Sie folgen dem Meister in eine „salonfähige“ Zukunft Der Weg der Kampfsportschule Hurricane zeigt: Die Zeiten haben sich längst geändert __________ Die Raketen flogen in die Menschenmasse. Fragile Bilder einer tollen Fete. Die Rede war von einer Feier ohne Vorkommnisse. Doch eineinhalb Tage später wurde deutlich: Die Silvesternacht von Köln und Hamburg und Stuttgart war eine der schl<strong>im</strong>msten und widerwärtigsten der deutschen Geschichte. Eine Nacht <strong>im</strong> tiefsten Dunkel. Doch sie war auch so etwas wie ein Aufbruch. Salvatore Granieri, Großmeister der Gmünder Kampfsportschule Hurricane, blickt zurück auf die Wochen danach: „Wir hatten einen großen Zulauf. Viele Frauen haben den Weg zu uns gesucht, um sich verteidigen zu lernen.“ Und das wird auch, wenn die schl<strong>im</strong>msten Hochwasserschäden endgültig der Vergangenheit angehören, weiter so sein. Kampfsport ist weit mehr als nur ein Sport, bei dem die Fäuste und die Beine fliegen. „Bei der Verteidigung des eigenen Lebens, dem Schutz des eigenen Körpers in einer Extremsituation gelten viele Aspekte, die wir lehren. An allererster Stelle steht der Glaube an sich selbst.“ Granieri, mehrfacher Weltmeister <strong>im</strong> Kickboxen und Großmeister, erläutert den Frauen das, was er in den Selbstverteidigungskursen <strong>im</strong>mer tut: „Ihr müsst lernen, Euer Auftreten zu ändern. Beweist Mut, zeigt eine aufrechte Körperhaltung und traut Euch einfach auch Mal zu fragen: ,Hey, verfolgen Sie mich?’ - so könnt ihr überraschen, Stärke zeigen. Aus einer Gruppe werden solche Verbrecher <strong>im</strong>mer das schwächste Glied herausgreifen.“ Die Frauen, die Granieri jetzt zu den 180 Mitgliedern seiner Schule zählt, haben diese Rolle abgelegt. Und die neu Hinzugekommenen treffen <strong>im</strong> „Hurricane“ längst nicht nur auf etablierte Erwachsene. Kinder- und Jugendarbeit ist eines der wichtigsten Standbeine, die Granieri verfolgt. Der kleinste Athlet ist gerade einmal drei Jahre alt. Die Schwellenängste der Eltern vor einer Kampfsportschule sind längst passé. „Kampfsport ist auf dem Weg, salonfähig zu werden“, sagt Granieri. Größtes Vertrauen genießen die Kinder. Dafür schafft der Weltmeister Regeln. „Regeln bedeuten Sicherheit. Disziplin bedeutet Konzentration. Und zu allem kommt der Spaß hinzu.“ Und in der Kombination führt dies zu dem, was Granieri vor vielen Jahren, als er die Kampfsportschule gegründet hat, als Wunsch und Ziel verfolgte: die Beste in Deutschland zu werden. Einen Titel, den er mehrfach verliehen bekam. Seine Sportler danken es ihm. Mit zwölf Kickboxerinnen und Kickboxern reiste Granieri zu den Weltmeisterschaften in den Sindelfinger Glaspalast in diesem Jahr. Und jetzt geht es <strong>im</strong> <strong>Juli</strong> zu den US Open, dem Highlight für jeden einzelnen. Darauf hat Granieri hart trainieren lassen und selbst hart trainiert. Denn er wird selbst nochmals antreten. „Das war mein großer Traum. Unser großer Traum.“ Den Sportlern, die ihn begleiten werden, hat er den Flug gezahlt. Und den Aufenthalt. Die gesamte Schule hat es ihm aber längst bewiesen, dass jeder Cent bestens angelegt ist: „Wir haben zwischenzeitlich vier Sponsoren gefunden, die uns dauerhaft unterstützen. Wie gesagt: Kickboxen ist auf dem besten Wege in eine salonfähige Zukunft.“ Ein kleiner Sportler tritt an ihn heran, verneigt sich und sagt: „Tschüss Meister!“ Seine Augen strahlen. Granieri verabschiedet ihn. Und er weiß, der Kleine wird wiederkommen. So schnell es nur geht. Denn der Nachwuchs fühlt sich unhe<strong>im</strong>lich wohl <strong>im</strong> „Hurricane“. Der Teamgedanke zieht sich durch alle Generationen.
Text und Fotografie: Ralph Wild Kampfsportschule Hurricane . 77