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Kunstheft

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KunstHeft<br />

Not Vital | „Lasst hundert Blumen blühen“<br />

Kunstpädagogik im Kunstraum Dornbirn


Not Vital<br />

„Lasst hundert Blumen blühen“, 2012<br />

R<br />

iesige Lotosblumen in einer alten<br />

Fabrik: Wer den Kunstraum in der<br />

ehemaligen Maschinenhalle von Dornbirn<br />

betritt, erlebt ein mehr als ungewöhnliches<br />

Gewächshaus: Hundert große<br />

Lotosblumen mit langen Stängeln und<br />

dicken Knospen aus poliertem, glänzendem<br />

Metall übersäen den gesamten Betonboden<br />

einer Halle. Der Anblick ist<br />

so überraschend wie ungewöhnlich. Die<br />

wie zufällig verstreuten Blumen, einige<br />

über drei Meter lang, fesseln als wundervoll<br />

glitzernder Pflanzenteppich unseren<br />

Blick. In den Knospen spiegelt sich die<br />

Halle. Diese trägt deutlich die Spuren<br />

der Vergangenheit: Abblätternder Putz,<br />

rostige Fenstereinfassungen, ausgerissene<br />

Kabel, ein schwerer Kran mit alten dicken<br />

Ketten. Beides mag so gar nicht zusammen<br />

passen. Doch dieser Gegensatz<br />

ist vom Künstler so gewollt: Der Glanz<br />

der Blumen wird durch den alten Bau in<br />

seiner Wirkung noch gesteigert. Gleichzeitig<br />

findet sich der gesamte Raum als<br />

Abbild wieder: In jeder einzelnen Blüte<br />

spiegeln sich die 16 Fenster und Oberlichter.<br />

Das Lichtspiel auf den Knospen<br />

wird zu einem reizvollen Erlebnis für die<br />

Sinne. Es erinnert an tanzende Regentropen.<br />

D<br />

as verzerrte Muster der Fenster gibt<br />

den metallenen Objekten zudem<br />

etwas Pflanzliches zurück. Der Künstler<br />

versteht es, durch den Wettstreit und<br />

den Einsatz der Materialien den Ausdruck<br />

seiner Werke zu steigern. Metall<br />

ist ein totes, kalt wirkendes Material,<br />

Pflanzen sind etwas Lebendiges. Beides<br />

zusammen erzeugt beim Betrachter<br />

eine zunächst nur schwer beschreibbare<br />

Stimmung. Wofür steht die Kälte, wofür<br />

die Pflanze? Was bedeutet es, wenn hier<br />

Raum-Objekte wie Schnittblumen ausgebreitet<br />

sind? Blumen, die nie verwelken<br />

und doch leblos sind?<br />

M<br />

it dem Titel „Lasst hundert Blumen<br />

blühen“ spielt der Künstler<br />

auf eine historische Begebenheit in China<br />

an: Die Regierung des volkreichen<br />

Staates forderte in der Mitte des vergangenen<br />

Jahrhunderts die Bevölkerung<br />

dazu auf, mit Kritik und Ideen das Land<br />

weiter zu entwickeln. Diese „Hundert-<br />

Blumen-Bewegung“ weckte große Erwartungen.<br />

Schon bald allerdings wurde<br />

die Kritik den Machthabern sehr lästig,<br />

so dass die Aktion abgebrochen wurde.<br />

Menschen wurden verfolgt und sogar<br />

hingerichtet. So sind die Blumen zugleich<br />

Sinnbild der Hoffnung als auch<br />

der Enttäuschung.<br />

S<br />

ämtliche Blumen wurden von Handwerkern<br />

in China in einem aufwändigen<br />

Arbeitsprozess Stück für Stück<br />

angefertigt, sind also wie die echten<br />

Pflanzen einzigartig. Die ausgelegten<br />

Blumen gehen jeweils ihren eigenen<br />

Weg, haben eigene Haltungen, weisen<br />

aber alle in die gleiche Richtung. Sie<br />

scheinen sich auf ein großes Tor hin<br />

zu bewegen, die Masse könnte sich als<br />

unendlicher Strom draußen fortsetzen.<br />

Auch dies lässt sich als Bild lesen: Steht es<br />

für eine Gemeinschaft, die ein gemeinsames<br />

Ziel verfolgt? Für die Menschheit<br />

schlechthin? Für den Gang des Lebens?<br />

Der Künstler lässt diese Fragen bewusst<br />

offen, er spielt mit unserer Fantasie, er<br />

lädt uns ein, weiterzudenken, nachzudenken<br />

- oder einfach die Schönheit des<br />

Anblicks zu genießen.<br />

2


Arbeitsvorschläge<br />

• Betrachte das künstlerische Werk aus<br />

möglichst vielen unterschiedlichen Blickwinkeln<br />

und versuche danach im Gespräch<br />

die Wirkung in Worte zu fassen.<br />

• Fotografiere (z.B. mit einer Kamera, mit<br />

dem Handy) das Werk und hebe besonders<br />

interessante Details hervor. Tausche<br />

Deine Ergebnisse mit anderen aus.<br />

• Informiere Dich über die 1957 in der<br />

Volksrepublik China angeordnete Kampagne<br />

„Lasst 100 Blumen blühen und 100<br />

Schulen miteinander wetteifern“. Sammle<br />

außerdem Berichte über das moderne<br />

China.<br />

• Betrachte das Video in der Ausstellung<br />

mit dem Künstlergespräch und notiere<br />

Dir wichtige Aussagen, die zur Deutung<br />

der künstlerischen Arbeit Not Vitals beitragen<br />

könnten.<br />

Hoffnung und Enttäuschung sind immer<br />

wieder Themen der Kunst, so auch schon<br />

beim romantischen Maler Caspar David<br />

Friedrich (vgl. Abb.). Dessen Bild „Eismeer.<br />

Gescheiterte Hoffnung“ aus dem<br />

Jahre 1821 wird als vergebliche Erwartung<br />

von Bürgerrechten, Demokratie und<br />

Freiheit in der damaligen Zeit gedeutet.<br />

Beschreibe dieses Gemälde und vergleiche<br />

die unterschiedlichen künstlerischen<br />

Lösungen des Themas bei C.D. Friedrich<br />

und Not Vital.<br />

„Ich versuche, Träume für<br />

Erwachsene zu schaffen.“<br />

Weiterführende Frage: Inwiefern ist ein<br />

Vergleich überhaupt möglich, wo hat er<br />

seine Grenzen?<br />

3


Lotosblumen – Sinnbild für Hoffnung,<br />

Reinheit und Liebe<br />

L<br />

otosblumen sind Wasserpflanzen,<br />

die ähnlich den Seerosen, große<br />

Blüten entwickeln. Not Vital zeigt die<br />

Lotosblumen als Knospen noch vor dem<br />

Aufblühen, also in einem Zustand der<br />

Erwartung.<br />

D<br />

ie Blätter des Lotos verfügen über<br />

eine ganz besondere Eigenschaft,<br />

den „Lotoseffekt“: Das Wasser perlt an<br />

ihnen einfach ab, sie sind flüssigkeitsabweisend<br />

und verschmutzen nicht. Auch<br />

wenn sich Not Vital in seinen Blumenskulpturen<br />

auf Stengel und Knospe beschränkt,<br />

so erinnern deren metallischglitzernde<br />

Oberflächen doch an die<br />

natürliche Sauberkeit und den Glanz der<br />

Lotospflanze. In Asien wird die Pflanze<br />

deshalb als Sinnbild für Reinheit, Erleuchtung<br />

und Treue verehrt.<br />

n China, wo das Kunstwerk entstand, steht die Lotosblume zudem für Liebe und die<br />

I harmonische Verbundenheit der Liebenden. Im Guofeng, dem uralten chinesischen<br />

Buch der Lieder, steht der Lotos für die Sehnsucht der Frau nach dem Geliebten:<br />

Am Rande eines Teichs gibt es Schilf und Lotusstengel.<br />

Es gibt einen schönen Menschen.<br />

Ich bin betrübt, was soll ich machen?<br />

Wie mich verhalten?<br />

Wachend und im Schlaf finde ich keine Ruhe,<br />

Tränen fließen.<br />

Am Rande eines Teichs gibt es Schilf und Lotusstengel,<br />

ein schöner Mensch, groß und stattlich,<br />

schönes Haar.<br />

Wachend und im Schlaf weiß ich nicht, was ich tun soll,<br />

in meinem Herzen bin ich bekümmert.<br />

(Auszug aus: No. 145, Buch der Lieder, um 500 v. Chr.)<br />

Jugendstil<br />

Ägypten<br />

4


Arbeitsvorschläge<br />

• Lass Dich vom Erscheinungsbild einer<br />

echten Blume (Farbe, Blüten und Blattform,<br />

Wuchs, Duft, Größe, Standort, Zustand,<br />

etc.) anregen und überlege, welche<br />

sinnbildliche Aussage sich damit verbinden<br />

lässt. Suche den Bezug entweder zu<br />

einem Erlebnis, zu einer Person, zu einem<br />

Gefühl. Verfasse ein kleines Gedicht, in<br />

dem eine dieser Aussagen zum Ausdruck<br />

kommt.<br />

• Sammle Gedichte zu Blumen. Wähle<br />

eines aus und setze dieses Gedicht (oder<br />

Dein eigenes) in ein Bild um.<br />

• Verfasse ein Gedicht (gereimt oder in<br />

freien Rhythmen) zu den „100 Lotosblumen“.<br />

Sammle vorher stichpunktartig<br />

Eindrücke beim Betrachten des Kunstwerks<br />

von Not Vital.<br />

• Die Darstellung von Blumen spielt in<br />

der Kunst seit jeher eine wichtige Rolle.<br />

Sammle (Bibliothek, Internet) Blumendarstellungen<br />

in der Malerei aus den unterschiedlichsten<br />

Epochen und fertige ein<br />

Plakat an.<br />

• Vergleiche das Bild der Lotosknospe<br />

mit den Metallskulpturen Not Vitals. Wie<br />

hat sich die Form im Kunstwerk verändert<br />

und gewandelt, was wurde z.B. vereinfacht,<br />

verfeinert oder weggelassen?<br />

• Zeichne, male oder modelliere eine bestimmte<br />

Blumenart. Achte darauf, dass<br />

man die Pflanze eindeutig benennen<br />

kann. Tipp: Manchmal ist es hilfreich,<br />

manches Merkmal zu betonen, anderes<br />

wegzulassen.<br />

„Wenn du wirklich etwas willst,<br />

findest du einen Weg.“<br />

5


Die Sprache des Materials<br />

L<br />

otosblumen wachsen oft in Sümpfen. Der Gegensatz zwischen farbenfroher Blüte<br />

an der Oberfläche und den Wurzeln im tiefen Schlamm wird von Dichtern oft als<br />

Bild verwendet. So auch in diesem Gedicht von Jill A. Moebius:<br />

Glück ist, Eins zu sein<br />

mit dem, was ist.<br />

Dann erwächst sogar<br />

aus der Traurigkeit eine Blume -<br />

Reife, Hingabe oder Mitgefühl,<br />

so wie die Lotusblume<br />

aus dem dunklen Sumpf erwächst.<br />

Der Sumpf und die Blume,<br />

Berg und Tal sind Aspekte<br />

desselben Einen Seins.<br />

Das Durchmessen der tiefsten Tiefen<br />

ermöglicht das Aufschwingen in höchste Höhen.<br />

(Auszug aus einem Gedicht von Jill A. Moebius)<br />

W<br />

ie in der Dichtung, spielen auch in Not Vitals Werk<br />

„Lasst hundert Blumen blühen“ Gegensätze eine<br />

wichtige Rolle:<br />

• Das Metallische und das Pflanzliche,<br />

• der Glanz der Blume und der alte Putz der Maschinenhalle,<br />

• das Tote des Materials und das Lebendige der Lotosblume.<br />

• Die Pflanzen scheinen sich in Richtung Hallenausgang zu<br />

bewegen, doch der ist verschlossen.<br />

G<br />

egensätze kommen in den Werken Not Vitals häufig durch<br />

das verwendete Material zum Ausdruck. Fast alle Materialien<br />

sind denkbar: Er verwendet in seinen Arbeiten z.B. Lehm, Gips,<br />

Kohle, Pflanzliches, Seife, Metall, Tee, Glas und Tierkörper. Vital<br />

vergleicht die Materialien mit unterschiedlichen Sprachen, die<br />

zusammen wieder eine ganz neue Aussage ergeben.<br />

6


Arbeitsvorschläge<br />

• Gegensätze: Stelle in einer Tabelle (zwei<br />

Spalten) verschiedene Materialien mit sehr<br />

unterschiedlicher Wirkung gegenüber (z.B.<br />

Fell - Stein) und notiere die Eigenschaften<br />

dieser Gegensätze (z.B. weich – hart). Sammle<br />

solche Materialien und entwirf entweder eine<br />

flächige Bildkomposition oder eine Skulptur,<br />

die das Thema „Gegensätze“ veranschaulicht.<br />

• Beschreibe Gegensätzliches, das sich im<br />

Werk „Lasst hundert Blumen blühen“ ablesen<br />

lässt und versuche, dieses in einzelne Aussagen<br />

zu „übersetzen“ (z.B. „Metallisches und<br />

Pflanzliches“ steht für „Totes und Lebendiges“).<br />

Beachte: Auch die Montagehalle ist Teil<br />

des Kunstwerks und sollte in die Überlegung<br />

mit einbezogen werden.<br />

• Ordnung und Serie: Die reihenhafte Anordnung<br />

und Präsentation von gleichen Materialien<br />

bzw. ähnlichen Objekten erzeugt einen eigenen<br />

Reiz. Erstelle eine kleine Installation auf<br />

einer Grundfläche von 1 x 1 Metern mit von<br />

Dir ausgewählten und gesammelten ähnlichen<br />

Dingen bzw. Materialien (Steine, Papierknäuel,<br />

Kugelschreiber, Handys etc.). Mache Dir<br />

Gedanken über die Form der Anordnung und<br />

die Komposition. Begründe Deine Auswahl<br />

der Dinge und die Form der Präsentation.<br />

• Materialwechsel: Forme nach dem Vorbild<br />

Not Vitals eine Naturpflanze in einem anderen<br />

Material (z.B. Ton, Papierfaltung, Draht) nach<br />

und beurteile die veränderte Wirkung.<br />

Fertige eine Serie von mindestens 8 Stück im<br />

gleichen Material an und überlege Dir die<br />

Form der Anordnung für eine Präsentation.<br />

Begründe Deine Entscheidung.<br />

Bilde andere Objekte (z.B. kleine Alltagsgegenstände)<br />

in anderen Materialien nach und<br />

überlege Dir eine Präsentationsform.<br />

„Wenn du wirklich etwas willst,<br />

findest du einen Weg.“<br />

„Meine Ideen tauchen<br />

plötzlich auf.“<br />

• Vergrößerung: Wie verändert sich durch die<br />

Vergrößerung der Lotosblumen deren Wirkung?<br />

Experimentiere mit dem Grafikprogramm am<br />

Computer: Stelle einen von Dir fotografierten<br />

kleineren Alltagsgegenstand frei (Befehl: „ausschneiden“)<br />

und montiere ihn als überlebensgroßes<br />

Objekt in eine andere Umgebung (z.B.<br />

Bild von Landschaft, Zimmer). Beurteile die<br />

Wirkung.<br />

Forme z.B. aus Pappmachée einen Gegenstand<br />

um ein Vielfaches vergrößert nach und<br />

entwickle daraus eine Rauminstallation (Tipp<br />

Gruppenarbeit: Jedes Mitglied der Gruppe<br />

schafft eine eigene Skulptur, die ein Teil des<br />

Gesamtwerks wird)<br />

• Vergleiche Not Vitals Werk mit den Tulpen<br />

(„Tulips“) des Künstlers Jeff Koons und den<br />

Raketen („First Spaceship on Venus“) der<br />

Künstlerin Sylvie Fleury. Wie verändern dort<br />

das verwendete Material bzw. die Vergrößerung<br />

und die farbige Fassung die Wirkung des<br />

Gegenstandes?<br />

7


Lasst hundert Blumen blühen – ein<br />

Denkmal?<br />

D<br />

enkmale sollen Menschen an eine<br />

bestimmte Person, ein bestimmtes<br />

Geschehen oder an eine bestimmte Tat<br />

erinnern. Auch das Werk „Lasst hundert<br />

Blumen blühen“ kann als eine Art Denkmal<br />

aufgefasst werden: Der Titel erinnert<br />

an die gleichnamige, im Jahre 1957 von<br />

der damaligen chinesischen Regierung<br />

unter ihren Führer Mao Zedong angestoßene<br />

Polit-Kampagne, die mehr Beteiligung<br />

am Aufbau des Staates forderte<br />

und Vorschläge für eine Verbesserung<br />

forderte. Schon nach wenigen Wochen<br />

wurde wegen zu vieler kritischer Stimmen<br />

die Aktion abgebrochen.<br />

D<br />

Denkmale stehen normalerweise<br />

auf öffentlichen Plätzen und gut<br />

wahrnehmbaren Orten. Dies ist hier<br />

nicht der Fall: Not Vitals Kunstprojekt ist<br />

nur für einen Zeitraum von 10 Wochen<br />

zu sehen, dann wird es wieder abgebaut.<br />

Es ist sozusagen ein Denkmal auf Zeit.<br />

Die Blütezeit der Denkmale und der<br />

damit oft verbundener Heldenkult sind<br />

heute längst vorbei. Dennoch entstehen<br />

aus besonderem Grund noch Denkmale,<br />

etwa in Berlin das „Denkmal für die<br />

ermordeten Juden Europas“ (2005). Die<br />

2711 Betonstelen (Quader) des von Peter<br />

Eisenmann entworfenen Mahnmals erinnern<br />

an die Millionen Opfer der nationalsozialistischen<br />

Verfolgung. Die Betonquader<br />

lassen an Grabsteine denken,<br />

besitzen also ähnlich den Lotosblumen<br />

Not Vitals eine symbolische Bedeutung.<br />

Allerdings lässt der Künstler Not Vital<br />

auch eine ästhetische Auffassung gelten,<br />

die ganz unabhängig vom Titel eine rein<br />

sinnliche Betrachtung ermöglicht.<br />

8


Arbeitsvorschläge<br />

• Vergleiche die formale Gestaltung des<br />

„Denkmals für die ermordeten Juden Europas“<br />

mit dem Werk „Lasst hundert Blumen<br />

blühen“. Beschreibe Ähnlichkeiten<br />

sowie Unterschiede und deute die damit<br />

erzielte Wirkung.<br />

• Recherchiere nach bedeutenden historischen<br />

Denkmalen und vergleiche deren<br />

Gestaltung und Botschaft (z.B. Reiterstandbild<br />

des Kaisers Marc Aurel in Rom,<br />

Denkmal Erzherzog Karls auf dem Heldenplatz<br />

in Wien, Ruetliwiese bei Seelisberg/<br />

CH, Goethe-Schiller-Denkmal in<br />

Weimar, Freiheitsstatue in New York).<br />

• Suche Denkmale in Deiner Umgebung<br />

und dokumentiere sie zeichnerisch oder<br />

fotografisch. Informiere Dich darüber,<br />

woran das Denkmal erinnern soll.<br />

• Denkmale müssen nicht immer figürlich<br />

Personen abbilden, sondern können<br />

wie Not Vitals Werk mit Symbolen<br />

(hier: Lotosknospen) arbeiten. Überlege<br />

ein Konzept für ein von Dir entworfenes<br />

Denkmal, das an einen ganz persönlichen<br />

Anlass, ein Geschehen erinnern soll.<br />

9


Not Vital: Wenn Träume wahr werden<br />

oder wie ein Kamel in Kugeln kam<br />

„M<br />

ein wahres Atelier befindet sich in meinem<br />

Kopf “. Not Vital ist ein Künstler, der Träume<br />

wahr werden lässt. Tatsächlich erschafft er Dinge, die<br />

andere nicht zu denken wagen. Die Erfindungskraft des<br />

Künstlers kennt dabei keine Grenzen. Besonders anregend<br />

ist für Vital die Begegnung mit Menschen anderer<br />

Kulturen, deren Einfallsreichtum und Können. Gerne<br />

erzählt Not Vital seine Geschichte von den Silberkugeln:<br />

N<br />

ot Vital traf in Afrika, wo er zeitweise lebt, einen<br />

Silberschmied. Der trug einen Ring mit einer kleinen<br />

Silberkugel. Ob er denn auch Kugeln in der Größe<br />

einer Melone herstellen könne, fragte ihn Vital, denn er<br />

war begeistert von der Kunstfertigkeit des Tuaregs. „Kein<br />

Problem“, antwortete der. „Und ginge es auch noch größer?“<br />

Auch dies sei kein Problem, erfuhr Vital vom Silberschmied,<br />

der wie so viele hier die Welt nicht als Pro-<br />

blem, sondern aus Herausforderung verstand. Er wolle<br />

allerdings wissen, was in die Kugeln hineinkomme. Denn<br />

ihm erschien leerer Raum sinnlos. Also begann Not Vital<br />

zu überlegen. Der Sand der Wüste, der sie umgab, war<br />

ihm als Inhalt zu schlicht. Die Sterne am Himmel waren<br />

zu weit entfernt, doch das Kamel, das da ruhte, das wäre<br />

doch ein schöner Inhalt für die Silberkugeln. „Kein Problem“,<br />

meinte der Tuareg. Also gingen sie am nächsten<br />

Tag auf den Markt, kauften ein Kamel, schlachteten es<br />

und trockneten dieses in der Sonne. Inzwischen schuf<br />

der Silberschmied 12 große Silberkugeln als Hülle für die<br />

Mumienteile des Kamels. Diese gingen später auf Ausstellungen<br />

rund um die Welt. Und es gibt wohl kein anderes<br />

Kamel, das jemals so bestaunt wurde, ohne dass es<br />

auch nur ein einziger Besucher wirklich sah. Außer der<br />

Künstler und sein Schmied.<br />

Arbeitsvorschläge<br />

10<br />

• Deute die folgende Aussage: „Das, worauf<br />

es im Leben ankommt, können wir<br />

nicht vorausberechnen. Die schönste<br />

Freude erlebt man immer da, wo man sie<br />

am wenigsten erwartet hat.“ Anmerkung:<br />

Der Satz stammt von dem Schriftsteller<br />

Antoine de Saint-Exupéry, dessen Werk<br />

Not Vital besonders schätzt (aus: Terre<br />

des Hommes / Wind, Sand und Sterne).<br />

• Wenn Träume wahr werden: Entwickle<br />

ein Konzept für ein Kunstwerk (Objekt,<br />

Skulptur, Malerei, Film usw.), das eine<br />

ungewöhnliche Idee Wirklichkeit werden<br />

lässt. Fertige dazu Entwurfsskizzen und<br />

eine Beschreibung an.<br />

• Begründe mit Hilfe des Textes, warum<br />

dieses Kunstobjekt nur in Afrika im Land<br />

der Tuareg entstehen konnte.<br />

• „Ein Tier für die Kunst opfern?“ Diskutiere<br />

diese Frage mit anderen.<br />

• Was würdest Du in die Kugeln füllen,<br />

wenn Du die Möglichkeit hättest, ein<br />

solches Kunstwerk zu verwirklichen? Begründe<br />

Deine Aussage.


Der Künstler Not Vital<br />

N<br />

ot Vital wurde 1948 in Sent geboren. Er stammt<br />

aus dem Engadin, einer abgelegenen Bergregion im<br />

Schweizer Kanton Graubünden an der Grenze zu Italien<br />

und Österreich. Nur hier wird Rätoromanisch gesprochen,<br />

eine seltene, auf das Lateinische zurückgehende<br />

Sprache. Not Vital genoss seine Kindheit in der weitgehend<br />

unberührten Natur. Doch „wer etwas werden wollte,<br />

musste schon immer von hier weggehen“. Als Schweizer<br />

lernte Vital früh weitere Sprachen.<br />

E<br />

Ein Freund der Familie besaß eine wertvolle Sammlung<br />

moderner Kunst, die Vital gerne und oft besichtigte.<br />

Und so stand schon bald der Entschluss fest,<br />

Kunst zu studieren. Dazu ging er zunächst nach Paris auf<br />

die Université de Paris. Dort konnte er künstlerisch experimentieren.<br />

Danach folgten längere Aufenthalte in New<br />

York und in Italien, wo Vital einen kleinen<br />

Zirkus gründete, Jonglieren sowie Feuerspucken<br />

lernte und sogar Kleintiere dressierte.<br />

Vital ist häufig auf Reisen, und wechselt<br />

dabei ständig zwischen Kulturen und<br />

Kontinenten. Seine weltweit verstreuten<br />

Wohnorte haben ihn als Künstler geprägt.<br />

In Afrika freundete er sich mit den Stammesmitgliedern<br />

der Tuareg an und erbaute<br />

mit ihnen ungewöhnliche Gebäude: Das<br />

„Haus zur Beobachtung des Sonnenuntergangs“<br />

(vgl. Abb.), ein „Haus zur Beobachtung<br />

des Mondes“, ein „Haus gegen die Hitze<br />

und Sandstürme“, eine Schule in Agadez<br />

(Niger). Bauten entstanden auch auf seiner<br />

von ihm benannten Insel „NotOna“ im lateinamerikanischen<br />

Patagonien (Chile), im<br />

Engadin („Haus, das verschwindet“) und in<br />

China. Vitals künstlerische Arbeiten leben<br />

vom Austausch der Kulturen, den unterschiedlichen<br />

Materialien, den Möglichkeiten<br />

und dem besonderen handwerklichen<br />

Geschick der Menschen, denen er vor Ort<br />

begegnet. Viele Kunstwerke „laden einfach<br />

dazu ein, zu träumen“ (Vital).<br />

„Ich wollte zurück zu dem Punkt,<br />

wo man wie als Kind einfach<br />

etwas machte.“<br />

11


KunstHeft<br />

Arbeitsheft für Lehrer, Schüler und Eltern<br />

zur Ausstellung von Not Vital „Lasst hundert Blumen blühen“<br />

12. April – 3. Juni 2012<br />

Kunstraum Dornbirn<br />

Ausstellung: Montagehalle, Jahngasse 9<br />

Büro: Marktsstrasse 33, A-6850 Dornbirn<br />

Tel 0043-(0)5572-55044, Fax 0043-(0)5572-55044-4838<br />

kunstraum@dornbirn.at, www.kunstraumdornbirn.at<br />

Text und Konzept: Prof. Dr. Martin Oswald, Weingarten<br />

Herausgeber: Kunstraum Dornbirn, Hans Dünser<br />

Gestaltung: Bernhard Klien, Hohenems<br />

Redaktion: Herta Pümpel<br />

Fotonachweis<br />

© Fessler Fotografie, Robert Fessler, Lauterach<br />

Sylvie Fleury, „First Spaceship on Venus“, © Sylvie Fleury, Courtesy Sprüth Magers Berlin<br />

Not Vital, „Camel“, © Not Vital<br />

Not Vital, „House to watch the sunset“, © Not Vital<br />

Inhaber der Bildrechte, die wir nicht ausfindig machen konnten, bitten wir, sich beim<br />

Kunstraum Dornbirn zu melden. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich<br />

im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Printed in Austria<br />

Mit freundlicher Unterstützung<br />

Des Hauptsponsors des Kunstraum Dornbirn, der Dornbirner Sparkasse Bank AG.<br />

Den Subventionsgebern: Stadt Dornbirn, Land Vorarlberg und Republik Österreich – bm:ukk, Kunstsektion

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