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Konstantin Groß<br />
VomLied<br />
zum Song<br />
<strong>120</strong> <strong>Jahre</strong> Chorgesang in Rheinau<br />
Herausgegeben vom Männergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau e. V.
„Nicht die Glücklichen sind dankbar.<br />
Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“<br />
Francis Bacon (1561-1626), englischer Philosoph
Konstantin Groß<br />
Vom Lied zum Song<br />
<strong>120</strong> <strong>Jahre</strong> Chorgesang in Mannheim-Rheinau<br />
Herausgegeben vom Mannergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau e. V.
6<br />
Gewidmet den Mitgliedern des Männergesangvereins 1896 Mannheim-Rheinau e. V.<br />
Impressum:<br />
Autor: Konstantin Groß, Mannheim.<br />
Herausgeber: Männergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau e. V.<br />
V.i.S.d.P.: Der Vorsitzende, Jürgen Ruf, Mannheim-Rheinau.<br />
Titelgestaltung: Christof Grall, Mannheim-Rheinau<br />
Druck: Druckerei Grall GmbH & Co. KG, Mannheim.<br />
Es gilt die modifizierte „Neue Rechtschreibung“.<br />
Anzeigenteil in ausschließlicher Verantwortung des Vereins.<br />
Die bibliographischen Daten des Werkes lauten:<br />
Groß, Konstantin: „Vom Lied zum Song“<br />
<strong>120</strong> <strong>Jahre</strong> Chorgesang in Mannheim-Rheinau.<br />
Verlag Druckerei Grall GmbH & Co. KG, Mannheim.<br />
ISBN: 987-3-9815339-4-1<br />
Das Werk ist in allen seinen Bestandteilen – Textbeiträgen und Abbildungen – urheberrechtlich<br />
geschützt. Die Rechte liegen, soweit nicht für andere angegeben, ausschließlich beim Autor. Die<br />
Verwendung der in diesem Werk enthaltenen Abbildungen und Texte, auch auszugsweise, in anderen<br />
Publikationen, Büchern, Zeitschriften, Zeitungen oder im Internet ist ausdrücklich untersagt<br />
– mit der Ausnahme vorheriger und schriftlicher Genehmigung des Autors. Zuwiderhandlungen<br />
werden automatisch juristisch geahndet.<br />
© 2016 by Konstantin Groß, Mannheim
7<br />
Inhalt<br />
Zum Geleit<br />
Die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland 8<br />
Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 10<br />
Ministerpräsident a. D. Erwin Teufel 12<br />
Der Oberbürgermeister der Stadt Mannheim 14<br />
Der Autor 16<br />
Der Vorsitzende des <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau e. V. 18<br />
Historische Darstellung<br />
Entwicklung des Vereins 20<br />
Frauenchor 62<br />
Jugend 74<br />
Feste und Veranstaltungen 78<br />
Soziales und bürgerschaftliches Engagement 85<br />
Auftritte und Konzerte 92<br />
Ausflüge und Reisen 98<br />
Partnerschaft mit der Gemeinde Neuschönau 108<br />
Vereinslokal 110<br />
Dirigenten 114<br />
Vorsitzende 122<br />
Vereinsfahne 128<br />
Jubiläen 132<br />
Über dieses Buch<br />
Informationen über den Autor 144<br />
Bild- und Quellennachweis 145<br />
Förderer dieses Buches und des Jubiläums insgesamt 147<br />
Personenverzeichnis 171
8<br />
Dr. Angela Merkel<br />
Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland
9<br />
Büro der Bundeskanzlerin<br />
Sehr geehrter Herr Ruf,<br />
liebe Mitglieder des Männergesangvereins 1896 Mannheim-Rheinau,<br />
in diesem Jahr begeht der Männergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau sein <strong>120</strong>-<br />
jähriges Jubiläum und darüber hinaus das 30-jährige Bestehen seines Frauenchors.<br />
Zu beiden Ereignissen gratuliert Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel Ihnen sehr herzlich.<br />
In einem Brief an einen Freund schrieb Johann Wolfgang von Goethe über seine Arbeit<br />
einmal: „Was man nicht liebt, kann man nicht machen.“ Dieser Ausspruch hat bis heute<br />
nichts von seiner Gültigkeit verloren. Erfolg hängt nicht alleine von Wissen und Erfahrung<br />
ab, sondern auch von dem persönlichen Engagement, sich mit Begeisterung für eine<br />
Sache oder ein Ziel einzusetzen. Der 1896 gegründete Verein veranstaltet nicht nur Konzerte,<br />
sondern verbindet seine Aufführungen auch mit der Unterstützung von sozialen<br />
und karitativen Einrichtungen. Dafür gebührt Ihnen allen Lob und Anerkennung.<br />
Gewiss können alle Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf viele erfreuliche Begebenheiten<br />
zurückblicken, an die Sie sich anlässlich Ihres Ehrentages besonders gerne erinnern.<br />
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel wünscht Ihnen für die Zukunft alles Gute, vor allem<br />
Glück, Gesundheit und Wohlergeben sowie weiterhin Erfolg und gutes Gelingen bei<br />
allem, was Sie sich vorgenommen haben.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Michaela Rutow<br />
Büro der Bundeskanzlerin
10<br />
Sigmar Gabriel<br />
Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands<br />
Stellvertreter der Bundeskanzlerin<br />
Foto: Dominik Butzmann
11<br />
Sozialdemokratische Partei Deutschlands<br />
Der Vorsitzende<br />
Zum <strong>120</strong>-jährigen Jubiläum des Männergesangvereins 1896 Mannheim-Rheinau e. V.<br />
gratuliere ich dem Verein und allen seinen Mitgliedern von Herzen. Ebenso möchte ich<br />
dem Frauenchor des <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau meine Glückwünsche zum 30-<br />
jährigen Bestehen übermitteln.<br />
Seit <strong>120</strong> <strong>Jahre</strong>n pflegt Ihr Verein Liedgut und Kultur in Ihrer Region und leistet damit<br />
schon seit Generationen einen wesentlichen Beitrag für das kulturelle Leben in der Region.<br />
„Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder“ – das ist ein gutes Motto, das ausdrückt: Das<br />
gemeinsame Singen ist mehr als der Vortrag von Liedtext und Melodie. Es ist auch Anlass<br />
zum Beisammensein, zum Austausch und zum Miteinander. So entsteht nicht nur<br />
Musik auf höchstem künstlerischen Niveau, sondern nicht zuletzt auch gesellschaftlicher<br />
Zusammenhalt.<br />
In Deutschland sind mehr als 23 Millionen Menschen ehrenamtlich engagiert. Das ist<br />
ein großer Schatz für uns alle. Denn die freiwillige gemeinschaftliche Arbeit in den Städten<br />
und Gemeinden ist der Kitt unserer Gesellschaft. Dafür danke ich allen Ehrenamtlichen<br />
sehr herzlich und spreche ihnen meine große Anerkennung aus.<br />
Aber die Politik darf es nicht beim Dank an die Ehrenamtlichen belassen. Sie steht in<br />
der Pflicht, zur ehrenamtlichen Arbeit zu ermutigen und dieses wertvolle Engagement<br />
zu stärken und zu stützen. Die SPD setzt sich das ausdrücklich zum Ziel.<br />
Dem <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau wünsche ich auch für die kommende Zeit viel<br />
Sangesfreude, begeisterte Zuhörer und Mitsinger sowie ein tolles Fest am 7. Mai 2016.<br />
Mit herzlichen Grüßen<br />
Sigmar Gabriel<br />
Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
12<br />
Dr. h. c. Erwin Teufel<br />
Ministerpräsident a. D. des Landes Baden-Württemberg
13<br />
Dr. h. c. Erwin Teufel<br />
Ministerpräsident a. D.<br />
Rheinau ist ein starker Stadtteil von Mannheim. Über 26.000 Einwohner machen die<br />
Größe einer „Großen Kreisstadt“ unseres Landes aus. Rheinau hat einen großen Rheinhafen,<br />
eine starke Industrie mit Energie, Forschung und vielen Arbeitsplätzen. Rheinau<br />
kann sich sehen lassen, weit über Mannheim hinaus. Dazu trägt auch die Kirche „St. Theresia<br />
vom Kinde Jesu“ auf dem Pfingstberg bei.<br />
Doch was wäre Rheinau ohne seine Vereine. Einer ist fast so alt wie die Rheinau selbst:<br />
der Männergesangverein 1896 Rheinau. Er hat Weltkriege und Notzeiten überlebt und<br />
mit dem Lied und dem Chorgesang die Gemeinschaft der Rheinauer gefestigt und seine<br />
Mitbürger erfreut. Er hat den <strong>Jahre</strong>sablauf begleitet und viele Veranstaltungen mit dem<br />
Chorgesang zu einem Fest gemacht.<br />
Vor 30 <strong>Jahre</strong>n hat der Männergesangverein 1896 Rheinau auch einen Frauenchor gegründet.<br />
Mit seinem Gesang hat auch der Frauenchor viele Menschen erfreut und den<br />
Chormitgliedern eine gute Gemeinschaft und einen Ort der Begegnung ermöglicht.<br />
Ich sage allen Aktiven aller Zeiten, den Sängerinnen und Sängern und den Vorstandsmitgliedern<br />
ein herzliches Wort der Anerkennung.<br />
Ich wünsche dem Männergesangverein 1896 Rheinau ein schönes Jubiläumsfest und<br />
eine gute Zukunft in Frieden und Freiheit.<br />
Ich schließe mit dem schönen Gedicht von Josef von Eichendorff:<br />
„Schläft ein Lied in allen Dingen / Die da träumen fort und fort /<br />
Und die Welt fängt an zu singen, triffst Du nur das Zauberwort.“<br />
Erwin Teufel<br />
Ministerpräsident a. D.
14<br />
Dr. Peter Kurz<br />
Oberbürgermeister der Stadt Mannheim
15<br />
STADT MANNHEIM<br />
Der Oberbürgermeister<br />
Der Männergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau e. V. feiert in diesem Jahr ein Doppeljubiläum:<br />
das <strong>120</strong>-jährige Bestehen des Vereins und die Gründung seines Frauenchors<br />
vor 30 <strong>Jahre</strong>n. Hierzu gratuliere ich dem Vorstand und seinen Mitgliedern persönlich sowie<br />
namens des Gemeinderates der Stadt Mannheim sehr herzlich.<br />
Der <strong>MGV</strong> ist der zweitälteste der über 50 Vereine in Rheinau und der älteste noch<br />
bestehende Gesangsverein im heutigen Mannheimer Stadtteil. Als erster in der Region<br />
verpflichtete er 1983 mit Lucia Lewczuk eine Dirigentin; 1985 erfolgte schließlich auf<br />
Anregung des heutigen Vorsitzenden Jürgen Ruf und seiner Frau die Gründung des<br />
Frauenchors.<br />
Für mich erfüllt die ehrenamtliche Arbeit der Musik- und Gesangsvereine vor Ort einen<br />
wichtigen Teil der Aufgabe von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft. Gemeinsames<br />
Musizieren verbindet und vermittelt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und des Miteinanders.<br />
Aus vielfältiger Erfahrung wissen das auch die Mitglieder und Freunde des<br />
Männergesangvereins 1896 Mannheim-Rheinau und seines Frauenchores.<br />
Mit den musikalischen Aktivitäten des Vereins – eigene Konzerte und musikalische Umrahmung<br />
von Veranstaltungen – ist der Verein eine wichtige Säule des Stadtteillebens in<br />
Rheinau. Dazu gehören der „Große Rheinauer Neujahrsempfang“ der Rheinauer Vereine,<br />
das „Kleine Rheinauer Maibaumfest“, das „Große Rheinauer Stadtteilfest“, die Gedenkveranstaltung<br />
zum Volkstrauertag und der Weihnachtsmarkt der BASF-Siedlergemeinschaft<br />
Rheinau-Süd. Eine besondere gesellige Aktivität ist die alljährliche Ausrichtung des „Kurpfälzer<br />
Schlachtfestes“, mit der der Verein die Kerwe-Tradition im Stadtteil bewahrt.<br />
Mit Benefizkonzerten, deren Erlöse in den Stadtteil zurückfließen, und regelmäßigen<br />
Konzertdarbietungen im Wohnhaus Stengelhof der Lebenshilfe und im Seniorenheim<br />
Almenhof ist der <strong>MGV</strong> Rheinau 1896 und sein Frauenchor Vorbild für soziales Engagement.<br />
Mitglieder des Vereins stellen ihre Arbeitskraft immer wieder ehrenamtlich in den<br />
Dienst von Projekten für den Stadtteil, z. B. für die ehrenamtliche Renovierung der Trauerhalle<br />
des Rheinauer Friedhofs und des Denkmals auf dem Rheinauer Marktplatz.<br />
Daher ist mir das Doppeljubiläum des Vereins ein willkommener Anlass, dem Vorstand,<br />
den Chorleitern sowie allen Mitgliedern und Förderern für ihr hervorragendes Engagement<br />
im Stadtteil Rheinau und in der Stadt Mannheim zu danken.<br />
Ich wünsche dem Männergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau e. V. und seinem<br />
Frauenchor ein gutes Gelingen der bevorstehenden Veranstaltungen im Jubiläumsjahr<br />
und für alle zukünftigen Aktivitäten weiterhin den verdienten Erfolg.<br />
Dr. Peter Kurz<br />
Oberbürgermeister der Stadt Mannheim
16<br />
Vorbemerkung des Autors<br />
Wer seine Geschichte, also seine Herkunft, nicht kennt,<br />
dessen Leben fehlt etwas. Bei Waisen und Adoptivkindern<br />
beobachten wir daher das Phänomen, dass sie unmittelbar<br />
nach Einsetzen selbstständigen Denkens die Ursprünge<br />
ihres Seins, ihrer Identität, zu erforschen beginnen. Das<br />
zeigt: Der Mensch als Kulturwesen will wissen, ja er muss<br />
wissen, woher er kommt. Bei einer Gruppe von Menschen,<br />
einem Verein, ist dies keineswegs anders.<br />
Insofern ist es richtig und wichtig und mehr als nur ein Ritual, dass der Männergesangverein<br />
1896 Rheinau aus Anlass seines <strong>120</strong>-jährigen Bestehens und des 30. Geburtstages<br />
seines Frauenchors eine umfassende Darstellung seiner Geschichte und seiner Aktivitäten<br />
in Angriff genommen hat. Mir selbst wiederum ist es eine große Ehre und Freude,<br />
vom Vorstand mit dieser Aufgabe betraut worden zu sein. Der entsprechenden Bitte<br />
des Vorsitzenden Jürgen Ruf bin ich daher gerne nachgekommen.<br />
Ich selbst kenne den Verein seit 32 <strong>Jahre</strong>n aus eigener Anschauung. Als ich 1984 meine<br />
journalistische Arbeit für den „Mannheimer Morgen“ begann, da waren die Veranstaltungen<br />
des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau die ersten, über die ich berichten durfte. Von den damaligen<br />
Verantwortlichen des Vereins bin ich von Anfang an und vorbehaltslos herzlich aufgenommen<br />
worden. In diesem Verein haben ich und nach unserer Hochzeit auch meine<br />
Frau Birgitt uns immer ausgesprochen wohl, ja zu Hause gefühlt. Zu den Aktiven, für die<br />
ich an dieser Stelle stellvertretend die langjährige Dirigentin Lucia Lewczuk und ihre liebe<br />
Familie nennen möchte, sind Bindungen entstanden, die über die Aktivität beim <strong>MGV</strong><br />
1896 Rheinau hinaus tragen. Die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Vereins an<br />
mich war eine Auszeichnung, auf die ich stolz bin.<br />
Das vorliegende Werk gliedert sich in zwei große Bestandteile: erstens den zusammenfassenden<br />
Überblick über die Gesamtgeschichte des Vereins sowie zweitens die<br />
Darstellung der einzelnen Bereiche seines Wirkens. Was im Überblick nur angerissen<br />
werden kann, wird in den einzelnen thematischen Kapiteln ausführlich vertieft. Inhaltliche<br />
Überschneidungen sind dabei nicht nur unvermeidlich, sondern bewusst gewollt.<br />
Bei der inhaltlichen Ausgestaltung ließ mir der Verein völlig freie Hand. Das war auch<br />
nicht anders denkbar. Wer einen studierten Historiker und noch dazu einen alleine der<br />
Objektivität verpflichteten unabhängigen Journalisten mit einem solchen Projekt beauftragt,<br />
der kann kein unkritisches Jubelbuch erwarten. Ein solches ist es auch nicht geworden.<br />
Und so enthält dieses Werk durchaus Fakten und Wertungen, die – obgleich<br />
belegbar – Manchem für eine Jubiläumsveröffentlichung möglicherweise als zu kritisch<br />
und damit als entbehrlich erscheinen mögen. Doch die Darstellung von Leistungen und
17<br />
Erfolgen, dies ist meine feste Überzeugung, wird nur dann glaubhaft, wenn ebenso ehrlich<br />
Probleme und Fehlentwicklungen aufgezeigt werden.<br />
Sämtliche Daten und Informationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert,<br />
bearbeitet und veröffentlicht, das gesamte Manuskript vom Vorsitzenden des Jubelvereins<br />
in seiner Funktion als Herausgeber dieses Werkes gegengelesen; gleichwohl<br />
bleibt manche Unsicherheit, wird sich ab und an sogar ein Fehler eingeschlichen haben<br />
können. Für Korrekturen, aber auch andere Hinweise nach Erscheinen dieses Werkes<br />
sind die Verantwortlichen daher ausgesprochen dankbar. Alle Leser seien ausdrücklich<br />
ermuntert, sich diesbezüglich bei mir zu melden (konstantin.gross1@gmx.de).<br />
Bei allen, die mich in welcher Weise auch immer, bei der Vorbereitung und Abfassung<br />
dieses Werkes unterstützt haben, darf ich mich ganz herzlich bedanken. Vor allem jedoch<br />
danke ich meiner Ehefrau Birgitt, die mich in der langen Zeit der Vorbereitung und<br />
Abfassung dieses Werkes in vielen Stunden, die eigentlich der gemeinsamen Lebensgestaltung<br />
hätten dienen können, hat entbehren müssen. Gleichwohl hat sie mein zeitlich<br />
aufwändiges und zuweilen auch nervlich aufreibendes Tun nicht nur ertragen, sondern<br />
mit ganzer Kraft und aus vollem Herzen unterstützt. Ohne ihr Mittun gäbe es dieses<br />
Buch, zumindest von mir, nicht.<br />
Bei seiner Lektüre wünsche ich allen Lesern interessante Erkenntnisse und ab und an<br />
auch mal ein Schmunzeln; ich jedenfalls hatte bei der Erarbeitung beides.<br />
Konstantin Groß<br />
Ehrenmitglied des Männergesangvereins 1896 Mannheim-Rheinau e. V.
18<br />
An Stelle eines Grußwortes<br />
Interview mit dem Vereinsvorsitzenden Jürgen Ruf<br />
Jürgen Ruf, geboren am 11. Mai 1942, steht seit dem 9. Januar<br />
2008 an der Spitze des Männergesangvereins 1896<br />
Rheinau, der in diesem Jahr sein <strong>120</strong>-jähriges Bestehen und<br />
30 <strong>Jahre</strong> Frauenchor im <strong>MGV</strong> feiert. Aus diesem Anlass führte<br />
der Autor dieser Festschrift, Konstantin Groß, mit ihm das<br />
nachfolgende Gespräch.<br />
Wann und wie hatten Sie zum ersten Mal Kontakt mit dem <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau?<br />
„Das kam durch die Eltern. Mit ihnen war ich – ich glaube, es war 1952 – zum ersten Mal auf<br />
einem der Waldfeste, die der Verein damals immer im Juli am Waldgartenweg/Ecke heutiger<br />
Rheinauer Ring gefeiert hat. Das Fest dauerte drei Tage. Der Chor hat gesungen, im Freien<br />
wurde getanzt. Und für die Verpflegung gab es Wurst mit Brot. Ungefähr Mitte der fünfziger<br />
<strong>Jahre</strong>n wurden diese Veranstaltungen dann eingestellt. Als ich in den Verein eingetreten bin,<br />
gab es die Waldfeste schon nicht mehr.“<br />
Wie kam es zu Ihrem Eintritt in den <strong>MGV</strong>?<br />
„Der Sohn von Walter Morath sen., der damals schon Sänger und später Vizedirigent beim<br />
<strong>MGV</strong> war, und ich waren Schulkollegen. Daher war ich öfters bei Moraths zu Hause in der<br />
Karl-Schwaner-Straße. Und so kam der Kontakt zu Stande. Mit Günther Nessel bin ich dann<br />
kurz nach der Rheinauer Kerwe 1958 in den Verein eingetreten. Damals war ich 16 <strong>Jahre</strong> alt.“<br />
Warum sind Sie als so junger Mensch überhaupt in einen Gesangverein gegangen?<br />
„Für Sport, egal ob Fußball oder Handball, war ich in meiner Jugend auf Grund meiner Konstitution<br />
eher ungeeignet. Als Junge hatte ich bei einer Größe von 1,47 m ein Kampfgewicht<br />
von 74 kg! Da blieb mir als Freizeitbeschäftigung nur der Gesangverein.“<br />
Aber die fünfziger <strong>Jahre</strong> waren doch eher die Zeit von Bill Hailey und Elvis Presley?<br />
„Ja, schon, aber auf der Rheinau hat sich das nicht so niedergeschlagen. Damals gab es hier<br />
keine richtige Jugendszene. Der einzige Ort, an dem sich die Jugendlichen abends trafen, war<br />
der Kiosk am Apollo-Kino in der Relaisstraße. Manchmal haben wir vor der katholischen Kirche<br />
gewartet, bis die Mädchen aus der Jungschar kamen. Einmal kam der Pfarrer Egger dazu<br />
und hat sogar die Polizei gerufen. Das waren eben ganz andere Zeiten damals.”
19<br />
Apropos andere Zeiten: Wie stellte sich der <strong>MGV</strong> dar, als Sie dazugestoßen sind?<br />
„Wir waren damals 50 Sänger, dirigiert von dem Dirigenten Erich Bender aus Plankstadt. Die<br />
Singstunden fanden beim Flörsch, also in der Gaststätte „Rheinauhafen“ in der Stengelhofstraße/Ecke<br />
Karlsruher Straße, statt, und zwar immer dienstags von 20 bis 21.30 Uhr, zwischendrin<br />
mit einer Viertel Stunde Pause.“<br />
Welches Liedgut wurde gesungen?<br />
„Das waren vor allem Weinlieder oder auch Volkslieder. An einen Titel erinnere ich mich noch<br />
genau: Wo’s Dörflein traut zu Ende geht/Wo’s Mühlenrad am Bach sich dreht/Dort steht in<br />
duft’gem Blütenstrauß/Mein liebes, altes Elternhaus./Dahin, dahin verlangt mein Sehnen/<br />
Ich denke Dein gar oft mit Tränen/Mein Elternhaus, so lieb und traut/Das ich schon lang<br />
nicht mehr geschaut!”<br />
Wie sind Sie als Jugendlicher von den gestandenen Sängern aufgenommen worden?<br />
„Sehr gut. Es war von Anfang an eine enge Kameradschaft zwischen Jung und Alt.“<br />
Wann war Ihr erster öffentlicher Auftritt als Sänger?<br />
„Das war bei der Weihnachtsfeier 1958 im Saal der TSG Rheinau. Die Weihnachtsfeiern waren<br />
damals noch ganz anders als später: Sie fanden samstagabends statt und waren außerdem<br />
noch ohne Kinder.“<br />
Wie ging Ihre Karriere im Gesangverein weiter?<br />
„Na ja, ich war normaler Sänger – mit kurzer Pause wegen meiner Bundeswehrzeit und nach<br />
meiner Hochzeit 1965. Und wenn anzupacken war, habe ich immer mitgeschafft. 1978 bin<br />
ich dann Mitgliederwart im Vorstand geworden.“<br />
Was hat man sich denn darunter vorzustellen?<br />
„Das ist ein Amt, das damals erst neu geschaffen wurde, um die Verwaltung der Mitglieder<br />
besser zu organisieren. Für mich war das natürlich eine Herausforderung, denn ich war ja<br />
kein Kaufmann, sondern Handwerker. Insofern bin ich einigermaßen stolz, dass ich damals<br />
das Mitglieder- und Ehrungswesen neu organisiert bzw. erst aufgebaut habe.“<br />
Können Sie ein Beispiel nennen?<br />
„Bis 1982 wurde bei jedem Mitglied persönlich kassiert. Wenn der Betreffende bezahlt hatte,<br />
dann wurden für den betreffenden Zeitraum Beitragsmarken in ein Mitgliedsbuch eingeklebt.<br />
Auch das Ehrungswesen war noch nicht optimal organisiert. Durch Vermittlung meines<br />
Sangesfreundes Günter Friedrichs, der auch im Fußballkreis engagiert war, habe ich mir beim<br />
Fußballkreis-Vorsitzenden Kurt Gaissert erst einmal die Informationen darüber besorgt, wie<br />
man eine Landesehrennadel für ein verdientes Vereinsmitglied beantragt.“<br />
Fast 60 <strong>Jahre</strong> Engagement im und für den <strong>MGV</strong> – worauf sind Sie besonders stolz?<br />
„Ich würde sagen: Dass der Frauenchor gegründet wurde. Meine Frau hat mich auf die Idee<br />
gebracht, als wir 1982 bei einem Konzert in der Konrad-Duden-Schule den Frauenchor des<br />
Gesangvereins Frohsinn Hochstätt-Pfingstberg gehört haben. Und ich habe diese Initiative<br />
dann in den Vorstand des <strong>MGV</strong> eingebracht, und die Sache hat ihren Lauf genommen.“<br />
Was war oder ist für Sie das Schöne im <strong>MGV</strong>?<br />
„Der Zusammenhalt untereinander. Ich habe viele schöne Zeiten erlebt. Der <strong>MGV</strong> war ein<br />
Verein, der Niveau hatte. So lange ich kann, werde ich daher für den <strong>MGV</strong> arbeiten.“
20<br />
Zeittafel<br />
1896 (05.05.) Gründung des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau<br />
1897 (10.06.) Gründung des zweiten Rheinauer Gesangvereins „Liederkranz“<br />
1904 (14.05.) Fahnenweihe des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau<br />
1914 (25.09.) Vorstand beschließt Unterstützungsaktion für Sänger an der Front<br />
1931 (24.10.) Tiefststand des Vereins nach der Weltwirtschaftskrise<br />
1933 (10.06.) <strong>MGV</strong> umrahmt Einweihung des Kriegerdenkmals auf dem Marktplatz<br />
1933 (30.08.) Politische Gleichschaltung des Vereins: Philipp Held Vorsitzender<br />
1933 (10.10.) Zwangsweise Eingliederung des Arbeitersängerbundes Rheinau<br />
1944 (01.08.) Einstellen der Singstunden auf Grund der Luftangriffe<br />
1945 (10.11.) Erste Generalversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
1946 (10.06.) Erster öffentlicher Auftritt nach dem Kriege: beim „Bunten Abend“ der SPD<br />
1946 (04.11.) Vorstand berät erstmalige Gründung eines Frauenchors<br />
1947 (18.01.) Generalversammlung: Erster Frauenchor zählt 30 Mitglieder<br />
1964 (05.01.) Helmut Schmitt Vorsitzender des Vereins (bis 1992)<br />
1971 (21.12.) Verhandlungen zur Fusion mit dem „Liederkranz“<br />
1974 (22.03.) „Liederkranz“-Mitgliederversammlung lehnt Fusion ab<br />
1983 (01.02.) Beginn der 28-jährigen Dienstzeit von Lucia Lewczuk als Dirigentin<br />
1984 (14.07.) Auftritt beim Hafenkonzert des SWR im Rheinauhafen<br />
1985 (02.03.) Vorstand beschließt Gründung eines Frauenchors<br />
1985 (21.05.) Mitgliederversammlung billigt Gründung eines Frauenchors<br />
1985 (15.12.) Erstes großes Konzert des Frauenchors in St. Antonius Rheinau<br />
1986 (27.06.) Erste offizielle Delegation aus Neuschönau beim Marktplatzfest<br />
1990 (20.10.) Erster Auftritt des Jugendchors<br />
1992 (25.01.) Ende der Ära Helmut Schmitt: Dieter Schmidt neuer Vorsitzender<br />
1992 (01.11.) Benefizkonzert für krebskranke Kinder erbringt über 6600 D-Mark<br />
1994 (25.02.) Auftritt zur Einweihung des Rhein-Neckar-Stadions<br />
1994 (06.06.) Baubeginn für den Probenraum im Vereinsheim der TSG<br />
1995 (20.05.) Einweihung des vom <strong>MGV</strong> sanierten Kriegerdenkmals auf dem Marktplatz<br />
1996 (11.05.) Festakt zum 100. Jubiläum mit Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer<br />
1998 (17.01.) Manfred Hipp wird Vorsitzender und bleibt dies rund ein Jahrzehnt lang<br />
2001 (12.05.) Benefizkonzert der sieben Rheinauer Chöre im Nachbarschaftshaus<br />
2002 (06.09.) Auftritt des <strong>MGV</strong> vor Ministerpräsident Erwin Teufel im Gärtnertreff<br />
2002 (03.10.) Benefizkonzert für Opfer der Hochwasser-Katastrophe in den Neuen Ländern<br />
2008 (19.01.) Jürgen Ruf Vorsitzender des Vereins<br />
2008 (11.10.) Erstes Rheinauer Kerwe-Schlachtfest des <strong>MGV</strong><br />
2011 (11.01.) Lucia Lewczuk kündigt nach 28 <strong>Jahre</strong>n Rückzug als Dirigentin des <strong>MGV</strong> an<br />
2011 (01.02.) Ottmar Öhring neuer Dirigent – aber nur für ein halbes Jahr<br />
2011 (20.09.) Erste Singstunde mit dem neuen Dirigenten Franz Josef Siegel<br />
2012 (14.01.) Auftritt vor Vizekanzler a. D. Franz Müntefering in der Kirche St. Konrad<br />
2015 (16.06.) Erste Singstunde mit dem neuen Dirigenten Eddy Werner Triebskorn<br />
2016 (30.01.) Generalversammlung: <strong>MGV</strong> zählt 87 Mitglieder, davon 23 Aktive<br />
2016 (07.05.) Jubiläumsfest „<strong>120</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau – 30 <strong>Jahre</strong> Frauenchor“<br />
2017 (28.01.) Ende der Amtszeit des Vorsitzenden Jürgen Ruf
21<br />
Die Geschichte des Vereins<br />
Die Zeit seiner Entstehung<br />
1896 – dieses Jahr liegt inmitten einer Epoche, von der wir nur allzu gerne als guter alter<br />
Zeit sprechen; in Wirklichkeit aber war sie nur gut für jene, für die alle Zeiten gut sind.<br />
Für die Masse der Bevölkerung gerade in Rheinau, einem von der Industrie geprägten<br />
Vorort, war sie bestimmt durch Lebensumstände, die sich niemand zurückwünschen<br />
kann.<br />
In Deutschland regierte Kaiser Wilhelm II. mit einem – wie er es nannte – „persönlichen<br />
Regiment“. Der Monarch und nicht das Parlament bestimmte die Regierung. In Preußen,<br />
dem größten Teilstaat des Kaiserreiches, galt immer noch das Dreiklassenwahlrecht; der<br />
Wert einer Stimme, ja der Wert des Menschen schlechthin, bemaß sich nach seinem<br />
Stand.<br />
Die Lage des zahlenmäßig größten Teils der Bevölkerung war schlecht. Die durchschnittliche<br />
Lebenserwartung lag bei weit unter 60 <strong>Jahre</strong>n. Die ökologischen Bedingungen<br />
waren verheerend: Aus den Schornsteinen der Rheinauer Chemiefabriken quollen<br />
die giftigen Rauchschwaden völlig ungehemmt, die Abwässer der Mietshäuser flossen<br />
ungereinigt in den Rhein. Die Mehrheit der Menschen lebte ohne Bad oder eigenes WC<br />
gedrängt in kleinen Wohnungen, von denen uns manche alten Häuser in der Stengelhofstraße<br />
oder dem Dänischen Tisch noch einen Eindruck vermitteln können.<br />
Die oftmals körperliche Arbeit machte die Menschen krank, ja kaputt; der Arbeitstag<br />
betrug 16 Stunden für einen Lohn, der kaum für das Nötigste reichte. Nahezu sämtliche<br />
Wege mussten ungeachtet ihrer Länge zu Fuß zurückgelegt werden; die Bahnfahrkarte<br />
war ein Luxus, ein eigenes Exemplar des erst zehn <strong>Jahre</strong> zuvor von Carl Benz in Mannheim<br />
erfundenen Autos ein völlig unerfüllbarer Traum. An Urlaubsreisen, gar ins Ausland,<br />
war nicht zu denken, schon deshalb nicht, weil es noch keinen bezahlten Urlaub<br />
gab.<br />
Auch Freizeitvergnügen gab es schon deshalb kaum, weil es kaum Freizeit gab. Allenfalls<br />
sonntags ging man im Sommer an den Flussufern der Brühler Kollerinsel schwimmen<br />
oder zur Kerwe-Zeit zu Volksfesten und Jahrmärkten, auf denen Grimassenschneider,<br />
Feuerschlucker und Damen ohne Unterleib ewig denkwürdige Sensationen bildeten.<br />
Ansonsten verbrachten viele Arbeiter die Abende, sofern sie nicht ohnehin sofort erschöpft<br />
zu Bett sanken, in den Kneipen, von denen es damals auch auf der Rheinau noch<br />
unzählige gab.<br />
Kino oder gar Fernseher gab es noch nicht, ebenso wenig wie Radio oder Plattenspieler.<br />
Wer Musik liebte und genießen wollte – und welcher Mensch hätte nicht dieses urmenschliche<br />
Bedürfnis gehabt –, der musste sie selber machen. Der Gesangverein bot<br />
sich dafür an, bot darüber hinaus Geselligkeit, ja Heimat gerade für den Arbeiter, der<br />
sich aus der Gesellschaft des Kaiserreiches oftmals ausgegrenzt fühlte. Und so war es nur<br />
eine Frage der Zeit, bis auch unter den Menschen in dem seit 1872 entstehenden Industrieort<br />
Rheinau der Wunsch nach Gründung eines Gesangvereins aufkam.
22<br />
Alte Fabrikschule im Posthornweg.<br />
Der Ort, an dem der <strong>MGV</strong> Rheinau am 5. Mai 1896 gegründet wurde.<br />
Philipp Rothacker.<br />
Der Gründer des Vereins in den späten <strong>Jahre</strong>n seines Lebens.
23<br />
Gründung und erste <strong>Jahre</strong><br />
Wie es konkret zur Gründung des Vereins kam, liegt weithin im Dunkeln. Ein Gründungsaufruf<br />
etwa in Form eines Plakats oder einer Zeitungsnotiz existiert nicht. So müssen<br />
wir davon ausgehen, dass die Aktion per Mundpropaganda am Arbeitsplatz der<br />
Gründungsmitglieder bekanntgemacht wurde.<br />
Fest steht nur: Am Abend des 5. Mai 1896 war es soweit. Im Gebäude der Fabrikschule<br />
im Posthornweg fanden sich 15 Sangesbegeisterte zur Gründung des Männergesangvereins<br />
Rheinau zusammen; die <strong>Jahre</strong>szahl ,,1896" wurde erst später Bestandteil des Namens,<br />
der Zusatz „Mannheim“ naturgemäß erst nach der Eingemeindung Rheinaus in<br />
die Quadratestadt im <strong>Jahre</strong> 1913. Im Gegensatz zu jenem Bild, das Gesangvereine heutzutage<br />
vermitteln, waren die Gründerväter damals zumeist blutjunge Männer: Das<br />
Durchschnittsalter lag bei 20 bis 25 <strong>Jahre</strong>n. Dabei handelte es sich vor allem um Facharbeiter<br />
der Braunkohle, von Stinnes und des Stahlwerks im Rheinauhafen, der übrigens<br />
zu jener Zeit gerade erweitert wurde.<br />
Initiator der Gründung – und daher 1920 zum Ehrenmitglied ernannt – war Philipp<br />
Rothacker, damals 21 <strong>Jahre</strong> alt und Kranfahrer bei der Braunkohle. Er wohnte in der Zwischenstraße<br />
11 und hatte vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Buben; einer davon war<br />
Adolf Rothacker, der in der Rheinauer Ortsgeschichte später einmal eine bedeutende<br />
Rolle spielen sollte, als er während des Dritten Reiches die Fahne des Arbeiter-Turn- und<br />
Sportvereins vor den Nazis rettete, indem er sie in seinem Haus in der Osterstraße auf<br />
dem Pfingstberg versteckte.<br />
Rothacker wurde denn auch zum im wahrsten Sinne des Wortes ersten Vorsitzenden<br />
des Vereins gewählt. Dirigent wurde, wie in jenen <strong>Jahre</strong>n üblich, ein Lehrer namens<br />
Grattolf. Doch die Amtszeit beider endete zunächst bereits im Jahr darauf, als das erste<br />
einschneidende Ereignis der Vereinsgeschichte eintrat: die Gründung eines zweiten Gesangvereins<br />
auf der Rheinau.<br />
Rheinau zählte damals ganze 500 Einwohner. So hätte eigentlich ein einziger Gesangverein<br />
für diesen Vorort genügt. Doch trotz dieser geringen Bevölkerungszahl<br />
waren wie im gesamten Deutschen Kaiserreich auch hier die sozialen Unterschiede<br />
groß. Hinzu kamen die konfessionellen Gräben zwischen Katholiken und Protestanten.<br />
Aus solchen Gründen, die von uns heute nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden<br />
können, kam es schon im Gründungsjahr zu erheblichen Spannungen innerhalb<br />
des Vereins, die schließlich 1897 zur Gründung eines zweiten Gesangvereins, des „Liederkranzes“,<br />
führten. Allerdings waren unter jenen, die den Verein wechselten, nur ganze<br />
drei aktive Sänger.
24<br />
Ausschreibung des <strong>MGV</strong> zu seiner Fahnenweihe 1904.
25<br />
Die Fahnenweihe<br />
Endgültig abgeschlossen wurde die Gründungsphase des Vereins mit seine Fahnenweihe<br />
am 14. und 15. Mai 1904. Bereits über ein Jahr vor dem Ereignis bildete der Verein einen<br />
Festausschuss, der von Philipp Rothacker als Gallionsfigur geleitet wurde und in dem August<br />
Geißler als Schriftführer die organisatorischen Arbeiten erledigte. Einmal im Monat<br />
trafen sich die Organisatoren abwechselnd in einer der Rheinauer Gastwirtschaften, sei<br />
es im „Pfälzer Hof“ von August Maier, dem „Freischütz“ von Johann Seitz, dem (damals:)<br />
„Neuen Relaishaus“ von Philipp Roßrucker oder dem „Ratstübl“ von Karl Fritzinger.<br />
Im Juli 1903 schrieb August Geissler sämtliche Gesangsvereine zwischen Vorderpfalz<br />
und Bergstraße an, um sie zur „Fahnenweihe verbunden mit Gesangswettstreit“ einzuladen.<br />
Der beigefügte Antwortbogen beinhaltete auch die für unsere heutigen Ohren so<br />
fremd klingende Frage: „Kommen Sie mit dem Fuhrwerk oder per Bahn?“ Damals jedoch<br />
war die Frage berechtigt, musste doch die Versorgung der Pferde frühzeitig organisiert<br />
werden. „Besonders sei bemerkt“, so hieß es in der Einladung weiter, „dass Rheinau in<br />
nächster Nähe von Mannheim, Schwetzingen und Heidelberg liegt und durch seine überaus<br />
günstigen Zugverbindungen nach diesen Orten jederzeit Fahrgelegenheit geboten ist“.<br />
Die Funktion des „Fahnenjunkers“ wurde Wilhelm Engelhardt übertragen, dem Chef<br />
der Firma Geber & Mader und wohnhaft im Haus neben der Villa des Dr. Spinner, was<br />
man getrost als Frühform des Sponsoring werten kann. Mina Rothacker, die Tochter des<br />
Vereinsgründers, fungierte als „Fahnenbraut“ – offenbar Dank und Anerkennung für<br />
den „Vereinsvater“. Auguste Scherer aus dem „Stall“ des Saalbaus Scherer und Anna<br />
Strauß aus der gleichnamigen Spengler-Familie, also zwei Töchter alter Rheinauer Familien<br />
also, waren ihre Prinzessinnen.<br />
Die Feierlichkeiten zur Fahnenweihe müssen ein eindrucksvolles und auch anstrengendes<br />
Ereignis gewesen sein. Sie begannen am Samstag, dem 14. Mai, abends um<br />
halb acht mit einem Fackelzug. Hierauf folgte das Festbankett im Vereinslokal „Zum<br />
Goldenen Hirsch“. Der folgende Sonntag begann bereits wieder um 10 Uhr mit einem<br />
Empfang für die auswärtigen Gäste, die sich ab halb eins beim Mittagessen, ebenfalls im<br />
„Hirsch“, stärkten für das was folgen sollte. Denn um drei Uhr nachmittags begann der<br />
Festzug zum Festplatz. Ein Vorreiter hoch zu Pferde führte den Zug an, gefolgt von Aktiven<br />
des Radfahrervereins „Eintracht“ und den Tambouren. Den Musikanten folgten die<br />
Fahnentruppe, der Fest-Ausschuss und die teilnehmenden Gesangsvereine, als letzter<br />
der <strong>MGV</strong> selbst.<br />
Auf dem Festplatz übergaben schließlich die Fahnenjungfrauen dem Verein die Fahne.<br />
Das überlieferte Programm gibt uns nicht nur Aufschluss über die anwesenden Vereine,<br />
sondern auch über ihr Repertoire. Der Bruderverein Liederkranz etwa sang „Ich<br />
kehre wieder“ von Mengert, das Männer-Quartett Waldsee „An die Freundschaft“ von<br />
Neidhardt und der Sängerbund Hockenheim „Der Mai ist da“ von Bernhard Dietrich;<br />
keines dieser Lieder wird heute noch gesungen. Nicht mehr existent ist auch mancher<br />
der damaligen Teilnehmer, so etwa der „Norddeutsche Verein Rheinau“.<br />
Trotz der positiven Entwicklung kam es immer wieder zu Krisen innerhalb des Vereins.<br />
Am 17. Januar 1905 etwa legte aus Gründen, die nicht überliefert sind, der gesamte Vorstand<br />
um Philipp Rothacker sein Amt nieder; die Mitgliederstatistik verzeichnet für jenes
26<br />
Protokoll der Mitgliederversammlung im Kriegsjahr 1914.
27<br />
Jahr einen Rückgang um nahezu 15 %, nämlich von 107 auf 96. Das konnte aber schnell<br />
wieder ausgebügelt werden: 1907 waren es bereits wieder 137 Mitglieder.<br />
Zu einer bemerkenswerten Generalversammlung kam es auch im <strong>Jahre</strong> 1912. Nach<br />
dem allgemein bedauerten Rücktritt des Vereinsvorsitzenden August Geißler kandidierten<br />
gleich fünf Sänger für das Amt des Vorsitzenden – so viele wie bis dahin und danach<br />
nie mehr in diesem Verein. Es waren dies die Sänger Rothacker, Klube, Benkert, Sinn und<br />
Stark. Von den 37 abgegebenen Stimmen erhielt Klube 33 Stimmen, die übrigen Kandidaten<br />
lediglich jeweils eine – ihre eigene. Klube, von Beruf Kesselschmied bei Eichtersheimer<br />
und Kirchenältester der Evangelischen Kirchengemeinde, übernahm den Vorsitz.<br />
Der Verein im Ersten Weltkrieg<br />
Eine schicksalsträchtige Entwicklung trug sich zwei <strong>Jahre</strong> danach zu: Am 1. August 1914<br />
erklärte Deutschland Russland den Krieg, der Erste Weltkrieg begann. Das Waldfest der<br />
Rheinauer Sänger, das für den 9. August 1914 geplant war, wurde vom Vorsitzenden<br />
Sinn umgehend abgesagt. Dafür entwickelte sich in dem Verein eine Welle der Solidarität<br />
für die an die Front einrückenden Vereinsmitglieder. In der Mitgliederversammlung<br />
vom 11. August machte der Sänger Klube den Vorschlag, vom Vereinskonto, das der<br />
<strong>MGV</strong> damals übrigens bei der Sparkasse in Schwetzingen unterhielt und das 700 Reichsmark<br />
umfasste, 100 Mark an das Rote Kreuz Rheinau zu überweisen. Dieser Antrag wurde<br />
einstimmig angenommen. Per Beschluss ermächtigte die Versammlung den Vorstand<br />
außerdem, aus eigenem Ermessen an notleidende Mitglieder Unterstützungsgelder<br />
bis zu einer Summe von 10 Mark zu gewähren.<br />
Am 25. September 1914 beschloss der Vorstand zusätzlich, im Felde kämpfende Sänger<br />
mit Paketen zu bedenken. Am 28. Oktober wurde ergänzend entschieden, dass darin<br />
vor allem Socken und Unterhosen geschickt werden sollen. Das Paket für den Sänger<br />
Auz, der sich bereits in französischer Kriegsgefangenschaft befand, sollte zurückgelegt<br />
werden, da zwischen Deutschland und Frankreich noch keine Vereinbarung über Hilfssendungen<br />
an Kriegsgefangene bestand.<br />
Am 30. Dezember 1914 beschloss der Vorstand, ein Konzert zu Gunsten des Roten<br />
Kreuzes Rheinau abzuhalten. Allerdings war zu jener Zeit die Probentätigkeit bereits<br />
schwer in Mitleidenschaft gezogen. Viele Sänger und auch Dirigent Schweizer waren<br />
zum Kriegsdienst eingezogen worden. Bereits am Ende des ersten Kriegsjahres waren<br />
die ersten Vereinsmitglieder „auf dem Felde der Ehre gefallen", wie es im Protokoll der<br />
Generalversammlung vom 31. Juli 1915 hieß. In jener Sitzung übten einige Vereinsmitglieder<br />
übrigens heftige Kritik daran, dass die „Rheinauer Zeitung“ für zwei Todesanzeigen<br />
des Vereins zu Ehren verstorbener Sänger den gleich hohen Preis berechnet hatte<br />
wie für gewerbliche Werbeanzeigen.<br />
Auch lange nach dem Ende des Krieges und der November-Revolution von 1918<br />
herrschte auf Grund der Inflation noch große wirtschaftliche Not, sodass das 25. Jubiläum<br />
des <strong>MGV</strong> im <strong>Jahre</strong> 1921 nicht groß gefeiert werden konnte. Das änderte sich erst allmählich:<br />
Die Mitte und das Ende der zwanziger <strong>Jahre</strong> waren auch für den <strong>MGV</strong> 1896<br />
golden. Der Chor nahm erfolgreich an Preis- und Freundschaftssingen teil. Das erste<br />
dieser Art in Altrip ist vielen damaligen Teilnehmern zur Legende geworden.
28<br />
Der Verein in der Weltwirtschaftskrise nach 1929<br />
Doch diese Blütezeit hielt nicht lange an. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 führte zu<br />
einer Rezession, die gerade in einem Industriestandort wie Rheinau besonders dramatische<br />
Folgen zeitigte. Nicht wenige Sänger wurden arbeitslos, konnten ihren Mitgliedsbeitrag<br />
und die Kosten für die Fahrt zu auswärtigen Veranstaltungen nicht mehr bezahlen.<br />
So riss die Wirtschaftskrise große Löcher in den Chor und die Vereinskasse. Im Protokoll<br />
der Generalversammlung vom 24.10.1931 heißt es: „Unsere Mitgliederzahl ist in den<br />
letzten <strong>Jahre</strong>n sehr gesunken, welches wohl den wirtschaftlichen Verhältnissen zuzuschreiben<br />
ist. Der Kassenstand ist auf einen kleinen Betrag zusammengeschmolzen. Sänger Heck<br />
bittet um Vorschläge zu Sparmaßnahmen, jedoch vergebens, keiner hatte einen gewinnbringenden<br />
Vorschlag.“<br />
Die schlechte finanzielle Situation führte am 15. Oktober 1931 zu einer Krisensitzung<br />
des Vorstandes. Den größten Ausgabebatzen stellte bereits damals das Gehalt des Dirigenten<br />
dar. Doch Chorleiter Friedrich Guthmann war in den Gesprächen der vorangegangenen<br />
Wochen nicht dazu zu bewegen, zumindest vorübergehend für weniger als<br />
50 Reichsmark zu arbeiten. So beschloss der Vorstand in jener Sitzung, Guthmann zu entlassen<br />
und einen Nachfolger zu suchen, der die Tätigkeit auch für 30 Mark übernimmt.<br />
Auf ein entsprechendes Inserat in der „Mannheimer Zeitung“ meldeten sich 15 Interessenten<br />
– arbeitslose Musiker gab es damals ja genug. Aus ihnen wurde der erst 22-jährige<br />
Fritz Amme ausgewählt.<br />
Außerdem ergriff man weitere Sparmaßnahmen: Das Abonnement der „Rheinauer<br />
Zeitung“ wurde 1932 gekündigt, aber ein Jahr darauf bereits wieder aufgenommen. Die<br />
Sparmaßnahmen hatten offensichtlich geholfen. Denn schon Ende 1932 hatte sich der<br />
Kassenbestand wieder auf 43 Reichsmark und 35 Groschen verbessert, konnte der Mitgliederstand<br />
per Saldo erstmals wieder gehalten werden: den (oft finanziell bedingten)<br />
zwölf Austritten standen zwölf Neu-Eintritte gegenüber. Der Antrag des Vorsitzenden<br />
Heck, den <strong>MGV</strong> ins Vereinsregister einzutragen lassen, scheiterte in der Generalversammlung<br />
dennoch wegen finanzieller Bedenken der Anwesenden. Dagegen sah sich<br />
der Verein in der Lage, arbeitslosen Sängern für die Teilnahme an Veranstaltungen, so<br />
etwa an dem großen Pfälzischen Gausängerfest in Ladenburg am 9. Juli 1933, einen Zuschuss<br />
zu gewähren. Zudem übernahm Friedrich Guthmann 1934 erneut die Chorleitung<br />
und behielt sie zehn <strong>Jahre</strong> lang bis kurz vor Kriegsende. Ob sich die finanzielle<br />
Situation des Vereins wieder verbessert hatte, ihm sein früheres Gehalt zahlen zu können,<br />
oder Guthmann ein Einsehen hatte, das ist allerdings nicht überliefert.<br />
Immer wieder kam es in diesen <strong>Jahre</strong>n der Anspannung zu heftigem Krach im Verein.<br />
Am 21. Juni 1930 etwa fand eine Versammlung statt, bei der es dem Protokoll nach heiß<br />
hergegangen sein muss. Mehrere Vorstandsmitglieder traten zurück und erklärten sogar<br />
ihren Austritt aus dem Verein, sodass eine Sonderversammlung einberufen werden<br />
musste, auf der am 2. Juli 1930 die freigewordenen Vorstandsposten wieder besetzt<br />
wurden. Neuer stellvertretender Vorsitzender wurde der Rheinauer Feuerwehrhauptmann<br />
Vinzenz Held, Kurt Limbrunner Schriftführer und ein gewisser Becker „zweiter Bibliothekar“<br />
– ja so etwas gab es damals.
29<br />
Der Verein im Dritten Reich<br />
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 bildete auch einen<br />
tiefen Einschnitt in das Leben des Männergesangvereins 1896 Rheinau. In einem totalitären<br />
Staat, wie ihn die Nationalsozialisten bereits unmittelbar nach ihrer Machtergreifung<br />
zu formen begannen, durfte und konnte es keine Freiräume geben. Frühzeitig hatten<br />
die Nationalsozialisten die Bedeutung der Kultur für die Sicherung ihrer Macht und<br />
für die Verbreitung ihrer Ideologie erkannt und trachteten danach, alle in diesem Bereich<br />
haupt- und ehrenamtlichen Tätigen straff zu organisieren. Der Deutsche Sängerbund<br />
wurde in die Reichsmusikkammer eingegliedert, die wiederum Teil der vom<br />
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gesteuerten Reichskulturkammer war.<br />
Das veränderte Klima zeigte sich bereits am 1. Mai 1933, den kurioserweise ausgerechnet<br />
Hitler kurz zuvor zum arbeitsfreien und bezahlten Feiertag gemacht hatte. Für<br />
diesen Tag waren alle Mannheimer Gesangvereine, also auch der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau,<br />
verpflichtet worden, zur zentralen Kundgebung im Rhein-Neckar-Stadion anzutreten.<br />
Schon morgens um halb acht – von Feiertag konnte also keine Rede sein – mussten sie<br />
sich auf dem Rheinauer Marktplatz einfinden und von dort zu Fuß nach Neuostheim<br />
marschieren. Im Stadion bildeten die Mannheimer Sänger einen Massenchor, der in der<br />
Tat eindrucksvoll gewesen sein muss. Vereinsschriftführer Schölch schwelgt im Protokollbuch<br />
über dieses Ereignis in bestem NS-Jargon: „Es war ein erhebender Anblick von<br />
der Terrassenhöhe auf die zusammengeballte Menschenmasse im Stadion-Inneren. Da<br />
stand der Arbeiter neben dem Beamten, der Handwerker neben dem Direktor, einig in dem<br />
Willen, mitzuhelfen am Wiederaufbau unseres so schwer daniederliegenden Vaterlandes“.<br />
Auch in Rheinau selbst wehte jetzt ein anderer Wind. Der rechtsnationalistische Krieger-<br />
und Militärverein bekam Oberwasser und konnte jetzt endlich sein jahrzehntelanges<br />
Ziel eines Kriegerdenkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges durchsetzen.<br />
Am 10., 11. und 12. Juni 1933 fand die Einweihung im Rahmen eines dreitägigen Festes<br />
statt, und es war der Männergesangverein 1896, dem die musikalische Umrahmung<br />
dieser vaterländischen Feier oblag, vor allem des großes Festbanketts, das am Samstag,<br />
dem 10. Juni, auf dem Platz des Turnvereins Rheinau stattfand; dabei brachten die Sänger<br />
unter anderem das Lied „Das ist der Tag des Herrn“, und der Vereinsvorsitzende Heck<br />
überreichte dem Krieger- und Militärverein als Geschenk ein Bild „des Herrn Reichspräsidenten<br />
von Hindenburg“.<br />
Noch war es kein Bild des sogenannten „Führers“, doch auch das sollte sich bald ändern.<br />
„Um halb 7 eröffnete Herr Heck mit einem Heil Hitler die Sitzung“, begann das Protokoll<br />
der Vorstandssitzung vom 23. Juli 1933. Der NS-Geist hatte den Verein bereits voll<br />
im Griff, und das sollte umgehend auch institutionalisiert werden. Am 30. August 1933<br />
fand im Gasthaus „Rheinauhafen“ die sogenannte „Gleichschaltungsversammlung“<br />
statt. Über den Ablauf, mehr noch über die Atmosphäre dieser Veranstaltung, gibt das<br />
Protokoll beredet Auskunft:<br />
„Herr Heck eröffnete die Versammlung und begrüßte die anwesenden Gäste der NSDAP,<br />
Herrn Liehr, Wüst, Kammerer und Scholl. Heck verliest die Richtlinien des Badischen Sängerbundes<br />
für die Gleichschaltungsversammlung, wonach der zukünftige Vereinsführer nicht<br />
Nationalsozialist sein braucht, sondern nur national gesinnt sein muss. Herr Liehr erklärte
30<br />
Kriegerdenkmal auf dem Rheinauer Marktplatz 1933.<br />
Seine Einweihung wurde vom <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau musikalisch gestaltet.<br />
Sängerausflug 1934 in den Odenwald.<br />
Versuch der Unbeschwertheit in schwerer Zeit.
31<br />
hierauf, diese Richtlinien seien nicht maßgebend, sondern der Vereinsführer muss vor dem<br />
31. Januar 1933 Nationalsozialist gewesen sein. Liehr fragt die Anwesenden, ob sich ein solcher<br />
in der Versammlung befindet. Hierauf meldet sich der Sangesbruder Philipp Held. Herr<br />
Liehr bestimmte sodann Sangesbruder Philipp Held als Vereinsführer.<br />
Herr Heck wendet dagegen, dass doch nach den vorliegenden Richtlinien der alte Vorstand<br />
als Führer weiterwalten könne. Auch Sangesbruder Iser spricht sich für den ehemaligen<br />
Ersten Vorstand als zukünftigen Vereinsführer aus. Herr Heck betonte nochmals, dass doch<br />
seine seitherige Arbeit nur im Dienste der nationalen Idee gewesen sei und dass er den Übergang<br />
über seine Person nicht verstehe. Herr Liehr betonte, dass nur Herr Philipp Held als<br />
Führer in Betracht kommt, und als Herr Heck immer wieder Einwendungen macht, schloss<br />
Herr Liehr Kraft seines Amtes die Versammlung Schluss 11 Uhr“.<br />
Wenn man diese Sätze Revue passieren lässt, so ergibt sich eine Wertung, die dem<br />
Verein durchaus zur Ehre gereicht. Sie zeigen nämlich: Gegen den Willen zahlreicher<br />
Mitglieder im Verein setzte der Vertreter der NSDAP den bisherigen Vereinschef ab und<br />
ein ihm ergebenes Vereinsmitglied als Vorsitzenden ein, ohne darüber abstimmen zu<br />
lassen – offenbar in der nicht unbegründeten Furcht, für seine Marionette keine Mehrheit<br />
zu bekommen.<br />
Dem neuen Vereinsführer Philipp Held, von Beruf Schuldiener und Bruder des oben<br />
erwähnten Vinzenz Held, war der Widerstand seines Vorgängers Heck ein Dorn im Auge.<br />
Held trachtete danach, ihn mundtot zu machen oder zumindest seine Glaubwürdigkeit<br />
zu erschüttern. Dazu zog man eine alte Sache aus der Tasche, die im zurückliegenden<br />
Jahr in der Tat zu viel Unmut im Verein geführt hatte. Man kreidete Heck an, seine Frau<br />
habe die Vereinsfahne zu einem unangemessen hohen Preis restauriert; Auslagen für<br />
Porto und Telefon seien zu hoch ausgefallen und darüber hinaus durch keine Quittungen<br />
belegt gewesen. In einer Vereinsführerschafts-Sitzung wurde Heck mit diesen Anschuldigungen<br />
konfrontiert und ihm gedroht, sie weiter zu verfolgen, wenn er nicht<br />
endlich Ruhe gebe.<br />
Der zweite Schritt zur Gleichschaltung erfolgte bereits kurz danach: Die Eingliederung<br />
des Arbeitersängerbundes Rheinau am 10. Oktober 1933. Dieser der SPD nahestehende<br />
Verein durfte nach dem Verbot der Sozialdemokraten natürlich ebenfalls nicht<br />
länger weiterbestehen. Sein Vermögen – immerhin ein eigener Flügel und volle Notenschränke<br />
– war beschlagnahmt worden, seine Sänger durften sich aber anderen Vereinen<br />
anschließen. Einige Arbeitersänger wie Ludwig Gärtner wechselten zum Liederkranz,<br />
die Mehrheit unter dem Vorsitzenden Fritz Thomas jedoch beantragte, im <strong>MGV</strong><br />
1896 Mitglied werden zu dürfen.<br />
Im „Rheinauhafen“ kam es zu einem Treffen, bei dem für den ASB die Sänger Thomas,<br />
Kauffmann, Molitor, Birkenmaier, Haag sen. und Haag jun., Spilger, Zimmermann, Hoh,<br />
Ludwig, Heider und Arnold teilnahmen und für den <strong>MGV</strong> die Sänger Held, Heck, Hild,<br />
Kappes, Reffert, Iser, Stehler, Wehe sen. und Willi Weber. Aus den Protokollen ergibt<br />
sich, dass sich die <strong>MGV</strong>-Vertreter gegenüber den früheren Arbeitersängern ausgesprochen<br />
fair verhielten; so akzeptierten sie den Wunsch der Neulinge, ihre bisherigen Zeiten<br />
im ASB bei der Berechnung von Jubiläen anzurechnen. So wurde beispielsweise<br />
August Heckert, der nie zuvor beim <strong>MGV</strong> gesungen hatte, 1936 dessen Ehrenmitglied,<br />
weil ihm seine Zeiten beim Arbeitersängerbund angerechnet wurden.
32<br />
40. Vereinsjubiläum 1936.<br />
Auf der Bühne des „Badischen Hofes“ die Mitglieder der ersten <strong>Jahre</strong>, der Vorstand, die Festdame und in der Mitte ein<br />
Bild Hitlers (wegen des Blitzlichts des Fotografen schwer zu erkennen).<br />
Peinlicher Tribut.<br />
Ausstellung von Pokalen, gewidmet dem sogenannten „Führer“ anlässlich seines Geburtstages.
33<br />
Die Gleichschaltung betraf aber nicht nur die Organisation des Vereins, sondern auch<br />
die Inhalte, also das Liedgut. Noten und Liederhefte weltbekannter Komponisten verschwanden<br />
allmählich aus den Notenschränken und dem Repertoire der Auftritte, weil<br />
sie von „jüdischen“ oder „slawischen“ Komponisten stammten und damit nicht dem<br />
Rassegedanken der Machthaber entsprachen. Das Repertoire der Weihnachtsfeier 1933<br />
gab bereits einen beredten Eindruck von dieser Entwicklung: Statt Kunstliedern wie der<br />
„Loreley" sang man nun den „Jäger aus Kurpfalz“, „Bin i net ä Bürschle“ oder „Mädel<br />
ruck, ruck, ruck“, führte dazu ein dümmliches Singspiel namens „Bauer und Baron“ auf,<br />
das die nationalsozialistische Ideologie der Volksgemeinschaft propagieren sollte.<br />
Zu einem besonderen Jahr für die Rheinauer Sänger wurde 1936: Der <strong>MGV</strong> konnte<br />
sein 40. Stiftungsfest feiern, und er tat dies mit einem Festbankett im „Badischen Hof“<br />
(neben dem heutigen Gasthaus „Schindeldach“). Zum Erinnerungsfoto auf der Bühne<br />
gruppierten sich die noch lebenden Mitglieder der ersten <strong>Jahre</strong> und die Honoratioren<br />
des Vereins, die Festdame und ein Bild des „Führers“ gruppiert, der im Zeichen der beeindruckenden<br />
Olympischen Sommerspiele von Berlin und damit der Wiederanerkennung<br />
Deutschlands durch die Völkergemeinschaft auch bei einigen der bisherigen Skeptiker<br />
auf der Höhe seines Ansehens stand.<br />
Der Verein im Krieg<br />
Doch erst allmählich sollten viele den wahren Charakter der Machthaber erkennen. Am<br />
1. September 1939 begann Hitler mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg mit<br />
all seinen schrecklichen Folgen, die von Anfang an auch in der Heimat zu spüren waren.<br />
Durch die Einberufungen in den Krieg wurde die Tätigkeit des Vereins immer stärker eingeschränkt.<br />
Schon 1940 heißt es im Protokoll: „Durch die Einberufung der Kameraden verlor<br />
der Chor enorm. Der Krieg gebot ein striktes Handeln der Vereinsmitglieder, unter der<br />
Fahne zu kämpfen für Deutschlands Ehre. Unser aller Wunsch möge aber sein, dass der Krieg<br />
in aller Bälde für Deutschland siegreich beendet werde“. Bereits in der Generalversammlung<br />
vom 21. Januar 1940 musste der neue Vereinsführer Hans Knoblauch der ersten<br />
vier Toten des kurz zuvor losgebrochenen Krieges gedenken. Auch Knoblauch selbst, im<br />
Stadtteil für sein prächtiges Klavierspiel bekannt, fiel später im Kriege.<br />
Ihm folgte im Vorsitz zunächst Georg Mächerlein, ab 1942 Paul Maron. Da sie jedoch<br />
auch nach dem Kriege wieder dem von den Amerikanern genehmigten Vorstand angehörten,<br />
ist anzunehmen, dass sie keine Nationalsozialisten waren, wenngleich sie dem<br />
Regime natürlich nicht auch nicht offen ablehnend gegenüberstanden; ansonsten hätten<br />
sie ihre Ämter in dieser Zeit ja nicht ausüben können. Dirigent war seit 1934 nach wie<br />
vor Friedrich Guthmann.<br />
Die praktische Arbeit im Verein lag jedoch in den letzten Kriegsjahren in den Händen<br />
eines Anderen: Willi Barth – er wohnte in der Neuhofer Straße 11 – war auf Grund eines<br />
Unfalls schwerbehindert und wurde deshalb nicht in die Wehrmacht eingezogen. Im Bewusstsein<br />
dessen hatte der Vorstand daher bereits 1940 in einem formalen Beschluss<br />
festgelegt, dass Barth die Arbeit des Vereins weiterführen solle, sollten alle Vorstandsmitglieder<br />
im Felde sein. Und so wurde es auch. Barth organisierte die (nach bis zuletzt un-
34<br />
Willi Barth.<br />
Der Mann, der den Verein über die Wirren des Kriegsendes brachte. Rechts der Fragebogen zur politischen Unbedenklichkeit,<br />
die Voraussetzung war für die Gewährung der Lizenz zur Wiedergründung.<br />
Mitgliedsantrag von 1946.<br />
Fritz Schwarz war seit dem 1. Januar 1931 und dann wieder ab dem 10. Oktober 1946 Mitglied des Vereins. Nach seinem<br />
Tod übernahm seine Witwe Lina die Mitgliedschaft und war dadurch in den neunziger <strong>Jahre</strong>n das dienstälteste Mitglied<br />
des Vereins.
35<br />
ter Leitung des Dirigenten Guthmann stehenden) Singstunden, bis diese auf Grund der<br />
unerträglich werdenden Luftangriffe im August 1944 endgültig eingestellt werden<br />
mussten. Es war die Leistung von Willi Barth, den Verein über den Krieg und – wie nachfolgend<br />
aufgezeigt wird – auch über die unmittelbare Nachkriegszeit gerettet zu haben.<br />
Nachkriegszeit und Wiedergründung<br />
Mit der Besetzung Deutschlands durch die Amerikaner waren sämtliche Vereinsaktivitäten<br />
verboten. Die Reichskulturkammer und alle ihre Untergliederungen wurden als NS-<br />
Organisationen aufgelöst. Auch die Gesangvereine vor Ort durften sich zunächst nicht<br />
mehr betätigen.<br />
Um die erneute Zulassung zu erreichen und mit diesem Anliegen bei der amerikanischen<br />
Militärregierung vorstellig zu werden, wählten die Rheinauer Sänger Willi Barth<br />
aus. Das war ein geschickter Schachzug, denn Barth besaß als gebürtiger Elsässer neben<br />
der deutschen auch die Staatsbürgerschaft der Französischen Republik, mithin also einer<br />
der vier Alliierten. So machte sich Barth im September 1945 auf, im damaligen UFA-<br />
Palast (heutiges Horten-Gelände) bei den dort residierenden US-Militärbehörden die<br />
Erlaubnis zur Abhaltung von Singstunden im „Rheinauhafen“ zu beantragen.<br />
Dazu musste er einen jener berühmten „Fragebogen“ ausfüllen, wie sie im Zuge der<br />
späteren Entnazifizierung üblich wurden und über deren Sinn und Aussagekraft bis<br />
heute intensiv diskutiert wird. Im <strong>MGV</strong> jedenfalls, so schrieb Barth in den Fragebogen,<br />
waren von 115 Vereinsmitgliedern lediglich sechs Passive und zwei Sänger Mitglied in<br />
der NSDAP gewesen; und auch dies lediglich als einfache Mitglieder, nicht als Funktionsträger,<br />
„Goldfasane“, wie man sie früher nannte. So stand der Wiederzulassung<br />
nichts im Wege.<br />
Schnell gelang es, Gleichgesinnte zu versammeln. Ihre erste Sitzung hielten sie in der<br />
Wohnung von Paul Maron in der Frühlingstraße ab. Gemäß der Forderung der amerikanischen<br />
Militärregierung bildeten die Anwesenden aus politisch unbelasteten Personen<br />
einen Vorstand. Vorsitzender wurde Paul Maron, Stellvertreter Georg Mächerlein, Kassier<br />
Willi Barth, Schriftführer Willi Weber, Beisitzer Josef Häussler und Emil Iser.<br />
In der ersten Generalversammlung am 10. November 1945 wurde die Singstunde auf<br />
Samstag 19 bis 21 Uhr festgesetzt. Zum Chorleiter wurde Willi Haag ernannt, der einst<br />
über den Arbeiter-Sängerbund zum <strong>MGV</strong> gestoßen war. „Die Singstunde muss für jeden<br />
ein seelisches Befreiungsmoment sein“, postulierte Barth. Gleichwohl blieb der Besuch zunächst<br />
schleppend. Viele waren mit dem nackten Überleben beschäftigt, anderen dagegen<br />
bot der Verein gerade in dieser schweren Zeit Heimat. Immer, wenn ein Sangesfreund<br />
aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte, waren die Kameraden vor Ort, um<br />
ihm ein Ständchen zu bringen und ihn somit wieder für die Sängerfamilie zu gewinnen;<br />
auch der spätere langjährige Vorsitzende Helmut Schmitt wurde in jener Zeit von den<br />
Sängern Karl Rösser und Walter Jungmann geworben. Der erste öffentliche Auftritt des<br />
Vereins fand am 10. Juni 1946 auf einem „Bunten Abend“ des ebenfalls gerade wiederbegründeten<br />
SPD-Ortsvereins Rheinau statt.
36<br />
Neubeginn 1946.<br />
Erste Singstunde nach dem Zweiten Weltkrieg im Gasthaus „Zum Rheinauhafen“. Die Gesichter der Sänger sind noch<br />
gezeichnet von den Umständen der Zeit.
37
38<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1946 stand eigentlich das 50. Vereinsjubiläum an. Inzwischen war Einiges erreicht<br />
worden: In seinem Jubiläumsjahr konnte der Verein 77 Eintritte verzeichnen;<br />
knapp anderthalb <strong>Jahre</strong> nach Kriegsende umfasste der <strong>MGV</strong> damit stolze 169 Mitglieder,<br />
davon 52 (!) Aktive. Doch die äußeren Umstände waren immer noch von materieller<br />
Not gekennzeichnet, so dass die Jubiläumsfeier nur bescheiden ausfallen konnte. Sie<br />
begann am ersten Tag mit der Jubilarehrung im „Badischen Hof“, bei der auch befreundete<br />
Vereine der Region sangen. Am zweiten Tag lud der Verein zu einem Festkonzert,<br />
bei dem auch der Tenor Fehringer vorn Nationaltheater auftrat. Das einzige damals<br />
noch lebende Gründungsmitglied, Philipp Rothacker, konnte schon nicht mehr selbst<br />
anwesend sein: Die Ehrenurkunde über 50jährige treue Mitgliedschaft musste ihm der<br />
Vereinsvorsitzende Paul Maron ins Altenheim nach Weinheim überbringen.<br />
Um ausreichend Aktive zu gewinnen, diskutierte man in der Vorstandssitzung vom<br />
4. November 1946 bereits einen Vorschlag, der erst vier Jahrzehnte später wieder aufgegriffen<br />
werden sollte: Vereinschef Josef Häusler, der übrigens aus dem Arbeitersängerbund<br />
stammte, in dem der emanzipatorische Anspruch der Arbeiterbewegung traditionell<br />
stark verwurzelt war, machte den Vorschlag, einen Frauenchor zu gründen. Doch<br />
sein Stellvertreter Georg Mächerlein sprach dagegen. Seine Begründung: Die Männer<br />
seien zahlenmäßig noch zu schwach; Zitat aus dem Protokoll „Der Frauenchor ist nach<br />
seiner Ansicht noch verfrüht, da der Männerchor noch nicht auf der Höhe ist, die seiner Tradition<br />
entspricht. Erst den Männerchor bauen, dann auf einem späteren Zeitpunkt den Frauenchor<br />
ins Leben rufen“ – es sollte vier Jahrzehnte dauern, bis es so weit war.<br />
Allerdings muss ungeachtet dieser Ablehnung wenig später dennoch zumindest für<br />
kurze Zeit ein Frauenchor im <strong>MGV</strong> 1896 bestanden haben. Denn im Protokoll der Generalversammlung<br />
vorn 18. Januar 1947 hieß es unter dem Punkt „<strong>Jahre</strong>srechenschaftsbericht<br />
des Vorsitzenden“ wörtlich: „Der Frauenchor zählt 30 Mitglieder“. Näheres hierzu war<br />
aber weder aus den Protokollen noch von damals bereits aktiven Mitgliedern zu erfahren.<br />
Für den eigentlichen Ärger bei dieser Generalversammlung am 18. Januar 1947, die<br />
daher von 17 bis 23.10 Uhr, also über sechs Stunden, dauerte, sorgte jedoch eine andere<br />
Formation innerhalb des Vereins: Unter Federführung des Sängers Weber hatte sich aus<br />
vier Aktiven ein Quartett gebildet, das just im Jubiläumsjahr unabhängig vom Chor öffentlich<br />
als „<strong>MGV</strong>-Quartett“ auftrat. Außerdem hatte sich Weber zur Vorbereitung der<br />
Generalversammlung heimlich mit anderen Mitgliedern getroffen. „Neid und Missgunst<br />
sind Begleiterscheinungen unserer heutigen Zeit“, schimpfte Häusler und kündigte an, aus<br />
diesem Grunde nicht mehr für den Vorsitz anzutreten. Als jedoch ausgerechnet Weber<br />
seine Kandidatur bekanntgab, warf Häusler doch noch einmal seinen Hut in den Ring:<br />
Mit der klaren Mehrheit von 47 zu 18 Stimmen wurde der alte Vorsitzende in seinem<br />
Amt klar bestätigt.<br />
Wiederaufstieg<br />
Erst allmählich normalisierte sich das Leben wieder. Zaghaft stillte die vom Krieg betrogene<br />
Generation ihren Nachholbedarf an Vergnügungen, wenn auch im Vergleich zu<br />
heute ganz bescheiden: Der gemeinsame Besuch der ersten Sängerfeste jenseits der
39<br />
Stadtgrenzen in der Umgebung war ein abwechslungsreiches Erlebnis, für das man gerne<br />
auch einen kilometerweiten Fußmarsch in Kauf nahm. Denn für Eisenbahn-Fahrkarten<br />
fehlte das Geld, und ein Fahrrad war zu jener Zeit ein Luxus und obendrein ein Diebstahlsobjekt<br />
ersten Ranges, war es doch das einzige Transportmittel des kleinen Mannes<br />
zum Hamstern und damit zum Organisieren des Überlebens.<br />
Ihren ersten Familienausflug machten die Sänger nach Odenheim im Kraichgau – mit<br />
zwei Lastwagen mit Holzvergaser-Antrieb, die Lino Facco und Kurt Buster zur Verfügung<br />
gestellt hatten. Auf den Holzbänken der Ladefläche musste das erforderliche Brennmaterial<br />
mitgeführt werden. Und dennoch: Wie strahlten die Gesichter der Sänger, als sie<br />
bei ihrer Ankunft in Odenheim mit Erbsensuppe und Bockwurst gespeist wurden?<br />
Die Währungsreform vom Juni 1948 bildete auch für den <strong>MGV</strong> einen tiefen Einschnitt.<br />
Bereits in der Mitgliederversammlung vom 11. Juli wurde die Beitragsordnung<br />
auf die neue D-Mark umgestellt. Der Beitrag betrug nun 70 Pfennige, für Jugendliche<br />
und Kriegsversehrte die Hälfte. Doch die Währungsreform erfüllte die Sänger auch mit<br />
Sorge. „Der <strong>MGV</strong> verfügte vor der Währungsreform über ein Guthaben von 3.300 Reichsmark.<br />
Inwieweit eine Abwertung für Vereinsguthaben kommt, ist heute noch nicht bekannt“,<br />
hieß es sorgenvoll im Protokoll der Mitgliederversammlung vom 11. Juli 1948. Doch einen<br />
Ausgleich gab es nicht. „Um die durch die Währungsreform ziemlich zusammengeschmolzene<br />
Kasse in wenig aufzubessern, hielt der Verein ein Gartenfest ab und konnte<br />
300 DM gutschreiben“, hieß es im Protokoll der Vorstandssitzung vom 7. Januar 1949.<br />
Neue Blütezeit<br />
Doch wie ganz Deutschland, so hatte auch der <strong>MGV</strong> rückwirkend unter dem Strich von<br />
der Währungsreform profitiert. Mit dem Wegfall der Lebensmittel- und Kleidermarken<br />
ging es wirtschaftlich bergauf, auch der <strong>MGV</strong> nahm einen ungeahnten Aufschwung,<br />
und im Chor sangen 55 Sänger – alte, erfahrene und viele neue.<br />
Die fünfziger <strong>Jahre</strong> wurden zu den erfolgreichsten seit Bestehen des Vereins. Unter<br />
der Leitung von Kantor Erich Bender, der von 1952 bis 1973 als Dirigent fungierte und<br />
den Chor in diesen zwei Jahrzehnten musikalisch entscheidend prägte, konnten bei<br />
Wertungssingen zahlreiche Auszeichnungen errungen werden. Ihren ersten großen Erfolg<br />
konnten die Rheinauer Sänger beim Wertungssingen einfahren, das der Männergesangverein<br />
Friedrichsfeld im Juni 1954 anlässlich seines 75jährigen Bestehens veranstaltet<br />
hatte und bei dem sie sowohl die Tagesbestleistung als auch den Dirigentenpreis ergatterten.<br />
Dabei sangen sie den Chor „Ruhe, schönstes Glück der Erde“ von Franz Schubert<br />
und dem Volkslied „Abendstunde“ von Rudolf Eisenmann (1894-1954), eines Dirigenten<br />
übrigens, der wegen seiner Vertonung nationalsozialistischer Texte von den<br />
Amerikanern nach 1945 mit einem Berufsverbot als Lehrer belegt worden war. Erfolgreich<br />
wurde auch das Wertungssingen in Walldorf im Februar 1955, bei dem die Rheinauer<br />
als Tagesbester einen Pokal errangen, der noch heute der größte innerhalb der<br />
Trophäen-Sammlung des <strong>MGV</strong> ist.<br />
Der erste große Sängerausflug nach dem Kriege führte im August 1952 für drei Tage<br />
nach Obertreis im Westerwald. Dirigent Erich Bender hatte dort während des Krieges
40<br />
Vatertagsausflug mit Krawatte.<br />
1955 nach Trösel an der Hessischen Bergstraße.<br />
Wertungssingen in Friedrichsfeld 1954.<br />
Bei diesem Wettbewerb errang der <strong>MGV</strong> unter Leitung seines Dirigenten Erich Bender sowohl die Tagesbestleistung als<br />
auch den Dirigentenpreis.
41<br />
Dienst getan und seine Frau kennengelernt. 56 Sänger gingen damals von der Gaststätte<br />
„Rheinauhafen“ aus mit einem Vorkriegsmodell eines Magirus-Deutz-Reisebusses auf<br />
große Fahrt. Die zweite große Sänger- und Konzertreise ging 1956 nach Differten im<br />
damals noch französisch verwalteten Saargebiet. Sänger Karl Schweizer, dessen Verwandte<br />
dort lebten, hatte Kontakt geknüpft zum dortigen Bergwerkschor. Die meisten<br />
der dortigen Sänger waren Bergleute der Grube Luisental, die sechs Jahr später durch<br />
ein großes Grubenunglück tragische Berühmtheit erlangen sollte, bei dem 299 Kumpel<br />
zu Tode kamen.<br />
Während der Heimreise der Sänger kam es zu einer Begebenheit, von der Teilnehmer<br />
noch lange erzählten. Auf der Rückfahrt mit dem Zug war dem Sänger Willi Weber übel<br />
geworden; er lehnte sich aus dem Fenster, verlor dabei aber seine Gebissprothese; geistesgegenwärtig<br />
wurde sie von Sänger Leo Maß, der ebenfalls aus dem Fenster geschaut<br />
hatte, aufgefangen. Ebenso geistesgegenwärtig bediente Helmut Schmitt den Auslöser<br />
seines Fotoapparates und überlieferte der Nachwelt damit das kuriose Bild dieses Vorfalls.<br />
Die bis dahin größte Veranstaltung des <strong>MGV</strong> nach dem Zweiten Weltkrieg konnte der<br />
Verein unter seinem damaligen Vorsitzenden Willy Geven 1956 anlässlich seines 60. Jubiläums<br />
feiern – mit einem großen Fest in den Apollo-Lichtspielen, dem früheren „Badischen<br />
Hof“, mit anschließendem Ball in der TSG Rheinau. Das Repertoire der Lieder<br />
stammte fast ausschließlich von Franz Schubert und Robert Schumann, eine Chorliteratur,<br />
die den Stempel Erich Benders trug. Bereits damals begeisterte Walter Morath in einem<br />
Tenorsolo – mit „Du bist die Ruh“ von Schubert. An der Spitze der Jubilare standen<br />
an jenem Abend Johann Stegmann, Franz Klube und Vinzenz Held, die für 50jährige<br />
Mitgliedschaft geehrt wurden. Zur Popularisierung der Festlichkeiten hatte der Verein in<br />
jenem Jahr bei der Textil-Firma Baral in der Neuhofer Straße (späterer Penny-Markt) ein<br />
Schaufenster mit Fahne, Pokalen und Notenheften ausgerichtet – ein Brauch, der wie so<br />
viele andere in den zurückliegenden Jahrzehnten verlorenging oder sich nicht mehr realisieren<br />
ließ.<br />
Ein Ausflug, an den sich viele Sänger ebenfalls noch genau erinnern, war jener im <strong>Jahre</strong><br />
1960 nach Hirschhorn am Neckar. Schirmherr des dortigen Wertungssingens war Adenauers<br />
damaliger Bundesaußenminister Heinrich von Brentano, der aus dieser Gegend<br />
stammte. Von dieser Reise gab es gleich zwei besondere Begebenheiten zu berichten.<br />
Zum einen hatten sich die Sänger Helmut Schmitt und Walter Morath kurzerhand in die<br />
Kutsche gesetzt, die für den Schirmherrn vorgesehen war, und sich mit dem Zylinder<br />
des Ministers fahren und fotografieren lassen. Zum zweiten hatten die Rheinauer das<br />
Wertungssingen zwar gewonnen, wurden aber nicht als Sieger geehrt; durch einen Trick<br />
schusterten die Veranstalter den ersten Platz dem örtlichen Gesangverein zu. Ob dieser<br />
Manipulation entzündete sich unter den örtlichen Sängern eine heftige Rauferei, der die<br />
Rheinauer Gäste gelassen zusahen.<br />
Besonders erwähnenswert war auch der Sängerausflug 1963 nach Bodersweier bei<br />
Kehl. Die Verbindung entstand durch den Sänger Michael Ehrhard, der aus dieser Gegend<br />
stammte. Von Bodersweier aus unternahmen die Sänger einen Abstecher nach<br />
Straßburg, wo sie das Münster besichtigten, vor allem aber das Gasthaus der Cousine<br />
des Vizedirigenten Gustl Stöckler …
42<br />
Sängerreise nach Hirschhorn 1960.<br />
Die Sänger Walter Morath (l.) und Helmut Schmitt platzieren sich für ein Erinnerungsfoto kurzerhand in die Kutsche des<br />
Schirmherrn, Bundesaußenminister Heinrich von Brentano.<br />
Sängerfest Anfang der sechziger <strong>Jahre</strong>.<br />
In den Reihen der Rheinauer damals 3. v. l. Norbert Raab, später viele <strong>Jahre</strong> lang Vorsitzender des Sängerkreises Weinheim<br />
und heute dessen Ehrenvorsitzender.
43<br />
Schwierige Rahmenbedingungen<br />
Im Januar 1964 gab der bisherige Vorsitzende Franz Graf nach nur drei <strong>Jahre</strong>n Amtszeit<br />
den Vorsitz ab. Sein Nachfolger wurde der damals 38-jährige Ingenieur Helmut Schmitt.<br />
Zwölf Tage vor seinem 20. Geburtstag war er in den Verein eingetreten. Dass seine Wahl<br />
am 5. Januar 1964 ein für die Vereinsgeschichte historisches Datum werden würde, das<br />
war damals natürlich noch nicht absehbar. Am Ende jedoch sollte Schmidt den Verein<br />
28 <strong>Jahre</strong> lang führen und ihm in dieser Zeit seine gesellschaftliche Bedeutung verschaffen.<br />
Erstmals in einer Periode des Friedens und des Wohlstandes konnte der Verein 1971<br />
ein Jubiläum unbeschwert feiern: Zum 75-jährigen Bestehen veranstaltete er einen Festakt<br />
im Nachbarschaftshaus, an dem der aus Mannheim stammende Innenminister von<br />
Baden-Württemberg, Walter Krause und Oberbürgermeister Ludwig Ratzel teilnahmen.<br />
Ihm folgte ein Festball in der TSG.<br />
Außerdem gönnte sich der Jubelverein einen Sängerausflug nach Roßhaupten bei<br />
Füssen im Allgäu; einige Sänger hatten hier bereits zuvor privat Urlaub gemacht. Den<br />
Höhepunkt bildete die Besichtigung von Schloss Neuschwanenstein des Königs Ludwig II.<br />
von Bayern mit Vortrag des Liedes „Sanctus“ aus der Deutschen Messe im Sängersaal<br />
des Schlosses. Den Abschluss des dreitägigen Aufenthalts bildete ein Platzkonzert auf<br />
dem Marktplatz von Roßhaupten, der Empfang durch den Bürgermeister und ein gemeinsames<br />
Konzert mit dem örtlichen Musik- und Gesangverein.<br />
Doch das 75. Jubiläum markierte für den Verein bereits eine Zeitenwende. Wie bei<br />
vielen anderen Vereinen, so blieb auch bei den Rheinauer Sängern der Nachwuchs zunehmend<br />
aus. Bei den verbleibenden Aktiven konkurrierte die Singstunde immer mehr<br />
mit den steigenden Anforderungen des Berufes und in der Freizeit mit den Bedürfnissen<br />
der Familie und anderen Interessen, vor allem dem Fernsehen.<br />
Das zeitigte natürlich Folgen für die Vereinsarbeit: Das zeitraubende, oft wochenlange<br />
Einstudieren schwieriger Chorliteratur musste zurückgefahren werden, statt zu Preisund<br />
Wertungssingen fuhr man fortan nur noch zu Freundschaftssingen bei Jubiläen befreundeter<br />
Vereine. Auch der Publikumsgeschmack hatte sich verändert: Der klassische<br />
Chorgesang des deutschen Liedgutes hatte immer mehr Anhänger verloren, insbesondere<br />
unter der Jugend, die sich seit den sechziger <strong>Jahre</strong>n ausnahmslos an der englischsprachigen<br />
Popmusik orientierte.<br />
Gescheiterte Fusion mit dem Liederkranz<br />
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen kam erstmals ernsthaft ein Projekt auf den Tisch,<br />
das seit Jahrzehnten bereits die Gemüter aller Gesangsbegeisterten in Rheinau bewegt<br />
hatte: die Bildung einer gemeinsamen großen Sängerfamilie im Vorort, sprich: der Zusammenschluss<br />
mit dem Liederkranz. Der Schatzmeister des Liederkranzes, Karl Stemler,<br />
hatte dies in einem Gespräch mit Helmut Schmitt am 9. Oktober 1973 vorgeschlagen.<br />
Bereits am 11. November 1973 stimmte der Vorstand des <strong>MGV</strong> diesem Vorschlag<br />
grundsätzlich zu, stellte jedoch drei Forderungen auf: Das Gründungsjahr 1896 müsse
44<br />
im neuen gemeinsamen Vereinsnamen beinhaltet sein; der neue gemeinsame Vorstand<br />
solle für die ersten beiden <strong>Jahre</strong> jeweils zur Hälfte aus Mitgliedern des <strong>MGV</strong> und des Liederkranzes<br />
zusammengesetzt werden; der neue gemeinsame Chor solle von dem bisherigen<br />
<strong>MGV</strong>-Dirigenten Herbert Szymanski dirigiert werden.<br />
Am 21. Dezember 1973 trafen sich die kompletten Vorstände der beiden Vereine im<br />
„Rheinauhafen“, um über die Fusion zu beraten. Für den <strong>MGV</strong> nahmen die Sänger<br />
Schmitt, Schmidt, Klug, Bumann, Mächerlein, Ehrhardt und Feige teil, für den Liederkranz<br />
Fritz, Stemler, Schilling, Weiß und Wölfle. Schnell wurden unterschiedliche Auffassungen<br />
über Zeitpunkt und Tempo einer Fusion deutlich; Alois Fritz, der Vorsitzende des<br />
Liederkranzes, sprach sich für eine schrittweise Vereinigung innerhalb von zwei <strong>Jahre</strong>n<br />
aus. Knackpunkt war außerdem die Singstunde, die der Liederkranz unbedingt an seinem<br />
angestammten Freitags-Termin beibehalten wollte, sowie die Übernahme des<br />
<strong>MGV</strong>-Dirigenten Herbert Szymanski; der Liederkranz hielt an Willibald Schreck fest, der<br />
immerhin bereits seit 1959 sein Dirigent war. Gleichwohl wurde beschlossen, jeweils abwechselnd<br />
dienstags und freitags gemeinsame Singstunden abzuhalten; Veranstaltungen<br />
wie der Fasnachtsball oder der Frühlingsball sollten gemeinsam durchgeführt werden.<br />
Der künftige Vereinsname sollte lauten: „<strong>MGV</strong> Liederkranz 1896 Rheinau“.<br />
Als Folge dieser Sitzung berief der Vorstand des Liederkranzes für den 22. März 1974<br />
eine Versammlung ein, auf der seine Mitglieder über die Fusion entscheiden sollten.<br />
Doch mit großer Mehrheit wurde die Fusion abgelehnt. Als Gründe nannten die Gegner<br />
der Fusion den geplanten Tag der gemeinsamen Singstunde – den Dienstag – sowie die<br />
Verpflichtung des Dirigenten Szymanski und damit die Trennung von ihrem Chorleiter<br />
Willibald Schreck. „Wir bleiben alleine, auch wenn wir dabei kaputtgehen“, lautete die<br />
überlieferte Äußerung eines Liederkranz-Sängers, dessen Name dem Autor bekannt ist,<br />
an dieser Stelle aber nicht genannt werden soll, um keine alten Wunden aufzureißen.<br />
Allerdings kam es in der Tat so, wie es diese Äußerung beinhaltete: Am 9. Januar 2015<br />
musste sich der Liederkranz nach 118 <strong>Jahre</strong>n seines Bestehens offiziell auflösen.<br />
Diese Entwicklung der Fusionsdiskussion führte beim <strong>MGV</strong> zu großer Enttäuschung -<br />
erst recht als bekannt wurde, dass der Liederkranz parallel dazu auch Fusionsgespräche<br />
mit dem Gesangverein Frohsinn Pfingstberg-Hochstätt geführt hatte, die allerdings<br />
ebenso erfolglos endeten. Die für den 26. März 1974 einberufene Mitgliederversammlung<br />
des <strong>MGV</strong> zum Thema „Fusion“ wurde jedenfalls abgeblasen. Der <strong>MGV</strong> musste seine<br />
Zukunft also alleine meistern.<br />
Neuartige Veranstaltungen<br />
Bereits ein Jahr nach der gescheiterten Fusion hatte der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau einen großen<br />
Auftritt: und zwar im Zuge der sogenannten „Chorspirale“ bei der Mannheimer<br />
Bundesgartenschau von 1975. Innerhalb Rheinaus jedoch verlagerte der Verein in den<br />
folgenden <strong>Jahre</strong>n sein Wirken zunehmend von den klassischen Chorkonzerten weg hin<br />
zu eher geselligen Veranstaltungen für eine breitere Öffentlichkeit, bei denen die Liedvorträge<br />
fast nur noch die Umrahmung bildeten. In diesem Sinne wurden in den siebziger<br />
und achtziger <strong>Jahre</strong>n eine Reihe neuer Veranstaltungen begründet, so etwa das<br />
Frühlingsfest, das Marktplatzfest und vor allem der Bürgerball.
45<br />
Die prächtigste Veranstaltung des <strong>MGV</strong> in den siebziger und achtziger <strong>Jahre</strong>n war ohne<br />
Zweifel der alljährliche Bürgerball. Erstmals veranstaltet wurde er 1977, damals noch<br />
gemeinsam mit dem Facco-Chor und unter dem Titel „Lieder der Welt". Doch schon<br />
zwei Jahr darauf wurde er vom <strong>MGV</strong> alleine getragen, dessen Vorstandsmitglied Dieter<br />
Schmidt ihn ohnehin von Anfang an entscheidend mit organisiert hatte. Zugleich wurde<br />
die Veranstaltung vom Frühjahr in den Herbst verlegt und fortan „Bürgerball“ genannt.<br />
Anfangs gelang es den Organisatoren, renommierte Interpreten zu gewinnen, allen<br />
voran den Chor der US-Army, die „Blauen Jungs“ aus Bremerhaven oder die durch Fernsehauftritte<br />
bekannte Opernsängern Grit van Jüten vom Nationaltheater Mannheim.<br />
Später beschränkte sich der Verein aus finanziellen Gründen auf die Stars der Region, so<br />
1985 Professor Edith Jaeger-Pietzsch mit ihren Gesangsschülern, die in den <strong>Jahre</strong>n darauf<br />
noch von sich reden machen sollten. 1987 trat ein kleines Ensemble des Nationaltheaters<br />
auf, bestehend aus der Sopranistin Jutta Reisinger, dem Tenor Kenneth Ross<br />
und der Pianistin Kathleen Maurer. 1988 folgten mit internationaler Folklore 17 Aktive<br />
der Folk-Family aus Edingen, quasi eine kleine Regionalausgabe der „Kelly Family“.<br />
Zum 13. Bürgerball, zugleich der 95. Geburtstag des Vereins, gelang es, Robert Pappert<br />
(1930-2010), einen der bekanntesten deutschen Volkslied-Komponisten, zu gewinnen.<br />
Seine rund 1400 Lieder werden von Gesangvereinen in ganz Deutschland gesungen,<br />
natürlich auch vom <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, so etwa die „Kleine Madonna“, die Walter<br />
Morath stets so unnachahmlich zu intonieren vermochte, oder die „Sterne der Heimat".<br />
Wie die Rheinauer an jenem Abend seine Werke sangen, das begeisterte den Meister:<br />
„Der Solist der Kleinen Madonna war wundervoll“, schwärmte Pappert im Interview mit<br />
Konstantin Groß für den „Mannheimer Morgen“. Und die „Sterne der Heimat“ habe er<br />
selbst erstmals überhaupt von einem Chor gehört. Beeindruckt von dieser Veranstaltung,<br />
komponierte der Meister einen Chor mit dem Titel „Tanz mit mir“, den er dem<br />
<strong>MGV</strong> 1896 Rheinau widmete.<br />
1993 fand der letzte Bürgerball mit dem veränderten Konzept eines Oldie-Abends<br />
statt. Und obwohl der Saal gerammelt voll war, blieben dem Verein nach Abzug aller<br />
Unkosten gerade einmal 150 D-Mark übrig – zu wenig angesichts der unsäglichen Mühen<br />
bei Planung, Organisation und Vorbereitung einer solchen Mammutveranstaltung. Seither<br />
fand kein Bürgerball mehr statt.<br />
Die andere große Veranstaltung, durch die die Sänger in Rheinau bekannt wurden,<br />
war das 1980 ins Leben gerufene Marktplatzfest. Im Veranstaltungskalender des Stadtteils<br />
hatte es schnell seinen festen Platz, und zwar jeweils am letzten Wochenende im Juni.<br />
Charakteristisch für diese Veranstaltung waren lange Zeit die Holzbuden, die um den<br />
Platz herum gruppiert waren. Erst 1995 ging man auf die nun in Mode gekommenen<br />
weißen Partyzelte über, die für die Sänger auch viel leichter aufzubauen waren. Was das<br />
Musikprogramm betraf, so war es lange Tradition und Attraktion zugleich, am zweiten<br />
Tag des Festes, also jeweils samstags, eine auswärtige Trachtenkapelle spielen zu lassen,<br />
zumeist den Musikverein aus Neuschönau in der Nähe von Passau oder die Trachtenkapelle<br />
aus Böffingen im Schwarzwald sowie aus Roßhaupten im Allgäu. Doch mit der<br />
Zeit wurden die Kosten immer unerschwinglicher; seit 1993 verzichten die Rheinauer<br />
schweren Herzens auf diesen Programmpunkt. 1997 fand das letzte Marktplatzfest statt;<br />
stattdessen beteiligten sich die Sänger an dem 1990 gegründeten Stadtteilfest „Fröhliche<br />
Meile“ des Gemeinnützigen Vereins Rheinau mit einem Stand und Gesangsauftritten<br />
zur Eröffnung.
46<br />
Eine Frau führt den Stab.<br />
Probe des Männerchors 1985 mit der neuen Dirigentin Lucia Lewczuk im Rheinauhafen.<br />
Eine der ersten Auftritte des <strong>MGV</strong> mit Dirigentin.<br />
Beim Festakt zum 90-jährigen Bestehen des Turnvereins Rheinau in der Konrad-Duden-Schule 1983.
47<br />
Eine Dirigentin führt den Stab<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1982 kam es zu einem Ereignis, das sich im Nachhinein als Glücksfall für den<br />
Verein herausstellen sollte. Im jenem Jahr nämlich war beim MVG nach kurzen Gastspielen<br />
von Wilhelm Jünger, Jürgen Karl und zuletzt Gerhard Schmidt die Stelle des Dirigenten<br />
erneut frei geworden. Emil Schumacher, der legendäre Chorleiter von Neckarau, empfahl<br />
den Rheinauern eine Frau namens Lucia Lewczuk, die vor ihrer Übersiedlung nach<br />
Deutschland 1978 am renommierten Konservatorium von Kattowitz Kirchenmusik und<br />
Musikerziehung studiert hatte. Der <strong>MGV</strong>-Vorstand griff zu, Ende Februar 1983 hatte sie<br />
ihre erste Probe mit den Sängern – die erste Frau am Dirigentenstab in einem Gesangverein<br />
der Region!<br />
Mit einfühlsamen Geschick gelang es ihr stets von neuern, die nicht gerade einfache<br />
Gruppe der 35 gestandenen und nicht selten eigenwilligen Sänger zu dirigieren. Das<br />
Repertoire ihres Chores veränderte sie gemäß ihrer eigenen Prägung behutsam, aber<br />
deutlich erkennbar. Zu den früher vorherrschenden Volks- und Weinliedern traten fortan<br />
Kunstlieder und auch moderne Klänge wie Spirituals. Im Mai 1988 kam es zur ersten<br />
großen Konzertreise ins Ausland, und zwar ins damalige Jugoslawien. Bald wurden die<br />
Sänger und ihre Dirigentin zu einer unzertrennlichen Gemeinschaft.<br />
Der Ruf vom guten Klima bei den Rheinauern sprach sich in der Region schnell herum.<br />
Wie durch einen Schneeballeffekt kamen immer mehr Anfragen und damit, da sie die<br />
Rheinauer nicht aufgeben wollte, immer mehr zu betreuende Chöre hinzu: unter anderem<br />
der gemischte Chor Ludwigshafen-Ruchheim, der Gesangverein Neuhermsheim<br />
sowie der Altenchor der Stadt Ludwigshafen – alle zusammen bald als „Lucia-Chöre“ in<br />
der gesamten Rhein-Neckar-Region ein Begriff. Der gemeinsame Auftritt mit über 200<br />
Akteuren im Ludwigshafener Pfalzbau im Dezember 1993, quasi eine kleine Regionalausgabe<br />
der Fischer-Chöre, wurde erster Höhepunkt der Zusammenarbeit. Hinzu kamen<br />
große Konzerte auf der Seebühne des Luisenparks, die stets ein großes und begeistertes<br />
Publikum und zudem ein außerordentlich positives Echo in der Presse fanden.<br />
Der Frauenchor<br />
Die Sorge um den Nachwuchs veranlasste den Verein im <strong>Jahre</strong> 1985, eine Idee aufzugreifen,<br />
die bereits vier Jahrzehnte zuvor diskutiert worden war: die Gründung eines<br />
Frauenchores.<br />
Anfang der achtziger <strong>Jahre</strong> war die Zahl der Mitglieder ebenso wie die der Sänger<br />
merklich zurückgegangen. Vorbild dafür war der Gesangverein Frohsinn Pfingstberg-<br />
Hochstätt, der bereits seit 1972 als erster Gesangverein der Region einen Frauenchor<br />
unterhielt. Nach Besuch eines Konzertes in der gerade neu erbauten Konrad-Duden-<br />
Schule im Oktober 1982 trug Vorstandsmitglied Jürgen Ruf diese Idee in den Vorstand,<br />
wo sie von Helmut Schmitt, Dieter Schmidt und Manfred Hipp unterstützt wurde.<br />
Gleichwohl bedurfte es dreier <strong>Jahre</strong> langer Überzeugungsarbeit und organisatorischer<br />
Vorbereitungen, bis das Projekt starten konnte. Am 2. März 1985 beschloss der Vorstand<br />
die Gründung des Frauenchores und startete, um die Resonanz zu testen, eine entspre-
48<br />
chende Werbeaktion, bei der sich vor allem die Familie Ruf große Verdienste erwarb. Am<br />
25. April 1985 trafen sich die Interessierten erstmals im Vereinslokal: 29 Erwachsene und<br />
sechs Jugendliche!<br />
Das Revolutionäre, das sich hinter dieser Neuerung verbirgt, kann nur ermessen, wer<br />
sich das ursprüngliche Selbstverständnis der Gesangvereine vergegenwärtigt. In vergangenen<br />
Zeiten bedeutete Sänger-Sein eben nicht nur Singen, sondern auch Kameradschaft,<br />
männliche Geselligkeit, zu erleben. So sehr man die eigene Familie auch schätzte,<br />
waren Frauen dabei nicht gerne gesehen. „Ich gehe in die Singstunde, um Kameradschaft<br />
zu pflegen, und das möchte ich ohne Frauen“, lautete die für diese Haltung charakteristische<br />
Äußerung eines Sängers auf der historischen Mitgliederversammlung zu diesem<br />
Thema am 21. Mai 1985.<br />
Gleichwohl, die Befürworter setzten sich durch. Auch wenn der Frauenchor natürlich<br />
keine Verstärkung des Männerchores bringen würde, so lautete ein zentrales Argument<br />
der Befürworter, das Jürgen Ruf anführte, so sorgten die Frauen doch für eine größere<br />
Resonanz bei den Veranstaltungen des <strong>MGV</strong>. Bei der Schlussabstimmung votierten von<br />
den 34 Anwesenden 26 mit Ja und nur fünf mit nein. Bereits einen Tag danach fand die<br />
erste Singstunde der Frauen mit 35 Teilnehmerinnen statt; die Frau des Vorsitzenden,<br />
Liesel Schmitt, wurde bis zur turnusmäßigen Wahl eines Frauenchor-Vorstandes zur<br />
Sprecherin der neuen Abteilung gewählt.<br />
Seine Feuerprobe erlebte der Frauenchor auf dem Bürgerball im Oktober 1985. Unter<br />
Leitung von Lucia Lewczuk sangen die 35 Sängerinnen damals das Lied „Freunde lasst<br />
uns singen“ von Otto Groll. Der „Mannheimer Morgen“ schrieb damals: „Das Sopran-<br />
Solo von Eva Gogolin zur irischen Volksweise 'Es klingt ein Lied' machte den Auftritt des<br />
Frauenchores endgültig zu einer Sternstunde der Gesangvereinsgeschichte Rheinaus.“<br />
In den <strong>Jahre</strong>n seither hat sich das Repertoire der Frauen erheblich erweitert.<br />
Die von der Gründung des Frauenchores erwarteten Folgen blieben denn auch nicht<br />
aus. Im Gründungsjahr des Frauenchores 1985 stieg die Mitgliederzahl des Vereins um<br />
stattliche 54 auf 205 an. 72 davon waren Aktive, davon wiederum 34 Sänger und 38 Sängerinnen.<br />
1988 waren es bereits 43 Sängerinnen. Stets war es eindrucksvolles Bild,<br />
wenn die Sängerinnen und Sänger, also über 60 Aktive, auf voller Breite eine Bühne betraten,<br />
vor allem bei den Feiern zum 90-jährigen Bestehen des Vereins im <strong>Jahre</strong> 1986.<br />
Das Führungsduo Schmidt/Hipp<br />
Anfang der neunziger <strong>Jahre</strong> ließ Helmut Schmitt durchblicken, dass er sein Amt nach<br />
insgesamt 35 <strong>Jahre</strong>n Tätigkeit in Vorstandsämtern gerne abgeben würde: Als passender<br />
Zeitpunkt erschien ihm die Generalversammlung im <strong>Jahre</strong> 1990, als er das 25. Jahr seiner<br />
Amtszeit gerade hinter sich hatte. Doch in jener denkwürdigen Sitzung – wer erinnert<br />
sich nicht, wie die 77 Anwesenden mangels Heizung bei acht Grad Kälte mit Mänteln<br />
und Jacken im Saal der TSG saßen! – fand sich kein Nachfolger. In einer Pause, für<br />
die die Versammlung unterbrochen wurde, konnte Rolf Fischer den Vorsitzenden jedoch
49<br />
noch einmal zum Bleiben überreden. Mit 61 Ja- gegen fünf Nein-Stimmen wurde er gewählt.<br />
„Es ist endgültig das letzte Mal“, machte Schmitt jedoch klar.<br />
Zwei <strong>Jahre</strong> später war es soweit: Erneut stand die Wahl des Vorsitzenden an. Im Gegensatz<br />
zu 1990 hatten dieses Mal jedoch eingehende Vorgespräche stattgefunden.<br />
Dieter Schmidt war bereit, im Rahmen eines Teams, das ihn unterstützen sollte, den Vorsitz<br />
zu übernehmen. Bei der Generalversammlung im Januar 1992 wurde der damals<br />
52jährige mit 71 von 73 Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Als seinen Stellvertreter<br />
schlug er Manfred Hipp vor und machte klar, dass er die Spitze des Vereins als Duo<br />
sah.<br />
Von dem neuen Führungsduo Schmidt/Hipp – beide übrigens am gleichen Tag, dem<br />
26. November 1939, geboren – hatte jeder in den zurückliegenden <strong>Jahre</strong>n im Verein<br />
reichhaltige Erfahrung angesammelt. Schmidt war bereits damals die Hälfte seines Lebens<br />
Vorstandsmitglied. Auch Manfred Hipp gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits 25 <strong>Jahre</strong><br />
dem Vorstand an.<br />
Gleichwohl war der Abgang Helmut Schmitts natürlich ein tiefer Einschnitt nicht nur<br />
für ihn persönlich, sondern auch für den Verein. 28 <strong>Jahre</strong> lang hatte er den Verein geführt<br />
und nach außen gekonnt repräsentiert. Im Vorstand jedoch hatte es, nicht zuletzt<br />
schlichtweg generationenbedingt, vor allem in den letzten <strong>Jahre</strong>n immer wieder unterschiedliche<br />
Meinungen über den künftigen Weg des Vereins gegeben.<br />
Das neue Führungsgespann schlug denn auch umgehend neue Wege ein. Eine völlig<br />
neue Aktivität begann mit dem karitativen Engagement. Bereits zu ihrem 50. Geburtstag<br />
1989 hatten Dieter Schmidt und Manfred Hipp auf Feiern und Geschenke zugunsten<br />
der Aktion Krebskranke Kinder verzichtet. Nun setzten sie die Idee um, anstelle des<br />
traditionellen Bürgerballs ein Benefiz-Konzert zugunsten dieser Aktion zu veranstalten –<br />
zu Allerheiligen 1992 – einem für einen solchen Zweck ja nicht falschen Datum. Und es<br />
war schon ein eindrucksvoller Augenblick, wie die stolze Hundertschaft der Sänger (die<br />
Frauen in Blau und die Männer in Weinrot) auf der ganzen Breite der Bühne des Nachbarschaftshauses<br />
Beethovens „Freude, schöner Götterfunke“ schmetterten. Kurz vor<br />
Weihnachten konnte Dieter Schmidt rund 7.000 D-Mark Professor Niessen, den Chef<br />
der Mannheimer Kinderklinik, übergeben.<br />
Zu einem für die Vereinsgeschichte bedeutenden Auftritt kam es am 25. Februar 1994.<br />
Nach nahezu zehnjähriger Diskussion wurde an jenem Tag der bundesligataugliche<br />
Umbau des Rhein-Neckar-Stadions eingeweiht, das fortan Carl-Benz-Stadion hieß. Gegen<br />
18.45 Uhr betraten die 50 Rheinauer Sängerinnen und Sänger zusammen mit<br />
1.400 Aktiven anderer Gesangsvereine die Arena; unter Leitung von Volker Schneider<br />
und Dietrich Edinger stimmten sie die Titelmelodie der ARD-Sendung „Tausend Stimmen“<br />
an. Für die Rheinauer Sänger jedoch war die Teilnahme an diesem für Mannheim<br />
bedeutenden Ereignis ein unvergeßliches Erlebnis. Selbst das Fernsehen konnte an diesem<br />
traditionsreichen Verein nicht vorbeigehen: So waren die Rheinauer Sänger zu Gast<br />
im „Rhein-Neckar-Fernsehen“, dem regionalen Partner des Privatsenders RTL, das zu jeder<br />
Sendung Vereine, Gruppen oder Einrichtungen aus der Region als Zuschauer in sein<br />
Studio in der Dudenstraße einlädt. Die leutseligen Sänger fanden schnell und unkompliziert<br />
Kontakt zu den Männern vom Fernsehen; Moderator Norbert Lang war bereits<br />
nach kurzer Zeit nur noch der „Nobbi“.
50<br />
Einweihung des renovierten Kriegerdenkmals 1993.<br />
Am Mikrofon der Initiator der Aktion, <strong>MGV</strong>-Mitglied Harald Hipp.<br />
Gasthaus „Rheinauhafen“ Karlsruher/Ecke Stengelhofstraße.<br />
1922-1993 Probenlokal des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau.
51<br />
Bauen für Rheinau<br />
<strong>Jahre</strong>lang hatte man in Rheinau den miserablen Zustand der Toilettenanlage auf dem<br />
Rheinauer Marktplatz beklagt. Die sanitären Anlagen waren total verdreckt, Türen und<br />
Wände mit radikalen politischen Parolen oder schlichtweg mit Schweinereien beschmiert,<br />
von Spiegel oder Papierhandtüchern an den Waschbecken längst nichts mehr<br />
zu sehen. Besonders betroffen von diesem Missstand war der <strong>MGV</strong>, der hier bekanntlich<br />
sein Marktplatzfest feierte. Die Stadt bejahte zwar die Notwendigkeit einer Renovierung,<br />
konnte sie wegen ihrer Finanzmisere aber nicht umsetzen; die Anlage drohte wie<br />
zuvor bereits jene in Neckarau am Eingang der Friedrichstraße oder auf dem Lindenhof<br />
am Gontardplatz geschlossen zu werden.<br />
Um dies für Rheinau abzuwenden, ergriff Harald Hipp die Initiative. In 148 Arbeitsstunden<br />
renovierten acht Sänger die Anlage, strichen Wände und Türen im Innern<br />
ebenso wie das Geländer außen. Im Rahmen des 14. <strong>MGV</strong>-Marktplatzfestes im Juni<br />
1993 wurde die Anlage eingeweiht. „Es ist einmalig in Mannheim, dass so etwas gemacht<br />
wurde“, lobte Baubürgermeister Lothar Quast. Und weil die Knochen schon mal so gut<br />
in Schwung waren, renovierten die Sänger kurz darauf auch gleich die WC-Anlage auf<br />
dem Rheinauer Friedhof.<br />
Doch die Rheinauer Sänger ließen es nicht bei der Toilettenanlage bewenden. Kurz<br />
danach bereits wandten sie sich dem Kriegerdenkmal zu, das am Kopfe des Marktplatzes<br />
in Richtug vor der Versöhnungskirche steht. Die Rheinauer Sänger hatten zu diesem<br />
Bauwerk eine ganz besondere Beziehung; 60 <strong>Jahre</strong> zuvor, im <strong>Jahre</strong> 1933, war es mit ihrer<br />
Beteiligung eingeweiht worden. Nicht nur ihnen tat es daher weh, wie das Monument<br />
in den vorangegangenen <strong>Jahre</strong>n heruntergekommen war. Durch zahlreiche Sachund<br />
Geldspenden gelang es ihnen, das Denkmal wieder in Schuss zu bringen.<br />
Ein neues Vereinslokal<br />
Zum <strong>Jahre</strong>swechsel 1993/94 kam auf die Vereinsfamilie plötzlich eine ungeahnte Herausforderung<br />
zu: Ihr Vereinslokal „Zum Rheinauhafen“ in der Stengelhofstraße/Ecke Karlsruher<br />
Straße, dem sie seit 1922 die Treue gehalten hatten, mussten sie verlassen. Der<br />
neue Besitzer Claudio Mucciolo, ein Verwandter des aus Rheinau stammenden Fußball-<br />
Bundesligastars Maurizio Gaudino, hatte die Gaststätte im November 1993 zu einem<br />
italienischen Ristorante umgebaut; ein Nebenzimmer als solches sollte es fortan nicht<br />
mehr geben, der Raum vielmehr ebenfalls ständig eingedeckt sein; für Klavier sowie<br />
Pokal- und Notenschränke, so beschied der neue Wirt die Sänger im Januar 1994, war<br />
kein Platz mehr. Doch wo sollen wir hin, fragte sich die Sängerfamilie verzweifelt in der<br />
mit 75 Anwesenden außergewöhnlich gut besuchten <strong>Jahre</strong>shauptversammlung Mitte<br />
Januar 1994.<br />
Dank jahrzehntelanger Freundschaft mit dem Sportverein TSG – der Vorsitzende der<br />
TSG, Peter Klug, war auch im <strong>MGV</strong> aktiv – kamen die Sänger dort unter. Ja, die TSG<br />
stimmte in ihrer Mitgliederversammlung im März 1994 sogar dem Antrag der Sänger
52<br />
100. Jubiläum des Vereins im <strong>Jahre</strong> 1996.<br />
Links das von <strong>MGV</strong>-Mitglied Konstantin Groß verfasste <strong>Festbuch</strong>, rechts Kanzleramts-Minister Bernd Schmidbauer bei<br />
seiner Rede auf dem Festakt.<br />
Festakt zum 100. Jubiläum 1996.<br />
Männer- und Frauenchor bei ihrem Auftritt unter Leitung von Lucia Lewczuk.
53<br />
zu, einen kleinen Teil ihres Vereinshauses umzubauen und per vertraglich abgesichertem<br />
Dauernutzungsrecht zu übergeben – eine „Ehe von Kultur und Sport“, wie Dieter<br />
Schmidt formulierte, mit der Verein in Mannheim Neuland betrat.<br />
Am 6. Juni 1994 begannen die Arbeiten. Eine neue Außenwand wurde gemauert, das<br />
bisherige Dach abgerissen. Bei den oft tropischen Temperaturen des Sommers 1994<br />
leisteten die 27 fleißigen Sänger unter Bauleitung von Manfred Hipp insgesamt 1.400<br />
Arbeitsstunden. Im Oktober 1994 konnte der neue Raum feierlich eingeweiht werden.<br />
„Wir haben auch Raumprobleme“, lobte Winfried Rahm, der Vorsitzende des befreundeten<br />
Gesangvereins Neuhermsheim, „aber ein solches Projekt hätten wir uns nie getraut<br />
und nicht geschafft“.<br />
Das 100-jährige Jubiläum<br />
Die wohl größte Herausforderung nahte für den neuen Vorstand in Gestalt des 100jährigen<br />
Jubiläums im <strong>Jahre</strong> 1996. Bereits zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s 1994 hatte sich der Vorstand<br />
grob auf die Struktur der Jubiläumsaktivitäten geeinigt: ein Festakt mit den Festreden<br />
und Ehrungen, eine davon getrennte musikalische Veranstaltung sowie ein <strong>Festbuch</strong>.<br />
Mit der Abfassung des <strong>Festbuch</strong>es beauftragte der Vorstand bereits 1993 das Vereinsmitglied<br />
Konstantin Groß, der als studierter Historiker und Redakteur der Tageszeitung<br />
„Mannheimer Morgen“ dafür mehr als prädestiniert war. Dank seiner ausgezeichneten<br />
Verbindungen gelang es ihm außerdem, den Ministerpräsidenten des Landes Baden-<br />
Württemberg, Erwin Teufel, als Schirmherrn, und den Staatsminister im Bundeskanzleramt,<br />
Bernd Schmidbauer, als Festredner zu gewinnen. Vor allem Letzteres war natürlich<br />
eine Sensation, galt Schmidbauer doch als enger Vertrauter von Bundeskanzler Helmut<br />
Kohl und als in seiner Funktion auch Koordinator aller deutschen Geheimdienste.<br />
Für seine Festrede im Nachbarschaftshaus Rheinau galt denn auch höchste Sicherheitsstufe.<br />
Eine Stunde, bevor der hohe Gast eintreffen sollte, rückte die Hundestaffel<br />
der Polizei an, um noch einmal unter die Bühne zu schnüffeln und den Keller zu durchsuchen.<br />
Den ganzen Nachmittag über blieb der Mannschaftswagen vor der Tür postiert,<br />
Revierführer Winfried Scherer schaute selbst nach dem Rechten. Die Rede selbst,<br />
die Schmidbauer hielt, beeindruckte alle Anwesenden – auch jene, die dem Auftritt des<br />
CDU-Politikers anfänglich skeptisch gegenüber gestanden hatten. Protokollarischer Höhepunkt<br />
des Nachmittags kam, als Schmidbauer im Auftrag von Bundespräsident Roman<br />
Herzog dem Vereinsvorsitzenden Dieter Schmidt Zelterplakette des Bundespräsidenten<br />
überreichte, die alle Gesangvereine erhalten, die 100 <strong>Jahre</strong> alt werden.<br />
Zwei <strong>Jahre</strong> nach diesem Jubiläum gab Dieter Schmitt den Vorsitz ab. Im Januar 1998<br />
wurde sein bisheriger Stellvertreter Manfred Hipp zu seinem Nachfolger gewählt. Der<br />
1939 geborene Hipp trat 1955 in den Verein bei und wurde bereits 1964 als „zweiter<br />
Kassier“ erstmals Mitglied des Vorstandes. 1972 bis 1988 verantwortete er als Schatzmeister<br />
die Finanzen des Vereins. Mit seiner Hallenbau-Firma leistete er nicht erst als Vorsitzender<br />
dem Verein wertvolle Dienste. Glanzvoller Höhepunkt seiner Amtszeit als Vorsitzender<br />
wurde das von ihm initiierte große Konzert aller sieben Rheinauer Chöre im<br />
<strong>Jahre</strong> 2001.
54<br />
Die Chöre des <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau e. V. im Vorfeld des 100. Jubiläums.<br />
Frauenchor untere Reihe von links: Hildegard Vogt (†), Milada Franosch, Anna Grunert (†), Gertrud Jonatha, Christa<br />
Popp, Reinhilde Fischer, Lotte Kreis (†), Maria Daub, Gertrud Pfeil, Gerlinde Powolik, Ursula Franzen, Marianne Bug,<br />
Hildegard Gehrig, Ruth Golebiowsky, Sophie Huber (†);<br />
Frauenchor obere Reihe von links: Susanne Vesper, Irene Landua (†), Gerda Petruck (†), Gerlinde Hinterberger, Renate<br />
Herbert, Karin Ruf, Eva Gogolin, Irene Plog (†), Anneliese Wollschläger, Hilde Schläger (†), Christa Stückle, Liesel<br />
Bergold (†), Sonja Morath (†), Luise Schmitt, Elisabeth Etcheverry, Renate Oechsner, Anita Galm, Anja Preißler, Claudia<br />
Bug, Dirigentin Lucia Lewczuk.<br />
Männerchor obere Reihe von links: Wolfgang Feige (†), Manfred Schweitzer (†), Günter Friedrichs, Walter Morath sen.<br />
(†), Fritz Häfner, Herbert Wahle, Dieter Schmidt, Jürgen Ruf, Helmut Schmitt (†), Günter Klug, Klaus Scheuermann (†),
55<br />
Franz Franzen, Heinz Hanel (†), Josef Kuhn (†), Franz Bumann (†), Manfred Hipp, Heinz Hintzen, Walter Lill (†), Horst<br />
Schott (†), Rolf Günther, N.N., Karl Stahl (†);<br />
Männerchor Zwischenreihe (im rechten Drittel des Bildes) von links: Otto Günter, Günter Plöchinger (†), Rudi Weidenauer<br />
(†), Josef Kußmann (†), Walter Morath jr.<br />
Die fettgedruckten Namen bezeichnen Sänger und Sängerinnen, die noch heute im Chor aktiv sind. Die mit einem<br />
Kreuz versehenen Aktiven sind inzwischen verstorben. Die Aufzählung der Namen beruht auf Angaben des Vorsitzenden<br />
Jürgen Ruf. Das Bild wurde damals fotografiert von dem Rheinauer Fotografen Abdelkader Naoui.
56<br />
Konzert der sieben Rheinauer Chöre 2001.<br />
Der Moderator des Abends, <strong>MGV</strong>-Mitglied Konstantin Groß, betritt die Bühne.<br />
Konzert der sieben Rheinauer Chöre 2001.<br />
Bericht des „Mannheimer Morgen“ über die Veranstaltung.
57<br />
Konzert der sieben Rheinauer Chöre 2001<br />
Viele Rheinauer, Freunde des Chorgesangs gleich gar, hatten es bereits seit langem beklagt:<br />
Der einzige Anlass, zu dem die drei Gesangvereine des Stadtteils – der <strong>MGV</strong> 1896,<br />
der Liederkranz 1897 und der Frohsinn Hochstätt-Ptingstberg 1914 – gemeinsam sangen,<br />
bildete jeweils die Totengedenkfeier der beiden Gemeinnützigen Vereine zum<br />
Volkstrauertag auf dem Rheinauer Friedhof. Eindrucksvoll ohne Zweifel, doch kein Anlass,<br />
fröhliches Liedgut aufzuführen, Geselligkeit zu pflegen oder gar fröhlich zu sein.<br />
Lange war es daher der Wunsch vieler Sangesfreunde in allen Vereinen, ein gemeinsames<br />
Konzert zu veranstalten. Mehrere Anläufe dazu hatte es denn auch bereits gegeben,<br />
Manfred Hipp, der Vorsitzende des <strong>MGV</strong>, hielt den Jahrtausendwechsel für den<br />
richtigen Anlass, es noch einmal versuchen, und diesmal hatte er Erfolg: Für den 12. Mai<br />
2001 wurde ein gemeinsames Konzert vereinbart. Besonders attraktiv wurde es dadurch,<br />
dass nicht nur die drei traditionsreichen Chöre <strong>MGV</strong> 1896, Liederkranz 1897 und<br />
Frohsinn 1914 auftreten sollten, sondern auch zwei jüngere Formationen: Da Capo und<br />
der Shanty-Chor.<br />
Der Eintritt betrug zwölf Mark. Der Reinerlös sollte an zwei Einrichtungen für Menschen<br />
mit geistiger bzw. seelischer Behinderung im Vorort gehen, nämlich je zur Hälfte<br />
an das Wohnhaus Stengelhof der Lebenshilfe, die in jenem Jahr bekanntlich 40. Jubiläum<br />
feiern konnte, sowie an das St. Anna-Haus im Casterfeld. 400 Gästen nahmen teil.<br />
Die Moderation übernahm in bewährter Weise „MM“-Redakteur Konstantin Groß.<br />
Sowohl klanglich als auch optisch wurde die Veranstaltung eindrucksvoll. Immerhin<br />
brachte der <strong>MGV</strong> 50 Frauen und Männer auf die Bühne, der Frauen- und Männerchor<br />
des Frohsinn 35. Der Liederkranz verfügte über 20 Sänger, der Shanty-Chor über 25 und<br />
Da Capo über 30 Männer und Frauen – zusammen also 160 Sängerinnen und Sänger.<br />
Damit es auch wirklich ein schönes Bild gab, wurde auch die äußere Präsentation genau<br />
festgelegt: Trat ein Chor alleine auf, trug er seine Chorkleidung; sangen die Männerchöre<br />
zusammen, so war eine gemeinsame Kleidung mit schwarzer Hose, weißem Hemd<br />
und Krawatte vorgesehen.<br />
Die Dirigenten der fünf beteiligten Chöre – vom Liederkranz Willibald Schreck, beim<br />
<strong>MGV</strong> 1896 Lucia Lewczuk, beim Frohsinn Gerhard Speich, bei Da Capo Elena Kleiser<br />
und beim Shanty-Chor Peter Göttert – hatten in monatelanger Kleinarbeit ein abwechslungsreiches<br />
Programm zusammen gestellt. Die Chöre traten an jenem Abend sowohl<br />
einzeln als auch zusammen auf, so dass die Veranstaltung sowohl Selbstdarstellung jedes<br />
einzelnen Chors als auch Visitenkarte für den Rheinauer Chorgesang insgesamt wurde.<br />
Als eine brillante Demonstration des Chorgesangs erwies sich das Konzert dann in der<br />
Tat. Wegen der sommerlichen Temperaturen waren die Saaltüren des Nachbarschaftshauses<br />
weit geöffnet, so dass der „Chor der Gefangenen“ aus Verdis „Nabucco“ weithin<br />
zu hören war, bei dem am Ende des Konzerts die Stimmen aller 160 Sängerinnen und<br />
Sänger zu einem herrlichen Opernchor verschmolzen.<br />
Der Männerchor des <strong>MGV</strong> 1896 sang das gefühlsbetonte Lied „Die Rose“, danach<br />
das temperamentvolle Bekenntnis des Chors: „Freunde, das ist Musik“, das die Besucher
58<br />
Erwin Teufel 2002 im „Gärtnertreff“.<br />
Nach seiner Rede, im Hintergrund die Sänger des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau.<br />
Erwin Teufel 2002 im „Gärtnertreff“.<br />
CDU-Ortsverbandsvorsitzender Paul Buchert und Bundestagsabgeordneter Prof. Dr. Egon Jüttner (r.) überreichen dem<br />
Ministerpräsidenten ein Geschenk, beobachtet von den Sängern des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau.
59<br />
zum Mitklatschen animierte. Die Vorträge der Frauenchöre dirigierte Lucia Lewczuk und<br />
faszinierte in „Der Tag war schön“ mit ausdrucksvollem Sologesang. Und unter ihrer<br />
sicheren Leitung begeisterten die sieben Chöre zum Abschluss gemeinsam mit dem<br />
programmatischen Titel: „Ein guter Tag zu Ende geht“.<br />
Auftritt vor Ministerpräsident Teufel 2002<br />
Am 6. September 2002 sang der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau im „Gärtnertreff“ vor seinem bislang<br />
prominentesten Zuhörer: dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg,<br />
Erwin Teufel. Anlass war die Abschlusskundgebung des CDU-Ortsverbandes Rheinau<br />
zur Bundestagswahl am 22. September 2002. Der Ministerpräsident war, wie der Organisator<br />
der Veranstaltung, Rheinaus Stadtrat Paul Buchert in seiner Begrüßung betonte, der<br />
erste Landesvater seit Großherzog Friedrich I. 1899, der Rheinau besuchte. Damit der<br />
sich auch später noch daran erinnerte, wo er war, überreichte ihm die „Meilenkönigin“<br />
des Rheinauer Stadtteilfestes „Fröhliche Meile“ 2002, Stephanie Losert, ein Exemplar<br />
der von Konstantin Groß verfassten Pfingstberg-Chronik „Zwischen Grün und Gleis“,<br />
wofür sich der Landesvater bei ihr galant mit einem Wangenkuss bedankte. Doch auch<br />
er hatte etwas mitgebracht: Der Ministerpräsident zeichnete Paul Buchert mit der Jubiläumsmedaille<br />
,,50 <strong>Jahre</strong> Baden-Württemberg“ aus.<br />
Die Rede des Ministerpräsidenten, in der sich dieser für alle Anwesenden überraschend<br />
kämpferisch zeigte, war natürlich von der anstehenden Bundestagswahl geprägt. „Alle<br />
Gesetze der rot-grünen Bundesregierung wieder aufheben, das wäre ein gewaltiges Konjunkturprogramm“,<br />
erklärte Teufel im überfüllten „Gärtnertreff“. „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
müssen besser werden“, forderte Teufel, etwa durch eine steuerliche<br />
Entlastung des Mittelstandes. Maßnahmen wie die Ökosteuer hätten zu zusätzlicher Arbeitslosigkeit<br />
geführt. „Das rot-grüne Experiment ist gescheitert, wir sind in vier <strong>Jahre</strong>n keinen<br />
Schritt voran gekommen“, kritisierte Teufel.<br />
Zwischen den Ansprachen des Ministerpräsidenten und der übrigen Redner sangen<br />
die Chöre des Männergesangvereins 1896 Rheinau unter Leitung von Lucia Lewczuk.<br />
Von diesen Liedvorträgen war der Landesvater offensichtlich stark beeindruckt; jedenfalls<br />
erhielt der Verein knapp eine Woche später einen Brief aus dem Staatsministerium,<br />
in dem sich der Ministerpräsident persönlich für den Auftritt der Sängerinnen und Sänger<br />
bedankte. Damit habe der <strong>MGV</strong> ihm eine große Freude gemacht, schrieb der Ministerpräsident:<br />
„Ihre Gesangsbeiträge trugen ganz wesentlich zu der guten Stimmung an diesem<br />
Nachmittag bei. Ich habe mich … in Ihrem Kreise außerordentlich wohl gefühlt.“
60<br />
Feier zum 110-jährigen Bestehen 2006.<br />
Festredner ist der Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Gerhard Stratthaus. Der Brühler kennt Rheinau seit<br />
den sechziger <strong>Jahre</strong>n. „Damals wurde mir hier mein Fahrrad geklaut“, erzählte er in seiner Festrede zur Erheiterung des<br />
Publikums.<br />
Der Gemischte Chor des <strong>MGV</strong> im Jubiläumsjahr 2016.<br />
Vorne v. l.: Gertrud Pfeil, Mathilde Günther, Erika Neuner, Ursula Franzen, Karin Ruf, Sonja Bauer; mittlere<br />
Reihe: Susanne Vesper, Anneliese Wollschläger, Hilde Dieffenbach, Olga Rehm, Milada Franosch, Giesela<br />
Stocker; hinten: Gunder Winterkorn, Günter Klug, Franz Franzen, Jupp Wollschläger, Dirigent Eddy Werner<br />
Triebskorn, Günter Friedrichs, Jürgen Ruf, Günter Otto, Rolf Günther, Walter Morath.
61<br />
Die Amtszeit von Jürgen Ruf<br />
Im <strong>Jahre</strong> 2007 traf den <strong>MGV</strong> 1896 ein schwerer Schlag: Vereinschef Manfred Hipp erlitt<br />
einen Schlaganfall und war auch nach seiner weitgehenden Genesung nicht mehr in der<br />
Lage, den Vorsitz weiter auszuführen. Am 19. Januar 2008 wurde der bisherige Mitgliederwart<br />
Jürgen Ruf mit 40 von 48 Stimmen zum neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt,<br />
der damals 126 Mitglieder und 39 Aktive (16 Sänger und 23 Sängerinnen) zählte.<br />
Auf seinen Antrag hin wurde sein Vorgänger einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt.<br />
In der Amtszeit von Ruf, seit 1958 im Verein, wurden die bisherigen Aktivitäten fortgesetzt,<br />
aber auch neue entwickelt, so etwa das Kurpfälzer Kerwe-Schlachtfest. Herausragende<br />
Veranstaltung war das Konzert zum 25. Jubiläum des Frauenchors im <strong>Jahre</strong><br />
2010.<br />
Eine Herausforderung, der sich der Verein in dieser Zeit gegenübersah, war der mehrfache<br />
Wechsel in der Chorleitung. Im <strong>Jahre</strong> 2010 strebte die mittlerweile 64-jährige Dirigentin<br />
Lucia Lewczuk an, beruflich kürzertreten und zu diesem Zweck die Proben ihrer<br />
verschiedenen Chöre auf wenige Tage der Woche zusammenfassen; den von ihr für den<br />
<strong>MGV</strong> 1896 Rheinau vorgesehenen Mittwoch, 17.30 Uhr, lehnte dieser jedoch ab. So beendete<br />
Lucia Lewczuk nach 28 <strong>Jahre</strong>n ihr Engagement beim <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau. Nachfolger<br />
wurde der Kantor der Evangelischen Versöhnungsgemeinde Rheinau, Ottmar<br />
Öhring.<br />
Doch Öhring setzte den Schwerpunkt zunehmend auf ein geistiges Repertoire mit<br />
Kanons und war auch im persönlichen Umgang eher zurückhaltend. Der Verein trennte<br />
sich von ihm und verpflichtete stattdessen: Franz Josef Siegel. Der regional bekannte<br />
Chorleiter und Autor zahlreicher Kompositionen passte altersmäßig zwar eher zu den<br />
Aktiven und erwies sich auch als weit bodenständiger, in seinem Umgang zuweilen aber<br />
wiederum als wenig sensibel. Auch von ihm trennte sich der <strong>MGV</strong> 1896 schließlich am<br />
26. Mai 2015.<br />
Der Kreisvorsitzende der Chorverbandes, Jürgen Zink, stellte den Kontakt zu Eddy<br />
Werner Triebskorn her, mit dem am 16. Juni 2015 die erste Singstunden stattfand. Wie<br />
Siegel passte er vom Alter her zu den Aktiven, hatte aber eine ruhigere Art, die ihnen<br />
eher entgegenkam. Mit Triebskorn packte der <strong>MGV</strong> 1896 sein Jubiläumsjahr an, besonders<br />
das Festkonzert am 7. Mai 2016 im Nachbarschaftshaus.<br />
Nur auf Grund dieses Jubiläumsjahres hatte sich Jürgen Ruf bereiterklärt, den Vorsitz<br />
weiter zu bekleiden. Im Januar 2016 wurde er einstimmig in seinem Amt bestätigt – allerdings<br />
gemäß seiner Bedingung lediglich für ein Jahr bis zum Januar 2017. Wie es danach<br />
mit dem Verein weitergehen wird, der noch 87 Mitglieder zählt, davon 22 Aktive (zwölf<br />
Frauen, zehn Männer), wird sich dann zeigen müssen.
62<br />
Der Frauenchor des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau zehn <strong>Jahre</strong> nach seiner Gründung.
63<br />
Der Frauenchor<br />
Mehr als das „Kuchenback-Geschwader“ des Vereins<br />
Im Jubiläumsjahr 2016 zählt der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau in seinen Reihen 34 Frauen, das sind<br />
40% seiner 87 Mitglieder. Der 1985 gegründete Frauenchor ist mit zwölf Aktiven kontinuierlich<br />
größer als der Männerchor mit seinen zehn Sängern.<br />
Doch die aktuelle Bedeutung der Frauen sowie ihre Leistungen im Verlauf der <strong>120</strong> <strong>Jahre</strong><br />
währenden Vereinsgeschichte sind weit höher zu bewerten als in diesen aktuellen Zahlen<br />
zum Ausdruck kommt. Ohne das Engagement der Frauen im Verein wäre die Geschichte<br />
des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau nicht so erfolgreich verlaufen wie sie ist; und dies nicht<br />
nur deshalb, weil die Männer im Verein niemals so aktiv hätten sein können, wenn ihnen<br />
ihre Frauen nicht „den Rücken frei gehalten“ und sie unterstützt hätten; die Frauen des<br />
<strong>MGV</strong> 1896 Rheinau haben vielmehr auch selbst Spuren in der Vereinsgeschichte hinterlassen<br />
– sowohl hinter den Kulissen als auch in wichtigen Funktionen, in den letzten <strong>Jahre</strong>n<br />
sogar mit eigenem Chor.<br />
Männerwelt Gesangverein<br />
Als der Verein im <strong>Jahre</strong> 1896 aus der Taufe gehoben wurde, da waren lediglich Gründer-<br />
„Väter“ mit von der Partie. Sänger zu sein, das bedeutete damals eben nicht nur zu singen,<br />
sondern auch Kameradschaft, männliche Geselligkeit, zu erleben; der Verein führte<br />
diesen Geist sogar in seinem Namen und nannte sich daher bewusst Männergesangverein.<br />
Frauen sollten im Gesangverein, so sehr man die eigene Familie auch lieben<br />
mochte, nichts zu suchen haben. Ihre gesangliche Betätigung wurde denn auch in die<br />
Kirchenchöre abgedrängt, die schon frühzeitig gemischt auftraten. Auch die Vorstände<br />
waren dem entsprechend ausschließlich männlich besetzt und damit ein Spiegelbild der<br />
patriarchalischen Gesellschaftsstruktur jener Zeit. Und dies blieb auch noch viele Jahrzehnte<br />
lang so der Fall.<br />
Frauen dienten lediglich als schmückendes Beiwerk der Veranstaltungen, bestaunte<br />
Dekoration oder gar Attraktion. Mina Rothacker, die Tochter des Vereinsgründers Philipp<br />
Rothacker, fungierte bei der Fahnenweihe 1904 als Fahnenbraut. Auguste Scherer aus<br />
dem „Stall“ des Saalbaus Scherer und Anna Strauß aus einer Spengler-Familie, zwei<br />
Töchter alter Rheinauer Familien also, bildeten ihre Prinzessinnen. Auch das Foto von<br />
40. Stiftungsfest 1936 zeigt auf der Bühne des „Badischen Hofes“ neben den Gründungsmitgliedern<br />
und Honoratioren des Vereins eine Festkönigin vor dem Bild des sogenannten<br />
Führers.<br />
An dieser Grundkonstellation änderte sich auch bei Wiedergründung des Vereins nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg zunächst nichts. Diejenigen, die den Verein 1945 von Neuem<br />
aus der Taufe hoben, waren ebenso ausschließlich Männer wie die Mitglieder der Vor-
64<br />
Wertungssingen in Walldorf nach Kriegsende.<br />
Wie bei diesem Anlass waren Frauen in jener Zeit im Männergesangverein lediglich als „Festdamen“ und damit als<br />
schmückendes Element, aber nicht als Sängerinnen gerne gesehen.<br />
Probe des Frauenchors 1985.<br />
Im Gasthaus „Zum Rheinauhafen“, am Klavier Dirigentin Lucia Lewczuk.
65<br />
stände in den darauf folgenden Jahrzehnte. Hinter den Kulissen jedoch waren die Frauen<br />
im <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau bereits zu jener Zeit längst unersetzlich geworden – sei es durch<br />
ihre aktive Mitarbeit bei Vereinsveranstaltungen als Bedienungen sowie hinter Verkaufsständen<br />
und an den Kassen oder aber bei der Vorbereitung wie etwa dem sprichwörtlichen<br />
Kuchenbacken.<br />
Der erste Anlauf zu einem Frauenchor<br />
Gleichwohl gab es bereits unmittelbar nach Kriegsende Bestrebungen, Frauen in den<br />
Chor zu integrieren. Um ausreichend Aktive zu gewinnen, wurde in der Vorstandssitzung<br />
vom 4. November 1946 einen Vorschlag, der vier Jahrzehnte später erneut aufgegriffen<br />
werden sollte: Vereinschef Josef Häusler, der übrigens aus dem Arbeitersängerbund<br />
stammte, wo der emanzipatorische Anspruch der Arbeiterbewegung traditionell<br />
stark verwurzelt war, machte den Vorschlag, einen Frauenchor zu gründen. Doch sein<br />
Stellvertreter Georg Mächerlein argumentierte dagegen. Seine Begründung: Die Männer<br />
seien zahlenmäßig noch zu schwach; Zitat aus dem Protokoll: „Der Frauenchor ist<br />
nach seiner Ansicht noch verfrüht, da der Männerchor noch nicht auf der Höhe ist, die seiner<br />
Tradition entspricht. Erst den Männerchor bauen, dann auf einem späteren Zeitpunkt den<br />
Frauenchor ins Leben rufen“ – vier Jahrzehnte später hatte sich an den Argumenten der<br />
Bedenkenträger gegen einen Frauenchor nicht viel geändert.<br />
Allerdings muss wenig später zumindest für kurze Zeit dennoch ein Frauenchor im<br />
<strong>MGV</strong> 1896 bestanden haben. Denn im Protokoll der Generalversammlung vorn 18. Januar<br />
1947 hieß es unter dem Punkt „<strong>Jahre</strong>srechenschaftsbericht des Vorsitzenden“<br />
wörtlich: „Der Frauenchor zählt 30 Mitglieder“. Näheres hierzu war aber weder aus den<br />
schriftlichen Protokollen noch von damals bereits aktiven Mitgliedern zu erfahren.<br />
Eine ganz grundsätzliche Änderung der Bedeutung der Frauen im Verein trat jedoch<br />
1983 ein: durch die erstmalige Verpflichtung einer weiblichen Chorleitung, nämlich von<br />
Lucia Lewczuk. Die Anstellung einer Dirigentin und der positive Eindruck, den diese Frau<br />
schon bald im Männerchor hinterließ, bahnte emotional den Weg für die Etablierung einer<br />
Abteilung für weibliche Aktive, zumal die Rahmenbedingungen dies als sinnvoll erscheinen<br />
ließen. Denn Anfang der achtziger <strong>Jahre</strong> war die Zahl der Mitglieder ebenso wie die<br />
der aktiven Sänger merklich zurück gegangen.<br />
Die Gründung des Frauenchors 1985<br />
Unmittelbarer Anlass für die Initiative zur Gründung eines Frauenchors war ein Konzert<br />
des Gesangvereins Frohsinn Pfingstberg-Hochstätt in der Konrad-Duden-Schule im Oktober<br />
1982, bei dem <strong>MGV</strong>-Vorstandsmitglied Jürgen Ruf und seine Frau Karin anwesend<br />
waren. Dabei trat auch der Frauenchor des Frohsinn auf, den dieser bereits im <strong>Jahre</strong><br />
1972 als erster Gesangverein der Region gegründet hatte. „Das wäre doch auch etwas für<br />
Euren Verein“, meinte Karin Ruf damals zu ihrem Mann im Angesicht der stattlichen Zahl<br />
an Sängerinnen.
66<br />
Auftritt des Frauenchors im Gründungsjahr.<br />
Am Klavier: Dirigentin Lucia Lewczuk.<br />
Vorsitzende des Frauenchors im <strong>MGV</strong><br />
1985 Liesel Schmitt (Sprecherin)<br />
1986 Daniela Eisele<br />
1988 Renate Oechsner<br />
1998 Ursula Franzen<br />
2006 Ilona Siebler<br />
2010 Ursula Franzen
67<br />
Jürgen Ruf trug diesen Vorschlag in den Vorstand, wo er von Helmut Schmitt, Dieter<br />
Schmidt und Manfred Hipp unterstützt wurde. Gleichwohl bedurfte es dreier langer <strong>Jahre</strong><br />
harter Überzeugungsarbeit und organisatorischer Vorbereitungen, bis das Projekt starten<br />
konnte. Am 2. März 1985 beschloss der Vorstand die Gründung des Frauenchors<br />
und startete, um die Resonanz zu testen, eine entsprechende Werbe-Aktion, bei der sich<br />
vor allem die Familie Ruf große Verdienste erwarb. 62 Frauen meldeten sich beim Verein.<br />
Am 25. April 1985 fand im Vereinslokal das erste Treffen der Interessierten statt: 35<br />
waren anwesend, zehn hatten sich entschuldigt. Die Anwesenden erklärten sich bereit,<br />
in einem Frauenchor mitsingen zu wollen und bestimmten bereits ihren Probentag: Als<br />
Wunsch-Singstundentag entschieden sie sich mit 12 zu 11 Stimmen für den Mittwoch.<br />
Am 21. Mai 1985 kam es zur historischen Mitgliederversammlung zum Thema Frauenchor.<br />
Es entspann sich eine harte Diskussion. Auch wenn der Frauenchor natürlich keine<br />
Verstärkung des Männerchors bringen werde, so lautete ein zentrales Argument der Befürworter,<br />
das Jürgen Ruf anführte, so sorgten die Frauen für volle Säle bei den Vereinsveranstaltungen.<br />
Doch die Gegner hielten dagegen: „Ich gehe in die Singstunde, um<br />
Kameradschaft zu pflegen, und das möchte ich ohne Frauen“, lautete die für die traditionelle<br />
Haltung charakteristische Äußerung des Sängers Günter Klug Bei der Schlussabstimmung<br />
votierten von den 34 Anwesenden gleichwohl 26 mit Ja und nur fünf mit<br />
Nein. Bereits einen Tag danach, am 22. Mai 1985, fand die erste Singstunde der Frauen<br />
mit 35 Teilnehmerinnen statt; die Ehefrau des Vorsitzenden, Liesel Schmitt, wurde bis<br />
zur turnusmäßigen Wahl eines richtigen Frauenchor-Vorstandes zur kommissarischen<br />
Sprecherin gewählt.<br />
Seine Feuerprobe erlebte der Frauenchor auf dem Bürgerball im Oktober 1985. Unter<br />
Leitung von Lucia Lewczuk sangen die35 Sängerinnen das Lied „Freunde, lasst uns<br />
singen“ von Otto Groll. Der „Mannheimer Morgen“ schrieb damals: „Das Sopran-Solo<br />
von Eva Gogolin zur irischen Volksweise ‚Es klingt ein Lied’ machte den Auftritt des Frauenchors<br />
endgültig zu einer Sternstunde der Gesangvereins-Geschichte Rheinaus“. Diese Lieder<br />
waren die Keimzelle eines seither ständig gewachsenen Repertoires.<br />
Die von der Gründung des Frauenchors erwarteten Folgen blieben denn auch nicht<br />
aus. Bereits im ersten Jahr nach Gründung des Frauenchors stieg die Mitgliederzahl des<br />
Vereins um stattliche 54 auf 205 an. 72 davon waren Aktive, davon wiederum 34 Sänger<br />
und 38 Sängerinnen.<br />
Das erste Konzert des Frauenchors<br />
Punkt 18 Uhr am Dritten Advent am 15. Dezember 1985 öffneten sich die Türen der Sakristei<br />
der katholischen Kirche St. Antonius Rheinau, und heraus traten exakt 100 Sängerinnen<br />
und Sänger und stellten sich auf dem Perron des Kirchenschiffes auf, das mit seiner<br />
künstlerisch modern gestalteten, dennoch eindringlichen bildlichen Darstellung der<br />
Kreuzigung Christi an der Stirnseite den würdigen Rahmen bot. Es war das Adventskonzert<br />
des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau und der Chorgemeinschaft Ruchheim, beide unter Leitung<br />
von Lucia Lewczuk. Zugleich war es der erste große Konzertauftritt des ein halbes Jahr<br />
zuvor gegründeten Frauenchors.
68<br />
Erster großer Auftritt des Frauenchors.<br />
Adventskonzert in der Kirche St. Antonius Rheinau am 15. Dezember 1985.<br />
Eine eindrucksvolle Sängerschar.<br />
Männer- und Frauenchor vor dem Altarbild von St. Antonius beim Adventskonzert 1985.
69<br />
Die Kirchenbänke waren bis auf den letzten Platz besetzt. Andächtig lauschte die<br />
Hundertschaft der Sänger, links die gerade zehn <strong>Jahre</strong> alt gewordene Chorgemeinschaft<br />
Ruchheim, in der Mitte der Männerchor und rechts der Frauenchor des <strong>MGV</strong>, dem von<br />
der Empore des Kirchenschiffes aus erklingendem Präludium der Orgel. Der Männerchor<br />
leitete das Programm ein mit dem getragenen „Heilige Nacht“ von Oskar Schumacher<br />
und mit „Als die Welt verloren war“ von Franz Biebl. Eindrucksvoll schallte der Vers<br />
„Gloria in excelsis deo“ durch das Gotteshaus und ließ damit die im Mittelalter einst<br />
glorreiche Pracht der Kirchenmusik erahnen.<br />
Nicht weniger eindrucksvoll gerieten die Werke „Ein Kind gebor’n zu Bethlehem“<br />
und „Es ist ein Ros’ entsprungen“ von Bartholomäus Gesius und von Michael Prätorius,<br />
gesungen von der Chorgemeinschaft Ruchheim. Als drittes sang eine Gruppe, die obwohl<br />
erst ein halbes Jahr alt, sich bereits zu einer musikalischen Institution im Stadtteil<br />
entwickelt hat: der Frauenchor des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau. Die 38 Damen intonierten „Jesu,<br />
geh’ Du voran“ und die Volksweise „Süßer die Glocken nie klingen“.<br />
Eine Zäsur trat ein, als Pfarrer Heribert Leider aus der Bibel rezitierte, die erzählt von<br />
dem strahlenden Licht, das dem Volk, das im Dunkel lebte, erhellte: „Ein Kind ist geboren.<br />
Die Herrschaft der Welt liegt auf seinen Schultern. Es ist der Fürst des Friedens.“<br />
Der Vortrag zweier Lieder von Peter Cornelius durch die Sopranistin Gisela Jochum,<br />
am Klavier begleitet von dem bekannten Mannheimer Pianisten Kunibert Werner,<br />
machte diesen Abend endgültig zu einem musikalischen Kunstgenuss. Zu dem Lied<br />
„Wenn ich ein Glöcklein wäre“, bei dem Gisela Jochum den Refrain „Ave Maria“ übernahm,<br />
trat der Männerchor mit dem Kanon des „Dingdong“ hinzu. Eine heraus ragende<br />
musikalische Leistung zeigte auch der vereinseigene Tenor Walter Morath mit „Weiße<br />
Weihnacht“ von Irving Berlin, dessen englischsprachige Fassung „White Christmas“<br />
einst durch Bing Crosby weltberühmt wurde.<br />
Besonders begeisterten die beiden jugendlichen Trompeter Alexander Bock und<br />
Frank Brinkmann, die die an sie gestellte musikalische Herausforderung des Liedes „Ich<br />
bete an die Macht der Liebe“ von Dimitri Bortniasky in glänzender Weise meisterten.<br />
Dem Ende des Programms entgegen sang die Chorgemeinschaft Ruchheim noch den<br />
„Kleinen weißen Schneemann“ von Werner Tuardy, dessen Melodie bekannter unter<br />
dem Titel „Jingle BeIls“ ist, gefolgt vom Frauenchor des <strong>MGV</strong> mit „Ein guter Tag zu Ende<br />
geht“, in dessen gesprochenem Teil es heißt: „Von Ort zu Ort, von Land zu Land, erklingt<br />
ein Lied herein / Deshalb nun reichet Euch die Hand / Wir wollen Freunde sein.“<br />
Abschluss und Höhepunkt des Abends bildete die Kantate „Heimat“ von Lorenz<br />
Schlerf, zu der sich alle Sängerinnen und Sänger sowie die Sopranistin Gisela Jochum,<br />
begleitet von Kunibert Werner, gesanglich vereinigten. Kein Wunder also, dass es einen<br />
lang anhaltenden Applaus gab, den man guten Gewissens, auch wenn er in den Kirchenbänken<br />
sitzend gespendet wurde, als „standing ovation“ bezeichnen konnte. Der<br />
Eintrittspreis von ganzen vier Mark, der ohnehin lediglich die Unkosten deckte, war angesichts<br />
dieses musikalischen Kunstgenusses geradezu lächerlich. <strong>MGV</strong>-Vorsitzender<br />
Helmut Schmitt erklärte das „Europäische Jahr der Musik“ in Rheinau für beendet und<br />
wünschte allen Teilnehmern ein gutes Neues Jahr.
70<br />
15. Geburtstag des Frauenchors im <strong>Jahre</strong> 2000.<br />
25. Jubiläum des Frauenchors im <strong>Jahre</strong> 2010.<br />
Vorsitzender Jürgen Ruf bedankt sich bei Kulturbürgermeister Michael Grötsch für seine eindrucksvolle Festrede. Ausführlicher<br />
Bericht des „Mannheimer Morgen“ über den Festakt auf der folgenden Doppelseite.
71<br />
15. Geburtstag des Frauenchores 2000<br />
Am 13. Mai 2000 feierte der Frauenchor seinen 15. Geburtstag. Dem Anlass entsprechend<br />
hatten sich im Saal der TSG Rheinau einige hundert Gäste versammelt. Vereinschef<br />
Manfred Hipp konnte auch zahlreiche Vereinsvorsitzende und sonstige Honoratioren<br />
begrüßen, allen voran Bundestagsabgeordnete Dr. Konstanze Wegner und Altstadtrat<br />
Winfried Höhn. „Als unser Vorstandsmitglied Jürgen Ruf vor 15 <strong>Jahre</strong>n den Vorschlag<br />
machte, einen Frauenchor zu gründen, war das noch keine existentielle Frage für den Verein“,<br />
erklärte Hipp in seiner Begrüßung: „Heute jedoch ist er eine unerlässliche Notwendigkeit.<br />
Ohne den Frauenchor könnten wir unsere kulturelle Aufgabe nicht erfüllen“, bekannte er.<br />
Als die damals gerade erst ins Amt gekommene Dirigentin des Männerchors des <strong>MGV</strong><br />
1896 Rheinau gefragt wurde, ob sie auch den zu gründenden Frauenchor leiten wolle,<br />
da schreckte sie erst einmal zurück. Doch dann übernahm sie 1985 gerne die Leitung, ist<br />
daher ebenfalls ein „Mitglied der ersten Stunde“ des Frauenchors. Als Geschenk für ihre<br />
engagierte 15-jährige Tätigkeit als Dirigentin des Frauenchors erhielt daher auch sie von<br />
<strong>MGV</strong>-Chef Manfred Hipp die vom Verein eigens für diesen Anlass geschaffene Jubiläumskette:<br />
„Dadurch wird Ihr Hals noch reizvoller“, scherzte der galante Vorsitzende.<br />
Natürlich wurden auch die übrigen Gründungsmitglieder des Frauenchors und jene<br />
Sängerinnen, die seit 15 <strong>Jahre</strong>n dabei sind, mit dieser Jubiläumskette geehrt. Unter diesen<br />
14 Frauen war unter anderem Liesel Schmitt, Gründungsmitglied und erste Sprecherin<br />
des Frauenchors, doch als Gattin des langjährigen Vorsitzenden Helmut Schmitt schon<br />
viele <strong>Jahre</strong> zuvor für den Verein tätig; jeden Morgen nach einem Fest war sie die Erste,<br />
die mit Schaufel und Besen zum Helfen kam. Oder Karin Ruf, die 1982 während eines<br />
Konzerts des Frauenchors des Frohsinn Pfingstberg die Idee zur Gründung des <strong>MGV</strong>-<br />
Frauenchors hatte und ihren Mann, Vorstandsmitglied Jürgen Ruf, „anspitzte“. Oder<br />
Renate Oechsner, die den Frauenchor zehn <strong>Jahre</strong> lang leitete und später in allen drei<br />
Lucia-Chören sang.<br />
Zahlreiche Gratulanten schlossen sich an. Im Namen der CDU und des Gemeinnützigen<br />
Vereins ermunterte dessen Vorsitzender Siegfried Knoblauch, ja auch Chef der Kurpfälzer<br />
Schlossgarde, die Sänger zu einem gemeinsamen Konzert aller Musiktreibenden<br />
in Rheinau. Das unterstützte auch Michael Stein, der Vorsitzende des Pfingstberger<br />
Gesangvereins Frohsinn, dessen Frauenchor für die Gründung beim <strong>MGV</strong> vor 15 <strong>Jahre</strong>n<br />
Pate gestanden hatte. Die Dirigentenfrage war für ihn klar: „Was brauchen wir in Rheinau<br />
Gotthilf Fischer, wenn wir eine Powerfrau wie Lucia Lewczuk haben?“ Im Namen der befreundeten<br />
auswärtigen Chöre gratulierte der Vorsitzende des ebenfalls von Lucia<br />
Lewczuk geleiteten Gemischten Chors im <strong>MGV</strong> Lindenhof, Walter Merk.<br />
Der eigene Männerchor gab „seinen Frauen“ mit der „Rose“ ein anrührendes Ständchen,<br />
das dank der Begleitung durch Saxophon und Klavier noch eindrucksvoller ausfiel<br />
als es ohnehin schon ist. Und auch Dirigentin Lucia Lewczuk bedankte sich mit einem<br />
selbst gesungenen Lied für die gute Zusammenarbeit mit den Frauen. Schließlich dankte<br />
der Verein demjenigen, der die Gründung 1985 initiiert hatte: Jürgen Ruf erhielt von<br />
Vereinschef Hipp einen kleinen, aus Metall handgetriebenen Oldtimer.
72
73<br />
Bericht des „Mannheimer Morgen“ über den 25. Geburtstag des Frauenchors 2010.
74<br />
Joana an ihrem ersten Schultag 1951 mit ihrer Mutter.<br />
Als Kind ist die heute bekannte Chancon-Sängerin, die auf dem Pfingstberg aufwuchs, bei Veranstaltungen des <strong>MGV</strong><br />
1896 Rheinau aufgetreten.<br />
Die Geschwister Lewczuk mit Mutter.<br />
Auch die Kinder von Dirigentin Lucia Lewczuk Adrian, Raffael und Patricia traten regelmäßig beim <strong>MGV</strong> auf, hier bei<br />
einem Weihnachtskonzert Ende der neunziger <strong>Jahre</strong>.
75<br />
Jugendarbeit<br />
Von der Gründung des Vereins 1896 bis zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />
stand die Jugendarbeit in Gesangvereinen wie dem <strong>MGV</strong> unter völlig anderen Vorzeichen<br />
als heute. Mit Ausnahme der Betätigung in einem Sportverein gab es für junge<br />
Männer keine aktiven Freizeitangebote als das Singen in einem Gesangverein; doch<br />
selbst wenn es solche gegeben hätte, so hätte ihnen als Jugendlichen damals dafür<br />
schlichtweg das Geld gefehlt. Die Mitgliedschaft in einem Gesangverein mit seinen rauschenden<br />
Festen und Ausflügen war die einzige Möglichkeit, etwas zu erleben und aus<br />
der in jeder Beziehung engen heimischen Umgebung heraus zu kommen. In den Gesangverein<br />
und den Männerchor aufgenommen zu werden, war daher heiß ersehntes<br />
Ziel auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Wer als Junge neben honorigen Bürgern der<br />
Gemeinde singen und danach mit ihnen einen Stein Bier heben durfte, der zumeist<br />
natürlich von diesen bezahlt wurde, der war für alle sichtbar endlich ein richtiger Mann<br />
geworden.<br />
Das Ende dieser Entwicklung und damit die Krise der Jugendarbeit in den Gesangvereinen<br />
setzte zu Beginn der sechziger <strong>Jahre</strong> ein. Das hatte vor allem drei Gründe. Zunächst<br />
bildeten ganz neuartige Freizeitangebote, allen voran das Fernsehen, eine attraktive<br />
Alternative zum Singen im Verein, das bislang weitgehend konkurrenzlos war. Zum<br />
Zweiten war eine neue Art von Musik, die Pop- und Rockmusik aufgekommen, die ungeachtet<br />
der Abneigung vieler Eltern den Musikgeschmack der jungen Generation<br />
prägte; Chorgesang galt dem gegenüber bei immer mehr Jugendlichen als verstaubt<br />
und bieder. Und drittens war über 15 <strong>Jahre</strong> nach Kriegsende eine Generation im demokratischen<br />
Staat heran gewachsen, die bestehende Autoritäten und Strukturen immer<br />
weniger akzeptierte. Viele junge Leute waren nicht mehr bereit, sich in ihrer Freizeit in<br />
überkommene Rituale einzufügen, die natürlich vor allem bei traditionsreichen Gesangsvereinen<br />
besonders stark ausgeprägt waren.<br />
Die 1983 ins Amt gekommene Dirigentin Lucia Lewczuk hatte von Anfang an das<br />
Ziel, im <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau einen organisierten Nachwuchs zu etablieren. Ihre eigenen<br />
drei Kinder waren musikalisch engagiert und bei Veranstaltungen des <strong>MGV</strong> regelmäßig<br />
aufgetreten. Warum nicht einfach einige weitere Kinder um sie herum versammeln und<br />
gemeinsam mit ihnen singen lassen, dachte Lucia Lewczuk damals. Ihr erster, anfangs<br />
durchaus auch erfolgreicher Versuch mündete Ende 1989 in der Gründung einer Jugendgruppe.<br />
Die Sängerinnen und Sänger waren von dieser Idee natürlich angetan und sprach<br />
auch gleich ihren eigenen Nachwuchs an. Im Laufe des <strong>Jahre</strong>s 1990 hatte sich bereits eine<br />
kleine, aber feste Schar zusammengefunden. Zu ihr gehörte Anja Ruf (damals 20),<br />
Alexandra Bug (20), Claudia Bug (13) und Petra Schnepf (20). Geprobt wurde jeweils<br />
nachmittags bei Lucia Lewczuk zu Hause sowie mittwochs nach der Singstunde des<br />
Frauenchors von halb neun bis neun.<br />
Was sie nach einigen Wochen gelernt hatten, das zeigten die Jugendlichen bei ihrer<br />
Premiere auf dem 12. Rheinauer Bürgerball im Nachbarschaftshaus Rheinau am 20. Oktober<br />
1990 mit einer bunten „musikalischen Reise durch die Welt“, also Volksliedern aus
76<br />
Jugendchor des <strong>MGV</strong>.<br />
Bei seiner Premiere 1990.<br />
Der 2002 gegründete Kinderchor des <strong>MGV</strong>.<br />
Hier bei seinem Auftritt auf dem Frühlingsfest im Mai 2003.
77<br />
der Tschechoslowakei, Polen, England, Russland und Deutschland – noch etwas unsicher<br />
zuweilen, aber mit sehr viel Engagement. Der Applaus des Publikums zeigte denn auch,<br />
dass der Verein damit auf dem richtigen Weg war.<br />
Mittelfristig wollte Lucia Lewczuk die Jugendgruppe zu einem richtigen Jugendchor<br />
ausbauen. Dass dies am Ende nicht geklappt hat, lag nicht an ihr und auch nicht an den<br />
Jugendlichen, sondern an manchen Sturköpfen unter den Älteren im Verein, die mit ihrer<br />
Unduldsamkeit den Jugendlichen ihr Engagement verleideten und deren in diesem Alter<br />
ohnehin schwer aufrecht zu erhaltendes Interesse erlahmen ließen.<br />
Über zehn <strong>Jahre</strong> später startete Lucia Lewczuk einen neuen Versuch. Im Vorfeld der<br />
Vereins-Weihnachtsfeier am 15. Dezember 2002 wurden Eltern und Großeltern angesprochen,<br />
ob ihre Kinder und Enkel bei dieser Veranstaltung einen musikalischen Beitrag<br />
leisten könnten. Die Resonanz auf diese Initiative war verblüffend. Sechs Wochen lang<br />
probten die Kleinen mit großer Begeisterung und überredeten sogar noch ihre Mütter,<br />
sich zu beteiligen. Und siehe da: Von sich aus fragten die Kinder bereits kurz nach diesem<br />
Auftritt, wann wieder geprobt wird.<br />
Beim Frühlingsball zu ihrem 20. Dirigenten-Jubiläum im Mai 2003 traten die Kleinen<br />
mit ihren Müttern noch einmal auf und begeisterten mit ihrer erfrischenden Fröhlichkeit<br />
das Publikum. Eine auch nur mittelfristig bestehende Formation ließ sich daraus jedoch<br />
nicht erhalten.<br />
Damit bewahrheitete sich erneut die Erkenntnis, dass es nur unter optimalen Umständen<br />
möglich ist, Kinder bzw. Jugendliche nach Eintritt in die Pubertät in einem Chor zu<br />
halten. Auch der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau muss im <strong>120</strong>. Jahr seines Bestehens der bitteren Erkenntnis<br />
ins Auge sehen, dass in der individualisierten Freizeitgesellschaft des 21. Jahrhunderts,<br />
erst recht in einer Großstadt, die Chancen für die Existenz eines Kinder- oder<br />
gar Jugendchors ausgesprochen gering und Jugendliche für einen traditionellen Gesangverein<br />
nicht zu gewinnen sind.<br />
Der Gießener Musikwissenschaftler Martin Gärtner fasste die Situation und ihre Gründe<br />
treffend zusammen: „Kein Mensch braucht heute der Bildung wegen in den Verein zu gehen;<br />
wer Musik liebt, kann sich diesen Wunsch per Knopfdruck in vielfältigster Weise erfüllen;<br />
wer Unterhaltung sucht, ist nicht auf die Hilfe des Vereins angewiesen, sondern er findet ein<br />
reichhaltiges Angebot kommerzieller Veranstalter; die Mobilität, die das Auto schenkt, ermöglicht<br />
es, auch weit über den Wohnort hinaus Angebote zur Freizeitgestaltung zu nutzen;<br />
trotz ständig reduzierter Arbeitszeit ist Freizeit – im Sinne von verfügbarer Zeit – bei vielen<br />
Mangelware. Schon Kinder beklagen vielfach die Fülle von Terminen, die von Schule, Musikschule,<br />
Sportverein und Eltern bestimmt werden. In den Familien spielt Tradition keine Rolle<br />
mehr. Das Sprichwort „Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen“ hat nicht nur<br />
für die Gesangvereine seine Bedeutung weitgehend verloren.“
78<br />
Fußballspiel beim Vatertagsfest in den sechziger <strong>Jahre</strong>.<br />
Der Vatertagsausflug ist bis heute die beliebteste vereinsinterne Veranstaltung des <strong>MGV</strong>.<br />
„Lieder der Welt“ 1978 im Nachbarschaftshaus.
79<br />
Öffentliche Veranstaltungen<br />
Waldfest (bis 50er <strong>Jahre</strong>)<br />
Die erste große öffentliche Veranstaltung des <strong>MGV</strong> 1896 waren die Waldfeste. Sie wurden<br />
bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts jeweils im August gefeiert wurde. Dies wissen wir<br />
aus den Protokollen ausgerechnet aus einem Jahr, in dem das Fest erstmals ausfallen<br />
musste: Im <strong>Jahre</strong> 1914 war die Veranstaltung für den 9. August geplant war, wurde jedoch<br />
vom Vorstand unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges sechs Tage zuvor<br />
abgesagt.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg knüpfte der Verein an diese Tradition an, bis diese dann<br />
erneut durch einen Krieg unterbrochen wurde. Nach 1945 wurde die Tradition am<br />
Standort des heutigen Rheinauer Rings/Ecke Waldgartenweg erneut aufgenommen,<br />
hielt sich jedoch lediglich bis Mitte der fünfziger <strong>Jahre</strong>.<br />
Bürgerball (1977-1993)<br />
Die prächtigste Veranstaltung des <strong>MGV</strong> in den siebziger und achtziger <strong>Jahre</strong>n war ohne<br />
Zweifel der alljährliche Bürgerball. Erstmals veranstaltet wurde er 1977, damals noch gemeinsam<br />
mit dem Facco-Chor und unter dem Titel „Lieder der Welt". Doch schon zwei<br />
Jahr darauf wurde er vom <strong>MGV</strong> alleine getragen, dessen Vorstandsmitglied Dieter<br />
Schmidt ihn ohnehin von Anfang an entscheidend mitorganisiert hatte. Zugleich wurde<br />
die Veranstaltung vom Frühjahr in den Herbst verlegt und fortan „Bürgerball“ genannt.<br />
Anfangs gelang es den Organisatoren, renommierte Interpreten zu gewinnen, allen<br />
voran den Chor der US-Army, die „Blauen Jungs“ aus Bremerhaven oder die durch Fernsehauftritte<br />
bekannte Opernsängern Grit van Jüten vom Nationaltheater Mannheim.<br />
Später beschränkte sich der Verein aus finanziellen Gründen auf die Stars der Region, so<br />
1985 Professor Edith Jaeger-Pietzsch mit ihren Gesangsschülern, die in den <strong>Jahre</strong>n darauf<br />
noch von sich reden machen sollten. 1987 trat ein kleines Ensemble des Nationaltheaters<br />
auf, bestehend aus der Sopranistin Jutta Reisinger, dem Tenor Kenneth Ross<br />
und der Pianistin Kathleen Maurer. 1988 folgten mit internationaler Folklore 17 Aktive<br />
der Folk-Family aus Edingen, quasi eine kleine Regionalausgabe der „Kelly Family“.<br />
Zum 13. Bürgerball, zugleich der 95. Geburtstag des Vereins, gelang es, Robert Pappert<br />
(1930-2010), einen der bekanntesten zeitgenössischen Volkslied-Komponisten, zu gewinnen.<br />
Seine rund 1.400 Lieder werden von Gesangvereinen in ganz Deutschland gesungen,<br />
natürlich auch vom <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, so etwa die „Kleine Madonna“, die<br />
Walter Morath stets so unnachahmlich zu intonieren vermochte, oder die „Sterne der<br />
Heimat“. Wie die Rheinauer an jenem Abend seine Werke sangen, das begeisterte den<br />
Meistersichtlich: „Der Solist der ,Kleinen Madonna’ war wundervoll“, schwärmte Pappert<br />
im Interview mit dem Journalisten Konstantin Groß für den „Mannheimer Morgen“.
80<br />
Bürgerball 1991.<br />
Der berühmte Chorkomponist Robert Pappert zu Gast.<br />
<strong>MGV</strong>-Marktplatzfest in den neunziger <strong>Jahre</strong>n.
81<br />
Und die „Sterne der Heimat" habe er selbst erstmals überhaupt von einem Chor gehört.<br />
Beeindruckt von dieser Veranstaltung, komponierte der Meister einen Chor mit dem Titel<br />
„Tanz mit mir“, den er dem <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau widmete.<br />
1993 fand der letzte Bürgerball unter dem veränderten Konzept eines Oldie-Abends<br />
statt. Bereits im Vorverkauf konnten nahezu sämtliche Karten zu je 15 D-Mark verkauft<br />
werden, so dass sich zur Eröffnung 320 Gäste im eng bestuhlten Nachbarschaftshaus<br />
tummelten. Offenbar hatte der Verein eine Marktlücke entdeckt, nämlich die tiefe Sehnsucht<br />
der Menschen nach der guten alten Zeit der fünfziger <strong>Jahre</strong>. Und so waren es Titel<br />
wie „Don’t be cruel“, „Lolipp“ oder „Rote Lippen muss man küssen“, die von der Band<br />
„Just for Fun“ an jenem Abend intoniert und begeistert aufgenommen wurden.<br />
Doch obwohl der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war, blieben dem Verein nach<br />
Abzug aller Unkosten gerade mal 150 D-Mark übrig – zu wenig angesichts der unsäglichen<br />
Mühen bei Planung, Organisation und Vorbereitung einer solchen Mammutveranstaltung.<br />
Die von der Stadt verlangte Saalmiete für das Nachbarschaftshaus sowie die<br />
Gagen für die Musiker nahmen ungeahnte Ausmaße an. Seither fand kein Bürgerball<br />
mehr statt.<br />
Marktplatzfest (1980-1997)<br />
Die andere große Veranstaltung der Sänger, die auf der Rheinau eine große Breitenwirkung<br />
erzielte, war das 1980 ins Leben gerufene Marktplatzfest. Im Veranstaltungskalender<br />
des Stadtteils hatte es bald seinen festen Platz, und zwar jeweils am letzten Wochenende<br />
im Juni. Charakteristisch für diese Veranstaltung waren die Holzbuden, die um den<br />
Platz herum gruppiert waren, und denen die Organsatoren den Vorzug gaben gegenüber<br />
einem FestzeIt. Die Buden wurden 1980 von den Sängern unter Leitung von Dieter<br />
Schmidt selbst gebaut. Erst 1995 ging man auf die nun in Mode gekommenen weißen<br />
Partyzelte über, die für die Sänger leichter aufzubauen waren. Jeweils freitags, unmittelbar<br />
nach Ende des Wochenmarktes, schlugen sie ihre Stände auf, aus denen heraus sie<br />
ihre Speisen und Getränke verkauften. Begehrt waren die Fischspezialitäten, die in großen<br />
Mengen Absatz fanden.<br />
Beim Musikprogramm war es lange Tradition und Attraktion zugleich, am zweiten Tag<br />
des Festes, also jeweils samstags, eine auswärtige Trachtenkapelle aufspielen zu lassen,<br />
zumeist den Musikverein Neuschönau aus dem bayerischen Wald, aber auch die Trachtenkapellen<br />
aus Böffingen im Schwarzwald oder Roßhaupten im Allgäu. Von der Pritsche<br />
eines Lastwagens herab heizten sie den Festbesuchern einen ganzen Tag lang mit zünftiger<br />
Blasmusik ein. Doch mit der Zeit wurden die Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung<br />
der auswärtigen Gäste immer unerschwinglicher; schließlich verzichtete der<br />
Verein 1993 schweren Herzens auf diesen Programmpunkt. 1998 wurde aus Arbeitsund<br />
Kostengründen das gesamte Fest nicht mehr gefeiert – zu Gunsten eines Standes<br />
auf einem noch größeren Fest, dem 1990 entstandenen Rheinauer Stadtteilfest „Fröhliche<br />
Meile“.
82<br />
<strong>MGV</strong>-Stand auf dem Großen Rheinauer Stadtteilfest.<br />
Wappen des <strong>MGV</strong> für den Rheinauer Maibaum.<br />
Gestaltet von der Rheinauer Künstlerin Bettina Mohr, die es hier an den Vorsitzenden Jürgen Ruf übergibt.
83<br />
Stadtteilfest-Stand (1990-2015)<br />
Das Rheinauer Stadtteilfest „Fröhliche Meile“ in der Relaisstraße wäre ohne den <strong>MGV</strong><br />
1896 Rheinau nicht zustandegekommen. Zum einen gehörte sein damaliger Vorsitzender<br />
Helmut Schmitt 1988 zu den Gründervätern der Veranstaltung, Als die Vorsitzenden<br />
der Rheinauer Vereine zur Vereinsvorsitzenden-Runde im Weinkeller von Pfarrer Heribert<br />
Leider im katholischen Pfarrhaus St. Antonius zusammen saßen, um künftige gemeinsame<br />
Aktivitäten zu besprechen, und die Rede auf ein Stadtteilfest kam, sagte Schmitt<br />
den legendären Satz: „Was Hockenheim kann, müsste Rheinau doch schon lange können.“<br />
Damit gab er den Impuls zur konkreten Planung einer solchen Veranstaltung.<br />
Als die Großveranstaltung am 19. Mai 1990, damals noch eintägig, ihre Premiere erlebte,<br />
war der <strong>MGV</strong> 1896 bereits mit einem Auftritt bei der Eröffnung auf der Bühne sowie<br />
mit einem Stand in der Relaisstraße dabei, der seinen Standort zwischen dem Eiscafé<br />
Riviera und dem Haus von <strong>MGV</strong>-Mitglied Harald Hipp hatte. Bei seinem Eröffnungsrundgang<br />
machte Oberbürgermeister Gerhard Widder immer gerne hier Station. Eine<br />
besondere Attraktion war es natürlich stets, wenn die Freunde aus Neuschönau im Bayerischen<br />
Wald mit Verkehrsdirektor Hans Schreib an der Spitze zu Gast waren und mit ihren<br />
heimischen Produkten wie Schinken und Bärwurz die Besucher verwöhnten. Und für<br />
die Musik am Stand sorgte phonstark die Rheinauer Band „Choke“.<br />
Als der Gemeinnützige Verein Rheinau unter seinem neuen Vorsitzenden, <strong>MGV</strong>-Mitglied<br />
Konstantin Groß, das Stadtteilfest 2006 aus Sicherheitsgründen – die potenzielle<br />
Gefährdung der Besucher durch die Straßenbahn war nicht mehr verantwortbar – aus<br />
der Relaisstraße auf den Marktplatz verlegte und auf drei Tage ausdehnte, da machte<br />
der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau auch diesen Umzug mit und schlug seinen Stand jeweils vor der<br />
Pizzeria auf. Ja noch mehr: Der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau war angesichts der kontinuierlich zurückgehenden<br />
Zahl der Vereine, die bei dieser Veranstaltung noch mitmachten, einer<br />
der wenigen, die ihr ununterbrochen die Treue hielten und der ein eigenes Programm<br />
anbot. Sänger Klaus Link sorgte für Live-Musik. In der Amtszeit des Vorsitzenden Jürgen<br />
Ruf wurde ein Frühschoppen mit Weißwurst, Weißbier und Bärwurz eingeführt, um den<br />
Sonntagvormittag zu beleben. Zuvor sangen die Sängerinnen und Sänger jeweils zur<br />
musikalischen Umrahmung des Ökumenischen Gottesdienstes, der ebenfalls von Konstantin<br />
Groß eingeführt worden war.<br />
Auch die musikalische Umrahmung der Eröffnungsfeier jeweils samstags durch den<br />
jeweiligen Oberbürgermeister (bis 2007 Gerhard Widder, seither Dr. Peter Kurz) oder<br />
andere prominente Gäste nahmen die Chöre des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau gerne vor – mit<br />
einer Ausnahme: Beim Stadtteilfest 2015 konnten sie wegen der großen Hitze von fast<br />
40 Grad nicht auftreten. Auf Grund von organisatorischen Problemen nimmt der <strong>MGV</strong><br />
1896 Rheinau am Stadtteilfest 2016 erstmals nach 26 <strong>Jahre</strong>n nicht mehr teil.<br />
Eine Pause legte der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau auf Grund seines Jubiläums 2016 auch in seinem<br />
Engagement für das „Kleine Rheinauer Maibaumfest“ des Gemeinnützigen Vereins<br />
Rheinau ein. Hierbei hatte er viele <strong>Jahre</strong> lang für die musikalische Umrahmung und die<br />
Bewirtung gesorgt. Am Maibaum selbst jedoch blieb der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau natürlich<br />
auch weiterhin mit seinem von der Künstlerin Bettina Mohr gestalteten Wappen vertreten.
84<br />
Kerwe-Schlachtfest (seit 2008)<br />
Im <strong>Jahre</strong> 2008 begründete der Verein auf Initiative seines im Januar des gleichen <strong>Jahre</strong>s<br />
ins Amt gekommenen Vorsitzenden Jürgen Ruf eine neuartige Veranstaltung im Herbst:<br />
das Kurpfälzer Kerwe-Schlachtfest. Mit dieser verfolgte der Verein zwei Ziele: Zum einen<br />
wollte er die Tradition der Rheinauer Kerwe wiederbeleben, die im Stadtteil seit vielen<br />
<strong>Jahre</strong>n bereits ausgestorben war. Zum anderen sollte damit eine gesellige Veranstaltung<br />
begründet worden, deren Einnahmen mithelfen können, dem Verein auch bei zurückgehenden<br />
Mitgliederzahlen die für sein kulturelles Wirken notwendigen Mittel zu verschaffen.<br />
Vorbild für die Veranstaltung war die Kerwefeier des befreundeten Gesangvereins<br />
im pfälzischen Ruchheim, der ebenfalls von Lucia Lewczuk dirigiert wurde.<br />
Die Premiere fand am Samstag, 11. Oktober 2008, 12 Uhr mittags, statt. Als Termin<br />
für das Fest wurde das traditionelle Datum der Rheinauer Kerwe, das dritte Wochenende<br />
im Oktober, festgesetzt, als Ort der Gemeindesaal der Evangelischen Versöhnungskirche<br />
am Rheinauer Marktplatz, der über eine ausreichend große Küche verfügte. Bei der Programmgestaltung<br />
wurde – mit Ausnahme der Begrüßung durch den Vorsitzenden – auf<br />
Reden verzichtet, auch Liedvorträge durch den Chor fanden nicht statt, da sämtliche<br />
Aktiven als Helfer im Einsatz waren. Stattdessen war anfangs ein offenes Volksliedersingen<br />
unter Leitung der Dirigentin vorgesehen; doch auch dies wurde wieder fallengelassen,<br />
als man merkte, dass sich die Besucher auf das persönliche Gespräch und die Speisen<br />
konzentrieren wollten. Einziger Programmpunkt war ein Schätzspiel: An der Decke des<br />
Gemeindesaales wurde ein Schwartenmagen aufgehängt, dessen Gewicht die Besucher<br />
schätzen mussten. Wer dem wirklichen Wert am nächsten kam, durfte den Schwartenmagen<br />
mit nach Hause nehmen.<br />
Die Zutaten des <strong>MGV</strong>-Kerweschlachtfestes.<br />
Alleine beim Einblick läuft dem Betrachter bereits das sprichwörtliche Wasser im Munde zusammen.
85<br />
Soziales Engagement<br />
Die ersten <strong>Jahre</strong><br />
Durch die gesamte Geschichte des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau zieht sich nicht nur die Pflege<br />
des Kulturgutes „Deutscher Chorgesang“ und der Geselligkeit der Aktiven untereinander,<br />
sondern auch ein starkes karitatives Engagement für Kranke und in irgendeiner Weise<br />
Bedürftige.<br />
Im Ersten Weltkrieg kam dieses karitative Engagement den vom Völkerschlachten Geschundenen<br />
zu Gute. In der Mitgliederversammlung vom 11. August 1918 wurde einstimmig<br />
beschlossen, vom Vereinskonto, das damals 700 Reihsmark umfasste, immerhin<br />
100 Reichsmark an das Rote Kreuz Rheinau zu überweisen. Außerdem wurde der<br />
Vorstand ermächtigt, an notleidende Mitglieder Unterstützungsgelder bis zu einer Summe<br />
von 10 Reichsmark zu gewähren.<br />
Am 25. September 1914 beschloss der Vorstand zusätzlich, im Felde kämpfende Sänger<br />
mit Paketen zu bedenken. Am 28. Oktober 1914 wurde entschieden, dass darin vor<br />
allem Socken und Unterhosen geschickt werden sollen. Am 30. Dezember 1914 beschloss<br />
der Vorstand ein Benefiz-Konzert zu Gunsten des Roten Kreuzes Rheinau.<br />
In den nachfolgenden Jahrzehnten fanden keine derartigen Benefizaktionen statt; die<br />
Zeiten waren derart schlecht, dass der Verein alle Hände voll zu tun hatte, sein eigenes<br />
Überleben zu sichern. In den späten fünfziger, sechziger und siebziger <strong>Jahre</strong>n schienen<br />
derartige wohltätige Aktivitäten auf Grund des Wirtschaftswunders und dem immer enger<br />
gespannten sozialen Netzes auch nicht mehr notwendig. Das änderte sich jedoch<br />
ab den achtziger <strong>Jahre</strong>n, in denen immer deutlicher wurde, dass es auch in einem Sozialstaat<br />
wie der Bundesrepublik Anliegen gab, die nicht oder lediglich unzureichend abgedeckt<br />
werden konnten.<br />
Benefiz-Konzert für Kinderkrebshilfe 1992<br />
Bereits zu ihrem 50. Geburtstag 1989 hatten Vorsitzender Dieter Schmidt und sein Stellvertreter<br />
Manfred Hipp auf Feiern und Geschenke zu Gunsten der Aktion Krebskranke<br />
Kinder verzichtet. Später verwirklichten sie ihre Idee, an Stelle des traditionellen Bürgerballs<br />
ein Benefiz-Konzert zu Gunsten dieser Aktion zu veranstalten, die 1985 von einer<br />
Rheinauer Familie ins Leben gerufen worden war. Nach dem Tode ihrer Tochter hatte sie<br />
sich nicht in ihre Trauer zurück gezogen, sondern sich engagiert, um Leidensgefährten<br />
zu helfen.<br />
Zu Allerheiligen 1992 – einem für einen solchen Zweck ja durchaus symbolträchtigen<br />
Datum – fanden sich zum Eintrittspreis von 15 Mark 450 Rheinauer im Nachbarschaftshaus<br />
ein. Durch das Konzert (Eintritt und Bewirtung) kamen 5.591,27 D-Mark zusammen,
86<br />
Benefizaktion für krebskranke Kinder.<br />
<strong>MGV</strong>-Chef Dieter Schmidt übergibt den Scheck an den Chef der Mannheimer<br />
Kinderklinik, Prof. Niessen.<br />
Benefizaktion für den Neubau des katholischen Kindergartens.<br />
<strong>MGV</strong>-Chef Dieter Schmidt (r.) und sein Vize Manfred Hipp (2. v. r.) übergeben den Scheck an Pfarrer Hubert Reichardt<br />
sowie die Kindergartenleiterin Gabriele Geörg (M.).
87<br />
durch zusätzliche Spenden noch einmal 1.075 Mark herein, 300 Mark legte der Verein<br />
aus seiner Kasse drauf und verzichtete dafür auf seine Weihnachtsfeier. Kurz vor Weihnachten<br />
1992 überreichte Vorsitzender Dieter Schmidt 6.675,27 Mark an Professor<br />
Niessen, den Chef der Mannheimer Kinderklinik.<br />
Das Geld wurde in der Station K 9 des Klinikums verwendet, in der krebskranke Kinder<br />
behandelt wurden. Investiert wurde es für Dinge, die auch im Krankenhauswesen der<br />
reichen Bundesrepublik noch fehlen – Dinge, die zwar medizinisch nicht zwingend sind,<br />
den Kindern aber ihr schweres Schicksal erleichtern: Spielzeug, Verschönerung der Krankenzimmer,<br />
Kinderfeste oder einen Videorecorder mit Bildschirm, damit die Kleinen bei<br />
einem Kinderfilm zumindest für ein paar Stunden ihre Schmerzen vergessen können.<br />
Den Erlös des Adventskonzertes in der Antoniuskirche vom Dezember 1993 spendete<br />
der Verein ebenfalls für einen guten Zweck, und zwar in Rheinau selbst: 1.309 Mark<br />
übergab der Vorstand für den Neubau des katholischen Kindergartens St. Josef in der<br />
Plankstadter Straße; damit trug der Verein sein Schärflein bei zu dem 500.000 Mark hohen<br />
Eigenanteil, den die Kirchengemeinde selbst zu den 3,5 Millionen Mark hohen Baukosten<br />
beisteuern musste.<br />
Renovierung des Kriegerdenkmals 1995<br />
Zu dem Kriegerdenkmal auf dem Rheinauer Marktplatz hatte der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau eine<br />
eigene Verbindung. Bereits die feierliche Einweihung im Rahmen eines dreitägigen<br />
Festes am 10., 11. und 12. Juni 1933 war von ihm musikalisch umrahmt worden.<br />
Doch im Laufe der Jahrzehnte war es in einen bedauernswerten Zustand geraten. In<br />
wochenlanger Kleinarbeit hatten Harald Hipp und andere Aktive des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau<br />
mit Unterstützung einiger Bauunternehmen das Denkmal aus den dreißiger <strong>Jahre</strong>n saniert.<br />
Besonders Zaun und Stufen mussten vollkommen überholt werden. Die verwitterte<br />
Schrift der Namen der Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg wurde auf beiden Seiten abgestrahlt<br />
und in mühevoller Kleinarbeit mit Farbe nachgezeichnet. Darüber hinaus wurde<br />
fortan endlich auch an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges erinnert. Mit Hilfe des<br />
Heimatvereins Rheinau/Pfingstberg wurden nämlich deren Namen eruiert, auf drei Metalltafeln<br />
eingraviert, die von der Firma Lino Facco gestiftet wurden, und an dem Denkmal<br />
angebracht.<br />
Am 20. Mai 1995 stand die Einweihung an. „Wir laden ein zu unserer Renovierungsfeier:<br />
Das Krieger- und Mahnmal auf dem Rheinauer Marktplatz ist renoviert“ – so stand es<br />
auf den großen gelben Plakaten des <strong>MGV</strong> 1896, die in allen Rheinauer Geschäften hingen.<br />
Der Rheinauer Marktplatz war bevölkert mit Mitgliedern des <strong>MGV</strong>, aber auch vielen<br />
anderen Rheinauer Bürgern, so dass die vorbereiteten Biergarnituren mit ihren 250 Sitzplätzen<br />
kaum ausreichten. Dies war allerdings auch nicht überraschend, hatte doch nahezu<br />
jede deutsche Familie im Krieg einen Verwandten auf dem Schlachtfeld oder bei<br />
den Luftangriffen zu Hause verloren. In seiner eindrucksvollen Rede erinnerte Vorsitzender<br />
Dieter Schmidt daran, dass die beiden Weltkriege insgesamt 306 Rheinauern das Leben
88<br />
Einweihung des vom <strong>MGV</strong> renovierten Kriegerdenkmals 1995.<br />
Vorsitzender Dieter Schmidt begrüßt die Gäste.<br />
Benefizkonzert für den Wiederaufbau der Lanz-Kapelle Lindenhof.<br />
Die von Lucia Lewczuk dirigierten Mannheimer Chöre, unter ihnen natürlich auch der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, vor dem<br />
Denkmal von Heinrich Lanz auf dem Firmengelände von John Deere.
89<br />
gekostet hatten: „Der Krieg ist eben nicht, wie Heraklit um 500 vor Christus sagte, der Vater<br />
aller Dinge, sondern der Tod aller Dinge“, erklärte Schmidt. Den 306 Namen dürften niemals<br />
mehr weitere hinzugefügt werden müssen: „Die Menschheit muss dem Krieg ein<br />
Ende machen, sonst macht der Krieg der Menschheit ein Ende“, zitierte Schmidt den US-<br />
Präsidenten John F. Kennedy.<br />
Der Initiator des Projektes, Harald Hipp, dankte den Helfern und Sponsoren, namentlich<br />
den Firmen Thomas und Leander Bausch, Helmut Medici, B + S Beton- und Sägesysteme,<br />
Leasing Bau, Manfred Hipp Hallenbau, Lever Sunlicht, FKM Buster, Duscholux,<br />
Getränke Fessler sowie Uhrmacher Ernst Crusius und dem Bundestagsabgeordneten<br />
Klaus Dieter Reichardt, aber vor allem seinen Vereinskameraden des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau.<br />
Hipp wies daraufhin, dass die jetzt abgeschlossene Restaurierung des Kriegerdenkmals<br />
nach der Renovierung der Toilettenanlage auf dem Marktplatz 1993 und der Rheinauer<br />
Friedhofstoilette 1994 die dritte Baumaßnahme war, die der Verein ehrenamtlich zu<br />
Gunsten der Allgemeinheit unternommen habe.<br />
Danach stellten sich die Chöre unter Leitung von Lucia Lewczuk vor dem Denkmal<br />
auf. Der Männerchor sang „Am kühlenden Morgen“, der Frauenchor „Wie ist doch die<br />
Erde so schön“. Beide Chöre gemeinsam intonierten dann den „Gefangenen-Chor“ aus<br />
der Oper „Nabucco“ von Verdi, während Harald Hipp und Thomas Bausch das renovierte<br />
Denkmal enthüllten.<br />
Damit endete der offizielle Teil, und es begann der gesellige, zu dem der Verein an den<br />
aufgebauten Ständen Bier und Würstchen anbot – zu Preisen aus den dreißiger <strong>Jahre</strong>n,<br />
der Entstehungszeit des Denkmals.<br />
Benefizkonzert zu Gunsten der Lanz-Kapelle Lindenhof 2000<br />
Am 8. Juli 2000 stellte sich der <strong>MGV</strong> und seine Dirigentin Lucia in den Dienst des Erhalts<br />
eines wertvollen Mannheimer Kulturdenkmals außerhalb des Stadtteils Rheinau: Im<br />
Casino des Traktoren-Herstellers John Deere kam es zu einem gemeinsamen Benefizkonzert<br />
des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, des <strong>MGV</strong> Lindenhof/Gemischter Chor sowie des Männergesangvereins<br />
Neuhermsheim zu Gunsten des bürgerschaftlichen Wiederaufbaus<br />
der Lanz-Kapelle Lindenhof. So trugen die Chöre nicht nur zur musikalischen Unterhaltung<br />
von über 600 Gästen, sondern auch zur Bewahrung eines Stücks Mannheimer<br />
Geschichte bei.<br />
Quer durch die Jahrhunderte führte das Programm von Mozart bis hin zu Spirituals.<br />
Teils gemeinsam, teils alleine präsentierten die Chöre rund 25 Musikstücke, Chorleiterin<br />
Lucia Lewczuk stellte in Soloeinlagen ihre stimmliche Qualität unter Beweis. Dass Musik<br />
eine Familienangelegenheit ist, machten ihre Kinder Patricia (Saxofon), Raffael (Schlagzeug<br />
und Trompete) und Adrian (Klavier und Gesang) deutlich, die mit "Summertime"<br />
und einem Jazzstück für Stimmung sorgten.<br />
„Das Konzert war einfach eine Wucht“, freute sich Irmtraud Kochte, Vorsitzende der<br />
Bürger- und Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof. Am Ende konnte sich die BIG<br />
über stattliche 3.700 D-Mark freuen.
90<br />
Benefizkonzert für Hochwasser-Opfer 2002.<br />
Das Vocal-Ensemble „Lyra“ aus St. Petersburg bei seinem Auftritt.<br />
Spendenübergabe für Hochwasser-Opfer.<br />
<strong>MGV</strong>-Chef Manfred Hipp überreicht Pfarrer Markus Wittig den Scheck über 3.800 Euro.
91<br />
Benefizkonzert zu Gunsten der Hochwasser-Opfer 2002<br />
Mitten in die Planungen für das traditionelle Benefizkonzert des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau im<br />
Herbst und die Überlegungen über den möglichen Empfänger platzten die Fernsehbilder<br />
der Flutkatastrophe in Ostdeutschland. „Damit war für uns klar, wem der Erlös unseres<br />
diesjährigen Benefizkonzertes zukommen soll“, berichtete Vereinschef Manfred Hipp gegenüber<br />
der Presse. Und welcher Tag wäre dafür besser geeignet gewesen als der Feiertag<br />
der Deutschen Einheit am 3. Oktober. Die Rheinauer nahmen diese Symbolik an,<br />
zeigten sich bereit, aktiv zu helfen, strömten an jenem Tag zum Benefizkonzert in die<br />
Versöhnungskirche. Die 435 Karten zu je acht Euro waren verkauft, noch an die Abendkasse<br />
kamen so viele, dass die Kirchenbänke nicht ausreichten und Stühle herbeigeschafft<br />
werden mussten. Das Publikum wiederum erlebte einen Kunstgenuss nicht nur<br />
von Seiten der Rheinauer Sänger, sondern auch vom St. Petersburger Vocal-Ensemble<br />
Lyra. Lucia Lewczuk hatte die Gesamtleitung des Konzerts und ein wunderschönes Programm<br />
zusammengestellt, in dem auch ihre Tochter und ihre beiden Söhne mitwirkten.<br />
Dank dieses Konzerts waren knapp 3.000 Euro in der Kasse, doch das war noch keineswegs<br />
die endgültige Summe. Mehrere Einzelspenden, unter anderem des Ehrenvorsitzenden<br />
Helmut Schmitt, kamen hinzu, und auch der <strong>MGV</strong> rundete die Summe noch einmal<br />
aus der Vereinskasse ab, so dass am Ende stolze 3.800 Euro zusammen gekommen waren.<br />
Einige Zeit später übergab Vorsitzender Manfred Hipp in einem Sonntagsgottesdienst<br />
in der Versöhnungskirche, der vom Männer- und dem Frauenchor unter Leitung<br />
von Lucia Lewczuk umrahmt wurde, den symbolisch übergroßen Spendenscheck an<br />
Pfarrer Markus Wittig, der das Geld auf seinen Kanälen an den evangelischen Kindergarten<br />
in Döbeln bei Riesa weiterleitete. Nun sollte das Geld aus Rheinau helfen, dass alles<br />
wieder so schön wird wie es war. „Ihr Konzert sorgte für einen Kunstgenuss, brachte aber<br />
auch Hilfe für Menschen“, dankte Pfarrer Wittig dem Verein: „So war es denn ein doppelter<br />
Grund zur Freude.“<br />
Regelmäßige Aktivitäten<br />
Beim Thema karitatives und bürgerschaftliches Engagement des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau<br />
sind aber auch die jährlichen unentgeltlichen Auftritte seiner Chöre zu nennen: Als Beispiel<br />
zu nennen sind hier die Auftritte beim Sommerfest der Lebenshilfe für Menschen<br />
mit geistiger Behinderung in deren Wohnhaus Stengelhof, in der Adventszeit im Maria-<br />
Scherer-Seniorenzentrum im Casterfeld und seit 27 <strong>Jahre</strong>n auf dem Weihnachtsmarkt<br />
der BASF-Siedlergemeinschaft Rheinau-Süd.<br />
Zu nennen ist aber auch die musikalische Umrahmung der Gedenkveranstaltung des<br />
Gemeinnützigen Vereins Rheinau zum Volkstrauertag der Bundesrepublik Deutschland<br />
auf dem Waldfriedhof Rheinau, zu dem die Männerchöre des <strong>MGV</strong> 1896, des Liederkranz<br />
1897 und des Frohsinn Hochstätt-Pfingstberg in Form der Chorgemeinschaft<br />
Rheinau auftreten und deren Dirigenten sich in der Leitung dieses Auftritts ablösen.<br />
Nicht selten vermochte der <strong>MGV</strong> 1896 dabei, eindruvcksvolle eigene Akzente zu setzen.<br />
So etwa im Jahr 2001, als Dirigentin Lucia Lewczuk als Reaktion auf den Terroranschlag<br />
gegen das World-Trade-Center zwei Monate zuvor einen Friedensappell in den Gesangsauftritt<br />
der Sänger einbaute.
92<br />
Musikalische Umrahmung der Stadtteilfest-Eröffnung durch den <strong>MGV</strong>.<br />
Hier 2008 mit (v. r.) Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, dem baden-württembergischen Finanzminister Gerhard<br />
Stratthaus und dem Vorsitzenden des Gemeinnützigen Vereins, Konstantin Groß. Gerade erfolgt der Salut durch die<br />
Schützen.<br />
Musikalische Umrahmung des Neujahrsempfangs durch den <strong>MGV</strong>.<br />
Prominentester Zuhörer der Sängerinnen und Sänger war im <strong>Jahre</strong> 2012 der ehemalige SPD-Vorsitzende und frühere<br />
Vize-Kanzler Franz Müntefering (l.), hier neben dem Vorsitzenden des Gemeinnützigen Vereins, Konstantin Groß (M.),<br />
und dessen Nachfolger Arthur Vogt.
93<br />
Musikalische Botschafter der Rheinau<br />
Immer wieder wirkten die beiden Chöre des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau als musikalische Botschafter<br />
Rheinaus. Obgleich es im Stadtteil ja mehrere Gesangvereine gibt, so waren<br />
und sind es dennoch zumeist vor allem die Sängerinnen und Sänger des <strong>MGV</strong> 1896, die<br />
festliche Anlässe im Vorort selbst musikalisch umrahmten oder außerhalb des Stadtteils<br />
als musikalische Botschafter Rheinaus wirkten.<br />
Umrahmung wichtiger Veranstaltungen<br />
Seit vielen <strong>Jahre</strong>n umrahmen die Chöre des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau alle wichtigen, im <strong>Jahre</strong>sablauf<br />
regelmäßig wiederkehrenden Veranstaltungen im Stadtteil, so vor allem den<br />
Großen Rheinauer Neujahrsempfang des Gemeinnützigen Vereins Rheinau im Januar,<br />
das Kleine Rheinauer Maibaumfest im Frühjahr und das Große Rheinauer Stadtteilfest im<br />
Juli. Die Chöre des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau traten auch bei der Einweihung des Drais-Denkmals<br />
auf dem Karlsplatz sowie mehrere Male bei den jährlichen Feierlichkeiten zur Erinnerung<br />
an diese am 12. Juni 1817 erfolgte epochale erste Zweirad-Ausfahrt auf.<br />
Überhaupt ist es zumeist der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, der dabei ist, wenn es gilt, ein bedeutendes<br />
Ereignis im Stadtteil musikalisch zu umrahmen. Stellvertretend genannt<br />
seien hier der Festakt zum 75. Jubiläum der Eingemeindung Rheinaus nach Mannheim<br />
am 12. März 1988 im „Gärtnertreff“, bei der Oberbürgermeister Gerhard Widder die<br />
Festrede hielt, sowie das Jubiläumsfest ,,75 <strong>Jahre</strong> Pfingstberg-Siedlung“ im Juli 1997 im<br />
Hof der Pfingstberg-Schule, die Gedenkveranstaltung zum 100. Gründungstags des<br />
Waldfriedhofes Rheinau im <strong>Jahre</strong> 2001 und die Einweihung des Erweiterungsbaus der<br />
Trauerhalle im März 2016.<br />
Hinzu traten unzählige Auftritte, mit denen die Chöre des <strong>MGV</strong> 1896 Festveranstaltungen<br />
Rheinauer Vereine umrahmten. Zu nennen sind hier stellvertretend das 40- und<br />
das 50-jährige Jubiläum des Sportclubs Rot-Weiß Rheinau 1992 und 2002 im Festsaal<br />
des Großkraftwerkes Mannheim sowie das 50. Jubiläum der Wiedergründung des<br />
SPD-Ortsvereins Rheinau/Pfingstberg 1996 und das 100. Jubiläum seiner Entstehung im<br />
<strong>Jahre</strong> 2002.<br />
Dabei ist der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau keineswegs auf eine Partei festgelegt. So sang er<br />
auch am 6. September 2002 im „Gärtnertreff“ auf der Abschlusskundgebung des CDU-<br />
Ortsverbandes Rheinau/Pfingstberg zur Bundestagswahl vor seinem bislang prominentesten<br />
Zuhörer, dem Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel.<br />
Von den Liedvorträgen war der Landesvater derart beeindruckt, dass der Verein knapp<br />
eine Woche später einen Brief aus dem Staatsministerium erhielt, in dem sich der Ministerpräsident<br />
persönlich für den Auftritt bedankte. Damit habe der <strong>MGV</strong> ihm eine große<br />
Freude gemacht, schrieb der Ministerpräsident : „Ihre Gesangsbeiträge trugen ganz wesentlich<br />
zu der guten Stimmung an diesem Nachmittag bei. Ich habe mich … in Ihrem Kreise<br />
außerordentlich wohl gefühlt.“
94<br />
Auftritt des <strong>MGV</strong> auf dem Mannheimer Weihnachtsmarkt am Wasserturm.<br />
Auftritt des <strong>MGV</strong> auf der Seebühne des Mannheimer Luisenparks.
95<br />
Am 19. November 1992 fand die Jubilarfeier des Kurpfälzer Sängerkreises im Nachbarschaftshaus<br />
Rheinau statt. 80 Sängerinnen und Sänger wurden geehrt, aus dem<br />
<strong>MGV</strong> 1896 Rheinau Franz Bumann und Sophie Huber für 40 <strong>Jahre</strong> sowie Walter Lill, Fritz<br />
Häfner und Anna Grunert für 25 <strong>Jahre</strong>. Die beiden Chöre umrahmten die Feier mit den<br />
Titeln „Lied an die Freude“, „Zwei Tugendwege“, „Hoffnung ist Leben“, „Die Ehre Gottes<br />
aus der Natur“, „O, Herr, welch ein Morgen“ und „Amen“. Zutreffend notierte<br />
Schriftführer Heinz Hanel in die Vereinschronik: „Für unseren Verein war dieser Auftritt vor<br />
einer Fülle von abgeordneten Vereinsvorständen ein weiterer Erfolg in Sachen Werbung für<br />
die beiden <strong>MGV</strong>-Chöre.“<br />
Auswärtige Auftritte<br />
So wie der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau vor Gästen im Stadtteil singt, so vertritt er auch die Rheinau<br />
nach außen. Als der Kurpfälzer Sängerkreis Mannheim 1987 im Musensaal des Rosengartens<br />
aus Anlass des 125-jährigen Bestehens des Badischen Sängerbundes ein Konzert<br />
mit Gemischten und Frauen-Chören, da nahm der <strong>MGV</strong> 1896 mit seinem Frauenchor daran<br />
teil, unter anderem mit dem temperamentvollen ,Amore, bella Italia“ von Robert<br />
Pappert.<br />
Zu einem für die Vereinsgeschichte bedeutenden Auftritt kam es am 25. Februar 1994.<br />
Nach nahezu zehnjähriger Diskussion wurde an jenem Tag in Anwesenheit von Ministerpräsident<br />
Erwin Teufel der Bundesliga-taugliche Umbau des Rhein-Neckar-Stadions eingeweiht,<br />
das fortan Carl-Benz-Stadion hieß.<br />
Gegen 18.45 Uhr betraten die 50 Rheinauer Sängerinnen und Sänger zusammen mit<br />
1.400 Aktiven anderer Gesangvereine die Arena; unter Leitung von Volker Schneider<br />
und Dietrich Edinger stimmten sie die Titelmelodie der ARD-Sendung „Tausend Stimmen“<br />
an. Danach erlosch das Licht, 27.000 Wunderkerzen erstrahlten. Im Spot eines<br />
Lichtkegels schmetterte Joy Fleming ihren Hit „Feuer und Flamme“ und intonierte mit<br />
den 1.400 Sängern „Dann wird die Welt zum Klang“. Danach nahmen die Rheinauer auf<br />
der Tribüne Platz, verfolgten das Eröffnungsspiel des SV Waldhof Mannheim gegen<br />
Hertha BSC Berlin, das übrigens mit dem salomonischen Ergebnis von 2:2 endete. Für<br />
die Rheinauer Sängerinnen und Sänger war die Teilnahme an diesem für Mannheim bedeutenden<br />
Ereignis ein unvergessliches Erlebnis.<br />
Auftritte in Rundfunk und Fernsehen<br />
Seinen ersten Rundfunk-Auftritt hatte der damalige Männerchor unter Leitung von Lucia<br />
Lewczuk beim Hafenkonzert des Süddeutschen Rundfunks im Rheinauer Hafen am 14. Juli<br />
1984. Zwischen sechs und acht Uhr in der Frühe musizierte neben dem Blasorchester des<br />
Musikvereins unter Leitung von Fritz Senn und dem Handharmonikaverein Rheinklang<br />
unter Leitung von Gerd Stiefenhöfer eben auch der Männergesangverein 1896 Rheinau.<br />
Die von ihm gesungenen Titel – „Tag des Herrn“, „Hoch das Bad’ner Lied“ oder die<br />
„Letzte Rose“ – verbreitete der Südfunk live über sein erstes Programm im ganzen Land.
96<br />
Lob und Anerkennung von höchster Stelle.<br />
Dankesschreiben von Ministerpräsident Erwin Teufel für den Auftritt des <strong>MGV</strong> 1896 bei dessen Besuch auf der Rheinau<br />
im Jahr 2002.
97<br />
Neben dem eigentlichen Ereignis der Radio-Livesendung wird allen, die dabei waren,<br />
der prasselnde Regen in Erinnerung bleiben, vor dem nur das große Zelt Schutz bot. Einer<br />
der Interviewpartner, die von den Südfunk-Moderatoren Marlene Buhleier und Jürgen<br />
Hoppe an jenem Morgen befragt wurden, war Theo Geißler, genannt Klepperle, Wirt<br />
der Gaststätte „Zum Neuen Rheinauhafen“ und aktiver Sänger im <strong>MGV</strong>. Als Hoppe in einer<br />
Frage von „Kneipen“ sprach, wies Geißler ihn charmant zurecht: „Auf der Rheinau<br />
gibt es keine Kneipen, sondern nur gute Lokale“ – eine gute Darstellung Rheinaus.<br />
Am 28. Oktober 1992 erlebten die Sängerinnen und Sänger unter Leitung von Lucia<br />
Lewczuk ihren ersten Fernsehauftritt. So waren die Rheinauer Sänger zu Gast im „Rhein-<br />
Neckar-Fernsehen“, dem regionalen Partner des Privatsenders RTL, das zu jeder Sendung<br />
Vereine, Gruppen oder Einrichtungen aus der Region als Zuschauer in sein Studio<br />
in der Dudenstraße einlädt. Die leutseligen Sänger fanden schnell und unkompliziert<br />
Kontakt zu den Männern vom Fernsehen; Moderator Norbert Lang war bereits nach<br />
kurzer Zeit nur noch der „Nobbi“.<br />
Um 16.30 Uhr jenes Nachmittags betraten die 60 Aktiven das Sendezentrum des<br />
Rhein-Neckar-Fernsehens in der Dudenstraße. Um 17 Uhr fand im Studio eine kurze<br />
Stell- und Chorprobe statt. Danach hatten die Aktiven Zeit, sich in der Kantine zu stärken.<br />
Der zweite Gang ins Studio um 17.45 Uhr führte dann bereits direkt zum Auftritt.<br />
Dort hieß es nun, eine dreiviertel Stunde lang konzentriert auf dem Podest auszuharren.<br />
Nach Werbung und Nachrichten erfolgte ein erster Gesang mit dem „Lied an die Freude“<br />
von Beethoven. Gegen Ende der Sendung folgte als zweites Stück „Die Glocken der<br />
Heimat“ von Robert Pappert. Im Protokollbuch des Vereins hieß es dazu treffend: „Die<br />
Sängerinnen und Sänger traten die Heimreise zu unserem Vereinslokal in der Gewissheit an,<br />
dass dieser Auftritt eine großartige Werbung für unsere beiden Chöre und den gesamten Verein<br />
war.“<br />
„Sängerausflug in den Westerwald.“<br />
Die Ausflüge des <strong>MGV</strong>, hier 1952 nach Obertreis, waren immer auch Werbung für die Rheinau.
98<br />
Treffpunkt Marktplatz Rheinau.<br />
Ausgangspunkt nahezu jeder Busreise der Rheinauer Sänger in den fünfziger und sechziger <strong>Jahre</strong>n.<br />
Marschieren durch den Ort.<br />
Ritual bei jeder Teilnahme an einem auswärtigen Sängerfest in den fünfziger und sechziger <strong>Jahre</strong>n.
99<br />
Sängerausflüge und Konzertreisen<br />
Gemeinsam unterwegs<br />
Ausflüge und Konzertreisen sind von jeher ein Kernstück der Aktivitäten eines jeden Gesangvereins,<br />
so auch des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau. Gemeinsame Unternehmungen, Erlebnisse<br />
und Feierlichkeiten gehören zu den schönsten Erinnerungen ganzer Generationen<br />
Rheinauer Sänger und ihrer Partner. Erst recht aus einer Zeit, als Verreisen auf Grund der<br />
damals noch damit verbundenen hohen Kosten für die meisten Menschen noch nicht<br />
selbstverständlich war und daher schon von daher etwas ganz Besonderes darstellte.<br />
In den ersten Jahrzehnten des Bestehens des Vereins waren die Ziele noch sehr bescheiden.<br />
Weinproben in der Pfalz und Wandern an der Bergstraße bildeten da schon<br />
die ambitionierteren Bestandteile des Reiseprogramms. Der Besuch von Sängerfesten<br />
jenseits der Stadtgrenzen in der Umgebung stellte ein abwechslungsreiches Erlebnis dar,<br />
für das auch ein kilometerlanger Fußmarsch ohne Murren in Kauf genommen wurde.<br />
Denn für Eisenbahn-Fahrkarten hatte man kein Geld, und ein Fahrrad war zu jener Zeit<br />
ein Luxus.<br />
Manch große Liebe begann bei den damals sehr beliebten Familienausflügen mit der<br />
Reichsbahn in die nähere Umgebung, bei denen man den strengen Blicken der Bewacher,<br />
die genüsslich beim Viertele Wein oder Stein Bier saßen, für kurze glückliche Augenblicke<br />
entwischen konnte, um damals schweren Sünden wie Händchenhalten oder Küssen zu<br />
frönen. Manche Sängerhochzeit kam dadurch zustande und machte den Verein im<br />
wahrsten Sinne des Wortes zu einer großen Familie.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der selbst diese Vergnügungen unmöglich waren,<br />
knüpfte die nach einfachen Freuden hungernde Generation an diese alten Traditionen<br />
an. Wer die große Bedeutung der Sängerausflüge und Konzertreisen für das Bewusstsein<br />
des einzelnen Vereinsmitgliedes nachvollziehen will, der muss sich in die damalige Zeit<br />
zurückversetzen. Bei den Teilnehmern der Ausflüge der vierziger und fünfziger <strong>Jahre</strong><br />
handelte es sich um eine Generation, die ihre eigene Heimat vor allem als Trümmerlandschaft<br />
und fremde Länder höchstens als Besatzungssoldat kennengelernt hatte. Zu ausgedehntem<br />
Verreisen fehlte den meisten in der unmittelbaren Nachkriegszeit das Geld.<br />
Die Zeit des Massentourismus, die in den sechziger <strong>Jahre</strong>n mit dem Drang zum „Teutonengrill“<br />
nach Italien oder später nach Mallorca erst begann und heute nahezu jedem<br />
Durchschnittsverdiener eine Reise selbst in die Karibik ermöglicht, lag noch in weiter<br />
Ferne. Die Sängerreisen der Nachkriegszeit bildeten für viele oft die einzige Gelegenheit,<br />
zu reisen, fernab der eigenen vier Wände Unterhaltung zu genießen, und das auch noch<br />
gemeinsam mit Gleichgesinnten.
100<br />
Ein Ausflugs-Erlebnis, von dem im Verein noch lange erzählt wird.<br />
Auf der Rückfahrt von Differten 1956 verliert der Sänger Willi Weber (r.) beim Herauslehnen aus dem Zugfenster seine<br />
Zahnprothese. Sein Vereinskamerad Leo Maß fängt sie auf, ebenso geistesgegenwärtig bedient Helmut Schmitt den<br />
Auslöser seines Fotoapparates und hält die Szene für die Nachwelt fest.
101<br />
Erste Ausflüge der Nachkriegszeit<br />
Ihren ersten Familienausflug nach Wiedergründung des Vereins machten die Sänger mit<br />
zwei Lastwagen mit Holzvergaser-Antrieb, die Lino Facco und Kurt Buster zur Verfügung<br />
gestellt hatten. Auf den Holzbänken der Ladefläche musste das erforderliche Brennmaterial<br />
mitgeführt werden. Wie strahlten die Gesichter der Sänger, als die Reise nach<br />
Odenheim im Kraichgau ging und sie dort mit Erbsensuppe und Bockwurst verpflegt<br />
wurden? Lange noch schwelgten jene, die dabei waren, in ihren Erinnerungen von den<br />
Erlebnissen und Anekdoten.<br />
Der erste große Sängerausflug nach dem Kriege führte im August 1952 für drei Tage<br />
nach Obertreis im Westerwald. Dirigent Erich Bender hatte dort während des Krieges<br />
Dienst getan und seine Frau kennengelernt. 56 Sänger gingen damals von der Gaststätte<br />
„Rheinauhafen“ aus auf große Fahrt – mit einem Vorkriegsmodell eines Magirus-Deutz-<br />
Reisebusses.<br />
Die erste große Konzertreise ging 1956 nach Differten im damals noch französisch<br />
verwalteten Saargebiet. Sänger Karl Schweizer, dessen Verwandte dort lebten, hatte<br />
Kontakt geknüpft zum dortigen Bergwerkschor. Die meisten der dortigen Sänger waren<br />
Bergleute der Grube Luisental, die sechs Jahr später durch ein großes Grubenunglück<br />
tragische Berühmtheit erlangen sollte, bei dem 299 Kumpel zu Tode kamen.<br />
Während der Heimreise der Sänger kam es zu einer Begebenheit, von der Teilnehmer<br />
noch lange erzählten. Auf der Rückfahrt mit dem Zug war dem Sänger Willi Weber übel<br />
geworden; er lehnte sich aus dem Fenster, verlor dabei aber seine Gebissprothese; geistesgegenwärtig<br />
wurde sie von Sänger Leo Maß, der ebenfalls aus dem Fenster geschaut hatte,<br />
aufgefangen. Ebenso geistesgegenwärtig bediente Helmut Schmitt den Auslöser seines<br />
Fotoapparates und überlieferte der Nachwelt damit das kuriose Bild dieses Vorfalls.<br />
Die Ziele werden weiter<br />
Ein Ausflug, an den sich viele Sänger ebenfalls noch lange erinnerten, war jener im <strong>Jahre</strong><br />
1960 nach Hirschhorn am Neckar. Schirmherr des dortigen Wertungssingens war Adenauers<br />
damaliger Bundesaußenminister Heinrich von Brentano, der aus dieser Gegend<br />
stammte. Von dieser Reise gab es gleich zwei besondere Begebenheiten zu berichten.<br />
Zum einen hatten sich die Sänger Helmut Schmitt und Walter Morath kurzerhand in die<br />
Kutsche gesetzt, die für den Schirmherrn vorgesehen war, sich darin chauffieren und<br />
mit dem Zylinder des Ministers fotografieren lassen. Zum zweiten hatten die Rheinauer<br />
das Wertungssingen zwar gewonnen, wurden aber nicht als Sieger geehrt; durch einen<br />
Trick schusterten die Veranstalter den ersten Platz dem örtlichen Gesangverein zu. Ob<br />
dieser Manipulation entzündete sich unter den örtlichen Sängern eine heftige Rauferei,<br />
der die Rheinauer Gäste gelassen zusahen.<br />
Erwähnenswert war auch der Sängerausflug 1963 nach Bodersweier bei Kehl. Die<br />
Verbindung entstand durch den Sänger Michael Ehrhard, der aus dieser Gegend<br />
stammte. Von Bodersweier aus unternahmen die Sänger einen Abstecher nach Straßburg,
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wo sie das Münster besichtigten, vor allem aber das Gasthaus der Cousine des Vizedirigenten<br />
Gustl Stöckler …<br />
Der Sängerausflug des <strong>Jahre</strong>s 1971 führte die Rheinauer nach Roßhaupten bei Füssen<br />
im Allgäu; einige Sänger hatten hier bereits zuvor privat Urlaub gemacht und den Ort<br />
daher als Ziel für den Jubiläumsausflug vorgeschlagen. Bereits der erste Tag mit seinem<br />
Heimatabend vermittelte den Besuchern unterhaltsame Einblicke in Brauchtum und<br />
Braukunst der Gastgeber. Den Höhepunkt bildete jedoch die Besichtigung von König<br />
Ludwigs Schloss Neuschwanstein – H ö h e punkt auch im ganz wörtlichen Sinne, blieb<br />
der ausgesprochen steile Zugangsweg den Rheinauern doch ebenso unvergesslich wie<br />
der Vortrag des Liedes „Sanctus" aus der Deutschen Messe im Sängersaal des Schlosses.<br />
Den Abschluss des dreitägigen Aufenthalts bildete ein Platzkonzert auf dem Marktplatz<br />
von Roßhaupten, ein Empfang durch den Bürgermeister sowie ein gemeinsames Konzert<br />
mit dem örtlichen Musik- und Gesangverein.<br />
In dem Maße jedoch, wie Urlaub kostengünstiger und einfacher wurden, mussten<br />
auch die Reiseziele des Vereins, um attraktiv bleiben zu können, immer „exotischer“<br />
werden. Schon frühzeitig überschritt der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau daher die Landesgrenzen.<br />
Die Teilnahme im Rahmen einer zahlenmäßig umfangreichen Chorgemeinschaft ermöglichte<br />
dabei kostengünstige und dennoch niveauvoll-attraktive Angebote.<br />
Jugoslawien 1988<br />
An Pfingsten 1988 unternahm der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau unter Leitung seiner Dirigentin<br />
Lucia Lewczuk die erste Auslandskonzertreise seiner Geschichte. Sie dauerte eine Woche<br />
und führte nach Jugoslawien. Neben den Rheinauern nahmen auch Aktive der Chorgemeinschaft<br />
Ruchheim teil, insgesamt 143 Teilnehmer. Die Fahrt erfolgte in drei großen<br />
Reisebussen und begann an jenem Pfingstsamstag um 6 Uhr früh auf dem Rheinauer<br />
Marktplatz. Nach einer Zwischenstation mit Übernachtung ging es am Morgen des<br />
zweiten Tages bereits um 8 Uhr früh an den Ziel-Ort: nach Novi-Vinodolski mit der Hotelanlage<br />
„Zagori", in der sich die Teilnehmer zunächst einmal von der Strapaze der Reise<br />
erholen konnten.<br />
Am dritten Tag der Reise konnten die Sänger endlich länger schlafen, denn das Frühstück<br />
war erst für neun Uhr angesetzt, aber zeitlich knapp bemessen. Denn um 10 Uhr<br />
bereits begann die Fahrt zur nahe gelegenen Insel Krk, in deren Hauptstadt die Teilnehmer<br />
die Kathedrale besichtigten. Danach ging es zur kleinen Insel Koschlun, die nur von<br />
sechs Franziskaner-Mönchen bewohnt wird, die im dortigen Kloster aus dem 12. Jahrhundert<br />
leben. Ansonsten ist die Insel unbewohnt und nur mit kleinen Taxibooten zu erreichen.<br />
„Diese Boots-Hin- und Herfahrt war natürlich eine Gaudi“, formulierte Chronist<br />
Heinz Hanel vieldeutig. In der Klosterkirche sang der Männerchor „Santa Maria“, Pianistin<br />
Ulrike Frey spielte an der Orgel.<br />
Nach Rückkehr und Abendessen folgte der musikalische Höhepunkt dieses Tages: der<br />
Konzertauftritt auf der brechend voll besetzten Terrasse der Hotelanlage. Die monatelangen<br />
Proben unter Leitung von Lucia Lewczuk sollten ihre Früchte tragen. Die Chöre
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brachten ihr gesamtes Repertoire, begleitet von Jutta Reisinger vom Nationaltheater<br />
Mannheim und der Pianistin UIrike Frey. Dass dies ein großer Erfolg war, spürte man sofort<br />
am Beifall und den Minen des Publikums.<br />
Am vierten Tag ging der ganze Tross auf große Fahrt. Vom Quartier in Zagori führte<br />
der Weg die Adriaküste entlang nach Pula. Nach Besichtigung des Amphitheaters und<br />
der Altstadt stand am Abend ein gemeinsames Konzert mit dem italienischen Chor „Lino<br />
Mariane“ im Italienischen Kulturzentrum der Stadt an. Auch dieser Auftritt wurde ein Erfolg<br />
und mit viel Beifall bedacht – der angemessene Augenblick für den Vereinsvorsitzenden<br />
Helmut Schmitt, dem Organisationstrio Diana Eisele, Dieter Schmidt und Manfred<br />
Hipp für ihre Mühe mit einem Buchgeschenk zu danken.<br />
Noch in der Nacht fuhren die Aktiven in ihr Hotel „Zagori“ zurück, in dem sie um 3 Uhr<br />
morgens erschöpft eintrafen. Kein Wunder, dass am Morgen darauf nicht alle Teilnehmer<br />
dabei waren, als die Busse zu den Plitzwitzer Seen fuhren, die mit ihren Wasserfällen<br />
eine der schönsten Nationalparks Europas darstellen. Mit einem Folkloreabend klang<br />
dieser Tag aus und wurde zu vorgerückter Stunde mit den Gute-Nacht-Grüßen „Lied an<br />
die Freude“ und „Auf Wiedersehen“ musikalisch beendet.<br />
Der sechste Tag brachte bereits die Heimreise, die über Rijeka nach Postoina zur berühmten<br />
Grotte führte, deren Besichtigung ein letztes eindrucksvolles Erlebnis darstellte.<br />
Nach einer Übernachtung in Villach ging es am siebten Tage nach Rheinau, auf dessen<br />
Marktplatz die Busse nach langer Fahrt am Abend eintrafen.<br />
Tschechoslowakei 1992<br />
Nach über einem halben Jahr Planung und Organisation durch Dieter Schmidt und<br />
Manfred Hipp brachen am Donnerstag, 4. Juni 1992, 5 Uhr, bei strömendem Regen vier<br />
Busse vom Marktplatz Rheinau in Richtung Tschechoslowakei auf. Es war die zweite Auslandskonzertreise<br />
des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau unter Leitung von Lucia Lewczuk. Neben den<br />
Rheinauern waren aber auch die Chorgemeinschaft 1975 Ruchheim und der Gesangverein<br />
1952 Neuhermsheim sowie Jutta Reisinger vom Nationaltheater Mannheim und<br />
die Pianistin Elke Völker dabei, insgesamt 190 Teilnehmer.<br />
Auf der A 6 ging es insgesamt acht Stunden lang über Nürnberg an die tschechoslowakische<br />
Grenze und von dort aus auf der Europastraße 50 über Pilsen nach Prag, wo ein<br />
Mittagessen auf dem Wenzelsplatz sowie eine Besichtigung der Altstadt und des Hradschin<br />
anstand. Bei dieser Stadtführung gingen allerdings, weil sie die richtige Straßenbahn<br />
verpassten, 14 Personen kurzzeitig verloren, die von Dieter Schmidt und Manfred<br />
Hipp wieder „eingefangen“ werden mussten. Fünf Mal musste der große Reisebus über<br />
die Karlsbrücke kreisen, bis alle wieder beisammen waren. Leider wurden bei dem unfreiwilligen<br />
Ausflug zwei Sängerinnen ihre Portemonnaies geklaut – eine Weltstadt ist<br />
eben nicht die Rheinau, und die Prager Taschendiebe sind legendär.<br />
Der zweite Tag führte die Gruppe nach Königgrätz in die Kathedrale „Heiliger Geist“.<br />
Nach der Besichtigung bat der Küster die Besucher, einige Lieder zu singen. So intonierten<br />
die Rheinauer das „Sancta“, die Ruchheimer und Neuhermsheimer „Heilig, heilig“ und
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„Großer Gott, wir loben Dich“ und alle Lucia-Chöre gemeinsam „Freude schöner Götterfunke“.<br />
Alle Anwesenden empfanden eine wahre Gänsehaut, und viele schämten sich<br />
ihrer Tränen der Rührung nicht. „Dieser spontane Gesang in der wunderschönen Kathedrale<br />
mit einer hervorragenden Akustik war ein Erlebnis, das allen wohl unvergesslich bleiben<br />
wird“, notierte Günter Friedrichs in sein Reiseprotokoll.<br />
Der Kathedrale folgte die Besichtigung der berühmten Krippe von Trebechovice. Sie<br />
ist eine der größten der Welt und Mitte des 19. Jahrhunderts in 40-jähriger Arbeit erbaut<br />
worden. Sie ist 7 m lang, 3 m breit, 2 m hoch und wiegt 3.000 Kilogramm. Sie enthält<br />
2.000 geschnitzte Gegenstände und Figuren. Der Abend brachte das erste Konzert dieser<br />
Reise, und zwar in Pardovice. Wegen der Parlamentswahlen wurde der Konzertsaal gebraucht,<br />
so wich man in die Musikschule aus. Nach dem Kinderchor der Stadt und dem<br />
Akademischen Chor mit seinen studierten Stimmen folgten die Lucia-Chöre, die sich<br />
auch im Vergleich zu diesen Gesangsprofis hören lassen konnten, zumal sie von den Solisten<br />
Jutta Reisinger vom Nationaltheater und Elke Völker am Klavier begleitet worden<br />
waren.<br />
Nach einer Besichtigung der Tropfsteinhöhlen von Macocha in 138 Metern Tiefe und<br />
einer Bootsfahrt auf den unterirdischen Seen des Flusses Punkva am dritten Tag folgte<br />
am vierten der musikalische Höhepunkt der Reise: die Umrahmung der Heiligen Messe<br />
in der Jakobuskirche von Brünn. Nach kurzer Einweisung durch den örtlichen Organisten<br />
beherrschte Elke Völker die große Orgel problemlos und virtuos zugleich, auch die<br />
Soli der Sopranistin Jutta Reisinger beeindruckten - und zwar so sehr, dass die Besucher<br />
mit für eine Kirche außergewöhnlich rauschendem Beifall applaudierten und der Pfarrer<br />
am Ende des Gottesdienstes den Akteuren mit bewegter Stimme in deutscher Sprache<br />
dankte und sie am Ausgang persönlich mit Handschlag verabschiedete.<br />
Das andere Ende des Tages sah einen gemeinsamen Liederabend mit dem Brünner<br />
Lumer-Chor, dessen auffallend junge Aktive beim Vortrag ihrer acht Lieder übrigens an<br />
allen vier Seiten des Saales Aufstellung nahmen. Ihnen folgten die Lucia-Chöre: als erstes<br />
gemeinsam mit „Freude schöner Götterfunke“, danach die Ruchheimer mit „Zur Feier“,<br />
die Rheinauer Sänger mit „Oh, Herr, welch ein Morgen“ sowie Walter Morath mit einem<br />
Solo. Beim obligatorischen Schlusslied „Dankeschön“ sprach Lucia Lewczuk in polnischer<br />
Sprache, die offensichtlich auch die Tschechen verstehen konnten, Worte des Dankes an<br />
die Veranstalter. Und als Referenz an ihre Gastgeber sangen die Rheinauer auch noch das<br />
tschechische Volkslied „Andulka“.<br />
Und schon ging es wieder nach Hause. Am Grenzübergang staute sich der Verkehr<br />
anderthalb Stunden. Dann hatte der Bus auf der Frankenhöhe auch noch eine Panne. Er<br />
drohte, sein Rad zu verlieren, weil drei Schrauben in die Brüche gegangen waren. Aus<br />
Kaiserslautern musste ein Ersatzbus herbei geschafft werden, so dass die letzten Rheinauer<br />
erst gegen 2.30 Uhr morgens ins Bett kamen. Trotzdem war es natürlich ein großes<br />
Erlebnis – noch schöner als Jugoslawien vier <strong>Jahre</strong> zuvor. Doch bei diesem Stichwort<br />
wurde mancher Sänger auch nachdenklich. Denn zum Zeitpunkt der Tschechoslowakei-<br />
Reise versanken die Stätten ihrer Jugoslawien-Reise wie der gesamte Balkan im Krieg.<br />
Auch die Tschechoslowakei litt unter einem Gegensatz von Nationalitäten, von Tschechen<br />
und Slowaken. Hoffentlich, so meinten die Rheinauer damals, gerät dieses schöne Land<br />
nicht auch ins Chaos – eine Hoffnung, die sich Gott sei Dank erfüllte.
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Dresden 1999<br />
Über <strong>120</strong> Sängerinnen und Sänger der Lucia-Chöre, bestehend aus dem Frauen- und dem<br />
Männerchor des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau sowie der Chorgemeinschaft Ruchheim und dem<br />
Gesangverein Neuhermsheim, unternahmen vom 21. bis 24. Mai 1999 eine Konzertreise<br />
nach Dresden.<br />
Den Auftakt bildete ein Auftritt im prächtigen Konzertsaal des historischen „Ball- und<br />
Brauhauses Watzke“, eine Besichtigung der Semper-Oper sowie eine Führung durch die<br />
Altstadt. Alle Teilnehmer waren beeindruckt von den historischen Bauwerken wie dem<br />
Zwinger, dem Taschenbergpalais, dem Fürstenzug, dem Schloss, dem Stallhof, der Kathedrale<br />
und natürlich der im Wiederaufbau befindlichen Frauenkirche.<br />
Ursprünglich war für den zweiten Tag ein Konzert mit einem Dresdner Chor in der Lukaskirche<br />
geplant. Dieser jedoch hatte den Auftritt kurzfristig abgesagt, so dass die Rheinauer<br />
als Ersatz ein Konzert jenseits der Grenze im tschechischen Usti mit einem dortigen<br />
Chor organisierten. Dieser Kammerchor Lusciania und seine Solistinnen waren professionelle<br />
Künstler. Und angesichts des Kinderchors mit 45 Fünf- bis Siebenjährigen konnten<br />
die Mannheimer nur erblassen. Aber auch die Lucia-Chöre boten auf der Bühne ein<br />
beachtliches Bild. In zwei Auftritten unter Leitung von Lucia Lewczuk, begleitet von ihren<br />
Kindern Adrian am Klavier, Raffael am Schlagzeug und an der Trompete sowie Patricia<br />
am Saxophon, intonierten die Rheinauer im ersten Teil des von Lucia Lewczuk wohl<br />
durchdachten Programms ihr klassisches und im zweiten ihr modemes Repertoire.<br />
Zunächst kamen die Werke der vielen unterschiedlichen Komponisten und der vier<br />
beteiligten Chöre zur Aufführung. Etwa, als der Gesangverein Neuhermsheim Schuberts<br />
„Abendrot“, die Chorgemeinschaft Ruchheim Beethovens „Güte Gottes“, der Rheinauer<br />
Männerchor die anrührende „Rose“ von Willi Trapp oder der Frauenchor Schuberts<br />
„Heiland“ intonierte. Im zweiten Teil folgte Modernes: Gospels und Spirituals. Wer kann<br />
da noch sagen, Gesangvereineverharrten im Traditionellen, wenn Peter Klug sein Solo<br />
im Spiritual „He’s the Lily of the Valley" bringt? Oder angesichts des Spirituals „Halleluja“,<br />
intoniert vom Frauen- und vom Männerchor des <strong>MGV</strong>, dem Ruchheimer Chor und Raffael<br />
Lewczuk am Schlagzeug.<br />
Den Höhepunkt setzten alle Chöre gemeinsam mit „Conquest of Paradise“ von Vangelis,<br />
jenem Hymnus, der durch Henry Maske so populär geworden war. Wer sich im<br />
Chorgesang auskennt, der weiß, wie schwer dieses Stück von einem Chor umzusetzen<br />
ist, doch die Lucia-Aktiven meisterten auch diese Anforderung. Zum Ende schließlich<br />
der Spiritual „Amen“. Als Gastgeschenk überreichte <strong>MGV</strong>-Chef Manfred Hipp dem Organisator<br />
Professor Vlastimil Kobrle eine gravierte Uhr. Hipps Stellvertreter Günter Friedrichs<br />
übergab darüber hinaus dem Kirchenchor eine Spende von 500 Mark, die kurz zuvor<br />
bei einer spontanen Sammlung unter den Sängerinnen und Sängern zusammen gekommen<br />
war.<br />
Der dritte Tag führte die Besucher nach Lübben im Spreewald, wo sie vom Verein<br />
„Flottes Rudel“ zu einer Spreefahrt erwartet wurden. Drei Stunden lang staken die Geschichten<br />
erzählenden Fährleute die Boote auf idyllischen Wasserwegen durch diese romantische<br />
Landschaft. Ein gemütlicher Abschlussabend mit musikalischen Einlagen der<br />
Lewczuk-Sisters beendete diesen wunderschönen Tag. Am nächsten Morgen ging es
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bereits zurück nach Rheinau, nicht ohne einen Abstecher auf der Wartburg, auf der bekanntlich<br />
einst Martin Luther das Neue Testament ins Deutsche übersetzt hatte.<br />
Noch unter dem Eindruck dieser Konzertreise überlegte der Vorstand unter Leitung<br />
von Manfred Hipp: Warum dieses anspruchsvolle und erfolgreiche Repertoire nur einmal<br />
zu Gehör bringen und nicht zu Hause wiederholen? So organisierte der Verein für<br />
den 19. Juni des gleichen <strong>Jahre</strong>s ein Kirchenkonzert auf der Rheinau. Als Ort wählte er die<br />
architektonisch außergewöhnliche Kirche St. Theresia vom Kinde Jesu auf dem Pfingstberg.<br />
Hier kamen die Werke der vielen unterschiedlichen Komponisten und der vier beteiligten<br />
Chöre am besten zur Geltung. Eindrucksvoll, ja in alle Glieder fahrend, geriet<br />
darüber hinaus das Orgelspiel von Pia Kröper, der Organistin von St. Theresia. Den Erlös<br />
der Eintrittsgelder stellten die Chöre einer guten Sache zur Verfügung: der Jugendarbeit<br />
der katholischen Kirchengemeinde – Fortsetzung des schon traditionellen karitativen<br />
Engagements des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau.<br />
Rom 2006<br />
Sowohl der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau als auch der Männergesangverein 1886 Lindenhof feierten<br />
im <strong>Jahre</strong> 2006 Geburtstag. Und da beide unter der Leitung von Lucia Lewczuk standen,<br />
gönnten sie sich gemeinsam ein besonderes Geburtstagsgeschenk: eine einwöchige<br />
Konzertreise nach Rom mit dem Höhepunkt eines Auftritts im Petersdom.<br />
Es war eine gigantische sängerische Streitmacht, die sich in die Heilige Stadt aufmachte.<br />
Insgesamt 79 Teilnehmer, davon 52 aktive Sängerinnen und Sänger aus den Jubiläumsvereinen<br />
Rheinau und Lindenhof, ergänzt durch Aktive des Gesangvereins Mannheim-<br />
Neuhermsheim und Maxdorf (Pfalz), die ebenfalls von Lucia Lewczuk dirigiert wurden.<br />
<strong>MGV</strong>-Ehrenmitglied Dieter Schmidt hatte, wie es seine Art ist, professionell ein attraktives<br />
Programm ausgearbeitet. Unmittelbar nach ihrer Ankunft begaben sich die Gäste<br />
auf eine Stadtrundfahrt. Sarah Schäfer vom Reisebüro Borgmann, das den Aufenthalt<br />
abwickelte, und die örtliche Reiseleiterin Anna Monti erläuterten all die Sehenswürdigkeiten,<br />
die man als Rom-Reisender einfach sehen muss: allen voran das Kolloseum, den<br />
Trevi-Brunnen und die spanische Treppe. Dass dem stellvertretenden Vereinsvorsitzenden<br />
Achim Uhrig dabei die Geldbörse geklaut wurde, gehörte irgendwie zu den Erlebnissen<br />
eines Italien-Aufenthaltes dazu. Die berühmten Kirchen St. Paul vor den Mauern, Santa<br />
Maria Maggiore, Santa Maria degli Angeli und San Giovanni nahmen die Sänger jedoch<br />
nicht nur in Augenschein: Hier hinterließen die Lucia-Chöre auch ihre musikalische Visitenkarte,<br />
belohnt durch begeisterten Applaus der Kirchenbesucher und Touristen.<br />
Eine erste Bewährungsprobe bildete das gemeinsame Konzert der Lucia-Chöre mit<br />
dem preisgekrönten, jungen italienischen Chor Eos in der Kirche Chiesa Santa Monica in<br />
der alten Hafenstadt Ostia unter dem Motto „Voci senza frontiere“ (Stimmen ohne<br />
Grenzen). Doch hier konnten die Aktiven beweisen, was sie in Dutzenden von Singstunden<br />
bei ihrer Dirigentin gelernt hatten. Vor allem jene Stück, die die Mannheimer in lateinischer<br />
Sprache vortrugen, begeisterten naturgemäß die Besucher. Adrian Lewczuk,<br />
der Sohn der Dirigentin, begleitete den Chor an der Orgel und führte in perfektem Italienisch<br />
durch das Programm.
107<br />
Danach hatten die Aktiven eine Ruhepause verdient. Ein Ausflug in die Albaner Berge<br />
sorgte für Abwechslung. Mit ihm Programm: die päpstliche Sommerresidenz Castel<br />
Gandolfo und die ehemalige päpstliche Gästevilla Tivoli. Den geselligen Abschluss bildete<br />
das Weingut des Grafen Moncada di Paterni, ein Familienbesitz aus dem 15. Jahrhundert.<br />
Der Graf selbst erläuterte den Kurpfälzern seinen biologischen Weinbau, seine Olivenbäume<br />
und seine Schweinezucht. Es wurde gesungen, gegessen und getrunken, und<br />
von der weinseligen Atmosphäre mag zeugen, dass Lucia Lewczuk am Ende mit dem<br />
Grafen persönlich das Tanzbein schwang.<br />
Am Sonntag folgte die Heilige Messe mit dem Papst. Die Kurpfälzer waren unter jenen<br />
250.000 Menschen auf dem Petersplatz, die Benedikt XVI. zujubelten. Doch sie waren<br />
unter den wenigen, die einen Platz ganz in der Nähe des Heiligen Vaters ergattern konnten.<br />
Am Nachmittag waren die Mannheimer sogar nicht nur Zuschauer, sondern Akteure:<br />
Im Petersdom umrahmten sie eine Messe vor mehr als 10.000 Besuchern – so ein großes<br />
Auditorium hatten die <strong>MGV</strong>’ler in der bis dahin 110-jährigen Geschichte ihres Vereins<br />
wahrlich noch nie. Adrian Lewczuk durfte die Orgel bedienen. Der Geistliche, der den<br />
Gottesdienst leitete, begrüßte den jungen Organisten und die Chöre namentlich, und<br />
nach Nennung dieser Namen ertönte ein rauschender Beifall aus 20.000 Handflächen.<br />
Gemeinsamer Auftritt auswärts.<br />
So prachtvolle Bilder wie hier bei einem Konzert am Lago Maggiore 2004 gab es oft auf den Konzert- und Auslandsreisen<br />
des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau mit den anderen Chören der Dirigentin Lucia Lewczuk.
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Treue Besucher der „Fröhlichen Meile“.<br />
Neuschönaus Verkehrsdirektor Hans Schreib (2. v.r.) begrüßt OB Widder (l.) am Stand in der Relaisstraße.<br />
Gäste aus Neuschönau bei der Stadtteilfest-Eröffnung 2008.<br />
Bürgermeister Heinz Wolf (am Mikro) auf der Bühne mit Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (2.v.r.) und<br />
Finanzminister Gerhard Stratthaus (r.).
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Die Partnerschaft mit Neuschönau<br />
Der Männergesangverein 1896 Mannheim-Rheinau ist Initiator und Träger der ersten,<br />
traditionsreichsten und bis 2005 einzigen „Städtepartnerschaft“, die der Stadtteil Rheinau<br />
zu einer auswärtigen Gemeinde unterhält: zur Gemeinde Neuschönau im Bayerischen<br />
Wald.<br />
Die 1395 erstmals urkundlich erwähnte Gemeinde liegt im Norden des Freistaates Bayern<br />
an der Grenze zu Tschechien, ist 27,5 Quadratkilometer groß und zählt 2.200 Einwohner.<br />
Zentrale Erwerbsquelle ist der Fremdenverkehr, denn zwei Drittel der Gemeindegemarkung<br />
liegen innerhalb des Nationalparks Bayerischer Wald.<br />
Die Verbindung zwischen Neuschönau und dem Mannheimer Süden entstand, als das<br />
Großkraftwerk Mannheim am 30. August 1985 in Neuschönau ein Ferienhaus für seine<br />
Mitarbeiter in Betrieb nahm. Beim Gegenbesuch der Neuschönauer am 8. November<br />
1985 im GKM, zu dem Vereine aus ganz Mannheim eingeladen waren, kam es zu intensiven<br />
Kontakten zwischen dem Leiter des Verkehrsamtes von Neuschönau, Hans<br />
Schreib, und den Vertretern des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, Helmut Schmitt, Dieter Schmidt<br />
und Heinz Hanel. Spontan stiftete Schreib für die <strong>MGV</strong>-Weihnachtsfeier 1985 eine achttägige<br />
Reise für zwei Personen nach Neuschönau, die von den Gewinnern im Oktober<br />
1986 eingelöst wurde.<br />
Anlässlich des 7. Marktplatzfestes am 27. und 28. Juni 1986 war erstmals eine Delegation<br />
aus Neuschönau unter Leitung von Bürgermeister Adolf Schreiner beim <strong>MGV</strong> 1896<br />
zu Gast und trug mit einer Trachtenkapelle auch wesentlich zum Programm bei. An<br />
Pfingsten 1987 war es der neu gegründete Frauenchor, der seine erste Sangesreise nach<br />
Neuschönau unternahm. Am 3. Oktober 1991 reiste der Männerchor des <strong>MGV</strong> für vier<br />
Tage erstmals nach Neuschönau. Höhepunkt war die Beteiligung am Erntedankfest, das<br />
im Bayerischen Wald noch sehr ursprünglich gefeiert wurde und für die Rheinauer daher<br />
ein großes Erlebnis war.<br />
Wesentlich vorangetrieben von Verkehrsdirektor Hans Schreib, kam es fortan immer<br />
wieder zu Besuchen der „Waldler“ bei den Marktplatzfesten und ab 1990 den Stadtteilfesten<br />
auf der Rheinau. Ihr uriger Werbestand aus Holz mit dem Bärwurz als kulinarischer<br />
Attraktion wurde zum Anziehungspunkt des <strong>MGV</strong>-Standes. Einer der Höhepunkte<br />
war der Besuch von Bürgermeister Heinz Wolf, der sogar gemeinsam mit Mannheim<br />
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz das Stadtteilfest offiziell eröffnen durfte. Im Oktober<br />
2008 reiste eine große Rheinauer Delegation aus 74 Mitgliedern des <strong>MGV</strong>, darunter<br />
33 Sängerinnen und Sänger, zum 20. Jubiläum des Männerchors Neuschönau.<br />
Unabhängig davon verbrachten zahlreiche Mitglieder des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau jahrzehntelang<br />
ihre Urlaube in Neuschönau, namentlich im Landgasthof „Euler“. Dadurch entstanden<br />
menschliche Bindungen, die über die Dauer der Amtszeiten der Aktiven hinaus<br />
bestehen blieben.
110<br />
Gasthaus „Zum Rheinauhafen“.<br />
1922 bis 1992 Probenlokal des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau.
111<br />
Vereinslokal<br />
Mit der Herausbildung des Vereinswesens im 19. Jahrhundert entstand die Institution<br />
des Vereinslokals. Darunter verstand man eine Gaststätte, in der ein Verein regelmäßig<br />
seine Sitzungen, Versammlungen und geselligen Veranstaltungen abhielt. Zumeist war<br />
der jeweilige Wirt auch selbst Mitglied der Vereine, die bei ihm regelmäßig zu Gast waren.<br />
Von Gesangvereinen wurden in einem solchen Vereinslokal neben Versammlungen und<br />
Sitzungen auch die wöchentlichen Singstunden abgehalten. Zu diesem Zweck befanden<br />
sich hier auch das vereinseigene Klavier sowie ein Schrank, in dem Pokale und Noten<br />
aufbewahrt wurden.<br />
Als der <strong>MGV</strong> am Abend des 5. Mai 1896 gegründet wurde, da geschah dies noch in<br />
keinem Lokal, sondern im Gebäude der Fabrikschule im Posthornweg. Als Probenlokal<br />
fungierte in den <strong>Jahre</strong>n danach der „Goldene Hirsch“, der sich in der Neuhofer Straße/<br />
Ecke Karlsruher Straße befunden haben soll. Hier fanden im <strong>Jahre</strong> 1904 auch die zentralen<br />
Veranstaltungen im Rahmen der Fahnenweihe statt, also das Festbankett am ersten<br />
Abend und das Festmahl am darauf folgenden Sonntag. Allerdings scheint der Verein für<br />
Sitzungen nicht auf den „Hirsch“ festgelegt gewesen zu sein. Der Festausschuss, der<br />
diese Fahnenweihe vorbereitete, kam zu seinen monatlichen Treffen in ihrem Vorfeld<br />
laut Vereinsarchiv abwechselnd im „Pfälzer Hof“ von August Maier, dem „Freischütz“<br />
von Johann Seitz, dem (damals:) „Neuen Relaishaus“ von Philipp Roßrucker oder dem<br />
„Ratstübl“ von Karl Fritzinger zusammen.<br />
Seit 1922 probte der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau im Gasthaus „Zum Rheinauhafen“ in der<br />
Stengelhofstraße/Ecke Karlsruher Straße, das auf der Rheinau nach seinem damaligen Besitzer<br />
einfach nur „Flörsch“ genannt wurde, auch als es längst einen neuen Besitzer hatte.<br />
Zum <strong>Jahre</strong>swechsel 1993/94 stand der Verein in Bezug auf sein Probenlokal plötzlich<br />
vor einer ungeahnten Herausforderung: Sein Vereinslokal „Zum Rheinauhafen“, dem<br />
der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau seit 1922 die Treue gehalten hatte, mussten sie verlassen.<br />
Der neue Besitzer Claudio Mucciolo, ein Verwandter des in Rheinau aufgewachsenen<br />
Bundesliga-Fußballstars Maurizio Gaudino, hatte die Gaststätte im November 1993 zu<br />
einem italienischen Ristorante umgebaut; ein Nebenzimmer sollte es fortan nicht mehr<br />
geben, sämtliche Räume vielmehr ständig eingedeckt sein; für Klavier sowie Pokal- und<br />
Notenschränke, so beschied der neue Wirt die Sänger am 14. Januar 1994, war fortan kein<br />
Platz mehr. Doch wo sollen wir hin?, fragte sich die Sängerfamilie verzweifelt in der mit<br />
75 Anwesenden außergewöhnlich gut besuchten <strong>Jahre</strong>shauptversammlung am 15. Januar<br />
1994.<br />
Dank der jahrzehntelangen Freundschaft des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau mit dem Sportverein<br />
TSG – der Vorsitzende der TSG, Peter Klug, war aktiver Sänger im <strong>MGV</strong> – kamen die<br />
Sänger dort unter. Ja, die TSG stimmte in ihrer Mitgliederversammlung am 11. März 1994<br />
sogar zu, einen Raum ihres Vereinshauses umzubauen und per vertraglich vereinbarten<br />
Dauernutzungsrecht dem <strong>MGV</strong> 1896 zu übergeben – „eine Ehe von Kultur und Sport“,<br />
wie <strong>MGV</strong>-Chef Dieter Schmidt bei der Einweihung formulierte, mit der die Rheinauer in<br />
Mannheim Neuland betraten.
112<br />
Freude über das neue Zuhause.<br />
Die beiden Chöre singen zur Einweihung des Probenlokals im TSG-Vereinsheim 1994.<br />
Anerkennung für eine herausragende Leistung.<br />
Zum neuen Probenlokal gratulieren im Namen der Stadt Stadtrat Paul Buchert (r.) und im Namen des Brudervereins<br />
„Liederkranz“ dessen Vorsitzender Alois Fritz (r.).
113<br />
Architekt Helmut Duschl, der sich in Rheinau bereits mit Bauten für die Rudergesellschaft<br />
und den Turnverein einen Namen gemacht hatte, konnte dafür gewonnen werden,<br />
zu günstigen Konditionen die Planung zu übernehmen. Am 6. Juni 1994 begannen<br />
die Arbeiten, während derer der Verein im Gasthaus „Zur Eintracht“ von Siegfried und<br />
Vesna Knoblauch in der Stengelhofstraße freundliche Aufnahme fand. Eine neue Außenwand<br />
wurde gemauert, das bisherige Dach abgerissen. Bei den oft tropischen Temperaturen<br />
jenes Sommers 1994 leisteten die 27 fleißigen Helfer unter Bauleitung von Manfred<br />
Hipp insgesamt 1.400 Arbeitsstunden; Walter Morath, Manfred Schweizer, Seppl<br />
Kuhn und Günter Friedrichs bildeten den unermüdlichen „harten Kern“. Nicht selten<br />
mussten sie sich von den Gästen der angrenzenden Gartenwirtschaft kluge Ratschläge<br />
oder besser gesagt: dumme Sprüche anhören. „Die störten uns aber nicht, denn wir dachten<br />
dann immer an die beiden Alten in der Muppets-Show“, hieß es im <strong>Jahre</strong>sheft 1994. Im<br />
Innern verlegten Jupp Wollschläger und Karl Stahl die Stromkabel, die Firma Leander<br />
Bausch verputzte, Ludwig Zenger verlegte 80 m 2 Bodenfliesen und Ursula Franzen brachte<br />
die Vorhänge an.<br />
Trotz aller Eigenarbeit der Sänger und Spendenbereitschaft der Firmen bedeutete das<br />
Projekt für den Verein dennoch eine finanzielle Kraftanstrengung. Ursprünglich hatte er<br />
mit Baukosten in Höhe von 10.000 D-Mark gerechnet. Doch es wurden bald mehr. Um<br />
das Geld zusammen zu bringen, legte der Verein sogenannte „Baustein-Zertifikate“ im<br />
Wert von zehn D-Mark pro Stück auf. Mitgliederwart Jürgen Ruf war unschlagbar in seinem<br />
Können, diese an den Mann und an die Frau zu bringen. Und <strong>MGV</strong>-Mitglied und<br />
Bezirksbeirat Harald Hipp ging bei Firmen auf seine gewohnt erfolgreiche Betteltour.<br />
Im Oktober 1994 konnte der neue Raum feierlich eingeweiht werden, bestaunt von<br />
allen Ehrengästen, die daran teilnahmen. „Wir haben auch Raumprobleme“, berichtete<br />
zum Beispiel Winfried Rahm, der Vorsitzende des befreundeten Gesangvereins Neuhermsheim,<br />
„aber ein solches Projekt hätten wir uns nie getraut und nicht geschafft.“ Am<br />
11. Oktober 1994 konnte unter Leitung von Lucia Lewczuk die erste Singstunde im neuen<br />
Probenraum stattfinden.<br />
Als die TSG knapp zehn <strong>Jahre</strong> später ihr lange gehegtes Projekt anging, im Rahmen<br />
einer Kooperation mit den Einzelhandelskonzern Lidl eine neue Vereinsanlage zu errichten,<br />
wurde klar, dass der 1994 gestaltete Probenraum nicht dauerhaft erhalten werden<br />
kann. Doch auch diese Problematik wurde von <strong>MGV</strong> und TSG einvernehmlich gelöst:<br />
Beide Vereine vereinbarten, dass der <strong>MGV</strong> für die Zeit der Bauarbeiten auf Kosten der<br />
TSG im Vereinsraum des angrenzenden Nachbarschaftshauses unterkommen und nach<br />
Fertigstellung des neuen Vereinsheims der TSG auch dort einen Probenraum erhalten<br />
solle.<br />
Als der Abriss desjenigen Teils des TSG-Heims näher rückte, in dem sich der <strong>MGV</strong>-Probenraum<br />
befand, bauten die Sänger im April 2016 ihr Mobiliar ab und verstauten es für<br />
die Zeit der Bauarbeiten, bis sie dereinst ihren neuen Probenraum beziehen können.
114<br />
Dirigenten<br />
Das Amt des Dirigenten<br />
Der Chorleiter in einem Gesangverein hat keine einfache Aufgabe. Anders als der Dirigent<br />
eines Orchesters, hat er es mit Laien zu tun – mit Menschen also, die in ihrer Freizeit,<br />
manche nach einem langen Arbeitstag, in die Singstunde gehen, weil sie Freude<br />
am Singen haben und/oder Geselligkeit erleben möchten. Sie möchten nicht auch<br />
noch in der Singstunde jenen Leistungsdruck erleben, unter dem sie tagsüber bereits<br />
genug leiden. Auf der anderen Seite steht die Öffentlichkeit in Form des Publikums, das<br />
durch die moderne musikalische Elektronik an höchste klangliche Präzision gewöhnt<br />
und entsprechend anspruchsvoll ist. Zwischen diesen beiden Polen gilt es zu agieren für<br />
einen engagierten Chorleiter, der darüber hinaus ja auch für sich selbst einen gewissen<br />
künstlerischen Anspruch erhebt.<br />
So muss der Dirigent seinen Chor fordern, ohne ihn zu überfordern. Er muss den<br />
Chor zu jenen Leistungen motivieren können, zu denen er fähig ist – zu nicht mehr, aber<br />
auch nicht zu weniger. Behutsam haben alle Dirigenten des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg das Repertoire, das lange vom klassischen Volkslied und der<br />
Folklore geprägt war, um künstlerisch hochwertige Chorliteratur sowie aktuelle und sogar<br />
englischsprachige Titel erweitert, was für einen Laienchor, erst recht dieser Altersstruktur,<br />
keineswegs einfach war.<br />
Dazu bedarf es von Seiten des Dirigenten Einfühlungsvermögen, das in der Disziplin<br />
des Chors seine Entsprechung finden muss. Die Autorität des Dirigenten darf zu keiner<br />
Zeit in Frage stehen. So sehr er jedoch auf konzentriertes Arbeiten in den Singstunden<br />
achten muss, so sehr muss der Dirigent aber auch zur Geselligkeit bereit und fähig sein.<br />
Die Sänger und Sängerinnen danken es ihm, wie es gerade die Geschichte des <strong>MGV</strong><br />
1896 Rheinau zeigt, mit Zuneigung bis hin zur Verehrung.<br />
In den <strong>120</strong> <strong>Jahre</strong>n seiner Geschichte verfügte der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau über 25 Dirigenten,<br />
was einer durchschnittlichen Amtszeit von fast fünf <strong>Jahre</strong>n entspricht. Dieser<br />
statistische Wert gibt allerdings einen verfälschenden Eindruck von den Amtszeiten der<br />
Dirigenten wieder. Manche nämlich, vor allem in den zwanziger <strong>Jahre</strong>n, amtierten lediglich<br />
ein oder zwei <strong>Jahre</strong>, andere mehrere Jahrzehnte, allen voran Lucia Lewczuk, die<br />
einzige Frau unter den Chorleitern, die mit 28 <strong>Jahre</strong>n an der Spitze steht, gefolgt von<br />
Erich Bender (1951-1972) mit über 21 <strong>Jahre</strong>n.
115<br />
Die ersten <strong>Jahre</strong><br />
Wie damals üblich, waren die Dirigenten von Gesangvereinen früher keine Musikpädagogen,<br />
sondern Lehrer, die das Amt neben ihrem Beruf ausübten. So war dies auch<br />
beim <strong>MGV</strong> 1896, dessen erster Dirigent nach der Gründung ein Lehrer namens Grattolf<br />
war, der allerdings nur ein Jahr im Amt blieb. Seine Tätigkeit endete 1897 – also just in<br />
dem Jahr, in dem der Gesangverein Liederkranz gegründet wurde. Insofern also ist anzunehmen,<br />
dass Grattolfs Ausscheiden mit diesem Ereignis zusammenhängt. Entweder<br />
gehörte Grattolf zu jenen, die dem Verein damals ebenfalls in Richtung Liederkranz den<br />
Rücken kehrten, oder aber er gab seine Tätigkeit auf, weil er angesichts der beim <strong>MGV</strong><br />
verbliebenen Sänger keine Möglichkeit mehr für eine sinnvolle künstlerische Arbeit sah.<br />
Jedenfalls wurde 1897 ein neuer Dirigent verpflichtet, und zwar der Lehrer Georg Ritter.<br />
Im <strong>Jahre</strong> 1903 folgte ihm ein weiterer Lehrer, Otto Graf, der im <strong>MGV</strong> allerdings ein im<br />
wahrsten Sinne des Wortes kurzes Gastspiel gab: Weil bei der Fahnenweihe des Gesangvereins<br />
„Rheingold“ im Nachbarstadtteil Neckarau der Vortrag des „Schifferliedes“<br />
durch die Rheinauer Sänger kräftig in die Hosen ging, trennte sich der Verein von ihm<br />
bereits nach nur vier Wochen. Sein Vorgänger Georg Ritter musste noch einmal den Dirigentenstab<br />
übernehmen und amtierte bis 1906, wurde dann übrigens das erste Ehrenmitglied<br />
des Vereins. Sein Nachfolger wurde 1907 der Dirigent Roser, der bis 1918 amtierte<br />
und mit diesen elf <strong>Jahre</strong>n am Dirigentenpult der dienstälteste Chorleiter des <strong>MGV</strong><br />
vor 1945 war.<br />
Die auf die Weltwirtschaftskrise von 1929 folgende schlechte finanzielle Situation des<br />
Vereins führte 1931 zum Beschluss des Vorstandes, das Gehalt des Dirigenten (schon damals<br />
der größte Batzen bei den Ausgaben) zu kürzen. Doch Chorleiter Friedrich Guthmann<br />
war trotz zahlreicher Gespräche nicht dazu bereit, zumindest vorübergehend für<br />
weniger als 50 Reichsmark tätig zu sein. So beschloss der Vorstand, Guthmann zu entlassen<br />
und einen Nachfolger zu suchen, der die Tätigkeit auch für 30 Mark übernehmen<br />
würde. Auf ein entsprechendes Inserat in der „Mannheimer Zeitung“ meldeten sich 15<br />
Interessenten – arbeitslose Musiker gab es damals ja genug. Aus ihnen wurde der erst<br />
22-jährige Fritz Amme ausgewählt. Doch drei <strong>Jahre</strong> später hatte sich entweder die finanzielle<br />
Situation des Vereins wieder verbessert oder Guthmann ein Einsehen gezeigt: Jedenfalls<br />
übernahm er 1934 erneut die Chorleitung und behielt sie zehn <strong>Jahre</strong> lang bis<br />
kurz vor Kriegsende.<br />
Nach Kriegsende<br />
In der ersten Generalversammlung am 10. November 1945 wurde die Singstunde auf<br />
Samstag 19 bis 21 Uhr festgesetzt und zum Chorleiter Willi Haag ernannt, der als Aktiver<br />
des Arbeitersängerbundes Rheinau 1933 zum <strong>MGV</strong> gestoßen war. Haag war bei der<br />
Mannheimer Stadtverwaltung angestellt und ab Gründung des „Gemeinnützigen Vereins<br />
Rheinau“ 1957 ein Jahrzehnt lang Vorsitzender dieser Dachorganisation der Rheinauer<br />
Vereine. Insofern konnte dies lediglich eine Übergangslösung sein, die denn auch<br />
1946 mit der Anstellung von Eduard Brucker beendet wurde. Ihm folgte 1951 Erich<br />
Bender, der den <strong>MGV</strong> 21 <strong>Jahre</strong> lang dirigieren und musikalisch prägen sollte.
116<br />
Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit.<br />
<strong>MGV</strong>-Chef Helmut Schmitt präsentiert 1983 die neue Dirigentin Lucia Lewczuk.<br />
Die Dirigentin inmitten ihrer Sängerinnen und Sänger.<br />
Als „Stimmungskanone“ mit Akkordeon bei der Eröffnung der „Fröhlichen Meile“.
117<br />
Die folgenden <strong>Jahre</strong> erlebten eine rasche Fluktuation an Dirigenten. Innerhalb nur eines<br />
Jahrzehnts amtierten fünf Chorleiter, von denen der junge Musiklehrer am Moll-Gymnasium<br />
Mannheim, Jürgen Karl, mit vier <strong>Jahre</strong>n Amtszeit schon der dienstälteste war. Sein<br />
Nachfolger Gerhard Schmidt aus Ketsch war am 16. Dezember 1981 zum Dirigenten<br />
berufen worden. Doch im Chor regte sich schon bald Unmut, vor allem über seine Liedauswahl.<br />
Der Besuch bei den Singstunden ging zurück. Das Fass zum Überlaufen brachte<br />
schließlich Schmidts Forderung, die Singstunden zu verlegen. Ab Februar 1983, so<br />
hatte er dem Vorstand mitgeteilt, habe er dienstags keine Zeit mehr, sondern nur noch<br />
donnerstags.<br />
Auf der Generalversammlung am 9. Januar 1983 im Vereinslokal „Zum Rheinauhafen“<br />
brach sich der Unmut der Sänger Bahn. Harald und Roland Hipp machten offen das<br />
vom Dirigenten ausgewählte Liedgut für den sinkenden Singstunden-Besuch verantwortlich.<br />
Weiter berichtet das Protokollbuch über die Diskussion: „Günter Plöchinger<br />
meinte, dass es das Mitverschulden des momentanen Dirigenten ist, dass Missmut bei den<br />
Sängern aufkommt.“ Vorsitzender Helmut Schmitt stellte sich jedoch vor den Dirigenten<br />
und wies die Kritik an ihm als „enttäuschend“ zurück. Die vom Dirigenten gewünschte<br />
Verlegung der Singstunde auf den Donnerstag wurde in einer formellen Abstimmung<br />
denn auch bei nur drei Gegenstimmen gebilligt.<br />
Doch das Verhältnis zwischen Verein und Dirigent war zerrüttet. Im „Mannheimer<br />
Morgen“ gab Manfred Hipp im Namen des Vorstandes eine Anzeige auf, in der die Stelle<br />
des Dirigenten ausgeschrieben wurde. Daraufhin meldeten sich zehn Männer und Frauen,<br />
darunter Lucia Lewczuk.<br />
Die Ära Lucia Lewczuk<br />
1981 machte Lucia Lewczuk bei der Neckarauer Fahrschule Konnowski ihren Führerschein.<br />
Konnowskis Schwiegervater aber war Emil Schumacher, der legendäre Kreischorleiter<br />
aus Neckarau. Er entdeckte die Begabung der jungen Frau für den Chorgesang<br />
und gewann sie zunächst dafür, den Neckarauer Frauenchor 1924 als Solistin und<br />
am Klavier zu begleiten. Beim Weihnachtskonzert dieses Frauenchors im Dezember<br />
1982 fiel sie bereits Helmut Schmitt auf, dem damaligen Vorsitzenden des Männergesangvereins<br />
1896 Rheinau.<br />
Als Schmitt nun Anfang 1983 das Bewerbungsschreiben Lucia Lewczuks auf die Stellenanzeige<br />
des Vereins erhielt, da erinnerte er sich an die junge Dirigentin, die er wenige<br />
Wochen zuvor beim Weihnachtskonzert des Frauenchors 1924 Neckarau gesehen hatte.<br />
Beide Seiten wurden sich schnell einig, und mit Wirkung vom 1. Februar 1983 wurde sie<br />
als Dirigentin angestellt. Im Protokollbuch des Vereins ist unter diesem Datum vermerkt:<br />
„Nachdem wir am vergangenen Dienstag unseren alten Dirigenten, Herrn Gerhard Schmidt,<br />
verabschiedet hatten, stellte sich nun heute Frau Lucia Lewczuk als neue Dirigentin vor. Dies<br />
ist einmalig in der Geschichte des <strong>MGV</strong> 1896, denn bisher gab es immer nur männliche<br />
Chorleiter.“ Doch es war mehr: Es war einmalig in der gesamten Region!
118<br />
Lob von höchster Stelle.<br />
Laudatio von Oberbürgermeister Gerhard Widder für Lucia Lewczuk anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums beim <strong>MGV</strong>.
119<br />
Den ersten gemeinsamen Auftritt mit ihrem neuen Chor hatte Lucia Lewczuk am<br />
25. Februar 1983: beim Ständchen-Singen zum 50. Geburtstag von Schriftführer Heinz<br />
Hanel, der ihren Namen in den folgenden <strong>Jahre</strong>n noch viele, viele Male in den Protokollen<br />
von Sitzungen und Auftritten schreiben sollte. Der erste öffentliche Auftritt des Chors<br />
fand bei der Feier zum 90-jährigen Bestehen des Turnvereins Rheinau am 12. März 1983<br />
in der Aula des Konrad-Duden- Schulzentrums statt.<br />
Mit viel Geschick, Strenge und Charme gelang es Lucia Lewczuk, die nicht gerade<br />
einfache Gruppe der gestandenen Sänger, nach dessen Gründung 1985 auch den Frauenchor,<br />
zu dirigieren. Das Repertoire ihres Chores veränderte sie gemäß ihrer eigenen Prägung<br />
behutsam, aber deutlich. Zu den früher vorherrschenden Volks- und Weinliedern<br />
traten fortan Kunstlieder und auch moderne Klänge wie Spirituals.<br />
Der Ruf vom guten Klima bei den Rheinauern sprach sich in der Region schnell herum.<br />
Wie durch einen Schneeballeffekt kamen immer mehr Anfragen und damit, da sie die<br />
Rheinauer nicht aufgeben wollte, immer mehr zu betreuende Chöre hinzu: unter anderem<br />
der gemischte Chor Ludwigshafen-Ruchheim, der Gesangverein Neuhermsheim<br />
sowie der Altenchor der Stadt Ludwigshafen – alle zusammen bald als „Lucia-Chöre“ in<br />
der gesamten Rhein-Neckar-Region ein Begriff. Der gemeinsame Auftritt mit über 200<br />
Akteuren im Ludwigshafener Pfalzbau im Dezember 1993, quasi eine kleine Regionalausgabe<br />
der Fischer-Chöre, wurde erster Höhepunkt der Zusammenarbeit. Hinzu kamen<br />
große Konzerte auf der Seebühne des Luisenparks, die stets ein großes und begeistertes<br />
Publikum und zudem ein außerordentlich positives Echo in der Presse fanden. Ihre<br />
Dienstzeit bleibt verbunden mit vielen Auftritten, Konzerten und Auslandsreisen.<br />
Bald wurden die Sänger und ihre Dirigentin zu einer unzertrennlichen Gemeinschaft.<br />
Von der starken emotionalen Bindung zeugen viele kleine und große Gegebenheiten.<br />
Als Lucia Lewczuk am 19. September 1996 im Restaurant des Fernmeldeturms im Luisenpark<br />
ihren 50. Geburtstag feierte, da überraschten sie ihre Sängerinnen und Sänger<br />
mit einem Ständchen. Dafür hatten beide Chöre zwei Wochen zuvor unter Leitung von<br />
Kreischorleiter Peter Imhof heimlich geübt. Nun sangen sie den Kanon „Viel Glück und<br />
viel Segen auf all Deinen Wegen“, Vorsitzender Dieter Schmidt hielt eine Laudatio: „Wir<br />
sind alle sehr stolz auf Sie!“<br />
Im Rahmen des vereinseigenen Frühlingsfestes 2003 wurde ihr 20. Jubiläums gefeiert.<br />
Auch hier gab es eine Überraschung. Bei einem Lied wichen die Sänger plötzlich vom<br />
Text ab. Nach einer Schrecksekunde, in der sich ihr Gesicht verdüsterte, wie es manchmal<br />
geschah, wenn sie einmal „not amused“ war, löste sich diese Spannung in einem<br />
Schmunzeln und schließlich sogar in einem ausgelassenen Lachen auf. Denn die Sänger<br />
hatten in der Ode „Um uns die schönsten Blumen“ den gesungenen Namen der Angebeteten<br />
in „Schönste Lucia“ ausgewechselt .<br />
Landtagsabgeordneter Rolf Seltenreich, der Mitglied des Vereins ist und daher die<br />
Festrede hielt, lobte den Mut der damals Verantwortlichen, bereits vor 20 <strong>Jahre</strong>n einer<br />
Frau den Dirigentenstab für den Chor anzuvertrauen, der damals ja noch ein reiner<br />
Männerchor war: Vorsitzender Manfred Hipp überreichte eine Urkunde, in der es hieß:<br />
„Sie hat unseren Gesangverein mit ihrer Liebe zur Chormusik, ihrem Können, ihrer Leidenschaft<br />
und Disziplin zu neuen Höhen geführt. Ihre eigene Gabe, die Freude an der Musik, hat sie<br />
großzügig mit uns geteilt und bei unzähligen Konzerten auch unserem Publikum vermittelt.
<strong>120</strong><br />
Zeichen der Zuneigung von Seiten des Vereins.<br />
Zu ihrem 20. Jubiläum widmet der <strong>MGV</strong> Lucia Lewczuk eigens ein Buch und überreicht ihr eine Urkunde.<br />
<strong>MGV</strong>-Chöre mit Dirigent Franz Josef Siegel (M.).
121<br />
Als fröhlicher Mensch hat sie die Gemeinschaft integriert, den musikalischen wie privaten Zusammenhalt<br />
gefördert.“ Unter Hinweis auf Tolstois Wort, die Musik sei die „Kurzschrift<br />
des Gefühls", fügte Hipp hinzu: „Wir möchten unserer Dirigentin an dieser Stelle von<br />
ganzem Herzen dafür danken, dass sie unser Leben seit 20 <strong>Jahre</strong>n mit ihrer ganz eigenen<br />
Stenographie bereichert."<br />
Beim Herbstkonzert am Tag der Deutschen Einheit 2003 kam es noch besser: Der Verein<br />
überreichte Lucia Lewczuk ein <strong>120</strong> Seiten starkes Buch über ihr Leben und ihr Wirken<br />
im <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, verfasst von „MM“-Redakteur Konstantin Groß. Ein eigenes<br />
Buch von einem Gesangverein für seinen Dirigenten – so etwas hatte es bis dahin und<br />
seither in einem Gesangverein der Region und darüber hinaus nicht gegeben. Dies war<br />
ein einzigartiger Beweis der Zuneigung des Vereins für seine Dirigentin.<br />
Lucia Lewczuk zeigte sich denn auch zutiefst beeindruckt: „Als ich vor 20 <strong>Jahre</strong>n begann,<br />
hätte wohl niemand von uns gedacht, dass ich so lange bleiben würde.“ Sie dankte<br />
für die „harmonische Zusammenarbeit“, die beiden Seiten viele fröhliche Stunden gebracht<br />
habe. Auch wenn sie nach ihrer Verpflichtung beim <strong>MGV</strong> 1896 sechs weitere<br />
Chöre übernommen habe, so blieben die Rheinauer doch etwas Besonderes: „Es ist wie<br />
beim Menschen: Die erste Liebe rostet nie.“<br />
Das Ende der Ära Lewczuk<br />
Doch auch die intensivste Zeit geht einmal zu Ende. Im <strong>Jahre</strong> 2010 strebte die mittlerweile<br />
64-jährige Dirigentin an, beruflich kürzertreten und zu diesem Zweck die Proben<br />
ihrer verschiedenen Chöre auf wenige Tage der Woche zusammenfassen; den von ihr<br />
für den <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau vorgesehenen Mittwoch, 17.30 Uhr, lehnte dieser jedoch<br />
ab. So beendete Lucia Lewczuk nach 28 <strong>Jahre</strong>n ihr Engagement beim <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau,<br />
stellte für ihn jedoch noch den Kontakt zu einem potenziellen Nachfolger her: den<br />
Kantor der Evangelischen Versöhnungsgemeinde Rheinau, Ottmar Öhring. Am 2. Februar<br />
2011 übernahm dieser den Chor.<br />
Doch Öhring setzte den Schwerpunkt zunehmend auf ein geistiges Repertoire mit<br />
Kanons und war auch im persönlichen Umgang eher zurückhaltend. Nach kurzer Zeit<br />
wurde klar, dass man nicht zueinander passte. Der Verein trennte sich von ihm und verpflichtete<br />
stattdessen einen Mann, den er durch Siegel kennengelernt hatte: Franz Josef<br />
Siegel. Der regional bekannte Chorleiter und Autor zahlreicher Kompositionen passte altersmäßig<br />
zwar eher zu den Aktiven und erwies sich auch als weit bodenständiger, in<br />
seinem Umgang mit den Aktiven des Vereins, aber auch Vertretern des Stadtteils zuweilen<br />
aber wiederum als wenig sensibel. Auch von ihm trennte sich der <strong>MGV</strong> 1896 schließlich,<br />
am 26. Mai 2015 fand seine letzte Singstunde mit Siegel statt.<br />
Der Kreisvorsitzende der Chorverbandes, Jürgen Zink, stellte den Kontakt zu Eddy<br />
Werner Triebskorn her, mit dem der Verein schnell einig wurde. Am 16. Juni 2015 fand die<br />
erste Singstunden mit ihm statt. Wie Siegel passte er vom Alter her zu den Aktiven, hatte<br />
aber eine ruhigere Art, die ihnen eher entgegenkam. Mit Triebskorn packte der <strong>MGV</strong> 1896<br />
sein Jubiläumsjahr an, besonders das Festkonzert am 7. Mai 2016 im Nachbarschaftshaus.
122<br />
Die Vorsitzenden des Vereins<br />
Das Amt eines Vorsitzenden<br />
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die gedeihliche Entwicklung eines Vereins ist<br />
eine gute Führung, sprich: der oder die „richtige“ Vorsitzende. Ein guter Vorsitzender<br />
alleine mit schlechten Mitarbeitern um ihn herum ist sicher nichts wert; aber ebenso<br />
nützt das beste Team nichts, wenn die Spitze nicht funktioniert. Am Ende ist es nämlich<br />
nur einer, ist es nur er, der Vorsitzende, der die Verantwortung für das Geschehen und<br />
das Nicht-Geschehen im Verein trägt – natürlich gegenüber den Mitgliedern, aber auch<br />
vor der Öffentlichkeit und nicht zuletzt auch juristisch. Eine gesonderte Betrachtung der<br />
Vorsitzenden in dieser Chronik ist daher nicht nur erlaubt, sondern auch geboten, ohne<br />
natürlich die Leistungen der übrigen Vorstandsmitglieder dadurch geringschätzen zu<br />
wollen.<br />
Beim Blick auf die Liste der bisherigen Vorsitzenden des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau fällt eine<br />
große Fluktuation an der Spitze des Vereins auf, vor allem in den ersten 50 <strong>Jahre</strong>n seines<br />
Bestehens. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges amtierten 22 Vorsitzende, was einer<br />
durchschnittlichen Amtszeit von lediglich etwas über zwei <strong>Jahre</strong>n entspricht. Dies änderte<br />
sich erst nach der Wiedergründung des Vereins 1945: In den 70 <strong>Jahre</strong>n seither amtierten<br />
lediglich neun Vorsitzende, was einer durchschnittlichen Amtszeit von fast acht<br />
<strong>Jahre</strong>n entspricht.<br />
Von diesen 70 <strong>Jahre</strong>n seit Kriegsende amtierte jedoch alleine 25 <strong>Jahre</strong> lang Helmut<br />
Schmitt, der damit unerreichbarer Spitzenreiter unter den Vorsitzenden ist. Ihm folgen<br />
auf Platz 2 Paul Maron mit insgesamt elf <strong>Jahre</strong>n, auf Platz 3 Manfred Hipp mit zehn <strong>Jahre</strong>n<br />
und auf Platz 4 der heutige Vorsitzende Jürgen Ruf, der mit Ablauf seiner Amtszeit im<br />
Januar 2017 neun <strong>Jahre</strong> lang im Amt gewesen sein wird.<br />
Die frühen Vorsitzenden<br />
Nach Entstehung des Vereins 1896 wurde zunächst der Initiator der Gründung, Philipp<br />
Rothacker, naturgemäß im wahrsten Sinne des Wortes erster Vorsitzender. Nach nur<br />
einem Jahr gab er den Vorsitz jedoch wieder ab, blieb jedoch weiterhin die prägende<br />
Gestalt. Denn nach mehreren schnellen Vorstandwechseln übernahm er 1901 erneut<br />
die Führung, bis er am 17. Januar 1905 mit dem gesamten Vorstand aus heute nicht<br />
überlieferten Gründen sein Amt abgab.<br />
Prägende Gestalten der darauffolgenden drei Jahrzehnte wurden August Geißler und<br />
Franz Klube, die sich mehrmals an der Vereinsspitze ablösten. Vor dem Ersten Weltkrieg<br />
hatte Geißler die erste seiner insgesamt drei Amtsperioden inne. Nach seinem allgemein<br />
bedauerten Rücktritt 1912 kandidierten gleich fünf Mitglieder für das Amt des Vorsitzenden<br />
– so viele wie bis dahin und danach nie mehr. Es waren dies die Sänger Klube,
123<br />
Rothacker, Benkert, Sinn und Stark. Von den 37 abgegebenen Stimmen erhielt Klube 33,<br />
die übrigen Kandidaten jedoch jeweils nur je eine – ihre eigene. Klube, von Beruf Kesselschmied<br />
bei Eichtersheimer und Kirchenältester der Evangelischen Kirchengemeinde,<br />
wurde Vorsitzender und amtierte bis zum Kriegsausbruch 1914. Dann übergab den Vorsitz<br />
an Geißler, von dem er ihn 1922 wieder übernahm, bevor schließlich Geißler 1927<br />
ein letztes Mal für ein Jahr Vorsitzender wurde.<br />
Vorsitzende während der NS-Zeit<br />
Anfang der dreißiger <strong>Jahre</strong> wurde der Verein von dem Sänger Heck geleitet. Da dieser jedoch<br />
kein Nationalsozialist war, wurde er nach der Machtergreifung auf Betreiben der<br />
Partei in einer sogenannten „Gleichschaltungsversammlung“ vom 30. August 1933<br />
durch das NSDAP-Mitglied Philipp Held abgelöst. Doch Held, von Beruf Schuldiener, blieb<br />
nicht lange. Noch im gleichen Jahr trat sein Bruder Vincenz an die Spitze des Vereins.<br />
Als 1939 der Krieg ausbrach, hatte Hans Knoblauch den Vorsitz inne. Der Sänger, der<br />
im Stadtteil für sein Klavierspiel bekannt war, musste jedoch 1941 in den Krieg ziehen, in<br />
dem er fiel. Nominell hatte der Verein auch danach noch Vorsitzende: ab 1941 Georg<br />
Mächerlein, ab 1942 Paul Maron. Doch es war die Leistung von Willi Barth, nach einem<br />
Unfall schwerbeschädigt und deshalb nicht in den Krieg eingezogen, den Verein durch<br />
den Krieg zu bringen. Gemäß einem Vorstandsbeschluss von 1940 organisierte er die<br />
Singstunden, bis diese auf Grund der Luftangriffe im August 1944 endgültig eingestellt<br />
wurden.<br />
Auch die Wiederzulassung des Vereins nach dem Kriege durch die amerikanische Militärregierung<br />
war das Werk von Barth, der als gebürtiger Elsässer neben der deutschen<br />
auch die Staatsbürgerschaft der Französischen Republik, mithin also einer der vier Alliierten,<br />
besaß. Beim ersten Treffen nach der Zulassung in der Wohnung von Paul Maron in<br />
der Frühlingstraße bildeten die Anwesenden eine kommissarische Vereinsführung: Vorsitzender<br />
wurde Maron und sein Stellvertreter Mächerlein, die bereits während des Krieges<br />
amtierten.<br />
Erster regulärer Vorsitzender der Nachkriegszeit wurde 1946 Josef Häussler. In der Generalversammlung<br />
1947 trat der Sänger Heinrich Weber gegen ihn an, unterlag jedoch<br />
mit 18 zu 47 Stimmen. Ein Jahr später folgte ihm Paul Maron, der acht <strong>Jahre</strong> im Amt bleibt.<br />
Die Ära Schmitt<br />
Im Januar 1964 schied der Vorsitzende Franz Graf nach nur drei <strong>Jahre</strong>n Amtszeit aus.<br />
Sein Nachfolger wurde der damals 38-jährige Ingenieur Helmut Schmitt. Mit 19 <strong>Jahre</strong>n<br />
war er kurz nach Rückkehr aus der Gefangenschaft in den Verein eingetreten. Bereits im<br />
Januar 1947 wurde er Schriftführer und absolvierte 1953 einen Vize-Dirigenten-Lehrgang.<br />
Dass seine Wahl am 5. Januar 1964 ein für die Vereinsgeschichte historisches Datum<br />
werden würde, das war damals natürlich noch nicht absehbar.
124<br />
Ein versierter Repräsentant des Vereins.<br />
Vorsitzender Helmut Schmitt (l.) 1986 nach Überreichung der Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg durch Oberbürgermeister<br />
Gerhard Widder.<br />
Ein Mann, der anpackt.<br />
Vorsitzender Dieter Schmidt mit seinem Vize Manfred Hipp (vor ihm), Pressesprecher Konstantin Groß (rechts neben<br />
ihm) und Dirigentin Lucia Lewczuk (links).
125<br />
Doch Schmitt sollte den Verein 28 <strong>Jahre</strong> lang führen und ihm maßgeblich seine gesellschaftliche<br />
Bedeutung im Stadtteil verschaffen. Schmitt war ein versierter Repräsentant<br />
des Vereins, dessen Tätigkeit bei der Rudergesellschaft Rheinau und dem Mannheimer<br />
Regattaverein ihm und damit dem Verein darüberhinaus wertvolle Kontakte sicherte.<br />
Die praktische Arbeit jedoch lag bereits in jenen <strong>Jahre</strong>n bei anderen, vor allem bei<br />
Schmitts Stellvertreter Dieter Schmidt und dem Schatzmeister Manfred Hipp.<br />
Anfang der neunziger <strong>Jahre</strong> ließ Helmut Schmitt durchblicken, dass er sein Amt gerne<br />
abgeben würde: „Die zehn <strong>Jahre</strong>, die der Herrgott mir noch schenken mag, möchte ich ohne<br />
Terminkalender leben“, sagt er damals. Als passender Zeitpunkt erschien ihm die Generalversammlung<br />
im <strong>Jahre</strong> 1990, als er das 25. Jahr seiner Amtszeit vollendet hatte. Doch in<br />
jener Sitzung fand sich kein Nachfolger. In einer Pause, für die die Versammlung unterbrochen<br />
wird, konnte Rolf Fischer den Vorsitzenden noch einmal zum Bleiben überreden.<br />
Mit 61 Ja- gegen fünf Nein-Stimmen wurde Schmitt erneut bestätigt. Dieser machte<br />
jedoch unmissverständlich klar: „Es ist endgültig das letzte Mal“.<br />
Die Nach-Schmitt-Ära<br />
Zwei <strong>Jahre</strong> später war es soweit: Im Gegensatz zu 1990 hatten diesmal eingehende Vorgespräche<br />
stattgefunden. Als Ergebnis dessen erklärte sich Dieter Schmidt bereit, im<br />
Rahmen eines Tandems mit Manfred Hipp als seinem Stellvertreter den Vorsitz zu übernehmen.<br />
Bei der Generalversammlung im Januar 1992 wurde der damals 52-Jährige mit<br />
71 von 73 Stimmen zum neuen Vorsitzenden und Hipp zu seinem Stellvertreter gewählt.<br />
Das neue Führungsduo – beide übrigens am gleichen Tag geboren – verfügte über<br />
reichhaltige Erfahrung. Schmidt trat 1956 dem Verein bei und war bereits 1992 die Hälfte<br />
seines Lebens Vorstandsmitglied. Als Kulturwart war er für die Organisation aller Vereinsveranstaltungen<br />
vom Bürgerball bis zum Marktplatzfest, von Ausflügen und Konzertreisen<br />
verantwortlich – ein Mann, der selten im Rampenlicht stand, aber zentralen Aufgaben<br />
erledigte.<br />
Die Amtszeit Schmidts war von zentralen Weichenstellungen für den Verein gekennzeichnet:<br />
dem Einstieg in das umfassende karitative Engagement des Vereins mit dem<br />
großen Benefizkonzert von 1992, dem Bau des neuen Probenraums und der Renovierung<br />
des Kriegerdenkmals 1995 sowie den Feierlichkeiten zum 100. Vereinsjubiläum 1996.<br />
Zwei <strong>Jahre</strong> nach diesem Jubiläum gab Dieter Schmitt den Vorsitz ab. Im Januar 1998<br />
wurde sein bisheriger Stellvertreter Manfred Hipp zu seinem Nachfolger gewählt. Der<br />
1939 geborene Hipp trat 1955 dem Verein bei und wurde bereits 1964 als „2. Kassier“<br />
erstmals Mitglied des Vorstandes. 1972 bis 1988 verantwortete er als Schatzmeister die<br />
Finanzen des Vereins. Höhepunkt seiner Amtszeit als Vorsitzender wurde das von ihm<br />
initiierte große Konzert aller sieben Rheinauer Chöre im <strong>Jahre</strong> 2001. Doch fast entscheidender<br />
für den Verein war die Unterstützung, die er mit seiner Hallenbau-Firma für seinen<br />
Verein leistete.
126<br />
Ein schwerer Schlag war es daher für den Verein, als Hipp im <strong>Jahre</strong> 2007 einen Schlaganfall<br />
erlitt und auch nach seiner weitgehenden Genesung nicht mehr in der Lage war,<br />
den Vorsitz weiter auszuführen. Nach langer Bedenkzeit erklärte sich der bisherige Mitgliederwart<br />
Jürgen Ruf bereit, das Amt zu übernehmen: „Ich habe es mit meinen 65 <strong>Jahre</strong>n<br />
eigentlich nicht mehr nötig, Vorsitzender zu machen“, betonte Ruf, seit 1958 Mitglied<br />
des Vereins und seit 1978 Mitglied des Vorstandes: „Aber meine Liebe zum <strong>MGV</strong> ist der<br />
Grund, warum ich den Verein nicht hängen lasse.“ Am 19. Januar 2008 wurde er mit 40<br />
von 48 Stimmen zum neuen Vorsitzenden des Vereins gewählt, der damals 126 Mitglieder<br />
und 39 Aktive (16 Sänger und 23 Sängerinnen) zählte. Auf seinen Antrag hin wurde<br />
sein Vorgänger einstimmig zum Ehrenvorsitzenden gewählt.<br />
In Rufs Amtszeit wurden die bisherigen Aktivitäten fortgeführt, aber auch neue entwickelt,<br />
so etwa das von ihm bereits kurz nach seiner Amtsübernahme initiierte Kurpfälzer<br />
Kerwe-Schlachtfest. Herausragende Veranstaltung seiner Amtszeit war das Jubiläumskonzert<br />
zum 25-jährigen Bestehen des Frauenchors im <strong>Jahre</strong> 2010. Eine ständige Herausforderung,<br />
der er sich in seiner Amtszeit gegenübersah, war der Wechsel in der Chorleitung;<br />
drei derartiger Wechsel innerhalb von nur sechs <strong>Jahre</strong>n hatte er zu bewältigen.<br />
Nur auf Grund dieses Jubiläumsjahres erklärte sich der 73-Jährige 2015 noch einmal<br />
bereit, den Vorsitz weiter zu bekleiden, und wurde denn auch auf der Generalversammlung<br />
im Januar 2016 einstimmig noch einmal in seinem Amt bestätigt – allerdings gemäß<br />
seiner Bedingung lediglich für ein Jahr bis zum Januar 2017. Wie es danach an der<br />
Vereinsspitze weitergeht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig offen.<br />
Vorsitzende des <strong>MGV</strong> 1896<br />
1896-1897 Philipp Rothacker<br />
1987-1898 Johann Geiß<br />
1898-1901 Josef Kühner<br />
1901-1904 Philipp Rothacker<br />
1905-1907 Christian Löber<br />
1907-1911 August Geißler<br />
1911-1914 Franz Klube<br />
1914-1915 August Geißler<br />
1915-1920 Johann Sinn<br />
1920-1922 August Geißler<br />
1922-1925 Franz Klube<br />
1925-1926 Karl Schmitt<br />
1927-1928 August Geißler<br />
1928-1931 H. Heiß<br />
1931-1933 H. Heck<br />
1933-1933 Philipp Held<br />
1933-1935 Vinzenz Held<br />
1935-1936 H. Schiessl<br />
1936-1938 Heinrich Weber<br />
1938-1941 Hans Knoblauch<br />
1941-1942 Georg Mächerlein<br />
1942-1945 Paul Maron<br />
1946-1947 Josef Häusler<br />
1947-1955 Paul Maron<br />
1956-1958 Willi Geeven<br />
1958-1960 Gunter Buchholz<br />
1960-1964 Franz Graf<br />
1964-1992 Helmut Schmitt<br />
1992-1998 Dieter Schmitt<br />
1998-2008 Manfred Hipp<br />
2008-2017 Jürgen Ruf
127<br />
Helmut Schmitt<br />
1964-1992<br />
Dieter Schmidt<br />
1992-1998<br />
Manfred Hipp<br />
1998-2008<br />
Jürgen Ruf<br />
2008-2017
128<br />
Die historische Vereinsfahne des <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau e. V.
129<br />
Fahne<br />
In kaum einem Bereich des Vereinslebens lässt sich sein grundlegender Wandel so prägnant<br />
ablesen wie bei der Vereinsfahne und ihrer Bedeutung für die einzelnen Mitglieder.<br />
Einstmals geradezu heiliges Symbol der Vereinsgemeinschaft, ist sie nach <strong>120</strong> <strong>Jahre</strong>n lediglich<br />
zum werbewirksamen Gestaltungselement des Vereinslogos mutiert.<br />
Entstehung des Fahnenbrauches<br />
Die Tradition der Fahne stammt ursprünglich aus dem militärischen Bereich; Fahnen<br />
waren notwendig, um in den Wirren eines Gefechtes die eigenen von den feindlichen<br />
Truppen zu unterscheiden und versehentlichen Beschuss der eigenen Kräfte, neudeutsch<br />
als „Friendly Fire“ bezeichnet, zu vermeiden.<br />
Aus den auf dem gesamten Kontinent bekannten Standarten der römischen Legionen<br />
entwickelten die entstehenden mitteleuropäischen Fürstentümer des frühen Mittelalters<br />
quadratische Stoff-Fahnen als Erkennungszeichen der eigenen Gemeinschaft, denen im<br />
Laufe der Zeit eine immer größere emotionale Bedeutung zukam. Besonders im Zeitalter<br />
der Romantik und des Deutschen Kaiserreiches erfuhr die Fahne eine fast heilige Verehrung.<br />
Das in jener Zeit entstehende Vereinswesen vor allem der Turner und der Sänger übernahm<br />
den Brauch der Fahne mit all seiner emotionalen Bedeutung. Auch der <strong>MGV</strong> 1896<br />
Rheinau legte sich natürlich eine eigene Fahne zu, allerdings erst acht <strong>Jahre</strong> nach seiner<br />
Gründung.<br />
Die Fahnenweihe<br />
Die Weihe der Fahne nahm der Verein am 14. und 15. Mai 1904 vor. Wilhelm Engelhardt,<br />
Chef der Firma Geber & Mader und wohnhaft im Haus neben der Villa des Dr. Spinner,<br />
fungierte als Fahnenjunker, was man getrost als Frühform des Sponsoring werten kann.<br />
Mina Rothacker, die Tochter des Vereinsgründers, amtierte als Fahnenbraut – offenbar<br />
demonstrativer Dank und Anerkennung für den „Vereinsvater“. Auguste Scherer aus dem<br />
„Stall“ des Saalbaus Scherer und Anna Strauß aus einer Spengler-Familie, zwei Töchter<br />
alter Rheinauer Familien also, bildeten die Prinzessinnen.<br />
Bereits über ein Jahr vor dem Ereignis hatte der Verein einen Festausschuss gebildet,<br />
dem Philipp Rothacker als Gallionsfigur vorstand und August Geißler als Schriftführer die<br />
anfallenden Arbeiten erledigte. Einmal im Monat, so geht aus den komplett erhaltenen<br />
Unterlagen hervor, trafen sich die Organisatoren abwechselnd in einer der Rheinauer<br />
Gastwirtschaften, sei es im „Pfälzer Hof" von August Maier, dem „Freischütz“ von Johann<br />
Seitz, dem (damals:) „Neuen Relaishaus“ von Philipp Roßrucker oder dem „Ratsstübl“<br />
von Karl Fritzinger.
130<br />
Eine Tradition, die längst verschwunden ist.<br />
Bis in die sechziger <strong>Jahre</strong> hinein wurde bei allen öffentlichen Auftritten des <strong>MGV</strong> 1896 in Rheinau und auswärts, wie hier<br />
beim Sängerfest in Hirsschhorn 1959, die Fahne mitgeführt.
131<br />
Die Feierlichkeiten müssen ein eindrucksvolles und anstrengendes Ereignis gewesen<br />
sein. Sie begannen am Samstag, dem 14. Mai abends um halb acht mit einem Fackelzug.<br />
Hierauf folgte das Festbankett im Vereinslokal „Zum Goldenen Hirsch“. Der folgende<br />
Sonntag begann bereits wieder um 10 Uhr mit einem Empfang für die auswärtigen<br />
Gäste, die sich ab halb eins beim Mittagessen, ebenfalls im "Hirsch“, stärkten für das was<br />
folgen sollte. Denn um drei Uhr nachmittags begann der Festzug zum Festplatz. Ein Vorreiter<br />
hoch zu Pferde führte den Zug an, gefolgt von Aktiven des Radfahrervereins Eintracht<br />
und den Tambouren. Den Musikanten folgten die Fahnentruppe, der Fest-Ausschuss<br />
und die teilnehmenden Gesangsvereine, als letzter der <strong>MGV</strong> selbst.<br />
Auf dem Festplatz übergaben schließlich die Fahnenjungfrauen dem Verein die Fahne.<br />
Das überlieferte Programm gibt uns nicht nur Aufschluss über die anwesenden Vereine,<br />
sondern auch über ihr Repertoire. Der Bruderverein Liederkranz etwa sang „Ich kehre<br />
wieder“ von Mengert, das Männer-Quartett Waldsee „An die Freundschaft“ von Neidhardt<br />
und der Sängerbund Hockenheim „Der Mai ist da“ von Bernhard Dietrich; keines<br />
dieser Lieder wird heute noch gesungen. Nicht mehr existent ist auch mancher der damals<br />
teilnehmenden Vereine, so etwa ein „Norddeutscher Verein Rheinau“.<br />
Anfang der dreißiger <strong>Jahre</strong> wurde die Fahnen aufwendig restauriert, und zwar von<br />
der Ehefrau des Vereinsvorsitzenden Heck – ein Vorgang, der nach 1933 Gegenstand<br />
heftiger persönlicher Auseinandersetzungen im Verein wurde. Die nationalsozialistischen<br />
Gegner Hecks kreideten dem Vorsitzenden an, seine Frau habe für ihre Arbeit unverhältnismäßige<br />
Kosten berechnet; Auslagen für Porto und Telefon seien zu hoch ausgefallen<br />
und darüber hinaus durch keinerlei Quittungen belegt gewesen. In einer Sitzung der<br />
„Vereinsführerschaft“ wurde Heck, damals schon nicht mehr im Amt, mit diesen Anschuldigungen<br />
konfrontiert und ihm gedroht, sie weiter zu verfolgen, wenn er seinen<br />
Widerstand gegen die neue NS-nahe Vereinsführung nicht aufgebe.<br />
Nach Ende des Dritten Reiches waren emotionale Symbole wie Hymne und Fahne in<br />
Deutschland im öffentlichen Bereich zunächst diskreditiert. Die emotionale Kraft, die sie<br />
bei den Menschen entfaltet hatten, war von den Nationalsozialisten genutzt worden,<br />
um sie für ihre verbrecherischen Zeile zu missbrauchen. Die Vereine allerdings konnten<br />
ihre Fahnen, sofern sie kein Hakenkreuz beinhalteten, wieder problemlos benutzen.<br />
Auch der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau zeigte seine alte Fahne vor. Auch die aus dem 19. Jahrhundert<br />
stammenden Bräuche im Zusammenhang mit der Fahne wurden wieder nahtlos<br />
fortgeführt.<br />
Zur Popularisierung des 60. Vereinsjubiläums im <strong>Jahre</strong> 1956 hatte der Verein in der<br />
Textilhandlung Baral in der Neuhofer Straße (späterer Penny-Markt) ein Schaufenster<br />
dekoriert, in dem die Vereinsfahne gemeinsam mit Pokalen und Notenheften ausgestellt<br />
wurde – ein Brauch, der wie so viele andere in den zurückliegenden Jahrzehnten verlorenging<br />
oder sich nicht mehr realisieren ließ.<br />
Bei den Feierlichkeiten zum 90-, 100- und <strong>120</strong>-jährigen Jubiläum in den <strong>Jahre</strong>n 1986,<br />
1996 und 2016 spielten Rituale im Zusammenhang mit der Fahne denn auch keinerlei<br />
Rolle mehr. Weder ein Fahnenspruch noch das Anfügen einer Fahnenschleife aus Anlass<br />
des Jubiläums geschweige denn die Einsetzung eines Fahnenjunkers oder einer Fahnendame<br />
waren bei diesen Feierlichkeiten mehr vorgesehen. Die Vereinsfahne diente bei<br />
derartigen Veranstaltungen lediglich noch als Requisite und Kulisse auf der Bühne.
132<br />
Ein Brauch, den es nicht mehr gibt.<br />
Bei früheren Vereinsjubiläen wurden die Insignien und Trophäen des Vereins in einem Ladengeschäft auf der Rheinau<br />
ausgestellt, hier beim „60-Jährigen“ 1956 im Textilgeschäft Baral.<br />
60. Geburtstag des Vereins 1956.<br />
Der Chor bei seinem Auftritt während des Festaktes im „Badischen Hof“.
133<br />
Jubiläen<br />
Das Feiern von Jubiläen hat für Vereine eine wichtige Bedeutung. Der Rückblick auf ihre<br />
Entstehung ermöglicht es ihnen, eine Zwischenbilanz des bislang Geschaffenen zu ziehen<br />
sowie diejenigen zu würdigen, denen diese Erfolge zu verdanken sind; es kann aber<br />
auch Anlass sein, eine kritische Bestandsaufnahme der aktuellen Situation des Vereins<br />
vorzunehmen oder im Idealfalle sogar Ziele für das künftige Wirken zu formulieren. Dabei<br />
hängt die Art und Weise, wie die Jubiläen gefeiert werden, stets von den Zeitumständen<br />
ab.<br />
Die ersten Jubiläen<br />
Für den <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau fielen die ersten runden <strong>Jahre</strong>stage in diesem Sinne jeweils<br />
ungünstig. Das 25. Jubiläum lag im <strong>Jahre</strong> 1921; drei <strong>Jahre</strong> nach Ende des Krieges und der<br />
Revolution von 1918 herrschte im Lande auf Grund der Inflation immer noch wirtschaftliche<br />
Not. Dieses Jubiläum konnte daher nicht groß gefeiert werden.<br />
Anders sah es beim 40. Stiftungsfest im <strong>Jahre</strong> 1936 aus. Zwar lag dieses Jubiläum inmitten<br />
des sogenannten Dritten Reiches, stand jedoch im Zeichen der beeindruckenden<br />
Olympischen Spiele von Berlin und damit der wiedergewonnen Anerkennung Deutschlands<br />
durch die Völkergemeinschaft. Hitler befand sich daher auch in den Augen manch<br />
bisheriger Skeptiker auf der Höhe seines Ansehens, sodass es kein Wunder war, dass<br />
beim Festbankett des <strong>MGV</strong> im „Badischen Hof“ in der Relaisstraße (neben dem heutigen<br />
Gasthaus „Schindeldach“) inmitten der Bühne neben den Gründungsmitgliedern und<br />
den Honoratioren des Vereins sowie der Festdame ein Bild des sogenannten Führers<br />
prangte.<br />
Dass dies eine bestenfalls scheinbar gute Zeit war, da zeigte bereits das 50. Jubiläum<br />
im <strong>Jahre</strong> 1946. Nur ein Jahr nach Ende des furchtbaren Krieges konnte die Feier wieder<br />
nur bescheiden ausfallen. Sie begann mit einer Jubilarehrung erneut im „Badischen<br />
Hof“, die von befreundeten Chören der Region umrahmt wurde. Am zweiten Tag lud<br />
der Verein zu einem Festkonzert, bei dem auch der Tenor Franz Fehringer (1910-1988)<br />
vom Nationaltheater Mannheim auftrat. Das einzige damals noch lebende Gründungsmitglied,<br />
Philipp Rothacker, konnte schon nicht mehr anwesend sein: Die Ehrenurkunde<br />
über 50jährige treue Mitgliedschaft musste ihm der Vereinsvorsitzende Paul Maron<br />
nach Abschluss des Jubiläumswochenendes ins Altenheim nach Weinheim überbringen<br />
Die bis dahin größte Jubiläumsveranstaltung konnte der <strong>MGV</strong> unter seinem damaligen<br />
Vorsitzenden Willy Geeven 1956 anlässlich seines 60-jährigen Bestehens feiern - mit<br />
einem großen Fest in den Räumen des „Badischen Hofes“, der jetzt „Apollo-Lichtspiele“<br />
hieß, mit anschließendem Ball in der TSG Rheinau. Das Repertoire der Lieder stammte<br />
von Franz Schubert und Robert Schumann, eine Chorliteratur, die den Stempel Erich<br />
Benders trug. Bereits damals begeisterte Walter Morath in „Du bist die Ruh“ von Schubert<br />
mit seinem Tenorsolo. An der Spitze der Jubilare standen Johann Stegmann, Franz<br />
Klube und Vinzenz Held, die für 50jährige Mitgliedschaft geehrt wurden.
134<br />
Festakt zum 75. Jubiläum 1971 im Nachbarschaftshaus.<br />
Im Publikum links des Mittelgangs Innenminister Walter Krause, Oberbürgermeister Prof. Dr. Ludwig Ratzel, Bundestagsabgeordneter<br />
Prof. Dr. Hans-Georg Schachtschabel, Stadtrat Winfried Höhn, Landtagsabgeordneter Willibald Kimmel.<br />
Festakt zum 90-jährigen Bestehen 1986 im Nachbarschaftshaus.<br />
In der ersten Reihe von rechts: Oberbürgermeister Gerhard Widder, Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Roswitha Wisniewski,<br />
Landtagsabgeordneter Gerhard Bloemecke, Stadtrat Winfried Höhn, Frau Gremm, Stadtrat Valentin Gremm, Stadtrat<br />
Rolf Schmidt, Stadtrat Paul Buchert.
135<br />
Zur Popularisierung der Festlichkeiten hatte der Verein in jenem Jahr übrigens bei der<br />
Textilgeschäft Baral in der Neuhofer Straße (späterer Penny-Markt) ein Schaufenster mit<br />
Fahne, Pokalen und Notenheften ausgerichtet – ein Brauch, der wie so viele andere in<br />
den zurückliegenden Jahrzehnten verlorenging oder sich nicht mehr realisieren ließ.<br />
Erstmals in einer Periode des Wohlstands konnte der Verein 1971 ein Jubiläum unbeschwert<br />
feiern: Zum 75-jährigen Bestehen veranstaltete er einen Festakt im Nachbarschaftshaus,<br />
an dem der aus Mannheim stammende Innenminister des Landes Baden-<br />
Württemberg, Prof. Walter Krause, Oberbürgermeister Prof. Dr. Ludwig Ratzel und der<br />
Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Hans-Georg Schachtschabel teilnahmen. Ihm folgte<br />
ein Festball in der TSG Rheinau.<br />
90-jähriges Bestehen 1986<br />
Obwohl kein klassisches rundes Jubiläum, feierte der <strong>MGV</strong> sein 90-jähriges Bestehen am<br />
3. Mai 1986 mit einem großen Festakt im Nachbarschaftshaus Rheinau. Anwesend war<br />
alles, was in Rheinau und darüber hinaus Rang und Namen hatte, allen voran die Bundestagsabgeordnete<br />
Professor Dr. Roswitha Wisniewski, die Landtagsabgeordneten Gerhard<br />
Bloemecke und Jörg Ueltzhöffer, Oberbürgermeister Gerhard Widder, die Stadträte Winfried<br />
Höhn, Valentin Gremm, Rolf Schmidt, Rolf Dieter, Helmut Wetzel und Konstanze<br />
Wegner sowie die Vereinsvorsitzenden Paul Buchert (Gemeinnütziger Verein Rheinau),<br />
Oskar Blum (Gemeinnütziger Verein Pfingstberg-Hochstätt), Philipp Genazino (Mannheimer<br />
Rudergesellschaft), Horst Burger (Heimatverein) und Michael Unrath (TSG Rheinau).<br />
Die Festrede hielt Oberbürgermeister Gerhard Widder. Jubiläen zu feiern, so betonte<br />
das Stadtoberhaupt, heiße keineswegs, vor der Gegenwart zu flüchten. Vielmehr sei es<br />
eine Würdigung der Leistung derer, die mit ihrem Engagement die Grundlagen für die<br />
erfolgreiche Vereinsarbeit von Heute geschaffen hätten: „Wir leben zwar nicht für die Vergangenheit,<br />
aber aus der Vergangenheit.“ Gesangvereine seien unverzichtbar, da sie für<br />
den Fortbestand des Kulturgutes Lied sorgten. Widder mahnte die Gesangvereine aber<br />
auch, sich verstärkt um die Jugend zu bemühen. In diesem Zusammenhang kritisierte er<br />
die Trennung von ernster und unterhaltsamer Musik, weil dadurch oft unnötige Grenzen<br />
zwischen Jung und Alt aufgebaut würden: „Glaube doch niemand, junge Menschen<br />
seien nicht zu künstlerischen Leistungen fähig!“ Widder würdigte die Mitarbeit in den Vereinen<br />
als wichtigste Form bürgerschaftlichen Engagements: „Vereine sind auf Dauer angelegte<br />
Bürgerinitiativen.“ Die Gesangvereine seien dabei die „lebendigen Körperzellen im<br />
Organismus Stadt.“<br />
Stellvertretend für alle Aktiven überreichte der Oberbürgermeister dem Vorsitzenden<br />
Helmut Schmitt die Ehrennadel des Landes Baden-Württemberg und die von Ministerpräsident<br />
Lothar Späth unterzeichnete Ehrenurkunde. Schmitt habe in den bislang<br />
22 <strong>Jahre</strong>n als Vorsitzender den Bestand des Vereins durch die Etablierung eines Frauenchores<br />
mit Weitblick langfristig gesichert und sich mit traditionsreichen Veranstaltungen<br />
wie dem „Bürgerball“ und dem „Marktplatzfest“ um die Pflege des Kulturgutes Lied verdient<br />
gemacht: „Wir zählen auch künftig auf den <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau“, betonte Widder.
136<br />
Jubiläumsball zum „100-Jährigen“ 1996.<br />
Stargast im Nachbarschaftshaus war die bekannte Chanson-Sängerin Joana, die zahlreiche persönliche Beziehungen<br />
zum <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau und seinen Repräsentanten unterhält.<br />
Festakt zum „100-Jährigen“ im Nachbarschaftshaus.
137<br />
Die Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Roswitha Wisniewski wies in ihrer Ansprache<br />
darauf hin, dass mit drei Millionen Mitgliedern in 19.000 Gesangvereinen mehr Bundesbürger<br />
in Gesangvereinen aktiv seien als in politischen Parteien. Deutschlands kulturelle<br />
Tradition beruhe nicht zuletzt auf dem Chorgesang. „Es ist die Schönheit, durch welche<br />
man zur Freiheit wandelt", zitierte sie den Dichter Friedrich Schiller.<br />
Grußworte einschließlich der obligatorischen Briefumschläge überbrachten die Rheinauer<br />
Stadträte Winfried Höhn (SPD) und Valentin Gremm (CDU), Philipp Genazino für die<br />
von ihm geführte Rudergesellschaft Rheinau und Dieter Walter für den Heimatverein.<br />
Der anderthalbstündige Festakt wurde musikalisch umrahmt vom Männerchor und<br />
dem Frauenchor des <strong>MGV</strong> unter Leitung von Lucia Lewczuk, der Sopranistin Irmtraud<br />
Scharizer vom Nationaltheater Mannheim und dem Pianisten Kunibert Werner. Gespielt<br />
Stücke von Mozart und Chopin.<br />
Im darauf folgenden, ebenfalls anderthalb Stunden dauernden Freundschaftssingen<br />
brachten acht befreundete Vereine dem <strong>MGV</strong> ihre Ständchen dar. So begeisterte die<br />
ebenfalls von Lucia Lewczuk dirigierte „Chorgemeinschaft Ruchheim“ mit Beethovens<br />
„Hymne an die Freude“ und dem berühmten Refrain „Alle Menschen werden Brüder“.<br />
Dieser insgesamt dreieinhalbstündigen akademischen Feier schloss sich ein mindestens<br />
ebenso langer Bunter Abend im angrenzenden Vereinsheim der TSG Rheinau an.<br />
100. Jubiläum 1996<br />
Die bislang größte Herausforderung für den Verein in Sachen Jubiläum nahte in Gestalt<br />
des 100-jährigen Jubiläums 1996. Bereits zu Beginn des <strong>Jahre</strong>s 1994 hatte sich der im<br />
Jahr zuvor ins Amt gekommene neue Vorstand unter Leitung von Dieter Schmidt auf die<br />
Struktur der Jubiläumsaktivitäten geeinigt: ein Festakt mit Festreden, ein Konzert sowie<br />
ein <strong>Festbuch</strong>.<br />
Anfang 1993 sprach Vorsitzender Dieter Schmidt den „MM“-Redakteur Konstantin<br />
Groß an, ob er für den Verein die Festschrift erstellen könne; im Vorjahr hatte er bereits<br />
das <strong>Festbuch</strong> für den größten und ältesten Verein der Rheinau, den Turnverein 1893,<br />
mitgestaltet, das bei den dortigen Mitgliedern auf großen Zuspruch gestoßen war.<br />
Auch bei den Sängern erklärte sich Groß bereit, das <strong>Festbuch</strong> ohne Honorar zu erstellen<br />
und auch Dokumente und Fotos aus seinem eigenen umfangreichen Archiv beizusteuern.<br />
Bereits im April 1994 fand im „Rheineck“ die erste Sitzung des Festschrift-Ausschusses<br />
statt, auf der die Grundsätze der geplanten Publikation festgelegt wurden.<br />
Bei seiner Arbeit musste der Festschrift-Ausschuss quasi bei Null beginnen, konnte er<br />
doch auf keinerlei Vorgänger-Schrift zurückgreifen. Die neu zu erstellende Festschrift war<br />
die erste in der 100jährigen Geschichte des Vereins; beim 50. Jubiläum 1946 herrschte<br />
blanke Not, hatte der Verein andere Sorge als eine Festschrift. Auch beim 75. Geburtstag<br />
1971 war kein Geld für ein <strong>Festbuch</strong> vorhanden. Und der letzte große Geburtstag<br />
des Vereins, der 90. im <strong>Jahre</strong> 1986, wurde zwar in guter Finanzlage gefeiert, stellte aber<br />
kein klassisches Jubiläum dar und somit auch nicht den richtigen Anlass für eine Festschrift<br />
dar.
138<br />
Der prominente Festredner: Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer.<br />
Dass der Chef der deutschen Geheimdienste als Festredner für den Festakt zum 100. Jubiläum des <strong>MGV</strong> gewonnen werden<br />
konnte, das war eine Sensation. Dem Verein schrieb der enge Vertraute von Bundeskanzler Helmut Kohl außerdem<br />
diese Widmung, die natürlich einen Ehrenplatz im Vereinsarchiv innehat.
139<br />
Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen dieses Alters war die Materiallage, was die<br />
Originaldokumente betrifft, beim <strong>MGV</strong> jedoch gut. Gründungsdatum und Ort waren<br />
bekannt, sämtliche Protokollbücher vorhanden, lagerten bei Vorstandsmitglied Jürgen<br />
Ruf an dessen Arbeitsplatz, der Gerhart-Hauptmann-Schule in Rheinau-Süd. Ruf und<br />
sein Vorstandskollege Günter Friedrichs arbeiteten sie mehrere Wochen lang durch, um<br />
das Wichtigste herauszufiltern; Helmut Schmitt, der seine eigene Amtszeit lückenlos detailliert<br />
festgehalten hatte, steuerte aus seinen umfangreichen Fotoalben wertvolles Bildmaterial<br />
bei.<br />
Dank seiner ausgezeichneten Verbindungen gelang es ihm außerdem, den Ministerpräsidenten<br />
des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel, als Schirmherrn, und den<br />
Staatsminister im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, als Festredner zu gewinnen.<br />
Vor allem Letzteres war natürlich eine Sensation, galt Schmidbauer doch als enger Vertrauter<br />
von Bundeskanzler Helmut Kohl und als in seiner Funktion auch Koordinator aller<br />
deutschen Geheimdienste. Auf Grund dessen herrschte im Rheinauer Nachbarschaftshaus<br />
höchste Sicherheitsstufe und bereits im Vorfeld große Aufregung. Eine Stunde, bevor<br />
der hohe Gast eintreffen sollte, rückte die Hundestaffel der Polizei an, um unter die<br />
Bühne zu schnüffeln und den Keller zu durchsuchen. Den ganzen Nachmittag über<br />
blieb der Mannschaftswagen vor der Tür postiert, Revierführer Winfried Scherer schaute<br />
selbst nach dem Rechten.<br />
Schmidbauer sagte in seiner Rede: „Europa ist nicht nur Wirtschaft, Europa ist auch Kultur.<br />
Wir haben gemeinsame kulturelle Quellen, gerade in der Musik. Die Kontakte des <strong>MGV</strong> zu<br />
Chören in Tschechien und Kroatien machen dies deutlich: Musik ist eine universelle Sprache.<br />
Musik ist aber auch ein schöpferischer Akt. Trotz erweiterter Freizeitangebote wird es den<br />
Chorgesang daher immer geben. Chorgesang bietet seinen Aktiven eine dreifache Freude: in<br />
der künstlerischen Betätigung, in der Anerkennung, die sie findet, und der Freude, die sie anderen<br />
bereitet. Bewahren Sie sich Ihre ansteckende Freude.“<br />
Weiter sagte der Minister: „Gerade in einer Zeit der Technisierung werden Vereine gebraucht,<br />
damit die Menschen sich wohlfühlen. Ihre Aktiven opfern ihre Freizeit für die kulturelle<br />
Bereicherung des Ganzen. Als Paradebeispiel können gelten: Helmut Schmitt, der 28 <strong>Jahre</strong><br />
lang den Verein führte; der Mitgliederwart Jürgen Ruf, der durch seine akribische Archivführung<br />
die Festschrift ermöglichte; und Konstantin Groß, der sie unentgeltlich verfasste. Unsere<br />
Gesellschaft braucht Menschen wie diese.“ Und im Scherz fügte Schmidbauer hinzu: „Der<br />
Vorgänger heißt Helmut Schmitt, der Nachfolger Dieter Schmidt, da kann man bei der Anrede<br />
ja nie etwas falsch machen.“ Im Auftrag von Bundespräsident Roman Herzog überreichte<br />
Schmidbauer dem Vorsitzenden Dieter Schmidt die Zelterplakette des Bundespräsidenten,<br />
die alle Gesangvereine erhalten, die 100 <strong>Jahre</strong> alt werden.<br />
Nachdem Schmidbauer seine Rede gehalten hatte, waren selbst jene begeistert, die<br />
seinem Auftritt skeptisch gegenüber gestanden hatten – wegen der Verpflichtung des<br />
CDU-Politikers hatte es im Vorfeld sogar einen Austritt aus dem Verein gegeben. „Eine<br />
eindrucksvolle Rede“, so lautete das einhellige Urteil. Berichterstatter Helmut Losert<br />
schrieb im Nachklang in der Stadtteilzeitung „Rheinauer Boten“ den humorvollen Kommentar:<br />
„Erstaunlich seine Detailkenntnisse! So wusste Schmidbauer nicht nur den Namen<br />
des Vorsitzenden. Er lobte auch das von MM-Redakteur Konstantin Groß verfasste <strong>Festbuch</strong>.<br />
Hier stellt sich die Frage: Hat Schmidbauer Agenten in Rheinau, die ihn regelmäßig informieren?“
140<br />
Hohe Auszeichnung für den <strong>MGV</strong>.<br />
Im Rahmen des Festaktes überreichte Kanzleramtsminister Schmidbauer dem Vorsitzenden Dieter Schmidt (M.) die Zelterplakette<br />
des Bundespräsidenten, die dieser dem <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau anlässlich seines 100. Jubiläums verliehen hatte.<br />
Aus dem Hintergrund beobachtet <strong>MGV</strong>-Sänger und TSG-Chef Peter Klug das Geschehen.<br />
Der älteste Verein Rheinau gratuliert dem zweitältesten.<br />
Der Vorsitzende des Turnvereins 1893 Rheinau, Valentin Gremm, überreichte Dieter Schmidt als Jubiläumsgeschenk<br />
einen Wappenteller. Die Sänger um Jürgen Ruf (l.) und Manfred Hipp freuen sich über das Geschenk.
141<br />
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Konstanze Wegner zeichnete in ihrem Grußwort<br />
den Weg des <strong>MGV</strong> in den vergangenen 100 <strong>Jahre</strong>n nach und fasste zu diesem<br />
Zweck die wesentlichen Punkte des <strong>Festbuch</strong>es von Konstantin Groß zusammen. Ihre<br />
Bilanz: „Der Männergesangverein 1896 Rheinau hat in den zurück liegenden 100 <strong>Jahre</strong>n<br />
vielen Menschen Freude gebracht, er war ein Ort der Gemeinschaft und hat karitativ gewirkt.<br />
Sein Erfolg ist das Ergebnis des Fleißes und des Könnens seiner Vorstände und Dirigenten.<br />
Helmut Schmitt hat in Dieter Schmidt einen würdigen Nachfolger gefunden. Ein solches Engagement<br />
ist in unserer Zeit nicht selbstverständlich. Unsere Gesellschaft aber ist darauf angewiesen,<br />
heute mehr denn je. Machen Sie deshalb gerade so weiter.“ Die von ihr vorgenommene<br />
Jubilarehrung versah sie mit einem Schuss Humor. Im Angesicht der rüstigen<br />
Jubilare scherzte sie nämlich: „Man sieht: Singen hält jung. Da hätten wir mal lieber mehr<br />
gesungen als Politik gemacht, Herr Kollege Schmidbauer.“<br />
Nicht mit Ruhm bekleckert hatte sich übrigens die Stadt Mannheim. Der Oberbürgermeister<br />
hatte wegen einer Ordensverleihung, die ihm in Ludwigsburg zu Teil wurde,<br />
nicht kommen können. Doch dass keiner der fünf Bürgermeister Zeit hatte? Aus der Not<br />
wurde eine Tugend, die den Verein freute: Stadtrat Winfried Höhn, Ur-Rheinauer („Ich<br />
kenne fast alle Mitglieder des Vereins persönlich“) und selbst Mitglied im <strong>MGV</strong> 1896<br />
Rheinau, überbrachte die Glückwünsche der Stadt und der Rheinauer Vereine. Er sagte:<br />
„Der Männergesangverein hat seit 100 <strong>Jahre</strong>n das kulturelle Leben Rheinaus und der Stadt<br />
Mannheim mitgestaltet. Prädikate und Wertungen treffen nicht den Kern seiner Leistung: Er<br />
ist Integrationskraft und Kulturträger, ein Spiegelbild der Rheinauer Geschichte. Die Arbeit<br />
der Aktiven ist unbezahlt und unbezahlbar.“<br />
Für den Gewerbeverein brachte dessen stellvertretender Vorsitzender Klaus Götze die<br />
Zusage für einen kompletten Satz neuer Noten mit; Peter Klug, der Chef der TSG, gratulierte<br />
auch als Hausherr des Probenraums der Sänger. Und Vitus Gremm, der Chef des<br />
ältesten Vereins im Vorort, des Turnvereins 1893 Rheinau, hieß den <strong>MGV</strong> im „Club der<br />
Hundertjährigen“ willkommen. Auch Gremm hatte eine humorvolle Bemerkung auf Lager,<br />
als er ein Bonmot aus seiner Schulzeit während des Dritten Reiches zitierte: „Wer ist der<br />
teuerste Gesangverein in Deutschland? Der Reichstag: Seine Abgeordneten fahren<br />
zweimal im Monat nach Berlin, singen zwei Lieder – Deutschland-Lied und Horst-Wessel-<br />
Lied –, fahren wieder heim und kassieren mehrere hundert Reichsmark.“<br />
Abschließend sprach Jürgen Zink als Repräsentant der 70 Mannheimer Chöre, von<br />
denen viele durch ihre Vorsitzenden vertreten waren. Zink sagte: „Auch das kulturelle<br />
Herz Mannheims schlägt in den Stadtteilen. Es ist daher passend, dass der Festakt ,100 <strong>Jahre</strong><br />
<strong>MGV</strong> 1896 Rheinau’ mit der Aktion ,Klingende Kurpfalz’ zusammen fällt.“ Und dann überreichte<br />
er ein Geschenk: „Von mir gibt’s Noten, richtige Noten, Banknoten also.“<br />
Nach der Pause kam der musikalische Genuss, der im ersten Teil nur die Umrahmung<br />
der Reden bilden durfte, zur vollen Entfaltung: natürlich der Männer- und der Frauenchor<br />
selbst, aber auch die eindrucksvollen Stars des Nationaltheaters: Jutta Reisinger-<br />
Böhrer (Sopran), Slawomir Czarnecki (Bass), Elke Völker (Klavier), HaraId Tippl (Cembalo)<br />
sowie das Streichorchester Lukas Camerata unter Leitung von Eckhardt Stadler, Kantor<br />
der Unionskirche Mannheim. Und alle unter der Gesamtleitung von Lucia Lewczuk.
142<br />
Festakt am 7. Mai 2016 im Nachbarschaftshaus Rheinau<br />
Mitwirkende:<br />
<strong>MGV</strong> 1896 Rheinau, Männer- und Frauenchor mit Projektchor<br />
Solisten:<br />
Dzafer Dzaferi (Violine),<br />
Nicolas Popp (Trompete),<br />
Vera Pfannenstiel (Klavier)<br />
Musikalische Gesamtleitung: Eddy Werner Triebskorn<br />
Moderation:<br />
Georg Wolf<br />
Programm:<br />
Chor:<br />
Begrüßung:<br />
Chor:<br />
Festrede:<br />
Chor:<br />
Ansprache:<br />
Chor:<br />
Grußworte:<br />
Dzafer Dzaferi (Violine):<br />
Chor:<br />
„Die Macht der Musik“ (Arnold Kempkens)<br />
Jürgen Ruf,<br />
Vorsitzender des <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau<br />
„Freude klinge in die Welt“ (Alfons Burkhardt),<br />
„Meditation“ aus d. Oper „Theis“ (Jules Massenet)<br />
Stefan Rebmann,<br />
Mitglied des Deutschen Bundestages<br />
„Schau auf die Welt“ (John Rutter),<br />
„Romanze“ (Johan S. Svendson)<br />
Dr. Ulrike Freundlieb,<br />
Bildungsbürgermeisterin der Stadt Mannheim<br />
„Ihr von morgen“ (Udo Jürgens)<br />
Repräsentanten der befreundeten Vereine<br />
„Schön Rosmarin“ (Fritz Kreisler)<br />
„Halleluja“ (Willy Trapp)
143<br />
Freundschaftssingen<br />
Kindergarten-Chor Versöhnungskirche: Heidi Wolf, Pfarrer Uwe Sulger<br />
Ich liebe den Frühling<br />
Die Blumen im Garten<br />
Kirchenchor Versöhnungskirche: Elena Kleiser, Pfarrer Uwe Sulger<br />
Jubilate<br />
Johannes M. Michel<br />
Have a nice day<br />
Lorenz Meierhofer<br />
Antoniuschor Rheinau: Patrick Schilling, Michaela Mann<br />
Abschied vom Walde<br />
Felix Mendelssohn-Bartholdy<br />
Nearer,still nearer<br />
L. M. Morris<br />
Projektchor Glaskirche: Elena Kleiser, Pfr. Hansjörg Jörger, Michael Kußmann<br />
Mein kleiner grüner Kaktus<br />
Comedian Harmonist’s<br />
Mit 66 <strong>Jahre</strong>n<br />
Udo Jürgens<br />
Frohsinn Hochstätt-Pfingstberg: Gerhard Speich, Peter Baumgard<br />
Frohsinn lacht uns heut<br />
Willy Trapp<br />
Wirf die Sorgen über Bord<br />
Adolf Frey-Völlen<br />
Da Capo: Stefan Golea, Katharina Kurz<br />
Amadeus<br />
Loch Lomond<br />
Rob und Ferdie Bolland<br />
Thieriot / R.W. Williams<br />
Shanty Chor Mannheim: Walter Krainhöfner, Manfred Plehn<br />
Kleine weiße Möve<br />
Andreas Olesc<br />
Seemann, wo ist deine Heimat<br />
Koldwink<br />
Rheinauer Seebären Shanty-Chor: Markus Schnell, Heinz Scheel<br />
Adios Muchachos<br />
Heinz Drossauer<br />
La Paloma<br />
Yadier
144<br />
Informationen über den Autor<br />
Konstantin Groß<br />
Geboren 1964 in Mannheim, aufgewachsen im Stadtbezirk Oststadt sowie in den Vororten<br />
Almenhof und Rheinau. Nach dem Abitur am Moll-Gymnasium Mannheim-<br />
Niederfeld 1983 Studium u. a. der Neueren Geschichte, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />
sowie der Politischen Wissenschaften an der Universität Mannheim. Währenddessen<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Professor Dr. Peter Graf Kielmannsegg, Ordinarius<br />
für Politische Philosophie und Demokratietheorie an der Universität Mannheim.<br />
Nach Volontariat 1992 Redakteur beim „Mannheimer Morgen“, zunächst als Redakteur<br />
beim Chef vom Dienst (CvD), seit 1994 in der Regionalredaktion Rhein-Neckar/Badische<br />
Bergstraße.<br />
Bislang über 20 Buchveröffentlichungen im Bereich der Stadt- und Regionalgeschichte.<br />
Über Rheinau heute: „Mannheim-Rheinau – 100 <strong>Jahre</strong> jung“, Mannheim, 2014; Über den<br />
Ortsteil Rheinau-Süd: „Der Traum vom eigenen Heim. Von der IG-Siedlung zum Stadtteil<br />
Rheinau-Süd“, Mannheim, 2008; Über den Rheinauer Ortsteil Pfingstberg: „Zwischen<br />
Grün und Gleis. 75 <strong>Jahre</strong> Mannheimer Ortsteil Pfingstberg“, Mannheim, 1998; Über die<br />
katholische Kirchengemeinde Rheinau: „Freude am Leben durch Freude am Glauben. 100<br />
<strong>Jahre</strong> katholische Kirchengemeinde St. Antonius Mannheim-Rheinau“, Mannheim, 2000;<br />
Über die evangelische Kirchengemeinde Rheinau: „Von der Mission zur Versöhnung.<br />
100 <strong>Jahre</strong> Evangelische Kirche Mannheim-Rheinau“, Mannheim, 2004.<br />
Bürgerschaftliches Engagement: 2005-2013 Vorsitzender des „Gemeinnützigen<br />
Vereins Mannheim-Rheinau von 1957“ e. V. (Dachorganisation der Vereine und sozialen<br />
Einrichtungen, Kirchengemeinden und Schulen sowie der ehrenamtlich engagierten<br />
Bürgerinnen und Bürger im Stadtbezirk Rheinau der Stadt Mannheim); 2002-2013 Vorsitzender<br />
des „Fördervereins für das Parkschwimmbad Mannheim- Rheinau“ e. V.<br />
Ehrungen: Seit 2015 Ehrenvorsitzender des Fördervereins für das Parkschwimmbad<br />
Mannheim-Rheinau e. V.; Ehrenmitglied des Männergesangvereins 1896 Mannheim-<br />
Rheinau e. V. und der Sängerhalle Germania 1879 Mannheim-Neckarau e. V.; 2000<br />
„Goldener Bleistift“ der Bürgerdienste der Stadt Mannheim; 2002 Jubiläumsmedaille<br />
„50 <strong>Jahre</strong> Baden-Württemberg“ des Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg.
145<br />
Quellennachweis<br />
Zeitzeugen (Hauptgesprächspartner)<br />
Helmut Schmitt (1926-2013),<br />
ab 1946 im Verein, 1964-1992 Vorsitzender, seither Ehrenvorsitzender;<br />
Jürgen Ruf, geboren 1942, seit 1958 im Verein, seit 2008 Vorsitzender.<br />
Primärquellen<br />
Archiv des Männergesangvereins 1896 Mannheim-Rheinau e. V.;<br />
Archiv des Heimatvereins Rheinau/Pfingstberg e. V.; Archiv des „Mannheimer Morgen“;<br />
Privatarchiv Konstantin Groß.<br />
Sekundärquellen<br />
Konstantin Groß: „100 <strong>Jahre</strong> <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau“, <strong>Festbuch</strong> zum 100-jährigen<br />
Bestehen, 1996, VWM Verlag Dr. Peter Wagener, Mannheim, 185 Seiten.<br />
Konstantin Groß: „Du, meine Seele, singe“. Zum 20. Dirigenten-Jubiläum von Lucia<br />
Lewczuk, 2003, herausgegeben vom <strong>MGV</strong> 1896 Mannheim-Rheinau, <strong>120</strong> Seiten.<br />
Bildnachweis<br />
Pressefotografen/Journalisten: Abdelkader Naoui: 54/55, 62, 129 o., u. l.; Siggi Offen:<br />
60 u., 94, 122 u.; Konstantin Groß: 18, 22 o., 50 o., 74 u., 76 o., 80, 84, 86, 88 o., 110,<br />
118 o., 126 o., 129 u. r.,136 u., 138 o..<br />
Archive/Pressestellen: Privatarchiv Konstantin Groß: 16, 30 o., 46, 52 o., 64 u.,66 o.,<br />
142; Vereinsarchiv <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau: 22 u., 24, 26, 30 u., 32, 34, 36/37, 40, 42, 50 u.,<br />
52 u., 56 o., 58, 60 o., 64 o., 68, 70, 76 u., 78, 82, 88 u., 90, 96, 98, 100, 102, 109,<br />
114, 118 u., 122 o., 126 u., 130, 132, 134, 136 o., 138 u., 140; Archiv Heimatverein<br />
Rheinau/Pfingstberg: 112; Archiv „Mannheimer Morgen“: 56 u., 72/73; Bundeskanzleramt,<br />
Berlin: 8; SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Berlin: 10; Staatsministerium Baden-<br />
Württemberg, Stuttgart: 12; Stadt Mannheim, Büro des Oberbürgermeisters: 14.<br />
Private Donatoren: Joana Emetz: 74 o.
146
147<br />
Förderer<br />
dieses Buches im Speziellen<br />
sowie des Jubiläumsjahres insgesamt<br />
Private Spender:<br />
Jürgen und Karin Ruf, Rolf und Mathilde Günther, Günter und Christa Klug,<br />
Franz und Ursula Franzen, Milada Franosch, Giesela Stocker, Gertrud Pfeil,<br />
Olga Rehm, Sonja Bauer, Udo Buster, Tanja Schladt (Zeitlos-Kosmetik),<br />
Stefanie Türk-Weyrich (Relais-Apotheke)<br />
sowie zahlreiche institutionelle Spender (Vereine und Firmen)<br />
(siehe auf den folgenden Seiten).
171<br />
Personenverzeichnis<br />
Die fettgedruckten Zahlen verweisen auf Seiten, auf<br />
denen die genannten Personen im Bild zu sehen<br />
sind.<br />
Amme, Fritz: 28, 115,<br />
Baral, Heinrich: 41, 135,<br />
Barth, Willi: 33, 34, 35, 123,<br />
Bauer, Sonja: 60,<br />
Baumgard, Peter: 143,<br />
Bausch, Leander: 89, 113,<br />
Bausch, Thomas: 89,<br />
Bender, Erich: 19, 39, 41, 101, 114 f.,<br />
Bergold, Liesel: 55, 62,<br />
Binder, Markus: 92,<br />
Bloemecke, Gerhard: 134, 135,<br />
Blum, Oskar: 80, 135,<br />
Brentano, Heinrich von: 41, 101,<br />
Brucker, Eduard: 115,<br />
Buchert, Paul: 46, 58, 59, 70, 108, 112, 135,<br />
Buchholz, Günter: 126,<br />
Bug, Alexandra: 75,<br />
Bug, Claudia: 55, 62,<br />
Bug, Marianne: 55, 62,<br />
Bumann, Franz: 44, 55, 95,<br />
Burger, Horst: 135,<br />
Buster, Kurt: 39, 101,<br />
Buster, Udo: 147,<br />
Crusius, Ernst: 89,<br />
Daub, Maria: 55, 62,<br />
David, Manfred: 46,<br />
Diefgenbach, Hilde: 60,<br />
Dieter, Rolf: 135,<br />
Duschl, Helmut: 113,<br />
Egger, Johannes: 18,<br />
Ehrhard, Michael: 101,<br />
Eisele, Daniela: 66, 103,<br />
Emetz, Joana: 74, 136,<br />
Engelhardt, Wilhelm: 25,<br />
Etcheverry, Elisabeth: 55, 62,<br />
Facco, Heiner: 45, 79,<br />
Facco, Lino: 39, 87, 101,<br />
Fehringer, Franz: 38, 133,<br />
Feige, Wolfgang: 44, 54,<br />
Fessler, Karl: 89,<br />
Fischer, Reinhilde: 54, 62,<br />
Fischer, Rolf: 48, 125,<br />
Franosch, Milada: 54, 60, 62, 147,<br />
Franzen, Franz: 55, 60,<br />
Franzen, Ursula: 54, 60, 62, 66, 113, 147,<br />
Freundlieb, Ulrike: 142,<br />
Friedrichs, Günter: 19, 46, 54, 60, 80, 113, <strong>120</strong>,<br />
Fritz, Alois: 44, 112,<br />
Fritzinger, Karl: 25,<br />
Gabriel, Sigmar: 10, 11,<br />
Galm, Anita: 55, 62,<br />
Gärtner, Ludwig: 31,<br />
Gaissert, Kurt: 19,<br />
Geeven, Willi: 126,<br />
Gehrig, Hildegard: 55, 62, 134,<br />
Geiß, Johann: 126,<br />
Geißler, August; 24 f., 122 f., 126,<br />
Geißler, Theo: 97,<br />
Genazino, Philipp: 135, 137,<br />
Geörg, Gabriele: 86,<br />
Geven, Willi: 41,<br />
Göttert, Peter: 57,<br />
Gogolin, Eva: 48, 54, 62, 67,<br />
Golebiowsky, Ruth: 55, 62,<br />
Graf, Franz: 43, 126,<br />
Graf, Otto: 115,<br />
Gremm, Valentin: 134, 135, 137, 140, 141,<br />
Grötsch, Michael: 70, 72,<br />
Groß, Birgitt: 17,<br />
Groß, Konstantin: 16, 17, 52 ff., 56, 57, 72, 92, 108,<br />
124, 137, 139, 141, 144,<br />
Grunert, Anna: 54, 62, 95,<br />
Günter, Otto: 55, 60,<br />
Günther, Mathilde: 60, 147,<br />
Günther, Rolf: 55, 60, 147,<br />
Guthmann, Friedrich: 28, 33, 115,<br />
Haag, Willi: 31, 35, 115,<br />
Häfner, Fritz: 54, 95,<br />
Häussler, Josef: 35, 38, 65, 123, 126,<br />
Hanel, Heinz: 55, 95, 109,<br />
Heberer, Helen: 72 f.,<br />
Heck: 29, 31, 123, 126,<br />
Heckert, August: 31,<br />
Heiß: 126,<br />
Held, Philipp: 31, 123, 126,<br />
Held, Vinzenz: 28, 41, 126, 133,<br />
Herbert, Renate: 54, 62,<br />
Hinterberger, Gerlinde: 54, 62,<br />
Hintzen, Heinz: 55,<br />
Hipp, Harald: 50, 83, 87, 89, 113, 117,<br />
Hipp, Manfred: 46, 47, 49, 53, 55, 57, 58, 61, 67,<br />
71, 85, 86, 90, 91, 96, 103, 106, 113, 117, 119, <strong>120</strong>,<br />
122, 124, 125, 126, 127, 140,<br />
Hipp, Roland: 117,<br />
Hitler, Adolf: 32, 33<br />
Höhn, Winfried: 46, 71, 134, 135, 137, 141,<br />
Huber, Sophie: 55, 62, 95,<br />
Iser, Emil: 35,<br />
Jörger, Hansjörg: 143,<br />
Jonatha, Gertrud: 54, 62,<br />
Jünger, Wilhelm: 47<br />
Jüttner, Egon: 58,<br />
Jungmann, Walter: 35<br />
Karl, Jürgen: 47, 117,<br />
Kimmel, Willibald: 134,<br />
Kleiser, Elena: 57, 143,<br />
Klube, Franz: 27, 41, 122 f., 126, 133,<br />
Klug, Christa: 147,<br />
Klug, Günter: 44, 54, 60, 147,<br />
Klug, Peter: 51, 111, 140, 141,<br />
Knoblauch, Hans: 33, 126,<br />
Knoblauch, Siegfried: 71, 108, 113,<br />
Krainhöfner, Walter: 143,<br />
Krause, Walter: 134, 135,<br />
Kreis, Lotte: 54, 62,<br />
Kühner, Josef: 126,<br />
Kuhn, Josef („Seppl“): 55, 113,<br />
Kurz, Peter: 14, 15, 83, 92, 108,<br />
Kußmann, Josef: 55,<br />
Kußmann, Michael: 143,
172<br />
Landua, Irene: 54, 62,<br />
Leider, Heribert: 69, 83,<br />
Lewczuk, Adrian: 74, 88, 89,<br />
Lewczuk, Lucia: 16, 46, 47, 55, 57, 59, 60, 61, 64,<br />
66, 67, 71, 73, 74, 75, 84, 88, 89, 91, 102 ff., 107,<br />
113, 114, 116, 117-121, 124, 141,<br />
Lewczuk, Patricia: 73, 74, 88, 89,<br />
Lewczuk, Raffael: 74, 88, 89,<br />
Liehr: 29, 31,<br />
Lill, Walter: 55, 95,<br />
Limbrunner, Kurt: 28,<br />
Link, Klaus: 83,<br />
Löber, Christian: 126,<br />
Losert, Helmut: 139,<br />
Losert, Stephanie: 59,<br />
Mächerlein, Georg: 33, 35, 38, 44, 65, 126,<br />
Maaß, Leo: 41, 100, 101,<br />
Maier, August: 25,<br />
Maron, Paul: 33, 35, 38, 122 f., 126, 133,<br />
Medici, Helmut: 89,<br />
Merkel, Angela: 8, 9,<br />
Mohr, Bettina: 82, 83,<br />
Morath, Sonja: 54, 62,<br />
Morath, Walter, jr.: 18, 55, 60, 113,<br />
Morath, Walter, sen.: 18, 41, 42, 45, 46, 54, 69, 79,<br />
101, 133,<br />
Müntefering, Franz: 92,<br />
Naoui, Abdelkader: 55,<br />
Nessel, Günther: 18,<br />
Neuner, Erika: 60,<br />
Niessen, Karl-Heinz: 49, 86, 87,<br />
Oechsner, Renate: 55, 62, 66, 71,<br />
Öhring, Ottmar: 61, 121,<br />
Pappert, Robert: 45, 79, 80, 95,<br />
Petruck, Gerda: 54, 62,<br />
Pfeil, Gertrud: 55, 60, 62,<br />
Plehn, Manfred: 143,<br />
Plöchinger, Günter: 55,<br />
Plog, Irene: 54, 62,<br />
Popp, Christa: 54, 62,<br />
Popp, Nicolas: 142,<br />
Powolik, Gerlinde: 55, 62,<br />
Preißler, Anja, geb. Ruf: 55, 62, 75, 76,<br />
Quast, Lothar: 51,<br />
Raab, Norbert: 42,<br />
Ratzel, Ludwig: 43, 134, 135,<br />
Rebmann, Stefan: 142,<br />
Rehm, Olga: 60,<br />
Reichardt, Hubert: 86,<br />
Reichardt, Klaus Dieter: 89,<br />
Ritter, Georg: 115,<br />
Rösser, Karl: 35<br />
Roßrucker, Philipp: 25<br />
Rothacker, Adolf: 23<br />
Rothacker, Mina: 25, 63,<br />
Rothacker, Philipp: 22, 23, 25, 27, 38, 122, 126,<br />
133,<br />
Ruf, Anja: 55, 62, 75, 76,<br />
Ruf, Jürgen: 15, 16, 18, 19, 46, 48, 54, 58, 60, 61,<br />
65, 71, 73, 80, 82, 83, 84, 92, 108, 113, 122, 126,<br />
127, 139, 140, 142, 147,<br />
Ruf, Karin: 15, 48, 54, 60, 62, 65, 67, 70, 92, 147,<br />
Schachtschabel, Hans-Georg: 134, 135,<br />
Scheel, Heinz: 143,<br />
Scherer, Auguste: 25, 63<br />
Scherer, Winfried: 53,<br />
Scheuermann, Klaus: 54,<br />
Schiessl: 126,<br />
Schläger, Hilde: 54, 62,<br />
Schmidbauer, Bernd: 52, 53, 138, 139, 140,<br />
Schmidt, Dieter: 44, 45, 47, 49, 53, 54, 67, 85, 86,<br />
87, 88, 103, 109, 111, 112, 119, 124, 125, 126,<br />
127, 137, 140,<br />
Schmidt, Gerhard: 47, 117,<br />
Schmidt, Rolf: 134, 135,<br />
Schmitt, Helmut: 35, 41, 42, 43, 44, 47, 54, 58, 67,<br />
69, 71, 78, 83, 100, 101, 109, 116, 117, 122, 123,<br />
124, 125, 126, 127,<br />
Schmitt, Karl: 126,<br />
Schmitt, Luise („Liesel“): 48, 55, 62, 66, 67, 71, 90,<br />
Schnepf, Petra: 75,<br />
Scholl, Josef: 29<br />
Schott, Horst: 55,<br />
Schreck, Willibald: 44, 57,<br />
Schreib, Hans: 83, 108, 109,<br />
Schumacher, Emil: 47,<br />
Schwarz, Fritz: 35,<br />
Schwarz, Lina: 35,<br />
Schweizer, Karl: 41, 101,<br />
Schweizer, Manfred: 54, 113,<br />
Seitz, Johann: 25,<br />
Senn, Fritz: 95,<br />
Siebler, Ilona: 66,<br />
Siegel, Franz Josef: 61, <strong>120</strong>, 121,<br />
Sinn, Johann: 126,<br />
Speich, Gerhard: 57, 143,<br />
Spinner, Dr.: 25,<br />
Stahl, Karl: 55, 113,<br />
Stegmann, Johann: 41, 133,<br />
Stein, Michael: 71,<br />
Stemler, Karl: 44,<br />
Stiefenhöfer, Gerd: 95,<br />
Stocker, Gisela: 60,<br />
Stöckler, Gustl: 41, 101,<br />
Stratthaus, Gerhard: 60, 92, 108,<br />
Strauß, Anna: 25, 63,<br />
Stückle, Christa: 55, 62,<br />
Sulger, Uwe: 143,<br />
Szymanski, Herbert: 44<br />
Teufel, Erwin: 12, 13, 53, 58, 59, 93, 95, 96,<br />
Thomas, Fritz: 31,<br />
Triebskorn, Eddy Werner: 60, 61, 121, 142,<br />
Türk-Weyrich, Stefanie: 147,<br />
Ueltzhöffer, Jörg: 135,<br />
Unrath, Michael: 135,<br />
Vesper, Susanne: 54, 60, 62,<br />
Vogt, Arthur: 92,<br />
Vogt, Hildegard: 54, 62,<br />
Wahle, Herbert: 54,<br />
Walter, Dieter: 137,<br />
Weber, Heinrich: 123, 126,<br />
Weber, Willi: 35, 100, 101,<br />
Wegner, Konstanze: 71, 135, 141,<br />
Weidenauer, Rudi: 55, 80,<br />
Weiß, Ingolf: 44,<br />
Widder, Gerhard: 83, 93, 108, 109, 118, 124, 134,<br />
135,<br />
Winterkorn, Gunder: 60,<br />
Wisniewski, Roswitha: 134, 135, 137,<br />
Wittig, Markus: 90, 91,<br />
Wolf, Georg: 142,<br />
Wolf, Heidi: 143,<br />
Wolf, Heinz: 108, 109,<br />
Wollschläger, Anneliese: 54, 60, 62,<br />
Wollschläger, Jupp: 113,<br />
Wüst: 31,<br />
Zenger, Ludwig: 113,<br />
Zink, Jürgen: 61, 121, 141.
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