05.08.2016 Aufrufe

AUGUST/SEPTEMBER

BerlinValley-August-September-2016

BerlinValley-August-September-2016

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BIOPRINTING<br />

BIOPRINTING<br />

sagt Tran-Mai. Sein Ziel sei es, das Verfahren<br />

in der Medizin für Implantate oder Prothesen zu<br />

etablieren. Das Startup finanziert sich derzeit durch<br />

den Verkauf der speziellen Kunststofffasern und zugehöriger<br />

Drucker. Es bietet aber auch Beratungen<br />

und Trainings an. „Bereits im ersten operativen Geschäftsjahr<br />

konnten wir einen sechsstelligen Umsatz<br />

erzielen“, sagt Tran-Mai. Zurzeit werde mit potenziellen<br />

Investoren verhandelt.<br />

Kürzlich wurde Indmatec als bestes Startup<br />

Baden-Württembergs ausgezeichnet. Bei der Veranstaltung<br />

des Netzwerks für Beteiligungskapital VC-<br />

BW dürfte eine hübsche Summe zusammengekommen<br />

sein: Mindestens 300 .000 Euro und bis zu drei<br />

Millionen Euro konnten die Teilnehmer einwerben.<br />

Die genauen Deals wurden diskret verhandelt.<br />

AUGEN<br />

Forscher im britischen Cambridge haben<br />

lebende Netzhautzellen gedruckt. Sie<br />

sind überzeugt, damit irgendwann Blinde<br />

heilen zu können.<br />

KÖRPERTEILE ÜBERSCHRIFT AUS DEM DRUCKER<br />

SCHÄDEL<br />

Neurochirurgen aus Utrecht haben<br />

bereits eine künstlich erzeugte<br />

Schädeldecke verpflanzt.<br />

OHREN<br />

In Princeton haben Forscher<br />

ein bionisches Ohr erzeugt,<br />

das Radiowellen hören kann.<br />

„IN FÜNF<br />

JAHREN<br />

STEHEN<br />

3D-DRUCKER<br />

IN ALLEN<br />

GROSSEN<br />

FIRMEN“<br />

LEBER<br />

Die US-Firma Organovo<br />

druckt funktionsfähige<br />

Leberzellen. Sie werden<br />

der Pharmaindustrie für<br />

die Forschung verkauft.<br />

KNOCHEN<br />

Forscher der Universität<br />

Freiburg arbeiten<br />

daran, Knochen zu<br />

drucken, die eigene<br />

Blutgefäße enthalten.<br />

International gefragt: Durch die Knochen fühlen sich die Silikonprothesen von Stamos + Braun wie echt an.<br />

MARCEL PFÜTZNER, MMM<br />

Aus dem Drucker kommen menschliche Knochen,<br />

Muskeln und Organe. Sie sehen aus wie echt, sie<br />

fühlen sich echt an. Mitten in einem historischen<br />

Backsteinbau vor den Toren Berlins findet gerade die<br />

Zukunft statt. Das Startup Medizinische Modellbau<br />

Manufaktur, kurz MMM, stellt lebensechte Kopien<br />

von Organen her – mit einem 3D-Drucker. Neulich<br />

haben sie hier das Herz einer 86-jährigen Frau<br />

nachgedruckt. Die Patientin konnte kaum atmen oder<br />

laufen, weil ihre Herzklappe sich verengt hatte. Die<br />

Ärzte planten eine Aortenklappenprothese – eine<br />

heikle Operation in diesem Alter. Also ließen sie das<br />

Herz der Frau originalgetreu nachdrucken und übten<br />

daran in einer Probeoperation präzise jeden Handgriff.<br />

Anhand des Herzens aus dem Drucker konnten<br />

sie auch die exakt passende Prothese für die alte<br />

Dame anfertigen. Das ist eine Revolution der Medizintechnik<br />

– und Marcel Pfützner ist mittendrin.<br />

Pfützner hat das Startup MMM 2014 zusammen<br />

mit seiner Frau gegründet. „In fünf Jahren werden<br />

3D-Drucker in allen großen Unternehmen und<br />

Krankenhäusern stehen“, sagt er im Magazin der<br />

Deutschen Bank. Wenn es nach ihm geht, soll die<br />

modellgestützte Operationsplanung schon 2020<br />

aus keiner Klinik mehr wegzudenken sein. Sein<br />

Startup hat sich vorwiegend auf Ärzte spezialisiert,<br />

die anhand der 3D-Modelle ihre Eingriffe planen<br />

und individualisieren. Von der Übermittlung der<br />

Patientendaten bis zum fertigen Modell dauert es<br />

rund 72 Stunden. Auch Jungmediziner können anhand<br />

der lebensechten Organe geschult werden.<br />

Die Pfützners haben dafür im vergangenen Jahr<br />

26 / berlinvalley.com<br />

DER GEDRUCKTE MENSCH<br />

Organe aus dem 3D-Drucker sind die Zukunft der modernen Medizin.<br />

Auch deutsche Startups gehen unter die Bioprinter<br />

den Businessplan-Wettbewerb der Berliner Sparkasse<br />

gewonnen und den Bundeswettbewerb „Ausgezeichneter<br />

Ort im Land der Ideen“. Die Finanzierung<br />

stellten sie zusammen mit der Deutschen Bank<br />

auf die Beine und nutzten dafür auch öffentliche<br />

Mittel wie den Gründerkredit „Startgeld“ der Förderbank<br />

KfW. Nun gehören schon Kliniken in ganz<br />

Deutschland zu den Kunden. Trotzdem ist Pfützner<br />

viel unterwegs, um sein Angebot bei Chefärzten<br />

und Ausbildern vorzustellen. „Es ist eine immense<br />

Arbeit, Interesse an einem Produkt zu wecken, dass<br />

es bis dato nicht gegeben hat“, sagt er der Plattform<br />

Medizintechnologie.de.<br />

DAS ALTER BESIEGEN<br />

Ärzte und Forscher träumen von einer wahren<br />

Revolution der Medizin: lebensfähiges Gewebe<br />

aus dem Drucker. Allein in Deutschland warten<br />

10.000 Menschen auf eine Organtransplan tation.<br />

3D-Drucker könnten das Problem beheben. Das<br />

Anwendungsfeld ist riesig. Chirurgen könnten<br />

Patienten nach schweren Unfällen das Gesicht rekonstruieren,<br />

verletzte Beine würden nachgedruckt,<br />

verschlissene Knie mit neuen Knorpeln versehen.<br />

Sogar das Alter ließe sich besiegen – indem altes<br />

Gewebe einfach ersetzt wird. Noch steckt das sogenannte<br />

Bioprinting in den Kinderschuhen, aber<br />

es ist schon Erstaunliches möglich.<br />

Forscher der Universität Princeton haben ein Ohr<br />

gedruckt, das Frequenzen wahrnimmt, die normalerweise<br />

unhörbar sind. Das US-amerikanische<br />

Unternehmen Organovo wiederum druckt Gewebe<br />

für die medizinische Forschung, um Tierversuche<br />

überflüssig zu machen. Auch eine Mini-Niere kam<br />

schon aus dem Drucker. Sie überlebte fünf Tage<br />

außerhalb des Labors. An der Harvard University<br />

ist es gelungen, Gewebe zu drucken, das sechs<br />

Wochen überlebte. Möglich war das durch eine<br />

spezielle Biotinte bestehend aus Enzymen, Gelatine,<br />

Zellen und Wachstumsfaktoren.<br />

Noch ist eine Anwendung am Menschen nicht möglich,<br />

aber überall auf der Welt entwickeln Forscher<br />

und Unternehmen Produkte, die im wahrsten Sinne<br />

des Wortes beeindruckend sind. Auch in Deutschland,<br />

wie die Beispiele aus Berlin, Karlsruhe und<br />

Dresden zeigen.<br />

KEIN METALL MEHR IM KÖRPER<br />

In Karlsruhe gibt es seit zwei Jahren das Startup<br />

Indmatec. Sein Mitgründer Tony Tran-Mai sagt:<br />

„Auch wenn es sehr viel Zuspruch von allen Seiten<br />

gibt, gehen viele doch vorsichtig an diese recht<br />

neue Technologie heran.“ Das Unternehmen hat<br />

den thermoplastischen Kunststoff Peek entwickelt,<br />

der mittels Schmelzschichtung, der sogenannten<br />

FFF-Technologie, gedruckt werden kann. Peek soll<br />

eine Alternative zu Metall sein, leicht wie Aluminium,<br />

aber sehr belastbar. Geeignet unter anderem als<br />

Zahnersatz oder als Werkstoff in der Chirurgie.<br />

Denn viele Patienten, die etwa Titan in den Körper<br />

geschraubt bekommen, damit schwere Brüche heilen,<br />

reagieren allergisch auf das Metall. „Wir sind<br />

das erste Unternehmen weltweit, das Peek mit der<br />

FFF-Technologie professionell verarbeiten kann“,<br />

Fotos: matthiaspopp.com, MMM Medizinische Modellbau Manufaktur GmbH<br />

GEFÜHLSECHTE SKELETTHAND<br />

Das Dresdner Startup Stamos + Braun Prothesenwerk<br />

hat sich bewusst gegen Investoren entschieden,<br />

um unabhängig zu sein. Das Unternehmen<br />

finanziert sich aus dem Cashflow, den es durch<br />

seine Kunden aus aller Welt generiert. Die lebensechten<br />

Prothesen sind international gefragt –<br />

die Kunden kommen aus Saudi-Arabien, Katar,<br />

Kuwait. Kurz nach der Gründung im Jahr 2014 haben<br />

Stamos + Braun den Fokus auf den 3D-Druck<br />

gelegt und kooperierten dafür mit der Technischen<br />

Universität Dresden.<br />

Als weltweit erstem Unternehmen ist es ihnen gelungen,<br />

medizinische Silikone zu drucken. „Die<br />

Prothesen aus dem 3D-Drucker wiegen bis zu 50<br />

Prozent weniger. Für einen Prothesenträger sind<br />

HAUT<br />

In Hannover werden<br />

münzgroße Hautstücke<br />

gedruckt. Mäusen<br />

wurden sie erfolgreich<br />

transplantiert.<br />

Testkörper: realitätsnahe Patientennachbildung eines Herzens und eines Brustkorbs, um die Implantation einer Aortenklappe zu üben<br />

das Welten“, sagt Mitgründer Alex Stamos. Künstliche<br />

Füße, Finger oder Hände werden mitsamt integrierten<br />

Knochenstrukturen gedruckt. „Durch die<br />

Knochen fühlt es sich extrem echt an, wenn man die<br />

Hand gibt“, sagt Stamos.<br />

Derzeit laufen Testdrucke, Patienten tragen die ersten<br />

komplett gedruckten Vorfußprothesen Probe.<br />

Ende des Jahres wollen Stamos + Braun einen eigenen<br />

Silikon-3D-Drucker auf den Markt bringen.<br />

„Wir wollen zeigen, dass nicht nur die Big Player<br />

in dem Bereich mitmischen können, sondern auch<br />

kleine innovative Betriebe“, sagt Stamos. Das<br />

israelische Verteidigungsministerium habe bereits<br />

Interesse angemeldet.<br />

Jenny Becker<br />

berlinvalley.com / 27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!