Geschlechtsdifferenzierung und ihre Abweichungen - oapen
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Gr<strong>und</strong>lagen der psychosexuellen Entwicklung <strong>und</strong> „<strong>ihre</strong>r Störungen“<br />
hagen im eigenen körperlichen Ursprungsgeschlecht <strong>und</strong> wird als belastend erlebt.<br />
In anderen Worten: Die Person erlebt eine Diskrepanz zwischen körperlichem <strong>und</strong><br />
psychischem Geschlecht, dem sie sich zugehörig fühlt. Sie erlebt so einen Widerspruch<br />
zwischen Haben <strong>und</strong> Fühlen bzw. zwischen Haben <strong>und</strong> Sein. Der Begriff<br />
Transsexualität geht auf Harry Benjamin (1966) zurück. Im klinischen Kontext<br />
wird auch von Geschlechtsdysphorie (Fisk, 1974), Transidentität (Rauchfleisch,<br />
2006), Transsexualismus oder Störung der Geschlechtsidentität 11 <strong>und</strong> zunehmend<br />
auch von Transgender gesprochen.<br />
a) Diagnostische Kriterien<br />
Das internationale, amerikanisch geprägte Diagnosemanual DSM IV (APA, 2000)<br />
klassifiziert eine Geschlechtsidentitätsstörung nach festgelegten Merkmalen. Eine<br />
solche liegt demnach vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:<br />
A. Gegengeschlechtliche Identifikation (cross-gender feeling)<br />
B. Anhaltendes Unbehagen mit dem eigenen biologischen Geschlecht<br />
C. Ausschluss von biologischer Intersexualität<br />
D. Klinisch signifikanter Distress<br />
Im ICD-10 (WHO, 1993), dem in Deutschland <strong>und</strong> Europa geltenden <strong>und</strong> Krankenkassen-relevanten<br />
Klassifikationssystem, ist noch vom Transsexualismus<br />
(F64.0) die Rede. Dieser wird der Gruppe der „Störungen der Geschlechtsidentität“<br />
zugeordnet (F64) <strong>und</strong> zu den sog. Persönlichkeits- <strong>und</strong> Verhaltensstörungen<br />
gezählt (Kapitel F6). Hier wird Transsexualismus wie folgt definiert:<br />
„Wunsch, als Angehöriger des anderen anatomischen Geschlechts<br />
zu leben <strong>und</strong> anerkannt zu werden. Dieser geht meist<br />
mit dem Gefühl des Unbehagens oder der Nichtzugehörigkeit zum eigenen<br />
Geschlecht einher. Es besteht der Wunsch nach hormoneller<br />
<strong>und</strong> chirurgischer Behandlung, um den eigenen Körper dem<br />
bevorzugten Geschlecht soweit wie möglich anzugleichen.“<br />
Diagnostische Kernmerkmale, die von beiden Diagnosemanualen genannt werden,<br />
sind das Auftreten einer gegengeschlechtlichen Identifikation <strong>und</strong> das Unbehagen<br />
mit dem eigenen biologischen Geschlecht. Darüber hinaus wird als diagnostische<br />
<strong>und</strong> behandlungsrelevante Leitlinie gefordert, dass die transsexuelle Identität mindestens<br />
zwei Jahre durchgehend bestanden haben muss <strong>und</strong> nicht Symptom einer<br />
anderen psychischen Störung wie z.B. einer Schizophrenie bzw. Psychose sein darf.<br />
11 Genau genommen trifft der Begriff der „Geschlechtsidentitätsstörung“ nicht für alle Betroffenen<br />
zu. Denn viele beanspruchen, nicht in <strong>ihre</strong>r Geschlechtsidentität gestört zu sein, die sie oft als eindeutig<br />
männlich oder weiblich erleben, sondern unter der Dissonanz oder Diskrepanz zwischen Körpermerkmalen<br />
<strong>und</strong> psychischem Geschlechtserleben <strong>und</strong> Zugehörigkeitsgefühl zu leiden.<br />
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