Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Film<br />
FOTO: SQUAREONE/UNIVERSUM<br />
Kino<br />
DIE REINE WAHRHEIT. ABER WELCHE?<br />
Es gibt Argumente, die dafür sprechen, den Titel des Films „Der<br />
Moment der Wahrheit“ am Ende mit einem Fragezeichen zu versehen.<br />
Das Neuste in einer Reihe von erfolgreichen Dokudramas,<br />
die in letzter Zeit in den Kinos aufschlugen, ist auf jeden Fall so<br />
gut geschrieben und wird von den Schauspielern derart überzeugend<br />
wiedergegeben, dass es eine sehr überzeugende Illusion<br />
der Wahrhaftigkeit erzeugt. Die Frage ist, ob man dieser Illusion<br />
trauen darf. Und diese Frage muss jeder Zuschauer für sich selbst<br />
beantworten.<br />
DAS ENDE DER TV-KARRIERE<br />
In „Der Moment der Wahrheit“ von Regisseur James Vanderbilt<br />
(der auch das Drehbuch schrieb) geht es um den ame<strong>rik</strong>anischen<br />
Nachrichten-Star Dan Rather (Robert Redford) und seine<br />
Produzentin Mary Mapes (Cate Blanchett), die zusammen mit<br />
ihrer Nachrichtensendung „60 Minutes“ über Jahre hinweg<br />
Respekt und Preise einheimsten – und den Vorfall, der das Ende<br />
ihrer beiden TV-Karrieren bedeutete. 2004 werden Mary mitten<br />
im Präsidentschaftswahlkampf (Bush gegen Kerry) Dokumente<br />
aus den 70er-Jahren zugespielt, die belegen, dass sich George<br />
W. Bush mithilfe seiner Familie vor einem Militäreinsatz im<br />
Vietnamkrieg gedrückt hat. Die Meldung schlägt ein wie eine<br />
Bombe. Doch innerhalb kürzester Zeit steht nicht mehr Bushs<br />
Militärakte im Zentrum des Skandals, sondern es sind vielmehr<br />
Mapes, Rather und ihr Team, die unter schärfsten Attacken<br />
von Medien und Öffentlichkeit ihre Recherche und ihre Story<br />
verteidigen müssen und dabei beruflich und persönlich an ihre<br />
Grenzen stoßen.<br />
BÖHMERMANN LÄSST GRÜSSEN<br />
Da das Drehbuch eine Adaption von Mapes’ Buch über die Affäre<br />
ist, ist relativ klar, für welche Seite der Streifen Partei ergreift,<br />
auch wenn formal stets Neutralität gewahrt wird. Aber ob die<br />
Darstellung im Film wirklich der Wahrheit entspricht oder nicht, ist<br />
für den Zuschauer eigentlich gar nicht so wichtig. Es ist auf jeden<br />
Fall sehr spannend anzusehen, wie schnell es in der heutigen<br />
Medienwelt gar nicht mehr um die Nachricht an sich gehen kann,<br />
sondern um deren Überbringer und um die politische Dimension<br />
der Art, wie damit umgegangen wird. Man fühlt sich ein wenig<br />
an den Fall Böhmermann erinnert, bei dem es ja auch von jetzt<br />
auf gleich gar nicht mehr um den Stein des Anstoßes an sich (ein<br />
Gedicht) ging, sondern vielmehr um Politik, Machtgebaren, tief<br />
sitzende Ressentiments und Befindlichkeiten.<br />
Egal ob man den Film hundertprozentig für bare Münze nehmen<br />
möchte oder nicht, als mitreißender journalistischer Thriller funktioniert<br />
„Der Moment der Wahrheit“ allemal, vor allem dank der<br />
hervorragenden schauspielerischen Leistung von Cate Blanchett,<br />
die hier mit funkensprühenden Augen eine ihrer stärksten Performances<br />
abliefert. Nicht zuletzt ist der Streifen auch ein glühendes<br />
Plädoyer für eine unabhängige, investigative und freie Presse –<br />
und von der kann es auch heutzutage niemals genug geben. •am