physio-Journal I 1/2016
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TITELTHEMA<br />
Fasziale Ebene<br />
Die fasziale Ebene beschreibt eine unterschiedliche<br />
Lage von Schmerzpunkt und<br />
schmerzauslösender Struktur. Eine Narbe<br />
im Bereich der Schulter kann zu einem erhöhten<br />
Faszientonus des Arms und somit zu<br />
Schmerzen oder einer gestörten lymphatischen<br />
Resorption führen.<br />
Beispiel: Ursache in der unteren<br />
Extremität – Wirkung am Kiefer<br />
Faszien haben sehr viele Aufgaben, unter<br />
anderem auf den Körper einwirkende Kräfte<br />
aufzunehmen und auf den gesamten Körper<br />
zu verteilen. Dies hat zur Folge, dass aus<br />
einer drohenden großen Dysfunktion/Läsion<br />
für den Körper an der Stelle der einwirkenden<br />
Kraft mehrere kleine Dysfunktionen<br />
und auch Läsionen über den Körper verteilt<br />
entstehen.<br />
Wenn eine Dysfunktion im Sprunggelenk<br />
besteht, kann sich durch einen Faszienzug<br />
die Hauptsymptomatik über mehrere Stationen<br />
bis zum Kiefergelenk ausbreiten. Der<br />
Patient kann dann seinen Hauptschmerz<br />
am Kiefergelenk angeben, das Sprunggelenk<br />
macht zu diesem Zeitpunkt keine oder<br />
kaum Probleme. Das Kiefergelenkproblem<br />
kann in diesem Fall ursächlich nur durch eine<br />
Behandlung des Sprunggelenks behandelt<br />
werden. Eine ausschließlich lokale Behandlung<br />
des Kiefergelenks hätte in diesem Fall<br />
nur einen kurzfristigen Erfolg, da die Dysfunktion<br />
über den Faszienzug vom Sprunggelenk<br />
erneut ausgelöst werden würde.<br />
Beispiel – Anterior-mediane Kette<br />
Dysfunktionen des Os metatarsale 1 können<br />
sich über die Kette nach proximal und weiter<br />
nach kranial und in den Arm auswirken. Für<br />
den Patienten sind zahlreiche wahrnehmbare<br />
Schmerzpunkte möglich: von einem<br />
medialen Knieschmerz über Dysfunktionen<br />
der Symphysen und der Clavicula, Dysfunk-<br />
Abb: Anterior-mediane Kette<br />
tionen und Schmerzen im Arm bis hin zu<br />
schmerzbereitende Dysfunktionen der Kiefergelenke.<br />
Segmental-periphere Ebene<br />
Die segmental-periphere Ebene beschreibt<br />
im Konzept nach Hockenholz den Weg von<br />
der Nervenwurzel über den Plexus hinaus<br />
bis hin zum peripheren Nerv. Diagnostisch<br />
muss zwischen einem Problem der Nervenwurzel,<br />
des Plexus und des peripheren Nervs<br />
unterschieden werden. Bei Funktionsstörungen<br />
des Segments nahe der Spinalwurzel<br />
treten die Symptome in den »Tomen« des<br />
jeweiligen Spinalnervs auf:<br />
• Myotom (Muskel)<br />
• Dermatom (Haut)<br />
• Sklerotom (Knochen)<br />
• Enterotom/Viszerotom (Organ)<br />
• Neurotom (Nervalsegment)<br />
Häufig treten dann auch Schmerzausstrahlungen<br />
in den segmentalen Zuordnungen<br />
der Haut auf (Dermatom).<br />
Beispiel – Obere Extremität<br />
Bei Dysfunktionen der Segmente C 6 bis<br />
Th 1 treten eventuell Schmerzausstrahlungen<br />
in den entsprechenden Dermatomen<br />
auf. Das entsprechende Myotom kann sich<br />
jedoch im Verlauf des M. latissimus dorsi<br />
(Innervation: C 6–Th 1) bis hin zum Beckenkamm<br />
ausbreiten. Oft werden die Probleme<br />
Abb: Dermatom Vorderseite<br />
im Myotom als lokale Ursache angesehen<br />
und lokal (hier am Beckenkamm) behandelt.<br />
Die lokale Behandlung des M. latissimus<br />
dorsi am Beckenkamm führt aber zu keiner<br />
dauerhaften Verbesserung. Erst die Behandlung<br />
des zervikothorakalen Übergangs kann<br />
die Symptomatik langfristig verbessern.<br />
Abb: Dermatom Rückseite<br />
Bei sämtlichen Schmerzen in der Peripherie<br />
sollte daher geklärt werden, ob dieser<br />
– scheinbar lokale – Schmerz nicht ein Ausstrahlungsschmerz<br />
über die »Tome« des<br />
entsprechenden Wirbelsäulensegments ist.<br />
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