br />

gesichtet wurde. Aber an der Messe? Fremdaufkommen<br />

ja, aber wenig bis gar nichts aus<br />

der LGBT-Gemeinschaft. Diesbezüglich also<br />

totale Fehlanzeige. Keine LGBT-Spezielles<br />

für entsprechende Trauungen, nichts spezielles<br />

für den Liebsten oder die Liebste. Für<br />

die Heteros gab es <strong>im</strong>merhin «sie-» und «er-»<br />

Uhren. Wohl war da eine Etage, bzw. Halle<br />

«Stones & Jewellery», diese war auch wunderhübsch<br />

für die Irina Bellers dieser Welt<br />

und den galanten, älteren Herrn, aber irgendetwas<br />

Spezifisches für gleichgeschlechtliche<br />

Paare war nicht zu entdecken. Vielleicht<br />

ist das fantasielos oder gar ignorant,<br />

vielleicht aber auch ein gutes Omen. Denn je<br />

nach Perspektive wird die LGBT-Community<br />

an der Baselworld als «gleichberechtigt»<br />

angesehen oder – was nicht zu hoffen ist –<br />

komplett ignoriert. So oder so: Es war ein<br />

einzigartiges optisches Spektakel, und die<br />

Privatbesucher nutzten die Messe für (nervige)<br />

Selfies. Die Standbauten waren kreativ,<br />

schräg, schön und verblüffend – was notabene<br />

für noch mehr Selfies sorgte.<br />

«Die Baselworld ist essenziell für die<br />

Uhrenbranche», erklärte Philippe Mougenot,<br />

Präsident der Chanel Horlogerie-Joaillerie<br />

an der Pressekonferenz. Und weiter:<br />

«Jahr für Jahr gibt uns dieses Ereignis die<br />

unvergleichliche Gelegenheit, unsere Kreativität<br />

und unser Know-how vor einem qualifizierten<br />

Publikum internationaler Meinungsführer<br />

und bedeutender Uhrenhändler<br />

zu präsentieren.» Nun denn – hoffen wir,<br />

dass Monsieur Philippe Mougenot mit diesem<br />

Statement die LGBT-Community ebenfalls<br />

zu den «internationalen MeinungsführerInnen»<br />

zählt.<br />

DIE NÄCHSTE BASELWORLD<br />

findet vom 23. bis 30. März 2017 statt.


25<br />

Im <strong>April</strong> Risiken vermeiden,<br />

<strong>im</strong> Mai zum HIV-Test.<br />

Im <strong>April</strong> konsequent RISIKEN VERMEIDEN.<br />

Warum? Um die Anzahl der HIV-Neuinfektionen zu senken. Damit der Sex für uns alle sicherer wird.<br />

«Break the Chains» macht’s möglich.<br />

breakthechains.ch<br />

CRUISER APRIL 2016


26<br />

KOLUMNE<br />

Thommen meint<br />

Auferstehen als geschlechtsloses<br />

Wesen?<br />

Ich traf mich kürzlich mit einem jungen Schwulen mit musl<strong>im</strong>ischen Wurzeln in<br />

Zürich <strong>im</strong> Café auf dem Sechseläuten-Platz. Wir diskutierten über «Bilder in<br />

Köpfen» ( ➔ Du sollst dir kein Bildnis machen …), sogenannten Icons, oder wie<br />

bei den Orthodoxen die Ikonen. Schon <strong>im</strong>mer habe ich die Gleichnisbilder aus<br />

dem Neuen Testament geliebt.<br />

VON PETER THOMMEN<br />

D<br />

er H<strong>im</strong>mel hatte sich an diesem späten<br />

Nachmittag aufgetan und die<br />

Sonne brach durch, während wir bei<br />

einem Kaffee sassen. Er erzählte von den<br />

Mundschenken <strong>im</strong> Koran und ich vom Harfenspieler<br />

David, der seinen König Saul aufheitern<br />

musste. Beide Funktionen waren vor<br />

allem an Königshöfen institutionalisiert.<br />

Diese jungen Männer kümmerten sich um<br />

Getränke und den Wein <strong>im</strong> Keller.<br />

Beide Icons sind in Symbollexikonen<br />

oder gar <strong>im</strong> Internet nicht näher beschrieben.<br />

Jedenfalls standen diese Jungs in einer<br />

vertraulichen Beziehung zu ihrem Dienstherrn.<br />

Denn von ihrer Sorgfalt hing das Leben<br />

dieser Männer ab. Mundschenken sind<br />

<strong>im</strong> koranischen H<strong>im</strong>mel für Musl<strong>im</strong>e vorhanden<br />

und die Harfenspieler nicht nur <strong>im</strong><br />

H<strong>im</strong>mel bayerischer Katholiken, wo sie Halleluja<br />

spielen sollen.<br />

Hinter diesen Bildern gibt es aber noch<br />

andere Projektionen, die ebenso wichtig sind<br />

wie die bisher beschriebenen: Der Mundschenk<br />

leistete oft auch sexuelle oder Liebesdienste,<br />

wie auf antiken Vasen zu sehen ist.<br />

Und der Harfenspieler aus jener Zeit ist auch<br />

als Liebesdiener für Männer <strong>im</strong> Orient dargestellt<br />

worden. Durch die rosa Brille sichtbar,<br />

sozusagen.<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

Vor ein paar Tagen hatte ich abends<br />

<strong>im</strong> L39 eine intensive Diskussion mit zwei<br />

jungen Schwulen mit baslerischen Wurzeln.<br />

Diese verwendeten dabei ebenfalls<br />

«Bilder»! Diese Icons sind sehr modern<br />

(«gendermässig»), wie «Buchstabenleute»*<br />

sagen würden. Sie sind aber auch uralt,<br />

wenn wir in die Geschichte der Sexualkulturen<br />

hinabsteigen. Ich habe in einem Buch<br />

von 1903/10 die Fotografie eines Männerpaares,<br />

dargestellt als bürgerlicher Mann<br />

und Frau jener Zeit gefunden.<br />

«Der Mundschenk leistete<br />

oft auch sexuelle oder<br />

Liebesdienste, wie auf<br />

antiken Vasen zu sehen ist.»<br />

LondonJames (Lifestyleberater, 30) benutzt<br />

dieses Icon in neuzeitlicher Form: Er<br />

glaubt, «wenn in den Akten steht ‹verheiratet›»<br />

– dann brauche es nirgendwo mehr ein<br />

Coming out – weder am Arbeitsplatz noch<br />

sonstwo. Er hat natürlich ein anderes, vergangenes<br />

Icon nicht mehr kennengelernt:<br />

Die Pflicht für verlobte Paare, dies am Gemeindehaus<br />

offiziell anschreiben zu lassen,<br />

damit jedeR seine Einwände gegen eine Heirat<br />

vorher anmelden konnte.<br />

Die modernen Icons versuchen, Bilder<br />

zu kreieren, die unsere Wünsche auferstehen<br />

lassen, nach Gleichberechtigung und gleichen<br />

Rechten. Aber wo bleiben die Pflichten?<br />

Darüber werden keine Icons herumgeboten<br />

in den Medien. Es sei ja schliesslich egal<br />

(gleich), wer was sei und welche er Organe er<br />

habe. Hauptsache, die Liebe sei in Ordnung.<br />

Amen.<br />

Letztlich fl<strong>im</strong>mert der Traum von Geschlechtslosigkeit<br />

durch den gesellschaftlichen<br />

Nebel. Da wird dann nur umarmt und<br />

geküsst und Händchen gehalten, wie ich das<br />

von Jugendbüchern weiss, die von Frauen<br />

für schwule Jungs geschrieben worden sind.<br />

Wenn ich aber ins Internet gehe und<br />

mich umschaue, dann ist von alledem nicht<br />

die Rede und die Icons sind klare und unvernebelte<br />

Bilder – wenistens was die Männer<br />

betrifft. Und LondonJames vergisst, dass in<br />

den Akten <strong>im</strong>mer auch der Ehepartner angegeben<br />

ist – mit seiner Geschlechtsangabe.<br />

Und öffentlich homosexuell geheiratet wird<br />

auch nicht «ohne Unterleib», um ein anderes<br />

Icon zu gebrauchen.<br />

Der «auferstandene» Jesus ist vorher<br />

auch nicht ohne Leib am Kreuze gehangen.<br />

Und er musste allerhand Diskr<strong>im</strong>inierungen<br />

bis zu seinem coming out über sich ergehen<br />

lassen. Mann, denke darüber nach!<br />

Welche Wünsche und Icons mögen die<br />

Männer haben, welche zwar vom schwulen<br />

Honig naschen, aber alle die Unannehmlichkeiten,<br />

die noch heute damit verknüpft<br />

sind, ins Nirwana verdrängen oder sich ersparen<br />

wollen? Ablegen von Geschlechtlichkeit?<br />

Es gab schon in früheren Jahrhunderten<br />

Geistliche, die sich ihre Glieder<br />

abgeschnitten haben, nur um endlich ihr<br />

Problem loszuwerden. Das geht doch wohl<br />

nicht wieder von neuem los, oder?!<br />

* LGBTIAQQL...


SPECIAL<br />

CH-Eurovisions-Flops<br />

27<br />

Schweizer Käse – die grössten<br />

Eurovisions-Flops<br />

aus Helevetia<br />

Vor allem seit der Ost-Erweiterung des Song<br />

Contests mit deutlich mehr teilnehmenden Ländern,<br />

ist die Schweiz nicht gerade arm an Misserfolgen.<br />

VON Thomas Borgmann<br />

K<br />

onnte sich die Schweiz in den ersten<br />

dreieinhalb Jahrzehnten des Grand<br />

Prix d’Eurovision de la Chanson mit<br />

zwei ersten und jeweils drei zweiten und<br />

dritten Plätzen mehrmals recht erfolgreich<br />

positionieren, lässt die Bilanz seit den 1990er<br />

Jahren eher zu wünschen übrig.<br />

Bis 1994 war die Schweiz neben<br />

Deutschland das einzige Land, das seit dem<br />

ersten ausgetragenen Song Contest <strong>im</strong> Jahr<br />

1956 an jedem Wettbewerb teilgenommen<br />

hatte. Dann jedoch sorgte das neue Reglement<br />

dafür, dass die Eidgenossen von 1995<br />

bis 2003 wegen schlechter Vorjahresergebnisse<br />

viermal nicht antreten durften. Seit<br />

2004 müssen sich die meisten Länder in einer<br />

Vorrunde für das Finale qualifizieren. In<br />

diesen zwölf Jahren hat die Schweiz die<br />

End-Ausscheidung acht Mal nicht erreicht,<br />

und von den vier Final-Qualifikationen<br />

knackte sie auch nur 2005 einmalig die Top-<br />

Ten auf der Wertungstafel.<br />

Welches Lied führt nun den Spitzenplatz<br />

bei den schlechtesten Schweizer Beiträgen<br />

an? Das ist gar nicht so leicht zu sagen.<br />

Sechs Mal kam die Schweiz <strong>im</strong> Finale auf<br />

den letzten Platz, davon vier Mal mit null<br />

Punkten. Allerdings ist eine Nullnummer in<br />

den Jahren 1964 (Anita Traversi mit «I miei<br />

pensieri») und 1967 (Géraldine: «Quel coeur<br />

vas-tu briser?») bei nur 16, beziehungsweise<br />

17 Teilnehmern nicht zu vergleichen mit null<br />

Punkten, die Gunvor Guggisberg 1998 mit<br />

ihrem Lied «Lass ihn» bei 25 Konkurrenten<br />

erntete. Bei der Jurywertung in den 60er-Jahren<br />

waren null Punkte keine Seltenheit. Seit<br />

1997 wird in den Ländern, in denen das ➔<br />

Tragischste Teilnehmerin des Jahrgangs 1998. Nach einem vorangegangenen Shitstorm <strong>im</strong><br />

he<strong>im</strong>ischen Boulevard landete Gunvor mit «Lass ihn» in Birmingham auf den letzten Platz.<br />

CRUISER APRIL 2016


28<br />

SPECIAL<br />

CH-Eurovisions-Flops<br />

Waren technische Probleme mit den Mikros schuld? Nur zwei Punkte erntete Michael von der<br />

Heide 2010 mit seiner eurovisionstauglichen Pop-Hymne «Il pleut de l’or» in der Vorrunde.<br />

Weniger Punkte gehen nicht. Mit «zero<br />

points» belegte Piero Esteriore 2004 den<br />

letzten Platz des Semifinales.<br />

Telefonnetz das ermöglichte, das Ted-System<br />

mit Zuschauer-Voting genutzt. Damit,<br />

und auch durch die grössere Zahl der teilnehmenden<br />

Länder ist die Wahrscheinlichkeit<br />

deutlich größer geworden, zumindest<br />

einen einzigen Punkt zu ergattern. Und sind<br />

zwei Punkte, die etwa Michael von der Heide<br />

2010 mit seinem Golden-Shower-Song «Il<br />

pleut de l’or» <strong>im</strong> Halbfinale erreichte, höher<br />

zu bewerten als null Punkte <strong>im</strong> Finale? Legt<br />

man nur die Punktezahl zugrunde, bilden<br />

Piero Esteriore und seine MusicStars zweifellos<br />

das Schlusslicht aller bisherigen 56<br />

Schweizer Beiträge. Mit seinem «Celebrate»<br />

konnte der gelernte Coiffeur 2004 nicht mal<br />

<strong>im</strong> Halbfinale einen einzigen Punkt feiern.<br />

Immerhin wurde sein Abschneiden als Slogan<br />

«Switzerland – zero points» in der<br />

Schweiz zum Satz des Jahres gekürt, und<br />

sein Lied konnte gleichwohl Platz 11 der<br />

Schweizer Charts erreichen.<br />

Mit dem damals 95-jährigen Emil Ramsauer brachte Takasa 2013 den ältesten Teilnehmer<br />

aller Zeiten auf die Bühne des ESC. Genutzt hat es der Heilsarmee trotzdem nicht. Ihr Lied<br />

«You and Me» kam nicht über das Halbfinale hinaus.<br />

Polarisierende Heilsbringer<br />

Den kontroversesten Beitrag schickte<br />

die Schweiz 2013 mit der Heilsarmee ins<br />

Rennen, die sich für den Wettbewerb Takasa<br />

nannte. Schwulen- und Lesben-Verbände<br />

riefen zum St<strong>im</strong>menboykott gegen die singenden<br />

Vertreter der als homophob eingestuften<br />

Heilsarmee auf, unter anderem wegen<br />

der Entlassung einer offen lesbischen<br />

Mitarbeiterin der Organisation durch die<br />

evangelikale Missionskirche. Gleichwohl<br />

positionierte das reine Televoting der Zuschauer<br />

die singenden Heilsbringer auf den<br />

fünften Platz der Vorrunde, womit es die<br />

Schweiz leicht ins Finale geschafft hätte. Das<br />

aber wurde durch die Wertungen der Jurys<br />

verhindert, durch die das Lied schließlich<br />

auf Platz 13 <strong>im</strong> Halbfinale hängenblieb. Gemunkelt<br />

wurde, dass die ungewöhnlich hohe<br />

Bewertung <strong>im</strong> Televoting durch die Mobilisierung<br />

von Mitgliedern der Heilsarmee in<br />

allen Ländern Europas zustande kam.<br />

Mitunter wird moniert, dass die<br />

Schweiz auch deshalb so schlecht abschneidet,<br />

weil sie als neutrales Land keine Freundschaftspunkte<br />

geschenkt bekommt, wie es<br />

etwa den Skandinaviern, den aus der Sowjetunion<br />

hervorgegangenen Staaten oder Griechenland<br />

und Zypern vergönnt sein soll.<br />

Hier könnte vielleicht eine Teilnahme Liechtensteins<br />

Abhilfe schaffen. Das Fürstentum<br />

ist neben dem Vatikan der einzige unumstrittene<br />

unabhängige europäische Staat, der<br />

noch nie am Eurovision Song Contest teilgenommen<br />

hat. Überlegt wird eine Teilnahme<br />

schon seit Jahrzehnten, 1976 war mit Biggi<br />

Bachmann und dem Lied «My little Cowboy»<br />

sogar schon einmal eine Vertreterin<br />

nominiert. Ihre Teilnahme scheiterte aber<br />

damals wie heute an einer fehlenden Mitgliedschaft<br />

eines Liechtensteiner Senders in<br />

der Europäischen Rundfunkunion (EBU).<br />

So kommen wir vielleicht doch nicht umhin,<br />

mit mehr Mut zum Ungewöhnlichen und<br />

Originellen das bisherige Mittelmass vieler<br />

Schweizer Beiträge einmal zu verlassen.<br />

CRUISER APRIL 2016


KOLUMNE<br />

PIA SPATZ<br />

29<br />

Pia und die<br />

Frühlingsgefühle<br />

Mit Siebenmeilen-Stiefeletten schreitet Pia<br />

frohen Mutes voran, dabei steht sie auf Gummi<br />

und bevorzugt ausschliesslich reale Superkräfte.<br />

VON PIA SPATZ<br />

I<br />

hr Lieben, mitten <strong>im</strong> <strong>April</strong> angekommen,<br />

fühle ich mich wie einst Bette Midler – ich<br />

spüre den Wind unter meinen Flügeln.<br />

Oder ist es am Ende der sanfte Hauch des<br />

Frühlings unter meinen Rock? Egal, Hauptsache<br />

es tut sich was! Denn vor einem Monat<br />

sah ich mich mit einem unschönen Rückschritt<br />

in Sachen Gay-Rechte konfrontiert:<br />

Die Ehe nur für «Mann und Frau» <strong>im</strong> Kleingedruckten<br />

durchzuschummeln, so wie es die<br />

CVP wollte, war ein Affront – und scheiterte<br />

an der Urne. Das knappe Volksmehr bewies,<br />

dass wirklich jede St<strong>im</strong>me zählt. Das macht<br />

doch ordentlich Dampf bei faulen St<strong>im</strong>mbürgern,<br />

nicht? Logisch, schreite ich nun zusammen<br />

mit einer Armada an Gleichgesinnten in<br />

Siebenmeilen-Stiefeletten voran, um die «Ehe<br />

für Alle» in der Verfassung zu verankern.<br />

Noch gibt es viel zu tun, aber: «Gemeinsam<br />

weiter» zählt auch jetzt! Einsame Schlusslichter<br />

können einpacken.<br />

Eine willkommene Motivation, die<br />

auch für andere Ziele eingesetzt werden<br />

kann. Bei mir etwa dreht sich derzeit alles<br />

um Gummi: Die Kampagne «Break the<br />

Chains» befindet sich in der heissen Phase.<br />

Damit der Kampf gegen HI-Viren auch optisch<br />

was hergibt, fahren ich und meine<br />

Jungs vom Zürcher Checkpoint buntes Geschütz<br />

auf: Wir geben die Superhelden <strong>im</strong><br />

entsprechenden Gummi-Outfit und sind mit<br />

Rat und Tat in der Szene unterwegs. Statt<br />

ganze Städte in Trümmerhaufen zu verwandeln,<br />

setzen wir auf gute Taten. Statt Röntgenblick<br />

gibt’s sattes Wissen – die «Avengers»<br />

stellen wir so locker in den Schatten.<br />

Unser Schlachtruf auf dem Weg zur Rettung<br />

der Welt: safe, safe, safe! St<strong>im</strong>mt mit ein, ihr<br />

Lieben! Selbstverständlich gibt’s auch wieder<br />

tolle Goodies: Gummibärli, Gummibändeli<br />

und natürlich den Gummi an sich!<br />

«Wird <strong>im</strong> Frühling von Ernährung<br />

gesprochen, sind<br />

Gedanken an die Sommer-<br />

Figur blitzschnell präsent.»<br />

Und wenn wir schon aufs Gaspedal treten,<br />

können wir den Vogel gleich abschiessen:<br />

Im «Checkpoint <strong>im</strong> Gespräch»<br />

dreht sich am 21. <strong>April</strong> alles um «Gut essen<br />

und gesund ernähren». Logo, dass die<br />

schwule Gemeinde bei diesem Thema aufhorcht:<br />

Wird <strong>im</strong> Frühling von «Ernährung»<br />

gesprochen, sind Gedanken an die Sommer-Figur<br />

blitzschnell präsent. Aber wir<br />

kratzen nicht an der Oberfläche, sondern<br />

machen uns ernsthaft Gedanken über Nahrungsmittel<br />

– oder was sich alles als solches<br />

bezeichnet. Nährstoffarme Füllstoffe liegen<br />

oft auf dem Teller und tatsächlich werden<br />

wir eher überfuttert als richtig ernährt. Und<br />

weil derzeit vermeintlich jeder Grashalm als<br />

Super-Gemüse angepriesen wird, lohnt sich<br />

ein Kompass <strong>im</strong> hiesigen Schlaraffenland.<br />

Gesundheitstherapeut Geru Pulsinger ist<br />

unser Held der Stunde: Als ganzheitlicher<br />

Ernährungsberater <strong>im</strong> Gesundheitszentrum<br />

«NuYu» stellt er sich euren Fragen zu Speis<br />

und Trank. Getreu seinem Arbeits-Credo<br />

«pur und ehrlich» könnt ihr von Pulsinger<br />

die nackte Wahrheit über gesunde Ernährung,<br />

Detox und Diäten erfahren.<br />

Also ihr Lieben, lasst uns die Frühlingsgefühle<br />

sorgsam und mit Freude geniessen.<br />

Und das eingangs erwähnte Schwulenmami<br />

Bette Midler weiss aus erster<br />

Hand, was diese Jahreszeit bringt, hat sie<br />

doch den Lebenszyklus einer Rose erfolgreich<br />

vertont und verspricht bei opt<strong>im</strong>alem<br />

Saatgut neues Leben.<br />

Ich wünsch euch was, eure Pia.<br />

Gut zu wissen<br />

Checkpoint <strong>im</strong> Gespräch, am 21. <strong>April</strong> <strong>im</strong><br />

Restaurant Bubbles, 18 Uhr (ohne Anmeldung)<br />

CRUISER APRIL 2016


30<br />

RATGEBER<br />

Dr. Gay<br />

Dr. Gay<br />

DR. GAY<br />

Dr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-<br />

Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online<br />

auf www.drgay.ch gestellt. Die Redaktion<br />

druckt die Fragen genau so ab, wie sie<br />

online gestellt werden.<br />

CRUISER APRIL 2016<br />

Offene oder monogame<br />

Beziehung?<br />

Ich habe seit kurzem einen Freund.<br />

Er ist dreissig, also fünfzehn Jahre<br />

jünger als ich. Er ist ein ganz lieber<br />

Mensch, ich mag ihn wirklich sehr.<br />

Das Problem ist nun, dass er strikt<br />

eine treue Beziehung führen will,<br />

ich aber nicht treu sein kann. Auf<br />

Dauer kann und will ich nicht<br />

monogam leben. Soll ich die<br />

Beziehung deshalb beenden? Oder<br />

soll ich, wenn ich mal untreu bin,<br />

ihm nichts davon sagen? Ich<br />

möchte ihn eigentlich nicht verlieren<br />

oder verletzen. Hintergehen<br />

möchte ich ihn auch nicht. Wie<br />

denkst du darüber? Mario (45)<br />

Hallo Mario<br />

Du möchtest deinen Partner nicht verlieren,<br />

ihn nicht verletzen und auch nicht hintergehen.<br />

Das kann ich gut verstehen. Eigentlich<br />

beantwortest du damit deine Fragen schon<br />

selber. Ich rate dir, mit deinem Freund zu reden.<br />

Die offene und ehrliche Kommunikation<br />

ist eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />

in einer gut funktionierenden Partnerschaft.<br />

Es ist sozusagen das Fundament, auf der die<br />

Beziehung aufgebaut wird. Dabei geht es weniger<br />

darum, dass jeder von euch stur auf<br />

seinem Standpunkt beharrt, sondern vielmehr<br />

darum, eine Lösung zu finden, die für<br />

beide st<strong>im</strong>mt. Eine Beziehung bedeutet <strong>im</strong>mer,<br />

auch Kompromisse einzugehen. Man<br />

trifft sich sozusagen in der Mitte. Wo diese<br />

Mitte ist und was für dich oder deinen<br />

Freund in Frage kommt, gilt es in einem<br />

konstruktiven Gespräch herauszufinden.<br />

Wichtig ist, dass ihr ehrlich und aufrichtig<br />

miteinander umgeht. Teilt euch eure Wünsche<br />

und Bedürfnisse möglichst wertfrei mit<br />

und findet einen gemeinsamen Nenner. Das<br />

ist nicht <strong>im</strong>mer ganz einfach und setzt ge-<br />

genseitiges Vertrauen voraus, aber es ist<br />

machbar. Die abgemachten Regeln für eure<br />

Beziehung müssen übrigens nicht in Stein<br />

gemeisselt sein. Denn mit der Zeit können<br />

sich Bedürfnisse ändern. Auch dann gilt es,<br />

dies dem Partner mitzuteilen, um gemeinsam<br />

einen Weg zu finden.<br />

Alles Gute, Dr. Gay<br />

Ist Blut be<strong>im</strong> Blasen ein<br />

HIV-Risiko?»<br />

Ich hatte Oralverkehr mit einem<br />

Typen. Plötzlich bemerkte ich einen<br />

blutigen Geschmack <strong>im</strong> Mund,<br />

worauf ich sofort mit dem Blasen<br />

aufhörte. Auf seinem Schwanz<br />

konnte ich aber kein Blut erkennen.<br />

Ich habe ihn darauf angesprochen,<br />

und er meinte, er sei gesund.<br />

Wie aber wäre in so einem Fall das<br />

Risiko, sich mit HIV anzustecken?<br />

Reto (33)<br />

Hallo Reto<br />

Eine der Faktoren bei einer HIV-Infektion<br />

ist die Menge der infektiösen Flüssigkeit.<br />

Blut spielt be<strong>im</strong> Oralverkehr dann eine Rolle,<br />

wenn es sich um viel Blut handelt. Das<br />

heisst zum Beispiel bei einem frisch ausgeschlagenen<br />

Zahn. In so einem Fall hätte<br />

man dann aber kaum mehr Lust zum Blasen.<br />

In deinem Fall war die Menge zu klein<br />

für eine HIV-Infektion, denn du konntest<br />

kein Blut erkennen. Der Speichel wirkt hier<br />

zudem als natürliche Barriere gegen alle<br />

möglichen Erreger. Du brauchst dir deshalb<br />

keine Sorgen um eine Ansteckung zu machen.<br />

Am besten du hältst dich an die Safer-<br />

Sex-Regeln, das heisst Analverkehr, nur mit<br />

Gummi und kein Sperma in den Mund nehmen,<br />

dann brauchst du dir über HIV keine<br />

Sorgen zu machen.<br />

Alles Gute, Dr. Gay


XXX<br />

XXX<br />

31

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