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DerivateMagazin_No1_2016

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14<br />

! TITELTHEMA<br />

In den ersten Wochen dieses Jahres verging kaum<br />

ein Tag, an dem keine Hiobsbotschaft aus beziehungsweise<br />

über China in den Nachrichten zu lesen<br />

oder zu sehen war. Diese handelten von der Stimmung<br />

der Einkaufsmanager, der aktuellen Konjunktur<br />

oder den Kursabstürzen an den Börsen.<br />

Auch wenn die Themen nicht immer neu, häufig<br />

schon lange bekannt, bereits vermutet oder im Gros<br />

zumeist überholt waren, rissen sie die wichtigsten<br />

Börsen weltweit auf eine rasante Talfahrt und schürten<br />

zusätzliche Ängste vor einer Erschütterung der<br />

Weltkonjunktur. Eigentlich kein Wunder, wenn<br />

Anleger doch in aller Regelmäßigkeit mit Begriffen<br />

von zahlreichen Meinungsmachern wie „verzockt“,<br />

„kaputt“, „neue Gefahr“, „Lack ab“, „Herzstillstand“<br />

oder „Bedrohung“ im Zusammenhang mit dem Reich<br />

der Mitte bombardiert werden. Ist nicht hier bereits<br />

ein gewisser Zündstoff zu erkennen, der zu maßloser<br />

Übertreibung neigen könnte?<br />

ZEITLICH ÜBERFÄLLIG<br />

Bereits nach den schweren Kursrückgängen der Börsen<br />

im Sommer 2015, als die chinesische Zentralbank den<br />

Renminbi Yuan massiv abwertete, mahnten zahlreiche<br />

Experten zu einer selbstbeherrschten Gelassenheit,<br />

bei der – insbesondere in der damaligen Situation –<br />

der Verstand die Oberhand behalten solle. Im Zeichen<br />

dieser Besonnenheit wurde erklärt, dass es einfach an<br />

der Zeit gewesen sei, die Luft aus der über Jahre aufgebauten<br />

kreditfinanzierten Aktienblase langsam entweichen<br />

zu lassen. Schließlich wuchs diese nach etwa zwei<br />

Jahrzehnten ungebremster chinesischer Wirtschaftsexpansion<br />

immens an. Auch der deutsche Bundesbankvorstand<br />

Joachim Nagel warnte vor übertriebenen Ängsten,<br />

da es sich nach den rasanten Anstiegen der vergangenen<br />

Jahre um eine Korrektur handelte und China bei einer<br />

Finanzmarktinstabilität wirtschaftlich stark genug<br />

sei, um im Notfall dagegenzuhalten. Und so glaubten<br />

die meisten Beobachter nicht an eine dauerhafte globale<br />

Finanzkrise, sondern eher an eine längst überfällige<br />

Korrektur.<br />

„China in seinen vielschichtigen<br />

Facetten wird auch in Zukunft gute<br />

Voraussetzungen für langfristige<br />

Geschäftsmöglichkeiten bieten.“<br />

Winfried Bostelmann, Chairman BVMW China<br />

Vizekanzler Sigmar Gabriel stieß ins gleiche Horn: Die<br />

Sorgen der Bösen hinsichtlich der Entwicklungen in<br />

China seien sicherlich berechtigt, was dort passiere sei<br />

dennoch nicht geeignet, die Perspektiven Deutschlands<br />

zu beeinträchtigen. Schließlich seien nach Ansicht des<br />

ehemaligen Chefvolkswirtes der Europäischen Zentralbank<br />

Jürgen Stark die Strukturprobleme wie etwa die<br />

Überhitzung der Immobilienmärkte, die Expansion des<br />

Schattenbankensystems und die gigantische Verschuldung<br />

der Banken schon seit Jahren bekannt gewesen.<br />

AKTION UND REAKTION<br />

Trotz aller Beschwichtigungen hat China reagiert: Um<br />

künftig deutlichen Kurs rückgängen einen Riegel vorzuschieben,<br />

führte die Regierung in Peking zu Jahresbeginn<br />

eine neue Börsenregel ein, durch die der Handel<br />

für 15 Minuten unterbrochen werden sollte, wenn der<br />

Kurs des China Securities Index, das Börsenbarometer<br />

welches die wichtigsten 300 Aktien abbildet, um fünf<br />

Prozent verliert. Außerdem sah diese Regel vor, den<br />

Handelstag bei einem Verlust von sieben Prozent ganz<br />

zu beenden. Wuchtige Kursabstürze sollten damit abgemildert<br />

werden – so die Theorie. Doch diese Sicherheitsmaßnahme<br />

habe, so raunten manche Börsenauguren,<br />

bei der Krise zu Jahresanfang eher die Rolle eines<br />

Katalysators als die eines Inhibitors gespielt. Ursächlich<br />

für den neuerlichen Einbruch im Januar waren jedoch<br />

zunächst schlechte Umfragedaten zur chinesischen Industrie,<br />

danach Spekulationen über Stützkäufe des chinesischen<br />

Staatsfonds, Zentralbankgeld, welches in den<br />

Markt gepumpt wurde, die achte Abwertung der Landeswährung<br />

Renminbi Yuan und der starke Rückgang<br />

der Währungsreserven.<br />

Bereits ein paar Tage später wurden die Konsequenzen<br />

gezogen: Ab sofort sollten die Börsen in Shanghai<br />

und Shenzhen wieder ohne Notbremse auskommen.<br />

Laut chinesischer Börsenaufsicht CSRC habe der Mechanismus<br />

nicht den gewünschten Effekt erzielt. Außerdem<br />

wurde von Seiten der Behörde mitgeteilt, dass die automatische<br />

Marktsperre nicht der Hauptgrund für die<br />

jüngsten Kursstürze gewesen sei. Investmentstrategen<br />

allerdings begrüßten diese Kehrtwende, denn mit diesem<br />

Schritt könne sich der Aktienmarkt wieder freier<br />

bewegen und ein Aufstauen von Handelsvorhaben vermieden<br />

werden. Dazu sollte man wissen, dass 90 Prozent<br />

der Investoren an der chinesischen Börse einheimische<br />

Privatanleger sind, die wiederum 80 Prozent<br />

der Transaktionen verantworten. Und diese fokussieren<br />

eher spekulative Gewinne. Das allerdings sorgt für Volatilität.<br />

Entsprechend spielen chinesische Institutionelle<br />

kaum eine Rolle. Auch ausländische Investoren können<br />

lediglich auf weniger als zwei Prozent des dortigen<br />

Marktes zurückgreifen.<br />

<br />

Über die Hälfte des chinesischen<br />

Bruttoinlandsprodukts wird mittlerweile<br />

vom Dienstleistungssektor getragen.<br />

!derivate MAGAZIN 01/<strong>2016</strong>

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