Jahresbericht 2015_final_2_web
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Davon zu unterscheiden ist die sog. Geschäftsfähigkeit.<br />
Geschäftsfähig ist, wer im Rechtsverkehr wirksam Erklärungen<br />
abgeben kann. Das hängt davon ab, ob der Betroffene<br />
in der Lage ist, den Sachverhalt zu verstehen, die<br />
Folgen abzuschätzen und auch nach dieser Einsicht zu<br />
handeln. Sinn dieser Regelung ist es, den Betroffenen nicht<br />
zu entmündigen, wie es früher im Vormundschaftsrecht<br />
üblich war. Ein Betreuter bleibt also trotz Anordnung der<br />
Betreuung geschäftsfähig! Das hat zur Folge, dass sowohl<br />
der Betreuer selbst für den Betreuten als auch der Betroffene<br />
rechtswirksam handeln können.<br />
Diese rechtliche Konstellation hat aber in der Praxis zur<br />
Folge, dass es ggf. in ein und derselben Angelegenheit zu<br />
gegensätzlichen Erklärungen von Betreutem und Betreuer<br />
kommen kann. Um hier eine sinnvolle Lösung zu ermöglichen,<br />
hat der Gesetzgeber zweierlei vorgesehen: zum einen<br />
soll der Betreuer alle wichtigen Angelegenheiten mit<br />
dem Betreuten besprechen (siehe § 1901 Abs. 3 Satz 3<br />
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Zum anderen kann das<br />
Betreuungsgericht, wenn dies wegen der konkreten Einzelfallumstände<br />
sinnvoll erscheint, anordnen, dass der Betreute<br />
zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis<br />
des Betreuers betrifft, der Einwilligung des Betreuers bedarf<br />
(sog. Einwilligungsvorbehalt, § 1903 BGB).<br />
Was den beabsichtigen Hausverkauf betraf, war es nun<br />
so: Nach deutschem Recht kann ein Gebäude immer nur<br />
mit dem dazugehörigen Grund und Boden veräußert<br />
werden. Wenn ein Haus verkauft werden soll, handelt es<br />
sich rechtlich demnach (auch) um eine Verfügung über<br />
ein Grundstück. Da es hierbei nicht selten um erhebliche<br />
Vermögenswerte geht und der Betreute daher besonders<br />
schutzwürdig ist, hat der Gesetzgeber die Befugnisse des<br />
Betreuers in diesem Zusammenhang beschränkt: § 1821<br />
Abs. 1 Nr. 1 BGB ordnet daher an, dass der Betreuer zur<br />
Verfügung über ein Grundstück der Genehmigung des<br />
Vormundschaftsgerichtes bedarf. Praktisch tätig werden<br />
tut das Vormundschaftsgericht in Person eines Rechtspflegers<br />
(§ 3 Nr. 2 b) Rechtspflegergesetz – RPflG -). Ob die<br />
Genehmigung erteilt wird, richtet sich nach einer umfassenden<br />
Interessenbewertung, in die verschiedene Belange<br />
eingehen und vom Rechtspfleger zu berücksichtigen<br />
sind.<br />
Hieraus erklärte sich, dass der Rechtspfleger des Amtsgerichtes<br />
(= Vormundschaftsgericht) den Vater der Bürgerin<br />
einbinden musste. Die Sorge der Bürgerin hinsichtlich der<br />
vermutlichen Reaktion ihres Vaters auf den beabsichtigten<br />
Verkauf des Hauses war zwar nachvollziehbar. Allerdings<br />
war die Einbeziehung unumgänglich, so dass es auf die<br />
Art und Weise des (schonenden) Vorgehens ankommen<br />
würde. Da Rechtspfleger hier aber über eine erhebliche<br />
54