De:Bug 181
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<strong>181</strong> — 81<br />
Glücks zu beginnen. Beim zweiten Mal ist das erste Mal immer<br />
gleich noch schöner. Das meint man, wenn man die Bassline gelegentlich<br />
als einen alten Bekannten bezeichnet, der einem noch die<br />
letzte Energie rausleiert, weil man gemeinsam schon so verspult<br />
ist, dass man über die Schlingen nicht mehr stolpern kann.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 16<br />
(White Label)<br />
Funktional ist kein Tool. Ein Tool ist kein Tool. Immer erst mal<br />
alles verneinen. <strong>De</strong>r Hammer der fällt, ist immer noch ein Hammer,<br />
aber hör' doch, wie der fällt, immer wieder, wie tapfer die<br />
Maschine für uns diese Dinge tut, die das Herz zum Summen<br />
bringt, das die Maschine sofort als ihren Traumpartner erkennt,<br />
Schlag um Schlag. Die blinzeln sich heimlich an, zwinkern sich zu,<br />
sind verliebt, da kann man nichts machen, manchmal, vor allem<br />
da, wenn man der intimen Beziehung von Herz und Maschine in<br />
die Quere kommen wollte, man weder Herr seiner selbst ist, noch<br />
überhaupt weiß was wirklich geschieht, weshalb wir hier den handelsüblichen<br />
Reflex vorschlagen, den beiden einfach zuzusehen,<br />
ein wenig extrakorporale Auszeit im Spannertum hat noch niemand<br />
geschadet. Zumal, am Ende ist immer die Auslaufrille und<br />
die Auslaufrille knisterte immer schon verheißungsvoll.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 17<br />
(White Label)<br />
Für diese Platte muss man sich Zeit nehmen. Ist mir egal, wo ihr<br />
die herklaubt. Liegt nicht auf der Straße rum? Dann sucht halt<br />
woanders. Und was bekomm ich dafür? Such bitte ganz woanders.<br />
Und wenn ich was besseres vorhabe? Kann gar nicht sein.<br />
Diese Platte ist die Gewissheit, dass ihr nie was besseres hättet<br />
vorhaben, geschweige denn erfinden hättet können. Soviel <strong>De</strong>mut<br />
muss sein. Soviel <strong>De</strong>mut. Darauf könnte man sich ausruhen,<br />
für Jahrzehnte.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 18<br />
(White Label)<br />
Manchmal ist so ein Stück einfach zu schnell vorbei. Wenn es<br />
sein Fehler ist, ist es immer noch das Gegenteil eines Fehlers.<br />
Dass du mehr wollen kannst, auch das ist etwas, dass man nicht<br />
kaufen kann. Wie auch immer dieser Lump das gemacht hat, die<br />
so anzustacheln, dass du nach dem ersten Ton schon so süchtig<br />
warst, dass das Ende voraussehbar eine Qual sein wird, ist<br />
vielleicht kein Geheimnis, aber wir bewahren es dennoch wie eins<br />
auf. Und selbst wenn wir hinter die Karten blicken, da wo die Geheimnisse<br />
noch Kronen tragen dürfen, ist unser Wissen am Ende<br />
nicht mehr als das Wissen, wie sehr wir am Ende dieses Wissen<br />
vermissen werden, weshalb Gott (ja, der mit dem Hipsterbart)<br />
aus diesem Grunde, in seiner weisen Voraussicht dafür gesorgt<br />
hat, dass es kein Ende gibt, nur andere Anfänge.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 19<br />
(White Label)<br />
Unknown. Pah. Du denkst wohl wir hören nicht wer du bist? <strong>De</strong>ine<br />
Claps sind doch unverkennbar und den Synth hast du auch<br />
nicht erst seit gestern und du willst dich neu erfinden, was hast<br />
du denn vorher gemacht? Wir ignorieren den Mystizismus, den<br />
Kult um den Nicht-Namen, kommt doch eh raus und am Ende<br />
bleibt der fahle Beigeschmack eines Selfies von der Stange.<br />
Menschen, immer wieder putzig wie sie sich dagegen sträuben,<br />
dass ihnen jemand eine Brechstange aufklebt, um dann damit<br />
sich selber aufzubrechen. In der Welt der Namenlosen ist der<br />
lösbare Name ein Frosch. (Diese Platte wurde - das erste Mal<br />
in der Geschichte dieser Zeitung - ganz und gar ohne Hören der<br />
- zugegeben nicht wirklich existierenden - Platte besprochen).<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 20<br />
(White Label)<br />
Eine schlechte Platte. Mehr gibt es darüber eigentlich nicht zu<br />
sagen. Normalerweise wäre hier ein Punkt. Dann würde ich die<br />
Löschtaste suchen. Ganz Abgegriffen die Arme. Sollte ich mich<br />
wirklich aufgeregt haben über die ganz einzigartig besondere<br />
Schlechtigkeit dieser Platte, nicht nur, weil sie so dahingeworfener<br />
hirnloser Dreckskram ist, gäbe ich mir noch die Mühe irgendwo<br />
im Horrorkabinett von oberfiesestem Fieskram, das die<br />
Menschheit so in Überfülle für uns alle zur Abschreckung (ja, so<br />
ist das gemeint) bereithält, nach etwas Passendem zu suchen,<br />
denn auch böse Menschen brauchen ja nicht einsam zu sterben.<br />
Am Ende aber, hoffe ich auch ohne Druck, das hat wer gehört,<br />
das braucht man nicht als Parade in die Welt schicken, Paraden<br />
der Abscheulichkeit gibt es eh genug und es hilft auch nicht, Gut<br />
und Böse gegenüberzustellen, um eine Perspektive zu bewahren,<br />
denn mit Helden könnt ihr mich jagen.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 21<br />
(White Label)<br />
Musik wie ein Baustein. Bausteine. Hohe Kunst. Lego-Logo-<br />
Konfitüre. Ausgebreitet in den Rillen. <strong>De</strong>r Grand Canyon des<br />
Floors. Textbausteine. Was einem immer wieder durchgeht.<br />
Einen Moment nicht achtsam genug gewesen, schon bricht die<br />
Konfitüre aus den Schluchten und zermalmt all das, wofür man<br />
kämpfen wollte. Retro ist kein Problem. Regression schon. Als<br />
Problem aber offen für Lösung, als Lösung ein Bauplan, der<br />
heilige Gral für Bausteine, die was auf sich halten, egal wie Krickelkrakel.<br />
Killer.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 22<br />
(White Label)<br />
Als ich diesen Typen, dessen wundervolle neue Platte ihr jetzt<br />
mit mir zusammen genießen wollt, das erste Mal traf, dachte ich<br />
- schon das ein Fehler - ihm einen wissenden Blick zuwerfen<br />
zu müssen, wir einigten uns darauf zu zwei Wodka zuviel eine<br />
Acapella-Version von Abbas "Thank You For The Music" zu<br />
trällern. Konnte keiner hören, die Musik war zu laut. Was für ein<br />
Mensch aber. Seine neue Platte hingegen, nicht der Rede wert.<br />
Naja schon gut so, wie die letzte, aber auch nicht besser und<br />
irgendwie sind die doch alle irgendwo gleich, oder etwa nicht?<br />
(Autor nach Diktat in Berufswechselkrise verschwunden.)<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 23<br />
(White Label)<br />
Auch wenn es unkt, die besten Sätze reimen sich auf Punkt.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 24<br />
(White Label)<br />
Diese Platte ist auch in zehn Jahren noch Kult, wenn sie es nicht<br />
schon vor 20 Jahren war, denn bis ins letzte <strong>De</strong>tail könnten die<br />
Tracks auch damals entstanden sein, wir haben nur den Waschzettel<br />
mitgewaschen und mal ehrlich, die liest doch wirklich kein<br />
Mensch. Jede 303, 606, 707, 808, 909 und was sonst noch in<br />
unserem akustischen Universum an falschen Flugnummern sicher<br />
gelandet ist, wurde hier verbraten, verraten und nachher<br />
verkauft, um sich einen schönen Lebensabend auf den Bermudas<br />
zu leisten. Ein Lebenswerk sozusagen.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 25<br />
(White Label)<br />
Wenn man es so macht, dann ist ein Intro die reine Verführungsmaschine.<br />
Das Intro ist die große gnadenlos unterschätzte<br />
Kunst, die das Leben bis zur ersten Bassdrum so lange hinauszögert,<br />
wie es eben geht. Das Zögern ist die große gnadenlos<br />
unterschätzte Kunst, das Abkassieren so lange nicht stattfinden<br />
zu lassen, bis man sich sicher ist, auch die letzten Ohren, die<br />
letzten Winkel des Körpers sind auf nichts anderes mehr ausgerichtet<br />
als diese Erlösung. Die Erlösung ist die große gnadenlos<br />
unterschätzte Kunst Zögern und Intro nicht mit einem falschen<br />
Ton nachträglich zum schlimmsten Betrug zu machen, dem man<br />
je aufgesessen ist. So banal das klingen mag, hier macht jemand<br />
alles richtig und dabei nichts so richtig, dass es verflachen<br />
könnte.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 26<br />
(White Label)<br />
Eine Plattenbesprechung, in der nicht ein einziges Mal das Wort<br />
deep auftaucht, hat ihren Sinn und Zweck völlig verfehlt. <strong>De</strong>eper<br />
noch, das muss uferlose <strong>De</strong>epness sein, das darf keine Grenze<br />
kenne, das muss die Nacht ausloten wie nichts zuvor, das muss<br />
in uns übergehen, ganz tief in unsere Welt hineinsinken, bis wir<br />
nicht mehr raus können, geschweige denn wollen. Und erst dann<br />
können wir anfangen, wirklich über die <strong>De</strong>epness dieses Tracks<br />
hier nachzudenken, die wie ein Traum ist, der sich nicht mal mehr<br />
selbst träumen kann, so komplex und doch so nah ist man mit<br />
ihm verwoben. <strong>De</strong>r Feind der <strong>De</strong>epness ist der Kitsch, deshalb<br />
gehen sie gelegentlich auch gemeinsam einen trinken, aber nie<br />
alleine, noch gemeinsam nach Hause. Wenn <strong>De</strong>ephouse die<br />
Kriegsführung der Unerschütterlichen ist, dann ist diese Platte<br />
ihre Waffe.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 27<br />
(White Label)<br />
Unknown. Wirklich, Hand aufs offene Herz, ich habe keine Ahnung<br />
woher die kommen. Oder der, oder die. Die Musik zählt.<br />
Die Restspuren eines Soundgerüsts, an dem man sich so eben<br />
noch festhalten kann, diese auseinanderberstenden Klänge,<br />
deren Richtung unbestimmbar in eine Atemlosigkeit führt, der<br />
wir hier versuchen hinterherzuhecheln, auch wenn wir daran<br />
zugrunde gehen. Wenigstens hatten wir dann den richtigen<br />
Soundtrack und - Randbemerkung für alle die gelegentlich mal<br />
ins Kino gehen - damit schlägt Unknown Hollywood um Längen<br />
und auf ganzer Breite. Wenn mir irgendein Bild so direkt in den<br />
Kopf schießen könnte, ohne dabei auch nur eine Millisekunde in<br />
Banalität zu verfallen, wäre die Welt wirklich verrückt.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 28<br />
(White Label)<br />
Was für eine Tiefstapler-Platte. Wirklich. Tuschelt in fast atemberaubender<br />
Stille von einem Glück, das so übernatürlich wahnwitzig<br />
real und greifbar zu sein scheint, auch wenn es einem<br />
immer wieder durch die Finger zu rinnen scheint, dass man am<br />
liebsten mit jeder noch so kleinen Drehung mitwachsen möchte.<br />
<strong>De</strong>nn genau darum geht es hier. Das ist nicht Musik, das ist ein<br />
Organismus, seine langsame Entfaltung, diese Zeitlupe des Lebens,<br />
das nahtlos magische Pulsieren eines irgendwie zusammenhängenden<br />
Ganzen, das erst mittendrin plötzlich schemenhaft<br />
erkennbar wird, nur um dann ebenso unnachahmlich wieder<br />
ins Nichts zu verschwinden. Die glücklichsten 12 Minuten meines<br />
Lebens. Schon wieder.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 29<br />
(White Label)<br />
Nach ihren letzten Platten hätte ich das nicht mehr erwartet.<br />
Aber wozu sind Erwartungen gut, wenn nicht dafür, dass man<br />
sie in die Tonne tritt, mit Nachdruck. Was für eine Monster! Die<br />
Hände die man in die Luft reißen möchte, wachsen einfach nicht<br />
schnell genug nach, um der Begeisterung, die einen fast platzen<br />
lässt, irgendwie Ausdruck zu verleihen. Jede Stimme, jeder<br />
Rimshot, jeder langsam aufgeputzte Chord kennt nur eine Richtung<br />
und wenn man denkt, jetzt geht wirklich gar nichts mehr,<br />
dann legen die erst los. Wer diese Platte nicht sofort kauft, sollte<br />
die Finger vom Plattenteller lassen, für immer.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 30<br />
(White Label)<br />
Ist kaputt jetzt wirklich schon das neue Schwarz? Das Einreißen<br />
noch der letzten Bestände an geraden, einfachen, direkten, irgendwie<br />
gewohnt schönen Sounds, der neue Glitter? Das neue<br />
Neon? Die neue Disco? Wir stellen uns den Floor dazu vor, wie<br />
ein unübersichtliches Gerümpel, Gerumpel, Gerangel und Gedöns.<br />
Wir stellen uns den Floor dazu vor mit umgeschmissenen<br />
Esstischen, Krümeln von Fischresten, eingerissenen Wänden<br />
und <strong>De</strong>cken, die nicht oben sind wo sie hingehören. Und wenn<br />
nicht so verdammt klar wäre, dass die Begeisterung hinter diesen<br />
Tracks einfach unausweichlich wäre, dann hätten wir jetzt<br />
wirklich ein Problem.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 31<br />
(White Label)<br />
An die <strong>De</strong>konstruktion von <strong>De</strong>troit haben sich schon viele gewagt.<br />
Meist bleibt am Ende nicht viel mehr als ein Abziehbild<br />
zurück und man kehrt geläutert und leicht erschöpft wieder<br />
zurück zu den breiten Flächen, den blubbernd aquanautischen<br />
Sequenzen, den knorrig pulsierenden Grooves. Manchmal aber,<br />
so langsam dämmert uns selbst auch warum wir darüber reden<br />
wollten, wird das Haus so wie hier erneut eingerissen, weil es<br />
immer schon eingerissen war und wir alle nur nicht mehr sehen<br />
konnten, wo die Bruchlinien eigentlich verlaufen müssen, damit<br />
man am Ende auf dem Schutthaufen auch tanzen kann, den<br />
wir in unserer Traumvorstellung von <strong>De</strong>troit als mystischen Ort<br />
zementiert haben, der alles überlebt und jeden noch so unwahrscheinlichen<br />
Winkel zu einer puren Emphase des Widerstands<br />
macht.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 32<br />
(White Label)<br />
Wie bitte? Auf der Oberfläche klingt dieser Track wie eins dieser<br />
absurd zusammengehackten Breakcoremonster nach denen<br />
man sich immer so frisch durchgerüttelt gefühlt hat, wie ein<br />
Gurkensaft kurz vor dem Urknall. Sichtlich gerührt von all dieser<br />
Verwirrung fällt einem dann aber auf, dass irgendetwas mit der<br />
Zeit nicht stimmt. Nein, es ist wirklich nicht so spät, es ist nur so<br />
langsam. Ist euch schon mal das liebste Liebhaberstück aus der<br />
Hand gefallen und ihr habt in Schreckstarre zusehen müssen<br />
wie es ganz langsam aber ohne dass man etwas dagegen unternehmen<br />
könnte, auf dem Boden in tausend Stücke zerschellt?<br />
Oder einen Traum gehabt, in dem man einfach keinen Millimeter<br />
vorwärts kommt, weil man rennt wie irre aber gleichzeitig doch<br />
gelähmt ist? Ja, ja, ja, sag doch endlich! OK. So fühlt sich das im<br />
Vergleich zu oben erwähntem Gurkensaft an. Prost, runter damit,<br />
aber nur auf eigene Gefahr.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 33<br />
(White Label)<br />
Ernsthaft, ich dachte Konzept-Platten wären langsam ausgestorben.<br />
Wir fordern Artenschutz für Gatefoldsleeves! Aber nicht<br />
nur das Cover will so eindeutig etwas von uns, nein auch die<br />
Tracks haben sich zwanghaft darauf versteift, dass keiner das<br />
tun darf, was er/sie/es sonst am besten kann, oder wir erwarten<br />
würden. Die Idee, das Konzept wenn man so will, runtergebrochen<br />
mal auf den einzigen Punkt der übrig bleibt, wenn man<br />
es sämtlicher sonstiger flapsigen Pseudophilosophien eines<br />
feuchten Kuratorentraums entledigt, ist die: Musik ohne Kicks<br />
für Räume ohne Schwerkraft, in denen ein Takt eh schwer zu<br />
halten ist. Die Musik wäre also schon mal da, nur der Raum ohne<br />
Schwerkraft, den werden wir wohl nicht mehr erleben. Eigentlich<br />
schade, gerade jetzt, wo wir, dass der Weg dahin nur durch den<br />
Vomit Comet führt.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 34<br />
(White Label)<br />
Und wenn es am Ende nur dieses Fingerschnippen ist, was mir<br />
von dem Track in Erinnerung bleibt, dann weiß ich doch, dass ich<br />
Fingerschnippen nicht nur liebe, sondern es schon einer gewissen<br />
tapferen Lässigkeit bedarf, wenn man Fingerschnippen auf<br />
dem Housefloor mit allem frisch geschnetzelten Jazzsound, der<br />
dazu gehört, so legendär nebensächlich losschnippen lassen<br />
kann. Obendrein, wir sind immer dankbar für eine Steilvorlage<br />
der nächtlichen Kommunikation darüber, welcher Track das nun<br />
verflixt noch mal war, der einen am Ende dann völlig wegtickern<br />
hat lassen. Hier reicht ein (und jetzt alle) Fingerschnippen.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 35<br />
(White Label)<br />
Träumen androide Schafscherer von Miami Bitches? Wenn ja,<br />
welche Moves machen die dann an ihrem Fließband? Fragen<br />
über Fragen, die diese Platte nicht lösen kann, da sie damit<br />
beschäftigt ist, das frisch gekaufte Plug-In von seiner besten<br />
Seiten vorzuzeigen.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 36<br />
(White Label)<br />
Ich höre diese Platte jetzt zum 10. Mal und habe immer noch<br />
nicht so wirklich verstanden, wie dieser Groove eigentlich funktioniert.<br />
Ich hab ihn mir aufgemalt, nachgerechnet, nach geheimen<br />
Botschaften oder Algorithmen gesucht, kleine Passagen<br />
versucht nachzutanzen, mir das betörend verwirrende Ballett<br />
dazu vorgestellt, das traumwandlerisch diese Schritte umsetzen<br />
könnte, zwischenzeitlich ein paar Mal davon geträumt, diese<br />
Platte aufzulegen, im genau richtigen Moment, der hier noch<br />
erschütternd flüchtiger ist, als Momente eh schon gewohnheitsmässig<br />
zu sein pflegen, und nein, ich komme einfach nicht<br />
dahinter, aber ich bin bereit glücklich zu erklären, dass genau<br />
das diesen Track auch Morgen noch so gespenstisch gut macht.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 37<br />
(White Label)<br />
Techno. Wir reden viel zu selten über Techno. Das ist nicht unsere<br />
Schuld. Techno kann aber nun wirklich nichts dafür, wie uns<br />
hier vom ersten Moment an in so spröde wahnsinniger Konsequenz<br />
ins Hirn gehämmert wird. Wie oft kann man noch Wände<br />
zum Einstürzen bringen und das so frisch und unbefangen formellos<br />
klingen lassen wie es hier geschieht? Sagen wir es mal so,<br />
hätte jemand solche Tracks zielgenau in dem Moment erfunden,<br />
als Techno noch die große Wumpe auf Raves war und die Hallen<br />
vor Strobos nur so blitzten, dann hätten wir Szenen gesehen, wie<br />
folgende: eine ganze Halle druffer Raver geht vor Gnade auf die<br />
Knie, der Floor öffnet sich und verschlingt für einen Moment, von<br />
dem man später nicht mehr wissen wird, ob er wirklich geschah,<br />
oder all das nur Massenhysterie war, alles, restlos, zurück bleibt<br />
die Stille und der letzte verhallende Sinuston.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 38<br />
(White Label)<br />
Wir wünschten diese Platte könnte sich entscheiden zwischen<br />
dem puren knuffig kantig krabbelnd wirren Sound früher Chicago-Erdnuss-Orgien<br />
und dem rabiaten Tottreten schmerzhaft<br />
blinkender Transistoren auf Überdosis. Andererseits, was hätten<br />
wir alles verpasst, und obendrein, unsere Ohren mussten dringendst<br />
wieder freigepustet werden.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 39<br />
(White Label)<br />
Es gibt zwei Möglichkeiten mit den Verlockungen, die Preacher-<br />
Vocals nun ein Mal sind, umzugehen. Die erste, bei weitem häufigere,<br />
wäre, nimm' das ernst was da gesagt wird, gibt dir mit der<br />
Musik all die Mühe, dich an dieses harte Thema heranzuwagen,<br />
ihm gerecht zu werden und führe so die Gerechtigkeit dieser<br />
Stimme noch näher zu sich selbst, als sie es vielleicht je war.<br />
Die zweite erwähnen wir hier nicht weiter. Die dritte allerdings ist<br />
es, die uns wirklich interessiert und die hier perfekt durchexerziert<br />
wird. Zerpflücke die Stimme wie es dir passt, werf' noch ein<br />
paar mehr ein, die müssen nicht unbedingt passen, die dürfen<br />
sich auch beißen, und vollführe dann trotzdem das Kunststück,<br />
dass am Ende selbst bei genaustem Hinhören alles klingt wie<br />
die Weisheit selbst, die trotzdem über sich selbst noch lachen<br />
kann. Kirche kann so funky, man muss nicht mal dran glauben.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 40<br />
(White Label)<br />
Und was, wenn dies das letzte Stück wäre, dass du auflegst.<br />
Am letzten Abend deines letzten DJ-Sets, vor - schon wieder<br />
- den letzten Leuten. Müsste es dann nicht genau diese achselzuckende<br />
Lässigkeit haben, diese nebensächlichen Plattitüden,<br />
dieses grundgut Belanglose, so einen echt läppischen Gesang,<br />
den vermutlich irgendjemand aus anderen zusammenkopiert hat<br />
und diese Wandergitarre, die aber unbedingt? Nein, nein, nein.<br />
Wir können gar nicht oft genug Nein sagen. Das muss nicht, das<br />
braucht selbst dann keiner, wenn dich keiner mehr braucht.<br />
bleed<br />
Unknown - Unknown 41<br />
(White Label)<br />
Ich will das auch, was der genommen hat. Ich will auch von dem<br />
geritten werden, was den geritten hat. Ich will das ganze Album<br />
am liebsten gleichzeitig hören, alle Tracks auf einmal. Nur zwei<br />
Ohren, eine der unakzeptabelsten Frechheiten der menschlichen<br />
Allzumenschlichkeit, deren Grundblödheit auf den Prüfstand<br />
gehört. Und wo wir dabei sind, das mit der linearen Zeit, war<br />
auch nicht so der beste Einfall. Können wir das bald mal regeln?<br />
Ihr dürft auch gerne vorher dieses Album ein paar tausend Mal<br />
hören. Währenddessen von mir aus.<br />
bleed<br />
COME AND SEE OUR V. I. PEE. ROOM ...<br />
SONNENSTR. 8 · MÜNCHEN<br />
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