Cruiser Sommer 2012 - 25 Jahre Jubiläum
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CRUISER Edition <strong>Sommer</strong> <strong>2012</strong><br />
Dossier<br />
Edel-Pelle oder nackte Eichel?<br />
90 Zentimeter Adergeflecht<br />
und 100 Schweissdrüsen<br />
– in der Vorhaut des<br />
Mannes steckt wahrlich viel<br />
Potenzial. Spielverderber<br />
bevorzugen jedoch bis heute<br />
die Zirkumzision – die Beschneidung<br />
eben dieser.<br />
Die Rüssel-Frage mutiert derweil zum wahren Glaubenskrieg. Dabei ist<br />
es ganz einfach: Mit etwas Spucke, Skalpell, Rasierklinge oder einem stabilen<br />
Küchenmesser lässt sie sich im Handumdrehen eliminieren. Und:<br />
Der Freund vom Doktor tut es, der Edelnudist aus Luzern tut es, der geliebte<br />
Rotzlöffel tut es.<br />
Bin ich damit automatisch moderner oder gar gesundheitsbewusster als<br />
alle anderen Elefanten mit Pelle? Fakt ist: Mit fast religiösem Eifer findet<br />
seit <strong>Jahre</strong>n nicht nur unter Schwulen in Amerika und Europa ein Glaubenskrieg<br />
um Sinn, Nutzen und Zweck der Vorhaut statt. Befürworter<br />
und Gegner der Beschneidung (Zirkumzision) beharken sich derzeit vor<br />
allem in Amerika, dem bisherigen Vorreiter an der blutigen Skalpell-<br />
Front. Während in den Staaten statt ehemals 80 Prozent der Babyes «nur»<br />
noch 50 Prozent routinemässig beschnitten werden, geht der Trend in<br />
Westeuropa ganz klar in die andere Richtung. Europäische Verfechter der<br />
Beschneidung propagieren und philosophieren seit einigen <strong>Jahre</strong>n erfolgreich:<br />
Vaselingesalbte, nackte Eicheln sind ästhetischer, schön geruchslos<br />
und praktischer, wenn es um die Potenz geht. Vor allem bei schwulen<br />
Rammlern fruchtet dies offensichtlich. Denn: Die zarte Vorhaut ist den<br />
ausdauernden Strapazen beim Analverkehr nicht immer gewachsen.<br />
Oft – zu oft, wie Schweizer Spitäler zu berichten wissen – fordert ungehemmter<br />
Sex in endloser Güte und wachsender Stabilität seinen Tribut.<br />
Sex-Unfälle mit stark blutendem Präputium finden sich dann auf der<br />
Urologie und zwingend auf dem Operationstisch.<br />
Generalsanierung als Ausweg?<br />
Spätestens wenn es einen richtig erwischt hat, schreckt man vor der Generalsanierung<br />
mit weniger blutender Schnittführung des Skalpells nicht<br />
zurück. Hier, und spätestens hier, scheint die Amputation der schrumpeligen<br />
Vorhautpelle angebracht. Beschneidung ist aber auch ein Lifestyle-<br />
Thema – vor allem unter schwulen Pornostarlets, die lebenslang – auch im<br />
höchsten Alter – aufopferungsvoll um die optimale Genitaloptik kämpfen.<br />
Denn sie wissen aus Erfahrung zu berichten: Nur Stossgebete allein<br />
helfen nicht weiter!<br />
Phimose oder spanischer Kragen?<br />
Unabhängig von Zeitgeist, Staatsreligion oder Mode gibt es aber auch<br />
nennenswerte, rein medizinische Gründe, den Urologen schleunigst<br />
aufzusuchen. Vor allem dann, wenn es des öfteren am Gliede zwickt.<br />
Stichworte:«Phimose» oder der «spanische Kragen». Denn: Nicht jeder<br />
Mann kann mit den angeblich «durchschnittlichen» 75 cm 2 Vorhaut eines<br />
ausgewachsenen Elefanten-Penis prahlen. Wem dieses genetische Privileg<br />
nicht vergönnt ist, kann schnell zum Opfer einer schmerzhaften Vorhautverengung,<br />
einer Phimose, werden. Man unterscheidet zwei Arten: Wenn’s<br />
die Vorhaut in lustvoller Erektion nicht über die Eichel schafft, spricht<br />
man von vollständiger Phimose. Bei der relativen Phimose schafft es die<br />
Vorhaut unter Mühen und Gerüchen gerade so über die Eichel – und das<br />
nur, um sie anschliessend de facto zu strangulieren. Im schlimmsten Falle<br />
droht durch mangelnde Blutversorgung ein Absterben (Nekrose) der Eichel.<br />
Im Falle einer Phimose wird vorzugsweise der sogenannte «High Cut»<br />
präferiert. Dabei wird die Vorhaut bis zum Eichelkranz entfernt. Novizinnen<br />
der Beschneidung finden aber auch den «Low Cut» sehr schick und<br />
formidabel. Hier wird nur das obere Drittel wegzirkuliert und ein Hauch<br />
Rest umschmeichelt fortan die weiche, pastellfarbene Eichel, schützt vor<br />
Verhornung, sondert lebenswichtige Schleimsegmente ab, sichert viele<br />
Meter Nerven und Nervenenden für uneingeschränkten, jahrzehntelangen<br />
Genuss und lässt sich bei ästhetischem Bedarf zwanglos und komfortabel<br />
– mit Stehergarantie – über das Eichel-Prachtwerk zurückrollen. Für<br />
den operativen «Low Cut» eignen sich seit gut zwanzig <strong>Jahre</strong>n – je nach<br />
individuellem Geschmack der Klinikumleitung – Pressklemme oder<br />
Plastikring. Die muss man mindestens zwei Wochen tragen bis das nutzlos<br />
gewordene Drittel Vorhautgewebe nekrotisiert, also abgestorben ist.<br />
Re-Installation nach Wunsch?<br />
Doch zurück zum zeitgeistigen Schöngeist: Wem nach <strong>Jahre</strong>n der Modetrend<br />
nicht mehr passt, oder wem die Amputation seiner «Menschenrechte»<br />
aus politischen oder anderen Gründen in Kindertagen zuwider ist,<br />
der muss heutzutage nicht mehr traurig sein. Das Schniedelrüsselchen<br />
lässt sich zwar in der Ursprungsform nicht mehr reinstallieren… Aber:<br />
Mit etwas Spucke und Klebeband kann Mann den Rest an Vorhaut mit inquisitorischer<br />
Dehntechnik so verlängern, dass wenigstens ein Teil der<br />
schmucken Eichel bedeckt ist. Mit sogenannten «Tuggers», unterschiedlich<br />
schweren Zylindern aus Edelstahl, lässt sich überdies die Epidermis<br />
um zwei bis drei Zentimeter verlängern. Im Gegensatz dazu lehnen vor allem<br />
in Amerika selbsternannte Vorhaut-Menschenrechtler, Verstümmelungsopfer<br />
und hautlos-schmucklose Freiheitsverfechter den durchaus<br />
gangbaren Weg der Hautlappen-Transplantation grundsätzlich ab. Was<br />
die Armseligen einst unter traumatischen Leiden verloren haben, wollen<br />
sie nur unter spürbaren Schmerzen wiedergewinnen.<br />
Westeuropa schneidet nach?<br />
Was bei schwulen Einreitern längst zum guten Ton gehört, ist auch in der<br />
heutigen Schweizer Gesellschaft, egal, ob schwul oder hetero, ein grosses<br />
Thema. Denn: Auch in der pittoresken Schweiz sinkt die Zahl der Käse- und<br />
Urinsteinliebhaber dramatisch. Laut einer Studentenbefragung an der Uni<br />
Zürich und der ETH Zürich gaben über die Hälfte der repräsentativ befragten<br />
1<strong>25</strong>0 Männer an, dass ihre Eichel vorzugsweise entkleidet, also denudiert,<br />
daherkommt. Gut zurückgerollt scheint halb gewonnen! Auf die Frage<br />
warum? Entweder sind sie bereits beschnitten oder tragen ihre Vorhaut aus<br />
Überzeugung hinter der männlichen Pflaume. In selbiger Befragung gaben,<br />
neben den 27 Prozent bereits Beschnittenen, unglaubliche 31 Prozent an,<br />
keine Verkürzung des Vorhautbändchens (Frenulum) mehr ihr eigen zu<br />
nennen. Opfer ungestümen, trockenen Treibens ohne Gleitgel? Diese Frage<br />
wurde leider nicht gestellt. Derweil haben sich 42 Prozent der unbeschnittenen<br />
Studenten bereits mit der Vorhautbeschneidung befasst, von denen<br />
jeder Dritte sich in den nächsten <strong>Jahre</strong>n von der Pelle befreien will. Nicht<br />
Religion, Tradition oder medizinische Ursachen sind für die künftige männliche<br />
Schweizer Hautevolee entscheidend, sondern ästhetische Gründe.<br />
Weiterhin ein Tabu-Thema<br />
Um eines klar zu stellen: Beschneidung ist keine sexuelle Modedroge,<br />
sondern hat eine lange und vornehme Tradition. Schon vor 5000 <strong>Jahre</strong>n<br />
gingen ägyptische Beschneider mit Steinmessern ran ans Werk. Juden<br />
verlieren seit Abrahams Zeiten auf Geheiss des Herrn ihr Schniedelrüsselchen.<br />
Denn: Abraham liess sich angeblich noch mit jungfräulichen<br />
99 <strong>Jahre</strong>n beschneiden. Heute wird bei Juden am achten Tag nach der<br />
Geburt beschnitten. Beim Muezzin wird das intime Gewebe zwischen<br />
dem 12. und 14. Lebensjahr entfernt. Und die Christenheit? Die Vorhaut<br />
Jesu wurde seit dem 12. Jahrhundert gleich an sechs Wallfahrtsorten<br />
der Öffentlichkeit präsentiert und eifrig Taler flossen in die Kassen des<br />
Kirchen imperiums. Jedes Jahr, am 1. Januar, feiert die katholische Kirche<br />
die Zirkumzision des jüdischen Schreinersohns, acht Tage nach der<br />
Geburt Christi. «Fest der Beschneidung des Herrn» hiess es früher – bis<br />
der Vatikan 1960 den Gedenktag verschleiert in «Oktav der Geburt des<br />
Herrn» umbenannte. Auch die katholische Kirche kann nicht gegen ihre<br />
Geschichte ankämpfen. Schliesslich waren gleich zwölf Apostel beschnitten.<br />
Heutzutage heisst es: Alles kann, nichts muss! Entscheidend ist allein<br />
der Fetisch. Und: Was mir schmeckt, muss noch lange nicht allen schmecken!<br />
Wohl bekomms und guten Appetit im <strong>Sommer</strong> <strong>2012</strong>!<br />
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