BLICKWECHSEL 2016
Journal für deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa. Schwerpunkthema: »Mutterstädte. Von großen und kleinen Metropolen im östlichen Europa«
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Joris Hoefnagel (nach Aegidius de Rijde): CLAVDIOPOLIS, 1617/18, kolorierter Kupferstich auf Papier, Siebenbürgisches Museum, Inv. 11417<br />
CLAUDIOPOLIS – TRANSILVANIÆ CIVITAS PRIMARIA?<br />
Was der Titel eines Kupferstichs von 1617/18 über die Machtverhältnisse in Siebenbürgen verrät<br />
Inspiriert durch den 1570 vom Antwerpener Geografen Abraham<br />
Ortelius veröffentlichten Atlas Theatrum Orbis Terrarum,<br />
gab der Kölner Humanist und katholische Theologe<br />
Georg Braun 1572–1617 die sechs Bände des Städtebuchs<br />
Civitates Orbis Terrarum heraus. In Zusammenarbeit mit<br />
dem flämischen Kupferstecher Frans Hogenberg und weiteren<br />
Grafikern beschrieb er darin 543 Metropolen der damals<br />
bekannten Welt in Wort und Bild. Der 6. Band stellt wegen<br />
des zeitgenössischen Interesses für die Schauplätze der »Türkenkriege«<br />
viele Städte Ostmitteleuropas vor. Aus einer seltenen<br />
französischen Ausgabe dieses Bands besitzt das Siebenbürgische<br />
Museum als Einzelbogen die Ansicht von<br />
Klausenburg/Cluj.<br />
Der kolorierte Kupferstich wurde, wie das Schriftfeld<br />
links unten verrät, von Georg (Joris) Hoefnagel (1542–1600)<br />
geschaffen, der bereits am Ortelius-Atlas als Illustrator mitgewirkt<br />
hatte. Die Grafik entstand nach einem Gemälde des<br />
Egidius van der Rye (Aegidius de Rijde) und wurde 1617 postum<br />
unter Mitarbeit des Sohnes Jacob Hoefnagel gedruckt.<br />
Sie ist, wie der gesamte 6. Band, Erzherzog Ferdinand II. von<br />
Innerösterreich (ab 1619 Kaiser Ferdinand II.) gewidmet.<br />
Wie die Inschrift »Occidens« (lat. Westen) am mittleren<br />
unteren Bildrand zeigt, ist der Blick von Westen, konkreter<br />
Nordwesten, auf die Stadt gerichtet. Markant zeichnen sich<br />
die Hauptkirche St. Michael sowie die südöstlich gelegene,<br />
turmlose Kirche des ehemaligen Minoritenklosters, damals<br />
wie heute die reformierte Kirche, ab. Während die Häuser<br />
innerhalb der Stadtmauern aus Stein gebaut und mit Ziegeln<br />
gedeckt sind, besteht die nördliche Vorstadt größtenteils<br />
aus strohgedeckten Holzhäusern. Dieser Zustand entspricht<br />
der Beschreibung Klausenburgs durch den Venezianer Giovanni<br />
Andrea Gromo von 1565. Auch die Weinberge, die sich<br />
diagonal im Mittelgrund erstrecken, entsprechen den örtlichen<br />
Gegebenheiten, wie sie noch in der sogenannten Josephinischen<br />
Landesaufnahme (1769–1773) verzeichnet sind.<br />
Im Vordergrund sind drei vornehme Damen in die Szenerie<br />
eingefügt, damit, wie Braun im deutschen Vorwort des<br />
1. Bands anführt, die »Turcken, welche keine […] gemahlte<br />
Bilder [von Menschen; d. A.] leiden, diß buch nummer […]<br />
zulassen werden«. So sollte also durch das islamische Bilderverbot<br />
verhindert werden, dass die feindlichen Osmanen<br />
Brauns Werk zur Eroberung der Städte nützen konnten.<br />
In der Bildüberschrift wird »Claudiopolis« (Klausenburg)<br />
als »Transilvaniae civitas primaria«, Hauptstadt Siebenbürgens,<br />
bezeichnet. Eine Benennung, die heute verwundert:<br />
Offizielle Residenz des Fürsten war ab der Mitte des