Die - Deutsch-Ungarische Industrie- und Handelskammer
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ten Wechselkurskorridor der nationalen<br />
Währung auf. <strong>Die</strong> MNB hatte einen<br />
solchen Schritt schon früher erwogen,<br />
scheiterte aber bisher an der Ablehnung<br />
der Regierung. <strong>Die</strong>se gab jetzt ihren<br />
Widerstand auf. <strong>Die</strong> Notenbank hat nun<br />
zwar einen größeren Spielraum für ihre<br />
Zinspolitik, dieser Spielraum schlägt sich<br />
aber bei Unternehmen <strong>und</strong> Privathaushalten<br />
in einem höheren Wechselkursrisiko<br />
nieder. Größere Wechselkursschwankungen<br />
würden jedoch ernste Folgen<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Wirtschaft & Politik<br />
Bruttoinlandsprodukt<br />
1.3<br />
2.4<br />
2007 2008 2009 2010<br />
Verbraucherpreise<br />
8<br />
5.9<br />
haben: Heute lauten in Ungarn mehr als<br />
die Hälfte aller Unternehmenskredite,<br />
fast die Hälfte aller Wohnungsbaudarlehen<br />
<strong>und</strong> nahezu 100% aller Autofinanzierungen<br />
auf Fremdwährungen. Standard<br />
& Poor’s sieht im hohen Anteil von<br />
ungesicherten Fremdwährungskrediten<br />
sogar eine Gefahr für die gesamtwirtschaftliche<br />
Stabilität.<br />
Aus Sicht der Notenbank ist in einem<br />
intensiv Handel treibenden Land wie<br />
Ungarn eine starke Währung hilfreich<br />
bei der Eindämmung der Inflation. Viele<br />
Exporteure beklagen aber auf der anderen<br />
Seite seit Jahren die fortgesetzte reale<br />
Aufwertung des Forint. Bereinigt um<br />
die unterschiedlichen Inflationsraten in<br />
Ungarn <strong>und</strong> im Ausland verzeichnete der<br />
1 2008 | 2 Wirtschaft in Ungarn<br />
4<br />
4.1<br />
3 2.9<br />
2007 2008 2009 2010<br />
Haushaltsdefizit<br />
5.7<br />
4<br />
3.2<br />
2.7<br />
2007 2008 2009 2010<br />
Forint in den letzten 10 Jahren eine Aufwertung<br />
von etwa einem Drittel. Theoretisch<br />
schwächt das die Wettbewerbsfähigkeit<br />
der einheimischen Wirtschaft<br />
gegenüber Konkurrenz. In der Praxis zeigt<br />
sich aber, dass die Aufwertung der nationalen<br />
Währung keineswegs zwangsläufig<br />
zu einer dauernden Verschlechterung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit führen muss. Der<br />
Aufwertungsdruck fördert nämlich auch<br />
Strukturwandel <strong>und</strong> Rationalisierung –<br />
nur so konnte z.B. <strong>Deutsch</strong>land in den<br />
<strong>Die</strong> Unternehmen erwarten schnell<br />
Klarheit über den zukünftigen Kurs der<br />
Wirtschaftspolitik<br />
letzten Jahren Exportweltmeister bleiben<br />
<strong>und</strong> seine Marktanteile weltweit ausbauen.<br />
Und auch Ungarns Außenhandelsbilanz<br />
hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich<br />
verbessert – trotz Aufwertung.<br />
Auch in Ungarn warnen daher immer<br />
mehr Experten vor einer Währungsabwertung<br />
als leichtem Weg zur Verbesserung<br />
der Konkurrenzfähigkeit. Den kurzfristig<br />
positiven Wirkungen auf die Exporterlöse<br />
steht nämlich auch eine negative Wirkung<br />
auf die Inflationsrate gegenüber, was der<br />
Wirtschaft insgesamt schadet.<br />
Reformpolitik in der Zwickmühle<br />
Neben Steuern <strong>und</strong> Wechselkurs stehen<br />
die ungarischen Politiker – in der Regierungskoalition<br />
ebenso wie in der Opposition<br />
– auch in weiteren Feldern vor einem<br />
Dilemma, das auch in <strong>Deutsch</strong>land bestens<br />
bekannt ist. <strong>Die</strong> Fortführung oder<br />
die Einleitung wichtiger Reformvorhaben<br />
stößt oft auf innenpolitische (manchmal<br />
auch innerparteiliche) Widerstände, aber<br />
der Aufschub dieser Reformen würde dem<br />
Land langfristig enorme wirtschaftliche<br />
Nachteile bereiten.<br />
Beispiel Marktliberalisierung: Zum<br />
Jahresbeginn hat Ungarn den Markt für<br />
Elektroenergie gemäß den Vorgaben der<br />
EU weitgehend liberalisiert. <strong>Die</strong> damit<br />
verb<strong>und</strong>ene Abschaffung von Subventionen<br />
für die gewerblichen Energiepreise<br />
hat jedoch die Kosten für die Unternehmen<br />
z.T. drastisch erhöht <strong>und</strong> gefährdet<br />
nicht selten die Rentabilität des Betriebs.<br />
Natürlich ist die Liberalisierung der<br />
Märkte zu begrüßen, denn ein marktgerechtes<br />
Preisniveau ist die Voraussetzung<br />
für erforderliche Investitionen in<br />
die Energieproduktion auf der einen <strong>und</strong><br />
energiesparende Lösungen auf der anderen<br />
Seite. Unverständlich bleibt jedoch,<br />
warum die vielfach kritisierte Monopolstellung<br />
des staatlichen Energieunternehmens<br />
MVM im Zuge der Liberalisierung<br />
de facto unangetastet blieb.<br />
Erst jetzt, zwei Monate nach Inkrafttreten<br />
der Marktöffnung, wird diese Frage<br />
zum Gegenstand heftiger wirtschaftspolitischer<br />
Diskussionen.<br />
Beispiel Ges<strong>und</strong>heitsreform: Nicht<br />
nur in Ungarn gehören die sozialen Sicherungssysteme<br />
– allen voran das Renten-<br />
<strong>und</strong> das Ges<strong>und</strong>heitssystem – zu den<br />
innenpolitisch sensibelsten Bereichen.<br />
Umso höher sind Anstrengungen der Politik<br />
zu bewerten, diese Systeme langfristig<br />
finanzierbar zu gestalten – auch wenn solche<br />
Reformen teilweise schmerzhaft sind.<br />
Ungarn hat erste Maßnahmen in diesem<br />
Bereich ergriffen, jedoch könnten nach<br />
dem Referendum die innenpolitischen<br />
Konstellationen nun eine Abkehr von<br />
dieser Reformpolitik nach sich ziehen –<br />
zumindest vorübergehend. Aus der Sicht<br />
der Wirtschaft ist jedoch Klarheit über<br />
den zukünftigen Kurs der Ges<strong>und</strong>heitsreform<br />
gleich aus mehreren Gründen von<br />
enormer Bedeutung. Zum einen beeinflussen<br />
Reformschritte (oder deren Ausbleiben)<br />
direkt die Kosten der Unternehmen,<br />
z.B. die gesetzlichen Sozialabgaben.<br />
Zum anderen brauchen Investoren verlässliche<br />
Parameter, in welchem Maße privates<br />
Kapital z.B. im Ges<strong>und</strong>heitswesen bzw. in<br />
der Krankenversicherung gewünscht ist.<br />
Und schließlich bestimmt die Qualität der<br />
Sozialsysteme auch das allgemeine wirtschaftliche<br />
Klima im Land nicht unerheblich,<br />
<strong>und</strong> wird damit auch zum Faktor für<br />
die internationale Konkurrenzfähigkeit.<br />
Angesichts dieser Probleme sind ungarische<br />
Politiker derzeit sicher nicht um<br />
ihren Job zu beneiden. Sie müssen die<br />
Wirtschaft auf eine langfristig stabile<br />
Bahn bringen <strong>und</strong> sich zugleich kurzfristigen<br />
wirtschaftlichen Zwängen beugen<br />
– z.B. denen zur Verfügung stehenden<br />
Haushaltsmitteln.<br />
<strong>Die</strong> Unternehmen erwarten schnell<br />
Klarheit über den zukünftigen Kurs der<br />
Wirtschaftspolitik. Aber trotz des enormen<br />
politischen Drucks sollte jedoch vor allem<br />
Aktionismus vermieden werden. Ein breiter<br />
gesellschaftlicher Konsens ist die Voraussetzung<br />
für das Vertrauen in die Verlässlichkeit<br />
der Entscheidungen. Erneute<br />
Enttäuschungen über nicht eingehaltene<br />
Zusagen würden der Wirtschaft schweren<br />
Schaden zufügen, vor allem aber würden<br />
sie die Glaubwürdigkeit der Politik auf<br />
lange Sicht irreparabel beschädigen.<br />
D. W.