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rik Juni 2016

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Film<br />

FOTO: SQUAREONE/UNIVERSUM<br />

Kino<br />

DIE REINE WAHRHEIT. ABER WELCHE?<br />

Es gibt Argumente, die dafür sprechen, den Titel des Films „Der<br />

Moment der Wahrheit“ am Ende mit einem Fragezeichen zu versehen.<br />

Das Neuste in einer Reihe von erfolgreichen Dokudramas,<br />

die in letzter Zeit in den Kinos aufschlugen, ist auf jeden Fall so<br />

gut geschrieben und wird von den Schauspielern derart überzeugend<br />

wiedergegeben, dass es eine sehr überzeugende Illusion<br />

der Wahrhaftigkeit erzeugt. Die Frage ist, ob man dieser Illusion<br />

trauen darf. Und diese Frage muss jeder Zuschauer für sich selbst<br />

beantworten.<br />

DAS ENDE DER TV-KARRIERE<br />

In „Der Moment der Wahrheit“ von Regisseur James Vanderbilt<br />

(der auch das Drehbuch schrieb) geht es um den ame<strong>rik</strong>anischen<br />

Nachrichten-Star Dan Rather (Robert Redford) und seine<br />

Produzentin Mary Mapes (Cate Blanchett), die zusammen mit<br />

ihrer Nachrichtensendung „60 Minutes“ über Jahre hinweg<br />

Respekt und Preise einheimsten – und den Vorfall, der das Ende<br />

ihrer beiden TV-Karrieren bedeutete. 2004 werden Mary mitten<br />

im Präsidentschaftswahlkampf (Bush gegen Kerry) Dokumente<br />

aus den 70er-Jahren zugespielt, die belegen, dass sich George<br />

W. Bush mithilfe seiner Familie vor einem Militäreinsatz im<br />

Vietnamkrieg gedrückt hat. Die Meldung schlägt ein wie eine<br />

Bombe. Doch innerhalb kürzester Zeit steht nicht mehr Bushs<br />

Militärakte im Zentrum des Skandals, sondern es sind vielmehr<br />

Mapes, Rather und ihr Team, die unter schärfsten Attacken<br />

von Medien und Öffentlichkeit ihre Recherche und ihre Story<br />

verteidigen müssen und dabei beruflich und persönlich an ihre<br />

Grenzen stoßen.<br />

BÖHMERMANN LÄSST GRÜSSEN<br />

Da das Drehbuch eine Adaption von Mapes’ Buch über die Affäre<br />

ist, ist relativ klar, für welche Seite der Streifen Partei ergreift,<br />

auch wenn formal stets Neutralität gewahrt wird. Aber ob die<br />

Darstellung im Film wirklich der Wahrheit entspricht oder nicht, ist<br />

für den Zuschauer eigentlich gar nicht so wichtig. Es ist auf jeden<br />

Fall sehr spannend anzusehen, wie schnell es in der heutigen<br />

Medienwelt gar nicht mehr um die Nachricht an sich gehen kann,<br />

sondern um deren Überbringer und um die politische Dimension<br />

der Art, wie damit umgegangen wird. Man fühlt sich ein wenig<br />

an den Fall Böhmermann erinnert, bei dem es ja auch von jetzt<br />

auf gleich gar nicht mehr um den Stein des Anstoßes an sich (ein<br />

Gedicht) ging, sondern vielmehr um Politik, Machtgebaren, tief<br />

sitzende Ressentiments und Befindlichkeiten.<br />

Egal ob man den Film hundertprozentig für bare Münze nehmen<br />

möchte oder nicht, als mitreißender journalistischer Thriller funktioniert<br />

„Der Moment der Wahrheit“ allemal, vor allem dank der<br />

hervorragenden schauspielerischen Leistung von Cate Blanchett,<br />

die hier mit funkensprühenden Augen eine ihrer stärksten Performances<br />

abliefert. Nicht zuletzt ist der Streifen auch ein glühendes<br />

Plädoyer für eine unabhängige, investigative und freie Presse –<br />

und von der kann es auch heutzutage niemals genug geben. •am

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