GOM002_Magazin_2016-01_01_opt
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Interview<br />
„GUTE QUALITÄT<br />
SCHMECKT MAN<br />
EINFACH“<br />
rank Schneider arbeitet seit 2<strong>01</strong>4 bei<br />
F<br />
Gourmondo. Hier betreut er unter anderem<br />
die Kategorien Pasta, Süßwaren und Konserven.<br />
In der Familie des gebürtigen Schwaben<br />
wurde schon immer großer Wert auf gutes<br />
Essen gelegt. Bis Frank jedoch Genuss zum Teil seiner<br />
Arbeit machte, dauerte es noch eine Weile. Er studierte<br />
in Ravensburg „irgendwas mit Medien“. Anschließend<br />
arbeitete er im Vertrieb und Online-Marketing eines<br />
großen deutschen Verlagshauses in München. Als er einen<br />
Studienfreund besuchte, der auf einem Bio-Hof lebte,<br />
offenbarte sich ihm, wie gut Produkte schmecken können,<br />
wenn vieles vorher richtig gemacht wird. Ihm war sofort<br />
klar, dass er mehr darüber wissen wollte. Er bewarb sich<br />
für den Masterstudiengang „Food Culture and Communication“<br />
an der University of Gastronomic Science im italienischen<br />
Pollenzo, bekam die Zusage und kündigte.<br />
Die Uni ist auch als Slow-Food-Universität<br />
bekannt – was hat dich daran gereizt?<br />
Überzeugt hat mich vor allem der<br />
360-Grad-Blickwinkel, mit dem die Bedeutung<br />
des Themas Essen für Politik, Ökologie, Medien,<br />
Gesellschaft, Ethik oder auch Entwicklungshilfe<br />
dort beleuchtet wird. Wie essentiell das Essen für<br />
die Kultur eines Landes ist, wurde mir in Italien erst<br />
so richtig bewusst. Außerdem hat mich der große<br />
Praxisanteil gereizt.<br />
Wie sah der aus?<br />
Wir haben viel über Sensorik gelernt: Wie<br />
verkoste ich richtig? Wie beurteile ich welches<br />
Produkt? Welche Kriterien sind dabei jeweils<br />
zu beachten? Wie schmecken überhaupt gute<br />
Lebensmittel und wie entwickelt sich der Geschmack?<br />
Das und die zahlreichen Besuche bei<br />
Landwirten, Winzern, Ölbauern und Produzenten<br />
kommen mir jetzt bei meiner täglichen Arbeit<br />
hier zugute.<br />
Inwiefern?<br />
Nun, jedes Produkt in unserem<br />
Sortiment muss sich seine Listung ja<br />
verdienen, indem es unserer Philosophie<br />
entspricht. Wir suchen Produkte von<br />
hoher Qualität – handwerklich Hergestelltes,<br />
Limitiertes, Exklusives, Traditionelles,<br />
Authentisches oder die internationale<br />
Spezialität. Viele Produzenten<br />
behaupten, dass ihre Produkte gewisse<br />
Eigenschaften besitzen; Wir prüfen es<br />
nach, haben eine konkrete Vorstellung<br />
davon, wie beispielsweise Spaghetti zu<br />
schmecken haben oder Kaffee, Öl und<br />
Butter. Dafür müssen wir verkosten.<br />
Wie läuft das konkret ab?<br />
Wir haben erst kürzlich eine große<br />
Pastaverkostung bei uns gemacht. Ziel<br />
war es, die richtige Nudel für unsere<br />
Eigenmarke zu definieren, also sehr gute<br />
Qualität zu einem akzeptablen Preis zu<br />
finden. Im ersten Schritt definieren wir den<br />
Referenzgeschmack. Das ist ein Produkt,<br />
das für uns alle Eigenschaften einer sehr<br />
guten Pasta erfüllt. Damit müssen sich<br />
dann die Bewerber – es waren über zehn<br />
verschiedene Produzenten – messen.<br />
Wir beurteilen zunächst Optik und Haptik<br />
im ungekochten Zustand. Das hat einen<br />
Grund. Wir suchten eine Pasta, die durch<br />
eine Bronzeform gedrückt wurde. Dieser<br />
handwerkliche Vorgang sorgt für eine<br />
raue Oberfläche. Das ist wichtig, damit die<br />
Sauce gut an der Nudel haftet. Und natürlich<br />
sollte eine Fussili auch aussehen wie<br />
eine Fussili. Danach kochen wir die Pasta<br />
nach Anleitung. Nach der vorgeschlagenen<br />
Kochzeit bewerten wir die Nudel zum<br />
ersten Mal: Wie nah kommt das Ergebnis<br />
an „al dente“ nach deutscher Definition<br />
heran?<br />
Gegebenenfalls kochen wir die Nudel<br />
dann bis zum <strong>opt</strong>imalen Garzustand<br />
fertig. Dann wird die Nudel unter<br />
verschiedenen Kriterien beleuchtet:<br />
Kochfestigkeit, Gleichmäßigkeit der<br />
Konsistenz nach dem Kochen, Farbe,<br />
Geschmack, Textur nach Abkühlung.<br />
Wir prüfen, ob die Nudel Fehlaromen<br />
hat und ob sie ein schönes Weizenaroma<br />
aufweist. Probiert wird jede<br />
Nudel einmal pur und einmal mit<br />
Sauce – immer im Vergleich mit der<br />
Referenznudel. Zum Schluss kommt<br />
die K.-o.-Runde: Der Kreis der Bewerber<br />
tritt erneut gegeneinander an, bis eine<br />
Marke sich durchgesetzt hat.<br />
„Meistens sind es<br />
die einfachen Dinge,<br />
die höchste Genüsse<br />
auslösen ...“<br />
Was ist dein persönliches<br />
Genusskonzept?<br />
Ich habe kein bestimmtes<br />
Konzept, ich schätze generell eine<br />
gute Produktqualität – völlig unabhängig<br />
vom Preis. Meistens sind<br />
es die einfachen Dinge, die höchste<br />
Genüsse auslösen: eine gut gemachte<br />
Fleischbrühe, ein gutes Brot, ein gutes<br />
Ei. Qualität schmeckt man, davon bin<br />
ich überzeugt.<br />
Auf welche Qualitätsmerkmale<br />
achtest du?<br />
Es geht mir um den ganzen<br />
Prozess. Wie entstehen die Rohstoffe,<br />
wo kommen sie her, wie werden sie<br />
ausgewählt, produziert, verarbeitet<br />
... Dafür nehme ich mir Zeit. Lebensmittel,<br />
die all diese Kriterien perfekt<br />
erfüllen, sind auch im gehobenen<br />
Preisbereich nicht immer selbstverständlich.<br />
Qualität wird in Deutschland<br />
oft über Konstanz definiert: Dabei<br />
ist es bei handwerklich hergestellten<br />
Produkten völlig normal, dass es zu<br />
gewissen Schwankungen kommt.<br />
Butter schmeckt im Winter einfach<br />
anders, weil die Kühe anderes Futter<br />
bekommen.<br />
Du verantwortest auch den Bereich<br />
Fertigprodukte bei Gourmondo.<br />
Kann ein solches Produkt<br />
überhaupt bei dir bestehen?<br />
Ja, absolut, warum denn nicht?<br />
Fertigprodukt bedeutet ja nur, dass es<br />
nach dem Erwärmen verzehrfertig ist.<br />
Ich lege also bei meiner Beurteilung<br />
von Fertiggerichten den gleichen Maßstab<br />
an, den ich auch bei Selbstgekochtem<br />
anlege. Überhaupt finde ich,<br />
dass die Bezeichnung Konserve bzw.<br />
Fertiggericht viel zu negativ besetzt<br />
ist. Es geht ja darum, Produkte haltbar<br />
zu machen. Und wenn das behutsam<br />
und sauber gemacht wird, sowie auf<br />
Zusatzmittel verzichtet wird, dann<br />
steht dem Hochgenuss aus Glas oder<br />
Dose nichts im Weg.<br />
Welches Genusserlebnis ist dir am<br />
stärksten in Erinnerung geblieben?<br />
Auf Studienfahrt in Apulien haben<br />
wir einen Mozzarella-Produzenten<br />
besucht. Es war noch sehr früh am<br />
Tag. Der Vorgang der Mozzarella-<br />
Herstellung ist ein sehr ästhetischer<br />
Prozess: Die Kessel dampfen, es<br />
wird gerührt, in der Luft liegt der Duft<br />
gekochter Milch und Sahne, dann zieht<br />
es Fäden ... Wir konnten die frisch<br />
zubereitete Burrata probieren, ohne<br />
Würze, ohne alles. Das war ein absolutes<br />
Highlight und den Geschmack<br />
werde ich nie vergessen.<br />
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Gourmondo MAGAZIN<br />
INSIDE GOURMONDO<br />
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