12.05.2016 Aufrufe

Denkmalpflegepreis 2016

Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag

Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

SONDERDRUCK DER DENKMALPFLEGE DES KANTONS BERN UND DER ZEITSCHRIFT UMBAUEN+RENOVIEREN, ARCHITHEMA VERLAG

WWW.BE.CH/DENKMALPFLEGE UND WWW.UMBAUEN-UND-RENOVIEREN.CH

Denkmalpflegepreis

DENKMALPFLEGE DES KANTONS BERN 2016

Ausgezeichnet

Leben im Baudenkmal

als Privileg

Pragmatische Innen- und Aussenrestaurierung

eines Doppelhauses in Biel

Spezialpreis

RESTAURIERUNG EINES

EHEMALIGEN LAGER- UND

GEWERBEBAUS IN

BURGDORF


Ästhetik und Qualität

im Altbau

2

1

1 Das Zweifamilienhaus

an der Bieler

Alpenstrasse wirkt aus

Distanz wie eine stattliche

Villa, erst die beiden

Eingänge und die

Abtrennung im Garten

lassen die beiden

eigenständigen Haushälften

erkennen.

2 Das qualitätsvolle

Interieur ist in beiden

Haushälften weitgehend

erhalten geblieben

und verleiht den

Treppenhäusern und

Wohnräumen einen

speziellen Charme.

Die Besitzerinnen und Besitzer eines Doppelhauses im Bieler Rebbergquartier

haben ihre jeweiligen Haushälften im Inneren sorgfältig restauriert und die

Infrastruktur mit wenigen Eingriffen optimiert. Gemeinsam haben sie die

Fassade restauriert und dafür ein Farb- und Materialkonzept entwickelt. Der

Denkmalpflegepreis zeichnet die Bauherrschaften für ihren pragmatischen

Ansatz aus, der die historische Bausubstanz ins Zentrum stellt.

Text: Elisabeth Schneeberger, Fotos: Stefan Weber, Redaktion: Silvia Steidinger

2


3

« In Anlehnung an die Befunde der Farbuntersuchung

haben wir das Farb- und Materialkonzept entwickelt.

Das war eine sehr spannende Arbeit. » Sven Harttig

4

5

3 Zwei kleine Kastenöfen,

die 1905 in Biel

hergestellt und später

in Brienz eingebaut

worden waren, fanden –

nicht zuletzt dank eines

engagierten Ofenbauers

– den Weg zurück

nach Biel.

4 Harttigs war nicht

von Beginn weg klar,

ob sie die dunklen

Holzverkleidungen,

Kassettendecken und

Türen holzsichtig

belassen wollten oder

nicht. Sie entschieden

sich für einen teilweisen

Anstrich, die

gliedernden Elemente

blieben holzsichtig.

5 Das im Windfang

entdeckte Schablonenfries

wurde auf die

Wände der neuen

Küche und der Toilette

übertragen.

5


« Wir könnten noch einiges machen, müssen

aber nach der Verhältnismässigkeit und dem

Substanzverlust fragen. » Sven Harttig

Der Rebberg über der Stadt Biel um 1890,

links oben die Villa Jägerstein. Noch ist

das Land unbebaut (Regionales Gedächtnis,

Annemarie Geissbühler-Lanz, Biel).

R

egula und Kuno Cajacob erinnern sich

noch gut an ihre erste Besichtigung des

Hauses an der Bieler Alpenstrasse:

«Bei uns ist der Funke übergesprungen,

als wir im Inneren all die Details sahen.

Die alten Fenster haben uns begeistert, der

grosse Kachelofen, das Raumgefühl ... Die Verkäufer

haben gemerkt, dass wir diese Architektur

schätzen und erhalten wollen. Vielleicht

haben wir deshalb die Zusage erhalten.»

Aus Distanz wirkt das Haus von 1903 wie

eine stattliche Villa. Erst die beiden Eingänge

und die Abtrennung im Garten lassen zwei

selbstständige Haushälften erkennen. Mit der

asymmetrischen Konzeption des Hauses reagierten

die Architekten Bösiger & Daxelhoffer auf

die Situation am südostorientierten Jurahang.

Die Loggia und der gerundete Vorbau fangen für

beide Hausteile möglichst viel Sonnenlicht ein.

Historische Details und neue Bauteile

2001 zogen die neuen Besitzer in die westliche

Haushälfte ein. «Weil wir nicht vom Fach sind,

haben wir uns für den Unterhalt bei spezialisierten

Handwerkern und bei der Denkmalpflege

erkundigt», berichten sie. So sind heute

zum Teil noch die sorgfältig gepflegten alten

Rollläden in Gebrauch. Viele der Fenster stammen

ebenfalls aus der Bauzeit und wurden behutsam

nachgerüstet. Für die restaurierte Haustür

erhielt die Bauherrschaft ein Gitter aus dem

Bauteillager der Denkmalpflege. Die bisher

grösste Veränderung ist die erneuerte Küche.

«Wir haben uns für eine moderne Möblierung

entschieden. Die Spannung zwischen Alt und

Neu fasziniert mich», sagt Regula Cajacob. Das

Küchenfenster wurde zu einer Tür erweitert,

die direkt in den Garten führt, ein kleiner Eingriff

mit grossem Gewinn an Wohnqualität. Der

Bauberater der Denkmalpflege unterstützt die

Massnahme: «Es muss möglich sein, sich so

einzurichten, dass man sich wohlfühlt.»

Als sich der Verkauf des benachbarten

Hausteils anbahnte, baten Cajacobs, bei der

Suche nach einer Käuferschaft mitwirken zu

dürfen. Sie wollten jemanden finden, der sich

für die original erhaltene, aber unterhaltsbedürftige

Innenausstattung begeistern liesse.

Pragmatisches Vorgehen

Bei Nina und Sven Harttig sprang der Funke

ein zweites Mal über, sie wurden die neuen

7

6

6 Die neuen Terrazzoböden

in Küche und

Bad könnten so auch

1903 eingebaut worden

sein. Die moderne Ausstattung

der Nasszellen

ist perfekt auf das Haus

abgestimmt.

7 Die Raumkonzeption

des Dachgeschosses hat

sich komplett verändert.

Der Raum ist ein

idealer Rückzugsort

und strahlt heute Geborgenheit

aus.

Vom Rebberg zum Wohnquartier

An bester Aussichtslage über der Seevorstadt entstand im frühen 20. Jahrhundert

an der Stelle des Rebberges ein gehobenes Wohnquartier. Text: Ursula Maurer

L

ange stand sie ganz allein in luftiger

Höhe: die schlösschenartige Villa

Jägerstein, die sich der Architekt und

leidenschaftliche Jäger Alexander

Köhli 1863 erbaut hat. Wie alte Fotos belegen,

bestand der Steilhang über der Seevorstadt zu

jener Zeit noch ausschliesslich aus Rebland,

das von kleinen Stützmauern durchzogen war.

Erst 1896 entstand westwärts unterhalb des

«Jägersteins» ein zweites Wohnhaus, bis zur

Jahrhundertwende folgten in fast unmittel barer

Nähe vier weitere. Stilistisch gehören sie mit

ihren der Renaissance, dem Barock und dem

Klassizismus entliehenen Dekorelementen alle

zum Historismus.

Zwischen 1900 und dem Ausbruch des Ersten

Weltkriegs 1914 dehnte sich die Bebauung

weiter nach Westen sowie hangaufwärts entlang

der kleinen Rebbergwege aus. Es waren

meist gut situierte Bürger, die hier an bester

Aussichtslage bauten: Fabrikanten, ein Technikumsprofessor,

ein Apotheker, ein «Handelsmann».

Dazu kamen Architekten und Baugeschäfte,

die auf eigene Rechnung Häuser

erstellten und verkauften. Villen im Heimatstil

waren jetzt besonders beliebt, zuweilen in

Anlehnung an ein barockes Landhaus entworfen,

oder auch mit zeitgemässem Touch.

Ab 1904 baute die Stadt den Weg durch das

schnell wachsende Quartier aus. 1908 setzten

die Anwohner seine Umbenennung durch: Nicht

mehr Jägersteinweg hiess er nun, sondern Alpenstrasse,

zum Missfallen des Schweizer Heimatschutzes,

der bedauerte, «dass der Sinn für

gute Eigenart (…) einer gewissen Grossmannssucht

hat weichen müssen.» Noch im gleichen

Jahr begann man unterhalb der Strasse mit dem

Bau des Gymnasiums, einem Monumentalbau

mit dominierender Fernwirkung.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die

Hangbebauung vervollständigt, zuerst noch

vorwiegend im Heimatstil, ab 1930 zunehmend

im Geist der Moderne. Auch die bedeutenden

Architekten Salvisberg & Brechbühl sind hier

vertreten: 1936 erstellten sie neben der Brücke

unterhalb des «Jägersteins» ein grosszügiges

Wohnhaus.

Plan der Stadt Biel

und Umgebung 1902,

ausgeführt vom

städtischen Katasterbüro

(Vögeli).

Im rechten oberen

Drittel ist die

«Villa Jägerstein» zu

sehen, darunter der

Jägersteinweg (die

spätere Alpenstrasse)

mit den ab 1896 entstandenen

Wohnhäusern

(Archiv Baudirektion

der Stadt Biel).

6

7


9

Nachbarn. Architekt Harttig ging die Restaurierung

2014 pragmatisch an: Er frischte die

qualitätvolle Ausstattung auf und griff nur dort

ein, wo es bautechnisch notwendig war oder wo

mit geringem Substanzverlust eine wesentliche

Komfortverbesserung zu erreichen war.

Spannend sei die Erarbeitung eines Farbund

Materialkonzepts in Anlehnung an die Befunde

einer Farbuntersuchung gewesen, erinnern

sich die Eigentümer. Wollten sie die

schweren dunklen Holzelemente holzsichtig

belassen oder nicht? Sie entschieden sich für

einen teilweisen Anstrich – die gliedernden

Elemente blieben holzsichtig. Die ursprünglichen

Öfen fehlten; im Bauteillager der Denkmalpflege

fand sich jedoch mit zwei kleinen,

bauzeitlichen Kachelöfen aus Bieler Produktion

ein idealer Ersatz. Die Ausstattung der Nasszellen

ist neu, aber perfekt auf das Haus abgestimmt.

Die Küche verfügt – wie nebenan – über

einen Ausgang in den Garten. Mit einem Kunstgriff

schuf die Bauherrschaft zudem einen

Durchgang ins Esszimmer: Türen und Rückwand

des raumhohen Schranks wurden demontiert

und das Innere neu verkleidet.

Während der Innenrestaurierung entschieden

sich Harttigs, das Dachgeschoss auszubauen.

Da die Vergrösserung der bestehenden

Lukarne die Proportionen des Hauses beeinträchtigt

hätte, wurde ein Dachflächenfenster

eingebaut. Diese Massnahme wurde von Sven

Harttig und dem Bauberater der Denkmalpflege

genau abgewogen. «Solche Diskussionen

sind beim Bauen normal», sind sich

Bauberater und Architekt einig. Die Raumkonzeption

des Dachgeschosses hat sich in der

Folge komplett geändert. Heute schätzen die

Besitzer gerade die Geborgenheit, die der Dachraum

ausstrahlt, ihr Refugium im turbulenten

Arbeits- und Familienalltag.

Eine Frage der Verhältnismässigkeit

Auch bezüglich der Energiefrage analysierte

Harttig seinen Hausteil sorgfältig und bestimmte

gemeinsam mit dem Bauberater, wo

eine Verbesserung sinnvoll ist. Das Dach wurde

gedämmt, Erd- und Obergeschoss blieben

einschliesslich der Fenster unverändert. Die

Ästhetik der originalen Fenster gehört für beide

Parteien zum Charakter und zum Charme

ihres Hauses. «Wir könnten noch einiges machen,

müssen aber nach der Verhältnismässigkeit

und dem Substanzverlust fragen», findet

Harttig, «energetisch darf man das Haus

10

8

« Weil wir nicht vom Fach sind, haben wir

uns für den Unterhalt bei spezialisierten

Handwerkern und bei der Denkmalpflege

erkundigt. » Kuno Cajacob

8 Die grosszügig

befensterte Loggia

fängt viel Sonnenlicht

ein. Die Fenster und

Vorfenster stammen

aus der Bauzeit und

begeistern durch ihre

Ästhetik.

9 Die Qualität zeigt

sich im Detail, auch die

sorgfältig gepflegten

alten Rollläden sind

heute zum Teil noch in

Gebrauch.

10 Das Küchenfenster

wurde zu einer Tür

erweitert, die direkt in

den Garten führt. In

der modernen Küche

fasziniert die Spannung

zwischen Alt und Neu.

8


11 «Im Winter wirkt

der geheizte Kachelofen

für uns wie eine

eigenständige Persönlichkeit,

er will achtsam

befeuert werden.»

(Kuno Cajacob).

12 Der Terrazzoboden

der Loggia weist ein

Randfries mit goldschimmernden

Steinchen

auf, er musste

lediglich gereinigt

werden.

13 + 14 Der Garten ist

für die Bauzeit und das

Quartier typisch: Kiesflächen,

Rabatten, Terrassen

mit Mäuerchen

aus Jurakalksteinen.

Nina und Sven Harttig mit ihren Kindern (links im Bild), Regula und Kuno Cajacob.

Kontaktadressen

Planung und Ausführung

(Alpenstrasse 35 und Fassaden)

Harttig Architekten GmbH

Mattenstrasse 90, 2503 Biel-Bienne

T 032 365 60 30

www.harttig-architekten.ch

Bauberatung Denkmalpflege

Rolf Weber

Denkmalpflege des Kantons Bern

Münstergasse 32, 3011 Bern

T 031 633 40 30

www.be.ch/denkmalpflege

Farbuntersuchung

Hans-Jörg Gerber

Ringstrasse 6, 2560 Nidau

T 032 331 26 21

restaurierungen@bluewin.ch

Maler- und Gipserarbeiten

Carmelo Aliberto

Zohngasse 45, 2562 Port

T 032 365 18 38, www.aliberto.ch

Roman Stalder GmbH

Brünnmatten 20, 2563 Ipsach

T 032 331 97 40, www.malerei-stalder.ch

Fenster

Rosa Fenster GmbH

Meisenweg 10, 3292 Busswil

T 032 387 05 50, www.rosafenster.ch

Schreinerarbeiten

(Alpenstrasse 33), Martin Jegge

Obergasse 4 und 10, 2502 Biel-Bienne

T 032 323 49 58

www.jegge-antiquitaeten.ch

(Alpenstrasse 35), Hurni + Sohn AG

Riederenstrasse 10, 3206 Ferenbalm

T 031 754 50 50

www.hurni-schreinerei.ch

Holzböden

Brodbeck AG

Zentralstrasse 27, PF, 2501 Biel-Bienne

T 032 329 32 00, www.brodbeck-ag.ch

Hafnerarbeiten

Benjamin Zweifel

Hinterstädtli 31, 4537 Wiedlisbach

T 079 565 19 83

www.zweifelofenbau.ch

Daniel Enz-Rubin

Scheunenberg 71, 3251 Wengi b. Bern

T 032 389 50 63

Schlosserarbeiten

Schweres – Urs Himmelreich

Metall- und Möbelbau

Schloss Reichenbach, 3052 Zollikofen

T 031 911 96 00, www.schweres.ch

11 12

Südfassade

nicht mit heutigen Massstäben messen, aber

man kann nicht alles haben.»

In einem Baudenkmal zu wohnen, empfinden

alle Bewohnerinnen und Bewohner als

Bereicherung. Harttigs sind fasziniert von der

Ästhetik und der bautechnischen Qualität; ihre

Nachbarn schätzen es, das Wohngefühl, die

Geschichte des Hauses zu spüren, und die verschiedenen

Facetten der Architektur zu erleben:

«Für jede Jahreszeit hat das Haus einen

Joker; die Wärme der Kachelöfen im Winter,

den wechselnden Lichteinfall in der Übergangszeit,

den Garten im Sommer.»

Nicht «schöner denn je»

Der Garten ist für die Bauzeit und das Quartier

typisch: Kiesflächen, Rabatten, bergseitige

Terrassen mit Mäuerchen aus Jurakalksteinen.

Die Einfriedung liessen Cajacobs aus

wiederverwendeten Schmiedeeisengittern anfertigen.

Alles ist instand gestellt, doch auch

hier ist nicht «schöner denn je» das erklärte

Ziel, sondern die alltägliche Nutzung.

2014 restaurierten die Besitzer gemeinsam

die Fassaden und das Dach. Vorgängig hatten

sie ein Farb- und Materialkonzept erstellt. Auch

hier stand die Praxistauglichkeit im Vordergrund:

Das Konzept wird als Leitplanke für

künftige Unterhaltsarbeiten dienen. Eine erstaunlich

bunte Farbkombination prägt heute

das Gebäude am ehemaligen Bieler Rebhang.

«Dass wir hier sind, ist für uns und für unsere

Kinder ein Glücksfall», resümiert Nina Harttig.

Dasselbe gilt auch umgekehrt: Ein Doppelhaus

hat seine idealen Besitzer gefunden.

« Für jede Jahreszeit hat das

Haus einen Joker; die Kachelöfen

im Winter, den wechselnden

Lichteinfall in der Übergangszeit,

den Garten im Sommer. »

Kuno Cajacob

13 14

Erdgeschoss

WC

Entree Küche

Küche

WC

Entree

Essen Wohnen

Essen Wohnen

0 5

NEU

WOHNUNG HARTTIG

WOHNUNG CAJACOB

N

10

11


Bauen und Wohnen im historischen Umfeld:

Lust oder Last – oder von beidem etwas?

Als Architekt setzt Sven Harttig auf die Ästhetik und die Qualität der

alten Bausubstanz statt auf Luxus. Für ihn und seine Familie ist es eine

grosse Bereicherung, in einem historischen Bauwerk zu wohnen.

SPEZIALPREIS 2016

Wohnliches

Gewerbehaus

Sven Harttig

Wie beraten Sie als Architekt eine Bauherrschaft,

die ein historisches Gebäude

besitzt und dieses renovieren oder umbauen

will?

Das ist sehr individuell. Als Architekt ist man

sicher in einer Vermittlerrolle, zwischen der

Bauherrschaft, dem Gebäude, der Denkmalpflege.

Die Leute sind sehr verschieden; es gibt

jene, die die historische Bausubstanz schätzen

und bereit sind, ihren Horizont zu öffnen, nach

dem Motto: je mehr fachliche Meinungen, desto

besser. Andere Bauherrschaften haben eher

Berührungsängste, gerade bezüglich denkmalpflegerischer

Aspekte, oder sehen mehr die

wirtschaftliche Seite. Als Architekt muss man

prüfen, wo man die Leute abholen kann, wie

weit man gehen kann. Entsprechend muss ein

auf die Bauherrschaft zugeschnittenes Renovierungskonzept

erarbeitet werden. Dabei ist

es wichtig, auch die finanzielle Seite zu beachten.

Man muss einen Umbau in einem vernünftigen

Rahmen halten, pragmatische Lösungen

sind gefragt.

Wie arbeiten Sie mit der Denkmalpflege

zusammen?

Die Diskussionen mit der Denkmalpflege sind

oft intensiv, aber auch wertvoll: Oft ist es hilfreich,

als Architekt einen Sparringpartner zu

haben! Ich lernte den Bauberater der Denkmalpflege

als kooperativen Partner kennen,

dem bewusst ist, dass eine Bauherrschaft im

Extremfall auch alle denkmalpflegerischen

Vorschläge von sich weisen kann. Die finanzielle

Unterstützung bei der Sanierung von Altbau

ten ist hingegen immer willkommen und

kann Einfluss auf die Entwicklung eines Bauprojekts

haben.

Es heisst oft «Denkmalpflege gleich

teuer». Wie beurteilen Sie dies?

Sanieren ist generell relativ teuer. Bei der Sanierung

eines Altbaus gilt eigentlich das Gleiche

wie für einen Neubau: Wenn man sich für

gute Material- und Handwerkerqualität entscheidet,

hat dies seinen Preis. Die fachgerechte

Rekonstruktion von historischen Bauteilen

kann kostspielig sein, man schafft damit aber

auch einen Mehrwert. Der Mehraufwand, der

bei der Restaurierung von historischen Bau-

« Die Qualitäten alter

Bauten kennenzulernen und

zu verstehen, hat mein

Architekturverständnis

beeinflusst. »

teilen entsteht, wird in der Regel durch die

finanziellen Beiträge mehr oder weniger gedeckt.

Interessanterweise ist die Sanierung jüngerer

Bauten aus den 1960er- und 70er-Jahren

oft komplexer als jene von älteren Gebäuden.

Ältere Bauten haben den Vorteil, dass die Fügungen

klar und die Leitungen sichtbar sind.

Es sind eigentlich «mechanische» Bauten. Das

macht die Restaurierung einfacher.

Wer fühlt sich von historischen Bauten

angesprochen?

Ein Publikum, das den Wert eines solchen Baus

erkennt, die originale Bausubstanz schätzt, und

bereit ist, dafür etwas zu bezahlen. Altbauwohnungen

sind beliebt, auch wenn ihr Standard

häufig nicht mit einer Neubauwohnung zu vergleichen

ist; zum gleichen Preis kann man in

vielen Fällen auch in einen Neubau ziehen. Ich

denke, die Ambiance macht sehr viel aus und

bringt die Leute dazu, trotz eventueller Abstriche

beim Komfort lieber in Altbauten zu

wohnen.

Was genau macht für Sie die Anziehungskraft

dieser Häuser aus?

Ich habe den Eindruck, dass in alten Häusern

mehr Leute spontan finden «das gefällt mir,

hier fühle ich mich wohl», als dies in modernen

Bauten der Fall ist. Über die Gründe kann

man philosophieren … Es hat wahrscheinlich

mit unserer Wahrnehmungserfahrung zu tun.

Alte Häuser rufen Bilder hervor, die uns vertraut

sind, zu denen wir Assoziationen haben.

Die Auseinandersetzung mit alten Häusern hat

auch mein Verständnis für moderne Bauten

verändert. Die Qualitäten alter Bauten kennenzulernen

und zu verstehen, hat mein Architekturverständnis

beeinflusst.

Was bedeutet es für Sie persönlich und

für Ihre Familie, in einem historischen

Bauwerk zu wohnen?

Es ist eine Bereicherung für uns! Wir sind heute

schon gespannt, welchen Stellenwert das

Haus für unsere Kinder in 20 Jahren haben

wird. Auf jeden Fall versuchen wir, ihnen die

Wertschätzung für ein solches Gebäude weiterzugeben.

Es gibt Momente, in denen wir auf

dem Sofa sitzen und uns ein spezielles Detail

auffällt, das wir so noch nie wahrgenommen

haben. Dies sind kleine Glücksmomente. Es ist

für uns keine Einschränkung, in einem denkmalgeschützten

Haus zu wohnen, eher das Gegenteil

ist der Fall. Wenn man eine andere

Wohnvorstellung hat, soll man sich nicht für

ein solches Haus entscheiden.

I nterview: Elisabeth Schneeberger

1 Das ehemalige Büro- und Lagergebäude

in Burgdorf ist ein Blickfang

an der alten Ausfallstrasse nach Bern.

Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege würdigt das

Engagement einer Bauherrin, die sich mit viel Elan für einen ehemaligen

Lager- und Gewerbebau in Burgdorf eingesetzt hat.

Text: Isabella Meili-Rigert, Hermann Häberli, Fotos: Verena Menz, Redaktion: Silvia Steidinger

12

13


A

ls die Glaskünstlerin Maya Manz das

Haus an der Bernstrasse 9 Anfang 2014

erworben hatte, um darin zwei Wohnungen

und ein Atelier mit Verkaufsraum

zu schaffen, bot es einen recht tristen Anblick;

die Fassaden waren stark verwittert, ein

Loch klaffte in der nordöstlichen Stirnfassade,

und eine Plane deckte notdürftig das undichte

Dach über dem Eingangstrakt. 1860 von

Robert Roller junior als Büro- und Lagergebäude

für die Leinwandfirma der Gebrüder Fankhauser

errichtet, war in dem schlichten, aber

sehr wohlproportionierten Riegbau während

mehrerer Jahrzehnte eine Druckerei betrieben

worden. 2006 wurde der Bau an einen Investor

verkauft. Der Abbruch des Hauses stand

zur Diskussion, konnte aber abgewendet werden.

In der Folge liess der Investor durch die

Architekten Hunziker und Partner aus Oftringen

im grossen Garten einen Wohnungsneubau

planen, dessen Tiefgaragenzufahrt einzig

noch den Abbruch der angebauten Remise erforderte.

Der schützenswerte Altbau wurde abparzelliert

und kam wieder auf den Markt.

Restaurierung orientiert sich

am historischen Bestand

Ein Glücksfall für die neue Bauherrin. Sie plante

in Zusammenarbeit mit der kantonalen Denkmalpflege

die Sanierung und den Umbau selber,

engagierte für die Ausführung einen erfahrenen

Bauleiter und arbeitete während unzähliger

Stunden eigenhändig auf der Baustelle mit.

Ausser den notwendigen Anpassungen an die

neue Nutzung wurden alle Umbauphasen als

historische Zeugnisse erhalten, instand gestellt

und renoviert. Mussten Bauteile ersetzt werden,

orientierte man sich am bauzeitlichen Originalbestand.

Nach diesem Konzept wurden die Riegfassaden

fachgerecht ergänzt und geflickt und

in der bestehenden Farbgebung aus dem frühen

20. Jahrhundert neu gestrichen. Die Eingangsachse

erhielt wieder eine Zinkblecheindeckung,

die Kamine historisch korrekte Hüte und die

Fenster wurden material- und stilgerecht ersetzt.

Die Zimmer und ihre Nutzungen wurden

über die Stockwerke hinweg so auf die Wohnungen

aufgeteilt, dass auch die zweite interne

Treppe weiterhin voll funktionsfähig ist.

Gewerbliche Patina blieb erhalten

Im bauzeitlich erhaltenen Erdgeschoss, wo einst

Leinenstoffe gehandelt und später Druckwaren

produziert worden waren, baute man ein

Bad, eine Küche und einen kleinen Verkaufsladen

ein, der den direkten Treppenabgang ins

Atelier im Untergeschoss nutzen kann und der

neu von der Strasse her zugänglich ist. Die originalen

Farben der Wandtäfer wurden leicht

aufgehellt und die alten Parkette von Hand geschliffen,

sodass die Patina ihrer gewerblichen

Nutzung erhalten blieb. Im Obergeschoss, wo

im ursprünglichen Lagerraum bereits in den

1950er-Jahren eine Wohnung eingebaut worden

war, wurden einzig der Standort der Küche

verändert und wiederum die Oberflächen

2

aufgefrischt. Zusätzlich wurden zwei isolierte

Kammern in den ansonsten kalt belassenen

Dachraum eingebaut, die der oberen Wohnung

als Gästezimmer dienen. Inzwischen ist auch

der Neubau aufgerichtet – den Blickfang bildet

aber wieder der Altbau.

Würdigung

So einfach und überzeugend kann Umbauen

am Baudenkmal sein. Ein schlichtes, jedoch

markantes Gebäude, dessen Umschwung fast

gänzlich abhandengekommen ist, wurde auf

selbstverständliche und grossartige Weise wiederbelebt.

Der Bau behauptet sich überraschend

im Strassenraum. Der kleine mediterran arrangierte

Vorplatz, welcher situativ ganz unterschiedlich

bis hin zum Autoabstellplatz genutzt

wird, ist über zwei abgesenkte Fensteröffnungen

erschlossen. Der Besucherin und dem Passanten

tritt schon von weitem eine lebendige

Gestaltung entgegen – allerdings ohne aufdringlich

zu wirken. Im gepflegten Innern steht

leichtes Mobiliar auf dem von schweren

Druckerpressen und Druckerschwärze gezeichneten

Parkettboden. Bei den vielen erbrachten

aufwendigen Reparaturen und liebevollen Pflegemassnahmen

erfreuen warme Farben und

Oberflächen und auch eigenwillige Massnahmen,

wie ein unkonventioneller eigenhändig

applizierter Bodenanstrich, das Auge des Besuchers.

Schien das Gebäude noch vor kurzem

in seiner Existenz gefährdet, ist es mit seiner

Geschichte und allerlei Geschichten wieder fit

und bereit, die jetzigen und folgenden Generationen

zu beherbergen. Der Spezialpreis würdigt

das mit Sparsamkeit und feinem Gespür

ausgeführte Teamwerk bei der Restaurierung

und das grosse und vielseitige Engagement der

Bauherrin.

2 Wo einst Maschinen standen,

wird heute gewohnt. Hier mussten

lediglich die Oberflächen aufgefrischt

werden.

3 Das Treppenhaus im Obergeschoss

erfuhr ausser einer

farblichen Auffrischung keine

Veränderung.

3

4 Aus den ehemaligen Büroräumen entstand eine neue

Nutzungseinheit als Küche und Esszimmer. Der Schrank

ist von Küche und Esszimmer her nutzbar.

5 Das Atelier im Kellergeschoss wird durch die bestehende

Treppe erschlossen, die direkt in das kleine, von der

Wohnung abgetrennte Verkaufslokal im Erdgeschoss führt.

4 5

Fachkommission für Denkmalpflege

Spezialpreis 2016

Der Spezialpreis der Fachkommission für Denkmalpflege

wird 2016 zum dritten Mal verliehen.

Während die kantonale Denkmalpflege mit dem

Hauptpreis die respektvolle Behandlung eines

Baudenkmals mit Alltagsnutzung würdigt, richtet

der Spezialpreis das Augenmerk generell auf

eine beispielhafte Restaurierung oder auf eine

spektakuläre Einzelmassnahme.

Beim Spezialpreis geht es nicht um ein Baudenkmal

mit Alltagsnutzung wie beim Hauptpreis,

sondern um die sorgfältige Restaurierung

eines aussergewöhnlichen Baudenkmals – mit

entsprechend aufwendigen Massnahmen, um

Kontaktadressen

Bauleitung

Hausflüsterer

Dieter Ballmer und Maya Manz

Obstgartenstrasse 10, 3400 Burgdorf

T 034 423 37 54

Bauberatung Denkmalpflege

Isabella Meili-Rigert

Denkmalpflege des Kantons Bern

Münstergasse 32, 3011 Bern

T 031 633 40 30, www.be.ch/denkmalpflege

Malerarbeiten

Innen: Antonio Zizzari

Steinhofstrasse 41A, 3400 Burgdorf

T 034 422 06 24

Aussen: Pascal Singeisen

Burgergasse 48, 3700 Burgdorf

T 034 423 00 34, www.singeisen.ch

Zimmerarbeiten

Kühni AG

Emmentalstrasse 102, 3435 Ramsei

T 034 460 68 68, www.kuehni-ag.ch

eine bemerkenswerte Lösung oder das herausragende

Engagement einer Bauherrschaft. Zur

Auswahl steht die ganze Palette möglicher Bautypen,

also Kirchen, Schlösser und Gasthöfe

ebenso wie Wohnhäuser, Villen, Gewerbebauten

oder seltene Bautypen wie Wettersäulen und

Staumauern. Ziel des Denkmalpflegepreises und

des Spezialpreises ist es, die Arbeit der Denkmalpflege

an ein breites Publikum zu vermitteln

und den Austausch mit Partnern zu fördern. Die

Fachkommission für Denkmalpflege ist als

externe Jury für die Wahl des Spezialpreises zuständig

und bringt damit eine wichtige Aussensicht

ein. Entscheidend sind zum einen allgemein

gültige Kriterien wie die unbestrittene

Qualität der Restaurierung, zum andern können

auch innovative oder nachhaltige Lösungen den

Ausschlag geben.

Der Denkmalpflegepreis und der Spezialpreis

zeigen auf, über welchen kulturellen

Reichtum der Kanton Bern vom Jura bis ins

Oberland verfügt und was im Bereich der Kulturpflege

geleistet wird – insbesondere von privaten

und öffentlichen Bauherrschaften, Architektinnen

und Architekten und Bauschaffenden

in Zusammenarbeit mit den Fachstellen.

14

15


Sonderdruck der Denkmalpflege des Kantons Bern

und der Zeitschrift UMBAUEN+RENOVIEREN, Archithema Verlag

www.be.ch/denkmalpflege und www.archithema.ch

Denkmalpflege des Kantons Bern

Denkmalpflegepreis 2016

Die Denkmalpflege des Kantons Bern zeichnet mit dem Anerkennungspreis eine

Bauherrschaft aus, die ein Baudenkmal mit Alltagsnutzung in Zusammenarbeit mit

der Fachstelle sorgfältig restauriert und weiterentwickelt hat. Auch weniger beachtete

– auf den ersten Blick – unspektakuläre Bauten rücken in den Fokus: Die Denkmalpflege

legt mit dem Denkmalpflegepreis einen Akzent auf die zahlreichen

charakteristischen, architektonisch, geschichtlich oder technisch interessanten

Gebäude, welche die Identität unserer Dörfer und Städte genauso stark prägen wie

Herrschaftsbauten und Kirchen, in deren Schatten sie oft stehen. Die Auszeichnung

würdigt sowohl den respektvollen Umgang mit dem Baudenkmal als auch innovative

Lösungen. Zu den Kriterien gehören die Qualität einer Restaurierung, die Sorgfalt

in der Ausführung und die ökologische Nachhaltigkeit der Massnahmen. Im

Vordergrund steht die Werterhaltung, nicht die Wertvermehrung. Mit einem angemessenen

Budget soll Wohnqualität erhalten, optimiert oder geschaffen werden.

Erziehungsdirektion des Kantons Bern

Amt für Kultur/Denkmalpflege

Direction de l’instruction publique du canton de Berne

Office de la culture/Service des monuments historiques

www.be.ch/denkmalpflege

Die Denkmalpflege des Kantons Bern bedankt sich herzlich bei

Regula und Kuno Cajacob sowie Nina und Sven Harttig, dem Fotografen

Stefan Weber, der Fotografin Verena Menz sowie bei der

Redaktorin Silvia Steidinger.

Das Schweizer Magazin für Modernisierung

erscheint sechsmal pro Jahr.

Umbauen+Renovieren bietet Ihnen anschauliche

Reports aus den Bereichen Umbau und

Sanierung, Werterhaltung und Renovation

sowie Umnutzung und Ausstattung. Dazu praktisches

Wissen über Ausbau, Haustechnik, Baubiologie

und Gestaltungsfragen vom Grundriss

bis zur Farbe, von der Küche bis zum Badezimmer.

Jede Ausgabe steht unter einem thematischen

Fokus, was die präsentierten Objekte

für den Leser vergleichbar macht.

www.umbauen-und-renovieren.ch

www.archithema.ch

Ausgezeichnet

Umnutzung und Restaurierung des Schulhauses

Mauss in Mühleberg, Kanton Bern

2010

Denkmalpflegepreis

Umnutzung und

Restaurierung des

Schulhauses Mauss in

Mühleberg

2011

Denkmalpflegepreis

Aussenrestaurierung

eines Wohnhauses in

Hünibach bei Thun

2012

Denkmalpflegepreis

Innenumbau eines

Reihenhauses in Wabern

Impressum

Herausgeber: Archithema Verlag AG

Rieterstrasse 35

8002 Zürich, T 044 204 18 18

www.archithema.ch

Denkmalpflege des Kantons Bern

Münstergasse 32, 3011 Bern, T 031 633 40 30

www.be.ch/denkmalpflege

Verleger: Emil M. Bisig

emil.bisig@archithema.ch

Chefredaktion: Britta Limper

britta.limper@archithema.ch

Redaktion: Silvia Steidinger

silvia.steidinger@archithema.ch

Grafik: Evelyn Acker

evelyn.acker@archithema.ch

Bildtechnik: Thomas Ulrich

thomas.ulrich@archithema.ch

Druck: AVD Goldach

Sulzstrasse 12, 9403 Goldach

© 2016 Archithema Verlag AG

Jeder Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur

mit Erlaubnis des Verlages, der Redaktion und

der Denkmalpflege des Kantons Bern gestattet.

2013

Denkmalpflegepreis

2014

Denkmalpflegepreis

2015

Denkmalpflegepreis

Innenrestaurierung eines

Bauernhauses in

Cortébert

Sanfte Sanierung eines

Wohnhauses in Muri bei

Bern

Grosses Engagement und

neue Nutzungen für eine

Mühle bei Bern

16

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!